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Deutsche Volksbildung, Jg. 2. Februar 1927, H. 3.

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deuHEbe Volksbildung

——————-——————-—————-—

L BalerMr. z Pestslszzkskat Februar1927

Zweimonatsschriftx herausgegeben

von

Georg Kerlchensteiner

uKarl Alexander v.Mäller

Verlag

van

R.Ol6enbaurg

«

München

undBerlin

ZährlichM. z.— EinzelhefiM. o.75

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Bayerifcher Volksbildung-Verband gegr. iooo Geschäftsstelle:München, Giselastr. 28Jo,Tel.34877,Postscheck4330.

1.Vors.:Geh.Overstudienrat, Univ.-Prof.Dk.Georg-Ierf chenteiiier,München,Möblftr-89.

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2.Volls- u.

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BestellungenvonWanderbücherelenan:Bayer.Staatsblbliothel, BeratungsftellefürVollsbüchereten.

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4.Bild- undWerktunst: HauptlehrerChristian Keller, München,Bismarckstr.Z.

Wanderkunstaiisstelliingen:Oberlehrer Fre htag, München,Winthiktchule·

Lichtbilderu.Lehrsilme: Hauptlehrer Buckler, München, Albanistr.2.

Veisiyeu LandtagsabgeordneterOberstudiendirektorV urger, Ludwigshafen, Re ierungs- schulrat Bogenftätter,Landshut,BürgermeisterDr.D»olles,Lauingen, rofessor FritzErl er,MonsignoreDr.MHartig, Päpstl. Hauspralatu.Domkapitular, Stadt- bibliothekdirektor Held, Prof.Dis.H. Hilpert, M. d.L» OberbürgermeisterKnorr, PfarrerLangeiifaß, Staatsministera.D. Dr.Ernst Müller (Meiningen), Kommer-

genratArtur Riemerschinid, Dr.Robert Riemerschmid (Deutsche Stunde in ayern),Stadtrat Ritzer,Erlangen,Abt AlbanSch achleiter, Stadtfchulrat Weigl, Amberg, Oberreg.-RatDr-.Ziegler (Staatsmin. f. Soz. Fürsorge)u.Stadtrat Zuber.

Vertreter angeschlossenerVerbändeimAusschuß: -

AkademischerArbeitsausschußfür deutschen Aufbau:K.Trampler.

Bayer. Veamteiibund: Oberregierungsrat Ehmann, l.Vors.

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Bayer.Lehreroereim OberlehrerWinkle

,Vors·u.W.Va u ma n n(Junglehrerschast).

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Bauer. Süngerbund: Stadtrat, ObervermesfungsratDeisenbe rger.

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Deutscher Seeverein: FregattenkapitänTeichmann, Geh.Kommerzienrat Zenk.

Deutscher Sprachverein: Dis.Ried ner, Gen.-Direktor derstaatl. Archive Bayerns.

Deutsch-Nationaler Handlungsgehilfenverband: LandtagsabgeordneterL.Frühauf.

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Verband Bayer.Philologen:OberstudienratDr.Nik.Wührer,1.Vorf.

Verband derFachlehrer für Musikandenhöh.LehranstaltenBayerns: Prof. S chause.

Verband derLandgemeinden Vaherns: Direktor Thoma. ·

Verband Volkskraft: OberstleutnantA.Hört. OberarztDr.Lunckenbeiii.

Vereinigung für VolksbildunginAnsbach:OberbürgermeisterDis.Borkholder u.

Vereinigungfür Volksbildung Freising: Studienprofessor Jos. Gs chwind,I.Vors.

VereinBayer.Philologen: ProfessorDr.Vüttner u.OberstudiendirektorDI-.Jobst.

VolksbildungsvereinLandshut:Bez.-Schulrat FranzGierster, l.Vka.

Volkshochschiil-Verein:Univ.-Prof.Dr.Gal lingern.lIniv--Prof.Di-.Rotbe iib üche- r.

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DeutscheVolksbildung

Herausgeber: Geh.Oberftudienrat, Univ.-Professor Dr.Georg Kerschens steiner und Oberreg.-Rat, Univ.-Prof. Dr.Karl Alexander von Müller.

Mitar beiter:OberschulratDr.Wilhelm R ohin ede rundHauptmanna.D.vo n W itzlebe nfürdenLandesverband BayerndesVereinsfürdasDeutschtumimAusland, OberstudienratDr.E.Kem mer fürden Landesverband Jungbayern, Prof.E.Wolf fürdenBayer.Beamtenbund,Oberstudienrat Dr.Wühr e rfürdenLandesverband der bayer.Staatsbeamten, OberlehrerDr.S trehler,BerufswissenschastlicheHauptstelledes Bayer.Lehrervereins, Schuldirettor Reiß,Bildungsausschußderbayer. Gemeindebeamten.

s.Jahrgang z.Heft Februar1927

Inhalt: JohannHeinrichPestalozzi.S.69.JBildungderMenschenzurWahrheit. S.76.,Volks- bildungundsoziale Kultur. S.79.lDiehyoienische Volksbelehrung. S.81.-DasGrenz-undAus-

"landdeutschtuni. S.As.lVereinfürdasDeutschtumimAusland. S.85.-Volksbilduiigs-Rundschau·

S.AS.-MünchnerVolksbildungsvcrein. S.88.-DeutscherSprachverein. S.SO.-DeutscheMeister- bund. S.92.lVortragslisten. S.93.lBiicherschair. S.94.lBolkstiirnlicheKunstpslege.S.103.

Johann Heinrich Pestalozzi.

s17.Februar 1827.

Von Univ·Prof. Dr.Georg Kerschensteiner.

Wasistes, dasdenMenschen groß machtüberalleZeitenundRäume hinweg? Sind esseineTaten und Werke oderistessein bloßes geistiges Sein,dieVollkommenheit seines Wesens,dieSittlichkeitseiner Gesinnung?

Sind esdieGedanken,dieerderMenschheit schenken,oderdasBeispiel, daserihr geben durfte? JstesdasOpferdesLebens,daserinseinenVer- suchenzurVerwirklichungeiner großen Idee dargebracht hat? Somag sich indieser Zeitder hundertjährigen Wiederkehr desTodestages Pestalozzis garmancher fragen,derPestalozzisLeben und Wirken kennt, seineStärken undseine Schwächen, seine Erfolgeundseine Fehlschläge, sein Gefeiertsein aufderHöhe europäischenRuhmesundseine Verlassen-undVergessenheit, daeralsAchtzigjährigerauf seinem geliebten NeuhofzumletztenMale im

»Schwanengesang«von seinemLeben und Wirken redet.

Je mehrwirheuteindieTiefe seinerGedankengänge hinabsteigen, um so mehr wächstseinepädagogischeGestaltweithinausüberdieVolks- schuleundindas gesamte Bildungswesen hinein. Jesorgfältigerwirdie Wirrsale seines Lebensganges durchmustern,destodeutlicher sehenwir durchalle Dunkelheitenund Zersplfttekthelteneines OftspUUkatIschCU Wollens denständigwachenpädagogischenEoshindurchleuchten. Jnseiner unendlichenGütewiller denMenschen,diedamühseligundbeladen sind, Erlösung bringen, Erlösung durchdie eigene Kraftdesinihnenschlummernden

göttllJckäeäekIexåanlickgewinnenin dieMannigfaltigkeitseinerliterarischen Arbeiten, die sich keineswegsbloßapfdas lpezmschpadagogischeGehiet beschränken, sondern sichebensomitStaatsgesetzgebung,StaatspolttiL Volkswirtschaftsfkagen, VolkssittnchketpReltgwns-JMd Kulturphtlojvphie befassen, desto deutlicher sehenwir,wie durchAllseinDenken nndSinnen,

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ihm selbstvielleicht nichtimmer gegenwärtig,nur einGedanke geht:Vater der VerlassenenundRetter derArmen zuwerden.

Und je genauerwir die Schul-und Erziehungsverhältnisse kennen, indenen das Landvolk derSchweizerkantonalen Oligarchien lebte, desto größer erscheintdie hingebende Tat dieses bevorrechteten Kindes eines Züricher Stadtherren.

Wiekein anderer in derGeschichtederPädagogikdesAbendlandes besaß Johann Heinrich Pestalozzi zwei Grundzügedespädagogischen Wesens,die schenkendeLiebe unddieimmer wieder verzeihende Güte. Siesindnicht hinreichendfüreinen Pädagogen,aber erexistiert auch nicht ohne sie. Jn allen Gestaltenund Wandlungen seines schicksalreichenLebens brechen sie durch.Wasimmer erplantundbeginnt,wieerauch seinen eigenenLebens- weg gestaltet,immer ist sein Handeln auchmitbeeinflußtvom Gedanken an dieHilfe,dieer andern bringenkann.

·

AlsderzwölfjährigeKnabeinseinemFerienaufenthalt beimGroßvater inHöngg seinen Spielkameraden undehemaligen Schulfreund Ernst Lugin- bühl besucht,derihn schweigendmittraurigem Trotz hinter seinemWeb- stuhl empfängt,daschneidet ihmderVergleich seiner bevorzugten Lagemit der Trostlosigkeit dieses Weberdaseins das Herz entzwei. Erverläßt ihn, suchtdasLiebste,was er besitzt,aus seinem Koffer,einsilberbeschlagenes Testament, das Erbstück seiner Mutter, kehrt zurückund legtesschüchtern dem FreundeaufdenWebstuhl. DieserabervollHaß schleudertesausden Boden und stampstesmitbeiden FüßenindenLehm.

Acht Jahre spätertreibt esihn trotz bestandenen Theologenexamens aufdenPfarrberuf zuverzichtenundderRechtswissenschaft sich zuzuwenden, um späteralsAnwalt derBedrängtenundEnterbten derMenschheitdienen zukönnen und als glühenderVolkstribun die Rechteder Menschheitzu verteidigen.

Dasneue Zielwirdnichtzu Endeverfolgt.Die Liebe zu Anna Schultheß läßt ihnden BerufdesLandwirtes erwählen.Ersoll ihm nicht bloßeine selbständige Existenz sichern. In seiner Musterwirtschaft ausdem Neuhof am Birrselde hofftervielmehr,denverarmten Bauern denWegzuzeigen, wiesieaus eigener Kraft ihr Menschenlos würdiger gestaltenkönnen.

AlsdasNeuhofunternehmen zuscheitern begann, suchteerzunächstin dem Gedanken Rettung, den Hofineine Armenerziehungsanstalt umzu- wandeln,dienicht bloßals»Jndustrieschule«sich selbst erhalten sondern auch weitgehende Erziehungsaufgaben inundmitdergewerblichenArbeit lösen sollte. JndenEphemeridenJselins veröffentlichterdarüberseineGedanken.

Alsauchdieses-Unternehmen Schiffbruchlitt und er,völlig vermögenslos geworden,inder Schriftstellerei seinen Lebensunterhalt suchen mußte, gibt erinseinem Erziehungs-Roman LienhardundGertrud in derSchilderung derJndustrieschuledesDorfesein Bilddessen,waseran demNeuhose hatte schaffen wollen.

. , «

DaumdasJahr1780dieTagederVerzweiflungüberihnhereinbrechen,- hält ihn sein Freund Jselin aufrecht.Ergibt ihmdenTrostunddieHoffnung, daßerauchalsSchriftsteller seinem heißenVerlangenwerde folgenkönnen die NotderArmen zu lindern. DieGewalt desWortes werde andenver- schlossenen Herzenderer rütteln,dienach GeistundStellungvin derLage·

sindden Verlassenenzuhelfen. Den Austaktdernun folgenden achtzehn- 70

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jährigen Schriftstellertätigkeitbilden pädagogische Aphorismen, die der bereits VierunddreißigjährigeimJahre 1780inJselinsEphemeriden unter dem Titel »Abendstundeeines Einsiedlers« erscheinen läßt.Sie werden trotz ihrerGlutnicht beachtet.AberschoneinJahr später erscheintderl.Teil des pädagogischenRomans Lienhard und Gertrud, derweit und breit größtes Aufsehen erregt,Iunddem nun bis zum Jahre 1787 drei weitere Teile folgen.

"

Das AnsehendesVerspotteten steigt,aber diebittere Notist trotzdem seinBegleiter.Einmalweißer,von Gläubigern bedrängt, nichtaus undein.

Daerinnert ersich,erzählt Ernst Aeppliinseinem Gedenkbuch (Orell Füßli, Zürich1926)seines Freundes, desJuden Marum Dreifus inEndingen.

sEr wandert vom Neuhof hinüberinsJudendorf und erhält sofortdie er- betenen 150Gulden. AberschonamNachmittageerbittet ernocheinmal die gleicheSumme. ErhatteamNachhauseweg aufderStraßeeinen bitterlich weinenden Bauern getroffen,der ihm erzählte, daß ihmdieeinzigeKuh verendet seiundernun nichts mehr habe seine Familiezuernähren. Diesem Bauern hatteer zumAnkaneiner neuen Kuhdie150fl. gegeben. Aufdie Frage, obersichdenn aucheinen Schuldschein habe geben lassen,erwiderte erseinem Freunde Dreifus: »Nein;erhabe doch auchvonihm heutemorgen einen solchen nicht verlangt.« Dreifus gab ihm nocheinmal 150fl.und Pestalozzi ging fröhlichen Herzensseinem Neuhofzu. So war er immer.

Erwar oderfühlte sichniesoarm, daßer nicht nochÄrmeren dasgegeben hätte,was ernoch besaß.Undwarseine Tascheganzleer,dannlösteer,wie damals alsernach Baselzuseinen vornehmenVettern wanderte,diesilbernen Schnallenvon seinen Schuhen, schenkte siedemBettler vordemTore,und bindet dieSchuhemitStrohanseine Füße.

Eskamder9.September1798,an dem dieFranzosenStans inAsche legtenundHundertevon elternlos gewordenen Kindern der Verwahrlosung -anheimfielen. Das Direktorium derneuen Helvetischen Republik,demder zweite große Freund Pestalozzis, Stapfer, angehörte,beschloßdieStanser WaisenkinderzusammelnundHeinrich PestalozzieinWaisenhausinStans zuübergeben.

"

EinJahrvorher hatteerseineSchriftstellereimiteiner großenArbeit abgeschlossen,an dererwie erselbst sagt:mitunglaublicher»Mühseligkeit«

dreiJahre lang gearbeitet hatte.Eswar diekulturphilosophische,von Herder vielgeprieseneSchrift:»Meine Nachforschungenüberden Gangder Natur inderEntwicklungdesMenschengeschlechts.«SiehatzumAbschlußgebracht, was Pestalozzi18Jahre vorherin der »Abendstundeeines Einsiedlers«

begonnenhatte——,siehatihmdas .»Wesen«desMenschenund denmög- lichen Gangzuseiner sittlichenFreiheitenthüllt,undihmdamit denGlauben an dieKraftderErziehungwieder gefestigt.Fichte hatte ihm bestätigt auf

Kaiitschen Bahnen gewandeltzusein. . ·

JnStans trittnun anfangs1799der521ahrigePestalozzimutterseelen- allein denmühe-unddornenvollenWergals praktischerErzieher an; Jetzt kannexvölligerselbstsein. Ganzalleinmit 70Kindernplagtersich ab, ist ihr Vater, ihr Lehrer, ihrArzt,ihrAufsehercihrKnecht,ihre Mutter, ihreMagd,under, derimmersein Außeres groblichvernachlassigte,sieht

bald selbstaus wieein gänzlichverwahrlosteralter Spitalerz AberJede Hilfe lehnter ab;erwillselbstfeer ErfahrungenmachenwieErziehung

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undUnterrichtdenÄrmstenderArmen aufwärts helfenkönnen. Doch schon nach5Monaten wirddieArbeit gewaltsam unterbrochen. Ende Juni 1799 verlangt der Regierungskommissarin Stans, der SchriftstellerHeinrich Zschokke,die Räume desWaisenhausesdengeschlagenenundzurückweichenden französischen-TruppenzurVerfügungzustellen.Wiederum istderTraum seinesLebens vernichtet. Jnschmerzlichster Erinnerung daran schreibter

wenig Jahre daraufin derEinleitung seiner berühmten Schrift »WieGertrud ihreKinder lehrt«dieWorte nieder:

»WenneinSchiffbrüchiger nach müden, rastloer Nächten endlichLand sieht, HoffnungdesLebens atmet, und sichdann wieder von einem unglück- lichenWindindasunermeßlicheMeer geschleudert sieht,inseiner zitternden Seele tausendmal sagt:Warum kann ich nicht sterben undsichdann doch- nichtin denAbgrund stürztunddann dochdiemüdenAugen aufzwingtund wieder umherblicktundwieder einUfer sucht,undwenn eressiehtalleseine Glieder biszum Erstarren anstrengt alsowar ich.«

DieErlebnissevon Stans aberhabenvolleKlarheitüberden54jährigen gebracht.Erweiß jetzt,wie erderArmut undVerlassenheitinschenkender Liebe und unversieglicher Güte dienen kann.

Sein Entschluß ist: »Ichwill Schulmeisterwerden.« Jetzterstwird Heinrich PestalozziderReformator desElementarunterrichtes, alsden wir ihn heute verehren. Schonin Stans machterdieersten didaktischen Studien, inBurgdorf vollendet ersie.1801 veröffentlichterihre Ergebnisseinder bedeutendstenundbekanntesten seinerpädagogifchenArbeiten »WieGertrud ihreKinder le"hrt«.Die Schule blühte rasch auf, nachdemEnde desJahres 1800 einJnternat mitihrverbunden war und zwei JahredaraufSchmid undNiederer alsMitarbeiter indenKreis desLehrerkollegiumseingetreten waren. Raschverbreitete sichderRuhmderSchuleüberdieganze Schweiz.

Als daher1803 die Anstaltobdachloswurde,weil das Schloß Burgdorf wieder von denBerner Patriziern fürdenStatthalter desAmtes Burgdorf in Anspruchgenommen wurde,dawetteiferten verschiedene Kantone,die Schule,dievorübergehendinMünchenbuchsee untergebracht war, beisich·

aufzunehmen.

Pestalozzientschied sich fürYverdon. Jm Juni 1806 siedelteer von Münchenbuchsee dorthinüber. DieSonne despädagogischenRuhmes stieg immer höherund gelangte ungefährum dasJahr 1810 inihren Zenit.

Ausallen LändernEuropas waren dieZöglingezu einergroßen Familiever- einigt,die indenbesten Jahrenmehrals150Glieder zählte. Nachdem Fichte inseinenReden andiedeutscheNation erklärthatte, daß »dervon Heinrich Pestalozzi ersundene, vorgeschlageneund unter dessen Augen schoninglück- licher Ausführungbegriffene Unterrichtsgang« Deutschlands Volk wieder aus seiner tiefen Erniedrigung werde erretten können,dasammelt sichbald eineScharvon jungenMännern aus Preußenum Pestalozzi,zudenen sich aus denübrigen deutschenLändern nochvieleandere gesellten.

Aber derSeele Pestalozziswar keindauerndes Glückbeschieden. Jndas Jnnere desAnstaltslebens brachbaldderunheilvolle Zwift zwischen Schmid und Niederer herein,derauchdieganze Lehrerschaft spaltete. Alsmitdem plötzlichen Abgange Schmids 1810 auchdie wirtschaftlichenVerhältnisse derAnstaltwieder schlimmerwurden und SorgenüberSorgensich aufdem Haupte Pestalozzis häuften,dabeginntwieder die alteSehnfucht nach seiner 72

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Armenanstalt zuerwachen,dieihnnun nicht mehr verläßtbiszuseinem Tode. Inder Neujahrsrede von 1815 klagter: »Jahremeines Lebens, eure Fußstapfen sind hingeschmolzenwie die Fußstaper desWanderers imSchnee, über den der Südwind in milden Frühlingstagen hinweht.

Nurdu,mein Haus, bistmirübrig geblieben,nur dumeine Hoffnungzur Armenanftaltl Sonst ist alles,allesin mirverschwunden,wie das vergangene Jahr...ich habe nichts mehralsmein Hausundwillnichts mehrals meine Armenanstalt, dieeinzige Hoffnungmeines Lebens,daseinzige Zielmeines Strebens

Unerwartet solltedieHoffnunginErfüllung gehen. Schmid,den Pe- ftalozziwieder anseine Anstalt zurückgewonnen hatte, war nach Stuttgart gereist,um Cotta zueiner Gesamtausgabe derSchriften Peftalozziszu be- stimmen. NachdemermitdemVerlageinen Vertragabgeschlossen,wendete ersichanalleeuropäischenFürstenhöfeum derSubskriptionaufdieGesamt- ausgabe dieWegezubereiten unter Schilderung dertraurigen wirtschaft- lichen Lage Pestalozzis. SchonEnde 1817 waren 50000 franz.Franken Reinertraggesichert,darunter Zeichnungenvon 5000Rubel desKaisersvon Rußland,400Taler desKönigsvon Preußen,700Gulden desKönigsvon Bayern. Am 12.Januar 1818, an seinem 72.Geburtstag, bestimmte Pestalozziineiner Rede an sein Hausdie50000 FrankenalsStiftungs- kapital füreine Armenanstalt. Schonim September 1818 wurde siezu Clindy, zehnMinuten von errten entferntmit 12Kindern eröffnet,die baldauf30sich vermehrten. Pestalozzi fühlte sich »unaussprechlichglücklich«.

Aber auch diesesGlück wurde mehrundmehr zerstört durchdenheftigen

fSBreihdenNiederer gegen Pestalozziundseine einzigefeste Stütze,Schmid, ü rte.

DerStreit war noch nichtganzausgetragen, als1825 Schmidaufdie Denunziation eines Lehrers hin,den Peftalozzi hatte entlassenmüssen, aus demGebiete desKantons Waadt ausgewiesen wurde. Da gleichzeitig derStadtrat von errten dasGesuchPestalozzis,dasRecht aufdieBenützung desSchlosses auch seinen Nachfolgern zuwahren,aufBetreiben Niederers abgewiesen hatte, brachder Greis zusammen. errten war für ihnun- möglich geworden. Jm März1825 verläßtder791ährigedas Schloß.Er kehrt zurückaufdenNeuhof, woseinEnkel Gottlieb Pestalozzi »desarmen Müdlings«wartete. Dortschreibternoch seinen»Schwanengesang«,während nebendemNeuhofderEnkelfürdenGroßvater nochden Baueines Armen- kinderhaufes beginnt. Am Morgendes 17.Februar 1827standdasHerz stille,von demerin derRedeansein Hausam 12.Januar 1818selbst gesagt hatte: »Ichbindurchmein HerzWas ichbin.«

Ausdiesem HerzenvollLiebeund Gütewar seine pädagogischeTheorie geflossen,diederKopf NichtImsnerMletkek Klarheit meisternkonnte,wie siedieunbeschreiblicheTiefeseinerIntuition nötig gehabt hätte.Seine Schriften sind nichtzum wenigstendeshalboft sodunkel und vieldeutig, weilsich seinerGenialität diepädagvgsschetlWahrheiten mehrtrauvjhaft aufdrängen,alssiedasErgebnisdeduktiver Spekulationen oderempirischer Jnduktionen wären.

Pestalozziwar sichder GrößedespädctgogischenProblemes,daser sichgestellt hatte, durchaus bewußt; ebensoklar erkannte er,daßdierestlose Lösung desselben seine Kräfte übersteige.Jnderwiederholt zitierten ,,Lenz-

ys

-

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burgerRede«vom 12.Januar 1818sagteer: »Das Jahrhundert, beidessen Anfang unfere pädagogischen Nachforschungen begonnen, wird nocham Ende dieununterbrochene Fortsetzung unserer Anstrengungenin denHänden von Männern sehen,dieihre Ansichtenund Mittel denvereinigten Kräften unseresHausesdanken.« UndseinenSchwanengesang schließter mitder Bitte: »Prüset alles, behaltet dasGute,und wenn etwas Besseresineuch selber gereift, so setzeteszudem,wasich euchindiesen BogeninWahrheit und Liebe zugeben versuchte,in Wahrheitund Liebe hinzuund werfet dasGanzemeiner Lebensbetrachtungen nichtalseinenGegenstandweg,der, schon abgetan,keinerweiteren Prüfung bedürfte. Erist wahrlich noch nicht abgetanundbedarfeinerernften Prüfungganzsicher,undzwar nichtum meiner und meiner Bitte willen.«

Als Peftalozzi etwa 20Jahre nachdem großen literarischen Erfolg seines Erziehungsromanes Lienhardund Gertrud zum zweitenMale auf derHöhe seines europäifchen Ruhmesmit seiner Schulezuerrten stand, datobte zugleich aufderganzen Linie dieSchlachtgegen ihn,gegen sein Wollen wie gegen seine Leistungen. Das ist nichtweiter verwunderlich.

Keinem wirklichen Reformator aufdemGebiete desBildungswefensbleiben die gehässigsten Angriffe erspart. Denn die geradeLinie seines Weges schneidetin vieleKreise seinerUmwelt störendein unddieUnvollkommenheit alles menschlichen Beginnens haftet aucham genialften Schöpfer. Solcher Unvollkommenheiten in der Ausführung der Prinzipien gabes aber in errten eine ganze Fülle. Denn an diesen Ausführungen beteiligten sich vieleMitarbeiter; injedemderselben spiegelten sichdie einfachen Jdeen inanderen Formen und der Zugzur Mechanisierungderneuen Methode lebtefastin allen. Sokam es,daß nicht bloßdie Neider undVerächter fremder Größe sichgegen ihnwandten undPamphlete schriebenwie ,,Beleuchtung der PeftalozzischenGroßsprechereien nebsteiner Übersicht seiner voreilig gepriesenenMethode«, sondern auchwarme FreundewieAugust Hermann Niemeyer, Ernst Moritz Arndt, ja selbst Johann Gottfried FichteundWolf- gang Goethemitzum Teil schwerenBedenken nicht zurückhielten.

Abernur die kleinen Menschen heften ihrenBlickaufdasUnzulängliche und Vergängliche,aus dem sieselbst zusammengesetzt find.Esbegreiftein jedernur den Geist,demer selber gleicht.Diebesten,diezuPeftalozzis Zeiten,an derMethode Kritikübten, übersahendarüber nicht,welch eine geniale Größevorihnenstand.»WodurchDugroß bist,edler Mann,« ruft Ernst MoritzArndt inseinenFragmenten überMenschenbildung, »das ist DeinWollen undStreben; denn dieses gehörtunsallen,als reinMenschliches gehörtesnoch unsernEnkelnund Urenkeln ...DieTatist gebunden,aber dieGesinnung gehörtderUnendlichkeit,woraus sie ftammt.«

Nach PestalozzisTod fielen zunächst seine Jdeen und Prinzipien der Volksbildung der Vergessenheit anheim, währendderMechanismus der

»Methode« vielfach fortwirkte. Unter denHänden Diesterwegswandelte er

erfichwieder mehrund mehrzumlebendigenOrganismus Die Schriften Peftalozzis wurden kaum mehr gelefen.

ErstdieGegenwart hatuns denwahrenPeftalozziwieder näher gebracht, jaihn eigentlich erstinfeiner Größe,unbeirrt von seinen Mängeln, erfassen gelernt. Die Arbeiten L. W.Seyffarths, vor allem feine zwölfbändige Ausgabevon Peftalozzis sämtlichenWerken (in2.Auflage 1902),dievier- 74

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