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Die Unfallyersiclierung' cler Eisen- und Stahl-Industrie im Jalire 1886

W dokumencie Stahl und Eisen, Jg. 8, No.2 (Stron 35-41)

Nach § 77 des U nfallversicherungsgesetzes vom 6. Juli 1 8 8 4 ist dem R eichstage iiber die gesam m ten R echnungsergebnisse der Berufs­

genossenschaften alljahrlich eine vom Reichs- V ersicherungsam te aufzustellende N achw eisung vorzulegen. Die erste dieser N achw eisungen erschien im Ja h re 1887 und um fafste, da be- kanntlich das U nfallversicherungsgeselz am 1. O ctober 18S5 in K raft getreteu w ar, den R est dieses Jahres, also ein Q uartal. W egen der Kurze dieses Z eiłraum es und noch m ehr wegen des U m stan d es, dafs infolge der 13- wócliigen Carenzzeit aufser den Todesfallen, die in dem behandelten Z eitraum vorgekom m en, ent- schadigungspflichtige Unfalle zur A uszahlung der Entschiidigungen keinen Anlafs gegeben hatten, w ar das Bild, w elches diese N achw eisung von der T hatigkeit der Berufsgenossenschaften gah, ein Uickenhaftes und konnte deshalb auch fiir irgend- welche Schliisse eine G rundlage nicht abgeben.

A nders verhalt es sich m it der vor ganz kurzer Zeit dem R eichstage zugestellten N ach­

w eisung au f das Ja h r 1886. H ier liegt uns zum ersten Małe ein B ericht iiber die durch die Berufsgenossenschaften gehandhabte Ver- w altung und den ganzen U m kreis ihrer Ge- schafte auf die D auer eines Jah res vor, und bereits h a t m an in der T agespresse und in Fachzeitschriften begonnen, auf G rund dieses M aterials in die U ntersuchung der verschiedenen,

die U nfallversicherung betreffenden F ragen ein- zutreten. W enn w ir nun auch der Ansicht sind, dafs selbst an der Hand dieser N ach­

weisung nicht alle vor und seit dem Inkraft- treten des Gesetzes aufgetauchten Controversen ihren A ustrag finden w erden, wie beispielsweise die F ra g e des V erhallnisses der Yerwaltungs- kosten zu den E n tsc h ad ig u n g sb etrag e n , so wollen w ir keineswegs verkennen, dafs dieselbe nach gewissen Seiten hin kliirend zu wirken geeignet ist und auch bestim m t sein diirfte, den A nfang abzugeben zu einer A rbeiterstatistik, welche uns vor der durch die B erufsgenossen­

schaften bew irkten O rganisation der Industrie auch in ihren rudim entarsten Elem enten gefehlt hat.

So verlockend es nun auch w a re , auf dieses Gebiet der Controversen zu folgen, so wollen w ir uns fiir heute doch nu r m it einer w eniger aufregenden, unseren Lesern aber jeden­

falls nachstliegenden F rage, nam lich der nach der S tellung der Eisen-Industrie in der Unfall- versicherung des Jah res 1886, beschaftigen und legen dabei diejenigen Zahlen zu Grunde, w elche in der genannten N achw eisung fiir die 8 Eisen- und Stahl-B erufsgenossenschaften, liir

die S uddeutsche Eisen- und Stahl-Berufs- genossenschaft,

dieSudw estdeutscheEisen-B erufsgenossenschaft, die R heinisch-W estfalische Htitten- und W alz-

w erks-B erufsgenossenschaft,

F ebruar 1888. „ S T A H L U N D E I S E N . * Nr. 2. 101 die Rheinisch-W estfalische M aschinenbau- und

Kleineisenindustrie-Berufsgenossenschaft, die S achsisch-T huringische Eisen- und Stahl-

Berufsgenossenschaft,

die N ordostliche Eisen- und Stahl-Berufs-genossenschaft,

die Schlesische Eisen- und Stahl - Berufs- genossenschaft und

die N ordw estliche Eisen- und Stahl-Berufs-genossenschaft,

aufgefiihrt sind.

W as zunachst die O r g a n i s a t i o n dieser Berufsgenossenschaften betrifft, so sind sie m it Ausnahm e der Siidw estdeutschen und der Sachsisch-Thiiringischen in Sectionen eingetheilt und zw ar in 34. G enossenschaftsvorstands-tnilglieder zahlen sie 84, also durchschnittlich 10,5. Vor einiger Zeit m achte das Reichs- Yersiclierungsamt die Berufsgenossenschaften darauf aufm erksam , dafs es seiner Meinung nach im Hinbliek auf die Ilohe der Reisekosten und Diitten angezeigt sei, keine uberinafsig grofse Zahl von G enossenschaftsvorstandsm itgliedern zu besitzen, und druckte dabei den W unscli aus, es mochten nicbt m ehr ais je 12 Mitglieder in den G enossenschaftsvorstand gew ąhlt w erden. W ir sehen, dafs die Eisen- und S tahl - B erufs­

genossenschaften durchschnittlich untor diesem Satz geblieben sind, iiber densclben hinaus gelit nur die R heinisch-W estfalische Hiitten- und W alzw erks-B erufsgenossenschaft m it 18 Mit- gliedern. Sectionsvorstandsm itglieder giebt es in der Eisen- und Stahl-B ranche 173, Delegirle zu den G enossenschaftsversam rnlungen 315 und V ertrauensm anner 3 7 7 , S chiedsgerichte sind 36 in Thatigkeit und ais V ertreter ihrer Collegen fungiren 190 Arbeiter.

Beziiglich des U m f a n g e s d e s K r e i s e s d e r V e r s i c h e r t e n nim m t die Eisen-Industrie in der U nfallversicherung die dritte Stelle ein. An durchschnittlich beschaftigten Betriebsbeam ten und Arbeitern w aren im Jahre 18 8 6 innerhalb der 8 Berufsgenossenschaften versich ert: 4 1 1 2 8 1 Personen. Dazu kom m en versicherte Betriebs- unternehm er ir. Zahl von 3 6 4 , von denen 340 auf die R heinisch-W estfalische M aschinenbau- und K leineisenindustrie-Berufsgenossenschaft und 22 auf dio S achsisch-T huringische kom m en, so­

wie 362 sonslige V ersicherte, im ganzen

*112 007 Yersicberte. Es w aren in dem ge- nannten Jahre in D eutschland iiberhaupt inner­

halb der 62 B erufsgenossenschaften versichert 3 473 4 3 5 P ersonen, in der Eisen- und S tah l­

industrie also 1 1 , 8 $ . In erster Reihe steht in dieser Beziehung das Bangew erbe mit zu- samtnen 592 118 Versicherten, wrelche in 12 Berufsgenossenschaften zusam m engefafst sind und 17 % der G esam m tzahl der Versicherten aus- m achen. Sodann folgt die T estil-Industrie mit 543 179 oder 15,6 ^ . Der michste der Eisen­

industrie folgende Gewerbszweig ist das Berg- gewerbe. Die K nappschafts-Berufsgenossenschaft um fafst 34 3 707 V ersicherte oder 9 , 9 $ .

Bei der F rage nach der W o h l f e i l h e i t d e r V e r w a l t u n g unserer Berufsgenossenschaften spielt tias V erhaltnifs, w elches zw ischen der Zahl der Betriebe und der der Y ersicherten obw altet, die grófste Rolle. Je grofser die letztere und je k le inerdie erstere, um so einfacher und billiger die V erw altung. Sehen wir uns a u f diese F rage hin die Eisen- und S tah l­

industrie im Kreise der m it ih r verglichenen G ewerbszweige an, so finden wir, dafs von der G esam m tzahl der versicherten Betriebe in Ilohe von 269 174 entfallen:

au f das Ba u b a n d w e r k : 85 4 0 5 oder 31,7 %>

au f die T e s t i l - I n d u s t r i e : 8 94 0 „ 3, 3 auf die E i s e n - I n d u s t r i e : 10 793 „ 4, 0 auf das B e r g g e w e r b e : 1 658 „ 0,6 $ •

Man sieht schon hieraus, dafs von den an- gefiihrten Branchen am besten das Berggewerbe gestellt ist. Bereclinen w ir noch die Zahl der V ersich erlen , welche au f je einen Betrieb kom m en, so erhalten wi r :

fiir das B a u g e w e r b e : 6,9 Yersicberte, f i i r d i e T e x t i l - I n d u s t r i e : 6 0 ,7 , fiir die E i s e n - I n d u s t r i e : 38,1 * fiir das B e r g g e w e r b e : 2 0 7 ,3 „ Die Beitrage zur Deckung der Unfall- versicherungskosten werden bekanntlich auf dem W ege der Umlage und zw ar so aufgebracht, dafs jed er Betrieb nach dem Verhaltnifs der in ihm ent- haltenen G efahr und der von dem betreffenden B etriebsunternehm er gezahlten L ohnsum m e einen antlieiligen Beitrag entrichtet. Die Ł ohne fiir die einzelnen A rbeiter w erden dabei jedoch nur soweit voll zur A nrechnung gebracht, ais sie 1200 Mark fiir das Ja h r nieht iibersteigen; von dem ev. iiberschiefsenden Betrage kommt nur ein Drittel in A nrechnung und wird dernzufolge auch nu r in dieser Hohe bei der Renten- berechnung in Ansatz gebracht. Man wird deshalb d arauf achten m ussen, dafs die in der N achw eisung fiir die einzelnen Gewerbszweige aufgefuhrten L ohnsununen nieht die wirklich gezalilten, sondern die infolge dieser gesetzlichen B estim m ung modificirten Lohnholien dar- stellen. W ir konnen daher aus den Endzahlen nieht ersehen, wieyiel Lohne effectiv gezahlt sind, und sind n ur im stande, anzugeben, m it welchen S um m en die einzelnen Branchen an der Unfall- versicherung betheiligt w aren. Dabei stellt sich denn fiir die von uns verglichenen Berufs- genossenschafts- G ruppen folgendes Y erhaltnifs h e ra u s :

B a u g e w e r b e : 34 4 0 5 0 1 4 7 ,0 4 oH>

T e x t i l - I n d u s t r i e : 308 607 3 7 8 ,4 3 „ E i s e n - I n d u s t r i e : 354 48 0 4 1 7 ,1 8 , B e r g g e w e r b e : 250 795 6 1 7 ,0 0 ,

102 Nr. 2. „ S T A H L U N D E I S E N . “ F eb ru ar 1888.

Da von den gesam ralen 62 Berufsgenossen- schaften an anrechnungslahigen Lohnen gezahlt w urden 2 22 8 33 8 8 6 5 ,5 9 J&, so stelll sich das angefiihrten Gewerbszweige seinen A rbeitern d u rchschnittlich an 1 2 0 0 d t iibersteigenden Lohnen m ehr zahlt, ais die Eisen-Industrie, so konnen w ir w ohl auch m it einiger S icherheit die B ehauptung aufstellen, dafs die E isen-Indusliie u b erhaupt die grofste L ohnsum m e u nter den giinstiger ais der D urchschnilt.

Gehen w ir nun iiber zu der Thatigkeit, w elche die Eisen- und Slahl-B erufsgenossen- scbaften im Jahre 1 8 8 6 entw ickelt haben, so sehen w ir zunachst, dafs dieselben aus dem Ja h re 1885 an entschadigungspflichtigen Un- fallen in das Ja h r 18 8 6 K erubernahm en 19 und dafs fur 1502 Unfalle im Jahre 18 8 6 E n t­

schadigungen festgestellt w urden und zw ar zahlten sie fur diese Unfalle (aus der Nach-w eisungs-T abelle ist leider nicht ersichtlich, w elche von den im Ja h re 18 8 5 bereits zur E ntschadigung gelangten Unfallen in dem selben Ja h re erledigt w aren, ebenso nicht, ob samrnt- der ersteren vorgesehen, sowie Kapital- zahlungen an A uslander haben die Eisen- und Stahl-B erufsgenossenschaften nicht zu zahlen gehabt.

D urchschnittlich verursachle jed er Unfall an Entschadigungen, wenn w ir annehm en, dafs die die Eisen- und S tahl-B erufsgenossenschaften ge­

zah lt: 13 1 0 1 ,3 8 tMy fiir jeden Unfall (hier auf Reisekosten und T agegelder

der G enossenschaftsvorstande

auf Insertions- und sonstige Publicationskosten sam m enhange die diesbeziiglichen Zahlen der Eisen-B erufsgenossenschaften nochm als wieder, so zahlten fiir jeden U nfall:

Februar 1888. „ S T A H L U N D E I S E N . ' Nr. 2. 103

Gewerbszweig

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Baugewerbe 164,53 8,56 9,41 297,29

Textil-lndustrie 114,19 5,99 18,32 220,59 Eisen-Induslrie 161.46 8,72 12,82 143,59

Berggewerbe Die

lersiclicrongs-V37,99 4.15 5,20 68,86

pllichtigen Iuduslric- iwcige insgmmnit

173,50 8,77 12,23 235,46

Nach § 18 des U nfallversicherungsgesetzes sind die Berufsgenossenschaften verpflichtet, im ersteu Jahre 30 0 ty der von ihnen gezahlten Entschadigungen in den R e s e r v e f o n d s ein- zulegen; die Eisen- und Stahl-Berufsgenossen- schaften haben deshalb in dem genannten Jahre einen Reservefonds von 736 7 1 2 ,8 8 angelegt.

Die S um m ę siim m tlicher Ausgaben betragt 1 278 4 0 1 ,8 7 cM . U nter denselben befindet sich ein Pośten, den w ir bisher nicht aufgefiihrt haben, nam lich der fiir die U n f a l l v e r h u t u n g , im Betrage von 13 2 1 9 ,8 2 J i . An und fiir sich wird derselbe klein erscheinen, jedoch wird man bedenken miisśen, dafs im ersten Jahre der Y erwaltung die Berufsgenossenschaften voll- auf mit anderen organisatorischen Arbeiten be- schiiftigt w aren. Bis jetzt besitzen 3 Eisen- und Stahl-B erufsgenossenschaften vom Reichs-Ver- sicherungsatnte genelim igte Unfallverhiitungs- vorschriften und in denselben fuugiren zur Be- aufsichtigung der D urchfuhrung dieser Vor- schriften 5 sogenannte „B eauftragle8. Die iibrigen Berufsgenossenschaften begniigen sich vorlaufig, die den letzteren Beam ten gem afs

§ 82 des Gesetzes zugewiesenen Aufgaben durch ihre V ertrauensm anner erliillen zu lassen.

W erfen w ir schliefslich noch einen Blick auf die eiitschadiguhgspilichtigen Verletzungcn, welche innerhalb des von uns besprochenen Kreises w ahrend des Jah res 1886 vorgekom m en sind, so w issen w ir ja bereits, dafs es an Zahl 1502 w aren. A uf 10 0 0 versicherte Personen kom m en danacti 3 ,6 7 . Bei dem Baugevverbe belauft sich die Zahl desselben Verhiiltnisses auf 3 ,3 1 , bei der Textil-lndustrie auf 1 ,31, beim Berggew erbe au f 6.17 und im D urchschnitt bei sarnm tlichen B erufsgenossen­

schaften au f 2 ,8 3 .

Von den Yerletzten w aren in der Eisen- Industrie 1418 m annliche, 13 weibliche

Er-w achsene, 66 m annliche und 5 weibliche jugendliche (unter 16 Ja h re alte) A rbeiter.

W enn es erlaubt ist, aus dem Yerhaltnifs dieser Y erletztenzahlen zu einander einen Schlufs zu ziehen auf das V erhaltnifs der in der Eisen- Industrie beschiiftigten weiblichen zu den m annlichen A rbeitern, so w urden w ir bem erken kónnen, dafs die weiblichen A rbeiter ca. 1,2 ty von der Anzahl der m annlichen bilden, w ahrend sie in der T extil-Industrie 4 2 ty (!) darstellen, beim Berggewerbe allerdings nu r 0,6 ty und beim Baugewerbe gar n u r 0,4 ty, im grofsen D urchschnitt aber wieder ca. 4 t y .

H ervorgerufen w urden die Unfiille in der Eisen-Industrie in 22 Fallen durch Explosion, in 152 Fallen durch gliihende M etalhnassen, heifse Stzende F lussigkeiten, giftige Gase, Dampfe u. s. w., in 44 3 F a l l e n d u r c h b e w e g t e M a s c h i n e n t h e i l e ( M o t o r e n , T r a n s m i s s i o - n e n , A r b e i t s m a s c h i n e n u. s. w .), in 226 Fallen durch Z usam m enbruch. Einsturz, Herab- fallen von Gegenstiinden, in 147 Fallen durch F ali von Leilern und T reppen, Gallerien in Vertiefungen, in Bassins u. s. w ., in 25 7 Fallen durch F ah rzeu g e, Beforderung von Lasten, Auf- und Abladen, in 25 5 Fallen durch Ge- brauch von einfachem H andw erkszeug und sonstige U m stande.

Von den Verletzungen betroffen w urden in 27 3 Fallen Kopf und Gesicht (Augen), in 541 F a l l e n A r n i e u n d H i i n d e , in 42 2 Fallen Beine und Fiifse, in 219 Fallen andere und m ehrere K orpertheile zugleich. 12 Arbeiter er- stickten, 2 ertranken und 33 erlitten sonstige V erletzungen.

Ais Folgę der V erletzung stellte sich ein bei 36 8 Personen eine voriibergehende Erw erbs- unfahigkeit von m ehr ais 13 W ochcn bis zu 6 M onaten, bei 791 P e r s o n e n e i n e l a n g e r a i s 6 M o n a t e d a u e r n d e t h e i l w e i s e und bei 143 eine solche yollige Erw erbsunfahigkeit.

2 0 0 P ersonen erlitten infolge der Verletzungen den Tod.

Diese Getódteten hinterliefsen 124 W ittw en, 2 7 3 Kinder und 8 3 A scendenten, dereń einzige E rn a h rer sie gewesen.

Die E isen-lndustrie nim m t ih rer Bedeutung fiir unser E rw erbsleben nach einen der ersteu Platze ein; schon dieses kurze Bild ihrer Thatigkeit bei der U nfallversicherung w ird ge- zeigt haben, dafs sie auch au f diesem Gebiete dieselbe Stellung beh.auplet. R. Krause.

104 Nr. 2. „ S T A H L U«ND E I S E N . * .februar 1888.

Die Erweiterung der Aufgaben der Berufsgenossenjjcłiaften, der Bernfsgenossenschaftsyerband und die deutsche Industrie.*

Am 27. Juni v. J. w urde in F ran k fu rt a. M. I der „Yerband deutsclier Berufsgenossenschaften* | ins Leben gerufen. Derselbe gab von vornherein die A bsicht k u n d , fiir eine E r w e i t e r u n g d e r A u f g a b e n d e r B e r u f s g e n o s s e n s c h a f t e n tbatig zu sein, da in den letzteren eine wohlge- gliederte O rganisation der ganzen deutschen Industrie geschaflen w orden sei, die ais gesetzliche Y ertreterin des Grofsgewerbes befahigt und berufen erscb ein e, „eine noch nicht absehbare Reihe socialer und politischer (sic!) Aufgaben weit iiber den R ahm en der U nfallversicherung zu iibernehm en*. Ais solche Aufgaben w urden u. a.

bezeiehnet die Abgabe von G utachten in tech- nischen und w irthschaftlichen F ragen, die Regelung der A rbeitszeit (N ornm larbeitslag), die Feststellung der Fabrikordnungen, die den S chw ankungen des C onsum s folgende Regelung der gesam m ten Pro- duction und die gesetzliche R egelung der Alters- versorgung.

Eine grofse Reihe von B erufsgenossenschaften erkannte seh r bald das U nhaltbare dieser Be- strebungen, indem sie sieli au f den u n serer An- sicht nach allein ricHtigen S tandpunkt stellte, dafs die Aufgaben der Berufsgenossenschaften durch das Gesetz a u f die U nfallversicherung der A rbeiter b e ś c h r a n k t sind, dafs eine crbligatorisclie E rw eiterung dieser Aufgaben dem gem afs nu r durcli Gesetz erfolgen kann, dafs aber die frei- willige U ebernahm e w eiterer A ufgaben, weil un- vereinbar m it dem jetzigen W esen und der bestehenden O rganisation der Berufsgenossen- 1 schaften, abzulehnen ist. T hatsachlich sind ja j die jetzigen V orstande der B erufsgenossenschaften j und ihrer Sectionen lediglich gew ahlt, um die i Geschafte der U nfallversicherung w abrzunehm en. i D aher kann eine wie auch im m er geartete ander- weitige Thatigkeit derY orstande mit dem erhaltenen M andat nicht in U ebereinstim m ung gebracht w erden. Ohne Zweifel w urden aber ferner durch eine derartige A usdehnung der T hatigkeit auf social- und w irthschaftspolitische Gebiete in nerhalb der Berufsgenossenschaften die unheilvollsten j Kampfe hervorgerufen w erden, d urch w elche die | sachgem afse Erledigung der bisherigen Aufgabe i w esentlich beeintrachtigt w erden w urde. Endlich j

re rlan g t das Gesetz die ehrenam tliche Y erw altung I der Berufsgenossenschaften, welche bereits unter den jetzigen V erluiltnissen aufserordentliche An- forderungen stellt. Die geplante E rw eiterung der A ufgaben w iirde an die ehrenam tliche T hatigkeit der Industriellen aber m it unerfullbaren

An-* Aus der »Rhein.-VVestfal. Ztg.An-*

forderungen herantreten und dam it die V erw altung in die Hiinde von angestellten Beam ten iiberfiihren.

Aus diesem G esiclitspunkte beschlofs denn auch der „ Verein deutseher Eisen- und S tahlindustrieller"

in seiner Silzung vom 2 2 . November v. J., „dafs jed er V ersuch einer Einbeziehung technischer, w irtlischaftlicher, socialer und politischer Fragen in die Zustandigkeit der B erufsgenossenschaften mit Entschiedenheit abzulehnen sei. Lediglich die F rage, ob und inwieweit die B erufsgenossen­

schaften zu T ragern der A l t e r s - u n d I n v a l i d e n - v e r s i c h e r u n g zu m achen seien, sei z. Z. noch ais eine offene zu b etra ęh te n “ . Beziiglich der letzteren F rage hat der „C entralverband deutseher In d u strie lle r“ inzwischen in den den Lesern be- kannten V erhandlungen vom 2. und 3. December vorigen Jahres S tellung g en o m m e n , indem er sich den „Grundziigen der Alters- und lnvaliden- versicherung“ gegeniiber d urchaus sym pathisch zu veihalten und an dem Z ustandekom m en eines derartigen G esetzes m itzuarbeiten beschlofs, sich naturlich aber sein gutes Recht w ah rte, in einzelnen Fragen A banderungsvorschlage zu m achen. Die letzteren gingen denn auch u. a. dahin, dafs die Berufsgenossenschaften n i c h t zu T r a g e r n der in Rede stehenden V ersicherung zu m achen seien, dafs yielmelir die E rrichtung einer Reichsver- sieherungsanstalt w unschensw erth erscheine, so dafs den Berufsgenossenschaften nu r eine m aterielle M itwirkung bei F eststellung der Iuvalidit;it, Gon- trolierung der R entenem pfanger u. s. w. zu- fallen wiirde.

An diesem P unkte h at — eharakterisliseher- weise hauptsachlich in freihandlerischen und

„deutsehfreisinnigen* B lattern — die Agitation des Yerbandes deutseher Berufsgenossenschaften eingesetzt, um die in dem ,C entralverbande

! deutseher Industrieller* yerlretenen Industrieen i in einer geradezu schm aehvollen W eise zu ver-

diichtigen, indem man in die W eit hinausschrieb, der G entralverband betreibe eine gerauschvolle, d urch reichliche Geldmittel u n te rstu tzle Agitation gegen die G rundzuge der Alters- und lnvaliden- versicherung. Fiir denjetiigen, w elcher weifs, dafs das DFrectorium des G entralyerbandes aus den HH.

Geh. C om m erzienrath S c h w a r t z k o p f f - Berlin, C om m erzienrath H a f s l e r - A u g sb u rg , General- consul R u s s e l- B e r lin , Geh. F inanzrath J e n c k e - Essen und Geh. C om m erzienrath L a n g e n - K o ln zusam m engeselzl ist, la u ter M annern, w elche ganz und yoll auf dem Boden der Kaiserliehen Bot- sehaft yom 17. Nov. 1881 s te h e n , w ar nun freilich eine solche A gitationsw eise eine directe A bgeschm acktheit. Um so bedauerlicher w ar e?,

Febru ar 1888. „ S T A H L U N D E I S E N . “ Nr. 2. 105 dafs sich auch die »N ationalliberaleC orrespondenz«

dupiren liefs und e in en , von der »Kólnischen Zeitung* sofort w eitere Verbreitung gegebenen, Artikel gegen den „C en tralv erb an d “ b ra c h tc , in welchem dieser beschuldigt w urde, sich dem im vorigen Ja h re berathenen A rbeiterschutzgesetze gegeniiber Yollig negativ verhallen zu haben und aucli gegen die Alters- un<l lnvalidenversicherung der Arbeiter aufgelreten zu sein. Der Geschafts- fiihrer des Centralverbandes_, H r. H. A. Bueck, schrieb darauf eine B erichtigung und einen die in Rede stehenden V erhaltnisse klarstellenden Artikel, den die »N ationalliberale Correspondenz«, eines Besseren belehrt, nunm ehr abdruckte*, doi aber — und das ist w ieder charakteristisch — yon vielen P re fso rg an e n , welche den die obigen Beschuldigungen enthaltenden Artikel an hervor- ragender Stelle Y e r o f f e n t l i c h t h a t te n , einfach ignorirt w orden ist. Der „Yerband deutscher j Berufsgenossenschaften“ , der sich u nter die Fitliche der »V ossischen Zeitung«, des »Berliner TageblatU und anderer Blatter des M anchester- thums begeben hat, verlangt vor wie nach, be- ziiglich der Alters- und l n Y a l i d e n v e r s i c h e r u n g ais einzig berufener V ertreter der deutschen Industrie zu gelten. Ob er das is t, mogen unsere Leser ermessen, wenn sie die nachfolgende U ebersicht iiber die zum besaglen Verbande nich t gehorigen Berufsgenossenschaftcn gelesen haben. Dem Yer- bande gehoren n i c h t an

1. Glasberufsgenossensehaft.

2. Suddeutsche Textilberufsgenossenschaft.

3. Siiddeutsche Edel- und U nedelm etallindustrie- berufsgenossenschaft.

4. Siidw estdeutsehe Baugew erksberufsgenossen- schaft.

5. Topfereibcrufsgenossenschaft.

6. Bayrische Ilolzindustrieberufsgenossenschaft.

7. Siidw estdeutsehe Eisenberufsgenossenschaft.

8. Rheinisch-W estfaiische Hiitten- und Walz- w erksberulsgenossenschaft.

9. Sacjisisch-Thuringische Eisen- und Stahlbe- rufsgenossenschaft.

10.

Sudwestliclie

B augew erksberufsgerossensch.

11. Schlesische Eisen- und Stahlbeiufsgenossen- schalt.

12. N orddeutsehe Eisen- u. Stahlberufsgenossen- schaft.

13.

Wiirttembergische

B augew erksberufsgenos- senschaft.

14. Textilberufsgenossensch. v. Elsafs-Lothringen.

___ ;_ ♦

* Diejenigen unserer Leser, welche sich fur die a u s f u h r l i e h e n A ctenstikke dieses b5chst be- m erkenswerthen Prefsstreites in teressieren , machen wir auf das soeben erschienene 39. Heft der „Ver- handlungen, M ittheilungen und B erichle des Central- Yerbandes deutscher Industrielter" aufmerfcsam, in.

welchem Hr. H. A. Bueck eine seh r interessante Dar- stellung desselben giebt.

15. N ordostliche Eisen- und S tahlberufsgenossen- schaft.

16. N orddeutsche Edel- und U nedelm etallberufs- genossenschaft.

1 7. Papierm acherberufsgenossenschaft.

18. Lederindustrieberufsgenossenschaft.

19. Siiddeutsche Eisen- und Stahlberufsgenossen- schaft.

20. H am burg. B augew erksberufsgenossenschaft.

21. Wrestd. Binnenschiffahrtsberufsgenossenschaft, Iliren A ustritt hat ferner am 12. D ecem ber v. J. die R h e i n i s c h - W e s t f a i i s c h e T e s t i l - b e r u f s g e n o s s e n s c h a f t e rk la rt, und auch die R h e i n i s c h - W e s t f a i i s c h e M a ś c i l i n e n b a u - u n d K l ei n e i s e n i n d u s t r i e - B e r u f s g e n o s s e n - s c h a f t wird inzwischen iliren A ustritt ange- meldet haben, w ahrend die bedeutende K n a p p - s c h a f t s - B e r u f s g e n o s s e n s c h a f t den A ustritt auf dic T agesordnung der naclisten Yorstands- sitzung gesetzt hat. Zu den dem Verbande noch angehorigen Berufsgenossenschaften zahlen nun aber eine grofse Menge solcher, welche Betriebe um fassen, die der Industrie in der hier noth- wendigen Bedeutung des W ortes gar nicht an- gehÓren. W ir nennen nu r die Berufsgenosseu- schaft der S ch ornsteinfeger, der Spedition, Kcllerei und Speicherei, des F uhrw erks u. s. w.

W enn deshalb in je n er Agitation wńederholt gesagt w orden ist: „Eine solche selbstandige Vertretung der deutschen Industrie wie in dem Yerbande der Berufsgenossenschaften w ar bisher iiberhaupt nicht Y o r h a n d e n “ , so ist das nichts w eiter ais eine durch nichts berechtigte U eberhebung. Die deutsche Industrie hat ihre V ertretung fiir wirth- schaftspolitische Fragen in jenen freien w irth- schaftlichen Vereinen, dic der Gesetzgebung beim K rankenkassenw esen, bei der U nfallversicherung u. s. w. unschatzbare Dienste geleistet haben.

W enn das M anchesterthum gering von diesen Korperschaften denkt, so liegt das einfach daran, dafs gerade jene K orperschaften die starksten F orderer und Stiitzen der W irthschaftspolitik ge­

wesen sind, w elche unser Erw erbsleben vor dem U nlergang bew ahrt hat. Infolgedessen haben sie sich langst daran gew ohnt, ais Interessentengruppen, welche nur eigensiichtig€ Zwecke der Grofs- industrie verfolgen, von der freihandlerischen und ,d eutschfreisinnigen“ Presse angegrault zu w erden.

W enn m an aber den Yerband der deutschen Berufsgenossenschaften mit seinem S treben nach einem erw eiterlen P rogram m socialer und politischer Aufgaben in erster Linie von diesen M anchesterblattern protegirt sieht, wem fiele da nicht das W o rt M argarethens im »Faust« ein :

Es th u t m ir lang schon weh,

Dafs ich dich in d e r Gesellschaft seh’ ! Dr. W. Beumer.

106 Nr. 2. „ S T A H L U N D E I S E N . “ Februar 1888.

W dokumencie Stahl und Eisen, Jg. 8, No.2 (Stron 35-41)