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Deutsche Bauzeitung. Bauwirtschaft und Baurecht, Jg. 65, Nr. 27

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BAUWIRTSCHAFT

UND BAURECHT

F IN A N Z IE R U N G * W O H N U N 6 S W IR T S C H A F T 65- 1931

B A U IN D U S T R IE * B A U G E W E R B E i . j u l i

R E C H T S F R A G E N « R E C H T S A U S K U N F T E 27

B E IL A G E Z U R D E U T S C H E N B A U Z E IT U N G N R . 5 3 * 5 4 B

H E R A U S G E B E R • R E G IE R U N G S B A U M E IS T E R F R IT Z E IS E L E N

A L L E R E C H T E V O R B E H A L T E N • F Ü R N IC H T V E R L A N G T E B E IT R Ä G E K E IN E G E W Ä H R

B E R L IN S W 4 8

W A S IST V E R U N S T A L T U N G

DER STAND DER SCH UTZBESTI MM UNGEN GEGEN VERUNSTALTUNG UND IHRE AUSLEGUNG DURCH DIE HÖCHSTRICHTERLICHE RECHTSPRECHUNG

V O N D R . J U R . H A N S C U L E M A N N , D Ü S S E L D O R F

Die Aufgabe des Baupolizeirechtes ist es, dafür zu sorgen, daß bei der Errichtung der Bauten Ver­

stöße gegen die Sicherheit des Publikums und G e ­ fahren jeder Art, besonders gesundheitlicher Natur, vermieden werden. Die W a h r n e h m u n g ästhetischer Interessen dagegen ist grundsätzlich nicht Sache der Polizei, also auch nicht der Baupolizei, sondern eine Angelegenheit der Bauinteressenten. V o n diesem Grundsatz sind jedoch eine Reihe von A u s n a h m e n ge­

macht worden durch gesetzgeberische Vorschriften, die z u m Teil positive, z u m Teil ein negatives Ziel ver­

folgen. Positive Zwecke streben die Bestimmungen an, die, wie Artikel 4 § 1 des Preußischen W o h n u n g s ­ gesetzes v o m 28. M ärz 1918 den G emeinden das Recht geben, durch Bauordnungen den „Verputz und A n ­ strich, sowie die Ausfugung der vornehmlich W o h n ­ zwecken dienenden G ebäude und aller von Straßen, Plätzen oder anderen öffentlichen Verkehrsflächen aus sichtbaren Bauten, sowie die einheitliche G e ­ staltung des .Straßenbildes, und zwar unter Berück­

sichtigung des Denkmal- und Heimatschutzes zu regeln, oder die, wie § 4 des Verunstaltungsgesetzes von 1907, die Ge m e i n d e n ermächtigen, für die B e ­ bauung bestimmter Flächen, wie Landhausviertel, Badeorte, Prachtstraßen, besondere, über das sonst baupolizeilich zulässige M a ß hinausgehende Anforde­

rungen zu stellen. Negativen Charakter haben da­

gegen alle diejenigen Forschriften, die lediglich die Gefahr der Verunstaltung verhüten wollen. Solche Bestimmungen finden sich in verschiedenen Gesetzen verstreut. Sie arbeiten abwechselnd mit Begriffen wie

„Verunstaltung“, „gröbliche Verunstaltung , „Ver­

unzierung“ oder „Beeinträchtigung u n d sind für Bauherren und Bauberater deshalb gefährlich, weil sie keinerlei Anhaltspunkte dafür geben, was unter d e m jeweils verwendeten Begriffe im einzelnen zu verstehen ist. Die VV orte ,,V erunstaltung , „gröbliche Verunstaltung“, „Verunzierung“, „Beeinträchtigung sind Sammelbegriffe, unter denen m a n von der weit­

herzigsten bis zur engherzigsten Auslegung alles oder nichts verstehen, die m a n also nach Belieben \ er- w enden kann, u m das jew eils angestrebte Ziel zu er­

reichen. Ist also beispielsweise der örtlichen B a u ­ polizeibehörde ein Bauvorhaben, gegen das sie im übrigen begründete baurechtliche Bedenken nicht Vorbringen kann, nicht genehm, so steht ihr immer noch der W e g offen, die Baugenehmigung mit der Motivierung zu versagen, daß der geplante Neubau geeignet sei, eine gröbliche Verunstaltung oder eine Beeinträchtigung des Straßen- oder Ortsbildes herbei­

zuführen. Dieser W e g w ird in der Praxis nicht selten beschritten. D e r Bauinteressent ist alsdann genötigt, sich mit der Baupolizei darüber zu streiten, ob hier

t a t s ä c h l i c h die Gefahr der Verunstaltung (Beeinträch­

tigung, Verunzierung) vorliegt. U m diesen Streit aber führen zu können, ist er darauf angewiesen, die

Der Zweck der nachfolgenden Darlegungen m u ß deshalb der sein, d e m Architekten die Kenntnis der von Rechtslehre und Verwaltungsgerielitsbarkeit ge­

zogenen Auslegungsgrenzen und aufgestellten A us­

legungsregeln zu vermitteln, m a g auch, zumal in zweiter und dritter Instanz, die Verteidigung der äthetischen Auffassung des Bauinteressenten vor den Verwaltungsgerichten d e m Juristen zufallen. D e n n einmal w ird bei Streitigkeiten über die Auslegung der Verunstaltungsbegriffe d e m Juristen der Architekt in allen Instanzen zur Seite zu stehen haben, z u m anderen aber muß, schon u m berechtigte baupolizei­

liche V erunstaltungsbedenken von vornherein abzu­

biegen, der Architekt in der Lage sein, die Ver- unstaltungsbegxiffe fehlerlos auszulegen.

D er B e g r i f f d e r V e r u n s t a l t u n g fin d et sich zum e rste n M ale im § 66, T eil 1, T itel 8 des Preufi.

allgem einen L an d rech ts, in einem G esetz also, daß, tro tz d em es i. J. 1794 erlassen ist, im m er noch, w enn au c h n u r m it w enigen P a ra g ra p h e n (d a ru n te r dem

§66), G ü ltig k e it hat. H ier h eiß t es:

„ E s s o ll zur V e r u r n sta ltu n g d e r S tä d te und ö f f e n t lic h e n P lä tz e k e in Bau u nd k e in e V erä n d e r u n g (U m - und A n b a u te n ) v o r ­ g en o m m en w e r d e n d ü r fe n .“

§ 66 ALR. ist durch das Gesetz v o m 15. Juli 1907 betr. die Verunstaltung von Ortschaften und land­

schaftlich hervorragenden Gegenden nicht außer Kraft gesetzt (OVG. 60, 469); er bezieht sich jedoch nur auf Städte und in Dörfern auf öffentliche Plätze, gilt also weder für das flache Land, noch für Dorf­

straßen. Unter Verunstaltung ist nach der Recht­

sprechung des O V G . nur eine g r o b e Verunstaltung zu verstehen. Grobe Verunstaltung aber ist nichts anderes, als die gröbliche Verunstaltung, von der das Verunstaltungsgesetz von 1907 spricht. Dieses Gesetz dehnt den § 66 ALR. auf jede Art von Ortschaften aus und bestimmt im

§ 1 : „ D ie b a u p o liz e ilic h e G e n e h m ig u n g zu r A u s fü h r u n g von B a u ten u n d b a u lic h e n Ä n d e r u n g e n is t zu v e r s a g e n , w en n d a d u rch S tr a ß en o d e r P lä tz e d er O r tsc h a ft o d er d e s O r ts b ild e s g r ö b lic h v e r u n s t a lt e t w e r d e n w ü r d e n .“

Unter d e m Schutz vor g r o b e r o d e r g r ö b ­ l i c h e r V e r u n s t a l t u n g steht also heute jede Straße und jeder Platz eines jeden Ortes, aber auch das Ortsbild, also auch diejenigen Teile einer Stadt oder eines Dorfes, die weder an Straßen noch an Plätzen, wohl aber in der bebauten Ortslage oder in deren unmittelbaren N ä h e liegen. (OVG. 56, 439.) Soll dagegen ein Ba u fernab von der bebauten Ortslage errichtet werden, so kann für ihn der Begriff der gröblichen Verunstaltung nur dann eine Rolle spielen, w e n n auf Gr u n d des § 8 des Verunstaltungsgesetzes der Regierungspräsident durch eine Polizeiverordnung vorgeschrieben hat, daß in d e m betr. Land (in d e m der N e u b a u errichtet werden soll) die Genehmigung versagt werden kann, wofern durch den Ba u das land­

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wendung anderen Baumaterials vermieden werden kann. Ist eine solche Regierungspohzeiverordnung nicht erlassen, so können auch auf einen außerhalb der bebauten Ortslage zu errichtenden Neubau keinerlei Verunstaltungsvorschriften angewandt w e r ­ den. (OVG. v. 26. Juni 1930; PVB1. 52, 135.) Das ist wichtig für Restaurants, für Badeanstalten, Spoit- gebäude, Sanatorien, für die ein Standort fernab von der bebauten Ortslage der nächsten Stadt oder des nächsten Dorfes gewählt wird. Hier gibt es kein Ortsbild. (OVG. v o m 26. Juni 1930.) ln allen übrigen Fällen aber gelten die Bestimmungen über die gröb­

liche Verunstaltung.

W a s ist nun unter grober oder gröblicher Ver­

unstaltung zu verstehen? Die Rechtsprechung hat diesen Begriff dahin definiert:

„ D ie H e r b eifü h ru n g e in e s p o sitiv h ä ß lic h e n Z u sta n d e s, d er je d e s fü r ä s th e tis c h e G e sta ltu n g o ffe n e A u g e v e r le t z t .“ (O V G . 53, 393; 57, 470. D e u tsc h e J u r iste n z e itu n g 1910, 1283 und a u s n e u e r e r Z eit OVG. 60, 465; 69, 321.)

„Es m u ß also, soll gröbliche Verunstaltung vor­

liegen, durch die geplante Baulichkeit ein Zustand geschaffen werden, der unter Beachtung ihrer U m ­ gebung von jedem offenen A uge als häßlich und abstoßend empfunden wird, wofür aber nicht ledig­

lich der geschärfte Blick und das gesteigerte E m p ­ finden des in ästhetischen Fragen geübten kleineren Teil des Publikums maßgebend ist.“ (OVG. im preuß.

Verwaltungsblatt 37, 704.) Andererseits ist auch nicht das tatsächliche Empfinden der breiten Masse des Volkes oder auch nur einer überwiegenden M e h r ­ heit des Publikums maßgebend. Nach diesen Richt­

linien darf also nicht schon dann Verunstaltungs­

wirkung a n g e n o m m e n 3verden, w e n n etwa die bau­

künstlerisch anspruchsvollen Mitglieder der Kunst­

oder Baukommission einer Stadt sich in ihrem ästhetischen Empfinden verletzt fühlen, sondern erst dann, w e n n das geplante Bauwerk so, wie es und da, w o es errichtet werden soll, das Empfinden der­

jenigen zu verletzen droht, die normale, das heißt mäßige, nicht überspitzte Anschauungen in ästheti­

scher Hinsicht vertreten. Immerhin aber m u ß ein gewisses M a ß ästhetischer Anforderungen zugrunde gelegt werden; die Empfindungen derjenigen, die keinerlei ästhetische Bildung besitzen, die also über­

haupt nicht in der Lage sind, sich ein ästhetisches Urteil zu bilden, sind unbeachtlich. Zu beachten aber ist eins:

,,D ie A n sch a u u n g e n , w a s p o s itiv h ä ß lich is t u n d w a s je d e s ä s th e tis c h e E m p fin d en g rö b lich v e r le t z t , sin d w a n d e lb a r und dem G e sc h m a c k e d er Z eit u n te r w o r fe n .“ (B alz in PVB1. 51, b72;

L o en in g , V e r u n sta ltu n g s g e s e tz § 1, A nm . 24 B.)

D i e V e r u n s t a l t u n g s - G e s e t z g e b u n g d a r f k e i n e s f a l l s d a z u h e r h a l t e n , d ie V e r w i r k l i c h u n g m o d e r n e r B a u i d e e n u n d d i e b a u t e c h n i s c h e B e f r i e d i g u n g - m o d e r n e r V e r k e h r s - u n d W i r t s c h a f t s ­ b e d ü r f n i s s e a u f z u h a l t e n . W a s g e s t e r n n o c h m i t R e c h t als v e r u n s t a l t e n d a n ­ g e s e h e n w e r d e n d u r f t e , k a n n h e u t e s c h o n als A u s w i r k u n g n e u z e i t l i c h e r B a u ä s t h e t i k A n s p r u c h d a r a u f e r h e b e n , u n b e a n s t a n d e t z u b l e i b e n . N i e m a l s d a r f e i n B e g r i f f w i e d e r d e r V e r u n s t a l ­

t u n g v o n d e r B a u p o l i z e i d e r F o r t e n t ­ w i c k l u n g d e r ä s t h e t i s c h e n B e g r i f f e als H e m m n i s e n t g e g e n g e s t e l l t w e r d e n .

D a ß bei der A n w e n d u n g der hier entwickelten Auslegungsgrundsätze die Voraussetzungen der gröb­

lichen Verunstaltung bei weitem nicht so häufig er­

füllt sind, wie dieses die unteren Baupolizeibehörden in der Praxis annehmen, läßt die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts erkennen, die zu einer ganzen Reihe von Einzelfällen Stellung g e n o m m e n hat. In d e m Urteil (OVG. Band 2, Seite 14) sagt das OVG.:

„ E in e g ro b e V eru n sta ltu n g lie g t n ich t sch o n da v o r, w en n nur e in e v o r h a n d e n e l'o rin sch ö n h eit b e h in d e r t w ird od er auch ga n z v e r lo r e n g e h t. D ie k ü n s tle r is c h e A n la g e e in e r S traß e od er e in e s P la tz e s k a n n au f d as N iv e a u d es G e w ö h n lic h e n h e r a b ­ g e d rü c k t w erd e n . D as is t n och k e in e V eru n sta ltu n g , g e s c h w e ig e d en n e in e g ro b e. Auch n ich t sch on j e d e S to ru n g d er a r c h i­

te k to n is c h e n H arm onie fä llt u n ter jen en B e g r iff."

Ebenso sagt das Urteil Band 55, S. 410:

„Unter den Begriff einer gröblichen Verunstal­

tung fallen nicht bloße Unschönheiten, die ein künst­

lerisches A u g e oder ästhetisch besonders vorgebildete Personen verletzen.“

D e m g e m ä ß i s t d a s V o r l i e g e n e i n e r g r o b e n V e r u n s t a l t u n g v e r n e i n t z. B. b e i d e r V e r s c h ie fe r u n g d er V o r d e r s e ite e in e s G e b ä u d e s (PVB1. 14, 163); b e i d er E r­

r ic h tu n g e in e s v ie r g e s c h o s s ig e n W o h n - u n d G e sc h ä fts h a u s e s in u n m itte lb a r e r N ä h e e in e r a lt e n e h r w ü r d ig e n K ir c h e (an dem N e u b a u w a ren E rk e r b is zu m D a c h g e s c h o ß v o r g e s e h e n (O V G . 55, 410); b ei d e r E r r ic h tu n g e in e s G e b ä u d e s m it g e lb e n V e r b le n d ­ s te in e n , fla c h e m S a tte ld a c h m it K ie s p a p p e n e in d e c k u n g a u f e in e r u n w e it d e r S ta d t im E lu ß ta l g e le g e n e n , v o n S p a z ie r g ä n g e r n v ie l b e s u c h te n I n s e l n e b e n a lt e n a u s d em 18. J a h r h u n d e r t sta m m en ­ d en , m it g e f lo c h t e n e n U m fa s s u n g s w ä n d e n u n d ro h em S a tteld a ch e r b a u te n G e b ä u d e n (O V G . 55, 425); b e i d e r H e r s t e llu n g e in e s das D a ch ü b e r r a g e n d e n A t e lie r b a u e s a n e in e m m it ä s t h e t is c h e n V or­

z ü g e n b e s o n d e r s b e d a c h te n P la t z e (O V G . 33, 404); b e i e in e m N e u b a u an e in e m B a h n h o fs e m p fa n g s g e b ä u d e , d a s in d e r s e lb e n W eise w ie d a s H a u p tg e b ä u d e h e r g e s t e llt w e r d e n s o ll, s e lb s t w e n n d a s H a u p tg e b ä u d e w e d e r s t a t t lic h n o ch s c h ö n e r sc h e in t (O V G . 32, 341); b e i d e r E r r ic h tu n g e in e r v ie r s t ö c k ig e n M ie ts­

k a s e r n e , d ie u n b e s t r it t e n d ie k ü n s t lic h e A n la g e e in e s P la tz e s a u f d a s N iv e a u d e s G e w ö h n lic h e n h e r a b g e d r ü c k t u n d d ie a r c h i­

t e k t o n is c h e H a r m o n ie s tö r t (O V G . 9, 353); b e i d e r d u r ch ein e n b e a b s ic h tig te n N e u b a u e in t r e t e n d e n B e s c h r ä n k u n g d er S ic h t­

b a r k e it e in e s T e ile s d e s O r t s b ild e s o d e r e in e s k ü n s tle r is c h h e r v o r r a g e n d e n G e b ä u d e (O V G . 60, 464); e n d lic h b e i d e r E r­

r ic h tu n g e in e s g ro ß en M ie ts h a u s e s m it z w e i n a c k te n G ie b e l­

w ä n d e n und e in e m s c h lit z a r t ig e n H o f (PVB1. 10, 96).

Dagegen hat das OVG. gröbliche Verunstaltung a n g e n o m m e n in einem Falle, in d e m die Errichtung eines fünfstöckigen 22 m hohen Mietshauses am Pariser Platz in Berlin beabsichtigt war. In der Entscheidung (45, 593 ff.) heißt es:

„ M it d e r g e p la n te n F r o n th ö h e w ü r d e d a s G e b ä u d e das von ihm n ur d u rch e in e n s c h m a le n B a u g e t r e n n t e B ra n d en b u rg er Tor ü b e r r a g e n und b e i A u ß e r a c h tla s su n g j e g l ic h e n D a ch a u fb a u es die H ö h e d er „ V ik to r ia m it d em S ie g e s w a g e n “

nahezu erreichen. Ein derartiger Bauzustand im Brennpunkt des hauptstädtischen Verkehrs läßt geradezu öffentliches Ärgernis erregen. Auch das Fehlen oder die Beschädigung des Putzes an Kolon­

naden und Fassaden von Häusern, die in einer städt.

Verkehrsstraße liegen, ist als grob verunstaltend be­

zeichnet worden (PVB1. 4, 22); ebenso das jahrelange Stehenlassen eines an bebauter Straßenfront ge­

legenen unfertigen Rohbaues, der in beträchtlicher H öhe emporgeführt w a r und dessen M aue rn z u m Teil eingestürzt, zerklüftet und aus d e m Lot gewichen waren; endlich bei öffnungslosen der Straße zu­

gekehrten Hau smauern (PVB1. 54, 569).

Schon die T atsac h e, d a ß so se lte n das OVG. grobe V eru n sta ltu n g b e ja h t, lä ß t v e rm u te n , daß ein großer Teil der von den u n te re n In sta n z e n erh o b e n en Ver­

u n sta ltu n g sb e d en k e n u n g e re c h tfe rtig t ist u nd daß zum m indesten die In a n s p ru c h n a h m e d e r letzten Instanz, des OVG., v ielfach a b e r schon die des Be­

zirksausschusses oder, w en n gem äß § 127 Absatz 1 LVG. d e r B eschw erdew eg g e w ä h lt ist, die des R egierungs- bzw. O b e rp rä s id e n te n z u r A ufhebung d e r b au p o lizeilich en B e a n sta n d u n g fü h rt. D eshalb ist es v erfeh lt, sich m it d e r a u f g ro b e V erunstaltung gestü tzten A bleh n u n g eines B a u v o rh a b en s seitens der BaujDolizei abzufinden, w en n irg e n d w ie die H offnung besteht, daß eine d e r oben b e h a n d e lte n A uslegungs­

regeln gegen d ie B a u p o liz e iv e rfü g u n g herangezogen w erden k an n . Zu b e a c h te n ist dabei, d aß nach stän d ig er R e ch tsp re ch u n g des OVG. (5, 335; 7, 255;

PVBI. 8, 232) ein b au p o liz e ilic h e r E ntscheid, der nicht erk e n n e n läßt, in w ie fe rn das e in g e re ic h te B a u p ro je k t eine gröbliche V e ru n sta ltu n g b e fü rc h te n läßt, schon um d essen tw illen d e r A u fh e b u n g d u rc h die zw eite Instanz u n te rlie g t. H ierg e g en w ird beso n d ers häufig von den B a u p o liz eib e h ö rd en gesü n d ig t. W ollen sie ein B augesuch w egen V e ru n sta ltu n g ab leh n e n , so findet sich zum eist in d em E n tsch eid lediglich die B em erkung;

„ D a d er a b z u le h n e n d e B au e i n e g r ö b lic h e V e r u n sta ltu n g d es S tra fie n b ild e s u n d d e s O r t s b ild e s v e r u r s a c h e n w ü r d e .“

D as ist k ein e a u s re ic h e n d e B eg rü n d u n g , d enn sie gibt dem B a u in te rc sse n te u n ic h t — w o ra u f er A nspruch hat - die M öglichkeit, d ie V erfügung in

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tatsächlicher Hinsicht nachzuprüfen und seine B e ­ schwerde zu begründen.

, .. ^ e|ner ist wichtig, und auch das wird sehr häutig von den Baupolizeibehörden übersehen, daß die Baupolizeibehörden erster Instanz nach der minister. Ausführungsanweisung z u m Verunstaltungs­

gesetz von 190? I zu § 1 gehalten sind, w e n n nicht das Vorliegen einer Verunstaltung zweifelsfrei ist, zunächst mit d e m Baulustigen wegen der Beseitigung der Beanstandung zu verhandeln und ihm beratend zur beite zu treten, bevor die Bauerlaubnis abgelehnt wird. Die Behörde darf sich also nicht ihre Arbeit dadurch leicht machen wollen, daß sie kurzerhand das Baugesuch zurückweist, sondern sie muß, bevor sie dieses tut, mit d e m Bauinteressenten bzw. dessen Bauberater erörtern, worin die angebliche Ver­

unstaltungswirkung erblickt wird und durch welche Mittel sich diese W irkung beheben läßt. Die B a u ­ polizei kann auch, statt abzulehnen, ihre B a u ­ erlaubnis an solche Bedingungen knüpfen, deren Er­

füllung zur Beseitigung der gröblichen Verunstaltung geeignet ist (OVG. 55, 425; 56. 456). Aber auch der letztere W e g führt nicht zu einem befriedigenden Er­

gebnis, w e n n nicht die Baupolizei zunächst mit d e m Bauinteressenten die Beanstandung, ihre Ursachen und die Möglichkeiten zu ihrer Beseitigung durch­

gesprochen hat. In dieser Verhandlungs- und B e ­ ratungstätigkeit sollten die Baupolizeibehörden ihre

K a m p f e gegen die Verunstaltung erblicken. Baugesuche ablehnen oder den B a u ­ lustigen Bedingungen aufzwingen, das ist eine Ver­

waltungsmethode, die zwar für den Beamten einfach, für den Betroffenen aber schmerzlich ist und sich ihrer Natur nach als eine rohe und negative M a ß ­ n a h m e darstellt. Durch ein Verbieten wird nichts geschaffen, wird vielmehr das Positive, das andere zu schaffen beabsichtigen, im K e i m erstickt. Mit d e m verbieten ist ni e m ande m gedient, z u m aller­

wenigsten der Entwicklung des Städtebildes, die doch das Verunstaltungsgesetz gerade fördern will. Faßt dagegen die Baupolizeibehörde ihre Pflicht grobe Verunstaltungen zu verhüten, dahin auf, daß sie mit d e m Bauherrn und d e m Bauberater z u s a m m e n W e g e suchen soll und will, die das Bauvorhaben in vollem U m f a n g e ermöglichen, Verunstaltungsgefahren aber umgehen, und bemüht sie sich, im Lerhandlungswege ihren ästhetischen Standpunkt d e m des Baulustigen anzugleichen und umgekehrt, bestrebt sie sich end­

lich, der modernen bauästhetischen Entwicklung jederzeit Verständnis entgegenzubringen, so wird ihre Arbeit positiv, gestaltend und fruchtbringend sein.

Wollen die Gemeinden d e m Orts- oder Straßen­

bilde noch einen weitergehenden Schutz verschaffen, als den vor grober Verunstaltung, so können sie dieses Ziel im R a h m e n des § 2 des VerunstG. von 1907 erreichen. N a c h

§ 2 k a n n d u r ch O r ls s ta tu t fü r b e s tim m te S tra ß en u nd P lä tz e v o n g e s c h ic h t lic h e r o d er k ü n s t le r is c h e r B e d e u tu n g v o r g e s c h r ie b e n w e r d e n , daß d ie b a u p o liz e ilic h e G e n e h m ig u n g zur A u sfü h ru n g v o n B a u ten u n d b a u lic h e n Ä n d e r u n g e n zu v e r s a g e n is t , w e m d a d u r c h d i e E i g e n a r t d e s O r t s - o d e r S t r a ß e n ­ b i l d e s b e e i n t r ä c h t i g t w e r d e n w ü r d e .

Ein derartiges Ortsstatut kann also nur auf ein­

zelne Straßen oder Plätze der Stadt oder des Dorfes bezogen werden, und zwar müssen diese Straßen oder Plätze von geschichtlicher oder künstlerischer B e ­ deutung sein. O b diese Voraussetzungen vorliegen, das ist im Streitfälle von den Verwaltungsgerichten nachzuprüfen (OVG. 71, 432; 77, 460). Bei Beurteilung der künstlerischen Bedeutung kann auch die Garten­

baukunst berücksichtigt werden (OVG. 79, 380).

deshalb bei weitem nicht die Rolle, wie der § 1 des LerunstG., einmal, weil regelmäßig nur ein ganz geringer Prozentsatz der Straßen und Plätze einer Stadt geschichtliche oder künstlerische Bedeutung für sich in Anspruch n e h m e n kann, z u m anderen, weil an Straßen und Plätzen dieser Art ein reges privates Bauinteresse überhaupt nicht zu bestehen pflegt. W o aber dennoch ein privater Bauinteressent an einer durch Ortsstatut geschützten Straße bauen will, da muß, soll die Beeinträchtigung der Eigenart des Straßenbildes vermieden werden, der N e u b a u sich mit Takt und Einrichtung der vorhandenen U m ­ gebung einordnen, denn eine Beeinträchtigung ist dann anzunehmen, w e n n der Ba u in einen störenden Gegensatz zu der U m g e b u n g tritt. Dabei k o m m t es auf das allgemeine Gepräge der U m g e b u n g des N e u ­ baues an (Loening, VerunstG. § 2, A n m . 30).

Der letzte ästhetisch negative Begriff ist der der

„V e r u n z i e r u n g“. Er findet sich in d e m Gesetz gegen die Verunstaltung landschaftlich hervorragen­

der Gegenden v o m 2. Juni 1902 und bezweckt den Schutz der Landschaft gegen Reklameschilder und sonstige Aufschriften und Abbildungen, „welche das Landschaftsbild verunzieren“. Die Verunzierung hält begrifflich ungefähr die Mitte zwischen Beeinträch­

tigung und grober Verunstaltung (OVG. 69, 321). Soll Verunzierung a n g e n o m m e n werden, so ist zu ver­

langen, daß bei d e m Beschauer eine als Unlustgefühl empfundene Störung des durch die Betrachtung der Landschaft verursachten Naturgenusses bewirkt wird, indem sich ihm der Gegensatz zu der Landschaft und deren Reklameschild aufdrängt, ohne daß gerade ein positiv häßlicher Zustand geschaffen zu sein braucht (OLG. PVB1. 52, 155). Mit diesem Verunzierungs­

begriff hat der Bauinteressent dann zu rechnen, w e n n er einem auf d e m flachen Lande errichteten gewerb­

lichen Bauw erk Reklamezeichen beigibt. Voraus­

setzung ist freilich, daß eine Polizeiverordnung das Gesetz von 1902 auf denjenigen Teil des flachen Landes, in d e m das B a u werk steht, ausdrücklich an ­ wendet. In Stadt und Ortschaft gilt das Gesetz von 1902 nicht, wohl aber der § 3 des Gesetzes von 1907:

„ D u r c h O r tss ta tu t k a n n v o r g e s c h r ie b e n wre r d e n , daß d ie A n ­ b r in g u n g v o n R e k la m e s c h ild e r n , S c h a u k ä s te n , A u fs c h r ifte n und A b b ild u n g e n d er G e n e h m ig u n g d e r B a u p o liz e ib e h ö r d e n b e d a r f.

D ie G e n e h m ig u n g is t zu v e r s a g e n , w e n n d ie g e p la n t e R e k la m e ­ a n la g e g r ö b lic h e V e r u n sta ltu n g h e r b e ifü h r e n w ü r d e .“

Derartige Ortsstatute bestehen in vielen Städten nicht, wohl aber wird nicht selten versucht, auf

^ rt' 4 ^ 4 ^ es Wohnungsgesetzes V o m 191.8 die R e.kla m eanlagen in den Straßen und Plätzen baupolizeilich zu regeln und ihnen eine bestimmte positive Gestaltung zu geben. D a ß der­

artige Versuche unzulässig sind, das hat das O V G noch a m 19. Juni 1930 (PVB1. 52, 133) ausdrücklich testgestellt:

„E s ist k e in A n la ß e r s ic h t lic h , d ie im W o h n u n g s g e s e tz fü r B a u ten g e g e b e n e n V o r s c h r ifte n a u f E in r ic h tu n g e n a u sz u d e h n e n , d ie , w ie R e k la m e a n la g e n , d ie s e n C h a r a k te r n ic h t h a b e n .“

D am it ist zu den B egriffen d er V e ru n sta ltu n g , d er gröb lich en oder groben V eru n sta ltu n g , d e r B e­

e in trä c h tig u n g un d V eru n zieru n g d a s je n ig e gesagt,

" as e rfo rd e rlic h ist, um den B au lu stig en A n h a lts­

p u n k te d a fü r zu geben, ob un d in w ie w e it die B a u ­ polizei bei L erw en d u n g d ieser B egriffe rich tig v e r ­ fah rt. N o tw en d ig er d e n n je ist es, sc h arf n achzu- p ru te n , ob die V e rw altu n g sb eh ö rd en d a wo sie hem m end eingreifen, im R echt sind o d er n ic h t D enn so schw er ist h eu te d e r W eg d e r W irtsch a ft, u n te r so viel R eibungen und W id erstä n d en v o llzieh t sich

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DIE M IN IM A L W O H N U N G D E R K IN D E R R E IC H E N F A M IL IE N

V O N A R C H IT E K T W A L T E R M E N Z E L , D R E S D E N • 3 A B B IL D U N G E N

Internationale Kongresse, komm unale Tagungen, ^ t t a l S l Ä u n g ' ' Ä S t a ! Forschungsgesellsdiaften und Siedlungsverbande sind a u s s A h c m i ^ w e der k i n d e r r e i c h e mit der Lösung des anerkannt ungeheuren' Gebiete8 sondern * e . ^ n i m a i w i A u d i die k o m m u - der Wohnungswirtschaft beschäftig!„.V™clrlues trotz nale Tagung in B r e m e n 1929 hatte mit mehreren

d a s lebenswichtige Problem des \\ohn S- _ Referaten das Problem der kinderreichen Familien

des h o h e n Bauindex in Einklang ■ W o h n e n zu klären versudit, die traurigen Verhältnisse ge­

turnten Wirtschaft zu bringen; es gi , , „. schildert und festgestellt, daß für die Errichtung von überhaupt von der sachlic en eigentlichen W o h n u n g e n für dieselben außer den üblichen noch S " S e Beleih, .ngeu nötig sind. Diese besonder e„

S Ä Ä r ’S a breite Masse tles Volkes wohl- d " k “ * Ä S

G r o ß ty p

N i m m t m a n d i e L e i c h t w a n d ( b ) h e r a u s , s o e r h ä l t m a n ei n e e i n w a n d f r e i e F ü n f - Z i m m e r - W o h n u n g ( a u ß e r , K ü c h e , Ba d, D i e l e u n d L o g g i a ) .

N i m m t m a n d a g e g e n L e i c h t ­ w a n d ( a ) u n d ( c ) h e r a u s , s o e r h ä l t m a n e i n e g r o ß r ä u m i g e V i e r - Z i m m e r - W o h n u n g (a u ß e r K ü c h e , B a d , D i e l e u. L o g g ia ) .

M it te lt y p

N i m m t m a n L e i c h t w a n d ( a ) h e r a u s , so er ­ h ä l t m a n e i n e V i e r - Z i m m e r - W o h n u n g ) (3 gr.

u n d 1 kl. Z i m m e r , a u ß e r K ü c h e , Bad, Diele u n d L o g g i a ) .

N i m m t m a n L e i c h t w a n d ( b ) h e r a u s , so e r ­ h ä l t m a n e i n e V i e r - Z i m m e r - W o h n u n g (2 gr.

u n d 2 kl. Z i m m e r , a u ß e r K ü c h e , Bad, Diele u n d L o g g i a ) .

«--- Q.do---► CL

í « E T 1 E N 50.0 M i 6 b t t T £ N

K le in ty p

N i m m t m a n L e i c h t w a n d ( a ) h e r a u s , s o e r h ä l t m a n e i n e g r o ß ­ r ä u m i g e Z w e i - Z i m m e r - W o h n u n g ( a u ß e r K ü c h e , Ba d, D i e l e u n d L o g g i a ) .

So ist u. a. die E t a g e n w o h n u n g in jedem F a lle so an z u o rd n en , daß sie neben allen anderen V orzügen auch w o h n k u ltu rell den höchsten W ert b esitzt und den einzelnen B ew ohnern die restlose in n e re B efriedigung gibt, die fü r eine V olksgem ein­

schaft im ganzen unbedingte V oraussetzung ist. D azu kom m t, daß die etappenw eise E ntstehung und die d a ra u f folgende A uflösung der F am ilie berücksichtigt w erd en muß, der in n eren V eränderung der W ohnung also keine allzu große H em m ung in den Weg gelegt w erden m ödite und dadurch vielleicht die U nlust zur F am ilien v e rg rö ß e ru n g noch m ehr gesteigert w ürde, w eil Umzüge unangenehm , m it G eldkosten verbunden und M inim al-W ohnungen rein w ohnfunktioneil nicht vergrö ß eru n g sfäh ig sind.

freiesten W o h n u n g e n zu tragbaren Mieten herzu­

stellen, habe ich mir zur vkufgabe gemadrt.

Bezüglich der B e t t e n za hl stehe idi im Gegen­

satz zu H a e s l e r , der bei einer Familiengröße von sechs Personen die Betten in den nur 2,60 m hohen Schlafkabinen übereinander angeordnet wissen will, 9 was ich aber rein hygienisch für nicht möglich halte.

* Überhaupt bin ich erstaunt darüber, wie weit man den Begriff „hygienisch einwandfrei“ schon anzu­

wenden gewohnt ist oder glaubt, ihn anwenden zu können. Bei einer Raumgröße von 2,5 ■ 2,2 m Grund­

fläche und 2,60 m Hiöhe und Anor dnu ng von vier Betten (zwei übereinander) sollte m a n wahrhaftig nicht mit ruhigem Gewissen von „hygienisch ein­

wandfrei“ sprechen, denn es ist bei d e m Frankfurter Internationalen Kongreß 1929 von ärztlicher Seite mit größter Berechtigung betont worden, daß das bloße Nichtstun und Ru h e n in einem R a u m nicht als Mafi- stab für die Bemessung der R ä u m e an gen o m m e n werden kann, sondern daß Wasserdampfabgabe 1 s je Minute je Mensch, der Temperaturunterschied zwischen allzu nahen W ä n d e n und Mensch und die damit zusammenhängende Gefäßerschlaffung (Grund­

lagen für Krankheitskeime) und die ständig be­

stehende automatische Zugerscheinung, hervorgerufen durch die n i e dichten Fenster, bestimmend sein müßten für die Anordnung wirklich hygienischer Wohnungen.

An H and d e r fo lg en d e n G ru n d riss e möchte ich nicht n u r deren k u ltu r e lle n W e rt, so n d e rn auch die vielseitige w irtschaftliche A u sn u tz b a rk e it bew eisen.

Die d rei versch ied en en G ru n d riß ty p e n stellen kein u n v errü ck b a re s G anzes m e h r d a r, so n d e rn b ie te n in ­ folge ih re r K o n stru k tio n (S k elettb au w eise) und der

160

(5)

b ew ußten F e n ste ra n o rd n u n g je d e rz e it die Möglich- die W ohnu n g dem v e rä n d e rte n S tan d d e r F am ilie (Kopfzahl) bei durch au s gleichbleibendem k u ltu r e lle n W7e r t anzupassen.

D ie d re i verschiedenen W h h n ty p en k ö n n en j e ­ w eils sow ohl die g esündeste W ohnung fü r d ie k in d e r­

reiche F am ilie, als auch d ie großräum liche Wro h n stä tte d e r anspru ch sv o llen k in d e rlo se n oder k in d e ra rm e n E h e p a a re sein.

In so fe rn sichern sie auch dem E ig e n tü m er einen b le ib en d e n W e rt, ohne daß die G rundstücke fü r eine b estim m te K lasse von M enschen ein fü r allem al fe st­

g eleg t w ären .

D ie W ohnungen sollen von allen n u r möglichen G esichtspunkten aus b etra ch te t einen hohen k u ltu ­ re lle n W e r t besitzen, d .h . die L age und A nordnung d e r R äum e im ein ze ln en soll so sein, daß m an sie in je d e r B eziehung als richtig und ein w a n d fre i b e ­ zeichnen k a n n :

D e r F l u r is t nicht e n g u n d s d ilo t a r t ig , so n d e r n g e r ä u m ig un d fü r d ie A u f s t e llu n g v o n M ö b eln v e r w e n d b a r , w ird d u r d i d ie v o r g e la g e r t e L o g g ia d ir e k t b e lic h te t, b e lü f t e t u n d b ie t e t d ir e k te n Z u g a n g zu K ü d ie , B a d b zw . W a s c h g e le g e n h e it, K lo se tt u n d dem W o h n ra u m .

D i e K ü c h e , g e r ä u m ig , m it S p e is e k a m m e r und a lle n s a n i­

tä r e n u n d w ir ts c h a ftlic h e n N e u e r u n g e n v e r s e h e n , nicht d ir e k t am S c h la fzim m e r g e le g e n u n d d a m it G e r ä u sc h b e lä stig u n g v e r m e id e n d , is t a u ß e rd em so g e le g e n , daß d ie I n s t a lla t io n m it d em B ad w ir t ­ sch a ftlich st v e r b u n d e n w e r d e n k a n n u n d d ie K ü ch en d ü n ste durch d ie v o r h e r r sc h e n d e n W e s tw in d e nicht in , so n d er n a u s d er W o h n u n g g e t r ie b e n w e r d e n u n d d ie V o r m itta g s s o n n e d er H a u sfra u b e i V o r­

m itta g s a r b e it z u g u te k o m m t.

D a s B a d lie g t u n m itte lb a r n e b e n d en S ch la fzim m ern , ist g e r ä u m ig u n d b ir g t in sich W a n n e , W a s c h g e le g e n h e it u n d K lo se tt.

D i e S c h l a f z i m m e r sin d nach M o r g e n so n n e n se ite (O sten ) o r ie n t ie r t , er m ö g lic h e n im S o m m e r e in e n e r q u ic k e n d en S ch la f und b ie te n a u ß e rd em noch R aum fü r M ö b e la u fs te llu n g , S p ie l und A r b e it. D ie 2,15 m b r e it e n S ch la fzim m er e r m ö g lich en a u ß erd em b e i V e r s e tz u n g d er W ä n d e , d ie j a n u r e in m a l e in z e ln n o tw e n d ig e G e sc h le c h te r tr e n n u n g . N u r b e i B e n u tz u n g durch k in d e r r e ic h s te F a m ilie n m ü ß te n z w e i B e tte n w e s tlic h A u f s t e llu n g fin d e n .

D i e W o h n r ä u m e sin d sä m tlic h nach N a c h m itta g s so n n e n ­ s e it e (W esten ) o r ie n t ie r t , sin d b r e it a n g e o r d n e t, sich ern d adurch g a n z e in w a n d f r e ie B elich tu n g u n d B e lü ftu n g u n d v e r m it t e ln d u r c h

e i n e d ir e k t e r r e ic h b a r e L o g g i a d ie id e a le V e r b in d u n g m it dem F r e ilu ftr a u m .

D ie R äum e sind säm tlich e in w a n d fre i belichtet und b e lü fte t. Bezüglich d e r B edeutung des W hhnraum es ste h e ich im G egensatz zu „H a esler“. Wrohl m uß der W o h n ra u m g enügend groß sein, um d e r gesam ten F a m ilie b ei M ahlzeiten P la tz zu bieten, doch ste h t diese Z eitsp an n e in g ar k ein em V erh ältn is zu d e r Zeit, in d e r d ie K in d er nicht im W o h n ra u m anw esend sind, so n d e rn sich m it A rbeit, S port und Spiel beschäftigen, d e n e n sie in d e n g enügend geräu m ig en K inder-S piel- un d -A rb eitszim m er sogar m it ziemlich g u te r Isolie­

ru n g d e r ein ze ln en In d iv id u e n nachgehen können.

H a e sle r schlägt vor, daß m it d e r K opfzahl d e r F am ilie d e r Wro h n ra u m w achsen m uß u n d nim m t an, daß sich d ie F am ilie g rö ß ten teils im W h h n rau m a u fh ä lt; ich a b e r ste h e a u f dem S ta n d p u n k t, d aß zug u n sten ge­

n ü g en d g ro ß er A rb e its- u nd S p ielräu m e d e r W ohn­

ra u m nicht ü b erm ä ß ig v e rg rö ß e rt w erd en braucht.

B e m e rk t sei noch, daß das V orh an d en sein von B ad u n d Loggia b ei k u ltu r e ll w ertv o llen W ohnungen d ie se r G röße v o rau sg e se tz t w ird , d ie se sogar im

w esentlichen den M i e t k a s e r n e n c h a r a k t e r u n te rd rü c k e n u nd das W hhnen z u r F re u d e m achen können.

Diesen Forderungen entsprechen die drei bei­

gegebenen Grundrisse. Ich hoffe, mit diesen beweisen zu können, daß die mehrgeschossigen Mietwohnungen durchaus einwandfrei gelöst werden können und ein hochkultiviertes W rohnen ermöglichen. Gleichzeitig aber, und dies sei das wesentlichste, wird einwand­

frei bewiesen, daß eine größere W o h n u n g auch für kinderreichste Familien überflüssig ist. M a n kann die Schlafgelegenheit unter A n w e n d u n g zweier Klapp­

betten bis auf zwrölf Personen ausschließlich Kleinkind erhöhen, bei einer Wohnflächengröfie von 92,5 üm . B e ­ sonders aber sollte dies auch ein Beweis dafür sein, daß größere Wohnflächen behördlich überhaupt nicht bezusdiußt werden sollten, da sie sonst nicht m e h r im sozialen Sinn errichtet sind.

Unter kinderreichen Familien versteht m a n aber heute schon Familien, bestehend aus sechs bis acht Personen. Diese können einwandfrei schon in der 76,2 <im großen W o h n u n g untergebracht werden; im angezogenen Falle bei Aufstellung zw eier Klappbetten sogar zehn Personen, und eine sechsköpfige Familie ebenfalls bei Aufstellung zweier Klappbetten schon in der 59,9 <im -Wohntype.

Nachstehend gebe ich die G e s a m t h e r s t e l - l u n g s k o s t e n (reine Baukosten, Kosten der zen­

tralen Anlage, Anliegerkosten, Straßenbau, Gruncl- stückskosten einschl. Zinsverlust) nach d e m von H a e s l e r (Flugschrift der „F o r m “) errechneten ver­

gleichsgeeigneten Durchschnittspreis in H ö h e von 144 R M je 1 <im nutzbare Fläche und n e h m e an, daß dieser Preis schon deshalb verläßlich sein muß, weil bei der wirtschaftlichsten Straßenanordnung noch eine Verbilligung eintreten muß, ohne daß dadurch der kulturelle Wert wesentlich beeinträchtigt wird. Die Grundstückskosten sind mit 4,20 R M je 1 <im einschl.

Zinsverlust und die Verzinsung des Kapitals mit 6 v. H.

einschl. Amortisation bei Finanzierung der Siedlung zu rund 50 v. H. durch öffentliche und 50 v. H. durch Gesellschafts- oder private Gelder a n g e n o m m e n (nicht berücksichtigt worden ist dabei der in der letzten Zeit niedriger gewordene Hypothekenzinssatz).

D ie in n e re n E inrichtungen d e r W ohnungen sollen die gleichen w ie in K a s s e l sein, ebenso ist die z e n ­ tra le H eiz- u nd W hschanlage m it W a rm w a sse rv e r­

so rgung angenom m en. Um einen möglichst w ertv o llen Vergleich au fz u stellen , setze ich ü b e rh a u p t die K asseler A u sfü h ru n g vo rau s u nd nehm e an, d aß sich dieselb e als solide erw eist.

Es erg ib t sich also fü r die d r e i W o h n ty p en fol­

gende Rechnung:

Großtyp: 144,00 RM 92,52qm : 100 ■ 6 v . H . : 1 2 M o n .= 66,12 RM M onatsm iete M itteltyp: 144,00RM • 76,25 qm • 100 • 6 v . H . : 12Mon. = 54,90 RM

K lein ty p : 144,00RM 59,97 qm 100 6 v .H : 12Mon. = 43,17 RM ohne so n stig e A bgab en und U nterhaltung.

N im m t m an an , daß die m onatliche M iete ein V ierte l d es M onatseinkom m ens oder ein en W ochen­

lohn des A rb e ite rs nicht ü b e rste ig e n soll, so sieh t m an, d a ß d ie Beschaffung von e in w a n d fre ie n WToh- n u n g en zu tra g b a re n M ieten möglich ist u n d d e r m oralisch - sittlichen und geistig - k u ltu re lle n H ebung un se re s V olkes nichts im W ege steht. —

W O H N U N G S B A U

H ochhaus o d er F lach b au ? Seit dem K riege ist auch b ei uns das H ochhaus in M ode gekom m en. W ie b ei v ie len D ingen, m e rk te m an auch h ie r bald, daß d e r W o lk e n k ra tz e r nicht n u r eine In fla tio n sid ee ist, so n d e rn u n te r U m stä n d en ein zw eckm äßiges u nd e r ­ w ünschtes G eb ild e sein k a n n . D ie C orbusiersche T u rm h a u ssta d t, u rsp rü n g lic h als P h a n ta sie verlacht, ist inzw ischen durch w issenschaftliche U ntersuchungen b e s tä tig t w o rd e n : es ist nachgewdesen, daß g roß­

städ tisch e S ied lu n g en , G ebiete, in d e n e n d ie große N ach frag e nach R aum z u r dichten B esiedlung fü h rt, n u r d urch w e iträ u m ig g estellte H ochhäuser gesund un d r a tio n e ll a n g e le g t w e rd e n k ö n n en . D a rü b e r h in ­ a u s erm öglicht das H ochhaus ein e s tra ffe O rg a n isa tio n

seines in n e re n B etriebes, w ie sie etw a in großen V er- w altu n g s- un d A p a rtm e n th ä u s e rn erw ünscht ist.

S eine G eg n er sind d ie V e r tr e te r d e r G a r te n s ta d t­

bew egung, die je d e großstädtische K o n ze n tratio n von Menschen und d am it auch d as H ochhaus ab leh n e n . In d e r H itze des K am pfes h ab e n b eid e P a rte ie n ih re e x tre m ste n P ositio n en eingenom m en, je d e v e r ­ tr itt ih re n S ta n d p u n k t, un d es geht d a h e r um ein

„ E n tw e d e r -O d e r “. D ie le tze B rü sse le r A rc h ite k te n ­ ta g u n g h a t den S tre it ü b e r dieses T h em a w ie d e r a u f ­ leb en lassen, u n d in den F achzeitschriften w ird e r eben als D e b a tte G r o p i u s - H o c h h a u s c o n tra H ä r i n g - F l a c h b a u fo rtg e fü h rt.

WTas w ü rd e m an sich d en k e n , w en n d ie A u to ­ in d u strie d a r ü b e r b e ra te n w ü rd e , ob sie in Z u k u n ft

(6)

nur mehr Autobusse oder nur mehr Motorräder er­

zeugen solle. M a n trage doch auch hier die B a u ­ unternehmer; mit d e m sidieren Instinkt iür Rente, Nachfrage und folglich Bedürfnis würden sie ant­

worten: Hochhaus u n d Flachbau, und jedes dort, w o es a m Platze ist. W e n n m a n schon forschen will

— wozu haben wir Forsdiungsinstitute — , so lasse m a n statistisch feststellen, wieviel Berliner in N e u ­ strelitz und wieviel in Wilmersdorf oder a m Wedding wohnen wollen. U n d w e n n m a n dann noch glaubt, die a m Wedding in Siedlerhäusern, die in Neustrelitz aber a m besten in Wolkenkratzern unterbringen zu können, dann. . .

Hoddiaus und Flachbau dienen ganz verschiedenen Bedürfnissen, und jedes ist nur dort a m Platze, w o diese Bedürfnisse vorhanden sind. Es gibt hier keine Norm. In der ganzen Skala von Wohnlaube bis T u r m ­ haus hat jede F o r m unter gewissen Bedingungen ihre Daseinsberechtigung. Eine sinnvolle Diskussion dürfte nur nach diesen B e d i n g u n g e n fragen. Der ein­

seitige Standpunkt einer fiktiven N o r m führt not­

gedrungen zu Unsachlichkeit und zu f a l s c h e n Theorien, mit denen sich bekanntlich alles beweisen und widerlegen läßt: während Gropius das Hochhaus will, u m den Menschen z u m sozialen W e s e n zu machen, plädiert Häring, von der gleichen Sendung z u m Erzieher der Menschheit erfüllt und aus ähn­

lichen Gründen, für den Flachbau.

W a r u m sollen Autobusse abgeschafft werden, und w a r u m sollen alle Menschen nur mehr als Bienen­

schwarm per Motorrad im S o m m e r auf die Badewiese und im Winter ins Büro fahren? W a r u m sollen Menschen, die a m Wedding wohn en w o l l e n , dies nicht dürfen? W e n n sie es wollen, dann stellen sie damit den Architekten und Städtebauern eine Auf­

gabe: so zu bauen, daß diese Menschen unter ihrer Zahl und in der Enge des Ra umes nicht krank und schlecht werden. Diese Aufgabe nicht lösen zu können, wäre Bankrott der Architektur. W ir machen sie uns aber zu leicht, w e n n wir anstatt einer b a u ­ l i c h e n Lösung ein V e r b o t aufstellen. Das ist N i e m a n d e s Sache, geschweige die des Architekten!

U n d w a r u m soll es den Menschen verboten w e r ­ den, Motorrad zu fahren, mit oder ohne Sozius? Soll es wichtiger sein, die Menschen nach einer höchst frag­

würdigen Methode im Autobus z u m Kollektivmenschen zu erziehen, als ihm die Freude an Sport und was dazu gehört zu lassen? W a r u m soll es denen, die es w o l l e n , v e r b o t e n werden, einen Garten für Pflanzen und Tiere dicht a m Haus zu haben? W a r u m soll einer gezwungen werden, mit d e m Fahrstuhl ins x-te Geschoß, zu fahren, w e n n er nicht w i l l ? K o m ­ munismus? Die Bergarbeiter im Ruhrgebiet würden auf eine solche Frage ziemlich eindeutig antworten.

W a r u m ? Weil unter der Diktatur des Archi­

tekten der Bewohner, der B e d ü r f n i s t r ä g e r , ein willenloses Subjekt zu sein hat. Er mußte früher die Gipsornamente für schön finden und m u ß heute be­

geistert sein von der Zweckmäßigkeit seines Hauses.

Die Sachlichkeit zeichnet sich durch die Abwesenheit des Menschen aus; der Entwurf ist eine — angeb- lidi — mathematisch errechnete Konstruktion, die

„wissenschaftlich bewiesen“ wird, und was an Mensch- tum fehlt, wird durch eine Parteidoktrin ersetzt. Hier liegt vielleicht eine Wurzel für die Sehnsucht nach d e m Osten vieler Architekten: dort ist das ideale Reich des Architekten, weil er dort, gestützt von der politischen Macht, die Menschen zu seiner Woh n - konstruktion z w i n g e n kann. Zu welcher Popu­

larität es auf solche Weise die Architektenschaft ge­

bracht hat, zeigt folgendes Beispiel: Seit mehreren Wochen bringt der „Weltspiegel“ allwöchentlich die Bilder jener Prominenten, die das Publikum zu sehen wünscht; unter den vielen Dutzend Bildern befand sich bis heute noch kein Porträt eines Architekten. — Die Antithese Gropius— Häring zeigt zur Genüge, daß ein auf N o r m e n gestütztes Bauen sich selbst ad absurdum führt. Das Leben und seine Bedürfnisse sind zu kompliziert geworden. Die Probleme lassen sich nur dann erfassen und lösen, w e n n die künstle­

rische Intuition sich auf zwei feste Pfeiler stützt-

]. Der Kontakt zwischen der Architektenschaft und der produzierenden und konsumierenden Wirt­

schaft m u ß derart innig sein, daß die Bedürfnisse un­

mittelbar erfaßt werden können und es nicht mehr notwendig wird, sie zu k o n s t r u i e r e n . Jede Künstlerschaft neigt zur Isolierung; nirgends aber ist sie gefährlicher als in der Baukunst, weil diese nur im Dienst an ihrem Publikum besteht. Seit über hundert Jahren aber hat sich die Baukunst d e m Volk entfremdet. Im rasenden W a c h s t u m der Organi­

sationen ist vergessen worden, diese Lücke rechtzeitig zu schließen. Die hier angeführte Debatte ist ein sprechender Beweis dafür: W e d e r Konsumenten noch Produzenten sind in ihr zu Worte ge kom men; ja, keiner der streitenden Teile hat auch nur leise ver­

sucht, seine These v o m Standpunkt der Wirklichkeit, d. i. der Wirtschaft, aus zu betrachten.

2. Die zweite Stütze m u ß eine ausgebildete w i r k l i c h e W i s s e n s c h a f t sein. M a n kann nicht sagen, daß diese Diskussion Theorie gewesen wäre. D e n n die Voraussetzung jeder Theorie ist ihre logische Festigkeit. Der Streit „Hochhaus oder Flach­

bau“ geht aber u m inkommensurable Begriffe, ist d a rum unlogisch und aussichtslos. Augenblicklich herrscht eine Tendenz (die sich z. B. in den be­

absichtigten Hochschulreformen ausdrückt), den von Wissenschaft unbeschwerten und frisch drauflos- schaffenden Architekten dein wissenschaftlich ge­

bildeten vorzuziehen. Es könnte dann eines Tages sein, daß aus einer solchen Diskussion Ernst wird, daß eine Regierungsmajorität sich für Hochhaus oder Flachbau entscheidet und das eine oder andere dekretiert. Die Gefahr ist größer als m a n denkt.

D e n n in unserer Bauordnung wimmelt es von solchen Vorschriften, die nichts anderes als technische Einfälle sind, weder von der Wirklichkeit, noch von der Wissenschaft geprüft, aber z u m Gesetz erhoben. —

L ö w i t s c h .

W O H N U N G SW ES EN

Die deutschen Gemeindeverwaltungen und die neue Wohnungspolitik. Der Reigen der Berliner Wohnungs- und ¡Städtebaukongresse wu r d e a m 31. Mai dieses Jahres durch die 13. Hauptversammlung der

„Kom m u n a l e n Vereinigung für Wohnungswesen“ er­

öffnet, die unter überaus zahlreicher Beteiligung, audi aus d e m Auslande, im Stadtverordnetensitzungssaal des Berliner Rathauses unter der Leitung ihres Vor­

sitzenden, Stadtbaudirektor Dr.-Ing. G u t , München, stattfand. Nach kurzen Begrüßungsworten des Vor­

sitzenden, die durch Bürgermeister Dr. E l s a ß als Vertreter des Oberbürgermeisters von Berlin und durch Ministerialrat Dr. W ö 1 z im Aufträge der Reichsregierung und der Vertreter der Länder­

regierungen Erwiderung fanden, w u r de sofort in die Erörterung des Hauptverhandlungsthemas „ G e ­ m e i n d e n u n d W o li n u n g s f r a g e“ eingetreten, das von vier verschiedenen Rednern behandelt wurde, nämlich für die Großstädte, die Mittelstädte, die Kleinstädte und das flache Land (Oberbürgermeister Dr. L u p p e , Nürnberg; Oberbürgermeister Dr.

r r e s d o r f , Brandenburg; Bürgermeister Dr.

y* c 1' r öd e r , Selb i. B.; Landrat K n u t z e n , W a n d s ­ bek). M a n kann die Ausführungen dieser vier Redner dahin zusammenfassen, daß sie der Klärung folgender grundsätzlicher Fragen dienten:

i s' c?1 tBe G em einden ü b e rh a u p t noch mit d er W ohnungsfrage befassen, und b ejah e n d en falls w ar uni ?

r C*ic B e tä tiS ^ g d e r G em einden au f dem G ebiete des W ohnungsw esens n u r eine v o rü b er­

gehende (z.B. auf die D a u e r d e r W ohnungsnot) oder eine d au e rn d e sein?

3. Welches sind die Voraussetzungen, unter denen eine ersprießliche Tätigkeit der Gemeinden auf d e m Gebiete des Wohnungswesens gewährleistet ist?

Diese F ra g e n w u rd e n durch d ie V erhandlungen etw a in fo lg en d e r W eise b e a n tw o rte t:

L Die B eaufsichtigung des W ohnungsw esens ist als eine A ufgabe d e r G em e in d e n g e s e t z l i c h fest­

gelegt (1 reufiisches W o h n u n g sg esetz usw.). Es steht

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also nicht in der freien Entscheidung der Gemeinden, ob sie sich auf d e m Gebiete des W ohnungswesens be- tätigen wollen oder nicht. Über die gesetzliche Ver­

pflichtung hinaus sind es die besonderen Notstände auf d e m Gebiete des Wohnungswesens, die teils ein vorübergebendes und teils ein dauerndes Eingreifen der Gemeinden auf verschiedenen Teilgebieten er­

forderlich machen.

■ ^*n.e v o r ü b e r g e h e n d e Betätigung der G e ­ meinden ist auf d e m Gebiete des V ohnungsneubaues erforderlich, solange die Wohnungsnot fortdauert und solange die Privatwirtschaft nicht in der Lage ist, aus eigener Kraft W ohnungen für die grolle blasse der Bevölkerung zu tragbaren Mieten in ausreichender Zahl zu erstellen. Die Frage, ob die W ohnungsnot noch weiterbesteht, wurde von allen vier Rednern eindeutig bejaht, auch von d e m Vertreter der Klein­

städte und d e m Vertreter der Landkreise. Besonders '?n den beiden letztgenannten Rednern wurde darauf hingewiesen, daß die W ohnungsnot sich nicht nur in d e m absoluten Fehlbetrag an W o h n u n g e n äußere sondern durch den fortschreitenden Verfall von Alt- Wohn un g en und durch die Wohnungsüberfüllung und das W ohnungselend in erschreckendem M a ß e ge-

" erde. Einmütig wurde auch die Behauptung, daß N e u b a u w o h n u n g e n in größerer Zahl leer stünden, als Tendenzmeldung zurückgewiesen. Über die Not­

zeit des Wohnungsmangels hinaus bedarf es einer d a u e r n d e n Betätigung der Gemeinden auf d e m Gebiete des W ohnungswesens zur Erhaltung der Alt­

wo h n u ng e n als eines wesentlichen Bestandteiles unseres Nationalvermögens durch Wiedereinführung einer planmäßigen Wohnungsaufsicht, des Hauptauf­

gabengebietes der gemeindlichen Wohnungsämter, und zur allmählichen Beseitigung der Wohnungsüber- füllung und des Wohnungselendes durch Wieder­

einführung einer planmäßigen Wohnungspflege. Audi die Wohnungsfürsorge für bestimmte Bevölkerungs­

kreise, wie z.B. für Kinderreiche, Lungentuberkulose und Kriegsbeschädigte, wird ohne Mitwirkung der Gemeinden nicht durchzuführen sein, da die Privat­

wirtschaft, die sich ja vor d e m Kriege nidit nur be­

züglich der W ohnungsfürsorge für die genannten Be- völkerungssdiichten, sondern gegenüber d e m Klein­

wohnungsbau überhaupt fast völlig ablehnend ver­

halten hat, auch in Zukunft k a u m gewillt und auch nicht imstande sein wTird, diese Aufgabe zu lösen.

Erst recht trifft dies für die Beschaffung von Unter­

künften für Obdachlose, Leistungsschwache und Asoziale zu. Das wuchtige Problem der II. Hypothek, das schon in der Vorkriegszeit eine so große Rolle im W o h n u n g s b a u gespielt hat, wird auch in Zukunft nicht ohne Mitwirkung der öffentlichen H a n d und insbesondere der Gemeindeverwaltungen zu lösen sein. Die Sanierung ungesunder Stadtviertel gehört

%zu den Aufgaben auf d e m Gebiete des AVohnungs- w'esens, an denen die Selbstverwaltungskörper u n ­ mittelbar und^ mittelbar in erheblichem" M a ß e inter­

essiert sind. So ist es eine Fülle von Daueraufgaben, welche die Gemeinden auf d e m Gebiete des W o h ­ nungswesens zu lösen haben und die sie im Interesse der V olksw ohlfahrt und des Staatswohles lösen müssen.

5. W elches sind die Voraussetzungen hierfür? Zu ­ nächst gilt es, der Tendenz der Reichsnotverordnung v o m I. D ez em ber 1930, im W ohnungsbau allmählich die Privatwirtschaft wieder einzuschalten — eine Tendenz, die von den Gemeinden grundsätzlich be­

grüßt wird — , z u m Durchbruch zu verhelfen. So­

bald dies gelungen ist, können sidi die Gemeinden auf d e m Gebiete des WOhnungsneubaues wieder 111 die Grenzen zurückziehen, die sie sich auf diesem G e ­ biete schon vor d e m Kriege selbst gesteckt hatten.

Als Mittel zur Einschaltung der Privatwirtschaft hat die Notverordnung auf der einen Seite eine starke Beschneidung der Mittel für die Hauszinssteuer­

darlehen un d dafür eine stärkere Heranziehung des Privatkapitals vorgesehen. Die letztere soll durch Bürgschaftsübernahmeu und durch Zinszuschüsse er­

möglicht werden, da selbst die Notverordnung die Zeit noch nicht g e k o m m e n sieht, in der sich das Privatkapital bereitfinden wird, sich ohne besondere Lockungen und ohne besondere Sicherheitsmaßnahmen

auf d e m Gebiete des Kleinwohnungsbaues selbständig zu betätigen. Z u m Problem der Zins- und Miet­

zuschüsse sprach Oberbürgermeister Dr. L u p p e fol­

gende Gedan ken aus: D e r Vorsdilag des Enquete- Ausschusses auf Beschränkung fester Mietzuschüsse ist weder gangbar, noch weg en des ungeheuerlichen Geschenkes aus Steuermitteln an alle Häuserbauer tragbar. Sollen aber Zinszuschüsse gegeben werden, so genügt nicht die Sicherstellung der Hauszinssteuer auf fünf Jahre, wöe es die Notverordnung vorsieht, sondern die Sicherstellung m u ß auf mindestens 15 Jahre erfolgen, besonders w e n n die Zuschüsse in größerem Umfange gewährt w-erden sollen. Selbst w e n n genügend Privatkapital flüssig gemacht werden könnte, um, wie vorgesehen, ein Viertel des W roh- nungsneubaues auf diesem W e g e zu finanzieren

— daß dies möglich sein wTird, wmrde stark in Zweifel gezogen — , so wird d e m Privatkapital eine Sicher­

stellung der Zinszuschüsse auf nur fünf Jahre niemals eine ausreichende Sicherheit sein. D a h e r ist d e r W o h n u n g s b a u m i t ö f f e n t l i c h e n M i t t e l n z u r D e c k u n g d e s F e l i l b e d a r f s a n W o l i - n u n g e n n o c h a u f J a h r e h i n a u s in e r h e b ­ l i c h e m U m f a n g e u n e n t b e h r l i c h , d a h e r m ü s s e n a u s r e i c h e n d e H a u s z i n s s t e u e r - m . j * * e 1 n o c h a u f J a h r e h i n a u s z u r V e r ­ f ü g u n g g e s t e l l t w e r d e n , zumal die G e ­ meinden nicht in der Lage sind, Bürgsdiaften aus eigener Kraft zu übernehmen (höchstens unter der Voraussetzung der Bildung überörtlicher Bürgschafts­

sicherungsfonds, aber auch dann nur in sehr be­

schränktem Umfange).

Aber auch die Aufgaben, die sich für die G e ­ meinden auf d e m Gebiete des Wohnungswesens, w e n n einmal der Hauptwohnungsbedarf gedeckt sein sollte, als Daueraufgaben ergeben, bedürfen zu ihrer Losung erheblicher Mittel. Für alle diese Aufgaben wird ein Teil der Hauszinssteuer noch auf längere Zeit bestehen bleiben müssen, und für sie werden audi in erster Linie die Hauszinssteuerrückflüsse Ver­

wend u n g finden müssen, die auch dort, w o sie jetzt d e m Staate zufließen, den Gemeinden zu überweisen sind. So ergibt sich als wichtigste Forderung für die Gegenwart und für die Zukunft, als eine Forderung, an deren Erfüllung die Privatwirtschaft so gut inter essiert ist, wie es die Gemeinden sind, d a ß d i e H a u s z i n s s t e u e r e r h a l t e n b l e i b e n u n d z u e i n e m e r h e b l i c h e n T e i l e i n d e u t i g t u r d i e E r f ü l l u n g d e r m a n n i g f a l t i g e n A u f g a b e n a u f d e m G e b i e t e d e s W o h ­ n u n g s w e s e n s d e n G e m e i n d e n z u r V e r ­ f ü g u n g s t e h e n m u ß .

A n diese Vorträge schloß sich noch ein Referat des Justitiars der Wohnungsfürsorgegesellschaft Berlin Dr. H e i n r i c h über die Organisation und Zukunft des üerhner W ohnungsbaues. Dieses w a r zur Ein­

führung und Vorbereitung für die Rundfahrten ge­

dacht che im Anschluß an die Tagung zur Besichtigung der Berliner Wohnungsneubauten stattfanden. Aber es war wesentlich mehr! Es w a r eine praktische E r ­ läuterung an der H a n d des Beispiels Berlin zu den grundsätzlichen Ausführungen, die vorangeganeren waren. Aus d e m außerordentlich interessanten Zahlenmaterial des Herrn Dr. Heinrich seien nur einige wenige Angaben mitgeteilt: Nach der Neu- ü?gniUn g ! der ^ ohnungswirtschaft verbleiben der ,.tadt Berlin nur noch 50 Millionen R M (bisher 120Mil

K w T * d e n e c- im äußersteu Fall nur noch o l E S w ° u n U nge° fl<5“n21« t werden können (bisher 24 000 Wohnungen). O b w o h l zur Zeit noch 20 000 W o h ­ nungen in Angriff g e n o m m e n sind, beträgt die Zahl der erwerbslosen Arbeitnehmer im Berliner B a u ­ gewerbe bereits 70 000 (im Vorjahr 30 000). Auch dieser Redner sprach sich gegen die Ü b e r na hme weiterer Gemeindeburgschaften aus. Er schloß seine Ausfuhrungen mit d e m Hinweis darauf, daß für die Zukunft auch Hauszinssteuermittel für die Pflege der bereits ausgegebeneu Hauszinssteuerhvpotheken zur Verfügung stehen müßten, u m der Wertminderuno- Rankoife“ 5 elJrlhunSs°b Jekte durch den A b b a u der Baukosten Rechnung tragen zu können. —

Dr.-Ing. G.

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