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Deutsche Bauzeitung. Bauwirtschaft und Baurecht, Jg. 65, Nr. 33

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Academic year: 2022

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BAUWIRTSCHAFT

UND BAURECHT

FINANZIERUNG»WOHNUNGSWIRTSCHAFT65.J ah B l ü o l

B A U IN D U S T R IE * B A U G E W E R B E 1 2 . A U G U S T

R E C H T S F R A G E N * R E C H T S A U S K Ü N F T E a q

B E IL A G E Z U R D E U T S C H E N B A U Z E IT U N G N R . 6 5 > 6 6

B *5*5

H E R A U S G E B E R • R E G IE R U N G S B A U M E IS T E R F R IT Z E IS E L E N

A L L E R E C H T E V O R B E H A L T E N • F Ü R N IC H T V E R L A N G T E B E IT R Ä G E K E IN E G E W Ä H R

B E R L IN S W 4 8

B E D E U T U N G U N D P R O B L E M E

D E R N E B E N B E R U F L IC H E N S IE D L U N G

V O N D R . K . V O N M A N G O L D T , B E R L IN

Weitverbreitet sind jetzt die Einsicht und das Gefühl, daß unser bisheriger Städtebau, insbesondere unser Großstadtbau mit seinen Mietkasernen und der dichten Massierung der Menschen, an einem W e n d e ­ punkt angelangt ist, daß wesentliche Änderungen in der Ansiedlung unserer nichtlandwirtschaftlichen B e ­ völkerung Platz greifen müßte. U n d dieses Gefühl hat ja auch große, sehr reale Unterlagen. Die tat­

sächliche Bevölkerungsentwicklung hat sich gerade in der- allerletzten Zeit überraschend stark zu­

ungunsten der großen Städte gewandelt: der früher als ganz selbstverständlich erscheinende regelmäßig starke Bevölkerungszuwachs ist geschwunden. Berlin hat bereits im vorigen Jahre eine Bevölkerungs­

a b n a h m e von über 14 000 Personen gehabt, und im laufenden Jahre ist eine noch größere A b n a h m e wahrscheinlich; die 28 größten deutschen Städte, über die die Statistik bereits vorlag, haben z u s a m m e n also, w e n n m a n von den Eingemeindungen absieht, im vorigen Jahre u m rund 10 000 Personen abgenommen.

M a g sich das mit einer Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse auch allmählich wieder ändern, so ist doch keine Rede davon, daß das ade gewaltige B e ­ völkerungswachstum unserer Großstädte in abseh­

barer Zeit wiederkehrt. U m so m eh r liegt v o m Stand­

punkt des Beschäftigung suchenden Baugewerbes der Ged a n k e nahe, Ersatz für dies fehlende Wachstum in den starken Tendenzen zu suchen, die auf U m - und Aussiedlung der vorhandenen städtischen Bevölke­

rung in weiträumigere, naturverbundenere Verhält­

nisse hinstreben. W e n n mit der Zeit i mm e r mehr große Teile der vorhandenen städtischen und be­

sonders großstädtischen Bevölkerung aus den bis­

herigen dicht bebauten Bezirken ihren Wohnsitz hin­

aus in die weitere U m g e b u n g verlegen sollten, so m u ß es, w e n n auch großenteils in veränderten F o r m e n und in sehr viel bescheideneren Verhältnissen, dort für das Baugewerbe, einschl.^ ';ch des Tiefbaues und der Baustoffindustrie, viel zu tu \ g^'">en. Eine solche Ent­

wicklung wird aber sicher r ur oder minder zur nebenberuflichen Siedlung führen, d. h. zu einer solchen Ansiedlung der städtischen und industriellen Bevölkerung, w o die materielle und ideelle Nutzung des Bodens über die bloße Nutzung als Baugrund­

stück hinaus eine Rolle spielt, w o also der Städter usw. zugleich Bewirtschafter einer kleinen Landstelle ist. Auch die neuesten von der Reichsregierung ver­

kündeten Grundsätze begünstigen, scheint uns, diese Richtung: so schon die Notverordnung des Reichs­

präsidenten v o m 1. D e z e mber v. J, und dann ins­

besondere die Reichsgrundsätze v o m 10. Januar 1931 über die V e r w e n d u n g der zur Förderung der B a u ­ tätigkeit auf d e m Gebiete des Siedlungs- und W o h ­ nungswesens bestimmten Mittel, die u. a. gleich in ihrem zweiten Absätze bestimmen: „Zur Entlastung der innerstädtischen Wohngebiete ist der W o h n u n g s ­ bau in den Randgebieten und in der U m g e b u n g der Städte besonders zu fördern.“ Auch die Stadtver­

waltungen selber dürften von ihrem früher doch sehr vielfach vorhandenem einseitigen Streben nach m ö g ­ lichst großen Einwohnerzahlen einigermaßen zurück­

g e k o m m e n sein und der Ansiedlung in der U m g e b u n g vielfach sympathischer gegenüberstehen als früher.

Endlich ist ja auch kein Zweifel, daß in der Bevölke­

rung selber sich doch in sehr weitem U m f a n g e ein tatkräftiges Streben zeigt, den großstädtischen Massenansammlungen zu entfliehen und sich in mehr ländlicher Weise anzusiedeln.

D a ß die nebenberufliche Siedlung unter solchen Umständen schon in absehbarer Zeit eine außer­

ordentlich erhöhte Bedeutung erlangen kann, wird nicht zu bestreiten sein. Sie vermag ja aber auch, wenigstens in den Fällen, w o die mit ihr verbundene kleine Landstelle zu wirklich ausgiebiger Boden­

produktion und eventuell Kleintierzucht ausgenutzt wird, derartige Vorteile zu gewähren, daß sie ge­

radezu als einer der wenigen großen Rettungswege erscheint, die unserem Volke in seiner bedrängten Lage noch verblieben sind. Diese Vorteile sind ja im allgemeinen bekannt, aber es ist doch nicht ohne Wert, sie über diese allgemeine Erkenntnis hinaus einmal aus d e m M u n d e bester Sachkenner, die aus der Fülle der praktischen Erfahrung schöpfen, ge­

nauer geschildert zu finden. So hat der leider in der Kriegszeit bereits verstorbene, aber der älteren Generation der Wohnungspolitiker noch wohl- bekannte treffliche L a n d r a t B e r t h o l d in Blu­

menthal a. d. Weser unterhalb Bremens diese Vor­

züge in einem auch heute nodi geradezu klassischen Vortrage auf der Jahresversammlung des Rheinischen Vereins für Kleinwohnungswesen in Düsseldorf 1913 geschildert, und zwar an H a n d der ungefähr zwanzigjährigen Erfahrungen, die er mit der von ihm planmäßig geförderten Entwicklung der neben­

beruflichen Siedlung — Halbmcrgenstellcn, teilweise noch unter Zusatz von Pachtland — in seinem eigenen, sich rasch industrialisierenden Kreise gemacht hatte.

Er rühmte damals diese Wirkungen so ziemlich nach jeder in Betracht k o m m e n d e n Seite hin ganz außer­

ordentlich, nach der wirtschaftlichen, gesundheitlichen und sittlichen ebenso wie nach der bevölkerungs­

politischen, und insbesondere hob er auch die große Widerstandsfähigkeit hervor, welche die so an- gesiedelten Industriearbeiter in Notzeiten, bei Krisen, Arbeitsstreitigkeiten u. dgl., gezeigt hätten. Aller­

dings haben damals in diesem Kreise Blumenthal für die Kleinsiedlung wohl besonders günstige B e ­ dingungen Vorgelegen: Vollbeschäftigung der Siedler in ihrem Hauptberuf, finanziell günstige G r u n d ­ bedingungen für die Schaffung der Siedlungsstellen, INähe des Arbeitsplatzes und wohl auch von Haus atus eine bodenständige, die Landarbeit gewohnte Bevölkerung. Aber auch neuestens, auf d e m Lehr­

gang des Deutschen Archivs für Siedlungswesen Ende März d. J. über „Arbeitslosigkeit und Sied­

lung“ sind wiederum höchst eindrucksvolle Schilde-

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1 1 „ ßprnrrlentlieh große günstige Möglichkeiten vor- rungen der überaus günstigen Wirkungen solcher < ^ die in weitem U m f a n g ja auch bereits Wirk- nebenberuflidien Siedlung, und zwar aus der w öen s > geworden sind und die sich bei einiger Gunst wart erfolgt. So wies u a Regierungsiat a ■ Verhältnisse und geschickter Behandlung der G r a f v. d. G o l t z , Hildesheim, auf die au^ r i { auch w e iter in großem Umfan g verwirk-

« S i n lasse» werde,,

teils in Heimarbeit teils m zahlreichen kleinen ört- Sicher stehen ja nun allerdings einer um- liehen Fabriken der Zigarrenindustrie, der Wäsche- fassenden günstigen Beschaflu« g nebenberuflicher konfektion usw. beschäftigten Arbeiter fast alle Siedlung bei uns zur Zeit recht bedeutende FI i n - schon in jungen Jahren sich ein kleines Eigenheim d e r m s s e , namentlich finanzieller Art entgegen, mit landwirtschaftlicher Nebennutzung errichten und M a n darf eben doch nicht ubersehen, daß bei den heiraten Sie erreichen damit, zumal sie meist Baukosten und Zinssätzen, wie wir sie vorderhand och einen bis zwei Morgen zupachten, eine erheb- noch jlaben, solche Neuschaffungen sich naturgemäß liehe S cherung gegen Konjunkturschwankungen der in ihren Grundlagen sehr viel ungünstiger stellen Industrie und leiden viel weniger unter eventueller müssen als viele bchop ungen der alten Zeit aber Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit. Auch die bevolke- demgegenüber lassen sich noch auch wieder sehr ge­

rungspolitischen Verhältnisse sind dort sehr günstig. wichtige Gegenargumente anfuhren. Aus den Aus- U n d von ähnlich günstigen Verhältnissen wußte aut führungen, che Architekt H e i l i g aui Seite 116 des d e m gleichen Lehrgang Kreisbaumeister D o r n i s laufenden Jahrgangs dieser Zeitschrift gemacht hat, aus d e m L a n d k r e i s e B i t t e r f e l d zu berichten, ggbt hervor, daß für den Inhaber tatsadilich doch w o eine ausgedehnte Tätigkeit auf d e m Gebiet dieser schließlich der Unterschied zwischen den Kosten einer Kleinsiedlung entfaltet worden ist. W e n n auch ein Kleinstwohnung neuesten Stils im größeren Hause großer Teil dieser Stellen selber nicht so sehr groß und einer Kleinsiedlungsstelle nicht so überaus groß ist so findet doch vielfach noch Landzupachtung ist Stark ins Gewicht fällt bei einigermaßen gün- statt. W ä h r e n d der Hungerjahre war dieser Be- stigen Verhältnissen auch der wirtschaftliche Ertrag völkerungskreis in der Lage, nicht nur die eigene durch Bodennutzung, Kleintierzucht usw. Landrat Familie ohne große Not zu unterhalten, sondern ßerthold hat den baren Vorteil aus dieser Quelle in darüber hinaus noch sehr oft Verwandtschaft und seinem obigen Vortrag auf G r u n d ziemlidi genauer Freundschaft zu unterstützen, und während der Berechnungen für die dortigen, ja allerdings, wie jetzigen schweren Arbeitslosenkrise sind die Vorteile gesagt, wahrscheinlich ziemlich günstigen Verhältnisse dieser Siedlungsweise besonders in die Augen a u f 10o bis 250 R M jährlich angegeben. Sehr wesent- springend. „Die wichtigsten Lebensbedürfnisse wer- ]jch ist auch, daß bei solcher Kleinsiedlung Aussidit den selbst erzeugt. Diese Selbstversorger scheiden jst> einen verhältnismäßig großen Bruchteil der Bau- melir oder minder als Wohlfahrtsempfänger der Ge- i<osten aus den eigenen Mitteln der Kleinsiedler auf- meinde aus . . . Der Industriearbeiter auf d e m zubringen; im Landkreise Bitterfeld waren es ein- Lande mit eigenem Besitz erweist sich als zuver- schließlidi der Selbsthilfearbeitsleistungen der Klein­

lässiger Staatsbürger. Es handelt sidi u m einen Per- sjedlung über ein Drittel der Baukosten. Audi darf sonenkreis mit ausgeprägtem Sparsinn. Jeder vierte m a n m jt der Möglichkeit rechnen, daß allmählich Einwohner im Kreise Bitterfeld hat ein Sparbuch bei durch Einsetzen des freiwilligen Arbeitsdienstes und der Kreissparkasse, deren Einlagenbestand schon anderer Reformen die Schaffung solcher Klein- über 16 Mill. R M beträgt.“ Siedlungen nicht unerheblidi verbilligt wird.

M a n kann vielleicht einwenden, daß auch bei Eine ganz außerordentliche Ausweitung würde diesen Beispielen besonders günstige örtliche Ver- aber dieses ganze Problem der nebenberuflidien liältnisse möglidierweise vorliegen, die sich in der Siedlung erfahren, w e n n es gelänge, die von vielen Allgemeinheit nidit so vorfinden. Wir können das Seiten ja als besonderes wichtiges Mittel zur Ver- liier nicht näher untersuchen, aber Tatsache ist doch, ringerung der Arbeitslosigkeit angestrebte allgemei- daß diese Siedlungsform früher bei uns allgemein nere Einführung der K u r z a r b e i t mit der neben­

einen sehr breiten R a u m eingenommen hat. Auf beruflichen Siedlung zu verbinden, so daß der Aus- d e m schon erwähnten Lehrgang sagte Regierungs- faB all Lohn durch den Ertrag der ja dann natürlidi Baumeister a. D. L u n g e n , Berlin, in seinen Leit- etwrns größer zu beniessenden Siedlungsstellen er- sätzen zu einem allgemeineren, mit diesen Dingen setzt würde. Es sind in dieser Richtung, und zwar sidi beschäftigenden Vortrage u. a.: Es ist dies die bemerkenswerterweise von einem hervorragenden altbewährte Siedlungsform, die vor d e m Industrie- Vertreter der Industrie sogar sehr weitgehende Vor­

zeitalter, im Gegensatz zur bäuerlichen, als die sehläge gemacht worden, die auf Schaffung mehrerer bürgerliche Siedlungsform in allen Klein- und Mittel- Millionen soldier kleinen Siedlungsstellen liinaus- städten für alle Volkskreise bestanden hat. und die la ufen. Demgegenüber ist allerdings kritisch darauf mit ihrer Naturverbundenheit eine der wichtigsten aufmerksam gemadit worden, daß eine derartig weit- Grundlagen deutscher Volkskultur gewesen ist. gehende A n w e n d u n g der nebenberuflichen Siedlung Gegenwärtig sind wir anscheinend wieder auf einer auc)i nicht annähernd zu erreichen sein werde, da Linie aufsteigender Entwicklung in dieser Richtung der dann sich so außerordentlich verringernde Ver- angelangt, und es ist vielleicht nicht ausgeschlossen, dienst aus der industriellen Beschäftigung — Halb- daß sich, w e n n m a n mit längeren Zeiträumen rechnet, schichten! — nicht ausreichen werde, u m neben den das Zeitalter unserer ungeheuren Gioßstadtbiluung sonstigen Lebensbedürfnissen audi die doch auf alle und dichten städtischen Meusdienzusammen häufung Fälle erheblichen Lasten ans der Siedlungsstelle zu schließlich nur als eine Episode — die freilich aul decken.

alle Fälle tiefe Spuren hinterlassen wird — in , " . . . v -n, unserer ganzen Siedlungsentwicklung herausstellt. .. . ?ei, V le t‘enl auch sein möge, auf alle ra t

liegt dodi in der nebenberuflichen Siedlung offenbar Unstreitig können mit der nebenberuflichen Sied- eine unserer wichtigsten Zukunftsmöglichkeiten, auf lung allerdings auch sehr große N a c h t e i l e ver- deren Gebiet die wissenschaftliche und praktische bunden sein, insbesondere dann, wenn weite Ent- Pioniertätigkeit sidier nodi sehr Bedeutendes er- fernungen zwischen Arbeitsstätte und W o h n u n g und reichen kann. U n d "ewiß hat «'erad" «l;“ W^lt schlechte Verkehrsverhältnisse vorliegen. D a n n ' ~

es leicht zu Überanstrengung, gesundheit digungen, wirtschaftlichen Nachteilen u

Übelständen kommen, aber das hebt dou . ulc lfli- sache nicht auf, daß in der nebenberuflichen Siedlung

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G R U N D S Ä T Z L IC H E S

Z U M S E C H S T E N TEIL D E R N O T V E R O R D N U N G

ENTEIGNUNGEN AUF DEM GEBIETE DES STÄDTEBAUES

V O N R E G IE R U N G S B A U M E IS T E R A . D . D R .-IN G . E R N S T R U N G E

Die Zeit war reif, daß eine Gesetzgebung und eine Rechtsprechung, die. auf überlebten und überholten städtebaulichen und wirtschaftlichen Ideen und G r u n d ­ sätzen aufgebaut, nidit m e hr in unsere Zeit und in unsere Anschauungen passen wollte, durch etwas an­

deres ersetzt werden mußte. Jahrzehntelang war die gesamte Gesetzgebung, die gesamte Rechtsprechung von d e m rein individualistischen und egoistischen B e ­ griff von der unbedingten Unverletzlichkeit des Eigen­

tums beherrscht. Die Gesellschaftsordnung, die Wirt­

schaft, der Staat, das Gefüge der W eit baute sich auf d e m Eigentumsbegriff auf. Alle Gesetze, alles Recht

waren auf seiten des Eigentums.

Auch auf den ..Boden“ wurde diese Unverletzlich­

keit des Eigentumsbegriffes ausgedehnt und mit größt­

möglicher Starrheit verteidigt. O h n e Zweifel ent­

standen durch die Starrheit Überspannungen.

Die fortschreitende geistige Entwicklung der Menschheit löste langsam aber stetig Gegenspannungen aus. Geda nk e n entstanden, daß ein Wertzuwachs a m Eigentum, welcher nicht durch eigene Arbeit und Ueistung erworben war. der also ohne Zutun des Ein­

zelnen diesen zuflofi. nicht m e h r das Recht zu einem absolut egoistischen Gebrauch in sich trüge.

D e r G e d a nk e entstand, daß „Eigentum ver­

pflichte“! Gerade auf den G ru n d und Boden wurde dieser Begriff ausgedehnt, der schließlich in der Reichsverfassung seinen gesetzgeberischen Ausdruck gefunden hat in d e m Satz: „ E i g e n t u m v e r ­ p f l i c h t e t . S e i n G e b r a u c h soll z u g l e i c h D i e n s t s e i n f ü r d a s a l l g e m e i n B e s t e.“

Gerade der Städtebauer, der es ernst meint mit seiner Kunst und mit seinen Aufgaben,, wird sich diesem Entwicklungsgang nicht durchaus feindlich gegenüberstellen. So entstand im Hirn des Städte­

bauers die Überzeugung von der Notwendigkeit einer Umgestaltung der Schranken, die bisher das Recht a m Eigentum hüteten.

Die Bestrebungen der deutschen Städtebauer, ein neues Recht im Städtebau zu schaffen, scheiterten, mußten scheitern, solange Parteigezänk, Unver­

ständnis für technisch-soziale und technisch-wirtschaft­

liche Dinge und Parteiinteressen stärker waren, als das Verständnis für die Notwendigkeit der A n ­ gleichung des Gesetzes an das heutige Leben. Alle Verhandlungen u m ein Städtebaugesetz verliefen im Sande.

D a platzte wie eine B o m b e in die ganze Arbeit hinein das bekannte Reichsgeriditsurteil v o m Februar 1950. Der Begriff von der Unverletzlichkeit des Eigentums wur de damit maßlos überspannt. U n d so warteten viele Städtebauer — • der Verfasser m u ß ge­

stehen, auch er! — auf eine befreiende gesetz­

geberische Tat. Mit der Notverordnung v o m 5. Juni J951 konnte eine endgültige Lösung geschaffen we r ­ den. Aber trotz allen guten Willens, der in der Not­

verordnung zu erkennen ist, müssen ernste Bedenken erhoben werden. —

W e n n durch das „Betcke - Urteil“ eine Über­

spannung des Begriffes von der Unverletzlichkeit des Eigentums entstand, so m u ß m a n andererseits eine völlige Untergrabung dieses Begriffes durch die Aus­

legung der Notverordnung befürchten. Es soll nicht auf Einzelheiten der Notverordnung eingegangen werden, sondern nur auf die wichtigsten grundsätz­

lichen Bedenken.

Es ist zwar in § 1 Satz 1 der Notverordnung be­

stimmt, daß für alle Enteignungen zwischen d e m 15. August 1919 und d e m 1. April 1955 Entschädigung g e m ä ß landesrechtlichen, vor Inkrafttreten dieses Kapitels erlassenen Vorschriften gewährt wird. Bei Vollenteignungen gilt also das Enteignungsgesetz von 1S74. Nach § 8 wird der v o l l e W e r t bei der Be­

messung der Entschädigung zugrunde gelegt. Unklar­

heiten in der Auslegung sind nicht möglich.

Völlig anders liegt es bei E i g e n t u m s ­ b e s c h r ä n k u n g e n , insbesondere bei F r e i ­ f l ä c h e n a u s w e i s u n g e n . In § 5 Abs. 1 wird bestimmt, daß bei Dauerfreiflächenausweisungen n u r d i e e n t s t e h e n d e W e r t m i n d e r u n g d e s G r u n d s t ü c k e s entschädigungspflichtig ist. Es ist nicht wie bei Vollenteignungen der „ v o l l e M er t"

bei der Bemessung der Entschädigung festzustellen, sondern eine . . a n g e m e s s e n e Entschädigung". D a ­ bei wird ausdrücklich hervorgehoben,

..d a ß e in e W e r tm in d e r u n g nicht g e g e b e n s e i. w e n n u nd s o w e it durch d ie A u s w e is u n g e in e b e i E in tr itt d e r B e sch rä n k u n g ta tsä ch ­ lich a u s g e ü b te o d e r nach L a g e d e r V e r h ä ltn is s e m ö g lic h e B e ­ n u tz u n g sa rt nicht e in g e sc h r ä n k t w ir d “ .

Mit diesen Bestimmungen der Notverordnung wird, im Gegensatz zu den Bestimmungen bei A oll- enteignung, ein völlig neues Recht gesdiaffen. Dieses neue Recht w a r im Interesse eines geordneten Städte­

baues notwendig, nachdem das alte Recht durch die überspannte Rechtsprechung des Reichsgerichtes über­

lebt war. Es geht aber in seinen Auswirkungen über das erwünschte Ziel hinaus und schafft zweierlei Recht!

W ä h r e n d bei Vollenteignungen der „volle W ert“

im Sinne der bestehenden Rechtsprechung festzu­

stellen ist, ist der Enteignungskommissar d z w . der Richter bei der Feststellung der Entschädigung für Freiflächenausweisungen völlig auf das von subjek­

tiven M o m e n t e n beeinflußte Urteil des gerichtlichen Sachverständigen angewiesen. Dabei hat unter U m ­ ständen eine Freiflächenausweisung dieselben wirt­

schaftlichen Auswirkungen wie eine ^ ollenteignung.

Die Auffassungen werden je nach Lage der Dinge stark auseinandergehen; jeder Sachverständige wird, da der Begriff „angemessene Entschädigung" keinen objektiven, sondern einen subjektiven Maßstab er­

fordert, die Angemessenheit anders beurteilen. N u r wenige, sehr erfahrene, völlig objektive Sachver­

ständige werden in der Lage sein, ein gerechtes Urteil zu fällen, wobei an die Objektivität des Sachver­

ständigen außerordentliche Anforderungen gestellt werden.

M a n m u ß befürchten, daß die Einführung des B e ­ griffes zu großen Härten und zu zahllosen Fehl­

urteilen führen wird, besonders, w e n n m a n noch be­

achtet, daß bei der Bemessung der Entschädigung

„der Zeitpunkt der Beschränkung des Eigentums"

maßgebend ist. Es ist demnach ausgeschlossen, daß irgendeine, auch noch so gerechte und zu verant­

wortende Spekulationsmöglichkeit oder Spekulations­

absicht bei der Feststellung der Angemessenheit der Wertminderung irgendwie mit berücksichtigt wird.

Auch für unreguliertes Land, das z u m Zwecke der späteren Erschließung gekauft worden ist, und für das jahrelang Steuern gezahlt sind, ist also unter U m ­ ständen keine oder nur eine sehr geringe Entschädi­

gung fällig, sobald es als Freifläche ausgewiesen wird.

D e n n w e n n m a n für derartiges, zur Zeit noch niht für Bauzwecke verwendbares Land, das also erst in späterer Zeit erschlossen werden soll und bis dahin entweder gar nicht oder nicht ausreichend (z. B. als Schrebergärten) genutzt wird, die tatsächlich ausgeübte Benutzungsart zugrunde legt, dann ist eine "Wert­

minderung infolge einer Freiflächenausweisung gar nicht festzustellen. Das Land kann in der bisherigen Weise weitergenutzt werden, der Ertrag (der ja nur als Provisorium gedacht war!) bleibt derselbe; er steht zwar in keinem Verhältnis zu d e m auf Gru n d einer für spätere Zeiten gedachten Nutzungsart vor­

handenen Wert, aber er ist die Grundlage für die B e ­ messung der Entschädigung, die infolgedessen sehr klein sein wird und jeden W a g e m u t in"der Bauland­

erschließung lähmt. D a n n wäre auch für Ödland, das im Z u s a m m e n h a n g mit anderen Ländereien später einmal erschlossen werden soll, keinerlei Ent­

schädigung zu zahlen, w e n n es als Freifläche aus-

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gewiesen wird, lediglich, weil es 'orherauch genutzt wurde. M a n erkennt s c h o n jetzt die un geheuren Schwierigkeiten bei der Ermittlung der ..angemessenen" Entschädigung auf Grund der „tat sächlich ausgeübten Benutzungsart . , •

Wie aber das Wort „nach Lage der Verhältnisse m ö g l i c h e Benutzungsart“ ausgelegt werden soll,

ist völlig dunkel! •+ u«

Soll d o c h die Spekulationsmoghchkeit nnt be­

rücksichtigt werden oder soll, weil che gcra-de heri- schende Wirtschaftslage eine Verwendungsmöglichkeit als Bauland für absehbare Zeit ausschhefit, keinerlei Entschädigung gezahlt werden? Soll z.B. bei der U m ­ gestaltung eines vorhandenen Fluchtlinienplanes, bei der aus Bauland — Freiflächen werden, keinerlei Ent­

schädigungen fällig sein, nur weil „nach Lage der Verhältnisse“ im Zeitpunkt der Freiflächenausweisung noch nicht die Möglichkeit der Verwendung für den

gedachten Zweck vorhanden war? _

Dazu kommt, daß die Entschädigungen nach . y Ziffer 2 erst fünf Jahre nach der Entstehung des A n ­ spruches, also fünf Jahre nach der z u m ersten Male öffentlich bekanntgegebenen Freiflächenausweisung

fällig wird. , t> •

Wieder können Härten entstehen, die den Buin eines Grundstücksbesitzers herbeiführen können

M a n erkennt ganz allgemein, daß der Inhalt des

§ 3 der Notverordnung zu Härten und Mißverständ­

nissen und Fehlurteilen führen kann, die im Interesse eines geordneten Städtebaues höchst unerwünscht sind.

Von grundlegender v e r f a s s u n g s r e c h t l i c h e r Bedeutung erscheint aber auch die Bestimmung m S 3 Ziffer 1, die besagt,

..daß e in e W er tm in d e ru n g nicht g e g e b e n s e i, w e n n u n d s o w e it e i n e .b e i E in tr itt der B esch rän k u n g tatsäch lich a u sg e ü b te od er nach l ä g e d er V e r h ä ltn is s e m ö g lich e B e n u tzu n g sa rt nicht ein g e sc h r ä n k t

""'Abgesehen davon, daß in der Praxis derartige Fälle k a u m V o r k o m m e n können, widerspricht diese Bestimmung der bisherigen Rechtsprechung des Reichs­

gerichts, in der gesagt wird, daß eine derartige völlige Beschränkung des Eigentums einer Enteignung gleich­

zusetzen sei. Die Bestimmung verstößt zweifelsohne gegen § 155 der Reichsverfassung. D a endlich nach

§ 1 nicht nur die b i s h e r i g e n landesrechtlichen Vorschriften bei der Durchführung der Eigentums­

beschränkungen, sondern auch z u k ü n f t i g e landes­

rechtliche Vorschriften A n w e n d u n g zu finden haben, ist ein völliges gesetzestechnisches Chaos geschaffen, das noch verstärkt wird durch § 2, Halbsatz 2, in d e m gesagt wird, daß bei Enteignungen Entschädigung zu

leisten ist, w e n n und s o w e i t dies in den in § 1 Satz 1 genannten landesrechtlichen Vorschriften vor- geSC?Also1 w e n n in den landesrechtlichen Vorschriften vorgesehen ist, daß k e i n e Entschädigung bei Ent­

eignungen zu leisten ist, dann hat § 153 der Reichs­

verfassung keine Gültigkeit mehr? D a n n wird also o h n e j e d e E n t s c h ä d i g u n g enteignet?

Weiter heißt es in § 2:

F ü r d ie E n te ig n u n g ist e in e E n tsc h ä d ig u n g v o rb eh a ltlic h des

§ 3 zu le is t e n . .

Aber in § 3 ist ja von Enteignungen nicht die Rede sondern nur von Eigentumsbeschränkungen!

Oder’ist eine Eigentumsbeschränkung, d.h. eine Frei­

flächenausweisung doch eine Enteignung? Dann widerspricht der g a n z e Inhalt des § 3 überhaupt der Reichsverfassung!

Diese wenigen Streiflichter über die durch die Notverordnung neu geschaffenen Schwierigkeiten ge­

nügen, u m aufzuzeigen, daß, w e n n nicht Umgestal­

tungen, z u m mindesten Ausführungsbestimmungen k o m men, die klare Verhältnisse schaffen, neue Über­

spannungen entstehen. Diese Überspannungen w e r ­ d e n k o m men , sobald der reine Jurist das Gesetz aus­

legt. D a r u m m u ß mit Nachdruck gefordert werden, daß schleunigst M ä nner der Praxis herangezogen werden, deren Erfahrung und deren Rat nicht ent­

behrt werden kann.

M a n kann kein Gesetz v o m grünen Tisdi aus machen, w e n n das Wirtschaftsgebiet, das von diesem Gesetz geordnet werden soll, noch nicht einmal von der engsten Fachwelt voll erforscht ist.

Z u m mindesten aber — und da m u ß mit Nach­

druck darauf hingewiesen werden — ist es nötig, bei der Feststellung der Entschädigung mit der größten Sorgfalt vorzugehen. Vieles, was früher richtig war, ist heute falsch. Ein grundlegender Trennungsstndi zwischen der Vorkriegszeit und heute ist auch in den Bewertungsfragen nötig.

D a ß der Grundbesitz, insbesondere bei Neu- erschliefiung von Bau- und Siedlungsland, mit Opfern rechnen muß, davon m u ß sich Jeder, der gerecht denkt, überzeugen. M a n m u ß aber verlangen, daß die Opfer nicht zu Härten und Ungereditigkeiten werden. M a n m u ß verlangen, daß gleiches Recht im ganzen Reich geschaffen wird, und daß das Sdiidcsal des Grund und Bodens nicht den Ländern überlassen wird, m a n m u ß insbesondere von einer neuen Gesetz­

gebung volle Klarheit und bei der Feststellung der Entschädigung völlig objektive Richtlinien verlangen.

B E H Ö R D E N T Ä T IG K E IT G E G E N V E R U N S T A L T U N G

V O N R E G IE R U N G S B A U M E IS T E R A . D . C . B IL G E R , B A U R A T B E I D E R B A U P O L IZ E I F R A N K F U R T A . M .

Die in der Beilage zu Nr. 53/54 der „Deutschen Bauzeitung“ (Bauwirtschaft und Baurecht Nr. 27 vo m

I. Juli 1931) von Herrn Dr. jur. Hans C u le m a n n veröffentlichte Abhandlung über die Frage „Was ist Verunstaltung“ fordert wegen ihrer offensichtlich ein­

seitig-juristischen Tendenz eine E r w i d e r u n g aus technischen Fachkreisen heraus.

W e n n auch das behandelte Gebiet, wie überhaupt das gesamte Baurecht, einem spezialisierten Juristen dankbare und einträgliche Erfolge bieten mag, so m u ß doch im allgemeinen von jedem ernsten Baukünstler die Regelung ästhetischer Belange durch Verwaltungs­

streitverfahren auf Grund der Erfahrungspraxis be­

dauert werden, da diesbezügliche Entscheidungen nur zu leicht zwar formal und juristisch interessante Spitz­

findigkeiten, nicht aber sachlich brauchbare, pro­

duktive Lösungen bringen. Gerade die A n w endung der starren und häufig weltfremden Gesetzesaus­

legungen (wie beispielsweise die — wohl auch für die Verwaltungsrichter selbst — schwer verständlichen Differenzierungen zwischen Verunstaltung, grober und gröblicher Verunstaltung, Verunzierung und Be ­ einträchtigung) trägt den örtlichen Verhältnissen meist ungenügend Rechnung und wirkt auf die le­

bendige Fortentwicklung der ästhetischen Begriffe und die Verwirklichung moderner Bauideen, sowie

deren Schutz, hemmend, h e m m e n d e r jedenfalls als vereinzelte Fehlentscheidungen rückständiger „Ver- sagungs“behörden.

Die Befugnis der Verwaltungsrichter zur Nach­

prüfung fachlicher Spezialentscheidungen wie der ra t­

frage einer Verunstaltung, der künstlerischen und geschichtlichen Bedeutung, die Straßen und Plätze einer Stadt für sich in Anspruch n e h m e n können usw., bleibt weit über den Kreis der Heimatschutzbewegung hinaus unverstanden und wird als außergewöhnliche A n m a ß u n g empfunden.

Zur Klarstellung der Zuständigkeit der Baupolizei in ästhetischen Fragen sei auf Kapitel II Absatz 1 der Ausführungsanweisung z u m Verwaltungsgesetz von 1907 verwiesen (Baltz-Fischer, Preußisches Bau- polizeirecht):

„ D ie M a ß reg eln a u s §§ 2—7 s in d v o n d er P o liz e ib e h ö r d e (B a u p o lize i) zu t r e ffe n , a b er n u r a u f G r u n d u n d im R a h m en ein e s O r tss ta tu ts, d e sse n B e s tim m u n g e n zu r A u s fü h r u n g zu b rin g e n sie

— ä h n lich w ie in d en F ä lle n d e s § 12 d e s F lu c h t lin ie n g e s e t z e s — d urch zu fü h ren v er p flich te t i s t . “

Erfreulicherweise hat n u n m e h r das Gericht, trotz der — nicht zuletzt aus persönlichen Grü nde n — er­

hobenen juristischen Bedenken (Landtagsabgeordneter von Egnern, Das Polizeiverwaltungsgesetz in Preußen

Nr. lü der „ K o m m u n a l e n U m s c h a u “ v o m 20. Mai

(5)

1951), die N o tw end igkeit polizeilicher M aßnahm en nicht m e h r „nach o b je k tiv e n un d allg em ein e n G e­

sic h tsp u n k te n “ zu p rü fe n , so n d e rn n u r d anach zu b e u rte ile n , ob die ein e P o lize iv e ro rd n u n g e rla sse n d e B eh ö rd e „sich vom pflichtm äßigen E rm essen h a t le ite n la sse n “. B isher b ild e te in P re u ß e n d ie Basis fü r je d e polizeiliche T ä tig k e it d e r § 10 II 17 des schon z. Zt.

F rie d rich s des G roßen v o rb e re ite te n , im J a h re 1794 erla sse n e n A llgem einen L andrechts (ALR.). D er durch die A u fg ab e d e r P olizei

..d ie n ö tig e n A n s ta lte n zu r E r h a ltu n g d e r ö ffe n tlic h e n R u h e, S ic h e r h e it und O r d n u n g , u nd zu r A b w e n d u n g d er d em P u b lik o o d e r e in z e ln e n M itg lie d e r n d e s s e lb e n b e v o r s te h e n d e n G e fa h r en zu t r e f f e n “

um fassend gekennzeichnete Sinn d er V orschriften je n e r ab solutistischen Zeit ist bis heu te, b ei g ru n d ­ legend a n d e re n politischen V erh ältn issen gültig ge­

blieben. D ie se r L instand bew eist, daß d ie n ac h träg ­ liche E rg rü n d u n g des —- nach gerichtlichen E ntschei­

dungen im m er m aßg eb en d en — W illens des G esetz­

gebers recht d e h n b a re A n n ah m en zuläßt und daß es le tz te n E ndes im m er n u r a u f d e n G e i s t u nd di e H a n d h a b u n g d e r G e s e t z e an k o m m t, und je d e w e ite re V orschrift lediglich ein H ilfsm ittel zur

\ erein fach u n g des h e u tig e n k o m p lizie rten G eschäfts­

g an g e s u n d zu r A usschaltung p riv a te r oder b e h ö rd ­ licher W illk ü r ist.

Es b e d e u te t ein e \e r k e n n u n g d e r T atsachen, a n ­ zunehm en, d aß f rü h e r d ie A u f g a b e d e r P o l i z e i a u f d ie Ü berw achung d e r S icherheit b esch rän k t ge­

w esen u nd d e r G ed a n k e d e r Pflege und F ö rd e ru n g id e a le r In te re sse n d e r W o h lfa h rt, d e r A nm ut und Schönheit d urch die O b rig k e it e rst in jü n g s te r Zeit

— m it d e r U n te ro rd n u n g d e r B aupolizei u n te r das W o h lfa h rtsm in iste riu m — a u fg e tre te n sei.

O h n e a u f die historische E n tw icklung einzugehen, sei n u r a u f die k la r e F assu n g des § 66 ALR. h in ­ gew iesen, dessen A nw endungsm öglichkeit auch h eu te noch recht groß ist, d a im M itte lp u n k t fast je d e r lä n d ­ lichen G em einde ein öffen tlich er P la tz liegt, und nicht w enige D ö rfe r noch altes S tad trech t besitzen.

Auch in d en e rst sp ä te r zu P re u ß e n gekom m enen L an d e ste ile n b es ta n d e n vielfach ähnliche Rechts­

g ru n d lag e n .

So war im früheren Herzogtum Nassau durch die z u m landesherrlichen Edikt erlassene Steinsche „Ver­

waltungs-Ordnung v o m 5. Juni 1815“ der Polizei

„ d ie A u fs ic h t a u f d ie E r b a u u n g n e u e r H ä u s e r , in s b e s o n d e r e d ie S o r g e fü r m ö g lic h ste A n s t ä n d ig k e it im Ä u ß e r n “

übertragen.

Nicht w en ig er in te re ssa n t ist folgende in I 12 des B a u sta tu ts fü r d ie S tadt F ra n k fu r t und S achsenhausen vom 11. Ju n i 1809“ e n th a lte n e Sondervorschrift:

„ D a e s auch zu r E h r e u n d Z ie rd e d er S ta d t g e r e ic h t, w en n nach u n d nach d ie F a c a d e n d er G e b ä u d e in a lle n S tra ß en in e in e m g u te n G eschm ack e r b a u t zu s e in , b e fu n d e n w e r d e n , so h a t d a s B a u a m t u n d b e s o n d e r s d e r d e m s e lb e n b e is it z e n d e S ta d t- B a u m e is te r d em B a u e n d e n , w e n n so lch er nach s e in e n U m stä n d en d e r F a c a d e s e in e s G e b ä u d e s , d a s er e n tw e d e r n eu a u fz u fü h re n o d e r v o n G r u n d a u s h e r z u s t e lle n g e d e n k t, o h n e s e in e n N a ch ­ t h e il e in e s ch ö n e re u n d g e sc h m a c k v o lle r e G e sta lt g e b e n k a n n , n ich t n u r zw e c k m ä ß ig e V o r s te llu n g e n d e s w e g e n zu tu n u n d ihn zu v e r m ö g e n zu su c h e n , e in e n so lch en s c h ö n e m P la n s e in e s G e ­ b ä u d e s zu w ä h le n , ih m auch d e ß h a lb a lle w e it e r s d ie n s a m e A n ­ le it u n g u n d B e le h r u n g v o n A m tsw e g e n u nd u n e n lg e ld lic h zu g e b e n , so n d e r n e s d a r f auch, w e n n sich d er F a ll e r e ig n e n s o llt e , d aß je m a n d a u s L ie b e zu m S o n d e r b a r e n o d er a u s E ig e n s in n s e in e m G e b ä u d e e i n e so lch e F a c a d e g e b e n w o llt e , durch w e lc h e e in o ffe n b a r e r M iß sta n d e n ts te h e n u n d d ie g e m e in e S tr a ß e v e r ­ u n z ie r t w e r d e n w ü r d e , zu d er A u ffü h r u n g d ie E r la u b n iß nicht g e g e b e n , s o n d e r n e s m uß in d ie s e m F a ll d er B a u e n d e a n g e h a lte n w e r d e n , e in e n ä n d e r n B a u p la n zu w ä h le n , d e r m it d en G e se tz e n d e r S y m m e tr ie u n d d es g u te n G eschm acks v e r e in b a r lic h is t .“

und ferner die in d e m „Gesetz v o m 19. Mai 1855“

weit über die Befugnisse der neuzeitlichen B a u ­ beratungsstellen hinausgellende Anweisung über den

„ A n s t r i c h d e r G e b ä u d e . A rt. 1. D ie H a u s b e sitz e r sin d g e h a lt e n , sich b e i d em A n strich ih r e r H ä u s e r , u n d zw a r d er N e u b a u te n u n d d e r ä lte r e n G e b ä u d e , d ie F a r b e a u s d en v o n dem B a u -A m t e n t w o r f e n e n u nd zu J e d er m a n n s E in sich t b e r e it lie g e n d e n M u s te r b lä tte r n zu w ä h le n .

A r t. 2. A b w e ic h u n g e n v o n d en in d en M u s te r b lä tte r n e n t ­ h a lt e n e n F a r b e n sin d , a u f v o r g ä n g ig e A n z e ig e b e i d em B a u -A m te , v o n d ie s e m n u r d a n n zu g e s t a t t e n , w e n n d ie s e lb e n nach d em E r m e ss e n d ie s e s A m te s , d e n h e lls t e n o d e r d u n k e ls t e n T on d er v o r g e s c h r ie b e n e n F a r b e n n ich t ü b e r s t e ig e n .

D ie M itte ilu n g d e s B a u a m tlic h e n B e s c h lu s se s b e z ü g lic h e in e r zu r G e n e h m ig u n g v o r g e le g t e n F a r b e g e s c h ie h t k o s t e n f r e i. D ie w e iß e F a r b e is t n u r zu m A n str ic h d er F e n s te r r a h m e n e r la u b t.

A rt. 3. Ist e in G e b ä u d e m it e in e r a n d e r e n a ls in d en M u ste r­

b lä tte r n e n th a lte n e n (A rt. 1) o d e r v o n d em B a u a m te g e s t a t t e t e n F a r b e (A rt. 2) a n g e s tr ic h e n w o r d e n , so is t d e r A n strich in n e r h a lb e in e r vom B a u a m te zu b e s tim m e n d e n F r ist nach V o rsch rift d e s g e g e n w ä r tig e n G e s e tz e s a b z u ä n d e r n u n d d er V o llz u g d ie s e r V e r ­ fü g u n g e r fo r d e r lic h e n F a lle s durch a n g e m e s s e n e , d e m E ig e n th ü m e r d es G e b ä u d e s u n d d em b e tr e ffe n d e n V V eiß b in d erm cister a u f z u ­ e r le g e n d e G e ld str a fe n h e r b e iz u fü h r e n .“

D a ß allgemein, audi ohne besondere Gesetzesvor- schrift die Tätigkeit bedeutender Baumeister unter d e m starken Willen weltlicher und geistlicher Herr­

scher z. Zt. der berufsstolzen Zünfte und klassen- bewufiten Stände vielfach den Städten zu einheitlicher Gestaltung und vorbildlicher städtebaulicher Entwick­

lung verhalf, ist allen Kennern der Kunstgeschichte nicht fremd.

Heute aber, w o an Stelle der zünftigen H a n d ­ werker kaufmännische Unternehmer und an Stelle der geachteten Baumeister Planfertiger jeder Art ge­

treten sind, kurz, w o sich das Grundübel der G e ­ werbefreiheit im Bauberuf überall denkbar ungünstig auswirkt, da bedürfen alle Bauausführungen m e h r denn je einer Überwachung durch die Behörden.

U n d wer diesen Ursachen ernsthaft nachgegangen ist und festgestellt hat, daß der K a m p f der Behörden nicht den könnenden Architekten, sondern den N i c h t f a c h l e u t e n und der b e r u f l i c h e n H a l b w e l t gilt, und in erster Linie im Interesse der Baulustigen — „zur A b w e n d u n g der d e m Publiko bevorstehenden Gefahren“ — und gleichzeitig im Sinne einer „Erziehung des Volkes zu Natur- und Heimatliebe unter Abkehr von materiellen N e b e n ­ gedanken“ (Begründung z u m Entwurf des Preußischen Städtebaugesetzes) durdigefochten wird, der wird auch allen M a ß n a h m e n gegen Verunstaltung in Stadt und Land (Ministerialerlafi v o m 10. Januar 1908) das nötige Verständnis entgegenbringen.

Selbstverständlich wird sich erst der Beamte des Dankes des Publikums erfreuen, der seinen ableh­

nenden Standpunkt nicht schroff, sondern w o h l - b e g r ü n d e t d a r l e g t , und der durch hilfsbereite Beratung und Andeutung ansprechender Gegenvor­

schläge den Antragsteller ü b e r z e u g t und n i c h t ü b e r r e d e t . Dabei darf im Interesse der G r u n d ­ idee: des Schutzes des Architektenstandes, zur E r­

zielung einer H e b u n g der seit der Gründerzeit stark gesunkenen Durchschnittsleistungen, die Beratung nicht dazu verleiten, „bewußt oder unbewußt d e m eigenen Geschmack zur Herrschaft zu verhelfen, ins­

besondere gegenüber Persönlichkeiten, deren Vo r ­ bildung oder Wer degang zweifellos künstlerische A u f ­ fassung und Wertleistung vermuten läßt“ (Ministerial- erlaß v o m 7. Januar 1926).

Andererseits darf aber vor einer scharfen A n ­ w e n d u n g polizeilicher Bestimmungen überall da nicht zurückgeschreckt werden, w o u n v e r s t ä n d i g e P 1 a n f e r t i g e r (meist solche, die den Bauherren die Zeichnungen „kostenlos“ anfertigen unter der Bedingung, daß ihnen die Bauarbeiten übertragen werden) z u m Schaden des Bauherrn sich aus egoisti­

schen Gründen jeder Verhandlung widersetzen, oder w o „kaufmännisch eingestellte“ Unternehmer — be­

sonders auf d e m Gebiete des Werbeunwesens, der ..Blechpest“ — versuchen, die Behörde vor vollendete Tatsachen zu stellen.

Alsdann gilt es, den K a m p f aufzunehmen, selbst auf die Gefahr hin, daß in Einzelfällen formale Siege erfochten oder Laienentscheidungen im Sinne der von Herrn Dr. jur. C u l e m a n n angeführten negativen

„Musterbeispiele“ getroffen werden. Die Auswahl kennzeichnet übrigens die Einstellung des Verfassers.

Z u m Glück stehen diesen Entscheidungen auch viele, im ästhetischen Sinne, günstige Urteile gegenüber.

Lediglich auf d e m Gebiete des Reklame- und A n ­ schlagwesens überwiegen seit der grundsätzlichen Ent­

scheidung, daß das preußische Wohnungsgesetz v o m 28. M ärz 1918 (sehr entgegen d e m Willen des Gesetz­

gebers!) kein Recht z u m Erlaß positiver Polizeiver­

ordnungen für Anlagen ohne baulichen Charakter

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gibt, die ungünstigen Urteile, da der Erlal.

rechtlich einwandfreier Ortssatzungen an Stelle ciei strittigen Polizeiverordnungen nicht m kurzer ¿eii durchführbar ist. Es bleibt daher meist nichts anderes übrig, sofern der Gegenstand nicht schon ortsstatu­

tarisch geregelt ist, als im Einzelfall — gestu /.

eine Reihe Oberverwaltungsgeridits-Entscheidungen

— die Beseitigung aller die einheitliche Gestaltung des Straßenbildes störenden Anlagen zu verfugen, denn es ist logisch und unbestritten, daß dort, w o durch die Bauordnung sichtbarer Verputz, offenes_Fm- friedigungsgitter usw. vorgeschrieben ist, nicht Diecn oder Emaille angebracht werden kann. Möglicher­

weise läßt sich der Erlaß von Reklame-Polizeiverord- nungen nunmehr auf § 14 des neuen Pohzeiverwal- tungsgesetz.es in Verbindung mit § 80 ALR. stutzen.

Ein weiteres Eingehen auf die erwähnten

„Sammelbegriffe“ und die gesetzlichen Grundlagen erscheint nicht notwendig, da bereits zahlreiche Au s ­

arbeitungen bestehen*). .

Immerhin müßte das allgemeine Bedurlnis nach klaren und einwandfreien Schutzbestimmungen alle maßgebenden Fachkreise, insbesondere die D e n k m a l ­ pfleger aller Bezirke, Provinzen und Länder veran­

lassen, die jetzige Zeit der baulichen Baisse auszu- nutzen, u m die Verunstaltungsgesetze, die mit der raschen ,Nachkriegsentwicklung unmöglich Schritt zu halten vermochten, unter Berücksichtigung der jüngsten obersten Rechtsprechung neu zu bearbeiten und den heutigen Zeitverhältnissen anzupassen. Dabei wäre darauf zu aditen, daß die unberechtigte Beschränkung des Sonderschutzes auf hervorragende Gegenden fiele, denn

„ e s is t u n b illig , a n sich b e v o r z u g te G e g en d e n zu sch ü tzen , w e n ig e r b e v o r z u g te v er sch a n d eln zu la s s e n . Auch d ie n ich t b e v o r ­ z u g te n h a b e n la n d sch a ftlich e R e iz e , a u f d e r e n E r h a ltu n g d ie B e ­ w o h n er A nspruch h a b en . G e ra d e d ie B e w o h n e r so lch er G e g en d en k ö n n en v e r la n g e n , dalf ih re sch lichten G e g en d e n n ich t durch a u f­

d rin g lich e, in je d e r N a tu r u nschön w ir k e n d e R e k la m e n v e r u n s ta lte t w e r d e n .“

Jedenfalls wäre eine Vereinheitlichung der Gesetz­

gebung, analog der Vereinheitlichung des Bauord- nungswesens, auch auf diesem Gebiete sehr zu be­

grüßen und ein weiterer Schritt im Sinne der Bestre­

bungen zur Reichseinheit.

Doch sei immer wieder darauf hingewiesen, daß die besten Gesetze nichts nützen ohne die G e w ä h r einer entsprechenden sinngemäßen Handhabung. Die qualitative Eignung des Personals und die übersicht-

*) A us d er n e u e s te n L ite ra tu r s e ie n b e s o n d e r s e r w ä h n t: d ie k la r e ü b ersich tlich e und o b j e k t iv e A b h a n d lu n g v o n B ü r g e r m e is te r D r. K i e b e r (B er n c a stel) ü b e r „ P o liz e i u nd R e k la m e “ in H e ft 9 d er Z eitsc h r ift „ B a u a m t u n d G e m e in d e b a u “ vom 1. Mai 1931 u n d d as le b e n d ig e u nd f e s s e ln d e W erk v o n T h. B e h m e , „ R e k la m e u n d H e im a tb ild “ (V erla g von J. N eu m a n n , N eu d a m m 1931).

liehe und wirtschaftliche Organisation der Baupolizei, einschließlich der von ihr untrennbaren Bauberatung, ist V o r a u s s e t z u n g f ü r e i n e p r o d u k t 1 v e T ä t i g k e i t i m S i n n e d e r B a u p f 1 e g e. i \ ist die Anstellung erster Kräfte in der Leitung und die spezialisierte Durchschulung aller Beamten von besonderer Bedeutung, da die Baupolizei sämtliche an sie herantretenden Aufgabengebiete beherrschen mul.

und sich das Vertrauen des Publikums nicht durch diktatorische Ma ßnahmen, sondern nur durch die per- sönliche und fachliche Tüchtigkeit der Beamten sowie d e r e n V e r s t ä n d n i s f ü r d i e h e u t i g e W i r t s c h a f t s l a g e erwerben kann. U n d es ist Pflicht der Aufsichtsbehörden, in diesem Sinne die Besetzung der Baupolizeistellen zu überwachen und ihrerseits überall da, w o die Baupolizei entstaatlicfat ist, auf die Gemeinden einzuwirken, daß die Wah l der Beamten nur nach der beruflichen Vorbildung und Eignung erfolgt.

In dieser Beziehung zeigt auch die h e u t i g e A u s b i l d u n g d e r T e c h n i k e r a u f d e n m e i s t e n F a c h - u n d H o c h s c h u l e n n o c h e r h e b l i c h e L ü c k e n ! M a n verkenne nicht die große Verantwortung gerade der T e c h n i k e r , deren Ausführungen Denkmäler für lange Zeit bleiben und bei den geringsten Nachlässigkeiten oder Fehlentscheidungen die schwerwiegendsten Folgen nach sich ziehen können, während Justizirrtümer jederzeit durch neue Verwaltungsmaßnahmen oder Urteile geändert bzw. berichtigt werden können.

Der verantwortliche Techniker weiß, daß für eine gedeihliche Tätigkeit die Beaditung kaufmännischer, wirtschaftlicher und juristischer Belange unentbehr­

lich ist; er hat aber eine Bevormun dun g oder Ein­

mischung in seine ureigensten Gebiete nicht nötig.

U n d dar u m m u ß auch die versuchte Verteidigung unkünstlerischer Elemente, die Keiltreibung in die Architektenreihen und die Erziehung z u m Queru- lantentum gegen die Behörden, deren Gesamfüber- sicht der einzelne gar nicht haben kann, aufs schärfste verurteilt werden.

„ Ä sth e tisc h e I n te r e s s e n sin d nicht S ache d e s B a u in te r e s s e n te n , so n d er n d er Ö ffe n tlic h k e it, a ls d e r e n S ch ü tzer d ie B a u p o liz e i w a lt e t .

B a u p o liz e ilic h e V e r u n sta ltu n g s b e d e n k e n s in d n ich t v o n v o r n ­ h e r e in a b z u b ie g e n , d en n d ie B e u r te ilu n g d er B er e c h tig u n g durch d en A n g e g r iffe n e n is t m e is t s e h r s u b j e k t iv .

E s is t in d e r R e g e l n ich t e r fo r d e r lic h , d en B a u lu s tig e n A n ­ h a lts p u n k te zu g e b e n , o b u n d in w ie w e it d ie B a u p o liz e i b e i V e r ­ w e n d u n g d ie s e r B e g r iffe rich tig v e r fä h r t .

E s is t auch n ich t n o tw e n d ig , sch a rf n a c h z u p r ü fe n , o b d ie V e r ­ w a ltu n g s b e h ö r d e n d a , w o s ie h e m m e n d e in g r e if e n , im R echt sin d o d er nicht.

Positive Arbeit bedeutet, an allen Stellen den Geist der Baupolizei im Sinne heimatlicher Baupflege zu stärken und zu fördern. —

ARBEITSMARKTLAGE

D ie berufsübliche A rbeitslosigkeit in der A rb e its­

losenversicherung von 1928 bis 1931. In einem sehr interessanten Aufsatz in der neuesten N u m m e r des

„Reichsarbeitsblattes“ werden von Regierungsrat Dr.

Erwin Rawicz über U m f a n g und Struktur der berufs­

üblichen Arbeitslosigkeit in der Arbeitslosenversiche­

rung erstmalig statistische Angaben über die winter­

liche berufsübliche Arbeitslosigkeit in den Jahren 1928 bis 1931 veröffentlicht. D a das Baugewerbe an der winterlichen berufsüblichen Arbeitslosigkeit sehr stark beteiligt ist, so sollen im Nachstehenden einige kurze Angaben hierüber veröffentlicht werden.

Die Notverordnung zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen v o m 5. Juni 1931 brachte in ihrem 3. Teil auch eine grundlegende Änderung der Stellung derjenigen Arbeitslosen, die in der Arbeitslosenver­

sicherung als berufsüblich arbeitslos gelten. Diese Änderungen machen eine Stellungnahme des Ver­

waltungsrats der Reichsanstalt zwecks erneuter A b ­ grenzung des Personenkreises erforderlich, welcher der Sonderstellung der Saisonarbeiterin der Arbeits­

losenversicherung in Zukunft unterworfen werden soll. Unter diesen Umständen erscheint es angebracht,

ein zusammenfassendes Bild über das quantitative Gewicht zu geben, das der bisherigen Sonderstellung der Saisonarbeiter im B a u g e w e r b e in der Arbeitslosenversicherung zukam. D as ist dadurch er­

leichtert, als jetzt umfangreiches statistisches Material über den R a h m e n der berufsüblichen Arbeitslosigkeit über einen längeren Beobachtungszeitraum hinweg

vorliegt.

Mit geringen Abweichungen im Verlaufe der ein­

zelnen Jahre entstammen danach etwa zwei Drittel aller winterlich berufsüblich arbeitslosen M ä n n e r d e m B a u g e w e r b e bzw. den B a u n e b e n g e w e r b e n und der I n d u s t r i e d e r S t e i n e u n d E r d e n . Greift m a n für die vergangenen drei Winterperioden einen Stichtag jeweils im Februar heraus, so ergibt sich folgendes Bild:

Bei den männlichen Saisonarbeitern sind die stärksten Rückgänge im Baugewerbe, in der Industrie der Steine und Erden und bei den ungelernten A r ­ beitern eingetreten, so betrug die Zahl der berufs- üblidi Arbeitslosen Ende Februar 1929 rund 770 868, Mitte Februar 1930 618 315 und Mitte Februar 1931 nur noch 487 598.

Für die in den drei dieser Betrachtung zugrunde liegenden Winterperioden erfolgten stufenweisen

(7)

Schrumpfung der Zahl der Saisonarbeiter entsdieidend ist zweifellos das B a u g e w e r b e . W i e aus den so­

eben veröffentlichten Zahlen hervorgeht, ist von 1928/29 bis 1950/51 ein Rüdegang u m 280 000 ein­

getreten. Der besondere Grund für diese Erscheinung ist zunächst darin zu sehen, daß im letzten Winter ein großer Teil der Bauarbeiter die Anwaltschaft für die Arbeitslosenversicherung überhaupt nicht m e h r er­

reichte. D a z u kommt, daß, soweit die Anwartschaft verdient war, die Arbeitslosigkeit und damit der Unterstützungsbezug schon im S o m m e r bzw. im Herbst 1950 begonnen hatte und im Verlauf der Winter­

monate schon beträchtliche Aussteuerungen von B a u ­ arbeitern aus der Arbeitslosenversicherung mit d e m Erfolg der Senkung der Bestandszahlen in dieser Zeit­

spanne erfolgen mußten. Tatsächlich belief sich allein die Zahl der a u s g e s t e u e r t e n B a u a r b e i t e r (Baufacharbeiter und Bauhilfsarbeiter) in der Zeit von Mitte Dezem b e r 1950 bis Mitte März 1951 auf r u n d 95 000 P e r s o n e n .

D as gleiche wie für das Baugewerbe gilt auch für die I n d u s t r i e d e r S t e i n e u n d E r d e n , soweit sie in die Sonderregelung einbezogen waren. Auch hier sind die Zahlen der Betroffenen erheblich ge­

sunken, und zwar von 102 608 Ende Februar 1929 auf 65 051 Mitte Februar 1950.

In diesem Z u s a m m e n h a n g verdienen die Angaben besondere Beachtung, die die berufsüblich Arbeits­

losen nach E i n w o h n e r g r ö ß e n k l a s s e n grup­

pieren und zu den Bevölkerungszahlen dieser Ein­

wohnergrößenklassen in Verbindung setzten. Es er­

gibt sich, daß in den Gemeinden unter 10 000 Ein­

wohnern der Anteil der berufsüblich Arbeitslosen zwischen 19,6 und 22,4 v. T. schwankt, dagegen in den Orten mit 10 000 und m e h r Einwohnern nur zwischen 8,5 und 11,6 v. T. der Einwohner.

M a n könnte vermuten, daß die Bautätigkeit gerade in den stark besiedelten Zentren der einzelnen Wirtschaftsprovinzen einen stärkeren Niederschlag der Sonderregelung bei berufsüblicher Arbeitslosigkeit auslösen müßte. Das kann jedoch aus zwei Gründen nicht der Fall sein: Trotz der Schlüsselstellung, die das Baugewerbe für den gesamten Saisonmarkt und die Wirtschaft hat, m u ß es jedoch in G r o ß s t ä d t e n gegenüber den übrigen industriellen Wirtschafts­

gruppen z u r ü c k g e d r ä n g t werden. D a z u k o m m t weiter noch, daß ein Teil der Saisonarbeiter, die in größeren und Großstädten gearbeitet haben, mit B e ­ endigung der Saison in kleinere Gemeinden zurück­

kehren, soweit sie in ihnen beheimatet sind oder ihre Familien auf einem kleinen Besitz zurückgelassen haben. —

W O H N U N G S W E S E N

M aßnahm en z u r S enkung d e r M ieten. Ob w o h l das E i n k o m m e n des überwiegenden Teils der deut­

schen Bevölkerung in den letzten Monaten als A u s ­ wirkung der allgemeinen wirtschaftlichen Depression und der erhöhten Steuerlasten stetig gesunken ist, ist die gesetzliche Miete bisher unverändert geblieben, die Folge davon ist, daß der Anteil der Miete an den durchschnittlichen Ausgaben der Haushalte und an den Geschäftsunkosten erheblich gestiegen ist. Not­

wendig erscheint es deshalb, die Mieten zu den all­

gemeinen Einkommensverhältnissen wieder in das richtige Verhältnis zu briugen. Das ist aber ein außerordentlich schwieriges Problem, denn es ist an­

gesichts der steuerlichen Belastung des Hausbesitzes nicht ohne weiteres möglich, eine Senkung der Mieten vorzunehmen. D e r Durchschnittsmiete von 126,8 v. H.

stehen nach Ang a b e n des organisierten Hausbesitzes an Ausgaben o h n e Instandsetzungskosten gegenüber:

v. H. d er FriedeD sm iete

Hauszinssteuer...47,82 Staatl. Grundsteuer m. Zuschlägen 14,7 V ermög e ns s t e u e r... 2,86 H y p o t h e k e n z i n s e n ... 55,0 Betriebskosten... . 15,0 V e r w a l t u n g ... 10,0 R i s i k o p r ä m i e ... 5,0

Zusammen: 150,58

Auch die Reichsregierung, die in ihren letzten Kabinettssitzungen die Frage der Mietsenkung mit namhaften Führern der Wirtschaft erörtert hat, ist sich dessen bewußt, daß eine Schmälerung des Anteils des Hausbesitzes an den Mieteinnahmen n i c h t m ö g l i c h ist. Sie trägt sich deshalb mit d e m G e ­ danken, die Hauszinssteuer u m z u b a u e n oder zu s e n k e n . Auch das wird sehr schwierig sein, weil die Senkung der gesetzlichen Miete für zahlreiche Haushaltungen bereits zur Stundung oder Nieder­

schlagung der Hauszinssteuer geführt hat. Die B e ­ seitigung der Hauszinssteuer, so erstrebenswert sie ist, erscheint gegenwärtig nicht ohne weiteres möglich, da sie die Grundlagen der Etats von Ländern und Gemeinden erschüttern würde. Deshalb ist es nicht unwahrscheinlich, daß die Reichsregierung die H a u s ­ zinssteuer vorerst nur u m b a u e n wird, und zwar dergestalt, d a ß d i e H a u s z i n s s t e u e r d u r c h e i n e k o m m u n a l e W o h n r a u m s t e u e r e r ­ s e t z t w i r d . Diese A n n a h m e erscheint dadurch be­

gründet, daß die Reichsregierung gegenwärtig M a ß ­ n a h m e n zur Sanierung der Gemeindeiinanzen erwägt und die Wohnraumsteuer durch die Juni-Notverord­

nung in unsere Finanzgesetzgebung bereits Einzug ge­

halten hat. D er Hausbesitz, sowüe die Hypotheken­

banken fordern jedoch die s o f o r t i g e Aufhebung der Hauszinssteuer und begründen ihren Antrag da­

mit, daß der Wegfall der Sonderbesteuerung des Hausbesitzes andere Steuermehreingänge nach sich ziehen wTürde. F o l g e n d e r V o r s c h l a g ist nun v o m Hausbesitz und den Hypothekenbanken gemacht worden: d i e H a u s z i n s s t e u e r d u r c h e i n e a b l ö s b a r e R e n t e a u s d e m H a u s b e s i t z z u e r s e t z e n . Diese Rentenbelastung soll für das Reich einen Betrag von 500 Millionen Rentenmark er­

geben; sie beträgt 5 v. H. der Mieteinnahmen und wird auf 56 Jahre berechnet. D a der Gesamtmietertrag des Hausbesitzes auf 6 Milliarden Rentenmark geschätzt w ird, ergeben sich aus der 5 v. H. Rentenbelastung 500 Millionen Rentenmark.

Dieser neue Torschlag war bereits Gegenstand der Beratungen des Präsidiums des R e i c h s v e r ­ b a n d e s d e r D e u t s c h e n I n d u s t r i e , in dessen letzter Sitzung beschlossen wurde, einen Ausschuß mit der weiteren Erörterung der Frage zu betrauen.

Es ist nicht unwahrscheinlich, daß das Rentenprojekt zur Beseitigung der Hauszinssteuer später in die Wirklichkeit umgesetzt wird, zumal ähnliche Pläne sowohl v o m Präsidenten des Deutschen Städtetages, Dr. M u 1 e r t , als auch von Dr. K a r d i n g , d e m früheren Stadtkämmerer der Stadt Berlin, bereits veröffentlicht w orden sind, und in Kreisen der Wirt­

schaft lebhaften Widerhall gefunden haben. — D ie p riv a te n N eu h a u sb esitze r fo rd e rn M aßnahm en zu ihrem Schutz. I m Preußischen Landtag ersuchen mehrere Abgeordnete unter Hinweis auf die schwierige Lage der privaten Neuhausbesitzer das Staatsministerium in einer kleinen Anfrage u m fol­

gende Maßnah men :

1. Die privaten Neubauten der t e u e r e n B a u ­ j a h r e 1924/1950 in gleicher W Teise, wie die N e u ­ bauten, die in der Zeit v o m >1. April 1951 bis z u m 51. März 1954 bezugsfertig w-erden. entsprechend den Bestimmungen der Dezember-Notverordnung f r e i ­ z u s t e l l e n von der staatlichen und k o m m u n a l e n Grundvermögenssteuer, der Einkommensteuer, der Körperschaftssteuer und der Aufbringungsumlage.

2. Für die privaten Neubauten der teueren B a u ­ jahre, weil sie weit schlechter gestellt sind als die stark begünstigten „Gemeinnützigen“, d i e V e r z i n ­ s u n g u n d T i l g u n g d e r H a u s z i n s s t e u e r ­ h y p o t h e k e n für die nächsten Jahre a u s z u ­ s e t z e n .

5. Sobald normale Verhältnisse auf d e m Geldmarkt eingetreten sind, auf eine a l l g e m e i n e S e n k u n g d e s H y p o t h e k e n z i n s f u ß e s hinzuwirken und für besondere Notfälle Z i n s z u s c h ü s s e aus den Rückflüssen der Hauszinssteuer zu gewähren.

4. Hinsichtlich des M i e t e r s c h u t z e s uswT für den privaten Neuhausbesitz das gleiche Recht gelten zu lassen, das für die „Gemeinnützigen“ gilt.

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