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Deutsche Volksbildung, Jg. 3. Januar 1928, H. 2.

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Academic year: 2022

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z.Jahrg.Mr.2 ARIEL-Heft Januar1928

Zweimanatsschriflxherausgegebenvon GeargKerlchensceineruKarl Alexander v.Mäller Merlagvon RJVldenbaurg»Münchenund Berlin

IåljrlicljM. z.— EinzelheflM. o.75

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Bayerischer Volksbildung-Verband gegr. 1906 DemLandes-verband für freie VolksbildunginBayernangeschlossen.

Geschäftsstelle: München, Adalbertftr.15J1,Fernruf34877.

1·Vors.:Geh.Oberstudienrat, Univ.-Prof.D1-.GeorgKersche nteinerMünchen,Möhlstr.39.

Stellv. Vorsiyende: Generalintendant Clemens Frhr.v. r a ne nte i n, München.

Oberreg.-Rat,Unio.-Prof.Dr.KarlAlexanderv.Müller, Mün en.

JuristischerBeirat: LandgerichtspräsidentM. Hahn: Schriftführer: Georg Haunschild.

SchatzmeisteuDr.Alfred Rudolph, München, Bayer. Vereinsbank,Promenadestr.14.

Pressebeirat:Prof. P. N.Coßmann, HauptschristleiterDr.Mündler, dieSchriftleiter P.Ehlers,C.Freund, H.Maier,A.Noelte, Dr. O.v.Pander u.D1-.W.Zentnek.

Abteilungen:1.Volkstümliche Kunstpflege undVortragswesem Hauptl.Wahl, Landesstelle für VolksbildungundJugendpflegedesBayer.Lehrervereins,Direktor W.B obl,VolkshochschuleMünchen,undDr.Mann, Pädag.-Psychol.Institutdes Münchner Lehrervereins. Ans chrift:München, Harlachingerstr. 38; Tel. 42567.

2.Volks- u.

TugendbüchereiemSchundliteraturbekämpfung :Hauptlehrer Ell undDr· restel, Südd.Lehrerbücherei,München, Rosental 7,Tel.20869.

BestellungenvonWanderbüchereienan:Bayer.Staatsbibliothek, VeratungsstellefürVolksbüchereien.

Z.Körperpflege, Soziale und Staatsb ürgerliche Erziehung : Graf v.Luxburg,Univ.-Prof.Dr.Sauerbruch,Dr. Gertraud Wolf, Oberstudienrat Dr. Kemmer. München, Gabelsbergerstraße41.Tel.52 260.

4.Bild- und Werkkunst: HauptlehrerChristian Keller, München,Bismarckstr.Z.

WanderkunstausstellungemOberlehrer Fre ytag,München, Winthirschule.

Lichtbilderu.Lehrfilme: Oberlehrer Buckler,München, Albanistr.

5.Heimatpfle ge: Dr.O.Mainer,München, Leopoldstr. 27,Tel.36 00 43.

Veisitzer:Min.-Rat Dr.Baue rsch midt, Landtagsabg.Oberstudiendirektor Bürger, Ludwigshafen, RegierungsschulratBogenstätter, Landshut,Bürgermeister Dr.

Dolles, Lauingen,Professor Fritz Erler, MonsignoreDr.M.Hartig, Päpstl. Haus- prälatu.Domkapitular, StadtbibliothekdirektorHeld, Prof.Dr.H. Hilpert, M. d.

Oberbürgermeister Knorr, PfarrerLangenfaß, Staatsminister a.D.Dr.Ernst Müller (Meiningen),KommerzienratArtur Riemerschmid,Dr.RobertRiemer- schmid, Stadtrat Ritzer, Erlangen,AbtAlban Schachleiter, Oberregierungs- rat Schultheiß, G.C.Steinicke, Reichsministera.D.Dr.K.Stingl (Ehren- mitglied), Stadtschulrat Weigl, Amberg, Min.-Rat Dr.Ziegler u.Stadtrat Zuber.

Vertreter angeschlossener Verbände imAusschuß:

Akademischer Arbeitsausschußfür deutschen Aufbau:K· Trampler.

Arbeitsausschußdeutscher Verbände: Dr.W.Schwarz, Generalsekretär.

Bayer. Beamtenbund: RegierungsdirektorEymann, I.Vors.

Bayer. Berufsschulverband: Schuldirektor Heinrich Held.

Bayer. Kriegerbund: HauptmannFrank, Generalsekretär.

Bayer. Landesverband für

Heimat-WegeProf.Dr.W. M.Schmidu.Dr.Lüers.

Bayer. Landesverein vom Roten euzxStaatsministera.D.Dr.vonBrettrei ch.

Bayer.Lehrervereim Oberlehrer Winkle, Vors.u.J. Pflanz (Junglehrerschaft).

Bayer. Lehrerinnenvereim Oberlehrerin Elisabeth Sp aethu.Elsa Stindt, Vors.

Bayer.Sängerbund: Stadtrat, ObervermessungsratDeise nbe rger.

Bayer.Seminarlehrerverein: StudienprofessorJunkert, Pasing,1.Vors.

Deutscher Sängerbund: Geh.DberstudiendirektorDr.Hammers chmidt.

Deutscher Seeverein: FregattenkapitänTeichmann, Geh. KommerzienratZentz.

DeutscherSprachverein: Dr.Ri ed ner, Gen-Direktor derstaatl. Archive Bayerns Deutsch-Nationaler Handlungsgehilfenverband:LandtagsabgeordneterL.Frühauf.

Eucken-Bund undJeanPaul-Gesellschaft:Dr.WilhelmvonSchramm.

Fichte-Gesellschaft: Exzellenzvon Mülmann, I.Vors.,GauBayern.

Frünk. Sängerbund:Justizrat Morhard, EichstättundSchulrat Mey erhöfer.

HauptverbandBayer.Frauenvereine:Luise Kieß elbach,Stadtrat München,1.Vors.

Landesoerband BayerndesVereins f.d.DeutschtumimAusland: Frhr.v.Witzleben.

Landesverband derBayer. Staatsbeamten u.Landesverband derBeamten bayer.An- stalten f.Wissenschaftu.Kunst:Prof.Dr.Leisewitz, l.Vors.

Landesverband derBildungsbeamtenBayerns:HauptlehrerA. Scherbauer, 1.Vors.

Münchener Volksbildungsoereim VerwaltungsdirektorA.Kling,Generalsekretär.

PfälzischerVerband für freie Volksbildung: Verbandsleiter F. Hartmann.

Schwäbischsbayer.Sängerbund: Studiendirektor Pflanz, Augsburg,1.Vors.

Verband Bayer. PhilologemOberftudienratDr.Nik.Wührer,I.Vors.

Verband derFachlehrer für Musikandenhöh.Lehranstalten Bayerns: Prof.Gößler.

Verband derLandgemeinden Bayerns: Direktor Thoma. [Dt-. Lunckenbeim Vereinigungfür VolksbildunginAnsbach: OberbürgermeisterDr.BorkholderU.

Vereinigung für Volksbildung Freising: Studienprofessor Jos. Gs chwind, 1.Vors.

VereinBayer.Philologem ProfessorDr.Büttner u.OberstudiendirektorDr.Jobst.

Volksbildungsverein Landshut: Bez.-SchulratFranz Gierster, l.Vors.

VolkshochschulsVereimUniv.-Prof.Dr.Gallingeru. Univ.-Prof.Dk.Rothenbücher.

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DeutschelüatljricljtenblaltdesBayerisafenVolksbildungMollsbilbungsberbandes

Herausgehen Geh.Dberstudienrat, Univ.-Professor Dr.Georg Kerschetp steiner und Oberreg.-Rat, Univ.-Prof. Dr.Karl Alexander von Müller.

Mitarbei ter:OberfchulratDis.WilhelmRoh niede rundHauptmann a.D.vo n Witzlebe nfürdenLandesverband BayerndesVereinsfür das DeutschtumimAusland, DberstudieiiratDr.E.Kem m e rfürdenLandesverband Jungbayern,Prof.E. Wolf für den Bayer.BeamtenbUnd,OberstudienratDr.W ühr er fürdenLandesverbandder bayer·Staatsbeamten, OberlehrerDr.·Stke·hIet,VekasWissenschaftlicheHauptstelledes Bayer. Lehrervereins, SchuldireltorReiß,BildungsausschußderbauenGemeinheheamten»

Schriftleitun g:G eorg H aunschild, München,Giselastr.28-0.Fernspr.34877.

z.Jahrgang Heft Januar1928

Inhalt: DasgeistigeVerniächtnis Lagardes. S.85 JLagardeüberKultur undBildung.S.38, GotteögnadentiiinundAlltag.S.41 -Vollsbildungs-Rundichau. S.44JDeutsche Nationalerziehung.

S.46,AkheitfürdasGrenz-S.und49JAuslanddeutschtum.Bollstilniliche Kunstpflege.S.47lVollslehrkurfe.S.53. S.58JBücherfchau.

Das geistige VermächtnisLagardes.

VonDr.Richard Breitling1).

Das eigentlicheLebenswerk PauldeLagardesbestehtinseinemWirken alsnationaler Publizist. MitseherischemTiefblickschauteerin dieZukunft desdeutschen Volkes,alssein großerAntipodeBismarckimJahr1870-71 diedeutsche Einheitvollendet hatte. DiesesEreignis-riefvonneuem die po- litischen, wirtschaftlichenundkulturellen Gedankenin ihm wach,dieschon zwei Jahrzehnte zuvorhinter seinerStirne kreisten:erwurde vom Gelehrten zumleidenschaftlichen politischen Publizisten,der.über denwillensgewaltigen Schöpferdesneuen Reiches hinausstrebte,um sein unsterblichesErbe zu voll- enden.

Aber derfeurigenationale Geist,derLagardeerfüllte, seine hohen, edlenGedanken,mitdenen erdemdeutschenVolkeeinenWeg wies, aufdein es feineMission erfüllen könnte,wurden grausamtotgeschwiegen.Seine Stimme wurde übertönt vom lauten Freudenschall seinesfiegreichenVolkes.

Undselbst heute,wo fovieles erschreckend wahr geworden ist,was ervor- aussagte, haben seine Jdeen nochnichtdieBeachtung gefunden,diesiever- dienen würden.

Man kanndieungeheure Fülle dieser Gedanken,dieletztenEndes alle demAufbaueines mitteleuropäischenStaates gewidmet sind,nur dannver- stehen,wenn man soindieTiefezudringen vermag, daßdie»Deutschen Schriften-«alsorganische Einheiterscheinen.Umdieses Zielzuerreichen, genügtesnicht,nur von GipfelzuGipfelzuschreiten.Man mußdiegrund- legenden Anschauungen Lagardesüberdas WesenderGeschichte,undder Religion,kennen. über dieBegriffeNation undStaat,über dieIdeedesDeutschtums

Dann erstwirdman dasGoldglänzen sehen-

1) Vgl. auchmeine soeben erschienene Schrift:LagardeunddergroßdeutscheGe- danke, UniversitatsverlagsbuchhaiidlungWilhelmBrauniüller,WienundLeipzig1927.

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DastiefeWortJakobBurkhardts, daßdieRichtungganzer Zivilisationen davon abhängen könne,obein außerordentlicherMensch gewisseSeelen- spannungen erstenRanges in gewissenZeiten auszuhalten vermöge, ist wohldietreffendste Deutung der Mission Lagardes undstellt ihnin die stolze ReihederGenien,diesichdieFackeldesLichtes reichenvonJahrhundert zuJahrhundert. Jn jenem materialistischen Zeitalter nachderReichsgründung war Lagardeeinerderwenigen,die denGlauben andenGeistzurGrundlage ihresWeltbildes erhoben. Esist entscheidend füralleseineReformvorschläge, daßerniedieÜberzeugung verlor,man habedieUrsacheallergroßen histo- rischen Erscheinungenineiner überirdischenKraftzuerblicken. Erleugnet, daßdieMenschheitsgeschichteeinsinnloses Wellenspiel sei: sie istdasewige Aufleuchtendesgöttlichen Geistesund hateinirdischen Augen verborgenes Ziel.

Wenn LagardedieJdee derNation neben dieIdee derMenschheit stellt, so geschiehtesin demGlauben, daßeinpolyphoner Chorvon Völkern zuerstreben sei,deren Einzelschicksale sichzueinem planmäßigen Ganzen zusammenfügen.DerPatriotismus Lagardes ist durchaus univerfalundsein Zweck istder desMenschengeschlechtes überhauptimSinne derWissenschafts- lehre Fichtes.

Aus derÜberlegung, daßdieMenschheitein Gedanke Gottes sei,leitet Lagarde nichtdiepolitische Gleichheitaller ab,wieesRousseau getan hat.

Für ihn bestehteineNation nichtausderMasse,sondernausderAristokratie desGeistesimSinne desRomantikers FriedrichSchlegel.DerInhalt seines Nationalitätsbegrifss istdasReligiöse,die Volkheitindemvon Goethege- deuteten Sinn. Darin ist Lagardeengverwandt mitAdam Müller,derdem Begriffder Nationalität zuersteinen bestimmtenSinn zugebenversuchte, unddieBeseelungdespolitischenLebens forderte.

Diese Einflüsseder nationalen Romantik aufdieJdeenwelt Lagardessind ganzentscheidend.Sein Sinn für ehrwürdigeTradition undseinGlaube an die MachtderFamilie sind ohne ihren Einfluß nichtdenkbar. Auch Jakob Grimm und Friedrich Rückert haben an dem nationalethischen System Lagardes gebaut.DieWürdigungdesRechtesderTradition undSitte, des Jnstinktes und der triebartigen Empfindungen, derwir bei Lagardebe- gegnen, istwohl ohnedieJdeenwelt Edmund Burkes nieganz zuverstehen.

Nicht zuletzt sindesGörres, Schleiermacher,Novalis undHumboldt gewesen, die LagardeingewissemSinn zum Romantiker gemacht haben. Der von Lagarde verteidigtePrimat desJndividuums gegenüberStaat undNation, dieZurücksetzungdesStaates hinterdie Nation sind Jdeen, diedeutlich auf Humboldt und Novalis zurückweisen. Bedeutsam istdabei die oftver- gesseneTatsache, daß Lagarde sichderWesensgrundlage desStaates völlig bewußtwar: derErkenntnis, daßdas Wesendes Staates dieMacht ist.

Einen breiten Raum nimmt inderJdeenwelt Lagardes dieForderung ein,alle Deutschenineinem mitteleuropäischenStaat zusammenzufassen.

DieFürsorge fürdiebedrängten DeutschenimOstenundderGedanke einer umfassendenSiedlungspolitik imOstenundSüdosten,bilden denKernpunkt seiner großdeutschenJdeen. Die geographische LageinderMitte Europas istdabei einer der Hauptgründe, aufdieLagardesich stützt.Erdachtedie Gedanken weiter,dieseit ListunddemMoltke der40erJahre inderLuft 36

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liegen-,von H.v.Gagern, Paul Pfizer·, Konstantin Frantz, Julius Fröbel und vielen anderen ähnlich ausgesprochen wurden,um inden Plänendes österreichischenMinistersBruckzum Gipfelzusteigen:einen mitteleuropäi- schen Zollverein mit der Ausmündung aufvier Meere und überseeische Räume hinauszuschaffen.

Jndiesem Zusammenhanghat Lagarde sein Ideal einesneuen Deutsch- tums entwickelt. DerGedanke, daßdieZukunftderGeschichteandenEinzel- persönlichkeitenhänge, leuchtetinimmer neuen Zusammenhängenbeiihm auf.Aus deneinzelnen,nur Gottgegenübergestellten,inder Weltnur den WiderscheinderEwigkeitliebenden Seelen, so glaubter,werde dieZukunft erstehen. Den Wegzudiesemneuen Menschentum erblickte er ineinem neuen Ethos:»denKindern Gottes zudienen, aufderen Stirne dieKlarheit desHimmels leuchtet,wiedenschwer Lebenden,in denendasLichtnur selten aufblinkt«.Wie Nietzscheerkannte Lagarde,daßman im SpiegelderVer- gangenheit wohl sehen könne, daßdasdeutsche Wesen sich noch nichtreinent- wickelt habe, daßman jedochdereigenenKraftvertrauen müsse,um sein Wachstumzufördern. Ein Bund von großgesinnten Menschen solltedie Erfüllung jeneruralten Sehnsucht nacheinem gefchlossenen deutschenMen- schentypvollenden helfen,derdasTiefstederdeutschenSeele ausprägtein sichtbarer, greifbarer Gestalt.Dietiefere historische Bedeutungeinessolchen Bundes erblickteLagarde darin, daßerdieneuen Gedanken durch Jahrhun- derte lebendig erhaltenunddadurcheine gewisseTradition undeineneue Atmosphäre schaffenwürdefürdieZeit,inwelcherderendgültigeAufbau vollzogenwird. Jhmschwebteine Übergangsperiodevor,dieverwandt ist mitdemderReichsgründung vorangehenden Jahrzehnt. Lagarde erstrebte eineähnliche geistigeundethische Arbeit,wiesiederNationalverein leistete undsichmitderErziehungder Nation zuEinheitundVerfassungs-lebeneinen bedeutenden Anteil anderGründungdesvon andern Männern geschaffenen neuen Reicheserwarb.

«

Jn diesem Entwicklungsprozeß,der zurLösungdergroßdeutschenFrage führen soll, sieht Lagarde unendlichvielvon denMännern abhängen,die den Staat lenken. Siesollen daher schon früh auf dieses Ziel hin geschult werden, was ihmnur möglich scheint durcheine durchgreifendeSchulresorm,deren innerstes Wesendarin besteht, daß gegenüberderheutigen einseitigenAus- bildungdesJntellektes dieCharakterbildung mehrinVordergrund gerückt wird. Denn unter Bildungversteht LagardenichtdieMengedesWissens, sonderndasReichdersittlichen Werte,den AdelderGesinnung,dieStärke desCharakters-.Dabei hatte LagardedieÜberzeugung,daßeine Universal- bildung nicht mehr möglichundnicht mehr nötig sei.Aus seinem Begriff derBildung istesauchzuverstehen, daß Lagardeinseiner individualistischen EinstellungdieGefahrderEinseitigkeit gegenüberderGefahrderHalbheit einer universalistischen Einstellung fürdiegeringere hieltundwie Goethe allesdaraufankommen sah, daßderMenschetwas ganzentschieden verstehe, vorzüglich leiste,wie nicht leichteinanderer in dernächsten Umgebung.

Seine Jdeewar,daßderCharakter durch einseitige SchulungderFähigkeiten nicht geschwächt,sondern eher gestärktwürde,und daßderWegzueinem gemeinsamen nationalen Ideal überdieAusbildungderIndividualitäten führe.Die Charakterbildung gegenüberderintellektuellen Ausbildungin denVordergrund zurücken, schien ihm besonders wichtig, weilerglaubte, 37

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daßdieAufgabeder neuen Epoche wesentlichdarin bestehe, möglichstviele MenschenzuEharakterenzuerziehen.

Lagarde wollte, daß seine,,Deutschen Schriften« nichtnur derErkennt- nis dienen,sondern praktische Wirkungenausüben sollen.Aber er mußte, ähnlichwie Lassalle, diejenigen,dieer ausriefund führen wollte, zuerst wecken. Er wurde nichtwie Lutherund Bismarck von einem mächtigen Strom getragen, dessen Entwicklunger hätte beeinflussenkönnen. Seine Aufgabewar diedesgeistigen Bahnbrechers, derähnlichwie Goetheeinen Lichtscheinzuwerfen hatte aufdenWegdesGeschlechtes,dasvom Dunklen in dasHelle strebt.Selten wohl hateingeistiger Führerinsolcher Gelassen- heitwieLagardedas Los desVorläufers getragen, zuwissen, daßerdie Glocken desDomes nicht mehrwerde läuten hören,an dem ermitbaute.

Was Lagardeuns heutevor allem zusagen hat, istdieTatsache, daß dietiefe politische Müdigkeit,die wie derbetäubende Dufteiner Narkose überDeutschland lagert, verscheucht werden, daßderZerfall höherer Jdeale, deren Einfluß bedenklichimAbnehmen ist, aufgehalten werden muß.Mit derganzen glühenden Leidenschaftlichkeit seines Wesens hat sich Lagarde dagegen gewehrt, daßdasBleigewichtdermateriellen Interessen jede höhere Jdeeersticktundjedes jenseitige Gefühl auslöscht.Erwußte, daßeskein tödlicheres Gift füreinVolkgibt,alsdenVerlustderEhrfurchtvordenüber- irdischen Mächten.Darum kämpfteer bis zum letzten Atemzug für jene neue geistige Haltung,dieausgedrücktistinseinem berühmtenWort: »Möge Deutschlandnieglauben, daßman ineine neue PeriodedesLebens treten könne, ohneeinneues Jdeal!«

i

Lagarde über Kultur und Bildung.

(Aus der Schrift: Über die gegenwärtige Lage des Deutschen Reiches, geschriebenimHerbst 1875.)

FragenwirnachderdeutschenNationalität unserer Tage, so fragenwir nachdemJdeal derDeutschen unserer Tage.

EineAntwort auf diese Fragegibtesnicht,denn einsolches Jdeal ist nicht vorhanden. Unddarum gibtesauchkeinedeutscheNationalität.

JchbinnachtsamMeeredurchdie Dünengewandelt:imSande knirschte undfraßdieharte, kurze,ebbende Flut: derSeewind seufzteimRied,aus demder Schreides aufgescheuchten Seevogelsemporfuhr, um sofort jäh in demweiten Schweigenzuversinken.Jch habein gluthellem Mittags- lichte selsigstes Hochgebirge durchstreift,woPans Schlafdie Seelesoängstigte, daß unwillkürlichder Mund liebe Namen rief,um ihrdasGefühlderVer- lassenheitzunehmen. Aberwas istsolche EinsamkeitdesOzeansundder Alpengegen dieEinsamkeit,diejetztmitten imGewühlederMengealle umfängt, welche, Söhne alter, versinkender Zeit, Bürger einer künftigen Welt, mühseligenTrittes undschweigenden Mundes, zubessererArbeit un- geschicktund unberufen,Ährenund Ährchenlesenzum Gebrauche fürGottes Kinder imWinterschnee,zurAussaat fürden ach, so fernen neuen Tag, dersich ja freilichmitseinen breiten, goldenen Wogen prächtig Bahn brechen, den aber desjetzttändelnden undsich anlügenden Geschlechtes nichteiner erblicken wird. Gäbeeswenigstens Verschworeneunter uns, einen heimlich 38

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offenenBund, derfürdasgroße Morgen sänneundschaffte,undan den, wenn ihn auchindiesenumgekehrten PfingsttagendieMenge nicht verstehen würde,alle sich anschließen könnten,deren unausgesprochenem Sehnen er dasWort böte! Gäbe esdann und wann imVaterlande füreinwarmes Herzeinwarmes Herz, Hände,diemithülfenzumWerke, Knie,diesichmit- beugten,und Augen,die mitemporblicktenzudesVaters hohem Hause.

Wirsindesmüde,mitGeschaffenemund Gemachtem abgesundenzu werden:

wirwollen Geborenes, um mitihmzuleben,Duum Du. AberderGeist ist noch nichtüberHeideund Halde gefahren:dieKeime träumen noch,und niemand weiß,anwelcherStelle sieträumen. Larven huschen herundhin, christlich, jüdisch, hellenischvermummt, aufder Wetterscheidedes Gebirges zwischen TagundNachtimEhebrucheder Güte mit demBösen erzeugt, ungreifbar und Greifens unwert, unheilbar und unerziehbar,weil nur Schemen, dieBeute der Sonne und der Winde,—- wenn die Sonne nur scheinenunddieWinde nur wehenwollten.

Das Prisma zeichnetin unerbittlicher WahrhaftigkeitseineBänder undLinien: imfernstenSterne nichtsalsWasserstoff, Eisen, Magnesia: auch dortnichtsalsdie innutzlosem Spiele sich gattenden Elemente derErde,die uns trägt: langweilige Gesellschaft, auf Befehl sich verbindend,und aufBe- fehlsichtrennend. UnddieElemente derGeschichte,dieMenschen, ich, du, wiralle, jeder einzelnevon uns, wirwachen nicht auf, jedereineigenes Selbst, undje eigeneres Selbstein jeder wäre, desto harmonischer einklingendin denChorderGeister,derzudemstetsinweitere Höhe weichenden, stetszu brünstigerem Sehnenlockenden Gotte desAlls emporflöge.

Kultur istkeinJdeal füreinen einzelnen,undebensowenigeinIdeal füreinVolk:demeinzelnenundganzen Nationen KulturalsJdeal empfehlen, heißtbeiden gestatten ohne Jdealzusein.

DereinzelnewirdseinLebenlangdiePflicht haben,anderen zudienen,

woerkann,unddiesedienende Liebe isteinsderMittel, durch welcheersich bildet. AberderZweck seines Daseins ist lediglich der,demGedanken Gottes, welcherinihmundnur inihm liegt,zur vollen Darlebungzuverhelfen, ganzerselbstzusein, freivon allerSklaverei, sowie Gottihnwollte. Alles übrige gehtGott an.

Kultur imhöheren VerstandedesWortes ist dazu so gutnur Mittel,wie Kultur im niederen Sinne nur Mittel undnicht ZweckdesphysischenLebens ist.Die Kultur als Selbstzweckansehen, heißt Götzendiensttreiben, heißt Sklave sein,

Wasvom Individuum, gilt auchvonden Nationen. Denn auchNationen findPersönlichkeiten,undhabeneineIdee,welcherzulebenihre alleinige Pflicht ist.

Kultur istdieGesamtheitdesirdischen Materials,desdauernd erworbe- nen Könnens undderfestgewonnenenEinsicht früherer Zeiten,mitwelcher dieMenschheit,dieNationen, dieeinzelnenarbeiten. Kultur hatgarkeine Beziehung ausGott: mindestens hat sieeinesolche nichtalsfertige, sondern einmal alswerdende,sodannalsfürneue Zieleverwendete. Kultur als Ideal derMenschheitoder eines Volkes ist so passend gewählt,wie das Farbenreiben undPinselauswaschenpassend wäre,dasIdeal einesMalers zusein,oderwieman denMistalsJdealderLandwirtschaft betrachtenkönnte-

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Kultur isteinGut,wieindividuelle BegabungundpersönlicherReichtum Güter sind.EthischesLeben bestehtabernichtimBesitzederKultur,der Begabung,desReichtums, sonderninetwas ganzanderem: eskommt nicht auf jene drei, sondern aufdasan,was mittelst jenerdreigearbeitet,geschafft undgewordenwird. DaswirklicheLebeneinerNation fängtgenau da an, wo esnachderMeinungderLouis-Philippisten aufhört.

Wenn man bitter sein wollte,könnte man fragen,obesdennindem ganzen weiten Deutschlandkeine Seele gibt,dieEinspruchgegen dasGlück erhebt,Erbin von fünfundmehr Jahrtausenden zusein? Keine,diefühlt, daß dieserüberkommene Reichtum uns arm macht,weiler uns erdrückt, weileruns fast nötigt, nichtwirselbstzusein? Keine,dieeinsieht, daßetwas wenigerKultur rechtvielmehr geschichtliche Kraftbedeuten würde? Was helfenderNation diese Buchhalter-und Magazinaufseherexistenzen, welche wirGebildete nennen, die, unfähigden notwendigsten Besitz—- Freiheit, Einheit, Religion auchnur zuvermissen,inBewegung immer erstzu bringen sind,wenn irgendjemandanihnenvon vorne zerrtundzugleicher Zeitvon hinten durch seineBedienten schieben läßt? —-

Jch sehenur einen WegderRettung. DerStaat unddie Nation müssen ausallen densoeben ausgeführten Erwägungen ausdrücklichundmitvollem Bewußtsein aufgeben,demPhantome einer allgemeinen Bildung, noch dazu demPhantome einer verlebten Epochen angehörigen Bildung nachzujagen, undsie müssendenMut haben,denöffentlichen Unterricht, soweiternicht lediglich auf persönlicherLiebe ruhender Elementarunterricht ist, aufdas Prinzip zugründen, aufdemallein alles öffentlicheLeben ruht,aufdas Prinzip derPflicht.

Richtetman Fachschulen ein, so stelltman dieJugend ohneweiteres indiePerspektive ihrer dereinstigenLebensaufgabe,undso gewißimLeben nichtam wenigstenderLebensberuf erzieht, so gewiß erzieht auchdieernst genommene Aussicht auf ihn. So gewißdieIdeeüberhaupt erzieht, so gewiß erziehtdieJdeedesStandes, welchemman ein Leben langanzu- gehören vorhat.

Man wirdsich vergegenwärtigen müssen,daßderMittelpunktdesmensch- lichenLebens dieBerufspflicht ist,und daßdarum dieSchulen auf diese- Berufspflichtvorbereiten,undselbstdasLeckerste beiseite lassen sollen,wenn esmitdieserdereinstigen HauptsachedesLebensihrer Schüler nichtinun- mittelbarem, deutlicherkennbarem Zusammenhange steht.

Das Gesundeftewas wirinDeutschland haben,dasHeer,wirdsozusagen nur inFachschulenerzogen. Eslernt,was esbraucht, ohne irgendwelche allgemeineRedensarten: und esmuß lernen,was esbraucht. Werinihm dasnicht leisten will,was erzum BestendesVaterlandes leistenmuß,wird rücksichtslosbeseitigt.

Wirerhalten dadurch allerdingseinseitige Menschen,dieaberwirkliche Menschen, nichtStänder sind,andenen man denTrödel früherer Jahrhun- derte aufgehängt hat,und die, falls sieeinmal irgendwarum dasBedürfnis nachweiterer BildungunddieFähigkeit siezu erwerben fühlen, diese Bildung sich schonzuverschaffen pflegen,undsie sich leicht verschaffenkönnen, dasie auf eigenen Füßen stehenund ineigenenSchuhengehenund darum zum Zielezukommen wissen.

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