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Monatshefte der Comenius-Gesellschaft, November - Dezember 1897, 6. Band, Heft 9-10

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1 Monatshefte *

Comenius-Gesellschaft. ■

H erau sgeg eb en von L u d w ig Keller.

8

N e u n t e s u n d z e h n t e s H e f t . f ^ ^ o l

N o v em b er— D ezem b er 1 8 9 7 . I f e w

n . G a e rtn e rs V e r la g s b u c h h a n d lu n g Hu |||

P fP | H e rm a n n H e y f e ld e r .

Der Bezugspreis beträgt im Buchhandel und bei der Post jä h rlich 10 M ark.

Alle Rechte Vorbehalten.

Das Personen- und Orts-Register zum VI. Bande wird mit dem 1. Hefte des VII. Bandes ausgegeben.

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Inhalt

d e s n e u n t e n u n d z e h n t e n H e f t e s 1 8 9 7.

Abhandlungen. s,ite

L ic. D r. Th. Simon, D ie Begründung des Optimismus bei Gustav Theodor F e c h n e r ... 2 8 5 D r. R u d. K ay ser, Joachim Morsius (geb. 1 5 9 3 , gest. um 1 6 4 4 ) . . 3 0 7

K leinere Mitteilungen.

E in e neue Schrift ü b er die W ald en ser. Besprochen von L u d w . K e l l e r 3 2 0 N eu e Schriften ü b e r Ludw ig V ives. V on Prof. Dr. A. N e b e in

E lb erfeld ... ... 3 2 5

Besprechungen und A n z e ig e n ... 329

Zu F r i e d r i c h W i l l i . D ö r p f e l d s Schriften (A. Nebe). — Gesammelte Schriften von A . S p i r (H . R om un dt).— G. L a s so n , Zur Theorie des christlichen Dogmas (K. M äm pel).— J o h a n n F r i e d r i c h , Jacob Frohschammer. Ein Pädagoge unter den modernen Philosophen (B.BaehringV

— J o h . K r e y e n b ü l i l , Das freie Christentum und die Bewegung für ethische Kultur (H . Romundt). — F a b r i c i u s , Die Akademische Deposition (L. M.). — L a s s w i t z , Theodor Fechner (L . K .).

N a c h r i c h t e n ... 340

Die Rcalencyklopädie für prot. Theologie. Bd. III. — Harnacks Schrift über die jüngst entdeckten Sprüche Jesu . — Die „W aldenser“ als „Geheimbund“ des Mittelalters. — Neuere W erke über den sog. Anabaptismus. — Valentin Andreae als „Rosenkreuzer“ und „W iedertäufer“ .

— Evangelische vor Luther. — Zur älteren Geschichte der Universität Jena. — Lessing und Leibniz.

Eingegangene Schriften 345

Z uschriften b itten w ir an den V orsitzend en d er C .G ., A rch iv-R at D r. L u d w . K e lle r, B erlin W . - C h arlo tten b u rg , B erlin er Str. 22 zu rich ten .

D ie M onatshefte der C .G . erscheinen m on atlich (mit Ausnahme des Ju li und August). D ie Ausgabe von D op p elh eften b leibt Vorbehalten. D er Ge- samtumfang b eträgt vorläufig 2 0 — 2 5 Bogen.

D ie M itglieder erhalten die H efte gegen ihre. J a h r e s b e i t r ä g e ; falls die Zahlung der letzteren bis zum 1. J u l i nicht erfolgt ist, ist die G eschäftstelle zur E rhebu ng durch P o s t a u f t r a g unter Zuschlag von 6 0 P f. Postgebühren berechtigt. — Einzelne H efte kosten 1 M k. 2 5 P f.

Ja h re sb e iträ g e , sowie einmalige und ausserordentliche Zuwendungen bitten wir an das Bankhaus Molenaar & Co., Berlin C. 2, Burgstrasse zu senden.

B estellu ngen übernehmen alle Buchhandlungen des In - und Auslandes, die Postäm ter — Postzeitungsliste Nr. 4 2 9 6 b — und die G e s c h ä f t s t e l l e d e r C o m e n i u s - G e s e l l s c h a f t , Charlottenburg, B erliner Str. 2 2.

F ü r die Schriftleitung verantwortlich: A rch iv -R at D r. L u d w . K eller.

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Monatshefte

der

Comenius-Gesellschaft.

VI. Band. 1897. Heft 9 u. 10.

Die Begründung des Optimismus bei Gustav Theodor Fechner.

VOH

Lic. Dr. T h eod or Simon,

Schlossprediger in Cottbus.

A m 18. N ov em ber 1 8 8 7 wurde einer d er M e iste r d eu tsch er G eiste sfo rsch u n g ab g eru fen , dessen E ig e n tü m lich k e it h in sich tlich der R ich tu n g sein er w issenschaftlichen B estreb u n g e n , sow ie der ganzen A rt seines C h arakters und W esen s es verd ient, heute, wo zehn Ja h r e seit seinem T o d e ins L a n d gegangen sind, einem w eite­

ren L e se rk re ise w iederum vo rgefü hrt zu w erden. A ls B a h n b rech e r der W isse n sch a ft m usste er schon zu seinen L eb ze ite n anerk annt w erden und war er in w eiten K re ise n g esch ätzt. H eu te, wo uns sein L eb e n schon in die F e rn e g e rü ck t e rsch ein t, können w ir nun auch die w eittragend e B ed eu tu ng seines L eb en sw erk es überschauen, und uns s ch e in t, dass der W eg der W iss e n s c h a ft, fa lls er ein F o r ts c h r itt sein s o ll, in der R ich tu n g gehen w ird , die F e c h n e r anged eu tet und selb st eingeschlagen hat. V ie lle ic h t wird er dem kom m enden Ja h rh u n d e rt, d as, g e sä ttig t von der E rfo rsch u n g der A u ssen seite der W e lt, w ieder in das innere H erz d er N atu r zu b lick en sich sehnen w ird , ein w illkom m ener F ü h re r sein. So k en n zeich n et w enigstens ein w arm er V e re h re r des hingegangenen M eisters die B ed eu tu n g d esselben fü r die nächstkom m end e Z e it:

„ W ir bed ürfen eines M an n es, g eb ild et in der Sch u le d er e xp eri­

m entellen und m ath em atischen N atu rw issen sch aft, g eü b t in der B eo b ach tu n g des W irk lic h e n , achtsam au f jed e T h a tsa ch e der E rfah ru n g und e rfü llt von dem G e iste m oderner F o rsch u n g , über­

zeu gt, dass um äu sserer A u to rität oder in n erer V o rlie b e willen an n ich ts g e rü tte lt werden d a rf, was unabhängige W isse n sch a ft

Monatshefte der Comenius-Gesellschaft. 1897. i u

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2 8 6 Simon, H e f t 9 u. 10.

als natu rgesetzlicli verbürgt. A b e r d ieser M ann soll zugleich das L eb e n in n erlich erfassen m it dem fein en G efü h l des K ü n stle rs, m it dem w arm herzigen G lau b en ein er from m en S e e le , m it der M en sch en lieb e und lle in h e it eines k in d lich en H erzens e tc.“ U n d diesen M ann g lau b t er in F e e lm e r gefunden zu h a b e n .1)

C h a ra k te ristisch b ei F e c h n e r is t eine freu n d lich e H e ite rk e it, die aus allen seinen S ch rifte n h erv o rleu ch tet, auch aus denen, die e rn ste ste r G e is te s a rb e it gew idm et sind. A u s sein er ganzen L e b e n s ­ führung und seiner A r t, die V e rh ä ltn isse au fzu fassen , sp rich t g leich falls diese sonnige H e ite rk e it eines kindlichen G em ü tes.

A u sserlich b e tra c h te t zw ar w ar sein L eb en sw eg kein leich ter, vielm eh r ging es fü r ihn d urch m anche sch w ere, dunkle Z eit.

O b g leich er als Son n tag sk in d g eboren w ar, sollte doch schon in seine K in d h e it ein d unkler S c h a tte n fa lle n : seinen tre fflich e n V a te r v erlo r er schon im fü n ften Ja h r e seines L e b e n s, und in der ersten Ju g e n d en tb eh rte er danach des elterlich en H au ses. M it den b esch rän k teste n M itte ln , u n ter dem steten D ru ck von P riv a t­

stunden und m ühevollen w issen sch aftlich en N eben arb eiten , die um des E rw e rb es w illen übernom m en w u rd en, erm ög lich te er seine Stu d ien . S e in e äu ssere N otlage d rängte ihn auch w eiterh in zur Ü b eran stren g u n g sein er K r ä fte . D ie s wurde n ich t b e s s e r , als er end lich im zw eiund d reissigsten L e b e n sja h re eine au sserord entliche P ro fe ssu r ohne G e h a lt e rh ielt und danach seine L eb e n sg e fäh rtin h eim fü hrte. V ie lm e h r b ere itete sich infolge des Ü b erm asses von A rb e it, das er sich um des leid igen B ro te rw erb e s w illen aufbiirden m u sste, eine schw ere K a ta stro p h e v o r, wie sie n ich t le ic h t über einen M en sch en h erein b rich t. S e in G e is t erlag d er L a s t, so dass er von Z w angsvorstellungen v e rfo lg t wurde. N och schlim m er w urde e s , als end lich auch das h au p tsäch lich ste W erkzeu g des w issen sch aftlich en A r b e ite r s , die A u g en , anfingen zu versagen.

E r w urde vollständ ig u n fäh ig , zu lesen und zu schreib en. D re i Ja h r e b ra ch te er fa s t erb lin d et zu, d urch eine B in d e oder M aske, die er fortw äh ren d tru g, m usste er seine A u gen vo r jed em L ic h t­

strah l schützen. In ersch ü ttern d er W e ise g ieb t er se lb st B e r ic h t ü b er diesen q u alvollen Z u stan d , in w elchem e r, trotzdem sein G e is t sich n a ch A n regu ng seh n te , n ich t einm al die G esp räch e

*) K u r d L a s s w i t z , G. Th. Fech n er, in Frommanns Klassiker der Philosophie I. Stuttgart 1896.

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1 8 9 7 . Die Begründung des Optimismus etc. 2 8 7 sein er F re u n d e und sein er F ra u m ehr ertragen k o n n te, wie er, von der W e lt fa s t ab g esch lo ssen , die T a g e in qualvoller L a n g ­ weile, die N äch te ohne S c h la f zu b rachte und k örp erlich so v erfiel, dass er gänzlich au fgegeben war. D azu kam en die Sorg en um den L eb e n su n te rh alt fü r sich und seine F r a u , da seine S te lle an d er U n iv ersitä t an d erw eitig vergeben und nur eine äu sserst k ärg­

lich e P en sio n in A u ssich t g e ste llt war. F ü rw a h r, es w ar n ich t zu verw undern, dass A nw andlungen ü ber ihn kam en , sich dieses au ssich tslo sen E le n d s durch einen G e w a ltsch ritt zu entledigen.

E s geh örte der ganz b esond re L eb e n sm u t und die eigen ­ artige F re u d ig k e it, m it d er F e c h n e rs C h arak ter gesegnet war, dazu, um diese Z eit zu überstehen, und, nachdem die K a ta stro p h e äu sserlich überw unden w ar, doch in n erlich ungebrochen aus ih r hervorzugehen. W ie ganz anders haben die w idrigen V erh ä ltn isse in Schop enh au ers L e b e n , die m it denen F e c h n e rs einige B e ­ rührungspunkte z eigen , au f den C h a ra k te r d ieses V a te rs des m odernen P essim ism u s eingew irkt. B e k a n n tlic h verlor d ieser auch frü h zeitig seinen V a te r . A u ch ihm w ar in der akad em ischen L au fb ah n d er g eh o ffte E rfo lg v ersagt. U n d der A u gen k ran kh eit F e c h n e rs en tsp rach b ei Sch op en h au er das O hrenleid en. A b e r von dem D ru ck äusserer N o t is t d ieser ste ts un berüh rt geblieben.

U nd doch is t Sch op en h au er der B eg rü n d e r einer p e s s i m i s t i s c h e n W e lta n sich t gew orden, F e c h n e r dagegen h at aus all seinen L eid en einen u n ersch ü tterten O p t i m i s m u s g erettet. G old en glänzt sein H u m or in den späterhin gesam m elten „ K lein e n S c h r ifte n “, die er u nter dem N am en des D r. M ises erscheinen liess. J a den b esten T e il seiner lan gen , um fangreichen L e b e n sa rb e it, die ihm nach ü berstand ener schw erer Z e it noch gegönnt w ar, h at er an den A u sbau einer eig enartig en W eltan sch au u n g , der „ T a g e sa n sich t“, wie sie d er P h ilosop h selb st nannte, gew andt, deren letzte Tend enz die B egründ un g des O p t i m i s m u s ist.

»T ag e san sich t“ n en n t F e c h n e r seine A nschauu ng im G e g en ­ satz zur „N ach tan sich t“, in deren R ahm en er die m eisten der gegenw ärtig m assgebenden W eltan sch au u n gen zusam m enfasst. W ir k ö n n ten die „N ach tan sich t“ im S in n e F e c h n e rs n ic h t b esser ch arak terisieren , als es F e c h n e r s e lb st th u t.1). E r erzählt, w ie er

l) In der S ch rift: „Die Tagesansicht gegenüber der N achtansicht“, Leipzig 1879. S. 1. D i e s e S c h r i f t i s t d e n e n , w e l c h e F e c h n e r s A n ­

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2 8 8 Simon, H e f t 9 u. 10.

im R o sen th al b ei L eip z ig auf einer B a n k sass und seine kranken A u gen an den frü hlingsgrü nen W iesen la b te , wie die B lu m en freu n d lich aus dem G rü n h e ra u sb lick te n , die bunten S ch m e tte r­

linge darüber fla tte r te n , die V ö g e l in den Zw eigen zw itscherten und von fern h er die T ö n e eines M o rg enkonzertes an sein O h r drangen. „Seltsam e T ä u sch u n g , sagte ich mir. Im G rund e is t doch A lle s vor m ir und um m ich N ach t und S tille . D ie Sonn e . . . in W a h rh e it nur ein fin ste rer, im F in ste r n ihren W e g suchend er B a ll. D ie B lu m en, Sch m e tte rlin g e lügen ih re F a rb e n , die G eigen, F lö te n ihren T on . In der allgem einen F in s te r n is , O d e und S tille , w elchc H im m el und E rd e um fängt, sch w eb en nur einzelne, in n er­

lich h e lle , farb ig e und klingend e W e se n , wohl gar nur P u n k te, tau ch en aus der N a ch t a u f, versin k en w ied er d arein , ohne von ihrem L ic h t und K la n g etw as zu h in terlassen , sehen einander, ohne dass etw as zw ischen ihnen le u c h te t, sprechen m it einander, ohne dass etw as zw ischen ihnen tö n t. S o h e u te , so w ar es von A n beginn und w ird es sein in E w ig k eit. W a s sage i c h : vielm ehr M illiard en von Ja h r e n w ar es n ich t k a lt gen u g , und wie lange w ird es dauern, so w ird es zu k a lt fü r den B e sta n d von solchen W e se n sein. D an n w ird alles w ieder ganz stille und fin ste r sein, w ie vordem .“ I n d ie ser N a ch ta n sich t sieh t F e c h n e r die W u rzel des P essim ism u s.

N ic h t notw endig m uss ja fre ilich aus so lch e r eben gezeich ­ neten G ru nd voraussetzung d er P essim ism u s als system atisierte W eltan sch au u n g herausw achsen. W ie viel kann sich in der F o lg e ergänzend m it d ieser N ach tan sich t verbinden, insbesond re religiöse V o rstellu n g en tre te n hinzu und können dem M enschen das L eb e n doch erträg lich m achen in solcher, seinem E m p fin d en frem d artigen, ja wenn er d arü b er zur R e fle x io n k o m m t, abstossend en und un­

heim lichen W e lt. D o ch soviel is t g e w iss: Im M enschenherzen le b t einm al ein u n au stilgb arer D ran g, die N atu r zu b eseelen , eine nie ganz zu u n terd rü ck end e S e h n su ch t, auch in den son st fü r leblos gehaltenen D in gen d er uns um gebenden W e lt in neres L eb e n , dem unseren verw an d t, find en zu dürfen. D as K in d setzt ganz naiv in den D in g en sein er U m gebu ng ein E m p fin d en und W o lle n voraus. E s sch läg t den T is c h , an dem es sich weh g e th a n , und

s i c h t e n in d e r K ü r z e a u s s e i n e r e i g e n e n D a r s t e l l u n g k e n n e n l e r n e n w o l l e n , z u e r s t zu e m p f e h l e n .

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1 8 9 7 . Die .Begründung dos Optimismus ctc. 2 8 9

der grö sste T e il des eigenartigen Z au b ers, d er unsere K in d h eit v e rk lä rt, b e ste h t in d ieser noch ungebrochenen F ä h ig k e it, sein eigenes L e b e n in die D in g e hineinzuschauen, ahnend sich in diese selb stg esch a ffen e M ärch en w elt zu versenken.

D a lebte mir der Baum, die Rose, M ir sang der Quellen Silberfall, E s fühlte selbst das Seelenlose Von meines Lebens Wiederhall.

A uch den V ö lk e rn is t solch eine Z eit d er K in d h e it gegönnt.

Ih re M ythologien sind davon ein Zeugnis. W oh in das A uge des N atu rm enschen fä llt, da sieh t er p ersönlich es, dem seinen gleich ­ g eartetes L e b e n . D ie W olken, die über seinem H au p te im A bend ­ schein glänzen, die S te rn e au f ih rer stillen B ah n sind G ö tter, die h erabschau en au f ih re F re u n d e u nter den M en sch en , Baum und S tro m sind von N ix e und D ryad e bew ohnt.

So b ald der n ü chterne V e rsta n d erw acht, g ie b t er sich daran, diese W e lt voll L e b e n s zu z erstö ren , die N atu r zu en tgöttern.

D a m it is t dann ab er auch ein gut T e il der L eb e n sfre u d ig k e it eines V o lk e s d ahin , und der einzelne M e n sch , der durch den bunten N ebel lebendigen R eg en s durchzuschauen b egin n t in die k alte O d e einer en tg eisteten N atu r, fü h lt in sich die K la g e , die der D ic h te r so herzbew egend a u ssp rich t:

E r ist dahin, der süsse Glaube, An Wesen, die mein Traum gebar, D er rauhen W irklichkeit zum Raube, W as einst so schön, so göttlich war.

W e r se lb st in seiner L eb en sen tw ick elu n g durch v erschied ene W eltan schau un gen gegangen is t , wird es aus eigener E rfah ru n g bezeugen, wie die F re u d e an der N atu r a llezeit eine versch ied en e F ä rb u n g trä g t, je n ach dem G rad e geistigen L e b e n s , das wir h in ter d er N atu r voraussetzen. D ie N atu rfreu d e des konsequenten M a terialisten , dessen H erz doch noch le b t, kann n ich t ohne einen tiefen Z ug des Sch m erzes sein. D en n all diese S ch ö n h eit, die uns so freu n d lich anzulachen sch ein t, is t d och nur ein E rzeu gn is ziello ser K r ä fte und S to ffe , denen die A b sich t und E m p find u ng der S ch ö n h e it fern lag. A u ch die N aturem pfindung des P a n ­ th e iste n , d er in der N atu r b loss das dum pfe R in gen nach L e b e n und G e is t a h n t, trä g t noch etw as Schw erm ütiges an sich . J e vö llig er die Ü berzeugung d u rch b rich t, dass ein g eistiges W esen , unserem W esen g leich g e a rte t und u n ser inneres R eg en verstehend ,

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290 Simon, H eft 9 u. 10.

in d er S ch ö p fu n g w altet und sich o ffe n b art, d esto freu d ig er und h eller wird das M item p find en m it der N atur. W ir versteh en , dass uns die schön geschw ungenen L in ie n der B e r g e , das lie b ­ lich e G rü n der T ln ile r m it dem blauen H im m el d arü b er, dass auch D o n n er und S tu rm uns etw as zu sagen haben, w ir verstehen die S p rach e d er N a tu r, wenn w ir, was sic uns sa g t, auch n ich t im m er in u n serer S p ra ch e w iederholen können.

F e c h n e r h at nun in der W eltan sch au u n g d er „T ag e san sich t“, die er m it allen ihm verfügbaren M itte ln exak ten F o rsch e n s und p h ilo sop hischen D en k en s ausführt, ein G ebäu d e g e sch a ffe n , in dem die h e llste N atu r- und L eb e n sfre u d ig k e it K aum find en kann. W as die K in d esp h an ta sie ahnte, was der N atu rm ensch in n aiv ster AVeise aus sich hinausschau te in d ie W e lt, das D u rchd ru ng ensein der N atu r von g eistigem , persönlich em L eb e n , das gew innt F e c h n e r als das R e su lta t einer w issen sch aftlich en L e b e n sa rb e it w ieder. V o r allem seinen L ie b lin g sk in d e rn , den P flan zen und B lu m en , h at er den A n ­ te il an B eseelu n g , den ihnen die P o e sie b ere itw illig sch en kt, auch als ih r R e c h t von der W iss e n s ch a ft zu erkäm pfen g e su c h t: „ E in e blü hend e H yazin th e ste h t vo r m ir au f dem T is c h . W ie schm u ck h e b t sich die B lü te n tra u b e aus dem B la ttw u ch s em por, wie zierlich is t je d e einzelne B lü te darin gebogen und ins F e in e re au sgestaltet, w elch rein e F a rb e h a t sie sich aus L ic h t gew ebt, wie re ich h at sie sich s e it g estern en tfalte t. D u sie h st m ich an, sp rich t die B lu m e, als w äre ich ein schönes M ä d ch e n ; ich bin auch ein schönes M äd chen in m ein er A r t. S ag e es den L e u te n ! — I c h habe es ihnen schon gesagt, ab er sie w ollten es noch n ic h t glauben.“ E in ganzes B u ch ,

„N anna oder üb er das S e elen leb en d er P fla n z en “, h at er daran gew and t, um d ieses sein H erzen san licgen der in d er N ach tan sich t schlum m ernden Z eit vorzutragen. D o ch höh er noch g re ift er, auch den G e stirn e n am H im m e l, zu denen k in d lich p o etisch er Sinn se it Ja h rta u se n d en w ie zu lebend igen , p ersönlich en W e se n em por- g e sch au t h a tte , will er den A n teil an B ese elu n g , den ihnen die N a ch ta n sich t g erau b t, w ieder zuw eisen. S e lb s t d er anorganischen, von d er B ese elu n g nach allg em ein ster Ü b ereinstim m u ng aus­

g esch lossen en W e lt, w ill d ieser b ered te A n w alt der N atu r ein gebü hrendes T e il am L e b e n zuw eisen. W en n der K ry s ta ll im L ic h te b lin k t und d er D iam an t den L ic h tstra h l in ein buntes F a rb en sp ie l ze rle g t, so s o ll, trotzdem F e c h n e r fre ilic h diese an­

organischen M ed ien n ich t fü r geistige E in zelin d iv id u cn hält, doch

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1 8 9 7 . Die Begründung des Optimismus etc. 2 9 1

auch h ier in d er N atu r F re u d e an F a rb e und L ic h t vorhanden sein, auch abgesehen vom M enschenauge, das sich an der lich ten P ra c h t ergötzt.

W e n n uns solche A n sich te n h ier p lötzlich und u n verm ittelt en tg eg en treten , so können w ir uns des E in d ru ck s einer träum enden P h a n ta stik kaum erw eh ren , und schw erlich w ird der D ich te r­

philosoph einen grossen K r e is von A nhängern gew innen, die ihm w illig in alle H öh en fo lg e n , in denen seine P h an tasie n sich m it kühnem F lu g e tum m eln. A b e r w enn w ir auch n ich t gen eig t sind, m it ihm P flan zen und G e stirn e als see lisch e Ind iv id u en zu b e ­ trach ten , geben w ir uns nur dazu her, ihm in seine W e rk s ta tt zu folgen und zu sehen, wie er sorgsam G lied um G lied seiner A n ­ sich ten g e sta lte t und aneinander fü g t, so m üssen wir ihm doch zugestehen, dass seine W eltan sch au u n g im G anzen n ich t das W e rk ein er ungezügelten P h a n ta s ie , sondern w issen sch aftlich begrü nd et is t, wTie es eine n ü ch tern e, m ind er p o etisch anm utende A n sich t auch nur irgend sein kann.

S ein philosophisches Sy stem is t w esen tlich eine A usdehnung des G ru nd ged ankens der „ P sy c h o p h y s ik “ au f das W eltgan ze.

F e c h n e r is t der w issen sch aftlich e B eg rü n d er d ieser L e h re vom Zusam m enhang der S e ele und des L e ib e s und der G e setz e dieses Z usam m enhangs. S e e le und L e ib sind nach F e c h n e r n ic h t zwei getren n te W esen h eiten , sondern nur zwei E rsch ein u n g sw eisen d es­

selben W esen s. In der E in le itu n g zu den E le m e n te n der P sy ch o ­ physik su ch t er in sein er b ild erreich en A rt zu reden allerlei G leich n isse hervor, um an diesen seine eigentü m lichen G ed an ken klarzulegen. W ie eine K re is lin ie fü r d en , der innerhalb des K re is e s s te h t, k o n k a v , ab er fü r den ausserhalb d er P erip h erie Steh en d en k o n v ex ist, so e rsch ein t ein W e se n vom inneren S ta n d ­ pu nkte aus b e tra c h te t als G e is t, vom äusseren als L e ib . D em B e o b a c h te r, der von d er E rd e aus das W e ltsy ste m b etra ch te t, m uss die W e lt ptolem äisch erscheinen, w er ab er im Centrum des S y s te m s , au f der Son n e stünde und von da aus seine B e o b a ch ­ tungen a n stellte, würde das kop ern ikan isch e W e ltb ild sehen. B e id e sehen re c h t, nur je d e r von seinem Stand p u nkte. E b e n so sieh t b e i d er B e tra ch tu n g des M en schenw esens d er In n en steh en d e alles g e istig , d er A u ssenstehend e alles le ib lic h , und b eid e haben von ihrem Stan d p u n k te rech t. A u s d er G e sch ich te d er P h ilosop hie is t das G leich n is von den zw ei U h ren b ek a n n t, das von v er­

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2 9 2 Simon, H e ft 9 11. 10.

sch ied en en P hilosop hen zur V erb ild lich u n g des Zusam m enhangs zw ischen S e e le und L e ib g ebrau ch t wurde. E n tw ed er so llte die eine U h r den G an g der anderen b ee in flu sse n , w ie diejenigen m ein ten , die eine kausale E in w irku n g von S e e le und L e ib an- nahm en, oder, w ie die O k k asion alistcn sich das V e rh ä ltn is d achten, sollte die H an d des göttlich en K ü n s tle rs in jed em A u gen blick die Z eig er b eid e r U hren gleich stellen . F e c h n e r ab er fin d e t, dass die ein fach ste und rich tig ste A n sic h t h ierbei vergessen sei. E s seien gar n ich t zwei U h ren , sondern nur eine. „W as dem äusser- lich stehenden B e o b a ch te r als die organische U h r m it einem T rieb w e rk und G an g organ isch er R ä d er und H e b e l oder als ihr w ich tig ster und w esen tlich er T e il e rsch e in t, ersch ein t ih r selb st in n erlich ganz an d ers, als ih r eigen er G e ist m it dem G an g von E m p fin d u n g , T rie b e n und G ed an k en .“ V o m B ild e zur S a ch e s e lb st zurückkehrend h e isst d a s : W e n n ich denke, em pfinde und w ill, so würde der, d er einen E in b lic k in m ein H irn und N erv en ­ system h ätte, von m einem D en k en , E m p fin d en und W o llen , selb st u n ter Z uhülfenahm e der sch ä rfste n G lä se r und d er exak testen M eth o d en , n ich ts w ahrnehm en. E r würde nur M aterie und m aterielles G esch eh en , p h ysisch e Bew egu ngen, ch em isch e P rozesse en td eck en können. F ü r d ie seelisch en V o rg än g e g ieb t es keinen anderen B e o b a c h te r, als das see lisch e S u b je k t selb st. D agegen kann i c h n ich t w ahrnehm en, was der äu sserlich e B e o b a ch te r g e­

leg en tlich m ein er seelisch en V o rg än g e sieht. Ic h sehe n ich t m ein H irn , m eine N erven und deren T h ä tig k e it b ei m einem A k t des D e n k e n s, E m p fin d en s e tc. D en n ich kann m ir selb st n ich t äu sserlich gegenü ber tre te n . M ir ersch ein t H irn und N erv und die darin vorgehend e B ew egu n g als G ed an ke und E m pfind ung, w eil ich b loss von innen h er b eo b ach te, H irn und N erv selb er bin.

D a s , was w ir S e ele oder G e is t n ennen, ist also ein Zu­

sam m enhang von E m p fin d lin g s-, D e n k - und W ille n s a k te n , alles G e sch eh en in d er L e ib lic h k e it oder M a te ria litä t fü h rt F e c h n e r in Ü b erein stim m u n g m it d er heutigen T end enz d er N atu rw issen­

sch aften au f B e w e g u n g zurück. Je d e m in d er Innenanschau u ng w ahrgenom m enen geistigen A k t en tsp rich t also ein m aterieller B ew egu ngsvorgang. A b e r auch um gekehrt knü pft sich an jed en leib lich en V o rg a n g etw as G eistig e s. Z w ar n ich t an jed e B ew egu ng im L e ib e , an jed e M u sk elk o n trak tio n etc. knü pft sich geradezu ein G ed an k e oder W ille n s a k t, tau send D in g e gehen in meinem

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1 8 9 7 . Die Begründung des O ptim ism us otc.

L e ib e v o r, die n ich t d irek t m it einem G edan ken etc. Z u sa m m e n ­ hängen. A b e r wenn auch kein ganzer G e d a n k e , irgen d ein G e is tig e s, sei cs auch noch so g erin gfü g ig, hängt doch auch m it jen en E inzelvorg ängen in d er L e ib lic h k e it zusam men, die sch ein b ar ganz ausserhalb aller B ezieh u n g zur G e iste sw e lt stehen. W as einzeln d er B eo b ach tu n g e n tg e h t, sum m iert sich und als Sum m e m ach t es sich unsrer in n erlich en B eo b ach tu n g fü hlbar. U n sere Stim m u ngen z. B . hängen o ffe n b ar m it V orgän g en und Störungen im B lu tu m la u f, im V erd au u n g sap p arat zusam m en. „N icht je d e r K ö rp e r und n ich t je d es k ö rp erlich e G esch eh en h at ein zugehöriges b e s o n d r e s G e is tig e , vielm ehr gehen v iele N ervenerzitterungen zu E in e r E m pfind ung, seh r kom plexe G ehirnbew egungen zu E in em G e d a n k en , beide H irnhem isp hären zu E in em D en k en zusam m en.

D ie m aterielle E rsch ein u n g zieh t sich in der Selb stersch ein u n g zusam m en.“

D ie L eib esb ew eg u n g en , denen ein see lisch e r V o rg an g ent­

s p r ic h t, n ennt F e e h n e r p s y c h o p h y s i s c h e Bew egungen. D ie se A r t der B ew egu n g fin d et also nach seiner A n sich t n ich t bloss im H irn und in der N ervensubstanz statt, sondern sic g e h t durch den ganzen K ö rp e r, der M enschen n ich t n u r, sondern auch der T ie r e , sogar der P flan zen . J a auch über d iese G renzen hinaus e rs tre ck t sich die p sy chop hysische B ew egu ng, sie d u rch w altet das ganze W eltall. D ie psychop hysische B ew egu n g is t n ich t etw a eine ganz besond ere B ew eg u n gsart, so dass cs ausser d ieser noch andere B ew egu ngen gäbe, an die keine B ew u sstsein scrsch ein u n gcn g ek n ü p ft wären. „ J e d e B ew egu n g w ürde, wenn sie in ih rer G esch w in d ig k eit einen gew issen W e r t ü b e rste ig t, einen B e itra g zum B ew u sstsein geben.“ J a noch m eh r: Je d e B ew egu n g in irgend einem T e ile des W e lta lls g ieb t in W irk lic h k e it einen B e i­

trag zu B ew u sstsein sersch ein u n g en , nur n ich t im m er zum B ew u sst­

sein in E in zelin d ivid u en . D a m it sich in m ir als E inzclindividuum eine B ew egu n g m it einem bew usstw erdenden V o rg an g verknüpfen k ö n n e, is t ein gew isser G esch w in d ig k eitsg rad erford erlich . D er G ra d , den die psych op h ysisch e B ew eg u n g erreichen m u ss, dam it in einem Ind ivid uum bew usstes In n en leb en sich daran knü pfe, is t die B e w u s s t s e i n s s c h w e l l e . Bew egungen in meinem K ö rp e r, die den G rad n ich t erreich en , der zum E n ts te h e n eines bew ussten seelisch en V o rg an g s erfo rd e rlich is t , b leib en also u n ter der B e ­ w usstseinsschw elle. E in e B erü h ru n g m ein er H a u t durch eineO

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2 9 4 Simon, H e f t 9 u. 1 0 .

F lau m fed e r re ic h t m eist n ich t hin, eine zum B ew u sstsein kom m ende E m p fin d u n g hervorzurufen, ein gew orfen er S te in th u t dies sich er.

E in zu leiser oder zu tie fe r T o n einer schw ingenden S a ite erreg t v ie lle ich t noch den G eh örap p arat und ru ft B ew egu ngen in den zugehörigen N erv en - und H irn p artien h erv o r, ab er d iese psy ch o­

p h ysisch e B ew egu n g w e ck t keine bew usste seelisch e F u n k tio n . D ie T on em p fin d u ng en tste h t, w enn die Schallschw ingu ngen stä rk e r od er sch n e ller e rfo lg e n , dann ü b e rsch re ite t die psychop hysische B ew eg u n g die B ew u sstsein ssch w elle.

Sch o n in unserem N erven ap p arat find en dem nach psycho­

ph ysisch e B ew egu ngen u n t e r d er B ew u sstsein sscln v elle statt.

N o ch m ehr is t dies im E rn äh ru n g ssy stem und in anderen T e ile n des L e ib e s d er F a ll. M e ist e rst an abnorm e F u n k tio n e n in d ie­

sen K ö rp e rp artie n k n ü p ft sich w ieder ein B e itra g zum B ew u sst­

sein. W o überhaup t die psy ch op h ysisch e B ew egu ng n ich t m ehr einen solchen G rad e rre ich t, dass in m i r seelisch e F u n k tio n en sich daran knü pfen k ön n en , da is t die G renze m e i n e s L e ib e s . U n d so d ehnt sich denn zw ischen den L eib e rn der E in zelin d iv id u en ein g ro sse s, ja end loses G e b ie t d er m ateriellen W e lt, deren B e ­ wegung n ich t m it individ uell bew usstem p sy ch isch em L e b e n v er­

bunden ist.

A b e r auch die Bew egu ngen, die unterhalb d er S ch w elle der individ uellen bew ussten W e se n b le ib e n , sind darum n ic h t ganz und g ar ohne B ew u sstse in . D ie p s y c h o p h y s is c h e , d. h. die m it seelisch em L e b e n verbundene p hysisch e B ew eg u n g sollte ja , wie w ir schon h ö rte n , d urch das ganze W e lta ll gehen. W o irgend eine B ew egu n g noch so geringen G rad es vor sich g eh t, da fin d et auch eine irgendw ie g eartete p sy ch isch e F u n k tio n sta tt, und d ieser seclisch e V o rg an g , sei er n och so gering, b ild et einen B e itra g zum W e l t b e w u s s t s e i n . F ü r das W eltb ew u sstsein e x is tie rt also die B ew u sstse in ssch w e lle d er In d iv id u en n ich t, w as m ir als E in zeln em , und allen and eren b ew u ssten In d iv id u en unbew usst b leib t, is t doch fü r das die W e lt d urch w alten de B ew u sstsein , fü r G o t t , bew usst.

D ie B ew eg u ng d er M e e resw elle n , die Schw ingu ngen d er A tom e im M o lek ü l, sind in G o tt m it B ew u sstsein v erk n ü p ft. D e r bunte G lanz d es T h au tro p fen s in der fe rn ste n S te p p e , den kein A uge sieht, die F a rb e d er B lu m e , die im V erb o rg en en b lü h t, d er leiseste und bald ersterben d e L a u t in d er w eiten W ü s te , d er kein O h r e rre ich t, w ird von jenem A llb ew u sstsein w ahrgenom m en, ist fü r

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1 8 9 7 . Die Begründung des Optimismus etc. 2 9 5

G o tt n ic h t verborgen. N ich t m inder ab er sind auch die B e ­ w egungen in unsrer L e ib lic h k e it, d iejenigen sow ohl, an w elche sich fü r uns B ew u sstsein k n ü p ft, als d iejen ig en , w elche zu schw ach waren, unser E in zelb cw u sstsein zu w e ck e n , fü r das g ö ttlich e B e ­ w usstsein vorhanden. N ich ts ist in uns, was n ich t auch im W e lt- bew usstsein w äre, in ihm leb en , weben und sind wir.

S o versteh en w ir nun F e clm e rs W o r te : „D am it das L ic h t ü b er uns hinaus in alle r W e lt g e se h e n , der S ch a ll geh ört w erde, muss es ein sehendes und hörend es W e se n dazu geben. U nd hat m an n ich t son st von einem G o tt g e h ö rt, der in der W e lt all­

gegenw ärtig und allw issend w a lte t? . . . F ü r die T a g e sa n sich t ist d ie W e lt von seinem Seh en d u rch le u ch tet, von seinem H ören d u rch tö n t; was w ir selb st von der W e lt sehen und hören, is t nur die letzte A bzw eigung seines Seh en s und H ö re n s ; und über A llem , was er m ehr von der W e lt sieh t und hört, b au t sich in ihm auch H öh eres als in u n s!“

So h a t sich F e c h n e r Raum g esch affen fü r seine poetische N atu ran sch au u n g ; durch e x ak te F o r s c h e r - und philosophische G e ­ d an k en arb eit h a t e r sich das R e c h t e rstritte n fü r seinen heiteren kin d lich en G lauben, der in das In n e re der AVelt d ringt und leb en ­ d iges geistig es R eg en a h n t, auch wo d ie äusserliche B etra ch tu n g nur to te geistlo se S to ffe sieh t. N un s te h t die N atu r dem M en ­ schen n ich t m ehr frem d artig gegenüber. D e r M e n sch e n g eist is t n ich t h inau sg estossen in die F re m d e , sondern fü h lt sich in der H eim at. I n d er N atu r le b t ein G e is t, dem S ein en g leich artig , von dem er verstand en wird, und den er nach seinem b esch eid en en T e il v erstellen kann. I s t d och sein eigenes g eistig es R egen nur ein k lein e r A u ssch n itt aus dem ganzen w eltum spannenden G e is te s ­ leben.

E in e M au er is t durch brochen , und wo T o d schien, h at sich d er B lic k ins L e b e n fü r ihn aufgethan. D o ch noch eine andere M au er s te llt sich dem freu digen L eb e n sse h n e n des M en sch en en t­

gegen, und wenn d iese n ich t zu en tfern en wäre, is t aller O p tim is­

mus nu r ein lee re r Trau m . E s is t d er G ed an k e des M en sch en an seinen T o d . I s t d er T o d das E n d e des M e n sch e n , dann is t das L eb e n des E in zeln en und das L e b e n des M en sch en g esch lech ts eitel. D ann tr itt die p essim istisch e Stim m u ng doch in ih r R e ch t.

A u ch diese M au er h at F e c h n e r n ich t übersehen, und auch h in ter ih r sieh t er L eb e n . W ir können F e c h n e rs U n sterb lich k e itsle h re ,

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2 9 6 Simon, H o ft 9 u. 1 0 .

d er er ein eignes S ch riftch e n , das B ü ch lein vom L o b en nach dem T o d e , und einen b eträch tlich e n T e il seines grossen W e rk e s Z end- A v esta gew idm et h a t, h ier nur stre ifen und den W e g andeuten, wie er aus seiner T a g e sa n sich t heraus den G lau b en an ein je n ­ seitig es L e b e n zu begründen sucht. E r stü tzt sich auf das im G e b ie te des M a teriellen a llse itig an erkan n te G e setz von d er E r ­ h a l t u n g d er K r a f t . N ach diesem G e setz g eh t die einm al in der W e lt vorhandene K r a f t nie verloren. W en n irgendw o in der W e lt eine K r a f t v ersch w in d et, tr itt an ein er anderen S te lle eine andere h e rv o r; wo eine neue K r a f t hervorzutreten sch ein t, is t es im G ru nd e eine a lte , denn wir können m it S ich e rh e it annehm en, dass irgendw o eine der n eu herv org etretenen äquivalente K r a f t ver­

schw unden ist. F e c h n e r w endet nun diese T h e o rie au f das G e b ie t des g eistig en L e b e n s a n , und fin d e t sie zu n äch st im d iesseitigen L e b e n , das allein u n srer jetzig en E rfa h ru n g zugänglich ist, v o llau f b estä tig t. D ie lebend ige K r a f t des B ew u sstsein s en tsteh t, wie er ausführt, niem als w ah rhaft n eu , g e h t ab er auch niem als w ah rhaft u n ter, sondern kan n n u r, wie d ie K r a f t des K ö r p e r s , w orauf sie ruht, ihre S te lle , F o rm und V erb reitu n g sw eise räu m lich und z eit­

lich än d ern , heut oder h ier nur sin k e n , um m orgen oder and er­

w ärts zu steig en , h eu t oder h ier nur ste ig e n , um m orgen oder and erw ärts zu sin ken. „ D a m it das A uge w ache, du m it B ew u sst­

sein seh est, m u sst du das O h r in S c h la f sen ken, d am it die innere G ed an k en w elt erw ach e, die äusseren S in n e sch lafen lassen. E in Sch m erz am k lein sten P u n k te kann das B ew u sstsein d ein er ganzen S e e le ersch öp fen . J e m ehr sich das L ic h t d er A u fm erk sam k eit z e rstre u t, so sch w äch er w ird das E in ze ln e davon e rle u ch te t, je heller es au f einen P u n k t tr if f t, so m ehr ins D u nkle tre te n alle anderen. D ein W a ch e sein heute v erd an k st du deinem S ch la fe seit gestern , je tie fe r du heute e in sch lä fst, so m u nterer w irst du m orgen erw achen, und je m u n terer du g ew acht hast, um so tie fe r w irst du schlafen /1

F e c h n e r fin d et n u n , es würde ganz gegen die A r t aller N atu rg esetze verstossen, deren A nw endung auf das g eistige L eb e n ja ein H au p t- und G ru nd g ed ank e sein er psychop hysischen F o r ­ schung is t, dass ein G e s e tz , dessen G ü ltig k e it im d iesseitigen L eb e n u n bestreitb ar ist, nun plötzlich b eim eintretend en T o d e des L e ib e s abbrechen und ungültig werden sollte. W o die N atu r­

w issen sch aft in d er K ö rp e rw e lt eine B ew eg u n g sk raft schw inden

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1 8 9 7 . Die Begründung des Optimismus etc. 2 9 7

sieh t, sagt sie doch n ich t, die K r a f t sei, weil n ich t m ehr wahr­

nehm bar, überhaupt verschw unden, sondern sie ruht n ich t, b is sie eine H y p o th ese gefunden h a t, die das F o rtw irk e n der nun un­

sich tb a r gew ordenen K r ä f te sich ert. F e c h n e r will das R e c h t zugestanden w issen , die M ethod e der N atu rw issen sch aft überall anzuw enden, auch aufs g eistige G e b iet. W en n auch das geistige L e b e n eines M en sch en innerhalb der räu m lichen G renzen, in denen es sich uns sonst w ahrnehm bar m achte, also in seinem L e ib e , n ich t m ehr w ahrgenom m en w erden k an n , m uss es notw endig deshalb zu N ich ts gew orden s e in ? D as B ew u sstse in , die g eistige K ra ft, d ie einm al vorhanden w ar, kann n ich t in N ich ts verschw om m en sein. W e r die durchgängige G eltu n g der N atu rgesetze wahren m ö ch te, d arf am allerw enigsten eine solche L ü c k e im N aturzu­

sam m enhang g elten lassen.

D o ch m it all diesen A usführungen h at F e c h n e r nur e rst das F u n d am en t g e le g t, auf dem er seinen O ptim ism us als System aufbauen kann. N ur d e r, w elch er von vorne herein s e lb st zur op tim istisch en W e ltb e tra ch tu n g neigte, könnte sich zufrieden geben m it dem, was F e c h n e r b is je tz t fe s tg e le g t h a t, m it dem L eb e n auch h in ter der sch ein b ar to ten N atu r und dem L e b e n je n se its des T o d es. W as h in d ert den P essim isten , se lb st wenn er bis h ier­

her zustim m t, den G e ist, der die N atu r d urch w altet, als ein dem M en sch en wohl g le ich g e a rte te s, ab er ihm fe in d selig es W esen zu b etrach te n , oder als gleich g ü ltig fü r die B e d ü rfn isse des M enschen, oder fü r zu sch w ach , d en selben , selb st beim b este n W illen zu genügen. D e r ü berzeu gte P e s s im is t würde auch das je n se itig e L eb e n n ich t als T ro st, sondern als tro stlo se A u ssich t in die end­

lose A usdehnung eines qualvollen D asein s em pfinden.

D e r G ru nd satz des P essim ism u s fo rm u liert sich wohl am besten in folgend er W e is e : D ie Sum m e d er U n lu st überw iegt im S e in und so lange das S e in w äh rt, s te ts die Sum m e d er L u st, d aher es b esser w äre, das S e in w äre überhaupt n ich t. W ie fin d et sich F e c h n e r d ieser T h e s e gegenü ber a b ? D em F o r s c h e r, der so hohe A ch tu n g vor d er E rfa h ru n g hegt, lie g t es selb stv erstän d lich fern, die M eng e des Ü b e ls in der W e lt und seine B ed eu tu n g fü r die W ertsch ätzu n g des D asein s g e flissen tlich zu gering anzu­

schlagen. Zw ar w eist er den, d er so kurzerhand ein U rte il über das gegen seitige G rössen V erhältnis von L u s t und U n lu st abgiebt, zu erst auf die grossen S ch w ierig k eiten h in , überhaupt ein M ass

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2 9 8 Simon, H e ft 9 u. 10.

au fzu find en, an dem die L u s t und U n lu st nach E x te n s itä t und In te n s itä t abgem essen w erden könn te. A b e r er w eist d am it n ich t d ie B erech tig u n g a b , d och w enigsten s ü ber das allgem eine M eh r oder M in d er von L u s t und U n lu st zu urteilen. E r h o fft sogar, dass die F o r ts c h r itte der neuen psychop hysischen W isse n sch a ft, die von ihm an g ebah n t w u rd e, ein e xak tes M assprinzip fü r L u s t und U n lu st find en w erde. D em P essim iste n , der die U n lu st w eit überw iegend fin d e t, w eil sie s ic h , wo sie a u ftritt, fre ilich im m er v iel au fd rin g lich er zeigt, s te llt F e c h n e r eine andre B e tra ch tu n g sa rt entgegen, die m ind estens ebend ieselbe B erech tig u n g habe. W enn w ir uns die G rö sse der L u s t und der U n lu st durch H öh enlin ien (O rdinaten) über einer N iveau eben e v ersin n bild lich en und die L u s t­

lin ien ro t, die U n lu stlinien schw arz ziehen, so werden w ir fre ilich neben gew altigen und hoch an streben d en schw arzen G ebirgsm assen nur verhältnism ässig w enig rote G e b i r g e fin d en , und w er nur au f die G eb irg e sä h e , würde glauben kö n n en , dass die L u s t der U n lu st gegen ü ber n ich t in B e tr a c h t käm e. A b e r zw ischen den H öh en w ürden w eite L a n d stre ck e n lieg en k önn en, die b ei nur m ässiger E rh e b u n g ü ber die E b e n e doch durchw eg ro t w ären, so dass, wenn w ir alle roten und schw arzen H öh enw erte sum m ierten, doch die ro ten d er L u s t ü b er die schw arzen der U n lu st ü b er­

w iegen könn ten . O b g leich die U n lu st, wo sie a u ftritt, m eist h e f­

tig e r i s t , als die L u s t, und die U rsa ch en d er U n lu st sich n ich t so le ic h t abstum pfen, als d ie U rsach en der L u s t, so k om p en siert sich d ies d och d ad u rch , dass L u stq u e lle n nach m ässigem G enuss und m ässiger Z w isch en zeit m it im m er neuer W irk u n g ern eu ert w erden können, und, w e i l w ir d ie L u s t s u c h e n , w irk lich m ög­

lic h s t o ft ern eu ert w erden, indes kon tin u ierlich e U n lu stqu ellen uns nur w i d e r u n s e r e n W i l l e n und darum v erh ältn ism ässig selten er begegnen k ö n n en , w'eil w ir eben alles M ö gliche th u n , um sie zu verm eiden. „So kann einem sein M o rg en k affee jed en T a g von neuem sch m ecken , w ennschon er ihn n ich t so fo rtg e se tzt gem essen, als ihn ein Z ahnschm erz fo rtg e se tz t plagen kann. D a fü r gem essen hunderte ih ren M o rg en k affee sow ie ih r M ittag sm ah l jed en T a g von neuem m it V erg n ü g en , von denen nur w enige und diese nur zeitw eise von einem an haltend en k örp erlich en Sch m erze gequ ält w erden.“ „ F e in d s c h a ft und H a ss können seh r b itte r und von seh r b itte re n F o lg e n sein, ab er sie sind doch nur die A usnahm e, indes die F re u d e n der L ie b e und d er G e se llig k e it in den regelm ässigen

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1 8 9 7 . Die Begründung des Optimismus etc. 2 9 9

G an g des L e b e n s e in treten .“ A u ch die falsch en H offn u n gen und Illu sio n en des M e n sch e n , die beim P essim isten m eist als B e ­ lastungsm aterial der U n lu stse ite dienen m üssen, ste llt F e c h n e r auf die L u s ts e ite . D en n Illu sion en , die L u s t b rin g en , sind deshalb n ich t w eniger lustvoll, w eil sie Illu sion en sind. E s werden auch im L e b e n unsäglich m ehr von den kleinen Z w ecken, die sich der M en sch fü r den T a g s te llt, e rre ic h t, als illu sorisch g em ach t, viel h äu fig er jed en T a g ein V o r s c h r itt, als ein R ü c k s c h r itt in diesen V o rh ab en g e m ach t, und je d e N äherung an die E rre ich u n g des Z w eckes, ja je d e r G ed an k e an den Z w eck is t m it L u s t verknüpft.

B e i d em , der ein B e e t u m gräbt, is t je d e r S p a te n s tich , b ei der N äh erin je d e r N a d elstich sonach von ein er leich ten U b ersteig u n g der L u stsch w elle b e g le ite t, und obgleich diese L u s t in jedem A u g en b lick so gerin gen G rad es ist, dass sie d er A u fm erksam k eit le ich t e n tg e h t, so is t doch dies sich er ein H au p tfak to r der L u s t am L eb en , dass unsere gew öh nlichsten B esch äftig u n g en im m er das N iveau der G leich g ü ltig k eit n ach der L u s ts e ite hin übersteigen.

D arum is t die A r b e it die H auptw ürze des L eb en s. „U nd v e r­

gessen w ir n ich t, zu a ller L u s t, d ie sich sozusagen in m ässiger H ö h e durch die W e lt zieht, auch G ip felp u n kte d erselben, wie es solch e doch g ieb t, in B e tr a c h t zu ziehen. U n d was fä llt m ir da alles ein. E in h e itere r A bend im geselligen K re is e , d er B lic k in ein schönes oder lieb lich es G e s ic h t, die erste Z eit d er ju ngen L ie b e . . . das M u tterg lü ck , die F re u d e , ein grosses G e sch en k zu em pfangen oder zu geben, der W eih n ach tsab en d , die schönen A u s­

sich ten au f der R e ise , die R ap h aelsch e S ix tin a und B eeth o v en sch e C -m oll-Sym p h o n ie und was n ich t alles n o c h ; über das alles ein rein es G ew issen und das B ew u sstsein , in G o tte s H an d zu stehen.

E s w äre doch schade, wenn eine W e lt m it alled em n ich t beständ e.“

F e c h n e r is t sich g ar wohl b ew u sst, dass m it alledem der P essim ism u s bei w eitem n ich t w id erlegt und das R e c h t des O p ti­

m ism us noch n ich t dargethan ist, da h ier eig e n tlich noch alles der persönlich en Stim m u ng jed es einzelnen anheim gegeben is t, und eine M eth o d e, d iese su b je k tiv e Sch ätzu n g der W e rte einem o b je k ­ tiv en M assstab e zu unterw erfen, noch fe h lt. S o g e ste h t F e ch n e r, selb st zuw eilen Stim m ungen zu h ab en , in denen es ihm scheinen w ill, als ob alles in allem genom m en die U n lu st doch überw iege.

In d esse n ist, nach unserem Philosop hen, d ies überhaup t n ich t die H au p tfrage b ei A bw ägung d er B erech tig u n g sgrü n d e des O p ti­

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3 0 0 Simon, H e f t 9 u . 1 0 .

m ism us, ob g e g e n w ä r t i g , im je tzig en Stad iu m der W e lt, die L u s t oder die U n lu st überw iegt. O b g leich dies fü r den je tz t L eb en d en ja die bren n en d ste F r a g e sein kann, fü r die E n tsch eid u n g in diesem R e c h ts s tr e it zw ischen O ptim ism us und P essim ism u s is t ihre B e ­ antw ortu ng nur von u n tergeo rd n eter B ed eu tu n g. W ü rd e auch im g eg enw ärtigen W eltzu stan d e die L u s t üb erw ieg en , so wäre doch k e in G ru nd zum O ptim ism us vorhanden, wenn anzunehm en wäre, dass im L a u fe d er W e ite re n tw ick lu n g d er D in g e das L u stq u antu m a b , das U n lu stqu an tu n i zunehm en w ürde, so dass nach einem D u rch g an g sp u n k t, in dem beide Q u anta g leich gew orden w ären, zu letzt die U n lu st ü ber die L u s t im m er m ehr hinausw achsen würde.

U m g ek eh rt w äre d am it, dass im gegenw ärtigen Z ustande ein Ü b e r­

schu ss von U n lu st über die L u s t erfahru ngsm ässig k o n statie rt würde, auch die W eltan sch au u n g des P essim ism u s noch n ich t g e­

nügend begründet. D en n es konn te ja die W e lten tw ick lu n g in der R ich tu n g g eh en , dass die L u stsu m m e im m er m ehr g esteig ert würde au f K o ste n d er U n lu st. In d er T h a t h alten wir es fü r ein H a u p tv erd ien st F e c h n e rs in d ieser F ra g e , dass er die T e n d e n z zum B esse ren oder zum S ch le ch te re n in der W elten tw ick lu n g , die ja auch von anderen P hilosop h en n ich t ganz vergessen w orden ist, als das sch lie sslich en tsch eid en d e und ausschlaggebende M om ent m it b eson d erer B e s tim m th e it h erau sg estellt hat.

Im leb end igen E in zelw esen , das als T e il der W e lt jed en falls h ier in irgend ein er H in s ic h t in B e tra c h t kom m t, is t diese T e n ­ denz zur M ehru ng der L u s t, zur M ind erung der U n lu st k ein en - fa lls zu leugnen. U n d von diesen In d iv id u en g e h t auch ein stets sich erneuernd er A n trie b zur B esse ru n g d er W e lt, d. h. der E r ­ höhung des L u stq u au tu ins üb er das U n lustquautum aus. S o v e r­

vollkom m nen sich , sow eit unser h isto risch er B lic k re ic h t, nach F e c h n e r im allgem einen alle E in rich tu n g en , die zu des M en sch en B este m d ien en , S ta a t, soziale G e s e lls c h a ft, R elig io n und M oral, m ehr und m ehr. D a nun n ach sein er T a g e sa n sich t seelisch es L e b e n d u rch die ganze Sch ö p fu n g g eh t, ja die ganze W e lt in n erlich b e ­ tra c h te t ein g eistig es W e se n ist, so lie g t von da aus der S ch lu ss nahe, dass auch in G o tt d iese T en d en z lieg en w ird, die bestehend e U n lu st zu heben, die L u s t zu förd ern. A lle E in zelw esen sind ja in ihm , ih r L e id is t sein L e id und ein M o tiv in ih m , durch die ihm zu G e b o te stehenden M itte l die U n lu st zu überw inden, unsere F re u d e is t seine F re u d e . Ü b erh au p t d arf d ie W eltfrag e b e tre ffs

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1 8 9 7 . Die Begründung des Optimismus etc. 3 0 1

L u s t und U n lu st nur g e stellt werden m it stetem H in b lick auf G o tt, in dem alle Em pfind ungen sein er G esch ö p fe zusam m en sind.

W as uns E in zeln en L u s t ist, is t zugleich L u s t in G o tt, aber über der Sum m e der Lustem pfind un gen der E inzelnen kann in G o tt noch eine höhere L u s t sein , die aus der Zusam m enfassung und der B ezieh u n g dessen en tsteh t, was uns E in zeln en nur einzeln zum B ew u sstsein kom m t. So g ar die U n lu st der E inzelw esen kann fü r G o tt, der alles in sich zusam m en fasst, sich io einer höheren B e ­ ziehung m it L u s t verknü pfen. S o gehen A k k o rd e , d ie, einzeln g e h ö rt, als D issonanzen ersch ein en , zu einem ip höherem G rad e w ohlklingenden T on g efü g e zusam men. A n einem G em älde können einzelne F ig u re n m ein M ißfallen erregen, ja, wenn ich die P in se l­

strich e b e tr a c h te , kann m ir das E in zeln e als ein wüstes D u rch ­ einand er von F a rb e n Vorkom men, und wenn ich das G anze über­

seh e, zeigt sich m ir die höch ste S ch ö n h eit. D e r G o tt, der die D issonanzen und C onsonanzen alle in sich selb er em p find et, is t d er fein fü h len d ste K ü n stle r, der das ganze K u n stw erk der W e lt, in dem er se lb st le b t, zur m öglichsten V o llk o m m en h eit bringt, zumal da er keine G egen w irkung von aussen e rfä h rt, w ie ein m en sch lich er K ü n stle r, da es ja au sser ihm n ich ts gieb t, und die K r ä fte des G anzen ihm zu G eb o te stehen.

D a sich F e ch n e r auf G o tt b e ru ft, so w ird ihm sich er die F ra g e entg eg en g estellt w e rd e n : warum h at G o tt n ich t eine von Ü b eln freie W e lt e rs c h a ffe n , wie es in sein er M a ch t lag und sein er G ü te b esser entsp rochen hätte;? F e c h n e r antw ortet m it L e ib n iz , wo G o ttes G ü te und A llm ach t in K o n flik t kom m en, m üsse man von L e tz te re r etw as nachlassen. E s gebe eine N o t ­ w e n d i g k e i t in G o tt, die er auch m it seiner A llm ach t n ich t über­

springen könne. W ie anerkannt sei, könne G o tt n ich t gegen eine l o g i s c h e N otw en d igkeit verstossen, n ich t aus zwei m al zwei fü n f m ach en , die log isch e N otw end igkeit sei ein G ru nd m om ent seines ew igen W esens. N ic h t m inder ab er m üsse man auch in G o tt eine m e t a p h y s i s c h e N otw en d ig k eit anerkennen. W ie je n e erstere k o n stitu tiv es M o m en t sein er W a h rh e it s e i, so die letztere das G ru nd m om ent seines W irk e n s und W ollens. W ä re die W e lt schon im ersten Zustand auf das b estm ö glich e ein g erich tet, so w äre kein W o lle n und H a n d e ln , das über diesen U rzu stand hinausfü hrte, m ehr denkbar. W ir haben G o tt n ich t vorzuschreiben, w ie er sein solle, sondern m üssen das U r- und G rundw esen aller E x is te n z so

M onatshefte der Comenius-Gesellschaft. 1897. 9A

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