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Stahl und Eisen, Jg. 41, Nr. 50

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(1)

Leiter des

~ S T ® r a E E N “

W. Beumer.

Cesdiäitsfflhrer der 2>r.*3ttg. 0. Petersen,

Kordwestliehen Gruppe 1 t X X A ¿ U i W A W A # ¿ 1 1 I J I g I I Geschäftsführer

des Vereins deutsdier

fl J

A J ^ f l fl ® | ^es Vereins deutscher

Eisen- und Stahl- B b r _ _ _ ________ _ ^ H . . . .

industrieller.

Z E IT S C H R IF T ' “ “

FÜR DAS DEUTSCHE EISENHÜTTENW ESEN.

N r. 50. 15. D ezem ber 1921. 41. Jahrgang.

B e r i c h t ü b e r die

Hauptversammlung des Vereins deutscher Eisenhüttenleute

am 26. und 27. N ovem ber 1921

in d e r S t ä d t i s c h e n T o n h a l l e z u D ü s s e l d o r f . T a g e s o r d n u n g :

A. Sonnabend, den 26. N ovem ber, abends 7 Uhr:

1. E röffnung d u rch den V o rsitzen d en .

2. A b re c h n u n g fü r d as J a h r 1920; E n tlastu n g d er K a sse n fü h ru n g . 3. W ah len zum V o rstan d e.

4. A us d e r T ätig k eit d es V erein s d e u ts c h e r E ise n h ü tte n le u te im J a h r e 1920/21, B ericht, e rs ta tte t von 3r.-3nß. O t t o P e t e r s e n , G e sc h ä ftsfü h re n d e m M itglied des V o rstan d es des V ereins d e u tsc h e r E is e n h ü tte n le u te , D ü sseld o rf.

5. W eltpolitik u nd W eltw irtsch aft im b e so n d e re n H in b lick au f den O ste n . V ortrag von P ro fesso r D r. M a r t i n S p a h n , K öln.

6. D e u tsc h e s In g e n ie u r-F o rtb ild u n g sw e se n . (E ine A ufgabe d er D eu tsch en te c h n isc h -w isse n sc h a ft­

lich en L e h rm itte lz e n tra le im D e u tsch en V erband T e c h n isc h -W isse n sc h a ftlic h e r V ereine.) V ortrag von D ire k to r St.-rjng. e. h. O s k a r L a s c h e , B erlin.

7. V e rsc h ie d e n e s.

B. Sonntag, den 27. N ovem ber, mittags 12 Uhr:

8. B e ric h t d es V o rsitzen d en .

9. „ Z u r W eihe des K a ise r-W ilh e lm -In stitu te s fü r E ise n fo rsc h u n g “ . A n sp rach e des P räsid en ten der K a ise r-W ilh e lm -G e se llsc h a ft z u r F ö rd e ru n g d e r W issen sch aften , Wirkl. G eh . R ats P ro fesso rs Dr. v o n H a r n a c k .

10. Aus d e r G e sc h ic h te d e r H e rs te llu n g d e r P an zerp latten in D eu tsch lan d . V ortrag m it F ilm v o r­

fü h ru n g en von G eh. B a u ra t $v.»8itg. e. h. Dr. phil. e. h. E m i l E h r e n s b e r g e r , T rau n stein . 11. V erleih u n g d e r C arl-L u e g -D en k m ü n ze.

Am ersten Verhandlungstage ‘

eröffnete der Vorsitzende, Generaldirektor 2)r.=Qno. e. lt. A. Vogler aus Dortmund, die Versammlung im R itter­

saale der Tonhalle, indem er au f die äußeren und inneren U m stände hinwies, die w ie noch nie seit Bestehen des Vereins die A bhaltung der H auptversam m lung so sehr erschwert haben. Nachdem er seiner Freude darüber Ausdruck gegeben hatte, daß schon am ersten Tage eine so stattliche Zahl Gäste und Mitglieder erschienen war, gedachte er der Lücken, die der Tod im verflossenen Jahre in die Reihen des Vereins gerissen hat; er nannte die Nam en der Heimgegangenen bekannten Fachgenossen.1) D ie Versammlung erhob sich zu Ehren der Verstorbenen von ihren Plätzen.

Zu P u n k t 2 der Tagesordnung: A b r e c h n u n g fü r d a s J a h r 1 9 2 0 ; E n t l a s t u n g d er K a s s e n ­ f ü h r u n g , übergehend, erteilte der Vorsitzende dem Generaldirektor a. D . H . D o w e r g das W ort und wies gleichzeitig darauf hin, daß der Haupt-R echnungsabschluß des Vereins für das Berichtsjahr auf dem Tisch des H auses zur E insichtnahm e für die Mitglieder bereit liege.

Aus dem von Generaldirektor a. D . Dowerg verlesenen Bericht ergibt sich für das verflossene Geschäfts­

jahr abermals ein Verlust, und zwar in Höhe von 99 514,38 J i . Der Vorsitzende stellte fest, daß gegen den vom B erichterstatter gestellten Antrag auf E ntlastung der Kassenführung sich kein W iderspruch erhebt.

Vorstand und Kassenführung sind som it entlastet.

Zu P u n k t 3 der Tagesordnung: W a h le n z u m V o r s t a n d e , überm ittelte der Vorsitzende der Ver­

sam m lung den V orschlag des Vorstandes, die folgenden satzungsgem äß ausscheidenden Herren wiederzu-

1) V g l. S t. u . E . 1921, S. D ez., S. 1761.

L . , , 2 3 6

(2)

1802 S ta lil u n d E ise n . B e r ic h t ü b e r d ie H a u p tv e r s a m m lu n g . 41. J a h r g . N r . 50.

wählen: Geheimrat 2ir.<jug. e. h. B e u k e u b e r g , Generaldirektor S>t.<jng. C a n a r is , Generaldirektor$Dr.=3itg.

c. k. G r o s s e , Generaldirektor H ä n e l , Direktor H a r r , Oberdireklor H o f f , 2>r.<$ng. 0 . P e t e r s e n , General­

direktor e. h. R e u t e r , D irektor 2>r.*5ng. e. h. S o r g e , Direktor SDr.Ottg. W e d e m e y e r , iSr.sQug.

W e r n e r , H üttendirektor Dr. W u rm . Zur N euw ahl wird vorgeschlagen: D irektor A dolf K lin k e n b e r g , Dortm und. E in Vorschlag aus der Versammlung beantragte die W ahl durch Zuruf, und da sieh kein Einspruch dagegen erhob, konnte der Vorsitzende feststellen, daß die W iederwahl bzw . N euw ahl der vorgeschlagenen

Herren erfolgt ist.

fDr.'Sng. L. Peetz, Eschweiler, regte in längeren A usführungen’) den Gedanken an, einige jüngere Herren m it in den Vorstand zu wählen; einen ursprünglich von ihm beabsichtigten diesbezüglichen Antrag ziehe er zurück, em pfehle aber, die jüngeren M itglieder des Vereins mehr zu den gem einsam en A rbeiten, darunter auch Hochschulfragen, heranzuziehen.

Der Vorsitzende erw iderte darauf, daß wohl in keinem anderen Verein gerade die jüngeren M it­

glieder so die Träger der eigentlichen Vereinsarbeiten seien, w ie bei dem Verein deutscher E isenhüttenleute.

Die Vereinsarbeit spiele sich im w esentlichen in den einzelnen Fachausschüssen ab, in denen Betriebsleiter und Betriebsingenieure bis zu den Betriebsassistenten eifrig m itarbeiten. Der Vorstand als solcher sei ledig­

lich ein Verwaltungsorgan. Der Vorsitzende belegte seine Ausführungen durch nähere H inw eise auf die Zusammensetzung des Hochschulausschusses. D iesen Ausführungen wurde durch Zuruf aus der Versammlung zugestim m t.

Uebergehend zu P u n k t 4 der Tagesordnung, erteilte nunmehr der Vorsitzende T)r.»3»g. 0. Petersen das W ort zu seinem Bericht:

A u s der T ä t i g k e i t d e s V e r e in s d e u t s c h e r E i s e n h ü t t e n l e u t e im J a h r e 1920/21.

Der den Ausführungen zugrunde liegende Geschäftsbericht ist bereits an dieser Stelle in vollem W ortlaut abgedruckt worden.2)

Vorsitzender Generaldirektor e- h. A. Vogler: Sie haben den Geschäftsbericht gehört. D arf ich fragen, ob dazu das W ort gew ünscht w ird? D as ist nicht der F all. D ann glaube ich wohl in Ihrer aller Nam en zu sprechen, w enn ich unserem geschäftsführenden Vorstandsm itgliedc und seinen M itarbeitern unseren herzlichsten D ank zum Ausdruck bringe für die Arbeit, die sie auch im verflossenen Jahr für den Verein gefeistet haben. Schon aus den Stichworten des Geschäftsberichtes konnte m an. ersehen, w elche F ülle von Arbeit zu bew ältigen gew esen ist. D afür unseren D ank auszuspreehen, ist einfach unsere P flicht. (Lauter B eifall.)

Zu P u n k t 5 der Tagesordnung h ielt Professor Dr. Martin Spahn, Köln, seinen Vortrag:

W e l t p o l i t i k u n d W e l t w i r t s c h a f t im b e s o n d e r e n H i n b l i c k a u f d e n O s te n .

D ie gehaltvollen D arlegungen des Vortragenden, die reichen B eifall der Versammlung ernteten, werden dem­

nächst in „S tah l und E isen “ veröffentlicht werden.

Als letzter Redner des Abends sprach zu P u n k t 6 D irektor S)r.=3«fl- c- h. Oskar Lasche, Berlin, über D e u t s c h e s I n g e n i e u r - F o r t b i ld u n g s w e s e n .

Auch für diesen besonders zeitgem äßen V ortrag durfte der Redner lebhaften B eifall der Versammlung und Dankesworte des Vorsitzenden entgegennehm en. A u f den Inhalt des Vortrages w ird „S tah l und E isen “ noch näher zurü'ckkömmen.

D a zu P u n k t 7 der Tagesordnung: V e r s c h ie d e n e s , nicht das W ort gew ünscht wurde, vertagte der Vorsitzende kurz nach %10 Uhr abends die Versammlung.

Am zweiten Verhandlungstage

begrüßte pünktlich 12 Uhr m ittags der Vorsitzende, Generaldirektor ®r.«Qng. e. h. A. Vogler, zunächst die anwesenden Ehrenm itglieder, M itglieder, Gäste und Ehrengäste, darunter besonders den Präsidenten der Kaiser-W ilhelm-Gesellschaft, E xzellenz Dr. v ö n H a r n a c k , Staatsm inister Dr. S c h m i d t - O t t und den Ver­

treter des preußischen K ultusm inisterium s, M inisterialdirektor Professor Dr. K riiß . U nm ittelbar daran schloß sich der

B e r i c h t d e s V o r s it z e n d e n .

Vorsitzender Generaldirektor ®r.*3ng. Vogler: Meine Herren! Ich darf auch den heutigen T ag unserer diesjährigen H auptversam m lung m it einem herzlichen W illkom m en an Sie alle eröffnen. Ich begrüße unsere Mitglieder und Ehrenmitglieder, unsere Gäste und Ehrengäste. E inen ganz besonderen Gruß aber muß ich dem Präsidenten der Kaiser-W ilhelm-Gesellschaft, E xzellenz D r. von Harnack, Herrn Staatsm inister D r. Schm idt- Ott und dem Vertreter des preußischen Kultusm inisterium s, Herrn M inisterialdirektor Professor Dr. Krüß, entbieten. Sie sind hierhin gekom m en, um m it uns unser neues E isenforschungsinstitut einzuweiben. N icht minder herzlich begrüße ich die Vertreter der Presse und der Fachpresse, die im mer bei uns willkommen sind.

’) V o n e in e r w ö rtlic h e n W ie d e rg a b e d ie s e r A u s fü h ru n g e n , d ie w e ite r h in m e h r a u f p o litis c h e s G e b ie t u n d d ie s ta a ts b ü r g e rlic h e E rz ie h u n g d e r I n g e n ie u re ü b e r g in g e n , w ir d a u f W u n s c h v o n 5Dr.«Sng. P e e tz , g e m ä ß se in e m S c h re ib e n v o m 2 7 . N o v e m b e r 1921 a n d ie G e s c h ä fts s te lle , a b g e s e h e n . D a m it e r ü b r i g t s ic h a u c h d ie w ö rtlic h e W ie d e rg a b e d e r a n s c h lie ß e n d e n E rw id e r u n g d e s V o rs itz e n d e n .

2) S t. u . E . 1 921, 8 . D e z ., S. 1 7 6 1 /7 ; 15. D e z ., S . 1 8 1 7 /2 1 .

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15. D e z e m b e r 1921. B e r ic h t ü b er d ie H a u p tv e r s a m m lu n g . S ta h l u n d E ise n . 1803

Den Geschäftsbericht liât Ihnen gestern unser Geschäftsführendes Vorstandsm itglied, Herr Sr.-Q ng.

Petersen, erstattet. Gestatten Sie mir heute, daß ich einige allgemein gehaltene Ausführungen mache.«

Der Geschäftsbericht hebt hervor, daß die beiden ersten Jahre nach Kriegsende dazu dienen m ußten, den Abbau der Kriegsorganisationen des Vereins durchzulührcn. D as letzte Jahr konnte wieder dem eigent­

lichen W irkungsfeld, w ie es vom Frieden her gegeben und bekannt ist, gew idm et werden. Ganz ähnlich steht es m it unseren Werken. Auch hier mußte die beiden ersten Jahre angestrengt gearbeitet werden, um die U m stellung vom Krieg auf den Frieden durchzuführen, um die Ersatzeinrichtungen und--Stoffe aus unseren Betrieben zu entfernen und wieder zu dauernden Einrichtungen zu kommen.

E s ist eine durchaus irrige Ansicht des Herrn Eisenbahnm inisters, wenn er in seiner letzten Denkschrift darauf hinw eist, daß die Eisenbahn im Kriege R aubbau treiben mußte, während sich die Industrie in ihren Anlagen und Betrieben hätte verbessern und vervollkom m nen können. Soweit die Eisenindustrie in Frage kom m t — und ich glaube, ich kann die chemische Industrie, um eine zw eite große Industrie zu nennen, ein- sohließen — , ist dies grundfalsch. (Zustimmung.) Ebenso falsch aber ist es, wenn in dieser D enkschrift fest­

gestellt w ird, daß die Industrie m it einer großen Geldreserve aus dem Kriege hervorgegangen sei. Auch hier weise ich in diesem Kreise nur auf die Eisenindustrie hin. E s sollte gerade im M inisterium bekannt sein, daß noch ein Jahr nach Kriegsende die Auslandsschulden, die w ir zu machen gezwungen waren, das gesam te A ktienkapital unserer W erke überragten. E s führt im allgem einen nicht zu dem gewünschten Erfolge, wenn man schlechte Verhältnisse in seinem eigenen Betriebe dadurch zu bessern versucht, daß man auf günstigere A rbeitsbedingungen in anderen Betrieben hinweist.

Unser Geschäftsbericht hebt als Folge des Krieges w eiter hervor, daß die Mitgliederzahl noch nicht wieder die Friedenshöhe erreicht hat. Dies ist begreiflich, wenn wir uns in Erinnerung rufen, welch große Gebiete wir im W esten und Südwesten verloren haben. H eute, nachdem in unserem Verein die Zahlen­

unterlagen wieder einigermaßen gesichtet und geklärt werden können, ist es angebracht, m it einigen Zahlen au f die Verschiebungen in unserer Eisenindustrie einzugehen.

Wir hatten im Jahre 1913 eine Roheisenerzeugung von 19,3 Millionen Tonnen. Auf das heutige Reichs­

gebiet entfallen hiervon 12,9 Millionen Tennen. W ir hatten vor dem Kriege eine Rohstahlerzeugung von 18,9 M illionen Tonnen, und hiervon entfallen au f unser jetziges A rbeitsgebiet rd. 15,3 Millionen Tonnen, An dieser gesam ten Flußstahlcrzeugung w ar der Thomasstahl m it rd. 56 %, der Martinstahl m it rd. 40 % beteiligt. D agegen war in dem jetzigen R eichsgebiet in der Vorkriegszeit das Verhältnis vom Martin- zum Thom asstahl etw a w ie 47 : 48; m an kann sagen: die beiden großen Stahlverfahren hielten sich das Gleich­

gew icht. D iese T atsache b itte ich vor Augen zu halten und dann die Verschiebungen anzusehen, die wir heute in Deutschland zu verzeichnen haben. In der K riegszeit, besonders aber in der Nachkriegszeit, ist die M artinstahlerzeugung im Verhältnis zur Thomasstahlerzeugung ganz w esentlich gestiegen. Im Jahre 1920 hatten wir 60 % E rzeugung in M artinstahl und nur 34 % in Thomasstahl. Der Thomasstahl hat im Verhältnis zur früheren E rzeugung noch nicht 30 % des Jahres 1913 erreicht. Ich stelle diese Tatsache fest. Die F o l­

gerungen daraus zu ziehen, muß der F achw elt überlassen bleiben. Aber eine Bemerkung darf ich hieran knüpfen: In demselben Maße, in dem unsere Thom asstahlerzeugung zurückgegangen ist, fiel auch die Ge­

winnung von Thomasmehl. Früher ein Land m it Phosphorüberschuß und -ausfuhr, sind wir jetzt gezwungen, für die Landwirtschaft Phosphate einzuführen ; eine Tatsache, die uns in der Ernährung noch mehr als früher vom Auslande abhängig macht.

Der außerordentlich starke R ückgang der Stahlerzeugung ist bekannt. U m so mehr muß man sich wundern, daß in der Presse des Auslandes und leider auch in der des Inlandes dauernd von einer Ueber- schw cm m ung der W elt m it deutschen E isen- und Stahlerzeugnissen gesprochen wird. D ies g ib t mir Ver­

anlassung, hier auch kurz au f die Ausfuhrfrage einzügohen.

W ir hatten im Jahre 1913 eine Ausfuhr an E isen- und Stahlerzeugnissen von rd. 6% Millionen Tonnen, die sich a u f 50 Länder der Erde verteilte. Im Jahre 1920 betrug die Ausfuhr nicht ganz 1 700 000 Tonnen.

D ie besten Monate des Jahres 1921 zeigen, daß auch jetzt die Ausfuhr 150 000 Tonnen monatlich nicht wesent­

lich übersteigt. W ir haben also im Verhältnis zur Friedenszeit etw a 26 % unserer Ausfuhr erreicht — eine F eststellung, die sehr bedenklich stim m t. D ie Eisenindustrie bringt nicht einmal die D evisen auf, die zum E inkauf der unentbehrlichen ausländischen Rohstoffe erforderlich sind.

E in B ild unserer E isenw irtschaft, das nicht selir erfreulich ist. Und es konnte nur erreicht werden in einem Jahr harter, wenn auch freudloser ¿Arbeit. E s war das erste der langen Fronjahre, die w ir vor uns sehen. D ie Leidensstationen dieses Jahres heißen: Spa, U ltim atum , Oberschlesicn. Oberschlesien! D ie deutsche E isen- und K ohlenindustrie weiß am besten, welche ungeheuren Verluste der deutschen W irtschaft durcli die Entscheidung über Oberschlesien entstanden sind. Ich glaube, es ist nicht zutreffend, anzunelimen, daß durch stärkere Erzeugung in anderen Gebieten die Verluste, die wir dort erlitten haben, w ettgem acht werden können. Gewiß werden im Laufe der Jalire die Gebiete, die bisher von Oberschlcsien in erster Linie gedeckt wurden, sich auf eine andere Grundlage einstellen müssen. Gewiß werden die oberschlesischen Kohlen zum T eil durch die m itteldeutschen ersetzt werden können. Aber das ändert nichts an der Tatsache, daß w ir eine durch viele Generationen deutscher ¿Arbeit aufgebaute Industrie verloren haben. D as ändert nichts an der Tatsache, daß w ir für unsere wirtschaftliche Ostpolitik den festen Stützpunkt verloren, und daß w ir liebe Freunde und treue Mitarbeiter eingebüßt haben.

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1804 S ta h l u n d E ise n . B e ric h ! ü b e r d ie H a u p t V ersa m m lu n g . 41. J a h r g . N r . 50.

D as Kolilenabkommen von Spa ruht immer noch w ie ein Alp au f unserer W irtschaft. D as merken w ir gerade jetzt, wo eine gew isse B elebung sich eingestellt hat. Ueberall fehlt der Brennstoff, und w ir können, so bitter not es auch täte, die W irtschaftslage nicht ausnutzen. D as Abkommen ist ebensowenig erfüllbar w ie das U ltim atum , das das Programm der sicheren Zerstörung der deutschen W irtschaft in sich b irgt. Gewiß, die niederschmetternde W irkung, die eingetreten ist, haben unsere Gegner nicht erw artet, w ie ja auch große Kreise des Volkes nicht daran glauben wollen. Wir müssen heute feststellen, nachdem erst w enige Monate hinter uns liegen, daß der Inlandsverkehr zur N ot noch m it der Mark abgew ickelt werden kann, das Ausland aber w eist die deutsche Mark zurück. W elche B edeutung diese Tatsache für unsere E isenindustrie hat, erhellt eine Zahl. D er Erzbedarf unserer Hochöfen muß zu 80 % aus dem Ausland gedeckt werden. D urch die A b­

hängigkeit von der V aluta ist ein spekulatives Glied auch in unsere Eisenindustrie hineingekommen. D ie W erke sind nich t mehr in der L age, langfristige ¿Abschlüsse zu tätigen: die Verantwortung ist nicht zu über­

sehen. A uf der anderen Seite müssen wir, nicht zuletzt zum V orteil unserer ¿Arbeiter, dafür sorgen, daß w ir eine gleichbleibende, lang gesicherte B eschäftigung haben.

H inzu komm t, daß unsere W irtschaft immer wieder durch behördliche Maßnahmen gelähm t wird.

Ich denke dabei auch an die Außenhandelskontrolle, die w ir immer noch auf großen Gebieten der E isen­

bew irtschaftung haben. W ir sind mehr als je zuvor au f die Ausfuhr angew iesen. Man sollte Prämien für verstärkte Ausfuhr geben und jede Erleichterung eintreten lassen. D as U m gekehrte ist leider noch oft der Fall. Ich w ill Sie nicht m it langen Zahlenreihen aufhalten, aber einige Zahlen muß ich doch hervorheben.

Der W elthandel im Jahre 1913 hat in E in - und Ausfuhr etw a 178 M illiarden Goldmark betragen.

Hieran war die deutsche W irtschaft m it 20 M illiarden beteiligt. Im Jahre 1920 stellt sich, sow eit m an die Zahlen sichten kann, das B ild etw a so: Der Menge nach ist der W oltum selilag w esentlich zurückgegangen.

Dem W erte nach ist durch die allgem eine Verteuerung der Bodenerzeugnisse, die im D urchschnitt etw a das Zwei- bis Dreifache betragen haben wird, der Außenhandel auf 246 Milliarden Goldmark gestiegen. W äh­

rend ich vorhin feststellen konnte, daß wir in der Vorkriegszeit m it 20 M illiarden am W eltum schlag beteiligt waren, haben wir jetzt die bedauerliche Tatsache zu verzeiclmen, daß die deutsche E in - und Ausfuhr nur m it 13 Milliarden an der Summe von 246 Milliarden, also nur m it 5 %, am U m schlag der W elt b eteiligt ist.

N och eine andere Zahl ist -von allgem einem Interesse. W ir h atten in der .Vorkriegszeit eine Ausfuhr an industriellen und gew erblichen Erzeugnissen von rd. 8,5 Milliarden Goldmark. D ie Lolinsumme, die wir in unseren Betrieben hierzu aufbringen m ußten, betrug rd. 8,3 Milliarden. D ie ¿Ausfuhr brachte uns also den Lohn. Im letzten Jahre stellt einer Ausfuhr von rd. 75 M illiarden Papierm ark eine Lolmsummc von 120 Milliarden gegenüber. D ieser Fehlbetrag muß, w ie so manches andere, durch verstärkte A rbeit der N oten­

presse g etilg t werden.

¿Auch eine andere größere A ufgabe w ird durch unsere passive H andelsbilanz von T ag zu T ag kritischer.

Ich habe schon eingangs ein kurzes B ild der W echselbeziehungen zw ischen Industrie und Landwirtschaft Urnen vor ¿Augen gehalten und gezeigt, w ie der R ückgang an Thom asstahl im Inlande uns zw iugt, eine ver­

stärkte Einfuhr von Phosphaten herbeizuführen. Führen w ir keine Phosphate ein, so geh t die E i zeugung der Landwirtschaft zurück, die F olge ist verstärkte Einfuhr von L ebensm itleln, die w eitere Folge Ver­

schlechterung der Handelsbilanz. Führen w ir aber Phosphate ein, so tritt ebenfalls eine Verschlechterung unserer H andelsbilanz ein. D iese W echselbeziehung zwischen Landw irtschaft und Industrie ist überhaupt das w ichtigste Merkmal der W irtschaft.

Ganz allgem ein kann m an von D eutschland sagen, daß bei der heutigen industriellen L age die passive Handelsbilanz w esentlich schneller und gründlicher verbessert werden kann, w enn w ir unser Augenmerk mehr au f die Steigerung der Bodenerzcugnisse als au f die Ausfuhr industrieller und gewerblicher Waren legen. D ie Folge der verstärkten Bodenerzeugung würde sein, daß die Lebenshaltung durch den Inlandbezug verb illigt wird, und erst dann könnte dauernd und nachhaltig der Preisabbau der Industrieerzeugnisse einsetzen.

D ie w eltpolitische M achtverschiebung a u f der einen, die sozialpolitische Macht vor Schiebung auf der anderen Seite h at die W eltw irtschaft zum Stocken gebracht. Der gesunde Prozeß der immer w eiteren ¿Auf- schließung der Bodenerzeugung durch verbesserte und verbilligte Industrieerzeugnisse ist aufgehalten. Große Gebiete, vor allem im Osten und Südosten Europas, sind vollständig ausgeschaltet. Große Schichten der Bevölkerung müssen ihre Lebenshaltung a u f eine ganz andere, viel tiefere Stufe einstellen. Wenn aber der Europäer sich nicht mehr so kleiden kann w ie in der Vorkriegszeit, dann fehlen in Südamerika die M ittel zum Ausbau der Eisenbahnen. E ine verm inderte ¿Abnahme der Bodenerzeugnisse in Europa h at in der Wechselwirkung die U nm ögliclikeit des industriellen ¿Ausbaues auf der anderen Seite zur Folge, eine W echsel­

wirkung, die w ir uns vor Augen halten müssen, w enn wir die Frage der Gesundung der W eltw irtschaft be­

trachten wollen.

D ie Tatsache bleibt bestehen und ist durch nichts aus der W elt zu schaffen, daß Industriewaren doch nur durch Bodenerzeugnisse bezahlt werden können. ¿Alles w as dazwischen liegt: Beförderung, ¿Art der Zah­

lung, Vertrieb, ist, w irtschaftlich gesprochen, nur M ittel zum Zweck.

Soll eine Gesundung der W eltw irtschaft eingeleitet werden, so müssen in erster Linie die jetzt ver­

küm m ert daliegenden Gebiete zu neuem Leben erweckt, m üssen die großen Verbraucherschichten so gestärkt werden, daß sie am Verbrauch der W elt wieder teilnehm en können. D azu gehört Befreiung von unerträglichen, unerfüllbaren B elastungen.

(5)

15. D eze m b e r 1921. B e ric h t üb er d ie H a u p tv e r s a m m lu n g . S ta h l u n d E ise n . 1S05

D ie zw eite Voraussetzung ist mehr Arbeit. D ie W elt ist durch den Krieg verarm t. Krieg bedeutet, volkswirtschaftlich gesprochen, nur M achtverschiebung, niemals Mehrleistung. Soll die Weh ihre frühere Lebenshaltung wiedergewinnen, so muß sie die vierjährigen Verluste durch Mehrarbeit einholen. ¿Am meisten dort, wo der Krieg die schwersten Wunden geschlagen hat, bei uns.

W enn der Privatm ann verarmt, dann sa g t er sich: Ich muß sparen und muß mehr arbeiten. W eite

¡schichten unseres \ olkes glauben, durch die R evolution, wie sie meinen, befreit, sicli m it w eniger ¿Arbeit durchbringen zu können. Das muß zum Zusammenbruch führen. Solange ich meine Lebenshaltung durch höheren Lohn verbessern w ill und nicht durch Mehrarbeit, so lange w ährt der verhängnisvolle Kreislauf, der anfängt und endet m it weiterer Geldentwertung. Daß diese Tatsache w eiten Kreisen noch nicht zum B ew ußt­

sein gekommen ist, ist darauf zurückzuführen, daß die Volksschichten bisher ungleichmäßig von der Geld­

entw ertung betroffen sind. Zunächst sind die breiten Schichten des Bürgertums auf das empfindlichste ge­

schädigt. A ll die langfristigen Schulden, Obligationen, Hypotheken, die Einzahlungen in die Lebensversiche­

rungen, sind auf einen Bruchteil entwertet. Wir ersehen daraus, au f wessen Kosten Industrie und Landwirt­

sch aft m itsa m t ihren A rbeitern in den letzten Jahren g eleb t haben.

Rückwirkend wird die Geldentwertung aber auch die zuletzt genannten Kreise genau so schlimm treffen w ie die ersten, die darunter zu leiden hatten. Vor dem Kriege stand, ganz allgem ein gesprochen, die Kopfarbeit zur Handarbeit in einem Wer (Verhältnis w ie 3 : 1 — ein Verhältnis, das durchaus berechtigt ist, w enn w ir das. K apital der ¿Ausbildungszeit in Betracht ziehen. D ie Ilandarbeiterschaft hat sich durch ¿Aus­

nutzung der R evolution die Vorhand gesichert. H eute ist das Verhältnis nicht einmal mehr wie 1 : 1. D iese Tatsache ist in ihrer Auswirkung für beide Teile ein unermeßlicher Schaden. E ine verelendete Intelligenz muß notgedrungen auch den R ückgang der ¿Arbeiterschaft nach sich ziehen. E rst wenn diese Erkenntnis in w eite Kreise unseres Volkes einzieht, können w ir hoffen, daß die Besserung komm t. H eute verwirrt der Klassenkam pfgedanke noch alle Gemüter. H eute hat sich die Ilandarbeiterschaft noch gegen das Bürgertum zusam mengetan. Sic organisiert sich gegen das bestellende W irtschaftssystem , gegen die gesellschaftliche Ordnung und schließlich gegen K ultur und W issenschaft. Sie alle werden als Bürgerliche abgestem pclt und müssen darum bekämpft werden. D ie gew altige Leistung organisatorischer Art der Unternehmerschaft in der Vorkriegszeit und heute, die doch in erster Linie darin besteht, die technischen Fortschritte wirtschaft­

lich auszuw erten, um die Werke so, auszubauen, daß sie im W ettkam pf der Völker bestellen können, wird nicht von der H andarbeiterschaft anerkannt und leider auch nicht von großen Teilen der sogenannten öffent­

lichen M einung. E rst jetzt, nach dem Zusamm enbruch, kom m t die E rkenntnis, daß unserem Volke unter anderem auch eine führende U nternehm erschaft unbedingt n ottu t. D ie ¿Arbeiterschaft erkennt und wird immer mehr erkennen, daß sie gar nicht in der Lage ist, aus ihren Kreisen das Menschenmaterial zu stellen, das zur Führung von Staat und W irtschaft erforderlich ist. Beamter sein, Handel, Industrie, Landwirtschaft treiben, bedeutet, Erfahrungen haben, die durch Generationen überm ittelt worden sind (Sehr richtig!), genau so w ie eine Facharbeiterschaft nicht von heute au f morgen aus dem Boden gestam pft werden kann. D iese Tatsache m it der politischen Parole „hie Proletariat, hie Bürgertum “ ausschalten oder umwerten zu wollen, ist sinnlos. Gerade die russischen Vorgänge zeigen dies. Dort hat man die gew altige ¿Aufgabe einer U m ­ schichtung der W irtschaft sieh vcrgcnom m en, und das Endergebnis ist restloser U ntergang von unendlichen K ulturgütern, geschaffen in H underten von Jahren.

Wir wollen und dürfen die Hoffnung nicht aufgeben, daß diese Erkenntnis kommen wird. Wir wollen und dürfen uns vor allem nicht von dem Wege abbringen lassen, der uns vcrgezeielmet ist: Wir müssen unsere Werke stets auf dem Stande der Technik halten, daß sie im stande sind, den W ettkam pf m it der übrigen W elt aufzunehm en. D as zu tun, ist die erste und vornehm ste nationale Pflicht des Unternehmertums.

Wir haben gestern hier unser neues Eisenforschungsinstitut eröffnet, in kritischsten Zeiten geschaffen durch die Opferfreudigkeit unserer Eisenhüttenindustrie. W ir erkennen aus dieser Tatsache — und das ist ein hocherfreuliches Zeichen — , daß sich in unseren Kreisen die Erkenntnis immer weiter Balm bricht, daß die W issenschaft die Grundlage jeder W irtschaft ist und bleiben muß.

ln einer Zeit w ie der jetzigen könnte es fast unnötig erscheinen, au f die Bedeutung w issenschaftlicher

¿Arbeit für die E ntw icklung der Technik, der W irtschaft, der Kultur eines Landes hinzuweisen. Gewiß, im ragenden Bogen einer stolzen Brücke, im harmonisch gegliederten Prachtbau, im belebten Organismus des Schnellzuges, des Flugzeuges, in den glänzenden Farben köstlicher Gewebe ahnt auch der Laie die schöpfe­

rische K raft des Urhebers, des Ingenieurs, des A rchitekten, des Chemikers. D ie stille ¿Arbeit des Physikers, des M etallurgen bleibt der A llgem einheit verborgen, und doch sind gerade die hochstrebenden Pieiler eines Eisenfachwerkes ein treffliches Sinnbild der engen W echselbeziehungen zwischen wissenschaftlicher For­

schung und angew andter Technik.

D ie W issenschaft begründet; sie forscht nach den Ursachen der D inge. D ie Technik nim m t die ge­

w onnene Erkenntnis aut und g estaltet, baut auf. D ie W irtschaft endlich schließt den Kreis; sie bedeutet planm äßige A usw ertung der Technik, ln die deutschen H ütten ist die wissenschaftliche Arbeit längst ein­

gezogen, aber es feh lte den Werken die hohe Schule, die S tä tte der reinen Forschung, der Forschung um ihrer selb st w illen, frei von der m ühevollen ¿Arbeit des ¿Alltags, frei vom Lehrfach, L ei vom W erksbetricb, frei von jedem Zwang.

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1S06 S ta h l u n d E ise n . B e ric h t ü b er d ie H a u p tv e r s a m m lu n g . 41. J a h r g . N r . 50.

Der wissenschaftlichen Forschung, nur ihr allein ist das In stitu t gew eiht. Ohne W issenschaft kein neues Werden, kein E ntw ickeln, kein Vollenden. N ur eine Technik, die von dieser Erkenntnis durchdrungen is t, aus d ieser K r a ft heraus w ir k t, b leib t ju n g und schaffensfroli.

Hoffen wir, und dam it darf ich schließen, daß dieser Geist in unserer Eisenindustrie nach w ie vor lebendig bleibt, dann werden wir die schwere Zeit, die uns noch bevorsteht, überwinden und uns doch wieder den P latz in der W elt erringen, den unser Volk sich erringen muß. (Rauschender B eifall!)

M it den letzten W orten des Vorsitzenden war der U ebergang gegeben zu P u n k t 9 der Tagesordnung:

¿Ansprache des Präsidenten der Kaiser-W ilhelm -G esellschaft zur Förderung der W issenschaften, Wirkl.

Geh. R ats Professor D r. von Harnack:

Z u r W e ih e d e s K a i s e r - W i l h e l m - l n s t i t u t s fü r E is e n f o r s c h u n g .

Präsident der Kaiser-W ilhelm -G esellschaft E xzellenz D r. v o n H a r n a c k (lebhaft begrüßt): Meine sehr verehrten Herren! E s ist ein Tag hoher Freude für die K aiser-W ilhelm -G esellschaft, an dem sic dieses Eisenforsehungsinstitut aus Ihrer Hand em pfängt. Sic ist gew illt, au f dem Grunde dieses Instituts m it Ihnen gem einsam e Sache zu machen, genau in dem Sinne, der soeben von Ihrem Vorsitzenden angegeben worden ist, in dem Sinne des Verständnisses der B edeutung der W issenschaft, dem ich gar nichts hinzuzufügen habe.

Ich beglückwünsche die deutsche Eisenindustrie, daß ihre E ntw icklung sie so w eit geführt hat, daß sie das Bekenntnis zur W issenschaft, welches Ihr Herr Vorsitzender soeben hier abgelegt, einstim m ig als das ihrige angenommen hat.

D ie Kaiser-W ilhelm -G esellschaft wird, w ie in den zehn bis elf Jahren ihres B estehens, bestrebt sein, nur einer einzigen Leidenschaft zu folgen, der Erkenntnis des W irklichen, und nur eine einzige Eifersucht zu haben, sich von außen nichts dreinreden zu lassen. Sie weiß sehr wohl, daß ohne das Leben selber, ohne daß sie die H and am Pulse des Lebens hat, auch die W issenschaft nicht gedeihen kann. ¿Aber, w ie sie gestiftet worden ist unter dem Satzo H um boldts, daß die W issenschaft oft ihren reichsten Segen über das Leben aus­

gieß t, w enn sie sich gleichsam von ihm zu entfernen scheint, so wird sie sich niem als in das Getriebe des Tages mischen, w ird sich nicht au f die Gasse stellen, sondern sie w ird das Leben dort fassen, wo sie es rein beobachten kann, und in diesem Sinne so nahe dem Leben bleiben w ie nur m öglich, denn sie h at die bestim m te Z uversicht— und Sie alle teilen s i e — , daß etw as, w as rein beobachtet und-erfaßt ist, was dann transparent gem acht und m it anderen Beobachtungen so vereint worden ist, daß sich eine sichere Theorie ergibt, nicht etw as Unfruchtbares sein kann, sondern notwendigerw eise belebend und fruchtbringend wirken muß.

D ie G esellschaft hat ferner in den zehn Jahren ihres Bestehens die Grundlage ihres ¿Aufbaues, das Zusammenwirken des deutschen Bürgertum s m it der W issenschaft und dem Staate, für eine rich tige und segensreiche E inrichtung erkannt und erfahren. Wenn sich auch unter den schweren V erhältnissen der Faktor

„deutsches Bürgertum “ und das, was dieses Bürgertum aufbringt — und Sic m it — , in seiner Leistung gegen­

über dem S ta a te verstärkt h at, und wenn ich die Freude habe, Ihnen dafür D ank zu sprechen — was hat Sie allein dieses In stitu t g e k o ste t! — , so werden w ir doch an der Grundkonstruktion festhalten, die ich eben ausgesprochen habe. U nd w ir haben vor allen D ingen im preußischen Kultusm inisterium immer Minister und R äte gefunden, die uns nach der alten.U eberlieferung dieses M inisteriums nicht nur beratend, sondern auch tatk rä ftig fördernd und grundlegend m itbauend zur Seite gestanden haben.

W enn ich nun die hohe Ehre habe, in dieser Stunde einige W orte an Sie richten zu dürfen, so werden Sie von mir nicht erwarten, daß ich von E isen und Stah l spreche, denn davon verstehe ich nichts. Ich w ill auch nicht versuchen, Sie m it K leinigkeiten zu unterhalten, sondern ich b itte, mir einige M inuten Gehör zu schenken für ein paar Gedanken über Bedingungen, unter denen große U nternehm ungen und große In stitu te allein gedeihen können.

Und da tr itt mir zuerst der Schöpfer der W issenschaft von der P olitik, sow ohl der äußeren als auch der inneren, m it einem W orte entgegen, das m ich viel beschäftigt h at, und das ich nie aus dem A uge verlieren werde. M achiavelli sa g t: „In allem , w as Menschen schaffen, steckt ein U ebles“ . Wer zu leiten hat, der m uß daher immerfort bed ach tsein , daß diescsU eble, das aus der Sache selber kom m t, nicht tödlich w irkt. M achiavelli m eint nicht, daß äußere Schw ierigkeiten überall zu beachten sind — das versteht sich von selbst — , sondern er m eint, w ie der Charakter des E ndlichen beschaffen ist, stecke in jedem D inge ein Todeskeim. U nd wer zum L eiten berufen ist, der m uß fort und fort gespannt sein, daß dieser innerliche Todeskeim nicht Gewalt gew innt.

¿Auf dem ersten B la tt der B ibel steh t: „G ott sah an alles, w as er geschaffen hatte, und sieh da, es war sehr g u t .“ Nun, wir können nicht überall dieser göttlichen W eisheit folgen und meinen bei unserem schwachen E rkenntnisverm ögen, daß w ir das nicht überall bezeugen können. Aber das m ag auf sich beruhen; darüber aber ist kein Zweifel, daß, wer dem Maehiavellischen W orte nachdenkt, es bestätigen muß: E s steckt in allem, was Menschen schaffen, ein Uebel, ein K eim des U nterganges. Mögen es nun Denkweisen oder m ögen es Unternehmungen sein; es g ib t keine D enkw eise und keine Unternehm ung, der m an an und für sich und für alle Zeiten ein positives Vorzeichen geben kann. N ehm en Sie selbst den Idealism us. Im Idealism us steckt der K eim einer sich vom Leben entfernenden Ideologie. Nehm en Sie den -Realismus. Im Realism us steckt der K eim des M aterialismus und einer versum pfenden R outine. Nehm en Sie die Monarchie. In der Monarchie steckt der K eim einer unerträglichen D espotie und Einzelherrschaft. Nehm en Sie die Aristokratie, ln ihr steck t der K eim des N epotism us und eines unerträglichen Cliquenwesens. Nehm en Sie die D em okratie. In ihr steckt der Keim der Pöbelherrschaft lind der umgekehrten Auslese. (H eiterkeit.) N ehm en Sie Spar­

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15. D eze m b e r 1921. B e r ic h t ü b er d ie H a u p tv e r sa m m lu n g . S ta h l u n d E ise n . 1807

sam keit da lauert der verderbliche Geiz. Nehmen Sie F reigeb igk eit— da droht die Verschwendung, und so fort! D as sind alles Größen, denen man nicht einfach ein positives Vorzeichen geben kann. Sie können heute ein positives Vorzeichen haben und morgen ein negatives.

Meine Herren, es g ib t au f der W elt nichts Gutes als einen guten W illen — alias übrige ist relativ und bestim m t sich in bezug auf seine N ützlichkeit oder Schädlichkeit, seine Güte oder Schiechtheit durch den G esam tzustand, au f den es trifft. Er allein entscheidet darüber, ob das, w as g u t erscheint, wirklich in diesem A ugenblick g u t ist; er allein entscheidet über N utzen und Schaden. D as g ilt von allen Denkweisen, das g ilt von allen Institutionen und Unternehm ungen. Keiner kann ein Staatsm ann sein, der nicht in dem Sinne relativ gesinnt ist, daß er w eiß: Es ist m it diesen D ingen w ie m it einer Sanduhr, die labil aufgehängt ist: ein kleiner Stoß, und der ganze Sand fließt ins andere Fäßchcn. Und ist es nicht m it Schutzzoll und Freihandel, oder w as es auch sei, ebenso? Ich könnte fortfahren. Ihnen weitere Beispiele zu geben. Alles das ist relativ!

Aber wir sind keine R elativisten, w eil wir an dem einen Satz festhalten: N iem als kann ein negatives Vorzeichen vor den guten W illen kommen. W as ist ein guter W ille? E in guter W ille istin u n se r m Falle der W ille zur Erkenntnis des W irklichen und zur B ereitschaft, diese Erkenntnis anderen selbstlos und freund­

lichst m itzuteilen. Dieser W ille hat immer ein positives Vorzeichen.

Nun, unsere Institute, so, w ie sie geschaffen sind, vom W ertzweck entfernt, au f eine bestim m te D isziplin, manchmal sogar innerhalb dieser D isziplin auf eine bestim m te Sparte eingeschränkt, haben die große Gefahr der Isolierung, der Inzucht, der Versteinerung. Vom ersten Tage an muß das ins A uge gefaßt werden. Ich meine nicht räumliche Isolierung, sondern Isolierung in der Sache selbst, zum al wenn fort und fort an einer Stelle immer dasselbe untersucht und getan w ird, m ag es sich auch um einen umfangreichen Gegenstand handeln. D as ist bei dem eigentüm lichen Zusammenhang des Lebens aller W issenschaften an und für sich etw as außerordentlich Gefährliches. Aber eben, w enn man das erkennt, w enn m an niemals sich die A ugen vor der N otw endigkeit verschließt: Hier gehören fort und fort allgem eine Gedanken und die Beziehungen zu den verw andten D isziplinen herein, hier muß die Inzucht abgew ehrt werden, hier muß neben der Isoliertheit die Versteinerung abgew elirt werden, dann allein kann man die Gefahren überwinden.

Und, meine Herren, hier, innerhalb dieser W elt des R elativism us, kom m t nun neben dem e in e n Positiven und Sicheren, das ich genannt habe, dem guten W illen, noch ein zw eites P ositives und Sicheres hinzu: alle Schw ierigkeiten, die mich nicht niederwerfen, machen mich stärker. D as ist eine große Sache!

Wir leben in einer W elt, in der wir nicht schwach und m att werden müssen dadurch, daß wir Schwierigkeiten überwinden, sondern um gekehrt: Jede überwundene Schwierigkeit ist eine Kraft, die meinen Geist und meine F au st stärker m acht. D as ist auch eine p ositive Größe in der Bilanz des Lebens.

Zweitens darf ich an einen Satz von H egel anknüpfen. H egel sa g t nicht nur einmal, sondern cs ist ein Grundgedanke seiner Philosophie: Alles Endliche und alles Leben beruht au f Widersprüchen oder doch Gegensätzen, sowohl wenn wir es in Begriffe zu fassen suchen, als auch in sich selbst.

Der Staatsm ann, der zu leiten hat, bis herunter zu dem kleinen Staatsm ann, der eine kleine Fabrik zu leiten hat, bis herunter zu dem, sei er Professor oder Geschäftsmann, der einen ganz kleinen Kreis zu leiten hat, kann, wenn er sich nicht klarm acht, daß das Leben, sobald man es begrifflich fassen w ill, nicht nur gew isse Gegensätze zeigt, sondern auf gegensätzlichen Spannungen beruht, die sich bis zum Widerspruch steigern, nicht richtige Schritte tun. E s handelt sich darum, die Faktoren zu erkennen, und nicht etw a einen zu bevorzugen und den anderen nicht; sie zu umklammern, darauf komm t es an.

Ich sagte, m an stoße überall im Endlichen bei den Begriffen auf einen Widerspruch. Nehmen Sie den Begriff des Raumes und cler Zeit. Von beiden hat K ant gezeigt, sie müßten sowohl begrenzt als auch un­

begrenzt sein, und das ganze Problem von Raum und Zeit ist uns in seinen Widersprüchen seitdem noch deutlicher geworden als noch vor w enigen Jahren.

Zeit! D ie V orstellung ist richtig; es g ib t nur Gegenwart, denn die Vergangenheit ist nichts melrr, und die Zukunft ist noch nicht. Aber die Vorstellung ist ebenso richtig: E s g ib t nur Vergangenheit und Zukunft, denn die Gegenwart ist nur der Uebergangsm om ent von der Vergangenheit zur Zukunft.

N ehm en Sie eine Kurve, eine Kreislinie. Wenn Sie die begrifflich betrachten: Ist sie eine gerade oder eine gebrochene Linie ? Sie sa g e n : Sie ist beides nicht. Aber was ist sie denn ? W ie ist sie begrifflich zu fassen t

N och hat niem and den Kreis begrifflich vorstellbar fassen können.

So geh t es fort, und im Leben ist es. nicht anders. N icht nur in den Begriffen ist es so. Und wenn wir solche Institutionen und Unternehmungen ins ¿Auge fassen w ie Ihren Verein oder dieses schöne Institut, für welches w ir so dankbar sind: W elche Gegensätze tauchen auf, sobald w ir anfangen zu betrachten, w ie diese D in ge leben! D a ist zuerst der Gegensatz: Der E ine m uß es machen, und nur die V ielen können es m achen. U nzw eifelhaft, w o nicht der E ine ist, da ist nichts zu machen. In gew issem Sinne g ib t es i ür die H auptsache und das H öchste in jedem Unternehmen immer nur Einen und daher niem als eine K ollektiv­

verantw ortlichkeit. E ine solche g ib t es genau genommen überhaupt nicht. Man kann w ohl \ erantwortung bis zu einem gew issen Grade verteilen; man kann sie aber nicht w ie einen Gemeinbesitz, w ie ein Haus oder einen ¿Acker, behandeln. E s ist also gew iß, in bezug auf die ¿Arbeit und die Verantwortung kom m t es auf den E inen an; aber ebenso gew iß ist: Nur die Vielen können es machen, und die Arbeit kann schon schief gehen, wenn auch nur Einer von den Vielen fehlt oder versagt.

Der zw eite w ich tige P unkt in allen w issenschaftlichen Unternehmungen ist der: Man muß sich an die Ueberliefcrung anschließen. E s muß schon ein gottbegnadeter Mann sein, der aus dem N ichts zu schaffen

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vermag.' Man m uß an das Gegebene anschließen. Ja, m an h at die Aussicht, je genauer man das Gegebene kennt, je gründlicher man es sich aneignet, um so mehr sehen und fortsehreiten zu können. D as geht so w eit, daß einer unserer größten Geister, Leibniz, einm al gesa g t hat, als von ihm gerühm t wurde, ihm sei so viel eingefallen im Leben: Nein, das ist nicht der F all; ich habe nur die eine Gabe besessen, daß, w enn ich lose, was anderen eingefallen ist, mir leicht etw as Besseres einfällt. (H eiterkeit.) D arauf führte er seine ganze G enialität zurück. Er brauchte diese'V oraussetzung. N un aber steht doch fest: D a 9 9 % der Menschen

— um einen sehr geringen Prozentsatz anzugeben — nicht in der L age sind, daß ihnen etw as Besseres cin- fällt (H eiterkeit), so sollen sie um so gründlicher das Vorhandene studieren und im Einzelnen ausnutzen.

Umgekehrt aber is t m it höchster Aufmerksam keit darüber zu wachen, daß kein Talent oder gar Genie, welches etwas Neues bringen kann, indem es sich Von der Ueberlieferung entfernt, unterdrückt w ird. Selbst an dem Barocken, ja Kom ischen, m it dem das Neue m anchm al au ftritt, soll man sich nicht stoßen. Der „Staatsm ann“ , der hier verantwortlich ist, muß daher sowohl festhalten an der Ueberlieferung, als auch Sinn und R aum haben selbst für das barocke Neue. Im ersten A nfang zeigt sich der Most oft sehr toll, und der m eiste Most, der sich toll stellt, ist in der T at w irklich w ert, w eggeschüttet zu werden. Aber wenn unteiTlundertcn von Mosten einer ist, aus dem ein gu tes F aß wird, so kann dieser W ein all den früheren Wein wertlos machen, . das heißt die ganze alte Ueberlieferung beseitigen. A uf der Spannung zw ischen Ueberlieferung und R evolution

beruht das Leben der W issenschaft.

E in dritter Punkt, und wiederum ein W iderspruch: Wer auf die W elt wirken w ill, darf sich m it ihr nicht einlassen; er muß immer A bstand neben und über ihr nehmen, und, je größer seine Bedeutung als Arbeitender ist, desto mehr muß er, auch w enn cs den anderen nicht gefällt, sielt von ihnen entfernen, um seine H ebel überhaupt ansetzen zu können; er muß sich als Mensch und als Schaffender isolieren, um nicht hineingezogen zu werden in den trägen Gang des Lebens und in die gem eine W elt. Aber anderseits muß er m it beiden Füßen fest auf dieser gerundeten Erde und in seinem Kreise stehen; er muß jeden A ugenblick der Gleiche unter Gleichen und der g u te Kamerad seiner M itarbeiter sein können. W elch eine S p an n u n g! W elch ein Problem !

Soll ich noch fortfahren? Nehmen Sie noch E ines: ¿An einem hartnäckigen W iderstand kann unter U m ständen jedes U nternehm en und jedes Werk zugrunde gehen, und doch, ohne W iderstand kann auch alles zugrunde gehen oder überhaupt nicht zu rechtem Leben kom m en. Sehen Sie unsere politischen Parteien!

Doch 'machen es auch die w irtschaftlichen und wissenschaftlichen Parteien nicht v ie l anders. Kom m t eine neue auf, so ist das erste, w as .sie sucht — ein Prügelknabe! Sie selbst kann augenscheinlich nur gedeihen, wenn sie einen solchen hat, und er m uß in ihren A ugen zu etw as ganz Furchtbarem auswachsen, ja ein w ildes Tier werden, w as nunmehr alle zu erlegen verpflichtet sind. Solch einen Gegensatz h at die P artei nötig, um zu gedeihen, ja sie stü tzt sieh au f ihn. Meine Herren — ohne Uebertreibung sei es gesa g t, und zugleich bringt das einen neuen G esichtspunkt — , man kann sich nur auf etwas, stützen, was W iderstand leistet. A uf Schwämme können Sie sich nicht stützen. ¿Also m an m uß eine'gew isse Opposition haben, w eil man eben nur im K am pf m it der Opposition das eigene G ut und das eigene Selbst entw ickeln kann. Jede Opposition kann tödlich sein, und sie ist doch das stärkste Mittel, das Lebendige lebendig zu erhalten und auszugestalten.

Soll ich noch fortfahren? N ein, es ist genug. Also m an kann zeigen: D as Leben besteht in lauter solchen Spannungen, und der m acht die Sache falsch und ist kleinsichtig, der glau b t, er könne einen dieser Faktoren entfernen, und dann würde es besser gehen. N ein, er muß sie Zusammenhalten, er muß sie beherr­

schen. Leben ist Spannung, ist Gegensatz, und darüber hinaus: es entzieht sieh jeder Form el. N ehm en Sie den einfachsten Verein. D a ist immer etw as dahinter, das nicht durch die Form el oder die V orschrift gedeckt ist — ein Irrationales, das erfühlt und in seinem begrifflichen W iderspruch beachtet sein w ill. Man m uß cs umklammern und beherrschen!

Wenn es Ihre Zeit erlaubt, m öchte ich noch einen P unkt in bezug auf die Leitung großer U nternehm un­

gen oder Institute erwähnen.

E in sehr einfacher Satz: ¿An jeder sachlichen ¿Aufgabe hängt ein persönliches E lem ent. Alle Institute und Unternehmungen sind natürlich letzten Endes sachlicher A rt: E s soll irgend etw as gefördert werden, es soll ein D ing, sei es verbessert, sei cs au f eine höhere Stufe gehoben, und dam it das Ganze stets aufs neue miterhoben werden. W ir bekennen uns alle in diesem Sinne zu dem Satze: N avigare neccsse est, vivere neccsse non est. Aber können.w ir deswegen, w eil wir alles au f die Förderung der Sache richten müssen, von den Personen absehen? Aus sehr verschiedenen Gründen können wir das niciit. Ich w ill aber gleich als einen Obersatz über alles, w as hier zu sagen wäre, schreiben: Je w eiter eine K ultur fortschreitet, desto mehr hat sie Grund, in ihrer sachlichen .¿Arbeit .auf die Menschen R ücksicht zu nehmen.

Wiederum ein paar H auptgedanken zur Begründung; Gewiß wird die W elt durch Tatsachen regiert;

aber die Menschen werden durch U rteile regiert, und diese U rteile werden selbst zu Elem entar- und N atur­

faktoren und können daher die Tatsachen in ihrem w eiteren Verlaufe umbiegen, hemmen, ja umkehren.

Urteile, au f die Massen übertragen, 'Verden zu N aturfaktoren. H aben w ir nicht in diesem Kriege an unserem Leben und an unserer Seele lernen müssen, was es heißt, unter menschliche U rteile komm en, und was diese Urteile für- W eltfaktoren s in d ! W ie viele Armeekorps und w ie viele Schiffe bedeuteten sie! Man darf also keine Sache betreiben, ohne daß man sich fragt: W elches U rteil wird hier entstehen, w ie verm ag ich auf dieses U rteil einzuwirken, und w ie w eit ist es mir m öglich, selbst das richtige U rteil zu begründen und überall zu verbreiten ?

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15. D eze m b e r 1921. B e ric h t über d ie H a u p tv e r s a m m lu n g . S ta h l u n d E ise n . 1809

Zweitens, es ist ein alter, herrlicher Satz aus der Bibel: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“.

D ieser Satz hat zur E rgänzung: Der Mensch ist bereit, sogar zu hungern, wenn sein Geist, seine Seele genährt w ird. E r ist bereit, Opfer dafür zu bringen, wenn man bei den dinglichen Aufgaben, die man ihm stellt, für seine Seele und seinen Geist m itsorgt. Und je verfeinerter die Kultur w ird, um so notwendiger muß — und das kann uns nur eine Freude sein — den Ansprüchen der Seele und des Geistes entsprochen werden.

Ich könnte fortfahren und noch w eitere Gesichtspunkte biete», die da zeigen, weshalb die R ücksicht au f das persönliche Elem ent bei allen sachlichen Aufgaben eine solche Rolle spielt. Sie wird auch deswegen immer nötiger, w eil — ich rede ja freilich hier als ein D ilettant — auch die sogenannte mechanische Arbeit selbst allmählich für w eitere und immer weitere Kreise — w ie soll ich sagen ? — „geistiger“ w ird. D as bloß M echanische läßt sicli freilich für viele A rbeitsgebiete noch immer nicht verbannen; aber auch scheinbar rein mechanische Aufgaben werden unter den Händen denkender Arbeiter zu etwas Höherem, und vor allem

— das Gebiet der fein mechanischen Arbeit tritt mehr und mehr zurück hinter solche ¿Aufgaben, die sich nicht durch „Pferdekräfte“ erledigen lassen, sondern Interesse, Einsicht, Erfahrung, W itz und Verstand und dazu einen gu ten W illen, ja eine Seele verlangen. Die große Aufgabe eines Leitenden besteht heute darin, die sachliche Linie fest innczuhalten, dabei aber das Persönliche, das Menschliche, aufs höchste zu schätzen, dam it alle Arbeiter ; n jedem Werk zu M itarbeitern, Mitschaffenden, M itfreudigen werden. — Meine Herren, ich bin öfters schon die Strecke von Berlin bis hierher an den Rhein gefahren, u n d w enn ich dann über Bielefeld hinauskam, so sah ich Fabrik an Fabrik und m achte mir meine nationalökono­

mischen Gedanken, so g u t ich konnte, und Düsteres fehlte nicht. Vorgestern trat ein ganz anderes Bild vor meine Seele. Nocli an der Porta W estfalica lag auf der norddeutschen Tiefebene schwerer, kaum duich- sichtiger N ebel. D ann auf einm al lichtete er sich, und in dem Augenblick, wo die ersten Fabrikschernsteinc, bald zahlreich, am Rande der Eisenbahn zu erscheinen anfingen, brach eine wunderbar leuchtende Sonne hervor. D iese Sonne w irkte im w indstillen N ebel verklärend rosa m it einer Zartheit und Kraft, w ie ich sie nie gesehen habe, und sie vollendete das A\rlinder, daß diese getürm ten Schornsteine mit ihren ruhigen und doch bewegten, langgestreckten und m it den W ölken sieh vermählenden Rauchfahnen verklärt erschienen und w ie notw endig in die Landschaft komponiert, so daß dieses ganze ungeheure und ungefüge Menschen­

werk von Fabriken, Bergwerken und Schloten vollkommen und restlos cingesehmolzcii war in das von der Abendsonne m ild und farbig durchflutete Land. D ie Tränen traten mir in die Augen, und ich sa g te mir: Das soll, das wird die Zukunft unseres Vaterlandes sein, daß einmal — wann, weiß ich nicht — dieses Menschen- werk, diese Industrie und all diese ungeheuren mechanischen Kräfte m it allen Arbeitenden und m it dem Leben selbst sich so innig, so lebendig, so freudig verschmelzen werden, wie es diese Landschaft zeigte.

In diesem Sinne wünsche ich m it Ihnen allen, daß Ihr Rheinland und W estfalen und weiter unser ganzes deutsches Vaterland einen solchen Abend, der länger sein soll als sein Morgen und M ittag, erleben m öge! (Lebhafter B eifall.)

Nunmehr erteilte der Vorsitzende zu P u n k t 10 der Tagesordnung das Wort Geh. Baurat $ iv 8 n g . c- h.

Dr. phil. e. h. Emil Ehrensberger, Traunstein, zu seinem Vortrag:

¿Aus d er G e s c h ic h t e d e r H e r s t e l lu n g d er P a n z e r p l a t t e n in D e u t s c h la n d .

Im Anschluß wurden zahlreiche Lichtbilder und verschiedene Filme aus den Betrieben der Firm a Fried. Krupp vorgeführt, die den Inhalt des Vortrags ausgezeichnet erläuterten und bei der Versammlung großen Anldang fanden. Der V örträg selbst wird in „S tah l und E isen“ erscheinen.

Zum letzten Punkt der Tagesordnung: V e r le ih u n g d er C a r l- L ü e g - D c n k m ü n z e , führte der Vor­

sitzende, Generaldirektor SDrÖ^itg. A. Vogler, sicli an G eh.-R at Dr. E h r e n s b e r g e r wendend, folgendes aus:

H ochgeschätzter Herr G eheim rat! Verehtfer Herr E h r e n s b e r g e r ! Wer die großen technischen und w irtschaftlichen E rfolge Ihrer Lebensarbeit im D ienste der Firm a Krupp kennt, für den bedarf es keiner näheren B egründung, daß Sie die in den Satzungen festgelegten Bestimmungen für die Verleihung dieser hohen A uszeichnung in reichstem Maße erfüllt haben. Wenn Ihre hervorragenden Leistungen bisher weniger allgem ein bekannt geworden sind, so lag dies daran, daß Ihr Wirken hauptsächlich einem Gebiete gew idm et war, das aus zw ingenden Gründen der ¿Allgemeinheit verschlossen bleiben mußte.

Ihr außerordentlich w ertvoller \ rortrag hat nun uns und der .Mitwelt g ezeigt, was unter Ihrer Leitung und Führung in der Kruppschen Gußstahlfabrik auf dem Sondergebiet der Panzerplattenherstellung g e ­ leistet und erreicht w orden ist. D er Entw icklungsgang der Panzerplatte über die C öm poundplatte, N iekcl- flußoisenplatte, ülgeliärtete N ick elstah lp latte zur Nickelehrom stahlplatte und das bei Krupp ausgearbeitete Verfahren der Oberflächenhärtung hat dazu geführt, daß noch heute, 20 Jahre nach E rteilung der Krupp­

schen P latten p aten te, die K rupp-Platte in der ganzen "Welt einzig dastellt. N icht geringer sind die großen V erdienste, die Sie sich au f dem Gebiete der H erstellung der Geschütze und Geschosse sow ie der Torpedowaffe erworben haben. U nter Ihrer L eitung sind sow ohl die Erzeugungsverfahren des erforderlichen Stahls als auch die H erstellungsverfahren erheblich vervollkom m net worden.

Aber darüber hinaus haben Sie dem für Kriegswerkzeuge zuerst eingeführten N ickelchrom stahl ein weiteres A nwendungsgebiet verschafft für alle Zwecke, wo H öchstleistungen gefordert werden. E rst die durch die Kruppschen P a ten te bekannt gewordene W ärmebehandlung des Nickelchrom stahles hat die Stahlindustrie in den Stand g esetzt, die vorzüglichen E igenschaften dieses Stahls und ähnlicher E delstahle sicher zu erreichen.

Ferner darf ich darauf Hinweisen, daß Sie durch Einführung der großen Schmiedepressen an Stelle der D am pf­

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1S10 S ta h l u n d E ise n . B e r ic h t ü b er d ie H a u p tv e r s a m m lu n g . 41. J a h r g . N r . 50.

hämmer m it weitseliauendem B lick dem Fortscliritte der Zeit Re Mittung getragen und dadurch die H erstellung von Schm iedestücken von früher nich t für ausführbar gehaltenen A bm essungen erm öglicht haben.

D iese E rfolge haben Sie alle dadurch erreicht, daß Sie schon zu einer Zeit, da die B edeutung des W ertes der w issenschaftlichen Forschung für die praktische M etallurgie noch nicht A llgem eingut geworden w ar, die N otw endigkeit der w issenschaftlichen Grundlage klar erkannt haben. So haben Sie durch E inführung der ersten Pyrom eter in Ihre B etriebe schon E nde der achtziger Jahre die W ärm ebehandlung der Stähle w esentlich verbessert. Sie stellten ferner in großzügiger W eise die M ittel bereit, um vorbildliche V ersuchsanstalten für W erkstoffprüfungen und chem isch-physikalische U ntersuchungen erstehen zu lassen.

N ich t vergessen sei auch, daß Sie trotz Ihrer beruflichen U eberlastung noch die Zeit für technisch- w issenschaftliche ¿Arbeiten gefunden haben, w enn Sie auch die w ich tigsten E rgebnisse Ihrer E rfolge der Oeffent- lichkeit aus zwingenden Gründen nich t sofort unterbreiten konnten; m it Ihrem seinerzeit in unserer V ereins­

zeitschrift erschienenen Bericht über die Iverbschlagprobe haben Sie einen höchst w ertvollen B eitrag g e ­ liefert, der damals zum ersten Male R ichtlinien für die E inführung der K erbschlagprobe aufstellto.

So darf die deutsche E isenindustrie Sie m it Stolz unter die Männer einreihen, denen sic ihre holte Stellung und W ertschätzung verdankt. In dankbarer Anerkennung hierfür überreiche ich Ihnen die Carl- Lueg-D cnkm iinzc. Sie is t nicht, w ie in reichen F riedenszeiten, in 'G o ld geprägt, sondern aus Kruppschem nichtrostendem Stahl hergestellt, einem Erzeugnis, das während des Krieges der deutschen Stickstoffindustrie unschätzbare D ienste geleistet hat und als einer der schönsten E rfolge der von Ihnen geschaffenen Kruppschen V ersuchsanstalt gelten kann. Mit der U ebergabc der D enkm ünze verbinde ich den W unsch, daß es Ihnen noch lange vergönnt sein möge, an der W eiterentw icklung der deutschen E isenindustrie, der Sic als A uf­

sichtsratsm itglied auch nach Ihrem Ausscheiden aus der L eitung des großen W erkes noch angehören, erfolg­

reich m itzuarbeiten. (Lauter B eifall!)

Geh. B aurat Ssiw3uG -c-h.D r.phil.e.h . Emil Ehrensberger dankte darauf m it folgenden W orten: Durch die mir soeben verliehene ¿Auszeichnung bin ich in der T at außerordentlich überrascht worden. Ich erblicke freilich in ihr eine v ie l zu w eit gehende B ew ertung meiner Arbeiten, ebenso in den nur allzu schmeichelhaften W orten, m it denen unser sehr verehrter Herr Vorsitzender den Vorstandsbeschluß verkündet und begründet hat.

N icht ohne Zagen hatte ich mich seinerzeit bereit erklärt, das heute von mir behandelte Thema vor einem solchen Forum zu besprechen. L ag doch der H öhepunkt der E ntw icklung der Panzcrplattenherstellung über ein .Vierteljahrhundert zurück, so daß ich kaum hoffen konnte, Ihnen sehr vie l Neues zu bringen, ob­

gleich die Oeffentlichkeit ja über ein derartiges Gebiet nach Lage der Sache nur w enig unterrichtet sein konnte. Um so mehr fühle ich mich nun bedrückt, da Sie meinem V ortrage solch unerwartete E hrung auf dem Fuße folgen lassen. ¿Aber m it w ärm stem D ank nehme ich diese ¿Auszeichnung an, die mir als die höchste g ilt, deren ich als H iittenm anii teilh aftig werden kann, w eil sie durch das sachverständigste Urteil, durch das der Berufskollegen, zuerkannt wurde. Jedoch kann ich die mir zugesehriebenen Verdienste nicht für m ich allein in Anspruch nehm en. Ich betrachte deshalb durch Ihren Beschluß alle meine früher g e ­ nannten M itarbeiter geehrt und vor allem auch die Firm a Krupp selbst. D enn w ie jeder, der im tätigen Leben steh t und aufw ärts streb t, nur auf Dem fußen kann, was andere vor ihm erdacht und aufgerichtet haben, so war es auch mir nur vergönnt, auf den breiten und sicheren Fundam enten, au f dem w eitläufigen Gebä. de Kruppscher Erfahrungen, ein bescheidenes Stockwerkchen aufzusetzen. ¿Aber m it Stolz hat es mich immer erfüllt, daß ich meine Lebensarbeit in den D ienst der W ehrkraft unseres Vaterlandes setzen konnte. U nd wenn Sie, meine sehr geehrten Herren, aus den Geschehnissen des-K rieges trotz dessen schm erzlichen Endes die U eberzeugung gewonnen haben, daß unsere ¿Arbeit keine vergebliche war, so wird mir dadurch der erfreulichste und beruhigendste Rückblick auf meine abgeschlossene T ätigkeit gesichert.

Ich danke Ihnen herzlich. (Starker B eifall.)

Der Hoffnung ¿Ausdruck gebend, daß die M itglieder und Gäste sich auch im nächsten Jahre am gleichen O ft wieder zur H auptversam m lung einfinden können, schloß der Vorsitzende kurz nach 3 Ültr die angeregt verlaufenen Verhandlungen.

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D ie T agu n g, die auch d ieses Mal sich eiues überaus regeu B esu ch s v o n w eit über 2 3 0 0 T eilnehm ern erfreuen kon n te, fand ihren A bschluß in einem gem einschaftlichen, einfachen M ittagsm ahl im K aisersaal der Städ tisch en T o n h a lle. Im V erlau fe d es M ahles sprach G en erald irek tor ShwSJiS- «. h. V o g l e r nach w arm er B egrüßung d e r G ä ste den ein zeln en R ednern, die der H auptversam m lung durch ih re au ß erord en t­

lich w ertv o llen V orträge das G epräge g eg eb en haben, den w ied erh olten D ank d e sV e r e in s aus. In kurzen , inh altsreich en W o rten fa ß te e r nochm als die g ru n d legen d en G edanken der ein zeln en V o rträ g e zusam m en, aus denen er den leiten d en G esichtspunkt, h era u ssch ä lte, daß n u r gem einsam e tiefg rü n d ig e w issen sch a ft­

liche A rb eit zum E rfolge führen k önne; sein H och g a lt der ern sten deutschen A rb eit. A nschließend dankte E x zellen z D r. v o n H a r n a c k , indem er u n ter B ezugnahm e a u f die G edanken sein es V ortrages am M orgen die Bedeutung der P ersö n lich k eit im allgem ein en und die d es V o rsitzen d en im V erein sleb en im besonderen b eton te; sein H och g a lt H errn D r. V ogler. A ls le t z te r R edner sprach, leb h aft b egrü ß t und v ielfa ch von B eifa ll unterbrochen, D r. 2)r.»3ii0- e. h. W . B e u in e r in g ew o h n ter lau n iger W e is e auf die deutschen E isen h iitten frau en und -jun gfrau en , deren A ufgabe es sei, den H ü tten leu ten ebenso eine stark e S tü tz e zu sein w ie die Jugend zu aufrech ten und arb eitsfroh en M enschen zu erziehen.

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