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Glückauf, Jg. 65, No. 8

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GLÜCKAUF

Berg- und Hüttenmännische Zeitschrift

Nr. 8 23. F e b r u a r 1929 65. Ja h r g .

T h e o r i e d e r S c h u t z w e r b u n g mit Unfallbildern

u nd die sich d a r a u s e r g e b e n d e n S c h l u ß f o l g e r u n g e n für ihre V e r w e n d u n g .

Von Dr. K. S e e s e r a a n n , M ülheim (Ruhr).

Die nachstehend en tw o r fe n e T h e o r ie der Schutz­

werbung mit Unfallbildern m uß sich bei der N eu h eit und Fülle des vorliegen d en Stoffes auf die H era n ­ ziehung w eniger B efu n d e der Erkenntnislehre und Seelenkunde beschränken, die v o n den beiden g e ­ waltigsten Denkern unserer Zeit, P rofessor Melchior P a l a g y i und Dr. L u d w ig K l a g e s , im Verlaufe langen Forscherlebens auf zw ei ganz versch ied en en W e g e n erarbeitet w ord en sind. Für d ie außerordentliche Be­

deutung dieser F orschungen für das g e s a m te Gebiet der Natur- und G e iste sw isse n sc h a fte n sei nur kurz als Beispiel angeführt, daß Palagyi der Entdecker des Relativitätsprinzips war. In seiner 1901 erschienenen Schrift »Neue T h eo rie des R aum es und der Zeit, Ent­

wurf einer M etageom etrie« erbrachte er zuerst den zwingenden B ew eis, daß dem räumlichen Achsenkreuz die Zeit als vierte A ch se anzugliedern ist, und zwar unter Erhaltung der zueinander polaren E igenschaften von Zeit und Raum, ln seinen 7 Jahre später ersch ien e­

nen »N aturphilosophischen V orlesu n gen « leg te er die vitalistischen G rundlagen dar, auf Grund deren man zu einer räumlichen und zeitlichen W a h r n e h m u n g und zu den Begriffen von Raum und Zeit gelangt. Daraus geht schon hervor, daß es sich hier um eine D o p p e l­

heit handelt, deren eine Seite die c h e m is c h -p h y s i­

kalische oder m echanische und deren andere die vitalistische ist. Die W is s e n s c h a ft hatte es bis dahin übersehen, daß neben die m ech an isch en F o r sc h u n g s­

verfahren vitalistische g e s e tz t w e r d e n m üssen. Unsere Wissenschaften bauen sich auf Z ählungs- und M essungsverfahren auf. Jede M e s s u n g enthält aber gleichzeitig stets eine Schätzung, ein vitales Element, was ohne w eiteres verständlich wird, wrenn man b e ­ denkt, daß sich jed e M e s s u n g d esto gen a u er vor­

nehmen läßt, mit je f e in e m W e r k z e u g e n man ihre Schätzungsfehler verringert. Für die räumliche M e s ­ sung ist das M ikroskop als H ilfs m itte l vorhanden, dagegen fehlt es bisher noch an einem s o lch en für die unmittelbare B e o b a c h tu n g zeitlicher V o r g ä n g e in tausendstel oder millionstel T eilen der Sekunde, wofür die Zeitlupe e in stw eilen ein n o c h m a n g e lh a fte r Ersatz ist. Die jeder M e s s u n g i n n e w o h n e n d e n S c h ä tz u n g s­

fehler hängen aber von der Vitalität d es M en sch en ab und lassen sich nur sch rittw eise verringern, s o weit es gelingt, die vitale G ru n d lage der b e w u ß t e n m e n s c h ­ lichen W a h r n e h m u n g zu erforschen. Hierzu bedarf es aber zunächst der Ermittlung, w as eigentlich das menschliche B ew u ß tsein ist. Man wird deshalb Palagyi und Klages in ihren F o r sc h u n g e n über die vitale Grundlage unserer D en k tätigk eit und ihrem Vorstoß tief in das U n b e w u ß t e auf dem vitalistischen und

m echanistischen W e g e zu fo lg en haben, w en n man zu einer w issen sch aftlich einw andfreien L ösung der S ch u tzw erb u n g mit Unfallbildern g e la n g e n will. N a c h ­ steh en d muß deshalb auf die W a h r n e h m u n g s- und

D enktätigkeit und ihre vitale G rundlage e in g e g a n g e n w erden. Die hierbei g e fu n d e n e n E rgebnisse sind dann der S ch u tzw erb u n g mit Unfallbildern dienstbar zu machen, w ie der Verfasser in einem G utachten für das D eutsche Institut für technische A rbeitsschulung und in den von ihm für die Sektion 2 der Knappschafts- B e r u fsg e n o sse n sc h a ft ausgearbeiteten und auf den Zechen des Ruhrbezirks bereits zur A n w e n d u n g g e ­ langten R ichtlinien v o r g e s c h la g e n hat, d ie weiter unten noch näher erörtert werden.

T h e o r e tis c h e B e tr a ch tu n g en .

E m p f i n d u n g e n u n d B e w u ß t s e i n s a k t e d e s M e n s c h e n .

Die E m p findungen, deren man sich b e w u ß t wird, sind etw as gren zen los Z u sa m m e n g e se tz te s, denn einen Lichtblitz oder einen Nadelstich, der in 1/ 10 oder Vioo Sekunde erfolgt, kann man sich räumlich und vor allem zeitlich in millionstel oder billionstel T e ile der Sekunde ze r le g t denken. A lle s im K o s m o s ist dem dauernden Flu sse des G e s c h e h e n s unterw orfen. An der Stetigkeit d es W e lte n a b la u fs z w e ife ln , hieße den K o s­

m os leu g n en . W ü rd e aber die mit den Sinnen nicht wahrnehm bare T ätigk eit des B e w u ß tse in s auch etw a s Stetiges darstellen, s o könnte man sich auch in jedem b eliebigen A ugenblick d e sse n b e w u ß t w erd en , w a s in dieser W e lt vor sicht g e h t. Man k önnte in jedem Augenblick b elieb ig viele W a h r n e h m u n g s - und D e n k ­ akte vollziehen und die Natur w ü rd e dem M en sch en ihre letzten G e h e im n is s e en tsc h le ie r n ; eine w is s e n ­ schaftliche F o rsch u n g w äre überflüssig g e w o r d e n . Da man dies offenbar nicht kann, m uß die T ätigk eit des m enschlichen B e w u ß tsein s mit U n terbrechungen in zeitlosen N ullpunkten erfolgen. D ies ist aber noch aus einem ändern Grunde n o tw e n d ig . Fahren z w e i Schiffe auf uferloser, sp iegelglatter S e e mit g leicher G e ­ sch w in d ig k eit in gleicher Richtung n eb eneinander her, so wird der Beobachter auf dem ersten Schiff in fo lg e der g leich en B e w e g u n g des z w e ite n Schiffes niemals feststellen können, daß überhaupt eine B e w e g u n g stattfindet, und schließlich auch gar nicht zum Begriff der B e w e g u n g g e la n g e n können. D ie B e w e g u n g oder den Fluß der Zeit kann man aber nur dann verfolgen , w en n man die zeitlich e B e w e g u n g v o n einem zeitlich stillstehenden Punkte aus w a h rzu n eh m en verm ag. In zeitlich stillstehenden Punkten erfolgen daher die B e ­ w u ß tsein sa k te, und nur s o wird es erklärlich, daß der

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1 ü c k a u i

M ensch den Fluß der Zeit wahrnim m t und zu einem Begriff der Zeit gelangt. Die Zahl der B ew u ß tsein s­

akte, die der Mensch im Verlaufe einer Sekunde vo ll­

zieht und bei g esp an n tester Aufmerksamkeit noch etw as zu steigern vermag, ist bisher nicht festgestellt w ord en . Der b e w u ß te W ah rn eh m u n gsak t umfaßt die Sum m e aller jener grenzenlos zusam m engesetzten Em pfindungen, die in der Z w ischenzeit zwischen zwei a u feinanderfolgenden B ew ußtseinsakten auf den M enschen e in geström t sind. N im m t man ihrer 10 je Sekunde an, s o kann die Bewußtseinstätigkeit des

M en sch en bildlich etw a w ie in Abb. 1 dargestellt werden. In den Punkten a1 bis al0 schlagen jeweils die zeitlosen Blitze der B ew ußtseinsakte ein und e m p fan gen als Integral alle jene Nervenreize, die sich im Laufe von jeder Z ehntelsekunde, d. h. in den Z eit­

abschnitten bx, b2, b3 usw., v o llz o g e n haben mit einer kleinen, durch den gestrichelt w ied erg eg eb en en A blauf von chem isch-physikalischen Prozessen in den Nerven b edingten Verspätung. Da die Bewußtseinsakte in zeitlosen Nullpunkten der Zeit stattfinden, sind das B ew u ß tsein und das Denken des Menschen außer­

raumzeitlich. Die Macht, die den M enschen zu den B ew u ß tsein s- oder Denkakten befähigt, ist der Geist, der mithin eine akosm ische, d. h. eine aulkrraum- zeitliche Macht darstellt, die in der raumzeitlichen

Lebenszelle M ensch zur W irkung gelangt ist.

D i e d e r m e n s c h l i c h e n B e w u ß t s e i n s t ä t i g k e i t • z u g r u n d e l i e g e n d e n v i t a l e n V o r g ä n g e . Stellt nun der M ensch die V erbindung einer raum ­ zeitlichen Lebenszelle mit einer außerraumzeitlichen Macht, dem G eiste, dar, s o muß n otw en d igerw eise jedem B ew u ß tsein s- oder Denkakt ein vitaler V organg entsprochen haben. Jeder m enschlichen Denktätig­

keit muß a lso ein vitaler V o rg a n g zugrunde liegen, der ein N erv e n v o r g a n g ist. Nachstehend wird sc h e m a ­ tisch eine T h eo rie der N e r v e n v o r g ä n g e entwickelt, dabei aber nicht auf andere zurzeit vorherrschende M ein u n gen und ihre W id erleg u n g eingegangen.

Bekanntlich dient dem M enschen für seinen V er­

kehr mit der A u ßenw elt sein sensorisch-m otorisches N e r v e n sy ste m , das sein e Empfindungen und B e ­ w e g u n g e n regelt. Der Verkehr mit seinem Innern, z. B. die R eg lu n g der peristaltischen B e w eg u n g en der Därme, die Sekretion der Drüsen, der Aufbau und die Ernährung des Z e lle n g e w e b e s usw., erfolgt durch das s y m p a th isch e N erven system und bleibt dem B e w u ß t­

sein unmittelbar verborgen. Mittelbar erhält das B ew u ß tsein durch G efühle, die man auch als S tim ­ m u n g en b ezeich n et — z. B. die g eringe T ätigkeits­

n e ig u n g nach dem Essen —, von jenem Verkehr Kunde. D am it ein B ew ußtseinsakt stattfinden kann, ist es n o tw e n d ig , daß im m otorisch-sensorischen und im sy m p a th isch en N erven system der Schluß eines K reisprozesses stattfindet. Zur Erklärung diene Abb. 2, in d er mit

se

der sen sorisch e, mit

m

der m otorische und mit

s y

der s y m p a th isch e N erv bezeichnet ist.

Bekanntlich liegen die sensorisch en und motorischen Neurofibrillen (N ervenfasern ) zusam m en. Erst im

G ehirn findet eine räumliche T ren n u n g statt, wie es auch Abb. 2 darstellt. Ein auf den Zeigefinger aus­

g eü b ter Druck erregt den sen so risch en Nerv. In d iesem sp ielt sich ein chem isch-physikalischer Vor­

g a n g ab, der in den beid en ändern N erven gleichfalls V o r g ä n g e auslöst. Im sy m p a th isch en N erv muß ohne­

hin ein ch em isch-physikalischer Prozeß einsetzen, weil an der betroffenen Stelle das G e w e b e zusammen- gedrückt wird und die die Ernährung jener Zellen regelnden sym p a th isch en N erven daher notwendiger­

w e is e in T ätigk eit treten. N un w ü rd en aber die sich im sym p ath isch en und sensorisch -m otorisch en System ab­

sp ielen d en V o r g ä n g e noch zu keiner

m

W a h r n e h m u n g führen k ön n en , w e n n \ hier nicht noch ein anderer V o r ­ g a n g hinzukäm e, nämlich d er P h a n ­ t a s ie v o r g a n g mit der B ild seite dieser P r o z e sse . W e lc h e N e r v e n p r o z e s s e des G eh irn s sich beim P h a n t a s ie v o r g a n g a bw ickeln, ist von den P h y s i o l o g e n b ish er e b e n s o w e n i g e r fo r sc h t w o r ­ den w ie die s o e b e n a n g e d e u te te n K r eisp ro zesse in den s y m p a th is c h e n und s e n s o r is c h - m o t o r is c h e n N e r v e n ­ bahnen. Ein Licht auf jene P r o ­

z e s s e wird erst durch die se e le n - Abb. 2 kundlichen und e r k e n n tn is th e o r e ti­

schen F o rsch u n g en von P a la g y i und K lages geworfen, die zuerst die außerordentliche B edeutung der Phantasie für die E rforschung jener V orgänge er­

kannt und die sich auf den englisch en Sensualismus grü n d en d e A ssoziationsscholastik w id erlegt haben.

Darauf kann hier nicht e in g e g a n g e n werden, jedoch m üssen jene P h a n ta sie v o r g ä n g e b ehandelt werden, w eil sie den Kernpunkt der T h e o r ie zur Schutz­

w erb u n g mit Unfallbildern darstellen.

D i e P h a n t a s i e .

Beim Säugling finden unmittelbar nach seiner G eburt noch nicht jene entw ickelten Phantasie­

v o r g ä n g e des E rw ach sen en statt. W o h l melden seine Nerven die E m p findungen und G efü h le, die aber zu­

nächst jeglichen Z u s a m m e n h a n g e s entbehren. Erst ganz allmählich bildet sich bei ihm eine Raumwahr­

n e h m u n g auf Grund der T a s t b e w e g u n g e n seiner H än d e aus, und zwar durch die Berührung der eigenen Körperstellen in fo lg e der dabei auftretenden Doppel­

e m p fin d u n g en und ein geb ild eten B e w e g u n g e n . Weil nämlich in folge der Z u sa m m e n la g e r u n g der sensori­

sch en und m otorisch en N ervenfasern bei jeder durch die Berührung h ervorgeru fen en E rregu n g der sensori­

sch en g leich zeitig eine E rreg u n g der motorischen N erven entsteht, lernt der S ä u g lin g allmählich, die bei einer Selb stberührung in ihm aufzuckenden beiden E m p fin d u n gsp h an tasm en mit den beid en Bewegungs- phantasm en in einen Z u s a m m e n h a n g zu bringen, und findet eine bestim m te Raum stelle zunächst nur durch s einen Tastsinn. Erst in dem M aße, w ie sich bei ihm die B e w e g u n g s p h a n ta s m e n entwickeln, g elingt es ihm, auch einen mit dem A u g e w a h r g e n o m m e n e n Punkt im Raume zu finden. Man s ie h t hier also, daß das B e w e g u n g s p h a n ta s m a oder die ein gebildete Be­

w e g u n g , die durch die M iterreg u n g der motorischen N ervenfasern entsteht, eine räumliche Wahrnehmung erm öglich t. D aß s o lc h e e in g e b ild e te n Bewegungen den M en sch en auf Schritt und Tritt b egleiten, kommt ihm m eistenteils nicht mehr zum B ew u ß tsein . Erst

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23. Februar 1929 G l ü c k a u f 255

dann, w enn sie stark g e n u g sind, führen sie zu tatsäch­

lichen B e w e g u n g e n , w as man b e is p ie ls w e is e erkennt, wenn man an den Mann denkt, der auf der Kegelbahn durch eine vollständig z w e c k lo se B e w e g u n g seines Beines die dahinrollende Kugel zu lenken bem üht ist.

Der starke Bildeindruck der das Ziel verfehlenden Kugel ruft eben eine derart starke e in g eb ild ete B e ­ w egu n g hervor, daß der N erv en p ro zeß im motorischen Nervensystem stark g e n u g wird, um die B e w e g u n g trotz ihrer Z w eckw idrigkeit zur A u sfü h r u n g g e la n g e n zu lassen.

Die außerordentliche B e d e u tu n g der ein gebildeten B ew egung m ö g en z w e i w eitere B eispiele noch klarer hervortreten lassen. Streicht man mit dem Z eigefin ger der Rechten über den Handrücken der Linken, s o wird auf deren Rücken eine R eihe dicht nebeneinander liegender Punkte sen sorisch -m otorisch erregt. Die Folge der hierdurch im räumlichen N eb en ein an d er der einzelnen Punkte h erv o rg eru fen en B e w e g u n g s ­ phantasmen oder eingebildeten B e w e g u n g e n befähigt den Menschen zur W a h r n e h m u n g der r ä u m l i c h e n A u s d e h n u n g . D ie in der Spitze des Z e ig e fin g e r s der rechten Hand an der gleich en räumlichen Stelle zeitlich hintereinander erfolgenden E rregungen der se n so r isc h ­ motorischen Nervenfasern rufen entsprechende auf die gleiche Hautstelle b e z o g e n e B e w e g u n g s p h a n ta s m e n hervor und bewirken so m it die W a h r n e h m u n g der z e i t l i c h e n D a u e r . D ie s e durch den Tastsinn ver­

mittelte raumzeitliche W a h r n e h m u n g ist die vitale Grundlage der s o g e n a n n te n Relativität von Raum und Zeit, zu deren W a h r n e h m u n g und Begriff man ohne den Tastsinn niemals g e la n g e n könnte. Man erkennt aber an dieser vitalen G rundlage sofort, daß es sich nicht eigentlich um eine Relativität, sondern um eine Korrelation oder polare Z u sa m m e n o r d n u n g der beiden Wirklichkeitspole von Raum und Zeit handelt. Als zweites Beispiel stelle man sich ein Dreieck von je 1 m Seitenlänge vor. Man wird bei einigerm aßen ein­

gehender Selb stb eob ach tu n g z u g e s te h e n m üssen, daß man in Gedanken an den Seiten d ie se s Dreiecks en t­

langgefahren ist. Hier tritt deutlich zutage, daß man sich ohne jene in G edanken v o llz o g e n e B e w e g u n g das Dreieck gar nicht deutlich vorzustellen verm ochte.

Vergegenwärtigt man sich aber ein Dreieck in G röße des großen griechischen Deltas, s o vollzieht sich jene eingebildete B e w e g u n g derart schnell, daß sie nicht mehr zum B ew u ß tsein kom m t. Man kann durch A b ­ änderung der D reieck sgröß e bei aufm erksam er Selbst­

beobachtung selbst annähernd feststellen, bis zu welcher Größe das B e w e g u n g s p h a n ta s m a der ein ­ gebildeten B e w e g u n g b e w u ß t wird. Aus diesem Versuch ersieht man, daß die B e w e g u n g s p h a n ta s m e n nach dem Grade ihrer Bekanntheit dem M en sch en un­

bewußt bleiben. D am it g e l a n g t man aber zu der grundlegenden E n td eck u n g von P a la g y i und Klages, daß sich unser g a n z e s b e g r ifflic h e s D en k en auf Grund sehr schnell verlaufender B e w e g u n g s p h a n t a s m e n v o l l ­ zieht, und zwar von so lc h e n , die vo m gesch rieb en en oder gedruckten W o r t a u sg e h e n . D a s Sprechen des Primitiven v o llzieht sich v o r w i e g e n d auf G ru n d a k u sti­

scher B e w e g u n g sp h a n ta sm e n , daher kennt dieser noch keine Begriffe, die sich im M e n sc h e n erst auf Grund sym bolischer Zeichen, näm lich der Schrift entwickeln

können. : . • .

Der geschilderte V o r g a n g der Induktion chem isch-

¡ihysikalischer P r o z e sse zw isc h e n den sen sorisch - iflotorischen und s y m p a th isc h e n N e rv en b a h n en stellt

die m ech an istisch e Seite der U ntersuchung dar. Sie konnte nur durch die vitalistische Seite erschlossen werden, die K lages als das g ru n d leg en d e Prinzip des Lebens erkannt hat, daß Ähnliches durch Ähnliches erregt wird (similia similibus rotantur). D ie B e ­ deu tu n g d ieses Lebensprinzips tritt klar vor A u gen , w enn man z. B. daran denkt, daß ganz unwillkürlich G äh n en ansteckt, o der daß man m anchm al zu hinken oder zu stottern beginnt, w e n n man m it einem H in k e n ­ den g e h t oder sich mit einem Stotternden unterhält.

D ie se s Lebensprinzip birgt auch die Erklärung für das Auftreten der M a s s e n s u g g e s tio n . Das Bild der a n g s t ­ verzerrten Z ü g e eines M en sch en läßt ähnliche B e ­ w e g u n g s p h a n ta s m e n beim Beschauer entstehen, und die dadurch in seinen sy m p a th isch en und m otorischen N ervensträngen erregten ähnlichen c h e m is c h -p h y s i­

kalischen P r o z e sse rufen bei ihm den seelisch en Z u ­ stand der A n g s t und g leichzeitig die angstverzerrten G esich tszü g e hervor. Auf einer E rregung des e m b r y o ­ lo g isch en N e r v e n s y s te m s beruht das bekannte M u tter­

mal in fo lg e des Verguckens oder V erseh en s der Frau während der S chw angerschaft. D ieses Lebensprinzip liegt auch der alten V o lk sw e ish e it zugrunde, daß b ö se s Beispiel g u te Sitten verderbe, und w e c k t Bedenken g e g e n das heute übliche Anlernverfahren in den Lehr­

werkstätten, vor allem aber g e g e n die b isherige H a n d ­ habung der S ch u tzw erb u n g mit Unfallbildern. Dadurch nämlich, daß jed e B ild w ah rn eh m u n g nur auf Grund von B e w e g u n g s p h a n ta s m e n m öglich ist — man denke an das mit d e m D reieck g e g e b e n e Beispiel —, w erden im M en sch en N e r v e n v o r g ä n g e erregt, die zu einer ähnlichen B e w e g u n g führen m üssen, w ie sie im Bilde erscheinen. Bei der Darstellung der F ehlhandlun g werden d eshalb auch entsprechende Bew^egungs- phantasm en ausgelöst,. _die zur F ehlhandlun g hin treiben.

Bevor dies näher erläutert wird, m uß n o ch kurz auf die zeitlichen V o r g ä n g e des Phan tasiep rozesses e in g e g a n g e n w erden. D ie ein geb ild eten B e w e g u n g e n oder Phantasiebilder können sich s o w o h l auf die G e g e n w a r t als auch auf die V e r g a n g e n h e it und Z u ­ kunft b ezieh en . D ie sich auf die G e g e n w a r t b e z ie h e n ­ den P h an tasm en entstehen im M en sch en durch das Ü b erw iegen der chem isch -p h ysik alisch en P ro zesse, die durch die Einw irkung auf das S ensorium von außen her in den N erv en erregt w erden. Durch das E ig e n ­ leben des M en sch en treten aber auch E rregungen von innen her auf, w o b e i es sich um die s e lb stä n d ig in dem sy m p a th isc h e n N e r v e n sy ste m durch V erdauung, D rüsensekretion u s w . e n tsteh en d en c h e m is c h -p h y s i­

kalischen P r o z e s s e handelt. Ü b erw ieg en d iese, so machen sich früher v o n außen her h ervorgeru fen e P hantasm en g eltend, die den fr ü h e m nur ähneln, aber ihnen nie ganz gleich en , denn säm tliche L e b e n s­

v o r g ä n g e sind stets ursprünglich, niemals N a c h ­ bildungen. D ie s e kennt nur die M echanik. Das ganze Leben ist ein rhythm isch pulsierender Ablauf, in dem ähnliche P u lssc h lä g e in g e w is s e n Z eitabständen e in ­ ander fo lg e n . So nur wird es erklärlich, daß ein dem Gedächtnis gänzlich e n tsch w u n d en er N a m e plötzlich w ied er g e g e n w ä r t ig ist. Dam it s te h t man aber vor d e m Lernproblem, d e s s e n K ennzeichen ist, in m ö g ­ lichst vielen v ersch ied en en Pu lsen des Lebensrhythm us jene p h y sik a lisch -ch em isch en P ro zesse m ö g lich st stark (g e fü h lsb e to n t) zu induzieren, s o daß jedem künftigen L ebenspuls ein ähnlicher P u lssch la g aus früherer. Z eit entspricht. D ieser L ern vorgan g ist für

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256 G l ü c k a u f

die S chutzw erbung mit Unfallbildern ganz besonders wichtig. Die im Bilde dargestellten B e w e g u n g s ­ ph an tasm en m ü ssen sich nämlich der Seele des M en sch en g e n ü g e n d lang und stark einprägen, damit sie ihm im Oetahrenfalle zum B ew ußtsein kommen.

D ie se Einprägung ist beim allgemeinen Aushang von Bildern aber nur m öglich, w en n beim Beschauer auch die n o tw e n d ig e Anteilnahme besteht. Anteilnahme bedeutet Willensrichtung, worauf im nächsten A b ­ schnitt e in g e g a n g e n wird. Zuvor sei noch kurz er­

wähnt, daß die Tätigkeit des menschlichen B ew u ß t­

seins, d. h. das W ahrnehm en und Denken, darin besteht, daß sich der bald von außen, bald von innen her ström en d e chem isch-physikalische Prozeß g le ic h ­ sam kurzschließt und in jedem dieser zeitlosen Kurz­

schlußpunkte solcher Nervenkreisprozesse der Blitz des Bew ußtseinsaktes einschlägt, bald auf die P han­

tasm en der G egenw art, bald auf die der Vergangenheit und Zukunft treffend. Nun ist es aber dem Menschen und nur dem M enschen g e g e b e n , bis zu einem g e w is s e n Grade jene Phantasmen willkürlich zu lenken. Die Macht, die ihn dazu befähigt, ist sein W ille. Damit wäre im W illen die Grundlage des G e iste s ermittelt, die den größten Einfluß auf das g e sa m te Leben des M enschen und auf seine U m ­ g e b u n g ausübt.

D e r W i l l e .

Der M ensch ist in folge des als neues Zentrum in ihm zur Herrschaft gelangten Geistes das einzige w illensbegabte G esch ö p f der Erde. Einen Menschen, der seinen Trieben und nicht seiner Vernunft folgend handelt, bezeichnet man als exzentrisch, was besagt, daß ihn das gew ö h n lich die Handlungen des Menschen b estim m ende Zentrum des Geistes oder der Vernunft nicht leitet.

W ie jedem Denkakt ein vitaler Prozeß, muß jedem Willensakt ein vitaler V o rgan g entsprechen, w o b ei bemerkt sei, daß jeder Denkakt auch eine Willenstat ist, worauf hier jedoch nicht ein gegangen werden kann. W elche Nervenfasern jene vitale Grundlage der Willenstätigkeit bilden, ist von der medizinischen W issenschaft bisher noch nicht ermittelt worden. Man hat zw ischen zw ei Annahmen zu wählen, daß entweder b eson d ere Nerven oder ein andersartiger Bau der sym pathischen und sensorisch-motorischen Nerven, als er bei Tieren vorhanden ist, beim Menschen die W illensbetätigung ermöglichen. Zur Kennzeichnung des W esentlichen für die menschliche Willenstätigkeit diene folgendes Beispiel. Der Hund, der seinen Herrn auf . d e m W e g e begleitet, folgt lebens­

m agnetisch jedem Bildeindruck der in ihm die so e b e n besprochenen physikalisch-chemischen Nerven- prozesse, d. h. B ew egu n gsp h an tasm en , auslöst. Das Kind ist gleichfalls diesen Bildeindrücken in erheb­

lichem M aße unterworfen, jedoch braucht man nur das Hin- und j l ^ s p r i n g e n von Hund und Kind zu vergleichen, um sofort zu erkennen, daß das Kind durchaus nicht jedem Bildeindruck folgt, sondern nach­

denkend bei den einzelnen Bildeindrücken verweilt, weil in ihm sch on die W illensgabe der willkürlichen R ich tu n ggeb u n g seiner Gedanken zur Wirkung kommt und weil es einen Teil der durch die äußern Eindrücke hervorgerufenen B ew eg u n g sp h a n ta sm en unterdrückt, um den von innen her erregten B ew egungsphantasm en zu folgen. Der Kaufmann, der zum Abschluß eines G e s c h ä fte s eilt, wählt den kürzesten W eg , die gerade

Linie, und unterdrückt alle physik alisch en Prozesse die durch äußere Eindrücke oder innere V orgänge eint' bunte W elt von Bildern in ihm erstehen lassen. Den Verlauf jeder W ille n s h a n d lu n g kennzeichnet, wie man o h n e w eiteres erkennt, daß sie auf ein bestimmtes Ziel gerichtet ist. Das Ziel, ursprünglich ein Phantasma oder Bild der Zukunft, verlangt die Ausschaltung sämt­

licher anderer Ph an tasm en oder Bilder der Gegenwart V e r g a n g e n h e it oder Zukunft, s o w e i t sie nicht eben in den D ienst der Erreichung des ersten Bildes, d. h. des gesteck ten Zieles, g estellt w erd en können. Die will­

kürliche A u ssch a ltu n g aller dieser unwillkürlich auf­

s te ig e n d e n P hantasm en b ed eu tet, mechanistisch ge­

sprochen, nichts anderes als die Unterdrückung der physik alisch -ch em isch en P rozesse, die im sensorisch­

m otorischen und sym p atisch en Nervensystem ver­

laufen. Bekannt und b e w ie se n ist das biologische G esetz, daß bei dauernden A b schnürungen ein Glied allmählich verkümmern muß und ab g etö tet wird. Wird b e isp ielsw eise dem H u n d e durch viele Generationen hindurch stets der Schw anz gekürzt, s o kommen schließlich H u n d e mit verkümmertem Schwanz oder gänzlich o h n e Schw anz zur W elt. D ieses biologische G esetz behält sein e volle Gültigkeit für die sich in den N erven b ah n en des M en sch en vollziehenden ch em isch-physikalischen V o r g ä n g e . Nicht etwa derart, daß die dem Aufbau d es m en sch lich en Zellengewebes dienenden N e r v e n p r o z e sse verhindert würden, denn d a g e g e n richtet sich die T ätigk eit des menschlichen Willens nicht unmittelbar, w o h l aber auf die dem M en sch en zum B ew u ß tsein k o m m e n d e n Phantasmen, d. h. eingebildeten B e w e g u n g e n . D a b ei wird wiederum nicht die B e w e g u n g selbst, sondern nur ihre Bildseite abgetötet, denn g e g e n d iese richtet sich ja ausschließ­

lich der A n g riff d es m e n sch lich en W ille n s . Hier steht man an der Quelle jeglicher H ysterie, bei der infolge einer einseitigen, durch G enerationen hindurch aus­

g eü b ten Z erstörung der B ildseite jener chemisch­

physikalischen N er v e n p r o z e sse die Bildseite dem M en sch en nicht mehr zum B ew u ß tsein kommt, w o­

durch er sch u tzlo s dem Eindruck b eliebiger von außen auf ihn einström ender Bildeindrücke p reisgegeben ist, und zwar gerade deshalb, w eil ihm jene Bildseite nicht mehr zum B e w u ß tse in k o m m e n kann. Auf die über­

ragende B ed eu tu n g dieser K lagessch en Erkenntnis der W illensausw irkung für die Entw icklung, will heißen U n terg a n g der Kultur, kann hier e b e n s o w e n ig ein­

g e g a n g e n w erden w ie auf das den Erfindungen und damit dem zivilisatorischen Fortschritt zugrunde lieg en d e W under der Intuition.

Hier handelt es sich lediglich um die Auswirkungen auf die S ch u tzw erb u n g mit Unfallbildern. Eine ein­

s e itig e W illen sen tw ick lu n g verhindert, daß die Bild­

seite des an der Markenkontrolle erschauten Unfall­

bildes im G efahrenfalle dem M en sch en zum Bewußt­

sein kom m t, w o h l aber bleibt die Antriebserregung der e in g eb ild eten B e w e g u n g w irksam . T rifft nun die G efa h rla g e mit einem L e b en sp u lssch lag zusammen, der d e m jen ig en zur Zeit der Betrachtung des Unfall­

bildes ähnlich ist, s o wird im M enschen jenes B e w e g u n g s p h a n t a s m a auftreten und bei genügender Stärke im m otorisch en N e r v e n s y s te m einen Vorgang a u slösen , der den M en sch en zu der in der Abbildung dargestellten B e w e g u n g führt. W ar aber im Unfall­

bilde der A n fa n g einer F e h lh a n d lu n g dargestellt, so wird auch die B e w e g u n g des M e n sc h e n Fehlhandlung

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23. Februar 1929 G l ü c k a u f 257

sein müssen, d. h. sie wird zum Unfall führen. Den Nachweis dafür aus der Unfallstatistik zu erbringen, bei der man nur der g r o ß e n Zahl en tsch eid en d en Wert beizumessen pflegt, dürfte außerordentlich schw er fa.len; nicht einmal dem Verunglückten selb st k ommt ja die eingebildete A n triebserregung zu B ew u ß tsein und Kenntnis. N ich tsd esto w en ig er s eien aus der Zahl der dem Verfasser b e k a n n tg e w o r d e n e n Unfälle zwei genannt, bei denen aller W ahrscheinlichkeit nach Unfallbilder, die den A n fa n g der F ehlhandlun g en t­

hielten, zum Unfall gefü h rt haben. D as Bild »Vor Betreten des Korbes stets Halt klopfen«1 hing erst kurze Zeit auf drei Z ech en einer G esellsch aft aus, auf denen schon seit Jahren keine Unfälle dieser Art vor­

gekommen waren, als kurz hintereinander drei solche Unfälle mit tödlichem A u s g a n g eintraten. Daraufhin wurden diese Bilder entfernt. Ein .anderer schwerer, jedoch glücklicherweise nicht tödlich verlaufener Unfall, bei dem ein Mann in der Strecke, z w isch en Zimmerung und W ettertüre geratend, von einer Grubenlokomotive g e q u e tsc h t w urde, ereignete sich kurze Zeit nach A u sh a n g des entsprechenden Bildes.

Auf die Frage des H eilgeh ilfen , ob er denn nicht jenes Unfailbild g e s e h e n hätte, antw ortete der Verunglückte, der Mensch auf dem Bilde sei doch auch auf derselben (der falschen) Seite g e g a n g e n w ie er. Nun ist es sehr unwahrscheinlich, daß der Mann absichtlich dem Bilde der Fehlhandlung folgte. E n tw ed er hat er an das Bild gedacht und es falsch verstanden, w as auch nicht wahrscheinlich ist, oder er ist g a n z u n b e w u ß t von dem Bildeindruck gesteu ert w o r d e n . Im allgem ein en dürften aber die Fehlhandlung darstellende Bilder ihre unfall­

fördernde W irkung erst längere Z eit nach dem A u s ­ hang ausüben, also w e n n die Erinnerung an sie schon mehr verblaßt ist und die Bildseite deshalb w e n ig er zum B ew ußtsein kom m t, denn hier handelt es sich doch in der Regel um einfache, u nverb ild ete M enschen, deren Nerven durch die Entw icklung der Zivilisation weniger beeinträchtigt sind als die der g ebildeten Schichten.

Nachdem zunächst nur die Leben zerstörenden Seiten der W illen sen tw ick lu n g des M en sch en dar­

gelegt worden sind, muß jetzt auch auf die p o s i t i v e S e i t e des W illens e in g e g a n g e n w erden. Da die chemisch-physikalischen P ro zesse der dem Willen zugrunde liegenden N erven gar keine andere Tätigkeit ausüben können als die A b sch n ü ru n g des natürlichen Lebens, und zwar in fo lg e der Bekäm pfung der natürlich von außen und innen her im se n s o r is c h ­ motorischen und s y m p a tisch en N e r v e n sy ste m erregten chemisch-physikalischen N e r v e n p r o z e sse , kann eine lebensbejahende T ätigkeit des W illens nur auf einer Verneinung der V erneinung, also aus einer doppelten Negation entspringen. Auf die außerordentliche Wichtigkeit dieser K lagessch en Erkenntnis auch für die M enschenwirtschaft im Betriebe kann hier nur hinsichtlich der U n fallverhütung e in g e g a n g e n werden.

Eine Verneinung der V ern ein u n g stellt die Lust zur Arbeit dar. D iesem antriebsfördernden W ille n s­

zustande der Arbeitslust ste h t der an trieb sh em m en d e Willenszustand der U n lu st g e g e n ü b e r . Beide Fälle stellen bei starker S te ig e r u n g einen W illenszustand des Menschen dar, in dem er auf die ihm drohenden Gefahren nicht m ehr achtet, w eil die hierzu n o t ­ wendige A ufm erksam keits-, d. h. W illensrichtung

1 G lückauf 1927, S. 719, Bild d.

durch jene W illenszustände au sgesch altet w ord en ist.

Bei der S ch utzw erbung mit Unfa.lbildern b esteh t diese d o ppelte V erneinung darin, daß die c h e m is c h ­ physikalischen N erv en p ro zesse des W illens die natür­

lichen, auf Grund des Lebenspulses ström en d en P h a n ­ tasmen zurückdrängen m üssen, um an ihre Stelle neben die für das Arbeitsziel n o tw e n d ig e n Phantasm en die Phantasiebilder der Unfallverhütung zu setzen. Erst bei deren V orhandensein, und zw ar in einer m öglichst groß en Zahl verschiedener Pulse im Lebensrhythmus, ist die G e w ä h r g e g e b e n , daß im G efahrenfalle recht- zeilig der B ew u ß tsein sak t aufblitzt, der den M en sch en zur unfallverhütenden H an d lu n g treibt.

Daraus g e h t hervor, daß die S ch utzw erbung mit Unfallbildern nur ein Teil der B e trieb sp äd agogik ist.

Da aber die Ein prägung des Bildinhaltes beim all­

g e m e in e n A u s h a n g von der Anteilnahm e der B e l e g ­ schaft, also ihrer W illensrichtung abhängt und d iese sich verstärkt, w e n n der Unfall in sein en ersten A b ­ schnitten im Bilde dargestellt ist, w a s aber, w ie bereits n a c h g e w ie s e n w urde, nur zu leicht zu Unfällen führen kann, s o erkennt man, daß das Unfallbild einander widerstreitende W irkungen auslöst, die einmal unfall­

verhindernd und dann w ieder unfallfördernd ¡sind.

Dieser W iderstreit stellt jedoch nur einen kleinen Teil der g r o ß e n T ra g ö d ie, des Kampfes z w isch en Zeit und Ewigkeit, zw isc h e n Seele und G eist dar, dessen Schauplatz der M ensch ist. Es muß also ein Ausgleich gefu n d en w erd en , und diese A u fg a b e fällt der B etriebs­

päd a g o g ik zu.

Aus dem E ingang der hier d argelegten U n ter­

su ch u n g en g e h t hervor, daß der im m enschlichen B ew u ß tsein w irkende G eist etw as E w ig e s , d. h. etwas unveränderlich S eiendes darstellen muß. Ihm s te h t der dauernde Fluß der Geschehenswirk'.ichkeit gegen ü b er.

Indem nun der G eist des M en sch en in dem dauernden W an d el des G e s c h e h e n s se ie n d e , d. h. unverändert g leichbleibende D in g e annim mt, hat er die M ö g lic h ­ keit, mit d iesen D in g en zu wirken und dank diesem U m stan d e b estim m te G e s etzm ä ß ig k eiten zu ermiiteln.

Nun merkt aber der M en sch sehr bald, daß das von ihm als u n w andelbar a n g e n o m m e n e D in g V e r ä n d e ­ rungen u n terw orfen ist, denen er alsbald nachgeht, um n eu en G e s etzm ä ß ig k eiten auf die Spur zu kom m en.

Dies g e lin g t ihm nach M a ß g a b e der V erb esseru n g seiner M essu n g sv erfa h ren in stets fortschreitendem Maße, jed och bleibt jedes M essu n g sv erfa h ren letzten Endes immer mit einem von der Vitalität d es M enschen ab h ä n g ig en S chätzungsfehler behaftet. Darin aber liegt die M öglich k eit eines unb egren zten Fortschritts der N atu rw issen sch aft b egründet, die jed och die äußerste G renze dieser M ö g lichkeit w e g e n dieses S c h ä tz u n g s­

fehlers nie zu erreichen verm ag. So kann sich also die m enschliche Erkenntnis der A llw issen h eit nur asym ptotisch nähern. Der Sinn dieses Fortschritts ist, daß nach M a ß g a b e der jew eils m ö g lich en und von der naturgesetzlichen Erkenntnis a b h ä n g ig e n D i n g ­ se tz u n g der M en sch die G esch eh en sw irk lich k eit in der Natur beherrscht. N ach M a ß g a b e der N aturbeherr­

sch u n g ist es aber dem M en sch en g e g e b e n , der N atu r­

g e w a lt des Unfalls Schranken zu ziehen. Die N atu r­

beherrsch u n g erfolgt also durch den m enschlichen W illen und hat die T ätigk eit des B e w u ß tse in s zur V orau ssetzu n g. So ist denn im M e n sc h e n an Stelle d es im Tiere w irk en d en le b e n sm a g n e tisc h e n Z u g e s der Bilder, die das Tier, seiner L e b e n sn o tw e n d ig k e it e n t­

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258

G l ü c k a u f

sprechend, anziehen und abstoßen, der m essende und zählende G eist getreten. D esh alb ist der vom Unfall bedrohte M ensch allein auf seine Aufmerksamkeit a n g ew iesen .

Der so e b e n g e z e ig te n mechanistischen Grenze dei U nfallverhütungsm öglichkeit steht die vitalistische als das G eheim nis des Lebens gegenüber. Auch hier herrscht das in vitalen Schätzungsfehlern jeder

M e s s u n g b egrü n d ete G e se tz eines unendlichen a sy m p to tisch en Fortschritts.

P r a k tisc h e A u sw ir k u n g en . D i e W i r k u n g d e r U n f a l l b i l d e r .

Das Unfallbild kann sich erstens, ohne daß der darin dargestellte Unfall dem Beschauer bewußt wird, infolge der von außen her an g ereg ten physikalisch­

chem isch en N e r v e n p r o z e s s e einprägen. Eine solche

Ein prägung sei mit dem von Klages gew äh lten Ausdruck als E inprägung in das vitale Gedächtnis bezeichnet. Sie steuert, w ie es in Abb. 3 durch die Pfeilrichtungen 1 und 2 b angedeutet ist, die Trieb­

handlungen des M enschen.

Im zw eiten Falle (Abb. 4) wird das Unfallbild b ew u ß t betrachtet. Damit das Bild dem Beschauer zum B ew u ß tsein kommt, m üssen die chem isch-physi­

kalischen N erven p rozesse g e n ü g e n d stark sein, was sich nur durch kräftige äußere Reize erreichen läßt.

D as Bew ußtw erden d es Bildes und die nachhaltigere E inprägung in das vitale Gedächtnis in fo lg e der nun auch w ille n s m ä ß ig verstärkten Erregung der chem isch­

physikalischen N erven p rozesse deuten die Pfeil­

richtungen l a und l b an. Der Triebhandlung (2 b) ist jedoch auch hier kein Bewußtseinsakt vorausgegangen, der zur W illenshandlu ng hätte führen können. In den beiden ersten Fällen (Abb. 3 und 4) wird also das den Anfang der Unfallhandlung enthaltende Bild den M enschen zur Fehlhandlung, d. h. zum Unfall führen, falls die vom Bilde unbew ußt a usgehende Antriebs­

erregung stark g e n u g im M enschen wirksam ist.

Der dritte Fall (Abb. 5) zeigt die durch die P feil­

richtungen t, l a und l b gekennzeichnete bewußte Einprägung des Bildinhalts in das vitale Gedächtnis und die vom Geiste aus gesteuerte Willenshandlung (2 b), w elcher der Bewußtseinsakt (2) und der die m enschliche Willkürhandlung steuernde Willensakt (2 a) v o r a u sg e g a n g e n sind.

Denkbar, praktisch jedoch wahrscheinlich von viel geringerer B ed eu tu n g wäre ein vierter Fall, in dem nur eine u n b ew u ß te Einprägung in das vitale G ed äch t­

nis stattgefunden hat, trotzdem aber auf Grund des erfolgten Bildeindrucks im Augenblick der Gefahr der Bew ußtseinsakt aufzuckt und, den Willensakt a u s­

lösend, zur W illenshandlu ng führt.

Die hier dargelegten denkbaren Fälle lassen d eu t­

lich den Lernvorgang und den V organg der A n ­ w e n d u n g des Gelernten erkennen, also Fälle der Betriebspädagogik, für w elch e der Verfasser die nach­

steh en d en , oben bereits erwähnten Richtlinien a u s­

gearbeitet hat.

R i c h t l i n i e n f ü r d i e U n f a l l s c h u t z w e r b u n g m i t U n f a l l b i l d e r n .

Die vo m V erfa sser im A ufträge der Sektion 2 der K n a p p s c h a fts -B e r u fs g e n o s s e n s c h a ft a u sg ea rb eite­

ten Richtlinien haben den n a chstehenden Wortlaut.

1. D er gleichzeitige A u s h a n g vieler versc hiede ner Unfall­

bilder ist u n z w e c k m ä ß ig , denn er s tu m p ft die Beleg­

schaft ab und die Bilder verlieren ihre W irkung. Man e n tfe rn e des h alb alle Bilder aus den Betrieben.

2. Man erm ittle z u n ä c h s t je eine g u te Aushangstelle des U nfallbild es für die zur Schicht und von der Schicht k o m m e n d e Belegschaft. Die M a rk e n k o n tro lle n und Lam­

p e n a u s g a b e n eignen sich für den A u sh an g von Unfall­

bildern m eis tenteils am besten, weil sich d o r t die Beleg­

sc h a ftsm itg lie d e r eine g e w is s e Z eit au fhalten müssen.

J e nach den räum lichen V erh ältn isse n kann auch noch eine dritte A u sh a n g s te lle g e w ä h l t w erden.

3. Die beiden A u sh a n g s te lle n für die a n f a h re n d e und rück­

k eh re n d e Schicht m ü ss e n den B e trie b s g e w o h n h e ite n der B e le gscha ft a n g e p a ß t sein. Z u r E rm ittlu n g der rich­

tig e n A u sh an g s tellen m uß d e s h a lb d e r Schichtwechsel d e r B e le gscha ft b e o b a c h t e t w e rd e n . Das Unfallbild muß q u e r zur M a rs c h r i c h tu n g d e r Belegschaft mög­

lichst in A u g e n h ö h e h än g e n . Die Bildaushangstelle darf nicht g leichzeitig A u sh a n g s te lle für betriebliche Bekannt­

m a c h u n g e n sein. D as Unfallbild ist durch eine be­

so n d e re , nach dem B e sch a u er hin a b g e b le n d ete , starke Lichtquelle zu beleuchten.

4. D a s s e l b e Unfallbild soll an den b e i d e n o d e r den drei als g u t erm itte lte n A u sh a n g s te lle n 24 S tunden hängen, so d a ß es w ä h r e n d eines W e ch s els d e r Früh-, Mittag- und N ac h tsc h ich t g e s e h e n w e r d e n kann. Durch den gle ichzeitigen A u s h a n g d e s s e lb e n Bildes an zwei oder drei g u t sic h tb a re n Stellen w ird eine b es sere und nach­

h a ltig e re E in p r ä g u n g des Bildes erzielt.

5. Nach 2 4 stiin d ig e m A u s h a n g ist das Unfallbild m i t dem R a h m e n von d e r A u sh a n g s te lle zu entfernen, weil sich an d e rn fa lls d e r Blick d e r B e le g sch a ft an die Stelle g e w ö h n t und das Bild von ihr nicht gesehen wird, auch w en n es noch u n b e k a n n t ist.

fr. Der A u s h a n g von U nfallbildern soll ein- bis zweimal w öchentlich e rfolgen. Bei w ö che ntlic h einmaligem A u s h a n g w ähle m an als A u s h a n g t a g den Mittwoch.

Bei w öche ntlic h zw e im a lig e m A u s h a n g den Dienstag u nd den D o n n e r s t a g o d e r F re ita g . An den den Zahl­

ta g e n f o lg e n d e n T a g e n ist d e r A u s h a n g zu vermeiden, falls an den T a g e n ein Teil d e r B elegschaft feiert.

7. D ass elb e Unfallbild d a r f n o r m a l e r w e is e f rühe ste ns erst nach Ablauf eines h alben J a h r e s w ied e r a u s g e h ä n g t w e rd e n .

8. Eine A u s n a h m e zu P u n k t 7 ist d a n n g e g e b e n , wenn sich auf dem W e r k ein auf d em Unfallbild dargestellter Unfall e r e ig n e t hat. In d ie sem Fall ist das Unfallbild o h n e R ücksicht d ara u f, o b es b e r e its vor kurzer Zeit a u s g e h a n g e n hat, von n e u e m a u s z u h ä n g e n und aut einem b e s o n d e r n , d a n e b e n o d e r d a r u n t e r gehefteten Z ettel auf diesen Unfall h in z u w e ise n und anzugeben,

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26. Februar 1929

G l ü c k a u f 259

wie der Unfall h ätte v e rm ie d e n w e r d e n können. D er H in ­ weis soll auch den N a m e n des V e r u n g lü c k te n nennen.

Der mit dem A u s h a n g d e r Bilder b e t r a u t e Mann hat über den A u sh a n g Buch zu fü h re n . D as hie rfür ein­

zuric htende H e f t soll eine S palte für das D atu m , eine Spalte über d e n er fo lg te n A u s h a n g u n d eine Spalte über die erfo lg te E n t f e r n u n g d e r Bilder e n ts p re c h e n d dem n a c hste hende n V o r d r u c k en th a lte n .

Datum Nr. o d e r B e ze ich n u n g des Bildes

A u s ­ g e h ä n g t

Ab- g e n o m m e n

10. Die an A r b e i t s p l ä t z e n a u f g e h ä n g t e n Bilder, die eine wirkungsvolle D a r s te llu n g d e s s e n e n th a lte n , w ie man n i c h t handeln soll, sind auf je d e n Fall zu entfernen.

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Abb. 6. S y m m etrie d e r F e n s te rn is c h e n b e e in tr ä c h tig t- die B ildw irkung.

Zur E rläuterung der Richtlinien m ö g e n fo lg e n d e A u sführungen d ienen:

P u n k t 1. Beim g leich zeitig en A u sh a n g mehrerer l'n fa llb ild e r g e h t die A nteilnahm e, also der W ille zum B eschauen der Bilder, bei der B e le g sc h a ft ver­

loren. I n f o lg e d e s s e n bleibt die vom W ille n h ervor­

zurufende V erstärkung der ch em isch -p h ysik alisch en N e r v e n v o r g ä n g e aus, die für eine nachhaltige E in ­ prägu n g d es Bildinhalts n o tw e n d ig ist. Die U n fa ll- bilder können bei D a r ste llu n g des A n fa n g s einer F e h lh a n d lu n g fr a g lo s U n fä lle herbeiführen, U n fa ll- fördernd wirkt hierbei ferner noch die leicht sta tt­

findende V erm isch u n g des Inhalts verschiedener Bilder in der Phantasie, w ie sie bekanntlich h äu fig im Traum e vorkom m t. Aus diesem Grunde ist es auch

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Abb. 7. A u ß er d e r g r o ß e n Zahl m achen S p ie g e lu n g und v e r k e h r te A u f h ä n g u n g die Bilder w ir k u n g slo s.

1 1 » l l

Abb. 8. A u s h ä n g u n g seitlich d e r M a rsc h ric h tu n g , besonders aber zw is chen F e n s te r n ist u n z w e c k m ä ß ig .

^bb. 9. N e b e n e in a n d e r von B e k a n n t m a c h u n g e n un d Bildern le n k t die A u fm e rk sa m k e it von diesen ab.

AKK m i r, u j u u • i ♦ s t r e u e n d Abb. 11. Zu g r o ß e Zahl d e r Bilder b e e in tr ä c h tig t Abb. 10. Lange R e ihe d e r Bilder w ir k t s ta rk z e rs tr e u e n . deg an s k h nicht u n g ö n s t igen A u sh a n g s .

v e r w ir r e n d und a b s tu m p f e n d . s

Abb. 6 - 1 1 . U n g ü n s t i g e A u sh a n g s te lle n für Unfallbild er.

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u n zw eckm äßig, der B e le g sc h a ft U n fallfilm e vorzu­

führen, sob ald sie in großer F ü lle F ehlhandlun gen zeigen, w eil sie unfallfördernd wirken.

P u n k t e 2 u n d 3. Bei den zahlreichen auf den M enschen einström enden Eindrücken können stets nur die stärksten die O berhand behalten und ihm zum B ew ußtsein kom m en. D esh a lb ist die Ermitt­

lu n g guter A u sh a n g ste lle n die grundlegende Vor­

b ed in g u n g für jede Schutzw erbung mit Unfallbildern.

Abb. 12. G u t e r A u s h a n g an e i n e m W a s c h k a u e n e i n g a n g .

Man darf das Aufhängen der Unfallbilder nicht dem Zufall überlassen. Über die Art der Ermittlung guter A u sh a n g stellen sei auf den bereits erwähnten Aufsatz des Verfassers verw iesen, der drei Abbildungen v o r ­ züglicher Stellen enthält1. Die vorstehend w ied er­

g e g e b e n e n Bilder u ngünstiger (Abb. 6 - 1 1 ) und g ü n ­ stiger (Abb. 1 2 - 1 4 ) A u sh a n g stellen sind vom Ver­

fasser mit einer Reihe anderer Bilder während seiner im A ufträge der Sektion 2 der Knappschafts-Berufs- g e n o s s e n s c h a ft zur Erm ittlung der besten Aushang- steilen auf den Ruhrzechen ausgeführten Rundfahrten a u fg en o m m en w orden. Die Unterschriften der A b ­ bildungen kennzeichnen die einzelnen Aushangstellen hinsichtlich ihres praktischen W ertes. Bei den guten Beispielen fehlt allerdings noch eine wirksame Sonder-

1 G lückauf 1927, S.722, A bb. 5 - 7 .

b eleu ch tu n g, deren B ed eu tu n g nicht stark genug b etont werden kann, denn nur kräftige Gegensätze von H ell und D unkel m achen den Reiz so eindring­

lich, daß er auch au f den Vorübereilenden seine W irk u n g nicht verfehlt.

P u n k t e 4 u n d 5. Läßt man ein U nfallbild län­

g e r als 24 Stunden hängen, s o wird es am Tage nach dem A u sh a n g , w ie fa st alle vo m Verfasser aus­

g eführten Zeitstudien g e z e ig t haben, von der Beleg­

schaft nicht mehr beachtet. D a jed o ch die Bildein­

prägu n g d esto nachhaltiger ist, je häufiger sie sich w ied erh olt, muß der erste T a g d e s Aushangs, an dem das Bild noch den Reiz der N e u h e it hat, dazu benutzt werden, e s an m ehreren, auf dem W e g e der B e le g sc h a ft hintereinander lie g e n d e n Stellen zu zei­

g en. Die U n tersu ch u n g en d es Lernvorgangs haben dargetan, daß sein e U nterbrechung durch Pausen für eine nachhaltige E in p rä g u n g b eso n d ers vorteilhaft ist. Der Eindruck der Leere nach der Entfernung eines Bildes mit dem Rahm en wirkt durch die Gegen­

sätzlichkeit und trägt dazu bei, die Abstumpfung des äußern R eizes zu verhüten, der von der Aus­

h a n g ste lle au sgeh t. A us d e m s e lb e n Grunde muß auch die S o n d e r b e le u c h tu n g der A u s h a n g s te lle an den T a g e n , an d e n e n keine Bilder aus- h ä n g en , a u s g e s c h a lt e t w erden.

P u n k t 6. D ie A n teiln ah m e der Be­

le g s c h a ft erlahm t auf die D auer auch dann, w e n n ’ man täglich ein neues Unfallbild au sh ä n g t, w ird aber bei einem ein- b is^ z w e im a l w ö chentlich er­

fo lg e n d e n A u s h a n g nicht merklich ab­

gestu m p ft. D e r ' M o n t a g em pfiehlt-sich nicht als A u s h a n g t a g , w eil die Beleg­

schaft d u r c h w e g am M o n ta g später zur Schicht k o m m t und e b e n s o w ie an Zahl­

tagen stark a b g e le n k t ist. Da sich der A r b e it s s c h w u n g d e s Arbeiters gegen Mitte der W o c h e steigert, läßt vielfach sein e V o r sic h t bei der Arbeit nach. D es­

halb e ig n e n sich die in der Mitte der W o c h e lie g e n d e n T a g e b eso n d ers dazu, d em A rbeiter eine W a r n u n g auf den W e g zur Arbeit m itzugeben. Dieser p e rsö n lich e A r b e it s s c h w u n g verringert sich g e g e n E n d e d er W o c h e . Am Frei­

t a g und S o n n a b e n d w e ile n die Gedanken der Leute vielfach s c h o n beim Sonntag, und d ie s e s A b s c h w e if e n verschuldet h ä u fig einen Unfall. D e s h a lb ist eine M a h n u n g d es A rbeiters zur V o r sic h t durch ein Unfall­

bild am F reitag vorteilhaft.

P u n k t 7. Ein zu hä u fig er A u s h a n g desselben Bildes führt g le ic h f a lls zur A b stu m p fu n g ; bei dessen halbjährlichen W iederkehr m achte sie sich nach den vom Verfasser d u rch g efü h rten Zeitstudien nicht g eltend.

P u n k t 8. Durch d iese M aßnahm en soll die im H ysteriker und ein seitig en W illen sm en sch en ge­

sch w ä ch te Bildseite der o b en g eschilderten Nerven- prozesse mit Hi l fe des Unfallbildes gestärkt werden.

Selb stverstän d lich muß das Bild die Darstellung des Richtigen und nicht die d es F a lsch en enthalten, ob­

g le ic h eine Stärkung der B ild seite auch durch diese bei den im m erhin noch recht g e s u n d e n Nerven des w eitau s ü b erw ieg en d en T e ile s der R u h r b e r g l e u t e Abb. 13. G u t e r A u sh a n g an einer Abb. 14. Sehr g u t e r A u s h a n g

L am p en stu b e . an einer M a rke nkontrolle.

Abb. 12—14. G ü n s tig e A ushangstellen für Unfallbilder, w obei allerdings eine S o n d erb ele u ch tu n g noch fehlt.

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23. Februar 1929 O I ü c k a u f

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weniger gefährlich ist, weil, w a s hier besonders wichtig ist, der Anteil, den die B e le g s c h a ft an einem gerade eingetretenen U n fa ll nim mt, sie zu ein geh en d er Betrachtung des Bildes und dam it zu seiner nach­

haltigen Einprägung treibt. Immerhin erscheint aber schon im Hinblick auf den w e n ig e r g e su n d e n Teil der Belegschaft eine Darstellung des Richtigen als geboten. Aus d em selb en G runde wird man von einer ins einzelne g e h e n d e n B eschreibung des U n fa llh erg a n g s absehen. d a g e g e n genau dar­

legen, wie der Verunglückte hätte handeln müssen.

Man wird es jetzt auch verstehen, w e s h a lb Z eitu n g s­

nachrichten, die das U n fa llg e s c h e h e n bis ins kleinste ausmalen, vielfach u n fallfördernd wirken. Solche Berichte rufen bei dem mit den Verhältnissen Ver­

trauten, also gerade dem jen ig en , den es besonders angeht, während d es Lesens u n b ed in g t jene, und zwar auf seine Arbeitsstelle b e z o g e n e n P hantasm en hervor.

Es wäre deshalb zu w ü n sch en , w en n an Stelle dieser unfallfördernden Sch ild eru n gen u n fa llb e k ä m p ­ fende Berichte treten w ürden, die neben der ganz kurz zu haltenden M itteilu n g über den U n fa ll vor allem eine D a r le g u n g des Richtigen en th alten müßten.

Hier erhebt sich die Frage, ob nicht das v ö llig e Verschweigen eines U n fa lls am richtigsten wäre.

Darauf ist kurz f o lg e n d e s zu e r w id e r n : D a s W issen des Menschen vom Verkehr von M ensch zu Mensch und vom K osm os zum M en sch en beschränkt sich nur auf das. w a s ihm durch sein e Sinne wahrnehmbar wird. Und doch muß es darüber hinaus noch m anches geben, was m enschlichem W is s e n verborgen ist.

Wie wäre es son st m ö g lich , daß man plötzlich an den sich gerade nahenden B esuch denkt, von dessen Kommen man mit seinen Sinnen noch nichts w a h r­

genommen hat? W ie käme es, daß zwei durch weiten Raum getrennte P erson en zu gleich er Zeit den Ent­

schluß fassen, einander zu schreiben, s o daß ihre Briefe sich kreuzen? Man se h e hier von besondern Fällen ab, in denen vo rlieg en d e G ründe als Ursache des Schreibens a n g e n o m m e n w erden m üssen. W ie vor allem wäre es zu erklären, daß zw ischen dem Hypnotiseur und seinem M edium eine Verbindung besteht, daß die den Denkakten d es H y p n o tise u r s zu­

grunde liegenden vitalen P r o z e sse , sich als eine Dop- nelheit der E reignisse auf das M edium übertragend, bei diesem Brandblasen usw . hervorzurufen im stande sind? Dem bew ußten Verkehr d es M enschen dienen Licht- und S ch a llw ellen . Zu ihnen haben sich den Äther durchziehende elektrische W e lle n g e s e llt . Aber ebensowenig, w ie kreisende Ionen U rteilchen der Materie darstellen, sind die dem m e n sch lich en Geiste bekannten Wellen die einzigen. W eil also Z u sa m m e n ­ hänge, deren m echanistische Seite von den Natur­

wissenschaften noch nicht ergründet werden konnte, dem Menschen in z a h llo se n Fällen erscheinen, wäre es widersinnig, ien e E r sc h e in u n g und damit ihre Zu­

sammenhänge, d. h. die D o p p e lh e it der E reig n isse zu leugnen. Die E r fo r sc h u n g der hier stattfindenden mechanistischen V o r g ä n g e ist eine der zahlreichen Zukunftsaufgaben der N a tu r w isse n sc h a fte n . Auch die strengste G e h e im h a ltu n g ein es U n f a lls wird daher diese Z u sam m en h än ge nicht zerreißen k ön n en ; weil durch den m en sch lich en G e ist das die S eele des Menschen mit der S eele d e s Al l s verbindende Band zerrissen w orden ist, muß jener G e is t A u fp asser des Schicksals se in e s T r ä g e r s sein. D e s h a l b ersch ein t auch

die gek en n zeich n ete Art der Presseberichterstattung als g e b o te n , um so mehr, als eine vollständige G eh eim h a ltu n g nie gelin gen dürfte und um her- s c h w irrende Gerüch*e w eit eher unfallfördernd als unfallverhütend wirken.

P u n k t 9. H ier werden rein organisatorische Maßnahmen a n g e g e b e n , die desh alb erforderlich sind, weil o h n e sie, w ie die Erfahrung g e z e ig t hat, die S ch u tzw erb u n g mit U nfallb ild ern in den Betrieben unzulänglich bleibt oder überhaupt nicht durch­

geführt wird.

P u n k t 10 berührt die im nächsten Abschnitt b e ­ handelte Frage nach dem für den Betrieb z w eck ­ m äßigen Bildinhalt.

G e g e n s t a n d d e r U n f a l l b i l d e r .

Nach den vorsteh en d en D a r le g u n g e n dürfen F e h l­

handlungen w ie d e r g e b e n d c Bilder im allgem einen für den A u sh a n g nicht v erw en d et werden, weil die durch sie erregten Phantasm en den Arbeiter vielfach blind lings zum U nfall steuern. Aus diesem G runde ist auch ihre A u fh ä n g u n g an Arbeitsplätzen u n zw eckm äßig.

Die vom Verfasser in Lehrlingsw erkstätten v o rgen om - menen Versuche zur F e stste llu n g , ob der Lehrling überhaupt w eiß, w e lc h e s Bild an seinem Arbeitsplatz hängt, ergaben, daß 25<>'o dieser im eindruckfähigsten Alter steh en d en jungen Leute die entsprechende Frage nicht richtig beantworten konnten. Nur im U n te r ­ richt, wro der Lehrende die M öglichkeit hat, eine nachdrückliche E in w irk u n g auf den Lernenden aus- zuiiben, ist eine V erw en d u n g von Bildern, die den Anfang der Fehlhandlun g zeigen, zulässig, vielfach sogar n o tw en d ig , weil anders dem Lernenden in vielen Fällen die ihm drohenden G efahren nicht g e z e ig t werden könnten. Immerhin muß sich der Lehrende der V eran tw ortu n g b ew u ß t sein, die er mit dem Zeigen des Falschen übernimmt, und wird deshalb die nachhaltige E in p rä g u n g des Bildinhalts mit aller Kraft betreiben.

Aus den bisherigen A usfü h ru n gen wird man die S chlußfolgerung ziehen m üssen, daß eine Reihe der von der U n fa llb ild G . m . b . H . in Berlin h e r a u s g e g e ­ benen U n fa llb ild e r für den a llg em ein en A u s h a n g nicht g e e ig n e t sind, w eil dafür nur so lc h e Bilder verw endet werden dürfen, die entweder eine D a r s te llu n g des Richtigen oder eine W ie d e r g a b e von U n f a l l f o l g e n en t­

halten (z. B. ein g eb r o c h e n e s Bein, ein verletztes A u g e u s w .). Ist aber für das V erständnis des Unfalls eine D arstellung des Richtigen u n d des Falschen g eb o ten , so muß das R ichtige g a n z groß und in h arm onierenden Farben, das F a lsch e nebenbei ganz klein in sich b eißenden Farbtönen w i e d e r g e g e b e n und mit roten Strichen durchkreuzt w erden, w odurch es als falsch s o fo r t kenntlich ist. Nur derartige U n fa llb ild e r werden keine u nw illkürlichen F e h lh a n d ­ lungen hervorrufen können. Von den in dem f r ü h e m Aufsatz d es V erfassers gebrachten B ild e r n 1 dürften nur die von M arotz stam m en d en Bilder

a. b

und

m

den g e stellten A nford eru n gen g e n ü g e n , w o b e i das Bild

b

w e g e n seiner auf der F a r b en d ish a rm o n ie b e ­ ruhenden a b sto ß en d en W ir k u n g b eso n d ers h ervor­

g e h o b e n sei. A llerd in gs w äre das Bild noch besser, wenn eine räum liche T r e n n u n g zw isc h e n den H änden und dem D rahtseil durch die B e sc h r iftu n g er fo lg t wäre. Man wird je d e n f a lls in Zukunft viel schärfere A n forderungen an die U n fa llb ild e r hinsichtlich der

1 Glückauf;1927, S. 719.

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