Theologisches Literaturblatt.
Unter Mitwirkung
z a h lr e ic h e r V ertreter der t h e o lo g is c h e n W is s e n s c h a f t und P r a x is
herausgegeben von
Dr. theol. L u d w ig I h m e ls und Dr. theol. E rnst S o m m e r la th
Landesbischof in Dresden. Professor in Leipzig.
Nr. 1. Leipzig, 6. Januar 1928. XLIX. Jahrgang
Erscheint vierzehntägig Freitags. — Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postämter sowie vom Verlag. — Inland-Bezugspreis: Rm. 1.35 monatlich
Bezugspreis für das A usland vierteljährlich: Rm. 3.75 und Porto; bei Zahlungen in fremder Währung ist zum Tageskurse umzurechnen. — Anzeigenpreis: die zw ei
gespaltene Petitzeile 40 Goldpfennige. — Beilagen nach Uebereinkunft — Verlag und Auslieferung: Leipzig, Königstr. 13. Postscheckkonto Leipzig Nr. 52878,
Hänel, Johannes, Prof. D., Prophetische Offen
barung.
James,a Ch.,Taboo am ongthe ancientHebrews.
Flebig, Paul, D., Die Umwelt des neuen Testa
mentes.
PlusXI. Rundschreiben über dasFest Jesu Christi
des Königs und Apostolische Konstitution
über die Ausdehnung des Jubiläums auf
den ganzen Erdkreis.
Wunderle, Georg, Dr., Professor, Zur Biologie
des kirchlichen Lebens.
Jahrbuch für die evangelisch-lutherische Lan
deskirche Bayerns.
Curlitt, Cornelius. D. Langbehn, derRembrandt-
deutsche
Heim, K., Leitfaden der Dogmatik.
Soederblom, Nathan, Der evangelische Begriff
eines Heiligen.
Stein, Artur, Privatdozent in Bern, Pestalozzi
und die Kantische Philosophie.
Rothacker, Erich, Dr., Logik und Systematik
der Geisteswissenschuften.
Weigelin, Ernst, Dr., Einführung in die Moral*
und Rechtsphilosophie.
Löscher, Hermann, Dr.jur., Deutsches Schulrecht.
Neueste theologische Literatur.
H änel, Joh ann es, Prof. D. (M ünster i. W .), P ro p h e tisch e O ffenbarung, [Sonderdruck aus: Z eitsch rift für s y s te m atisch e T h eo lo g ie. 4. Jahrgang, H eft 1.] G ü tersloh 1926, B ertelsm an n. (26 S. gr. 8.) 80 Pf.
Im ersten T e il d es v o rlieg en d en H e ftes ste llt H än el „in leich t faßlich er Ü b ersich t“ d ie L eitg ed a n k en sein er A rb eit ü ber das „E rkenn en G o tte s b e i den S ch riftp ro p h eten “ [B ei
träge zur W issen sch a ft vom A . T. ed. R. K ittel, N. F. IV 1923] zusam m en, unter stark er H ervorhebu ng d es „inneren S e h e n s“ und d es „in neren H ö r en s“ im U n tersch ied v on dem „h allu zin atorisch en P h än om en “, als d e sse n ty p isch es B e isp iel d ie B eru fu n gsvision E z ec h iels an gesp roch en wird, und unter k räftiger B eton u ng der „In spiration “, d ie in A n a lo g ie zur „ A n tw ort an den B e te r “ als „innere B e leh ru n g“ v o r g e ste llt und g eleg e n tlic h m it der G e istid e e verbu n den w ird. D an eb en ab er le b e n d ie P rop h eten auch der Ü berzeugung, „durch eig e n e Erw ägung d ie Offenbarung zu g e w in n en “.
Im z w e ite n T e ile w ird dann versu ch t, v on der h isto risch en zur sy stem a tisch en B etra ch tu n g sw eise fortzu sch rei
ten und „den w irk lich en O ffenbarungsvorgang in den P ro
p h e te n zu d e u te n “. D ie m erkw ürdigen se e lisc h e n V or
gänge, V ision, A u d itio n usw ., sin d led iglich sek u n d äre P hän om en e, R e fle x e v o n prim ären, oh n e sie vorh an denen E in sich ten . S ie sind B e g leitersch ein u n g en der O ffen
barung, n ich t d ie Offenbarung selb st. A u ch d ie Inspira
tio n sid e e leh n t H. ab, da w e d e r „k ra ftv o lles B e to n tsein n och „ p lö tz lic h e s A u fb litzen e in e s G e d a n k e n k o m p le x es“
ein en b ew u ß tsein stra n sze n d en te n U rsprung zu verbü rgen verm ögen . Er se tz t vielm eh r b ei dem d ritten d er ob en h istorisch er a rb eite te n G e d a n k e n k re ise ein, der U r te ils
bildung auf Grund v on „F olgerungen" aus dem „S en d u n gs
au ftrag“, der „ sittlic h e n W eltordnung", d en „V orgängen in N atur und G esch ich te, W u nd er und W eissagung". V or allem d ie „genuinen E in sich ten , d ie au s der sittlic h e n W e lt
ordnung w ie aus den au ß erp o litisch en V orgän gen g e w o n n en w e r d e n “, „k önn en w ir . . . n ich t k raftvoll genug w ü rd ig en “. D ie s e E in sich ten se tz e n ein e p raep aratio p rop h etica, ein e cr ea tio extraord in aria vorau s, w e lc h e den
P rop h eten in den S tan d se tz t, sie zu g ew in n en . „Daß der P rop het m it ein er u n vergleich lich en M äch tigk eit d es r e li
g iö s-sittlic h e n In n en leb en s a u sg e sta tte t ist, das ist das G e h eim nis sein er O ffenbarung.“ D as „ g öttlich e M itw irken"
ab er bringt H än el n ach z w e i S e ite n zu sein em R ech t. G ott w irk t das G esch eh en um d en P rop h eten her, auf Grund d esse n er se in e U r te ile fällt, und G o tt w irk t im Inneren d es P rop h eten . „H ier form t er w ie ü b erall d ie sittlic h e In iuition, das B e o b a c h ten der em p irisch en W elt, d ie U r
teilsg ä b e . H ier schafft er ab er außerdem , w ie so n st nich t, d ie ein zigartigen E n ergien, kraft d eren d ie gew ö h n lich (sic) m en sch lich en F u n k tion en d es From m en zu p rop h etisch en F u n k tion en w er d e n .“ E in e durch R aum m angel allzuk u rze und darum n icht im m er b efried ig en d e A u sein an d ersetzu n g m it an deren A ltte sta m e n tler n und S y stem a tik ern sch ließ t das S ch riftch en ab.
Ich h ab e H än els G ed an k en ausführlich sk izziert, da w ir es hier m it ein em eig en a rtig en und selb stän d igen V er
such zu tun haben, der O ffenbarungsfrage an einem b e stim m ten P u n k te Herr zu w erd en . E in e ausführliche A u s
ein an d ersetzu n g m it ih nen w ü rd e d en R aum einer B e sprechung w e it ü b ersch reiten m üssen. S o m uß ich m ich le id e r auf d ie k urze G elten dm ach un g v o n d rei B e d e n k en b esch rän k en . Einm al w ird mir w e d e r H. h istorisch e D ar
legung n och se in e sy stem a tisch e A usführung dem w ich tig sten K en n zeich en g erad e d es „ k la ssisc h e n “ p rop h etisch en E rlebens, sein em Z w a n g s c h a r a k t e r , g e r e c h t; der sich b ei d en ä lte ste n im w e se n tlic h e n kam p flos, b e i Jerem ia im sc h w er sten in neren E rsch ü tteru n gen d urch setzt. Für den Begriff der p raep aratio p ro p h etica ist ab er gera d e d ieser in n ere W id erstreit zu b ea ch ten : das p rop h etisch e E rlebeil ist s t e t s s i c h n e u a k t u a l i s i e r e n d e r G e g e n s a t z gegen d as n atü rlich e S ein , m ag es sich g eg e n d en g ö ttlich en Zugriff sträu b en od er sofort ü b erw ältigt w erd en l S odan n ersch ein t es mir unzulänglich, d ie p raep aratio p rop h etica auf d ie „M äch tigk eit d es re lig iö s-sittlic h e n In nenlebens" zu b ezieh en . D ie s e „ M ä c h tig k eit“ ist zu n äch st ein l e d i g l i c h f o r m a l e r B egriff oh n e g en au e in h a ltlich e B estim m th eit. E s s e tz t vorau s, daß d as „reli-
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