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Monatshefte der Comenius-Gesellschaft, März - April 1897, 6. Band, Heft 3-4

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Der Bezugspreis beträgt im Buchhandel und bei der Post jü lirlic h 10 M ark.

Alle Rechte Vorbehalten.

Monatshefte

der

Comenius-Gesellschaft.

H erausgegeb en von L u dw ig Keller.

S e c h s t e r B a n d .

D r i t t e s u n d v i e r t e s He f t .

M ärz— A p ril 1 8 9 7 .

---

Berlin 1897.

Ti. G a e rtn e rs V e r la g s b u c h h a n d lu n g

H e r m a n n H e y f e l d e r .

SW . Schönebergerstrasse 26.

(2)

Inhalt

d o s d r i t t e n u n d v i e r t e n H e f t e s 1 8 9 7 .

Abhandlungen. siu-

Dr. T h eo d or K lähr, Johannes Duraeus. Sein Leben und seine Schriften

über Erziehungslehre (E rster Teil) ... (;">

D r. Ludw . K eller, Neuere Urteile über H ans Denck (-f 1 5 2 7 ) . . . 7 7 Di-. G eorg E llin ger, Philipp Melanchthons Frühzeit. Beiträge zu einer

neuen Biographie ( F o r t s e t z u n g ) ... 09

B esp rech u n g en ... i_>:;

Dr. .Tos. l i e b e r , J o b . Am. Oonienii Phycicac ad hmien divinum reformatae Synopsis ete. (Briigeh.

— T h . Z i e g l e r , Gesch. der Pädagogik mit lies. Ili'ieksicht auf das höhere Unterriehts- wesen (Hoclihuth).

N a c h r i c h te n ... 128

Die Periodenteilung der deutschen Geschichte. — Ein Gedenkblatt zur l'eier des 100 jiihr. G eburts­

tags J a c o b B ö h m e s aus dem Ja h re 1075. — Ilealency klopädie f. prot. Theol. u. Kirche II. Bd. — Die neue Gesamt-Ausgabe von Luthers Werken und andere ähnliche Unternehmungen.

Zuschriften b itten w ir an den V orsitzend en d er C .G ., A rchiv-R at Dr. Lu d w . K e lle r, B erlin W .-C h a rlo tte n b u rg , B erlin er Str. 22 zu rich ten .

D ie M onatshefte der C. G. erscheinen m onatlich (mit Ausnahme des Ju li und August). D ie Ausgabe von D oppelheften bleibt

V o r b e h a l t e n .

D er G e­

samtumfang beträgt vorläufig 2 0 — 2 5 Bogen.

D ie M itglieder erhalten die H efte gegen ihre Ja h re s b e iträ g e ; falls die Zahlung der letzteren bis zum 1 . J u l i nicht erfolgt ist, ist die G eschäftstelle zur Erhebung durch P o s t a u f t r a g unter Zuschlag von 6 0 P f. Postgebühren berechtigt. — Einzelne H efte kosten 1 M k. 25 P f.

Ja h resb eiträg e, sowie einm alige und ausserord en tlich e Zuw endungen bitten wir an das Bankhaus Molenaar & Co., Berlin C. 2, Burgstrasse zu senden.

B e s te llu n g e n übernehmen alle Buchhandlungen des In - und Auslandes, die Postäm ter — Postzeitungsliste Nr. 4 2 9 6 b — und die G e s c h ä f t s t e l l e d er C o m e n i u s - G e s e l l s c h a f t , Charlottenburg, Berliner Str. 22.

F ü r die Schriftleitung verantwortlich: A rch iv-R at Dr. L udw . K eller.

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Monatshefte

der

Comenius-Gesellschaft.

VI. Band. 1897. Heft 3 u. 4.

Johannes Duraeus.*)

S e in L e b e n und seine S ch rifte n über E rzieh u n gsleh re.

Von

Dr. T h eod or Klahr in Dresden.

V o n dem trü ben H in terg rü n d e, der uns die G reu el des d reissigjährigen K rie g e s z e ig t, heben sich als L ich tg e s ta lte n die M änner a b , w e lch e, b e se e lt von w ah rhaft c h ristlich e r G esinnung, die streiten d en R elig io n sp arteien zur V ersö hnu ng au friefen , w elche, allen G efah ren der m it blu tigen K äm p fen erfü llten Z eit trotzend, unerm üdlich fü r die V ersch m elzu n g d er B ek e n n tn isse arb eiteten , die sich s e lb st fü r ih r Id ea l op ferten und e s, je b itte re re E n t­

täu schungen ihnen die W irk lich k e it b ra ch te , desto glänzender in ihrem G e iste a u sg e sta lteten .2) Zu ihnen geh ört der S c h o tte D uraeu s (D u rv), der sich als L eb en sau fg ab e s te llte , L u th eran er und R e ­ fo rm ierte zu vereinigen und dadurch die E rfü llu n g der V erh eissu n g von e i n e r H erd e u n ter e in e m H irte n vorzubereiten. U n ablässig war er ein halbes Ja h rh u n d e rt lang, m eistens in D eu tsch lan d , fü r diese Id ee th ätig , um am E n d e seines L eb e n s die völlige F r u c h t­

lo sig k eit seines heissen B em ü h en s und als einzigen E rfo lg das gute Z eugnis seines G ew issens zu e rk en n en .3) S e in e iren isch en B estreb u n g en verbanden ihn m it vielen G leich g esin n ten in den verschied ensten L ä n d e rn ; vor allem b rach ten sie ihn in intim e B erü h ru n g m it seinem grossen Z eitgenossen C om eniu s, m it dem er w ährend dessen kurzen A u fen th altes in E n g lan d p ersönlich

J) Vgl. den Aufsatz von F . S a n d e r , Comenius, Duraeus, Figulus etc.

in den M. H. der C. G. 1894 S. 306.

'-) J . K v a c s a l a , Ironische Bestrebungen zur Zeit des dreissigjährigen Krieges. Sonderabdruck aus A cta et commentationes Imp. Universitatis

«Turicvensis (olini Dorpatensis) 1894, Nr. 1.

:1) Nach einem Ausspruche D ury’s in der Widmung seiner Erklärung der Apokalypse („Touchant l’intelligence de l ’Apocalypse par l’Apocalypse meine etc.“ 1674) an die Landgräfin Hedwig Sophia von Hessen.

Monatshefte der Comenius-Gesellscliaft. 1897. "j

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66

K lähr,

H e f t 3 u. 4.

v erk eh rte. D ie se V erb in d u n g h a t wohl das In te re s se D u ry 's auch au f päd agogische F ra g e n g elen kt. Zu ein er B eth ätig u n g d esselben wurde er durch seinen F re u n d Sam uel H a rtlib veranlasst, dessen v ielseitig e gem einnü tzige T h ä tig k e it vor allem auch der V erb esseru n g der Ju gen d erzieh u n g galt. E in e Ü b e rs ic h t über die päd agogischen A rb e iten des D uraeu s zu g e b e n , sow eit sie zu unserer K en n tn is gekom m en sind, is t d er Z w eck d ieser A rb eit. V ie lle ic h t is t aber m anchem L e s e r d ieser Z e itsch rift eine kurze D arstellu n g des L eb e n sla u fes und d er L e b e n sa rb e it dieses m erkw ürdigen M annes w illkom m en, und eine so lch e , aus den vorhandenen S ch rifte n d a rü b e r1) gew onnen, möge der E rled ig u n g unserer eigentlichen A u fg ab e als E in le itu n g dienen.

Jo h n D ury wurde 1 5 9 6 in E d in b u rg als v ie rte r Sohn des p resb y terian isch en G e istlich e n R o b e rt I)ur\' geboren. S ein V a te r erw arb sich grosse V erd ien ste um die E v an g e lisatio n au f den H ebrid en , den O rkn ey s und den Sh etlan d in seln , wurde ab er 1 6 0 6 w egen seines W id e rstan d e s gegen Ja k o b V I . v erb an n t und leb te b is zu seinem T o d e 1 6 1 6 in L ey d en als Seelso rg e r d er dortigen englischen und sch o ttisch en F lü ch tlin g e. S o kam e s , dass sein Sohn Jo h an n es im A uslande erzogen w u rd e, zun ächst von einem V erw a n d te n , A ndrew M e lv ille in S e d an , sp äter in L e y d e n , und dass er e rst 1 6 2 4 seine U n iv ersitätsstu d ien in O x fo rd begann.

N ach V ollen d u n g d erselben wurde er G e is tlich e r einer eng­

lisch en A nsiedelung in E lb in g , das G u stav A dolph den P o len ab­

genom m en h atte. H ie r regte ihn der in schw ed ischen D ien sten stehende R e ch tsg eleh rte K a sp a r G odem an zur B esch ä ftig u n g m it dem P rob lem e der E in ig u n g zw ischen L u th eran ern und R e fo r­

m ierten an , indem er das G u tach ten D u ry 's ü ber eine von ihm v e rfasste A bhandlung e in h o lte, in der er n ach w ies, wie die dog­

m atischen G egen sätze zw ischen den ev an gelisch en P a rte ie n n ich t so grosse seien, dass sie einen gegenseitigen un versöhnlichen H ass

’) L . Mosheim, Diss. hist.-theol. de Johanne Duraeo (C. J . Benzelius).

H elm stedt 1754 (enthält die ältere Litteratur). — J . Chr. Colerus, H istoria Joannis Duraci (Diss. des G. H . Arnold). W ittenberg 1710. — F r. H . Brandes, Catholic Presbyterian Review 1882. — Mosheim, Jn st. H ist. Eccl.

p. 020. — P faff, H ist. litt, theol. I I , 184 (zählt die Gegenschriften auf). — Rob. W a tt, Bibi. Brit. Edinb. 1824, I , 324 f —k. — Leslie Stephen, Diet.

of Nat. Biogr. X I V , 263 (vollständigste Aufzählung der Schriften D.s). — H erzog, Real-Encvcl- I I I , 774 (Henke). 0 . Meusel, K irchl. Handlexicon 1889. I I , 271. — Brook, Puritans I I I , 309. — Seelen, Dclic. epist. p. 355.

— Böhm , Engl. Reform. H ist. p. 944. — W ood, Athenae Oxon. I I I , 860,

961, 1013; IV , 578. — Mus. Helvet. I I , pt. V I ; 1746. — Reid, W estm inster

Divines 1811. — Vgl. Bum et, L ife of Bedell p. 137. — Mac C rie, Life of

Melville I I , 3. 177. 205. 448. — Masson, Life of Milton. — A. Stern, Milton

und seine Zeit. — J . Kvacsala, Johann Amos Comenius, 1892. — Althaus,

Samuel H artlib in Räumers Histor. Taschenbuch 1884.

(5)

1 8 97.

Joh ann es Durften s.

07 b egrü nd eten, und wie ihre L a g e der anw achsenden M a ch t des gem einsam en F ein d es gegenü ber dringend ih r Zusam m enstehen fordere. D er G ed an ke nahm D u ry nach seinem eigenen B ek en n tn is so fo rt gefangen und m it d er seinem C h arak ter eigentüm lichen Z ähigk eit v e rtie fte er sich zwei Ja h r e lang in das Studium der M itte l zu seiner V erw irklich u n g. D ie E rg eb n isse sein er E r ­ wägungen legte er in drei b is je tz t noch n ich t w ieder gefundenen S ch rifte n nieder. ^ G odem an vergew isserte ihn über die freu nd ­ lich e S tellu n g G u stav A dolphs und seines K a n z le rs zu den E in ig u n gsv ersu ch en . S ir T h o m as R o e , der als englischer G esan d ter nach E lb in g k am , um zw ischen P o len und Schw ed en zu ver­

m itteln, b rach te D u iV s P länen grosses In te re s se entgegen und v er­

sah seinen Land sm ann m it E m pfehlungen an den Schw ed enkönig, sow ie an hohe w eltlich e und g e istlich e W ü rd en träg er in E ngland.

A u f seinen R a t begab sich D ury 1 6 3 0 in seine H eim at, nachdem er sein A m t in E lb in g n ied erg elcgt hatte. E r fand ab er eine kühle A ufnahm e sow ohl in W h ite h a ll wie bei der G e istlich k e it.

S e in e r Z äh ig k eit gelang es gleich w o h l, w enigstens die B illig u n g seines P ro je k te s zu erhalten, die von dem E rz b isch ö fe A b b o t, den B isch ö fe n D av en an t und H a ll und 2 0 D ok to ren d er T h eo lo g ie ausgesprochen wurde. D e r B e r ic h t, den D ury durch J o h a n n B e r g i u s , den H ofp red ig er des K u rfü rste n von B rand enbu rg, ü ber den hoffnungerw eckenden V e r la u f des L eip zig er Colloquium s (1 6 8 1 ) e rh ielt, die S ieg e G u stav A d o lp h s, die ihm b ek an n te iren isch e G esinnu ng der d eu tschen F ü r s te n , w elche d er C oncord ienform el ihre U n te rsc h rift v ersag t h a tte n , so der H erzög e von B rau n ­ schw eig, L üneburg, der L an d g rafen von H essen , v eran lassten ihn, sofort seine M ission in D eu tsch lan d zu beginnen. E r m achte sich dabei allerd in g s, wohl in Selb sttäu sch u n g b efan g en , einer U n ­ w ah rheit schuldig, indem er den E m p feh lu n g sb rief A b b o ts als ein au toritatives D ok u m ent ausgab und sich als einen D eleg ierten der englischen K irc h e b ezeich nete. l n W ürzbu rg hörte G u stav A dolph zwei Stu nd en lang seinen A usführungen zu, gew ährte ihm aber kein e th a tsä ch lich c H ilfe , sondern nur V ersp rech u n gen . D en anfänglich ihm zugesicherten E m p feh lu n g sb rief an die deutschen F ü rste n erh ielt er von dem K ö n ig e n ic h t, und von dem K a n z le r O xe n stiern a erlangte er g leich falls nur eine freu nd lichkü hle B illig u n g seiner guten A b sich ten . V o n den beid en königlichen K ap länen, F a b riciu s und M a tth ia , gewann er jed och letzteren zum treu en M itarb eiter. E r reiste darauf durcli H essen und die W e tte rau und sch ick te an die evangelischen F ü rste n und U n iv ersitäten zwei D en k sch riften . In der ersten zeigte er im allgem einen den W eg au f, eine E in ig u n g h erbeizu fü h ren ; in der zw eiten legte er au sfü h rlich er dar, wie der E r fo lg solch er Bem ühungen zu sichern wäre, indem er die U n terlassu n g aller dogm atischen S tre itig k e iten ,

') K v a t ‘ s a 1 a , T rc ti. B e s tro b g . S . 10.

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G8

K läh r,

H e f t 3 u. 4.

das Studium d er A n sich te n d er ältesten C h riste n h e it und ihrer Ü b erein stim m u n g m it der S c h r ift, P ro fessu ren fü r p rak tisch e T h eo lo g ie und die A b fassu n g eines W e rk e s üb er d ieselbe em pfahl.

K o n s is to r ie n , aus P o litik e rn und T h eologen g e b ild e t, sollten fü r M assreg eln zur U n terd rü cku n g aller D iffe ren zen sorgen. E in K o n g ress aller evangelischen K irc h e n würde ein allgem eines ev an g elisch es B ek e n n tn is zu entw erfen und eine neue K irc h e n ­ ordnung aufzustellen haben. D e r E rfo lg w ar seh r gering. D ie re fo rm ierte K ir c h e F ra n k re ich s v erlan gte auf der Synod e von C haren ton von den L u th eran ern nur ein fried fertig es V erh alte n , die K o n g regatio n von Sed an h ielt die geford erte Ü b ereinstim m u ng in L e h re und K u ltu s fü r u n nötig, die K ir c h e von A n h alt w ollte sich m it der gegen seitig en D uldung "begnügen, wie sie auf dem Colloquium zu L eip zig verab red et worden war. D ie U n iv ersitäten in W itte n b e rg und L eip zig p ro testierten und fo rd erten völlige R ü ck k e h r der R efo rm ie rte n zum unveränderten A ugsburgischen B ek e n n tn isse. Nur H e lm sted t erk lärte sich zu U nterhandlungen m it der G eg en p artei b ereit. D a die G eg n er im L a g e r der L u th e ri­

schen D u ry die B e re ch tig u n g , als U n terhänd ler d er reform ierten oder auch nur der englischen K irc h e aufzutreten, absp rachen, und d er T o d G u stav A dolphs die M ach tv erh ältn isse von neuem v e r­

sch o b , so entschloss sich D u ry 1 6 3 3 , aus sein er H e im a t neue U nterstützu ng zu h o le n .')

H ier fan d er den E rz b isch o f L a n d , der an die S te lle des 1 6 3 3 gestorbenen A b b o t g etreten war, als m ächtigen G eg n er vor, den er nur zu gew innen h offen d u rfte , wenn er sich zu der A n­

erkennung der b isch öflich en K ir c h e verstand . D ury b ra ch te dieses O p fe r und wurde kön ig lich er K ap lan m it der A bw esenheitslizenz.

E s war ab er fa s t u m son st; denn abgesehen d avon , dass er nur eine k leine P frü n d e in L in co ln sh ire m it geringen E in k ü n fte n und hohen V ertretu n g sk o ste n erh ielt, b esch rän k te sich auch die U n ter­

stützung L au d s fü r die F rie d e n sa rb e it au f das Z eu gnis, dass die K irc h e von E n g lan d den P länen D u ry 's zustim m e.

M it diesem Zeugnis k eh rte D ury 1 6 3 4 n ach D eu tsch lan d zurück und begann seine A r b e it, unbeküm m ert um die Stü rm e des K rie g e s , von neuem. R o e fü hrte ihn m it warm er E m p fe h ­ lung b ei den G esan d ten der deutschen evangelischen F ü rsten e in , die in F ra n k fu rt a. M . versam m elt w a re n , um über die M itte l des K a m p fe s gegen K a is e r und P a p s t zu beraten. E r e rreich te auch hier n ich ts w eiter als die A nerkennung seiner lobensw erten A b sich ten und das V e rs p r e c h e n , dass über seine V o rsch läg e den F ü rste n b e rich te t werden sollte. D ie S ch la ch t

') E r befand sich am Ende dieses Jah res in grossen Schulden. Cal.

of State Papers Dom. Ser. 1033/4. — Die Presbyter. Rev. von 1887 enthält den Abdruck des eigenen Berichtes D.s über seine Thätigkeit in Deutsch­

land von 1031 bis 1033.

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1897.

Joh ann es D uraeus.

09 von N ördlingen zerstreu te den K o n g ress. W enn D u iy aucli aus B ran d en b u rg , K a s s e l, H e rb o rn , wie aus Siebenbürgen Z ustim ­ mung e rh ielt, so fand er doch im allgem einen, besonders b ei den L u th eran ern , nur tau be O hren. E r ging daher auf eine A n­

w eisung h in , die er während eines kurzen A u fen th altes in E n g ­ land e rh ielt, nach den N iederlanden. D ie k irch lich en und poli­

tisch en W irre n d aselbst Hessen aber die Stim m e des riedensboten kein G eh ö r finden. E r fo lg te darauf einer E inladung seines F reu n d es M atth ia, nach Schw ed en zu kom m en, und verw eilte hier von 1 6 3 5 — 1 6 3 8 . A n fän g lich d urfte er sich grossen H offnu ngen hingeben. Zw ar verw eigerte O xen stiern a einen E m p feh lu n g sb rief an die k irch lich en B eh örd en und die U n iv ersitä t U p sala. D er E rz b isch o f L au ren tiu s P aulinu s und die U n iv e rs itä t jed och stellten sich sehr freu ndlich zu D urys P lä n e n , um deren B ekann tw erd en M atth ia b esorg t war. A b er die schw ed ische G e istlich k e it wider­

setzte sich je d e r V erein ig u n g m it den R eform ierten , und d er B is ch o f R u d b eck verfolgte m it unversöhnlichem H asse den „F rem d en , der der v erflu chten k alv in istisch en K e tz e re i verfallen w ar“. E in e Synod e in U p sala verw arf 1 6 3 7 jed en V o rsch lag , der der unver­

änderten A ugustana g efäh rlich schien. T ro tzd em seine bisherigen B esch ü tze r treu zu ihm hielten und H u g o G r o t i u s , damals schw ed ischer G esan d ter in P a r is , sich fü r ilm b ei O x e n stiern a verw and te, erreichten die G egn er von der K ö n ig in C h ristin e die A usw eisung D u rys aus S ch w ed e n , deren V ollzu g durch eine schw ere K ra n k h e it des b itte r E n ttäu sch ten verzögert wurde. A b er auch diese trü ben E rfah ru n g en konn ten ihn n ich t e n tm u tig e n ; noch auf dem K ra n k e n b e tte legte er das G elü bd e ab, sein L eb e n auch fern er dem V ersöhnu ngsw erke zu weihen. E b e n so w enig hatte er E rfo lg in D änem ark. E r b esuch te mm B rau n sch w eig, L üneburg, Z elle, wo die regierenden F ü rsten und vor allem C a lix t seine P läne unterstützten. D ann w irkte er in O ld en bu rg, im H ennegau und in den freien S tä d te n , m it denen er schon von Schw eden aus unterhand elt h atte. W ah rsch e in lich in der A b sich t, das E n d e des K rie g es, der D eu tschland verw üstete, in der H eim at abzuw arten, re iste er 1 6 4 1 durch Sü d - und N ordholland nach E n g lan d zurück.

H ie r wurde er zum G eistlich en bei der T o c h te r K a rls I., ie an W ilh elm I I . von O ranien verheiratet war, ernannt, wodurch er zu einem häufigen W e ch s e l des A u fenthalts zw ischen L ondon und dem H aag v eran lasst wurde. 1 6 4 4 gab er diese „uncom - fo rtab lc position“ auf und d iente kurze Z eit b ritisch en F lü c h t­

lingen in R otterd am als Seelsorg er. E r verh eiratete sich auch

d aselbst m it einer V erw and ten des L o rd .R anelagh. D e r Stu rz

L aud s, in dessen P rozess er als B elastu n gszeu ge au ftreten m usste,

da einer der A n k lagep u n ktc die geringe U n terstü tzu ng der D u ry-

sehen B estreb u n g en b ild ete, hatten ihm die W iederannäherung an

die p resby terian isch e R ich tu n g erm öglicht. Ih r h atte er sich offen

(8)

70

K lähr,

H e f t 3 u. 4.

w ieder angeschlossen, als e r am 2 . N ov. 1 6 4 3 in die W e stm in ster A ssem bly b eru fen w orden war. V o n 1 6 4 5 bis 1 6 5 4 b lieb er ununterbrochen in E n glan d . E r b ete ilig te sich an dem K a m p fe gegen die B is c h ö fe wie gegen die Ind ep end enten und sch ick te den F reu n d en des U n ion sw erkes au f dem F e stla n d e beständ ig b rie flic h e E rm ahnu ngen und R atsch läg e. 1 6 5 0 wurde er K u sto s d er B ib lio th e k des S t. Ja m e s -P a la s te s . U n ter C rom w ells H e rr­

s c h a ft schloss er sich den Ind ep end enten a n , weil er von der P o litik des P ro te k to rs eine F ö rd eru n g sein er F ried en sbestrebu n gen erw artete.

1 6 5 4 nahm D u ry seine A r b e it au f dem F e stla n d e w ieder auf. M it E m p feh lu n g sb riefen C rom w ells versehen, b egab er sich zunächst nach der S ch w eiz, um hier im V ere in e m it dem d iplo­

m atischen A genten des P ro te k to rs in Z ürich, J o h n P e l l , an der B ese itig u n g der P arteiu n gen u n ter den R efo rm ie rte n zu arbeiten.

D e r G ro sse R a t in Z ürich un terstü tzte ihn m it einer bedeutenden G eld su m m e, und eine Theologenversam m lun g in A argau billigte seine V o rsch lä g e. E r b ereiste h ierau f d ie reform ierten K an to n e und ging dann durch D eu tsch lan d nach den N iederlanden, wo er sich längere Z eit in A m sterdam aufhielt. W enn er auch au f m anche G e g n e rsch a ft tr a f, die ihm besond ers sein Sch w an ken zwischen den verschied enen k irch lich en R ich tu n g en und seine V erb in d u n g m it C rom w ell vorw arf, so k eh rte er doch 1 6 5 7 m it begrü nd eteren H offn u n gen au f eine end liche energische V ersö h n u n gsaktion nach E n g lan d zurück. A b e r auch diesm al wurde er en ttäu sch t. C rom ­ w e ll, d er ein er V erein ig u n g d er evang elischen K o n fessio n en so g ü n stig gesin n t war, w eil er sie als die V o rb ere itu n g eines B ünd ­ nisses aller evangelischen Staate n b etra ch te te, starb. D ie R egierun g seines Sohn es w ar zu kurz und zu unruhig, als dass u nter ihr die S a ch e D u ry ’s h ätte gefö rd ert werden können. K a rl I I . verzieh D u ry n ich t seinen A n sch lu ss an die R ep u b lik und so verliess d ieser 1 6 6 1 E nglan d , um nie dahin zurückzukehren.

E r begab sich nach K a sse l, wo ihn d er L an d g raf W ilh elm V I . und nach d essen T o d e (1 6 6 3 ) die W ittw e H edw ig S o p h ia, die S ch w e ste r des G ro ssen K u rfü rs te n , unterstützte. V o n hier aus bem ü hte er sich, in H essen und Süddeutschland, der Schw eiz und dem E is a s s eine U n ion d er p ro testantischen K irc h e n herbeizu­

fü hren. D a s R elig io n sg esp räch zu K a s s e l 1 6 6 1 zw ischen re fo r­

m ierten T h eologen aus M arbu rg und lu therischen aus R in teln war n ic h t v ö llig erfolglos. D u ry ’s \ ersuche in V erb in d u n g m it dem G rossen K u rfü rste n zu kom m en, die er b ereits frü h er m it H ilfe des H ofp red ig ers J . B erg iu s unternom m en h a tte , und die er nun durch E in g ab e n an den F ü rste n und R eisen nach C lev e und B e rlin fo rtsetzte, m isslangen. Am 2 6 . Sep te m b e r 1 6 8 0 starb der v ielg esch äftig e T h e o lo g e in K a s s e l m it der b itteren K la g e über die E rfo lg lo sig k e it seiner m ühevollen L eb e n sarb e it.

Z eitgenossen, w ie B a x te r, M ed e, H all und R ob . B o y le rüh­

(9)

1 8 9 7 .

Joh ann es D uraeus. 71

men D u ry ’s G eleh rsam k eit, w ohlw ollenden C h arak ter und heroische Ausdauer. D ie F ru c h tlo s ig k e it seines S treb en s erk lärt sich aus der U n k la rh e it seiner w echselnden A n sich ten , m ehr noch aus der U n gu n st der Z eitv erh ältn isse. Sein e V o rsch lä g e im einzelnen waren fü r das 17. Ja h rh u n d e rt un praktisch und würden es wohl zu je d e r Z eit gew esen sein. A b e r w ir wollen doch n ich t ver­

gessen, dass sein D enken und T h u n im allgem einen der E rreich u n g frie d lich er Beziehungen zw ischen den K o n fessio n en gegolten hat.

W en n das 19. Ja h rh u n d e rt uns die A n hänger d er verschiedenen R elig io nsrichtu ngen verbunden zeigt, n ich t durch die F o rm en des G laubens und der G o ttesv ereh ru n g , sondern durch die Ü b e r­

zeugung, dass sie alle K in d e r eines V a te r s und B rü d e r in Je s u s C h ristu s sind, wenn wir sic u n ter dem Sch u tze des gleichen R e ch tes fried lich leben und v erein t an den grossen A u fgab en d er G e g en ­ w art arbeiten seh en , dann wollen wir auch der M änner dankbar gedenken, die durch ihre aufopfernde rastlo se T h ä tig k e it fü r den k irch lich en F ried e n die E rru n g en sch aften unserer Z eit haben her­

b eifü h ren h elfen. E in e erschöpfend e D arstellu n g der Ire n ik des 17. Jah rh u n d erts, insbesond ere auch eine E rgän zu n g u n serer noch seh r m angelhaften K e n n tn is der A rb e it des D uraeus würde wohl g eeig n et sein , die K ä m p fe r fü r T oleran z und G ew isse n sfre ih eit in der G egenw art, wie in der Z u ku nft zu stärken.

D ie p ä d a g o g i s c h e T h ä t i g k e i t b ild et in dem reich en L eb e n D u ry ’s nur eine E p iso d e. W7ie schon eingangs erwähnt, wurde sie durch Sam u el H a rtlib veranlasst *). Ih n h at D u ry w ahr­

scheinlich b ere its vor 1 6 2 8 in E lb in g kennen g elern t, und die A n ­ nahme M a sso n s, dass H a rtlib im A u fträg e D u rys 1 6 2 8 nach E nglan d ging, um ihm den B od en zu b ereiten , e n tb eh rt n ich t d er W a h rsch ein lich k eit. D en n H a rtlib tr itt uns entgegen als einer der eifrig sten V e rb re ite r der Id een D u ry ’s in dem In selre ich e. V o n dem Freu n d e wird er b eständ ig in das G eheim nis sein er v ielv er­

schlungenen V erh andlun gen eingew eiht, und er is t d er eifrig e und verlässlich e V e rm ittle r zw ischen D ury und a lle n , die d ieser fü r seine B estreb u n g en in A n sp ru ch nahm . A ls ein G eg en d ien st D u rys e rsch ein t die U n terstü tzu n g , die er den pädagogischen R e ­ form plänen H a rtlib s angedeihen liess. D ie ses In te re sse h at b eid e sich er n ich t bloss während der wenigen Ja h r e verbunden, denen die pädagogischen W e rk e D urys angehören. N och 1 6 5 8 zeigt sich E rziehu ngsfragen b e s c h ä ftig t, wie aus einem B rie fe H artlib s an R o b . B o y le hervorgeht. H in te r H artlib und D uraeu s ab er stellt die gew altige G e s ta lt des C om eniu s, der in E ngland eine fru ch tb arere T h ä tig k e it au f pädagogischem G e b iete gew eckt hat, als bis je tz t allgem ein b ek a n n t ist.

‘) U ber die Beziehungen zwischen H artlib und Duraeus vgl. Masson,

Stern, Althaus, Kvacsala a. a. O.

(10)

72

K lahr,

H e f t o u. 4.

1. Gedruckte pädagogische Abhandlungen des Duraeus.

In den Ja h r e n 1 6 4 9 und 1 6 5 0 gab Sam u el H a rtlib drei S ch rifte n des D uraeus h erau s, die sich m it der E rzieh u n g der Ju g e n d m ehr oder w eniger b efassen . Ih re V erö ffe n tlich u n g ge­

schah au f „V eran lassu ng einer ch ristlich en G e n o ssen sch a ft, deren G lie d er sich g eg en seitig und der M en sch h eit nützen w ollten.“ *)

1 . A . S e a s o n a b l e / D i s c o u r s e / W r i t t e n b y / M r . J o h n D u r y / U p o n / t h e e a r n e s t r e q u e s t s o f m a n y , b r i e f l y / s h e w i n g t h e s e P a r t i c u l a r s / I . W h a t t h e G r o u n d s a n d M e t h o d o f o u r R e f o r m a t i o n o u g h t t o b e in R e l i g i o n a n d L e a r n i n g . / I I . H o w e v e n in t h e s e t i m e s o f d i s t r a c t i o n s , t h e W o r k e rn a y b e a d u a n c e d / B y t h e k n o w le d g e o f O r i e n t a l l t o n g u e s a n d J e w i s h M y s t e r i e s / B y an A g e n c y f o r a d u a n c e m e n t of U n i v e r s a l l L e a r n i n g . / P u b l i s h e d b v S a m u e l H a r t l i b / A p r i l 2 4 / 1 6 4 9 / I m p r i m a t u r / J o s e p h C a r y l / L o n d o n , P r i n t e d f o r R . W o r d n o t h e , a t t h e S t a r r e u n d e r P e t e r s C h u r c h in C o r n - h i l l , 1 6 4 9 .

D em W e rk e is t vo rged ru ckt ein Auszug aus einer B itts c h r ift d er B ew o h n er der G ra fsch a ft und S ta d t L in co ln um E rrich tu n g gu ter Sch u len .

D e r I . T e il (p. 21 2 ) b ean tw ortet die F ra g e n : 1 . W h a t is m eant by th e P u b lick G o o d ? 2. How th e P u b lick G ood ought to b e ad uanced ? or H ow tru e R elig io n and L earn in g ought to be aduanced ?

Zur B ean tw ortu n g der zw eiten F ra g e w ird zuerst das Ziel der Schu lerziehu ng bestim m t (p. 8 ): D e r Z w eck der Schu lerziehu ng is t die A u sbild u ng eines Je d e n fü r den B e r u f innerhalb der m enschlichen G e sellsch a ft, auf den ihn der g e se llsch aftlich e R an g sein er E lte r n , seine natü rlichen F ä h ig k eite n und seine eigenen W ü n sch e hinw eisen. D ann wird die F o rd eru n g b eg rü nd et, v ier A rten von Sch u len ein zu rich ten : 1 . Sch u len fü r das V o lk (V ulgär or p leb ejan Sch o o ls); 2 . fü r die höheren Ständ e (G entry and N ob i- lity ); 3. A Sch o o l of the M asters of human and natural p e rfe ctio n s;

4 . A Sch o o l o f th e P rop h ets. D ie E rrich tu n g von Schu len der beiden ersteren G attu ngen ist am nötigsten. A u f nähere A nw ei­

sungen zu einer R eform atio n der S itte n , K ü n ste und W isse n sch a f­

ten v e rzich te t der V e rfa sse r. E r b esch rä n k t sich (im I I . T e ile ) auf zwei V o rsch läg e. D ie selb en b e tre ffe n : 1 . D ie A u sbreitu ng der K e n n tn is der orien talisch en S p ra ch e n , dam it eine grössere V e r ­ tiefu n g in das Stu dium der heiligen S c h rift m öglich ist und das E van g eliu m u n ter den orientalischen V ö lk e rn , besonders auch u nter den Ju d en , v e rb re ite t werden kann (p. 1 3 — 18). 2 . D ie E in rich -

‘) Über diese Gesellschaft vgl. L . K e l l e r , „Comenius und die Akade­

mien der Naturphilosophen des 17. Jahrhu n d erts“ in den M .H . der C.G .

1895, 161 ff.

(11)

1897.

Joh ann es Duraeus.

73 tung einer A g en tu r zur F ord eru n g universaler Stu d ien ( 8 S eiten ohne Seitenzählung).

2. T h e / R e f o r m e d / S c h o o l/ B y / J o h n D u r y / London/

P rin te d by R . D . fo r R ich ard W od n o th e at the S ta r under S . P e te rs C h urch in Cornhill. (1650).

D ieses W e rk , das P ro f. K v a c sa la b ei der A bfassung seiner C om eniusbiographic nicht hat benutzen k ö n n en 1), is t die ausführ­

lich ste E rzieh u n g ssch rift des D uraeu s. D ie folgende Ü b e rs ic h t seines In h a lts m ag zur V erv ollstän d igu n g un serer K e n n tn is der pädagogischen R eform p län e der englischen F reu n d e des Com enius beitragen und zur V erg leich u n g m it den schon gew ürdigten V e r­

besserungsvorschlägen M ilton s anregen.

D as B u c h en th ält zun ächst ein V o rw o rt H a rtlib s :

Christian Reader, Nothing from withawt hath supported my spirit in the coursc of life, whercin God hath led me hitherto (through manifold private difficulties and publick desertions), but the usefulness hereof towards the Publick. A whiles the graciousness of Providence hath from time to time succoured m e, chiefly then when I was sinking under my burdens;

I have been taught from within, to look up to God alone in wToll doing, tili he bring his Salvation out of S io n : for, to propagate this Salvation of his with my poor talents, and to stirre up otliers to contribute their help thereunto, is the utinost aim which I have in the Agency for Learning;

wherein the goodness of the Parliam ent hath owned me. And although, towards the businesse it. seif, nothing hath been further dono then to name me for i t ; (which for the time hath made my burdens somewhat heavier) yet because my genius dotli leade me this w av ; and I hopo still in God that hc will not loave me wilhout encouragem cnts: thereforc I am not wcary in well doing, so long as 1 have opportunity. Having then, upon a motion made by some, made my seif Instrum entall to draw forth from others these following Directions, towards the Reform ing of Schools, and the Advanccmcnt of Piety & Learning therein; I thought it expedient to acquaint thee with tlieni, Christian Reader; that if thou doest think thy seif anv way concerned either in furthering the benefits of such a way of Education towards others; or in partaking thoreof for thine own, thou mayest bethink thy seif liow to do that which is fitting and conscionable;

that such an Endeavour as this may be set forward towards the Publick Good. F o r mine own part, I shall confesse freely, that amongst all the Objects whcreunto I have dedicated my thoughts and pains (whereof the extent is as large as everv Good & Rationall W ork in the whole life of Christi an i ty ) there is not any one which doth lie nearer my heart then this of the Education of Children in the way of Christianitv. F o r , all things being rightly weighed, we shall pcrceive that this Endeavour alone, or nothing, will be able to work a Reformation in this our Age. F o r whiles

') J . K v a c s a l a , Johann Arnos Comenius. Sein Leben und seine

Schriften. Leipzig und Wien, J 892. Anmerkungen S. 33, Nr. 14.

(12)

74

K lähr,

H e f t 3 u. 4.

the Magistracy & Ministrv is made an O bject of violent Contradictions,

& thereby almost wholly put out of frame and niade uselessc, as to the Reform ing of Vices in Church and Commonwealth; it cannot be expected, although they be never so knowing and willing, that in the execution of their places, they thould be able to bring matters to perfection. Therefore, to meddle directly with the multitudes of Aged people (the Objects of their charges) who are now settled & habituated in the way of their own choosing, & to think to draw them from it, is to attempt, without discretion, an impossibilitie. F o r it is not possible, that the extraordinary strains &

distempers, whercinto we arc fallen in these tim es, can be reformed without some extraordinary abilitie, either of outward Authority and Power to restrain exemplarv disorderlinesse; or of inward Conviction, to leade men captive under the voke of C hrist, which are things wholly decayed, now- adayes, amongst the professions of men. Seeing then, the corruptions of those that are of age, are too strong & sturdy to be conquered by ordinarv and weak m eans, and none extraordinary or strong enough, are apparent;

it followeth, that there is none other way le ft, but to deal with the voung ones, before any corrupt habits, and perverse engagements be confirmed upon th e m ; that they mav be trained up from their Infancy, to a course of Reform ation, both of virtue and Learning. B u t because the training up of Schollars in one School or two, though very great and most exactlv Reformed will be but an inconsiderable matter, in respect of a whole Nation,

& have no great influence upon the vouth thereof, where so manv Schools remain unreformed , & propagate corruptions; therefore the propagation of reformed Schools is mainly äimed a t; and to that effect, the training up of Reformed School-M asters, is one of the Chief parts of this Designe. Now to endeavour to make out this, that the readiest way to Reform both Church and Commonwealth, is to reform the Schools of Edueation th erein ; and that the way to Reform these, is to send forth Reformed School - Masters amongst them , is, as I suppose, altogether superfluous: F o r it cannot be thought, that any rationall man should be such a stranger unto the affairs of humane Societies, as not to see, that from the ordinarv Schools, all M agistrates, and M inisters, and Officers of State are taken throughout the Nation« of the World, to be set over others; and that the impressions both of vice & virtue, which they have received in the Schools, are exercised, and become cffectuall, for good or evil, afterwards, in their places towards the Church & Coinm on-wealth: so that the Schools are to be looked ifpon, as the ordinary and N aturall fountains of a Settlement, as of our Corruption, so of our R eform ation; if God will bless us with any. And the School- Master in a well ordered

C o m m o n

-w ealth, is no lesse considerable than either the Minister or the M agistrate; because neither tlie one nor the other will prosper or subsist long without him. I shall not need to adde any thing further concerning this subject, to make thee sensible, either of the Usefulnesse of the undertaking, or of the Scope of my negotiation in it.

This onely I would have thee further to observe, judicious and truely

Christian Reader (for none but such can see anything in this businesse)

that the Author of this new Model of schooling was intreated to put it to

(13)

1897.

Joh ann es D uraeus. 7 5

paper, üpon a serious motion made to him , and to some Friends of his, by others; for the entertaining and regulating of a Christian Association, whereof all the Members might be scrviceablc to each other, and to the P u b lick : therefore he speaks not in his own name alone concerning the Association, but in the name of thosc, who were jointly called upon to give their assent thereunto, who agreed with him in these Proposals. The Motion is not as yet come to maturitie in the Resolution of thosc that first made i t , and the cause is of some Conveniences to effect it, & the fears of un- settlem ent, after that it shall be set upon: and tili therc be a further ground laid for the prosecuting of this D esigne; it is needlesse to give the Directory concerning the Education of G irls.1) In the mean tim e, I have thought good to publish this, with an addition of some directions for teaching of L ogick; that such as can judge may see that there is an easier and readier way to attain the perfection of Virtue and Happinesse, known &

practicable, then as yet hath been published to the World, or put in practice by an y ; and that to set these wheels agoing, nothing is wanting, but a quiet place of abode, and some assurance of necessary Protection.

S et thy prayer go along with it, to supply these w ants; if thou hast any Rationall or Spirituall apprehension of the good sought thereby unto a ll: and if thou canst, say with the Prophet Psal. 14. V . 7. O that the salvation of Israel were come out of S io n ! when the Lord bringetli back the Captivitie of his people, Ja co b shall rejoice, and Israel shall be glad.

To the expectation and accomplishment of this hope and promise, I leave thee, in him who is the God of our Salvation, & the confidence of all the ends of the e a rth , and of them that are afarre off upon the S e a , Psal. (3ö.

ver. 5 in whom I rest,

Thy niost willing Servant, for the advancement of Pietv and Learning, S a m u e l H a r t l i b .

Am E n d o des B u ch e s fin d et sich fo lg en d er B r ie f des D uraeus an H a rtlib :

D ear F rie n d , I am glad that the D irectory for the Educacion of Children and teaching of Sciences is to your lik in g ; I would be more glad if God would open a way for us to put it in practice: and although nothing should be done therein by ourselves in these distracted tim es, yet it may be a satisfaction to our minds, that we have not been wantig to our gene- ration, so farre as God hath enabled us to trace the wayes of doing service to the publick; and that we have not buried our talents in the ground, when opportunities have been offered to us to employ them. You have told me once or twice at severall occassions, that the Discourses which Dr.

*) Ob diesen „Directory concerning the Education of G irls“ Duraeus

auch verfasst hatte, ja ob ein solcher überhaupt schon vorhanden war, ist aus

dem Hartlibschen Vorworte nicht ersichtlich. Im Sloane Ms. 649, f. 203

ist ein B rief „ J . Durv’s an eine Lady über die Erziehung der Mädchen“,

wie der Katalog sagt, enthalten. Derselbe ist aber D. D. unterzeichnet und

rührt von einer Frau her.

(14)

K lähr, Joh ann es Duraeus.

H o tt 3 u. 4.

K inner hath sent you from beyoncl Seas tend whollv to tlic saine Scope which I have proposed to myself in the Directory which I have sent you;

and that my Conceptions are as it were an Abridgment of that which he hath written to you; as if I had read his contrivement of m atters, and taken the cream of his whole counsell. It is verv possible that men of the same Judgm ent and Principles, setting themselves to order one and the same work, though thev have never conferred notions, may agree upon one and the same way: I am glad that my thoughtes and his, though neither of us have had the perusall of one anothers papers, or any communication with each other about that subject, do so concurre, as to confirm you in the way which is most satisfactory to your judgm ent: you may say tlien to the world; that you have two wittnesses to one and the same Truth, and way of Rightcousnes; and that God’s S p irit, and right Reason speaks the same thing in all men, in all the parts of the w orld.*)

I shall be glad at. a convenient time to se those papers, whereof you say I have already given you the substance before I ever saw th ein : for I suppose they will not only adde to my thoughts upon that S ubject; but perhaps give me occasion to adde something for the accomplishment of your desires, and the benefit of the P u b lick, whereunto you know I have dedi- cated m y self; and therein bv God’s grace shall persevere unto the end.

T rest,

Your most affectionate and faithfull Servant in Christ J o h n D u ry .

‘) Gemeint ist D. Cyprian Kinneri Silesii Cogitationum Didacticarum Diatyposis summaria etc. Anno Christi 1Ü48, welches W erk durch H artlib in englischer Sprache unter dem Titel herausgegeben w urde: A Continuation of Mr. John-Amos-Comenius-Schoole Endeavours. Or a Summary Diluci- dation of Dr. Cyprian K inner Silesian H is Thoughts concerning Education etc. s. d. (Cf. J . Kvacsala, Johann Amos Comenius, 1882, p. 30t3 u. Anm.) Die Vergleichung dieses Werkes, sowie des Inhaltsverzeichnisses seines grösseren nicht gedruckten W erkes, das den Titel h at: Consilium Didacticum pro Animi in Pietatc, Eruditione, Prüdentiaque civili cultura quantum modesto ingenio sufficere potest feliciter instituenda — modestae placidae, ac liberae Omnium pie Eruditorum Censurae expositum. Anno Christi M D C X L IX . (S. J . K vacsala, Kurzer Bericht über meine Forschungsreisen, Vortrag ge­

halten den 12. Jan u ar 1895 in der Comenius-Sektion des Pädag. Museums in

St. Petersburg, Beilage I) mit der „Reformcd School“ lässt eine Ähnlichkeit

nur einzelner Hauptgedanken in beiden Werken erkennen.

(15)

Neuere Urteile über Hans Denck ( f 1527).

Z u sam m engestellt von Ludw ig K eller.

In den Satzu ngen un serer G e se llsch a ft w erden zu deren A u fgaben und Z ielen auch die K la rste llu n g der G e s ch ich te d er V o rg än g er und G esinnungsgenossen des Com enius und die „ E r ­ forschu ng der G e sch ich te d er altev an gelisch en G em eind en“ gezählt und in dem R u n d sch reiben vom 2 3 . J u li 1 8 9 2 , w elches den A rbeitsp lan der CI G . b estim m ter um grenzt, is t u nter den M ännern, die wir zu den G eistesverw an d ten des C om enius zählen, aus­

d rü ck lich auch der N am e D en ck s genannt w orden.

G leichw ohl haben w ir b ish er g eg lau b t, unsere w issen sch aft­

lich e A u fm erk sam k eit m ehr den u n m ittelb aren V org än g ern oder allgem ein bekannten G esinnungsgenossen des C om enius zuwenden zu m üssen, da uns dies am ehesten den au gen b licklich en B e d ü rf­

nissen zu entsprechen schien. In d essen können w ir uns der P flic h t, die im Ja h r e 1 8 9 2 gegebene Zusage auch in B e tr e ff der übrigen dam als genannten G e le in ten einzu lösen, n ich t entziehen, und wir hoffen allm ählich über die M ehrzahl w enigstens der b e ­ deutenderen M änn er einiges neue M aterial beibringen zu können.

Zu den letzteren geh ört mm un zw eifelhaft auch D e n c k , und wir entsp rechen v ielfa ch uns ausgesprochenen W ü n sch e n , wenn wir diesem M anne eine grössere B each tu n g , als er sie b ish e r in diesen

O w 7

H e fte n erfahren hat, zuwenden. A llerd ings is t anzunehm en, dass m anche unserer M itg lied er einstw eilen nur wenig von ihm w issen.

G erad e fü r diese ab er wird es erw ü nscht sein , wenn w ir zur

C h arak teristik der B ed eu tu ng des M annes einige U rteile angesehener

H isto rik er und T h eolog en aus unserem Jah rh u n d e rt diesem O rte

zusam m en stellen; des eignen U rte ils wollen w ir uns dabei thu n-

lic h s t enthalten.

(16)

7 8

K eller,

H e f t 3 u. 4.

W ir beginnen b illig erw eise unsere Z usam m enstellung m it dem U rte il des grössten deu tschen G e sch ich tssch reib e rs d er neueren Z e it, desjenigen H isto rik ers zu g leich , d er u nter allen heim ischen F o rsch e rn b ei w eitem das g rö sste internationale A n sehen g en iesst, m it dem U rte il L e o p o l d v o n R a n k e s . R an k e war ebenso wie alle d ie je n ig en , die vor fü nfzig Ja h r e n R efo rm atio n sg esch ich te schrieben, in sein er D arstellu n g des sog. A nabaptism us seh r stark au f die U r te ile d er p ro testan tisch en und katholischen P o lem ik e r angew iesen, w elche in E rm an gelu n g eingehend er Q uellenstud ien dam als noch ein sehr b reites F e ld b eh a u p te te n ; seinen N eigungen, sein er H e rk u n ft als Sohn eines lu th erisch en G e istlich en und seinem eignen religiösen S tan d p u n k t n ach war R a n k e auch durchaus ge­

neigt, die von d er lu th erisch en K ir c h e gutgeheissenen U rte ile über ihre dam aligen evangelischen G e g n e r eben falls insow eit gu t zu h e is s e n , als sein h isto risch es G ew issen dies zuliess. U m so b e ­ m erkensw erter is t cs, dass R a n k e in d er B eu rteilu n g D en ck s von dem k irch lich en U rteil cinigerm assen abw eichen zu m üssen glaubt, und dass er diesem M anne, Avenn auch nur in kurzen A ndeutun­

gen, im G anzen ein günstiges Z eugnis au sstellt.

„Besonders hat Hans Denck (sagt Ranke in seiner deutschen Ge­

schichte im Zeitalter der Reformation I I P S. 362), e in ü b r ig e n s a u s ­ g e z e i c h n e t e r ju n g e r M a n n , g e l e h r t , b i e d e r , a u c h b e s c h e i d e n — diese Meinung *) ausgebildet. E r ging davon a u s, dass G ott die Liebe sei, welche Fleisch und B lu t nicht begreifen würden, wenn er sie nicht in einigen Menschen darstellte, die man göttliche Menschen, Gottes Kinder nenne.

In einem aber habe sich die Liebe am höchsten bewiesen: in Je su von N azareth, der sei in Gottes Wegen r.ie gestrauchelt: er sei nie uneins mit G ott geworden: E r sei ein Seligmacher seines V olkes.“

R an k e s d eu tsche G e sch ich te erschien zu erst im Ja h r e 1 8 3 9 . V ie r Ja h r e sp äter (1 8 4 3 ) gab d er dam alige P ro fe sso r d er G e ­ sch ich te an d er U n iv ersität zu B e r n , K a r l H ag en , ein W e rk heraus u n ter dem T i t e l : „D eu tschland s lite rarisch e und religiöse V e rh ä ltn isse im R e fo rm atio n szeitalter“, in w elchem er sich das V e rd ie n s t erw arb, auf eine R e ih e b ish er w enig b e a ch te te r M änn er je n e r grossen E p o ch e und ihre B ed eu tu n g hinzuw eisen. Zu diesen

*) E s handelt sich um die angebliche Meinung der W iedertäufer, dass

„der Mensch (wie Ranke sagt) durch gutes Verhalten und eignes W irken die Seligkeit verdienen könne“. Ich weiss nicht, ob es einige Täufer ge­

geben hat, die dies glaubten, Denck hat diese Ansicht jedenfalls nicht gehabt,

sondern stets und nachdrücklich bestritten.

(17)

1 8 9 7 .

N euere U rteile über H an s Denek.

79

gehörte auch H a n s D e n c k . O bw ohl H agen nur eine S c h rift D e n c k s , näm lich d iejenige vom „G esetz G o tte s“ b enu tzt h a t, so fin d et sich doch m anche rich tig e B em erku n g üb er unsern Autor.

„Dass er (Denck)“, sagt H agen, „bei dieser freien Ansicht auch über andere Dinge verständig dachte, leuchtet von selbst ein. D a ihm das Wesen des Christentums in der Liebe besteht, so ist ihm jede Handlung indifferent, welche nicht aus ihr entspringt. — Auch der Glaube ist ihm nichts als ein leeres W ort, wenn er nicht ein rechtschaffenes Herz erzeuge; und nur dann könne man den rechten Glauben erkennen, wenn er die Liebe in seinem Gefolge habe; oder vielmehr die Liebe erzeuge allein den rechten Glauben.

E r will daher keine Absonderung von anderen M enschen: sein H erz, sagt er, sei von Niemandem geschieden, wie verschieden auch Andere über Sachen des Glaubens urteilen mögen. H ier solle Alles fre i, willig, ungenötigt zu­

gehen ; jeder Mensch könne irren : er selber nehme sich nicht aus.“

M an kann n ich t sagen, dass H ag en das W e se n der R ich tu n g , welche D e n ck v e rtr itt, rich tig e rfa sst h ä tte ; allein ihm gebü hrt unzw eifelhaft das V e rd ie n s t — und cs is t dies schon im Ja h r e 1 8 5 1 von H eb e rle hervorgehoben worden — die B ed eu tu n g der D cn ck sch e n Id ee n dem B ew u sstsein der K irch e n h isto rik e r näher g eb rach t und zu einer rich tig eren W ürdigung eines verkannten M annes den A n sto ss gegeben zu haben.

D ie p ro testan tisch en K irch e n h isto rik e r, w elche ü ber D en ck um das J a h r 1 840 schrieben (wie T r e c h s e l , D ie p ro test. A n ti- trin ita rier vor F au stu s S o cin 2 B d e . 1 8 8 9 - 1 8 4 4 ) w iederholen im G egen satz zu R an k e und H agen lediglich die ab fällig en U rteile der Stre itth e o lo g ic frü h erer Z e ite n ; sie w ussten es wohl n ich t b esser oder fanden n ich t M ü sse genug, sich m it den Q u ellen genauer zu b esch äftig en . ©

A nders stellte sich J . v o n D ö l l i n g e r (1 8 4 8 ) und vor ihm b ereits J . A . M ö h l e r (1 8 3 2 ) zu den herköm m lichen U rteilen .

Zu den älteren V e rtre te rn eines „idealen K ath o lizism u s“ — ich gebrauche h ier einen A u sd ru ck F rie d ric h N ippolds — w elcher 'o n dem heutigen U ltram ontanism us w eit verschied en is t , gehört

» • A . M ö h l e r ein M ann, dessen geistige B ed eu tu n g heute bei allen P arte ie n anerk annt ist.

J . A . M ö h ler h at sich in sein er „Sy m b olik“, deren erste

A u flage im Ja h r e 1 8 3 2 erschien, genauer m it d er G e sch ich te und

dem esen des T äu fertu m s b e s ch ä ftig t, als es in irgend einem

um je n e Z eit ged ru ckten B u c h e , gleichviel ob p ro testan tisch en

oder k ath o lisch en U rsp rungs, der F a ll ist. In d ieser ausführlichen

(18)

8 0

K eller,

H e f t 3 u. 4.

E rö rte ru n g , die s ic h , w ie es nach dem S tan d d er dam aligen F o rsch u n g kaum anders zu erw arten is t , au f die P o lem ik e r des IG. Ja h rh u n d e rts stü tzt — M ö h ler c itie rt led iglich M elan ch th on s H isto ria T h o m as M ü n zers, sow ie dessen U n te rric h t w ider die L e h re d er W ied e rtä u fer, einige S ch rifte n des Ju s tu s M enius und U lric h Z w inglis, sow ie C alvins In s tru c tio ad versus A n ab ap tistas — , is t m anches U rte il enthalten, dessen U n h a ltb a rk e it M ö h ler, wenn er heute le b te , auf G ru nd des uns gegenw ärtig zugänglichen M aterials selb st zugestehen würde. A llein neben vielen Irrtü m e rn find e ich d och zugleich auch v iele seh r tre ffen d e B eo b ach tu n g en . I c h will zum B ew eis — wir w erden so fo rt au f D en ck zurück­

kom m en — nur E in ig e s anführen.

„Ein idealer Zustand der christlichen Kirche war es,“ sagt M öhler'),

„was den W iedertäufern vorschwebte, die verworrene Vorstellung eines freudigen Reiches heiliger und seliger G eister, was sie so innig ergriff und begeisterte, was ihnen K raft und Stärke zur Ausdauer in allen Verfolgungen gab, was sich endlich von ihnen aus so ansteckend nach allen Seiten hin mitteilte. J e e r h a b e n e r , u n s c h u l d i g e r un d r e i n e r d a s L e b e n s ­ p r in z ip d e r S e k t e e r s c h i e n , desto leichter vermochten ihre Mitglieder die Gemüter ihrer Zeitgenossen zu entflammen. Eine geniale Kindlichkeit in der Betrachtungsweise der Menschenwelt ist unverkennbar bei diesen Schwärmern und die ungestüme Sehnsucht nach einer durchgreifenden V e r­

wirklichung der Idee des Reiches Gottes, die ungeduldige H ast, mit welcher sie ausser Stande waren, die Entwicklung der Zeiten abzuwarten und ein plötzliches Eindringen des Jenseits in das D iesseits, eine augenblickliche Enthüllung dessen wünschen, was erst, im Laufe der Jahrhunderte allmählich wird offenbar werden, v e r k ü n d e t e tw a s G r o s s e s in i h r e r B r u s t und erfreut das Herz bei allen Verirrungen, denen wir in ihrer Geschichte be­

gegnen und die nicht ausbleiben konnten. In der That nahmen sie teilweise nur einen künftigen Zustand voraus und es ist bei W eitem nicht Alles E r ­ dichtung einer zügellosen Phantasie, was sie erstrebten.“

S o m an g elh aft u n terrich tet M ö h ler auch is t , so hat er die hervorragende S te llu n g , w elche D en ck u n ter den „B rü d ern “ ein­

nim m t, doch ganz rich tig erk an n t und er trä g t d ieser T h a tsa ch e dadurch R echnu ng, dass er D en ck g leich zu E in g an g sein er S c h il­

derung nam h aft m acht.

E s verd ien t besond ere A nerkennung, dass M ö h ler im U n te r­

schied von anderen K ritik e rn einen scharfen U n tersch ie d zw ischen den „dogm atischen E ig e n tü m lich k e iten der S e k te als solch er“ und den V erirru n g en E in z e ln er oder auch „ganzer P a rte ie n u n ter den W ied e rtäu fern “ m acht.

\) Symbolik. (3. Auflage 1843, S. 461.

(19)

In d em er eine R e ih e von solchen V erirru n g e n E in z e ln er aufzählt, h at er G e re ch tig k e itssin n genug, um hinzuzufugen: „D iese M einungen dürfen jed o ch n ich t schlechth in als w ied ertäu fen sch e b e tra ch te t w erd en, indem sie zum T e il geradezu anderen G ru nd ­ sätzen der S e k te w id ersp rech en ; cs is t vielm ehr anzunehm en, dass sich anfänglich b ei d er allgem einen A ufregung d er Z eit eine M enge von M enschen an die W ied e rtä u fer anschloss, ohne durch irgend etw as A nderes als durch G ed an ken Verw irrung und F a n a ­ tism us m it ihnen verbunden zu sein.“

V ie lle ic h t war cs d er E in flu ss M ö h le rs, d er D ö l l i n g e r etw a ein Ja h rz e h n t sp äter veranlasste, sich näher als es son st die K irch e n h isto rik er dam als zu thun p fleg ten , m it der G e sch ich te und den S ch rifte n D e n ck s zu b esch äftig e n („D ie R efo rm atio n , ihre innere E n tw ick lu n g und ih re W irkungen.“ 3 B d e . R e g en s­

bu rg 1 8 4 8 ).

A us der L eb e n sg e sch ich te D e n c k s, w elche D ö llin g er lie fe rt (Bd. I , 1 9 2 — 1 97) erg ieb t s ic h , dass er sich m it den dam als zu­

gänglichen Q u ellen genau b ek an n t gem acht h at und die Auszüge aus D en ck s S ch rifte n , die er giebt, bew eisen, dass D ö llin g er auch die seltenen D ru ck e zum T e il in der H an d g eh ab t und gelesen hat.

D ö llin g er b eto n t gleich zu E in g an g D e n ck s P ro te s t gegen die B esch u ld igu n g, dass er (D enck) das Sek ten w esen b e g ü n stig e ; er wolle m it keiner S e k te etw as zu schaffen h a b e n ; seine W ü n sch e gelten nur je n e r einen S e k te , d e r K i r c h e d e r H e i l i g e n , wo sie auch sein möge. A u ch gieb t D öllin ger das U rte il V ad ian s w ieder, worin d ieser D en ck das Zeugnis a u sste llt, er habe sich schon als Jü n g lin g durch seinen au sserord entlichen G e is t so aus­

gezeichnet, dass er seinen Ja h re n weit voraus gew esen.

D ie geistige B ed eu tu ng, w elche D öllin g er dem dam als noch fa s t ganz unbekannten und fa s t allgem ein seh r n ied rig eingeschätz­

ten „W ied ertäu fer“ zuerkannte, sp ieg elt sich in der ganzen Skizze wieder.

In d essen sind diese E rg e b n isse angesehener k ath o lisch er K irch e n h isto rik er fü r die g leichzeitig en D arstellungen lu th erisch er K irch e n g esch ich tssch re ib e r u n fru ch tbar geblieben. In dem W erke, w elches H . W . E r b k a m (seit 1 8 4 7 P ro fe sso r d er T h e o lo g ie an der U n iv ersitä t K ö n ig sb erg , -f- 1 8 8 4 ) der „ G esch ich te der protest.

S ek ten im Z eita lte r der R efo rm atio n “ (1 8 4 8 ) w id m ete, kehren led iglich die alten U rteile w ieder und der Nam e D en ck s wird nur

Monatshefte der Comeniua-Gcsellscbaft. 1897. G

| j N euen' Urteile über H ans D enck. b l

(20)

82

Keller,

H e f t 8 u. 4.

ganz flü ch tig erw ähnt. E rb k am h at kein e einzige S c h rift D en ck s vor sich g e h a b t; er k e n n t nur die Auszüge G o ttfrie d A rnolds (K irch e n - und K e tz e r -H is to r ie I , 1 8 0 3 ), von ein er W ürdigung seiner B ed eu tu n g is t keine R e d e und fa s t alle b iograp hischen A n ­ gaben sind sch ie f oder unrichtig.

E s ist u n ter diesen U m ständ en erk lärlich , dass M o r iz C a r - r i e r e in seinem B u ch e über „D ie philosophische W eltan schau u n g der R efo rm atio n szeit“ (S tu ttg art 1 8 4 7 , 2 . A u fl., L eip zig 1 8 8 7 ) über D en ck n ich t viel zu sagen weiss. C arrierc in te re ssie rt sich fü r ihn besond ers, insofern als er in D en ck , H u bin eier, H ätzer, K au tz, B iin d erlin und S e b . F ra n c k n ich t m it U n re ch t V o rlä u fe r J a k o b B ö h m e s s ie h t; ab er seine K e n n tn is D e n ck s is t gerin g , obwohl C arriere ja , wie b ek a n n t, zu den M ännern d ieses K re ise s sich stark hingezogen fü h lte und gerad e ihnen viel B ea ch tu n g schenkte.

A u ch der im Ja h r e 1851 in den T h eo l. Studien u. K ritik e n erschienene A u fsatz H e b e r l e s über „Jo h an n D en ck und sein B ü ch le in vom G esetz G o tte s “ b ew egt sich in seinen U rteilen ganz in den G eleisen der älteren S tre itth e o lo g ie. A llerd ings h at H eb erle schon dam als — er setzte im Ja h r e 1 8 5 5 seine bezüglichen Stu d ien erfolg reich fo rt — m anches neue M aterial b eig eb rach t, allein gleich ­ zeitig sind so viele u n rich tige B eh au p tu ngen in diesem A u fsatz, dass man die E rg e b n isse nur sehr vo rsich tig verw erten darf. Ic h w ill zum B ew eise F o lg en d es anführen. C h arak teristisch ist fü r den A n ab ap tism u s, sagt H e b e rle , seine T h e o rie von den g eistlich en E h e n und seine A n sich t von der w eltlich en O b rig k e it. A uch h ier find en wir D e n ck m it ihm in Ü bereinstim m u ng. In seinem

„schriftm ässig en B e r ic h t e tlich e r G lau b en sp u n kte“ h at er (nach F ü s s lin , B e iträ g e I , 2 3 8 ) w eitläu fig zu behaupten g esu ch t, „dass kein g läu b ig es, das is t w ied ertäu ferisch es E h em en sch b ei einem ändern wohnen d ü rfe , das n ich t m it ihm eines G lau b en s wäre.

D ad u rch werde kein e E h esch eid u n g sta tu irt.“

W en n H e b e rle sich etw as genauer um D en ck s S ch rifte n b e­

m üht h ätte, so würde er gefunden haben, dass die A ngabe, D en ck

sei der V e rfa ss e r des „ S ch riftm ässig en B e r ic h ts “, au f einem Irrtu m

beru ht. D e n ck hat, obwohl man ihn seit dem 17. Ja h rh u n d ert

die S c h r ift u n terleg t hat, dieselbe n ich t g e sch rie b en , vielm ehr ist

P e t e r W a l p o t der A utor. H ä tte fern er H eb erle sich n ich t auf

F ü sslin verlassen, sondern die S c h rift, aus w elcher er einen solchen

V o rw u rf gegen D en ck a b le ite te , selb st eingeseh en, so würde er

(21)

1 8 9 7 .

Neuere U rteile über H an s Den elf.

gefunden haben, dass von einem von „geistlichen E h e n “ u. s. w.

n „w iedertäuferischen E h e m e n sch “, kein W o rt in dem T r a k ta t zu find en ist.

Im Ü b rig en erk en n t H e b erle schon damals a n , dass encv ein M ann von „hoher geistig er B eg ab u n g und B ild u ng“ gew esen sei. S e in Z iel sei gew esen, das „Id eal einer reinen G em einde zu v erw irk lich en , das seiner leb h aften P h an tasie und seiner sittlich - religiösen B eg eisteru n g so seh r zusagte.“

D a gesch ah es, dass u n ter dem E in flu ss lo k alg esch ich tlich er Ü b erlieferu ngen ein ju n ger H isto rik e r in Strassb u rg , der von den B ed ü rfn issen k irch lich e r P olem ik n ich ts kannte, sich eine L e b e n s ­ b eschreibu ng D en ck s zum G egen stand seiner D o k to ra rb e it w äh lte:

im Ja h r e 1 8 5 3 erschien die S c h r ift: G . W . R o e h r i c h , E s sa i sur la vie, les ecrits c t la d octrine de 1’ anab ap tiste Je a n D en k .

D ie ses B ü ch le in war es, das auf G ru nd g ew issenhafter Stu d ien in D en ck s S ch rifte n ein günstiges U rte il auch un ter den prote­

stantischen T heologen zu verb reiten suchte. R o e h rich sa g t u. A .:

„Denck näherte sich in überraschenderw eise modernen philosophischen System en, welche ihrerseits ohne Mühe in Dencks Theorien die Vorläufer derjenigen erblicken können, welche sie ihrerseits ausgesprochen haben.“

Und ferner: „Man darf sich darüber nicht täuschen: V iele derjenigen G e­

danken, welche vor dreihundert Jahren als gefährliche Häresien und anti­

christliehe Behauptungen betrachtet werden konnten, sind heute allgemein rezipiert im Leben und im religiösen Bewusstsein.“ — „Ihre U rheber, ihre Vertheidiger, welche von ihren Zeitgenossen mit Schm ach bedeckt wurden, zeigen sich einem gerechteren U rteil der Nachwelt unter ganz verschiedenen Gesichtspunkten; edel und ehrenhaft in vielen F älle n , stets wert unseres Mitleides.“

R oeh rich kom m t w iederholt auf diese T h a tsa ch e zu sp rech en :

„Manche W ahrheit,“ sagt er, „welche Dencks durchdringender Geist geahnt h atte, ist wieder aufgenommen , entwickelt und zu Ehren gebracht worden durch die neuere freisinnige Theologie.“ — „Hüten wir uns deshalb, ein zu übereiltes U rteil abzugeben. H üten wir uns deshalb, zu glauben, dass Alles, was einst als Ketzerei verdächtigt ward, heutigen Tages mit dem­

selben T itel von uns bezeichnet werden d a rf.')

A u ch in Bezug auf die W e ise , in w elcher D e n ck den K a m p f iü h rte, dessen B a n n e rträ g e r er war, sp rich t R o e h rich sich äusserst anerkennend aus, und es b erü h rt dies w ohlbegriind etc L o b gegen­

über den A n g riffen A n d e re r gegen den „schroffen und fin steren G e is t D e n ck s“ doppelt wohlthuend.

') A. a. O. S. r>8.

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