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Technik und Wirtschaft : Monatsschrift des Vereines Deutscher Ingenieure, Jg. 13, H. 5

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TECHNIK UND WIRTSCHAFT

m m m m m m M O N A T S Ö iR IF T

DES VEREINES DEUTSCHER INOEMEORE SCHRIFTLEITER: D^Mg/ERuW»SPElSER>

13. Ja h rg . Mai 1920 5. Heft

Der S taatsvertrag ü b e r den Übergang d er Staatseisenbahnen a u f das Reich1).

Von WirHl. Geh. Rat Dr. H e r m a n n K i r c h b o f f , München.

D a d ie p o litisch e und m ilitärische S tellu n g D eutsch lan ds durch den W eltk rieg gänzlich g eb ro ch en ist, g ib t e s nur noch e i n e Kraft, durch die es sich w ie ­ der aufrichten kann, das ist sein e w i r t s c h a f t l i c h e N eu b eleb u n g . D eu tsch ­ land, zur Z eit der B efreiu n gsk riege ein v o rw ieg en d Ackerbau treib en d es Land von etw a 16 M illion en E inw ohnern , hat sich seitdem zu ein em In du striestaat ersten R an ges m it 60 M illion en M en schen entw ickelt. D ie se w ollen b esch äf­

tigt und ernährt sein . G era d e die germ an isch e R asse eig n et sich dank ihrem O rgan isation stalen t zur Industrialisierung. O b gern o d er nicht g ern : w ir können nur w ied er hoch kom m en durch inten sive H eb u n g u n seres g esa m ten W irtsch aftsleb en s. H ierzu ist in erster Linie und als dringlichste M aßnahm e die San ierun g und N eu ord n u n g d es gänzlich darniederliegend en V erkehrs­

w esens erforderlich.

D ie E isenb ahnen w erd en in Z ukunft gan z andere A u fgaben zu erfüllen haben als bish er. S ie w erd en vor allem im V erein m it den W a sserw e g en einen Riesenverkehr zu b ew ä ltig en h ab en : M asseneinfuh r, M assenau sfuh r, M assen- transportc heißt die P arole, straffe E inh eitlichk eit die L osung. Auf E rhöhung der L eistu n gsfäh igk eit, in finanzieller w ie betrieblich er und baulicher B e­

ziehung, will daher d ie N eu o r d n u n g des E isen b a h n w esen s gerich tet sein : groß zü gig, aber spartanisch einfach.

W as ist sta tt d essen bish er g e sc h e h e n ? Sech s kostbare M onate sind auf einen Staatsvertrag v erw en d et, der die In teressen der E isenb ahnstaaten w ohl zu wahren w eiß , die jetzt u n bed in gt g e b o te n e San ierun g d es E isen b ah n w esen s aber einfach un m öglich m acht.

Man m ö g e dem Staatsvertrag zu sein er E m pfehlun g d ie vorteilh aftesten Seiten a b g ew in n en , man m ö g e auf den V alutasturz h in w eisen und uns vor

*) E r k l ä r u r g d e s v o n dem 26. A u ssc h u ß d e r N a tio n a lv e rs a m m lu n g a ls s a c h v e rs tä n d ig e r B e ra te r z u g e z o g e n e n V e rfa s s e rs in d er S itz u n g v o m 15. A p ril 192a

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A u g en führen, diaß von den 43 M illiarden Mi 10 M illiarden M als E n tsch ä d ig u n g für d ie an d as A usland a b zu treten d en Streck en a n zu seh en sind, daß d ie E isenb ah n staaten ihr w e rtv o llstes W irtsch a ftso b jek t an das R eich a b treten ; w a s ü b rig b leib t, ist ein fach V erkauf auf A bbruch, nicht Aufblau!

S ch on d as erste R eich sw irtsch aftsjah r so ll m it ein em sch w eren D efizit b e g in n en ; w a s w e iter d ah inter sitzt, is t nichts als ste ig e n d e D efizite, T arif­

erh öh u n gen und h o ffn u n g slo se K äm pfe um d a s D a sein D eu tsch la n d s m it der verh ä n g n isv o llen A u ssicht, daß d ie E isen b a h n sta a ten ihre E isen b ah h n en doch schließ lich aus dem Z usam m enbruch zu ein em b illig eren P re ise w ied er zu­

rückkaufen m üssen.

W ie kann man so e tw a s m a ch en ? W ie kann m an d a s e i n z i g e W i r t ­ s c h a f t s i n s t r u m e n t , d a s w i r z u r F r i s t u n g u n s e r e s D a s e i n s n o c h h a b e n , sta tt es zu h e g e n und zu p fle g en , v o r w e g s o verstü m m eln und zu neuen T a ten unbrauchbar m achen! D ie se W irk u n g w ird m it dem Staats­

vertrag to d sich er erzielt. Er rech n et g a r nicht m it den gän zlich veränderten Z eitverh ältn issen , se in e g a n z e S o r g e d reh t sich um S ich erstellu n g en . Ü ber die Frage, o b ein E isen b ah n b eam ter in ein a n d eres Land v e rse tz t w erd en darf, w erden in dem S ta a tsv ertra g u m stän d lich e S ch ied sg er ich te in B e w e g u n g g e ­ setzt. N ich tig k eiten w erd en darin zu W ich tig k eite n , w äh ren d da draußen ein R iesen verk eh r b e w ä ltig t sein w ill.

A u f der ein en S eite wird ein e n eu e Sorte von K rie g sg ew in n e n durch den S ta a tsv ertra g g e sc h a ffe n — P reu ß en z. B. erhält nach D eck u n g a l l e r Schul­

den 10 M illiarden M! zur freien V e r fü g u n g und b eh ält dazu noch gänzlich sch u ld en frei s e in e D o m än en , F orsten , K anäle und B erg w erk e, W ürttem berg 70 0 Mill. M u sw . E in e z w eite Serie von K rie g sg ew in n en w ird nach dem Staats­

bah ntyp für den Ü b er g a n g der W a ss e r w e g e fo lg en . A u f d er anderen Seite sink t d a s R eich urinier tiefe r in den A bgru nd, m a g e s d ie se M illiardenab­

fin d u n gen d er R eichsbahn zur L ast leg e n , o d er ein en T eil der Abfindungen als u n p rod u k tive Schu lden auf d ie R eich sk asse ü b ern eh m en : k ein esfa lls kom­

men h ierb ei die V e rk eh rsw eg e — w ie es so bitter n o ttu t — w ie d e r in Ord­

nung. W o h er so llen auch w eitere M illiarden zur A u sg e sta ltu n g und E rw eite­

ru n g d es V erk eh rsw ese n s k o m m en ? Ü b erall, auch hin sich tlich d er B esoldung d es P erso n a ls, wird es in fo lg e der ch ron ischen G eld v e r le g en h e ite n hapern! Ist das d ie V e jk e h rsv erein h e itlid iu n g , w ie sie sich d as d eu tsch e V olk gedacht u n d w ie sie ih m .d ie R eich sv e rfa ssu n g verb rieft h a t? S oll ihm nach all den im W eltk rieg erlittenen E n ttäu schu ngen auch noch d ie se letzte und s c h w e r ­ w ie g en d e , sein D asein in F rage ste lle n d e E n ttä u sch u n g v e rsetz t w erd en ? W elch er Finanzkünstler w ill n a d i d ie se r m it d em S ta a tsv er tra g verbundenen radikalen A u ssa u g u n g d ie in A rtikel 02 der R eich sv erfa ssu n g vorgeseh en en R ücklagen, R eserven und Ü b er sch ü sse h erv o rza u b ern ?

W ozu üb erhau pt jetzt d ie se E ile in d e r S a ch e? V or se c h s M onaten hieß es, der Ü b er g a n g der S taatsbah n en auf das Reich w erd e erst zum V erfassu n gs­

term in (1. O k tob er 1020) du rchgefüh rt. D anach v e rö ffe n tlic h te ich m eine V o rsch lä g e in d er D eu tsch en A llg em ein en Z eitu n g , dann w u rd e der 1. April 1020 als Ü b erg a n g sterm in b ek a n n tg eg eb en .

W ährend d ie se r se c h s M onate Ist d ie so d rin glich e S a n ieru n g d e s kranken E isen b a h n w esen s leider verp aßt, w oh l aber h ab en sich d ie Ä rzte se lb st vor­

w e g saniert.

274 K i r c h h o f f : Ü b e r g a n g d e r i ta a ts e i s e n o a n n e n a u r u a s rceicn

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D ies ist um so m ehr zu bedauern, als w ir doch ein en sicheren und so fo rt gangb aren W eg haben, um >das E isen b ah n w esen von Orund aus zu sanieren imd für das Reich, d ie E isenb ahnstaaten , das verk eh rtreibend e Publikum und das E isenbahnpersonal leistu n g sfä h ig zu m achen. W enn man ihn nur b e ­ schriften hätte!

D ie preußischen E isenb ahnfinan zen litten unter dem R am schetat und der zu intensiven E inw irku ng der Fin anzverw altun g. M ühevoll g e b ild ete R eserven wurden für a llgem ein e S taatsb ed ü rfn isse in Anspruch g en om m en . M illiarden­

w erte w urden nicht richtig bilanziert, indem sie nicht, w ie es nach kauf­

m ännischen G ru nd sätzen üblich, zu- oder abgeschrieb en , son dern einfach jedes Ersatzstück Z u g um Z u g g erech n et w urde. W ird z. B. für eine L okom otive, die im A nlagekapital m it 40 000 M zu Buche steh t, ein e n eu e, d ie jetzt über 1 Mill. Mf k o stet, aber dreim al s o leistu n g sfä h ig ist, b eschafft, so w ird der M e h rw e rt in d e r Bilanz nicht g u tg e r e c h n e t. Jetzt, w o die Staatsbahn V erw al­

tungen im Sta a tsv ertra g ihren K aufpreis berechnen, haben sie all d iese großen und kleinen K onten im laufenden E tat sch on zu finden g e w u ß t, die die Natur einer V erm ö g en sv erb esser u n g hab en, und sie ihrem K aufpreise zugerech net.

W ird in Z ukunft nach d iesen kaufm ännischen G rundsätzen auch im Etat ver­

fahren, so w ird sich die Bilanz um tn ind esten s ein e M illiarde M verb essern.

D ie San ierun g ließ e sich bei den Staatsbahnen in fo lg en d er W eise s o ­ fort d u rch fü h ren :

D as Reich übernim m t so fo r t d a s finanzielle Risiko für die Staatsbahnen, sie bleib en bis zur San ierun g, sp ä testen s bis zu dem in der R eich sverfassu n g fe st­

g e se tz te n Zeitpunkt im E igen tu m d e r E isenbahnstaaten. S ofort wird — en t­

sp rechend der in P reußen vorgen om m en en T hesau rieru ng von 6 Milliarden Mark — ein kräftiger E r n e u e r u n g s f o n d s von 6 M illiarden M mit einem neuen T y p von R eich sbah nob ligationen, deren Z in sen d ien st aus den E isenb ahn­

einnahm en zu b estreiten ist, geb ild et. Da sich die H a u p tb elastu n g d es E isen ­ bah netats bei der E rneueru ng abspielt, wird der laufende R eichsbahnetat s o ­ gleich im ersten B etriebsjahr um einen M illiardenbetrag en tlastet, der sich durch Einführung der kaufm ännischen G rund sätze noch um ein en w eiteren M illiar­

denb etrag erhöhen wird. Statt e i n e r c h r o n i s c h e n D e f i z i t w i r t s c h a f t , vor d er d as Reich bei Annahm e des Staatsvertrages tod sich er steh t, wird schon das erste B etriebsjahr m it einem Ü b e r s c h u ß absch ließ en , an dem d as Reich und d ie E isenb ahnstaaten gleic h m ä ß ig teilnehm en können. W ürde gleich zeitig das Z w eik lassen system ein gefü h rt, so ließen sich durch die dam it erzielte B etriebsvereinfachung d ie P erso n en zü g e verm ehren, auch w äre an ein e V er­

billigung der T arife w e n ig ste n s der H olzklasse zu denken.

D ie Sanierung m üßte also so fo rt v o n i n n e n h e r a u s in die W e g e g e ­ leitet werden.

W eder der R eichsverkehrsm inister noch der ^Reichsfinanzm inister haben das Bedürfnis an den T a g g e le g t, S ach verständ ige, die sie se lb st zur T eil­

nahme an den San ierun gsverhan dlun gen ein g ela d en haben, zu den V erh and­

lungen hinzuzuziehen. Ein als B eirat b e stellter en gerer A u sschu ß von T ech ­ nik und W irtschaft ist nur einm al zur T a g u n g ein beru fen , und zw ar am 13.

April, am gleichen T age, als der 26. A usschuß der N ation alversam m lu n g sein e V erhandlungen über den S taatsvertrag schon b eg o n n en h a tte; er sollte noch schnell vom R eichsverkehrsm inister darüber unterrichtet w erden. So ist d iese w ich tige M aterie bisher sum m arisch behandelt w ord en !

i xi . l m i i o i i* i^ t» w g w n g d e r i> ta atse is e n b a h n e n auf d a s R eich 275

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D er H err R eich sfin anzm in ister hat den A usspru ch g e ta n : »W enn d e r S ta a tsv ertra g nicht a n gen om m en w ird, w ird d a s D e fiz it noch größ er.« T rotzd em m eld et er für das erste R eich sb etrieb sjah r ein D efizit von 12 M illiarden M an. Er hat o ffen b a r die v o rerörterten preußischen V e rh ä ltn isse nicht gek an n t, so n st w ü rd e er nicht s o g esp ro ch en hab en . D as U m g e k e h r te ist nach m e in e r ' bestim m ten Ü b er ze u g u n g rich tig: Durch den S ta a tsv ertra g w erd en d ie E isen ­ b ah nfinan zen s o zugrund e g er ich tet, daß ein e S an ieru n g auf der vo n mir v o r g e ­ sch la g en en G ru n d lage m it B ild ung e in e s E m e u e r u n g sfo n d s üb erhau pt nicht m ehr m ö g lich ist. D i e D e f i z i t w i r t s c h a f t w i r d d u r c h d e n S t a a t s ­ v e r t r a g v e r e w i g t . N ur auf dem von m ir a n g e d e u te ten W e g e sind die d eutsch en S taatsbahnen zu san ieren und für die ko m m en d e g r o ß e W irtsch afts­

kam p agne tau glich zu m achen, nicht ab er dadurch, d aß d ie E isenb ahnstaaten v o r w eg ihre K rieg sg ew in n e e in h eim sen und sc h w e r w ie g e n d e V orbehalte m achen. D ann so llte man doch lieb er die Z en tra lstelle für d as k ü n ftig e E isen­

b a h n w esen mehr nach Sü dd eu tsch lan d w erlegen , um hierdurch eine Arbeits­

freu d igk eit in Sü dd eu tsch lan d zu erzielen , als acht R eich szen tralen für ein n eu es d eu tsch es E isen b a h n w esen ein richten . N ur ein g r o ß z ü g ig e r deutscher In du striestaat kann g a n z D eu tsch lan d , auch d a s agrarisch e N ord- und Süd­

deutsch lan d, retten ! D ie V o rb ed in g u n g dafür ist ein g r o ß z ü g ig e s Verkehrs­

w esen (E isen b ah nen und W a sserstra ß en )! E s w äre ein V erb rechen am deut­

schen V o lk e, w enn man d ie se w ich tig ste und d rin g lich ste F rage der wirt­

schaftlichen W ied erg eb u rt nicht in einer dem d eu tsch en V o lk e zuträglichen W e ise lö sen w o llte. D e r Z w a n g s l a g e , d i e d e r L ö s u n g d e r g r o ß e n F r a g e j e t z t d a d u r c h b e r e i t e t w i r d , d a ß d i e E i s e n b a h n s t a a t e n s i c h a u f k e i n e a n d e r e L ö s u n g e i n l a s s e n w o l l e n , s t e h t d i e

« o c h g r ö ß e r e Z w a n g s l a g e g e g e n ü b e r , d a ß d a s R e i c h u n d d a ­ m i t a u c h s e i n e G l i e d e r u n b e d i n g t w i r t s c h a f t l i c h g e r e t t e t w e r d e n m ü s s e n . W e l c h e L ö s u n g b e i d i e s e m D i l e m m a d e n V o r ­ t r i t t v e r d i e n t , d a r ü b e r k a n n m a n w o h l k e i n e n A u g e n b l i c k z w e i f e l h a f t s e i n .

P 30] ________________

276 H a m p k e : D a s L e h rlin g s w e se n in H a n d w e r k u n d In d u s trie

Das L ehrlingsw esen in H andw erK u n d In d u strie.

V erhandlungen des 10. Kongresses d er G ewerkschaften Deutschlands.

Von Dr. T h i l o H a m p K e , Hamburg.

I. D i e b i s h e r i g e R e g e l u n g d e s L e h r l i n g s w e s e n s .

D ie R eg elu n g d es L eh rlin g sw esen s ist e in e der w ich tig sten F ragen für den zukü nftigen Aufbau u n seres W irtsch a ftsleb en s, den n g e lin g t es uns nicht, durch die V orzü glichk eit un serer Q u alitätsarb eit, w ie vor d em K riege, den W eltm arkt w ied er zu g e w in n e n , s o w ird ein w irtsch aftlich er A ufbau unseres g esa m ten G ew erb es, so w o h l der Industrie w ie d es H an d w erk s, kaum m ög­

lich sein. D ie se g u te Q u alitätsarb eit w erd en w ir a b er in d er Z uk un ft nur liefern kön nen, w enn w ir un ser L eh r lin g sw esen auf d ie H eran b ild u n g tech ­ nisch vorzü glich g esch u lter Q ualitätsarb eiter ein stellen . D ie F rage d er R eg elu n g

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d e s L eh rlin gsw esen s sch eint aber durch die B esch lü sse d es 1 0 . K o n g r e s ­ s e s d e r G e w e r k s c h a f t e n D e u t s c h l a n d s zu N ü r n b e r g 1) ln ein Fahr­

w asser gebrach t zu w erd en , w elch es ein e v orzü glich e A usbildung der Lehr­

lin ge kaum gew ä h rleisten kann.

D ie G ew er b e g esetz g eb u n g in D eutsch land hatte erkannt, w ie w ich tig eine R egelu n g d es L eh rlin g sw esen s ist. D esh a lb sin d in den § § 126 b is 128 der G ew erb eord n u n g vom 21. Juni 1869 allgem ein e B estim m u n gen für das Lehr­

lin g sw esen erlassen w ord en , die auch für d ie In dustrielehrlin ge gelten , und ferner sind noch b eson d ere B estim m ungen für H and w erkslehrlin ge in den

§ § 129 blis 133 enthalten;, die nur für d ie se A n w en d u n g finden. Als O rgan e zur Ü b erw a ch u n g d es L eh rlin gsw esen s im H and w erk w aren die H an d w erk s­

kam m ern und die Innungen g ed a ch t, die sich ihren A u fgaben auf dem G e ­ b iete d es L eh rlin g sw esen s mit gro ß em Eifer w idm eten . Es un terliegt gar keinem Z w e ife l, daß sie durchaus g ü n stig e E rgeb n isse auf d iesem G eb iete er­

zielt hab en . E rst im Jahre 1900 sin d d ie H andw erkskam m ern ins Leben g e ­ treten , und in verh ältn ism äßig kurzer Zeit haben sie g u te E rfolge erreicht, w ie u. a. der Bericht d er Z e n t r a l s t e l l e f ü r V o l k s w o h l f a h r t über d a s L eh rlin g sw esen und d ie B eru fserziehu ng d e s gew erb lich en N ach w u ch ses für den 5. K ongreß der Z entralstelle für V olksw oh lfahrt am 19. bis 20. Juni

1911 in E lberfeld ein w and frei bew eist.

D ie T ä tig k eit der H and w erkskam m ern auf dem G eb iete des Lehrlings­

w esen s hatte s o g ü n stig g ew irk t, daß d ie Industrie im m er m ehr zur V erb es­

seru n g d es L eh rlin g sw esen s nach dem M u ster der V orschriften der H and­

w erkskam m ern ü b ergin g, oh n e daß g esetzlich e B estim m ungen dafür Vor­

lagen . Schriftliche L ehrverträge bü rgerten sich in d er Industrie mehr und mehr ein, d a s P rü fu n g sw esen in der Industrie nahm ein en im m er w eiteren U m fan g an, und vielfach zeigten sich in den Industrieverbänden W ün sche, den Handelskammern', d ie z. T. auch Industriekam m ern sind, ähnliche Auf­

gab en für das L eh rlin gsw esen zu übertragen, w ie sie d ie H andw erkskam ­ mern auf G rund gesetzlich e r B estim m ungen übernom m en hatten. Ähnlich lag es beim H andel. Auch hier bü rgerten sich schriftliche L ehrverträge mehr und mehr ein, un d auch im H andel w u rd e von den A n g estellten vielfach die For­

d eru n g erh oben, ein e Art A b schluß prüfun g nach d er Lehre einzuführen.

Stim m en w u rd en laut, den H andelskam m ern ähnliche B efu g n isse w ie den H and w erkskam m ern zu zu w eisen . Auch in der L andw irtschaft zeigten sich gleich artige B estreb ungen.

Der K rieg hat nun in den g u te n E rfolgen, die d ie H and w erkskam ­ mern für d a s L eh rlin gsw esen erzielt hatten , verheerend g ew irk t. D ie L ehrlingsausbild un g ist im H and w erk w ährend d es K rieges stark zurück­

geg a n g en . E ine o rd n u n g sm ä ß ig e L ehrlingsausbild ung konnte z. T. kaum stattfinden, w eil w e g e n d es F eh len s an R oh stoffen die W a ren h erstellu n g ganz ein seitig g e sta ltet w erden m uß te und daher eine v ie lse itig e A u sb ildu ng gar nicht mehr m öglich war. ln den M etallgew erb en m ußten, w eil die Arbeiter Im F elde w aren, d ie L ehrlinge, um jen e zu ersetzen , zum T eil in so g ro ß er Zahl ein g estellt w erd en , daß von ein er A u sbildu ng kaum die R ede sein

>) am 30. J u n i 1919.

n a m p K e : Lías Lehrlingswesen in H a n d w e rk un d In d u s trie 277

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konnte. S tatt daß sich nun aber nach dem K riege die V erh ä ltn isse b e sser ten , w urden sie n och schlim m er, indem vielfach die B etrieb e w e g e n ihrer s c h le c h ­ ten w irtsch aftlichen L age ihre A rbeiter en tla ssen m uß ten , aber verpflichte*

w aren, ihre L ehrlinge, m it d en en sie d rei- und vierjährige L eh rverträge a b g e ­ sch lo ssen hatten, zu b eh alten , s o daß bei der verm ind erten G eh ilfen - und Ar­

beiterzah l die L ehrlingszah l un verhältn ism äß ig g ro ß w urde. D ie se M iß ständ e ließen sich natürlich nicht von h e u te auf m o r g en b e se itig e n , son d ern die zu hoh e L ehrlingszah l m ußte erst allm ählich a b g eb a u t w erd en . D ie se K riegs­

ersch ein u n gen w erd en aber nun se iten s d er G ew erk sch a ften d en H an d w erk s­

kam m ern und In nu ngen als den A rb eitg eb er o rg a n isa tio n en in die S c h u h e g e ­ s c h o b e n ; sie w erd en nicht als K rie g sersc h ein u n g e n b etrach tet, son dern es wird beh au p tet, daß die H and w erkskam m ern und d ie In n u n gen und überhaupt die A rb eitgeb erorgan isation en auf dem G eb ie te d e s L eh r lin g sw e se n s durchaus v ersa g t hätten und d esh a lb gän zlich b e s e itig t w erd en m üßten.

II. D i e N ü r n b e r g e r B e s c h l ü s s e . 1. G r u n d s ä t z l i c h e E r k l ä r u n g e n .

D ie B esch lü sse d es 10. K o n g resses d er G ew erk sch a fte n D eu tsch lan d s zu N ürnberg w erd en e rö ffn e t durch g ru n d sätzlich e E rkläru ngen, w elch e lauten

»1. D ie Art d es L e h rlin g sw e sen s, die in der H an d w erk sleh re beim Klein­

m eister un d in der P rinzipalsleh re beim K räm er ihre typ isch en Aus­

drucksform en findet, w ird in ein er so zia lisierten W irtsch aftsord n u n g von selb st versch w in d en .

2. D ie n eu zeitig e, sich sozialisieren d e V o lk sw irtsch a ft hat auf ein e soziali­

sierte B eru fsbildu ng hin zu w irk en. Jeder m it der A b sich t auf D au ertätig­

keit in ein en Beruf, ein en B e r u fsz w e ig o d e r ein en B etrieb eintretende ju gen d liche A rbeiter m ännlichen und w eib lich en G e sch le ch ts ist, sow eit d ie V o rb ed in g u n g e n dazu vorh an d en sin d o d er e n tsteh en , grundsätzlich und praktisch als Lehrling zu beh an d eln . Jeder Beruf, B e ru fsz w e ig und B etrieb hat sein e ju gend lich en A rb eiter p lan m äß ig in ein er geord n eten L ehrzeit auszu bilden und ihnen G e le g e n h e it zu g e b e n , die praktische Aus­

b ild u n g durch th eoretisch e F ach b ild un g zu ergän zen und zu vertiefen.

3. A llen A rbeitern ist d ie M ö g lich k eit o ffe n zu h alten , sich auch noch in einem sp äteren L ebensalter and eren B erufen und B e ru fsz w eig e n zuzu- w'enden, tun sich in d iesen beruflich auszu bilden. E tw a ig e B estim m un­

g e n in körperschaftlichen A rb eitsverträgen und an d ere B estim m ungen, d ie dem en tg e g e n steh e n , sin d zu v e rw e r fen und, w o v orh an d en , zu b e­

seitigen.«

ln d er H au p tsach e b ringen a lso d ie g ru n d sätzlich en E rklärungen zum Ausdruck, d a ß , w'enn u n sere g a n z e G ü te re rz e u g u n g einm al ia der Z u k u n ft sozialisiert sein wird, die jetzt herrsch en de M eisterleh re v ersch w in d en m uß, w eil es dann eben keine se lb stä n d ig en M eister m ehr g ib t. D ie Lehr­

lin g sa u sb ild u n g hat in der so zia lisierten W irtsch a ftso rd n u n g durch d ie All­

gem ein h eit, a lso durch den S ta a t zu erfo lg en . D ie se G rundsatzerklärung sch ein t mir durchaus Z uk unftsm usik zu sein , so daß man über sie, wenn man zu n äch st an die praktische G esta ltu n g d e s L e h r lin g sw e se n s in der Z u ­ kunft denk t, nicht w eiter W o r te zu verlieren braucht.

278 H a m p k e : D as L e h rlin n g s w e s e n in H a n d w e rk u n d In d u s trie

(7)

H a m p k e : D as L e h rlin g s w e s e n in H a n d w e rk u nd In d u s trie 279

2. Z u s t ä n d i g k e i t .

D ie w ich tig sten B estim m ungen über das L eh rlin g sw esen sind die über die Z uständigkeit. S ie la u te n :

>;1. D ie Z ustän d igk eit der In nu ngen ist aufzuheben.

2. Zur R eg elu n g der L ehrlingsverhältnisse w erd en mit Z uständigkeit für das Reich für jeden Beruf paritätisch aus V ertretern von A rbeitgeb ern und A rbeitnehm ern b esteh e n d e Z entralk om m issionen e in g esetz t, die unter V orsitz ein es V ertreters des R eich sarb eitsam tes innerhalb der durch all*

^ g em ein e g esetzlich e B estim m u n gen g e z o g e n e n G renzen wirken.

In sb eso n d ere haben d iese Z entralk om m issionen die A u fgaben, a) d ie L ehrzeit für den Beruf und für b estim m te A rb eitzw eig e des

B erufes festzu setzen ,

b ) d ie tech n isch en A u sb ild u n gsp län e auszuarbeiten,

c) d ie V orau ssetzu n gen festzu leg en , unter d en en die G en eh m ig u n g zum H alten von L ehrlingen erteilt w erd en kann, in sb eson d ere die Zahl vo n L ehrlingen festzu setzen , die g eh a lten w erd en darf, d ) durch g e e ig n e te M aßnahm en dafür zu so r g e n , d aß dem B erufe

3. Für g r ö ß e re Städ te, im übrigen für jeden Landkreis und außerhalb P reu ß en s fü r Bezirke, die den preußischen Landkreisen entsp rech en , w erden paritätisch aus V ertretern von A rb eitgeb ern und Arbeitnehm ern b esteh en d e R eichskom m ission en e in g e setz t, die u n ter V orsitz ein es von der B ehörde zu stellend en unparteiischen V orsitzend en innerhalb der durch a llg em ein e g e se tzlic h e B estim m u n gen g e zo g e n e n G renzen und der durch d ie Z entralk om m issionen a u fgestellten Richtlinien wirken.

In sb eson d ere haben diese R eich skom m ission en die A u fgab en , a) d ie D urchführung d er b esteh en d en V orschriften zu üb erw achen, b) zu en tsch eid en , o b der ein zelne M eister L ehrlinge halten darf

od er nicht,

c) die A usb ildu ng der L ehrlinge zu üb erw achen, in sb eson d ere die v o r g eseh en en Z w isch en - und Schlußprüfungen zu veranlassen.«

M an w ill also in d er G ew erb e o rd n u n g die B efu g n isse der Innungen und d a m it a u ch die der H andw erkskam m ern vollk om m en b eseitig en und in Zu­

k u n ft für alle G ew erb e paritätische R eich skom m issionen aus A rbeitgeb ern und A rbeitnehm ern bilden, die die a llg em ein en G esichtspun kte d es Lehr­

lin g s w e se n s zu regeln haben , und darunter steh e n d e B ezirk sk om m issionen, die nach den Richtlinien der R eich sk om m ission en die b eson d eren örtlichen

Vorschriften zu erlassen und zu üb erw achen haben. D as läuft alles d a r a y f ^ Ä i s . 70 hin au s, d aß man R eichstarife und B ezirkstarife zw isch en A rb eitgeb ern ^ u jjd i! §" 3 sr Arbeitnehm ern üb er das L eh rlin gsw esen für je d es F ach gew erb e vera b & cfit^ - »' a u n d durch paritätische K om m issionen der F ach organ isation en der Arl^ijg'ejfc.r g . £? f und A rbeitnehm er das L eh rlin gsw esen regeln und ü b en v a ch en JäjS ;l s * a ^ 5

W enn es durch die H andw erkskam m ern und die I n n u n g ^ j ' auf G rund d es H a n d w erk so rg a n isa tio n sg ese tze s vom 26. J^lP-lgQT1 igUjü ^ < 3.' ■ hältnisse im Lehrlingsw 'esen zu sch affen, so lag de

d a ß man bei der G esetz g eb u n g an die g u te n Obe

g en ü g en d au sgeb ild ete Kräfte zugeführt w erden.

(8)

auf dem G eb ie te d e s L e h rlin g sw esen s im H an d w erk v o n der alten Z unft her noch vorhand en w aren. Schon d ie alte Z u n ftv erfa ssu n g hatte ein e so r g ­ fä ltig e G lie d eru n g im H and w erk a u fg erich tet, d ie Immer noch als Vorbild v o r g esch w eb t hat, das w ar d ie Einteilung^ d e s Stan des in L eh rlin ge, G esellen und M eister. Ü b er jed e d ie ser drei G ru ppen hatte die Z u n ftv erfa ssu n g b e ­ so n d ere V orschriften. Im m er w aren b eso n d ere B ed in g u n g en zu erfü llen , w enn m an vo n ein er S tu fe in d ie and ere kom m en w o llte, und w en n sie auch sch ließ lich , nam entlich w äh rend d er V erfallzeit d er Z ü n fte, zu Ä ußerlichkeiten a u sg ea rtet sind , s o haben s ie d och b is auf den h e u tig e n T a g e in e g a n z gute W irk ung auszuüb en verm ocht. D ie G esch ich te hat doch g e le h r t, daß, als m an nach E infü hrung der G ew er b e fre ih e it d ie In n u n gen vollkom m en en trech tet h a tte un d sie ihre eig e n tlic h e A u fgab e auf d em G eb ie te des L eh rlin g sw esen s nicht m ehr erfüllen k on n ten , sich in D eu tsch la n d d ie schlim m ­ ste n Z u stän d e im L eh r lin g sw esen en tw ick elten . E rst d ie G egen w irk u n g g e g e n d ie s e M iß ständ e führte dann zu d en versch ied en en N o v e lle n der G e­

w erb eord n u n g, d ie das L eh riin g sw esen v erb essern w o llten und schließ lich in dem H a n d w erk so rg a n isa tio u sg esetz vom 26. Juli 1897 ihre K rön un g und ihren A bschluß fanden. D ie In nungen haben au f dem G e b ie te d e s L eh rlin gsw esen s zw eife llo s nicht das g e le iste t, w a s sie hätten leiste n k ön n en , ab er im ter dem Druck der H andw erkskam m ern und unter ihrer A n leitu n g sind d ie Erfolge im m er b e sser g e w o rd en und sie k ö n n ten noch v iel b e ss e r w erd en , w en n man d ie G e s e tz g e b u n g vom 26. Juli 1897 nach d er R ich tu n g hin n o ch w eiter aus­

bauen w ü rde, d aß in den In n u n gen und den H an d w erk sk am m ern b ei der R eg elu n g d e s L eh rlin g sw ese n s d ie A rbeitn eh m erverb än d e in viel w e iter g e h e n ­ der W e is e m itzuw irken hätten, als das b ish er b e i d en G esellen a u ssch ü sscn der In n u n gen und bei den G esellen a u ssch ü ssen der H and w erkskam m ern der Fall g e w e s e n ist. D ie se stellten b ish er eine w irk lich e V ertretu n g der Inter­

essen der A rbeitnehm er in d ie sen F ragen nicht dar.

D a s L eh rlin gsw esen m ,,p — ' nd w irtsch aftsp olitisch en

K'äm-*' ien tralk om m ission en und

un erverb änden nicht die D ie se T rä g er müssen am inern, H an d els- und m ter H era n zieh u n g der V erb än d e, u n ter weit- n in a llen F ragen, bei ein t. V iel b e ss er e Er- erzielt w erd en , wenn :er G ew erk sch aftsk on - B estim m u n gen über g un ter H eran zieh u n g alles, w a s in der G e­

n gem äß auch auf die e, und w e n n m a n n , d i e L a n d w i r t - n a n S t e l l e d e r r F a c h v e r b ä n d e s m a c h t e .

280 H a m p k e : D a s L e h rlin n g s w e s e n in H a n d w e rk u n d In d u s trie

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H a m p k e : D as L e h rlin g sw e se n in H a n d w e rk un d In d u s trie 281

A lies, w as im ein zelnen die Z entralkom m issionen und B ezirk sk om m issionen tun so llen , haben nach der b ish er ig en G ew er b eo rd n u n g b ereits die Innungen und d ie H andw erkskam m ern im a llg em ein ei^ w a h rzu n eh m en . D aß auf d iese W eise e in e g e o rd n ete R e g elu n g d e s L eh rlin gsw esen s g esch a ffen w erd en kann, ist vor dem K riege praktisch durch die H andw erkskam m ern b ew ie se n w orden.

3. L e h r z e i t .

D ie Lehrzeit so ll im allgem ein en in d er Zukunft drei Jahre nicht über­

schreiten, so ll sich aber nach d en B edürfnissen der ein zelnen G ew erb e richten.

D abei sc h ein t die A bsich t w oh l zu sein , drei Jahre als H öch stm aß anzusetzen , für m anche G ew er b e aber noch kürzere Lehrzeiten durchzusetzen.

E s ist zw eifello s richtig, daß m anchm al der W unsch, im letzten Lehr­

jahre durch den Lehrling für das e n tsch ä d ig t zu w erd en , w as er im ersten Lehr­

jahr an M ühe g e k o ste t hat, den L ehrm eister verleitet hat, die L ehrzeit nicht zu verkürzen, o b w o h l es vielleich t m öglich g e w e s e n w äre. Zur V erlä n g e­

rung der L ehrzeit h a t w eiter b e ig etra g en , daß die H and w erker, um üb er­

haupt Lehrlinge zu b ek om m en , siel » » g e n ö tig t sah en , g leich vom ersten Lehr­

jahr ab im m er h ö h er ste ig en d e E n tsch äd igu n gen für K ost und W o h n u n g zu g ew ä h ren , w eil sich d ie K inder au s den un bem ittelten K reisen im m er m ehr dem H an d w erk zuw andten. Schließlich hat in m anchen H and w erksberu fen n eu erd in gs d ie E infü hrung d er P flichtfortb ild ungsschu le in D eutsch lan d zur V erlän geru n g der L ehrzeit gefü h rt. D ie S ch u lzeit ist in d ie A rbeitzeit g e le g t w ord en, dadurch w u rd e d ie Z e it für die A u sb ild u n g der Lehrlinge, w enn man es auf die Jahre um rechnet, bei dreijähriger Lehrzeit schon um ein vo lles halb es Jahr gekürzt.

N un s o ll für die H and w erker ein e H öch stleh rzeit vo n drei Jahren e in g e ­ führt w erd en , g leic h z eitig ist der a ch tstü n d ige A rb eitsta g gek om m en , und überall wird die P flichtfortb ild u ngssch u le mit T agesu n terrich t bis 6 U hr durch­

geführt. D ie Stunden zah l für d ie P flichtfortb ild u n gssch u le w ird erh öht, und der Besuch der Schu le in der T a g e sz eit wird als A rbeitzeit an g eseh en , s o daß der A rb eitgeb er auch die Z eit, in der d e r ehL rling die Schule besu ch t, nach seinen E n tsch äd igu n gssätzen vergü ten muß. W eiter w erd en auch für die Lehrlinge Ferien a n gestreb t. Durch alle d ie se M aßnahm en w ird die Z eit, die für die praktische A u sb ild u n g d es L ehrlings in der W erk statt übrig bleibt, seh r erheblich verkürzt.

Es ist w ohl richtig, daß man in einzelnen G ew erb en , in d enen man noch aus alter G ew o h n h eit ein e vierjährige Lehrzeit hat, v ielleich t ohn e w e s e n t­

lichen Schaden für die A u sb ild u n g auf eine dreieinhalb- o d er dreijährige Lehr­

zeit hin u n tergeh en kann. Es g ib t aber auch H and w erke, bei denen g r o ß e tech nische S ch w ierig k eiten in der L ehrzeit üb erw und en w erd en m üssen, sb daß ein e vierjährige Lehrzeit durchaus erforderlich ist, um eine wirklich gründliche A u sbildu ng zu ge w ä h r leisten . Ich führe da die E lektrotechniker, Feinm echaniker, S ch lo sser und M aschinenbau er als B eispiel an, b ei denen m. E. an einer vierjährigen Lehrzeit u n b ed ingt festg eh a lten w erden muß.

N och w eiter g e h t das B estreb en dahin, die E n tsch äd igu n gssätze für K ost und W o h n u n g für die L ehrlinge vom ersten T a g e der L ehrzeit an schon so hoch zu g esta lten , daß sie m öglich st so fo rt auf e ig en en Füßen steh en können.

Bei d iesen M aßnahm en w ürde es aber für den A r b eitg eb er vielfach g a n z un­

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m öglich w erd en , bei der L ehrlin gsau sb ild u n g auf die K osten zu kom m en. E s w ird daher im m er sch w er er w erd en , g u te L ehrm eister zu finden.

Für eine a llg em ein e dreijätirige H ö ch stleh rz eit w ü rd e man vom Stan d­

punkte d es H an d w erk s vielleich t eher ein treten kön n en , w en n die B estreb u n ­ gen erst du rch gefü h rt w orden sind, das neun te Schuljahr für d ie V o lk s­

sch u le ein zu führen, a lso alle K inder ein Jahr lä n g er in d er V o lk ssch u le zu behalten und sie nicht w ie b ish er mijt 14, sondern erst m it 15 Jahren in s B e­

rufsleben ein treten zu lass'en. D ie um ein Jahr älteren L eh rlin ge w erden, w eil sie reifer sind, sich er auch ein d rin g en d er und sch n eller lernen, s o daß man dadurch die A bkürzung der L ehrzeit au f drei Jahre v ielleich t w iedei ein h olen kön nte.

U n ter die dreijäh rige L ehrzeit noch h in u n terzu g eh en , ist nach m einer An­

sich t überhaupt nicht m ö g lich , es sei denn , daß man ein e grü n d lich e tech­

n ische A u sb ild u n g v o lls tä n d ig in F rage stellt. D erart zu kurz und dah er m angel­

h aft a u sg eb ild ete Lehrlinge w ü rd en vorau ssich tlich nicht in d er L age sein , als G esellen den T arifm in d estloh n zu v erd ien en . S ie w ü rd en daher sch w er ein U n terkom m en in ihrem G ew er b e finden k ön n en , w ie e s sich je tz t schon bei den K riegsleh rlin gen zeig t, die k einer so recht hab en will.

N ach den v o rg esch la g en en G rund sätzen soll die Z en tralk om m ission die D au er der L ehrzeit für jeden B eruf fe stle g e n . Sie so ll au ß erd em B estim m un­

g en treffen, daß bei b eso n d ers g ü n stig e n F o rtsch ritten ein es L ehrlings eine a n g e m e sse n e V erk ürzu ng der L ehrzeit eintritt. M ein es E rach ten s müßten den H and w erkskam m ern d ie se A u fg a b en w ie b ish er ü b erlassen w e rd en ; der Z entralk om m ission d erartige E n tsch eid u n gen zu ü b ertra g en , w ill mir auch o rgan isatorisch nicht richtig scheinen.

Auch fin det sich w ied er die B estim m u n g, daß ein r ec h tzeitig er W echsel der L ehrstelle zu erfo lg en hat, w en n die E ig n u n g und N e ig u n g d es Lehrlings nach anderer R ichtun g g e h t, als ursprü nglich an g en o m m en w urde. Auch bis­

her kon n te ein L ehrling, der ein sah, daß er für das g e w ä h lte G ew er b e nicht paßte, nach § 127 der G ew erb eo rd n u n g zu ein em anderen G ew er b e über­

g eh en. W enn man aber, w ie hier d ie A b sich t zu sein sch ein t, den W e ch se l von einem G ew erb e zum ändern zu leich t m acht, s o w ird m an se h r bald erleben, daß d ie ju n gen L eute, die h ä u fig in ihren A n sch au u n gen noch nicht recht

b estän d ig sind, von einem G ew er b e zum ändern hin- und h erpendeln.

4. T e c h n i s c h e A u s b i l d u n g .

D er dritte A b schnitt der V o r sc h lä g e b eh a n d elt die tech n isch e Ausbil­

d u ng. F o lg en d e V o rsch lä g e w erd en g e m a ch t:

»5. D ie Z en tralk om m ission en haben Lehrpläne au fzu stellen , d ie ein e sy ste­

m atisch fortschreitende, A u sb ildu ng der L ehrlinge g e w ä h r leiste n . Die L ehrm eister sind verp flich tet, d ie se Lehrpläne d er A u sb ild u n g zugrunde zu legen .

6. D ie B ezirk sk om m issionen haben sich durch zu b estim m ten Z eitab schnit­

ten abzuh altend e Z w isch en p rü fu n gen d avon zu ü b er zeu g en , daß die A us­

b ild u n g auf Grund der a u fg e ste llte n L ehrpläne e rfo lg t und daß der Lehr­

lin g n orm ale F ortsch ritte m acht. Am E nd e der L ehrzeit ist ein e Schlu ß­

p rüfung vorzunehm en.

282 H a m p k e : D as L e h rlin n g s w e s e n in H a n d w e r k u n d In d u s trie

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7. Stellt sich bei den Z w isch en p rü fu n gen heraus, daß der A u sb ildu ng ein es Lehrlings nicht d ie g e n ü g e n d e S orgfalt g e w id m e t w u rde, so kann die B e­

zirkskom m ission die F o rtsetzu n g der Lehre in ein er anderen W erk stelle auf K osten d e s b ish erigen ' L ehrm eisters o d er d es G esa m tg ew erb es veran­

lassen.

8. H eim arbeitern ist d ie A u sb ildu ng von L ehrlingen grundsätzlich zu unter­

sagen . A k kordarbeiter sollen nicht zur A u sb ildu ng von Lehrlingen ver­

w an dt w erden.«

Lehrpläne, d ie ein e system atisch fo rtsch reiten d e A u sb ildu ng d es Lehr­

lin g s g e w ä h rleisten , sind g e w iß sehr sch ön , und sie lassen sich in staatlichen L ehrw erkstätten w ahrscheinlich du rchfü hren ; s o lange aber die M eisterlehre noch m a ß geb en d ist, h än gt die A u sb ild u n g d es L ehrlings in der H aup tsach e a b von d en A rbeiten, d ie bei seinem L ehrm eister Vorkommen, und d iese Ar­

b eiten p fleg en sich nicht nach den system atischen Lehrplänen zu richten.

D iese system atisch en Lehrpläne m ü ssen m ehr od er w e n ig er ein from m er W un sch bleiben. D ie Schlußprüfung haben w ir ja b ereits als G esellen p rü fu n g ; sie bü rgert sich auch schon m ehr und m ehr in der Industrie ein. V on Z w i­

sch en p rü fu n gen hat man bish er ab g e seh en , w eil der Apparat und die G eld ­ k osten dafür sehr erheblich sein dürften. Auch jetzt ist sch on von den H andw erkskam m ern verfü gt, daß ein Lehrling, der durch die Schuld sein e s L ehrm eisters d ie G esellen p rü fu n g nicht b esteht, auf d essen K osten bei einem anderen M eister nachzulernen hat.

5. S c h a f f u n g v o n L e h r g e l e g e n h e i t .

In teressant ist, daß man auch B estim m ungen über die S ch affu n g von L eh rgelegen h eit au fg en o m m en hat. Sie lauten:

»9. V on den Z entralk om m issionen ist dahin zu w irken, daß die G roß in du strie mehr als bish er E inrichtungen zur system atisch en A u sb ildu ng schafft.

Im Bedarfsfälle 9ind Z w an gsm aß nahm en zur E in stellu n g von Lehrlin­

gen vorzusehen.

10. E s ist in A u ssicht zu nehm en, den Lehrm eistern, die bei der A usbildung von Lehrlingen b eson d ers H ervorragen d es g e le iste t haben, aus noch zu schaffend en F onds Präm ien zu zahlen.«

D ie A nerkennun g der M eisterlehre scheint jedoch nur platonisch zu sein.

Man sieh t w oh l ein, daß man s ie nicht so fo rt entbehren kann, o b w o h l doch nach der G rundsatzerklärung d ie M eisterlehre zu versch w inden hat. Man sa g t sich w ohl, daß, w enn man die M eisterlehre b e se itig t und eine S ozialisieru n g der Lehre durchführt, a lso alle L ehrlinge in staatlichen L ehrw erk stätten ausbildet, dann ja nicht nu r d ie K osten für d ie A u sb ild u n g der Lehrlinge für den S ta a t sehr hoch sein w erden, son dern daß d er Staat dann auch noch den L ehrlingen S tu n ­ denlohn bezahlen m uß, dam it sie w äh rend der A u sb ildung in der L ehrw erk stätte nicht ihren Eltern zur Last fallen. Z unäch st w ill man neben der M eisterlehre E rgänzungs-L ehrw erkstätten sch affen , w oh l für die B erufe, die w eg en zu großer Sp ezialisieru ng nicht m ehr die M öglich k eit bieten , einen Lehrling in allen Z w eig en d es G ew er b es in der M eisterlehre auszubilden. B isher hatte man solch e E rgänzungs-L eh rw erkstätten vielfach m it g u tem E rfolge an den F ort­

bildu ngssch ulen und G ew erb esch u len ein gerich tet, ihre V erb reitun g ist aber bisher im m er an den sehr h oh en K osten g e sch eitert. W ill man jetzt gan z

H a m p k e : D as L e h rlin g s w e s e n in H a n d w e rk u n d In d u s trie 283

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allgem ein d iese L eh rw erk stätten sch a ffen , so w ird man sehr erh eb lich e M ittel a u fw en d en m ü ssen . O b dies b ei un serer W irtsch a ftsla g e m öglich ist, er­

sch ein t fraglich.

N eb en den E rgän zu n gs-L eh rw erk stätten so llen dann noch S am m el-L eh r- w erk stätten g e sc h a ffen w erd en , in d e n en Lehrlinge k lein erer B etrieb e noch für ein e g e w is s e Z eit ein e V erv o llk o m m n u n g erfahren. Auch d ieser G e ­ dan ke ersch ein t an sich nicht schlech t. D a man sich w oh l darüber klar ist, daß m it d iesen L eh rw erk stätten sehr h o h e K osten verb und en sind , und an fän gt ein zu seh en , daß d er S taatssäck el doch allm ählich nicht alle die An­

ford eru n gen , d ie jetzt an ihn g e s te llt w erd en , auf d ie D au er erfüllen kann, s o w ird v o r g esch la g e n , d ie K osten d ieser S a m m el-L eh rw erk stätten von den A rbeitgeb ern d es in B etracht kom m en d en B ezirkes und B eru fes, g e g e b e n e n ­ falls m it einem Z usch uß aus ö ffen tlich en M itteln , au fzu b rin gen . E s erscheint d o ch sehr zw eifelh a ft, o b die A rb eitg eb er in Z ukunft bei d en w irtschaftlichen V erh ältn issen , denen nam entlich un sere Industrie e n tg e g e n g e h t, in der Lage sein w erd en , d erartige B ela stu n g en noch zu allen anderen zu tragen. Die Sam m el-L eh rw erkstätten so llen fern er b eso n d ers b e g a b te n ju n gen L euten nach B een d ig u n g der L ehrzeit G e le g en h e it zu w eiterer A u sb ild u n g g e b e n . Auch dam it w ürden erhebliche K osten verb unden sein , d enn die ju n gen Leute, w elch e so lch e S am m el-L eh rw erk stätten b esu ch en , k ön nten d och w äh rend dieser Z eit nichts verdienen und m üßten aus ö ffen tlich en M itteln erhalten werden.

6. E n t s c h ä d i g u n g f ü r K o s t u n d W o h n u n g .

W as in den A bschn itten 6 über Fach- und F ortb ild u n gssch u len , 7 über A rbeitzeit, 7 a über L eh rlin gsaussch ü sse g e s a g t wird, b ed arf keiner b eson ­ deren B esp rech u n g, da e s dem jetzt b ereits g e lte n d en R echt, w ie e s durch die Einführung d es ach tstü n d igen A rb eitsta g es, durch den A usbau d es Fach- und F ortb ild u n gssch u lw esen s und durch das B e trieb sr ä teg e se tz g e sc h a ffen w or­

den ist, entspricht.

D a g e g en sind noch die V orsch lä g e üb er die K o stg eld sä tze zu erwähnen.

Da ist g e s a g t: ¿

»Bei der F estsetzu n g des K o stg eld es m ü ssen die B ezirk sstellen ver­

m ittelnd ein g reifen und für die ein zeln en O rte und Bezirke R egeln auf­

stellen , fa lls nicht in den T arifverträgen b e reits B estim m u n g en fe stg e ­ le g t sind. G em ein sa m e G ru ndsätze für das R eich und für alle Berufe lassen sich nicht schaffen.«

B isher hat man g a n z allgem ein auf dem S tandp unk te g e sta n d en , daß die F estsetzu n g über die H ö h e d e s K o stg e ld es nicht in d ie T a rifv erträ g e hin­

ein geh ört, denn das K o stg e ld ist kein Lohn, son dern ein e E n tsch ä d ig u n g für K ost und W oh n u n g. Jetzt sc h ein t also d ie A b sich t zu sein , d iese Frage durch T arifverträge zu regeln o d e r aber sie durch die B ezirk sstellen ein h eit­

lich festzu leg en . D ann w ürde also der A rb eitg eb er nicht m ehr in der Lage sein, als L ehrm eister m it den Eltern se in e s L ehrlings durch L eh rverträge zu verabreden, w elch e E n tsch äd igu n gen g eza h lt w e rd en so lle n ; üb er die V er­

ab red u n g d es L ehrvertrages w ü rd en also die F estle g u n g e n der B ezirk sstellen o d er die B estim m u ngen der T a rifv erträ g e h in a u sg eh en .

Ü b er d iese B estim m u n gen so llten die H and w erkskam m ern nach A nhörung auch von A rbeitnehm ervertretern e n d g ü ltig zu en tsch eid en haben.

284 H a m p k e : D as L e h rlin n g s w e s e n in H a n d w e rk u n d In d u s trie

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Es ist selb stverstän d lich , daß bei den verteuerten L eb ensverhältnissen d ie H and w erker die E n tsch ä d ig u n g ssä tze für K ost und W oh n u n g w eitg eh en d erhöhen m ußten. D ie H andw erkskam m ern haben sich w ährend d es K rieges sehr bem üht, d ie L ehrm eister d azu zu bringen. L eider sind vielfach Lehr­

m eister so ku rzsichtig g e w e s e n , sich diesen durchaus b erech tigten A n regu n ­ gen zu w id ersetzen. Im g ro ß e n und gan zen ist aber jetzt schon eine Er­

h öh un g der E n tsch ä d ig u n g ssä tze in entsp rech en der W eise erfolgt. W enn diese E rhöhu ngen vielfach den G ew erk sch aften noch nicht g e n ü g e n , so lieg t das zum T eil w oh l daran, daß die G renze d es w irtsch aftlich M öglichen üb er­

seh en wird.

W eitere G ru n d sätze über K ost und W o h n u n g lauten:

"24. D ie B e se itig u n g von K ost und L o g is beim L ehrm eister ist im a llg e ­ m einen nur für g r ö ß e re Städ te anzustreben, in d en en even tu ell Lehr­

lin gsh eim e zu g rü n d en sind. In k lein en Städ ten und au f dem Lande ist K ost und L o g is beim M eister nicht allein nicht zu verm eid en , sondern auch, w en n so n st kein Fam ilienanschluß vorhanden ist, als H aus- und F am ilien gem ein sch aft te ilw eise von V orteil für den Lehrling.

25. A u fgab e der B ezirkskom m ission m uß es sein , darüber zu w achen, daß K ost und L ogis a n g em e ssen sind und daß der Lehrling nicht zu häu s­

lichen A rbeiten b en u tzt wird.« j

8. F e r i e n .

Schließlich behan delt der A bschnitt 15 die Ferien. Er lau tet:

»26. E b en so w ie für d ie erw ach sen en A rbeiter, ist für den Lehrling und ju­

g en d lich en A rbeiter d ie E inführung von Ferien anzustreben.«

Da jetzt allgem ein in den T arifverträgen für die A rbeiter Ferien durch­

g efü h rt w erd en , w ird man w oh l auch Ferien für die L ehrlinge allgem ein durchzuführen versuchen. Für den L ehrm eister wird es natürlich häu fig w irt­

schaftlich S ch w ierigk eiten b ieten , in allen Fällen die F erien durchzuführen, w as nach A nsicht der G ew erk sch aften natürlich unter Fortzahlung der E nt­

sch äd igu n gssätze für K ost und W o h n u n g g e sch eh en soll.

9. B e r u f b e r a t u n g , L e h r s t e l l e n v e r m i t t l u n g .

D ie G ru nd sätze über w eib lich e Lehrlinge und über u n gelern te Arbeiter bedürfen keiner b eso n d eren E rörterung.

In der Frage der B erufberatung, der E ig nu ngsp rü fu n g und der Lehr­

stellen verm ittlu n g stellen sich die B esch lü sse auf den Standpunkt, d aß die jungen L eute nach der S chu len tlassun g durch sa chgem äß e Berufberatung und E ignu ngsp rü fun g in die nach ihren N e ig u n g e n und B efäh igu n gen für sie pas­

sen d ste L ehrstelle durch eine g e e ig n e te O rgan isation der L ehrstellenverm itt- lung hin eingebrach t w erd en sollen . D ie se s B estreb en wird jetzt ga n z all­

gem ein g e te ilt und hat in P reuß en , Bayern und Sachsen schon zu Erlassen geführt.

III. K r i t i k u n d A u s b l i c k . 1. K r i t i k .

D er G rundfehler der V orsch lä g e der G ew erk sch aften scheint mir darin zu lieg en , daß man den L ehrvertrag nicht als einen E rzieh un gsvertrag auf­

faßt, nach dem der Lehrling durch ein e g u te A u sb ild u n g etw'as erlernen soll, - V - ... „ „ . . „ e n in H a n d w e rk un d In d u s trie 285

(14)

286 H a m p k e : D a s L e h rlin n g sw e s:

son dern daß man ihn m ehr zu einem A rb eitsv ertra g stem p elt, in d em der L ehrling vor allen D in g e n m ö g lic h st so fo r t Lohn erh alten so ll. E s w erd en g ar nicht m ehr die b e so n d eren V erh ä ltn isse d es L e h r lin g sw ese n s im H an d w erk berücksichtigt, son d ern d ie G esich tsp u n k te, die für das L e h r lin g sw e se n in der Industrie, nam entlich für a n g elern te A rbeiter m a ß g e b e n d sein kön nten, w erd en g a n z allgem ein für das L eh rlin g sw esen zu gru n d e g e le g t. In der G e­

w erk schaft sind ja z w e ife llo s d ie Fabrikarbeiter in d er M eh rh eit, und die H an d w erk ergeh ilfen , die in den G ew erk sch a ften e b e n fa lls o r g a n isier t sind, sind zu w e n ig in der L age, die b eso n d e re n V erh ä ltn isse im H an d w erk zur G eltu n g zu b rin gen . Beim a n g elern ten Fabrikarbeiter kann m an die Lehr­

zeit stark verkürzen, und m an kann ihn auch so fo r t bezah len , den n er soll ja nur auf einem S o n d e rg e b ie t a n g eler n t w erd en , auf dem se in e A rbeitskraft gleich von A n fa n g an für den B etrieb m it E r fo lg au sg en u tzt w erd en kann.

Beim Lehrling iin H an d w erk lie g t die Sache ab er g a n z anders. Er so ll viel­

s e itig und u m fassend a u sg eb ild et w erd en . D er L eh rm eister darf daher die A rbeitskraft d es L ehrlings n iem als a ussch ließ lich im In ter esse sein es Be­

trieb es ausnu tzen w o llen , denn s o n st w ürd e die A u sb ild u n g d e s L eh rlin gs ein­

se itig w erd en und dadurch erheblich leiden. Je m ehr man also die Ent­

lo h n u n g in den V ord ergru n d stellt, d e sto m ehr v erw an d elt man den Lehr­

vertrag ln ein en A rb eitsv ertra g un d führt herb ei, daß der L ehrm eister seinen L ehrling nicht m ehr als eig en tlich en L ehrling, son d ern als ju g en d lich en Ar­

beiter ansieht, d essen A rbeitskraft er, da er ihn von A n fan g an bezahlen so ll, im In teresse sein e s B etrieb es nach M ö g lich k eit auszu n u tzen sucht. D es­

halb hat d ie V erk ürzu ng d er L ehrzeit und die H ö h e d er E n tlo h n u n g da ihre G renze, w o es dem L eh rm eister w irtschaftlich nicht m ehr m ö g lic h ist, bei der L eh rlin gsau sbild u n g auf se in e K osten zu kom m en. D e r gew issen h a fte L ehrm eister soll an sein en Lehrlingen* n ich ts verd ien en , d enn e s ist eine Ehrenpflicht so w o h l d es H an d w erk s w ie d er Industrie, für d ie Ausbildung d es N ach w u ch ses auch o h n e b e so n d ere w irtsch aftlich e V o rteile zu sorgen.

A ber man kann von dem L ehrm eister nicht v erla n g en , daß er b ei der Aus­

b ildu ng d e s L ehrlings zusetzt, w eil er die w irtsch aftlich en V erlu ste, die ihm der Lehrling nam entlich in den ersten Jahren veru rsach t, nicht w ied er dadurch a u sgleich en kann, daß en tw e d er der L ehrling e tw a s lä n g er lernt o d er daß die E n tsch äd igu n gen nicht gleich so g e sta lte t w erd en, daß sie als Lohn in die E rscheinung treten.

N eu erd in gs wird so w o h l in der Industrie, w ie im H an d w erk , w ie im H an­

del versucht, das L eh rlin gsw esen durch den T a rifv ertra g zu regeln . Tat­

sächlich laufen ja auch die V o rsch lä g e, d ie in N ü rn b erg b ei dem 10. K ongreß der G ew erk sch aften b esch lo ssen w o rd en sind , auf nichts an d eres heraus, als auf eine tariflich e R e g elu n g zw isch en A rb eitgeb ern un d A rbeitnehm ern. Nach m einer A n sich t ist aber g era d e ein e tarifliche R e g elu n g für das Lehr­

lin g sw esen d ie a ller u n g eeig n etste. L ehrlin ge sind k ein e L ohn arb eiter, denn sie so llen erst lernen, sp äter den Lohn zu verd ienen. Sie em p fa n g en auch keinen Lohn, son d ern nur E n tsch ä d ig u n g ssä tz e für K ost und W o h n u n g oder Z ub ußen , um ihren Eltern ihr D urchh alten w äh rend der L eh rzeit zu erleich­

tern. Durch d ie tarifliche R e g elu n g w ürd e der L ehrling in d ie Lohnkäm pfe vo llstä n d ig mit h in ein g e zo g e n w erd en . Er w ü rd e durch S treik e und A ussper­

rungen berührt w erden , w od urch se in e A u sb ild u n g z w e ife llo s sch w er leiden

(15)

m üßte. D esh a lb m acht sich ja auch im m er m ehr in den K reisen der Industrie, d es H a n d w erk s, des H an d els un d der L andw irtschaft d a s B estreb en gelten d , einer tariflichen R e g elu n g d es L eh rlin g sw e sen s nicht zuzustim m en.

2. A u s b l i c k .

Es ist z w eifello s richtig, daß sich durch den K rieg w eitg eh en d e M ißstände im L eh rlin gsw esen d es H an d w erk s g e z e ig t haben und daß im m er in ein ­ zelnen Fällen, trotz aller Ü b erw achu ng, M ißständ e im H andw erk vorhanden g e w esen sind. D as w ird aber auch s o b leiben , w en n das P rogram m der G e ­ w erk schaften durchgefüh rt w ü rd e, denn es ist eben in der U n vollk om m en ­ heit d es M enschen begründ et.

Leider knüpft d ie se s P rogram m g a r nicht an das bish er G esch affen e an.

Nach m einer A nsicht, und ich g la u b e nach Alnsicht vieler Kenner d es Lehr­

lin g sw e se n s im H an d w erk , hat sich das H a n d w erk so rg a n isa tio n sg esetz g e ­ rade auf dem G eb iete des L eh rlin g sw esen s g a n z b eso n d ers g u t bew ährt, und d esh alb so llte d ie T ä tig k eit c t o - H andw erkskam m ern und der Innungen nicht, w ie es jetzt b eab sich tigt zu sein scheint, a u sg esch a ltet, son dern im G e g e n ­ teil erw eitert w erd en . W en n d ie G ew erk sch aften in den Fragen der R e­

g e lu n g d es L eh rlin g sw esen s eine tä tig e M itarbeit w ü nsch en , so läß t sich d ie im Rahm en der bish erigen G e s etz g eb u n g durchaus durchführen. E benso w ie bei den G esellen p rü fu n gen bish er die G eh ilfen seh r zur Z ufried en heit m itgew irk t haben, k ön nte man bestim m en, daß in den L ehrlingsausschüssen der H andw erkskam m ern und d er Innungen eine sa ch g em ä ß e M itw irkung der V ertreter der G eh ilfen sch aft stattfind et. W en n man m it der T ä tig k eit der In­

nungen auf dem G eb iete d e s L eh rlin g sw esen s noch nicht im vollen U m fan ge zufrieden ist — ich leu g n e nicht, daß die In nu ngen zum T eil bei gu tem W illen au f d ie se m G eb iete viel m ehr h ätten leisten kön nen, als sie g e le iste t haben — , s o w ü rden sie In Z ukunft zw eife llo s m ehr leisten , w enn nicht nur von der einen S eite die H and w erkskam m ern, son dern auch von der anderen Seite die V ertreter d er G eh ilfen sch aft anregen d auf sie einw irkten.

ich h o ffe daher, daß über d ie R eform pläne noch nicht das letzte W ort g e ­ sprochen ist, und daß bei der kom m en d en G e s etz g eb u n g der G edanke er­

w ogen wird, n i c h t durch ein e B e s e i t i g u n g , s o n d e r n durch einen weiteren A u s b a u d e r H a n d w e r k s o r g a n i s a t i o n s g e s e t z g e b u n g das gew ü n sch te Ziel zu erreichen.

Es scheint mir w eiter d rin gen d w ü n sch en sw ert, daß m an erw ägt, o b nicht unter Z u g ru n d eleg u n g d essen , w a s bish er auf dem G eb ie te d es L ehrlings­

w esen s in d er G ew erb e o rd n u n g für die H a n d w e r k s l e h r l i n g e bestim m t war, für d ie Industrie, den H and el und d ie Landw irtschaft ein w eiterer A u s­

bau der b etreffen d en G e s e tz g eb u n g e rfolgen so ll, und den H andels-, Industrie- und L andw irtschaftskam m ern ähnliche B efu gn isse auf dem G eb iete d es Lehr­

lin g sw esen s zu erteilen sind, w ie sie d ie H andw erkskam m ern b ereits haben, allerdings unter w eitg eh en d e r M itw irkung der G eh ilfen vertreter, um dadurch eine ein seitig e B eto n u n g d es A rbeitgeb erstan d p u n k tes in den Fragen d es L eh rlin gsw esen s zum A u sgleich zu bringen.

[707]

— --- 1 ¡n j-fandw eck un(j in d u s trie 287

(16)

W erK lieferungs v ertrag e im (Maschinenbau u n d R echtsprechung.

Von Prof. Dr. phil. e t j a r . J. H o l l m a n n , D arm stadt.

D ie durch den W e ltk rieg und die n a ch fo lg en d e R evolu tion in D eu tsch ­ land h erb eigefü h rte U m w ä lzu n g un serer w irtsch aftlichen V erh ältn isse hat auch auf rechtlichem G eb ie te zu w esen tlich verän derten A u ffa ssu n g en geführt.

D er starre R ech tssatz, daß d ie auf z w e is eitig e n W illen serk läru n gen beruhenden R ech tsg esch ä fte u n ter allen U m stän d en ihrem W o rtla u t nach erfü llt werden m ü ssen , läßt sich in m anchen Fällen nicht m ehr aufrech terhalten , w enn nicht der g a n ze B estand d es w irtschaftlichen L ebens im h ö c h sten G rad e g e fä h r d e t w er­

den soll. N am en tlich für d a s a u sg ed eh n te G e b i e t d e s M a s c h i n e n b a u e s 9ind die neueren R ech tsa u ffa ssu n g e n von w e itg e h en d e r B ed eu tu n g , da kaum ein anderer Z w e ig der vaterlän d isch en G ü tererzeu g u n g durch die K riegsverhält­

n isse und nam entlich durch d ie R evolu tion m it ihren g e se tz g e b e risc h e n Ein­

griffen und ihrem M ißbrauch p o litisch er R ech te in s o starke M itleid en schaft g e z o g e n w orden ist w ie d er M aschinenbau. E s ist d esh a lb vo n beson derem In teresse, d ie für diesen w ich tig en P ro d u k tio n szw eig in B etracht kom m en­

den R ech tsfragen e tw a s näher zu b eh an d eln und das R ech tsverh ältn is zw ischen dem H ersteller und dem B este ller zu b eleu ch ten . M an w ird daraus erkennen, daß in der h eu tigen Z eit m ehr als jem a ls der M aschinenfabrikan t beim Ab­

schluß von L ieferu n gsverträgen au f die g r ö ß t e V o r s i c h t a n g e w ie se n ist, w enn er nich tw ied erein b ringlich e S ch ä d ig u n g en v erm eid en w ill.

Bekanntlich h an d elt es sich im M asch in en b au m eisten s um die E r f ü l l u n g v o n W e r k l i e f e r u n g s v e r t r a g e n für nicht vertretb are S ach en , auf die die V orschriften über den K auf und den W erk v ertra g in d er im § 6 5 1 d es BGB bestim m ten W eise a n zu w en d en sind. Für die vor K rieg sb eg in n ab g esch lo s­

sen en V erträge d ieser Art kam nun w ährend d e s K rieges, s o w e it nicht etwa durch eine b eson d ere K riegsk lausel der R ücktritt d e s U n ter n eh m ers von dem V ertrage v o rg eseh en w ar, vor allem die U n m ö g l i c h k e i t d e r V e r t r a g s ­ e r f ü l l u n g in Betracht. H ier sind die Fälle von h ö h erer G ew a lt und ob­

jektiver U n m ö g lich k eit d er E rfüllung zu u n tersch eid en . H ö h e re G ew a lt durch E ingriff d er g e se tz lic h zu stän d igen M ilitärb eh örd en la g z. B. vor, als die Sparm etalle b esch la g n a h m t und erst im Januar 1919 w ied er fr e ig e g e b e n wur­

den. D er H ersteller k on nte also nur dann liefern, w en n sich der Besteller auf G rund einer neuen V ereinb aru n g ausdrücklich dam it ein verstan d en er­

klärte, daß an S telle d e r behördlich b esch la g n a h m ten S p arm etalle ga n z be­

stim m t b ezeich n ete E rsatzstoffe für die b e tr effe n d e M asch in e v e rw e n d et w er­

den sollten . E ine ob jek tive U n m ö g lich k e it d er L ieferu n g trat ein , als durch die Blockade der d eutsch en H äfen se iten s der E n ten te d er B ezu g n o tw en d ig er B au stoffe, z. B. d e s K upfers, aus dem A u sland e a b g esc h n itten w u rd e. W e n n f d ie E rfüllu ng ein es L ieferu n g sv er tra g es den u n g eh in d erten B e zu g von "Roh­

sto ffen au s dem A u slande zur V o ra u ssetzu n g h a tte, s o k on n te er eb en se it Be­

ginn d er B lockade nicht m ehr erfü llt w erd en , s o daß d erartige v o r dem Kriege a b g e sc h lo ssen e L ieferu n gsverträge als h in fä llig zu b etrach ten w aren , w ie das R eichsgerich t w ied erh o lt b e stä tig t hat. D as R eich sgerich t ste llt sich also aut 288 K o 11 m a n n : W e rk lie t e ru n g s ve rträ g e

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