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Plutus-Briefe zur Fortbildung von Bankbeamten, 1931.12 Brief 12

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PLUTUS-BRIEFE

ZUR FORTBILDUNG V O N BANKBEAMTEN

HERAUSGEGEBEN VON GEORG BERNHARD UND BRUNO BUCHWALD

B R I E F 12

8. J A H R G A N G

Bilanzaufstellung und Bilanzbereinigung STUTTGART

DEZEMBER 1931

E in le itu n g .

Wenn w ir auch diesmal unser Dezember-Heft mit Rücksicht auf die jetzt bei den meisten Unter­

nehmungen beginnenden Jahresabschlußarbeiten P r o b l e m e n d e s B i l a n z i e r u n g s w e s e n s widmen, so ergibt sich hierfür mehr noch vielleicht als in früheren Jahren ein besonderer Anlaß.

Schon im V orjahr, als w ir uns im H eft „ A b ­ s c h l u ß u n d B i l a n z ” (vom Dezember 1930) m it den Schwierigkeiten der Bilanzaufstellung be­

schäftigten, die infolge des starken Sturzes der wichtigsten Waren- und Effektenpreise eingetre­

ten waren, hat der Abschluß der Jahresschluß­

rechnung bei vielen Unternehmungen schwere Schäden bloßgelegt und damit verschiedentlich zu Bilanzbereinigungsmaßnahmen Veranlassung ge­

geben. Noch vor 12 Monaten konnte man aber in dieser Hinsicht die Meinung vertreten, daß hier Maßnahmen in Frage standen, wie sie seit jeher im Rahmen der wechselnden K o n j u n k t u r ­ e n t w i c k l u n g erforderlich werden konnten, daß es sich hier also um übliche K o n j u n k ­ t u r v e r l u s t e bilanztechnischer A r t handelte, denen auch m it den gewohnten M itte ln genügend Rechnung getragen werden konnte. Heute, nach­

dem Deutschland mindestens seit einem halben Jahr, seit den Bankfeiertagen vom 13, Ju li, mitten in einer wirtschaftlichen K r i s i s v o n b i s h e r f a s t u n b e k a n n t e n A u s m a ß e n steht und nachdem seit Monaten durch die neue W äh­

rungszerrüttung in immer größeren Teilen der W e lt mehr oder minder a l l e Länder in den Stru­

del der Krise geraten sind, müssen diese B ilan­

zierungsnöte fraglos in ganz anderem Umfange akut werden. In sehr vielen Fällen ist so die Schwierigkeit eines Bilanzausgleichs, die im vo ri­

gen Jahr zur Debatte stand, durch die Frage über­

h o lt worden, ob und in welchem Ausmaße E i n ­ g r i f f e i n d i e S u b s t a n z d e s E i g e n - u n d F r e m d k a p i t a l s im Sinne einer Bilanzberei­

nigung und Sanierung erforderlich sind, um das Unternehmen fortzuführen und fü r die Zukunft zu kräftigen.

Es ist verständlich, daß auch die G e s e t z ­ g e b u n g diesem Prozeß nicht mehr uninteres­

siert und abwartend gegenüberstehen konnte, son­

dern daß von dieser Seite her der Versuch ge­

macht worden ist, den nunmehr zwangsweise in Gang gekommenen Prozeß der Bilanzbereinigung zu f ö r d e r n , soweit hierdurch eine B e s s e ­ r u n g d e r d e u t s c h e n P r o d u k t i o n s b e ­ d i n g u n g e n in ihrer Gesamtheit möglich er­

scheint. Umgekehrt aber mußte auch Vorsorge getroffen werden, daß nicht in übereilter Weise Eingriffe vorgenommen werden, um schemati­

schen Vorschriften der bisherigen Gesetzesbestim­

mungen zu genügen, soweit sachlich gerade infolge der Unzulänglichkeit aller gegenwärtigen Bewer­

tungsmaßstäbe ein Anlaß vom Standpunkt der B e t r i e b s r e n t a b i l i t ä t und B e t r i e b s ­ s o l i d i t ä t nicht gegeben erscheint.

So sind um das Problem der Bilanzbereinigung herum in größtem Umfange Fragen aller A r t auf­

getaucht, die eine Beschäftigung auch des Bank­

praktikers m it diesen Dingen notwendig machen.

W ie schon diese kurzen Ausführungen zeigen, sind dabei in erster Linie wirtschaftliche und wirtschaftsrechtliche Gesichtspunkte zu unter­

scheiden, Die

Gliederung

unserer A rbeit soll dieser Zweiteilung entspre­

chend Rechnung tragen.

Zunächst sollen im Zusammenhang die w irt­

schaftlichen Momente, d. h. also im wesentlichen Zweck und Voraussetzungen der Bilanzbereini­

gung untersucht werden, um festzustellen, in w el­

chen Fällen, in welchem Ausmaße und m it w el­

cher Bestimmung derartige Maßnahmen über­

haupt vorgenommen werden sollen sowie welche wirtschaftlichen Folgen sich an sie knüpfen.

Des weiteren soll dann untersucht werden, wel­

chen Einfluß die bereits im Wege der A ktien­

rechtsreform bzw. der Notverordnungen getroffe-

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350 P L U T U S - B R I E F E 1931 • B R IE F 12

nen Gesetzesänderungen auf die Technik der B i­

lanzaufstellung besitzen und inwieweit damit Be­

ziehungen zwischen Rechtsreform und Notwen­

digkeit einer Bilanzbereinigung bestehen. In die­

sem Zusammenhang soll dann auch noch unter­

sucht werden, welche Konsequenzen diese Maß­

nahmen fü r die Frage der Börsenfähigkeit von A ktien besitzen und welche Änderungen auch in der P r a x i s d e r Z u l a s s u n g s s t e l l e n bei

Vorliegen von Bilanzbereinigungsmaßnahmen eingetreten sind.

Schließlich soll noch, um das Gesamtbild ab­

zurunden, kurz darauf hingewiesen werden, in welcher Weise die gleichen Probleme in verschie­

denen Teilen des Auslands aufgetreten sind, d. h.

inwiefern die Praxis der Bilanzbereinigung im Ausland ähnliche Wege zu gehen scheint, wie sie hier beabsichtigt sind.

Zweck und Voraussetzungen der Bilanzbereinigung.

Die Entwicklung der letzten Monate hat immer deutlicher erkennen lassen, daß bei einer über­

raschend großen Anzahl von Unternehmungen in Deutschland heute die Voraussetzungen für eine gesunde Entwicklung, ja überhaupt fü r ein W ei­

terbestehen auf ihrer derzeitigen Basis nicht mehr gegeben sind. Es handelt sich dabei allerdings nicht so sehr um eine K r e d i t k r i s e, als vie l­

mehr in erster Linie um eine R e n t a b i l i t ä t s ­ k r i s e . Aufgabe der nächsten Monate und Jahre muß es daher sein, m it jedem Opfer und unter A n ­ wendung aller irgend zur Verfügung stehenden M itte l die gestörten Rentabilitätsgrundlagen da wiederherzustellen, wo dies noch möglich ist, aber auch dort den Entschluß zur Liquidation bzw.

Zerschlagung von Unternehmungen zu finden, wo der Versuch einer W iederherstellung der Renta­

b ilitä t von vornherein aussichtslos erscheinen muß. Es handelt sich also um nichts mehr und nichts weniger als einen wirtschaftlichen Auslese­

prozeß von so ungeheuren Ausmaßen, wie w ir ihn in Deutschland bisher noch nicht erlebt haben dürften.

Richtung- und tempoangebend in diesem Reini­

gungsprozeß werden in erster Linie die B a n k e n sein, die m it weitaus den meisten notleidenden bzw. reorganisationsbedürftigen Unternehmungen entweder durch alte Kredite bereits in enger Be­

ziehung stehen und daher an ihrer Entwicklung ohne weiteres interessiert sind oder durch Ver­

weigerung oder auch Befriedigung neuen K re d it­

bedarfs in deren Entwicklung m it oder gegen ihren eigenen W ille n zwangsläufig eingreifen.

Neben den Banken kann allerdings auch der S t a a t insbesondere auf das T e m p o des an sich unvermeidlichen Ausleseprozesses dadurch nicht unerheblich einwirken, daß er ihn entweder er­

leichtert oder auch seine Hinausschiebung durch Außerkraftsetzung bzw. Änderung zwingender h a n d e l s r e c h t l i c h e r Vorschriften unter­

stützt.

Was in letzterer Hinsicht bisher geschehen ist und was möglicherweise in nächster Zeit zu er­

warten steht, darüber w ird in einem besonderen Aufsatze dieses Heftes berichtet. Zweck der nach­

folgenden Ausführungen soll es demgegenüber

sein, über die w i r t s c h a f t l i c h e n Vorausset­

zungen, die Grundlagen und die voraussichtlichen Auswirkungen des notwendigen Sanierungspro­

zesses eingehend zu sprechen. Bei einer der­

artigen Untersuchung erscheint es allerdings er­

forderlich, auch auf die U r s a c h e n näher ein- zugehen, die zu den heutigen Verlusten und der damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Rentabilitätskrise vieler noch vor kurzem schein­

bar blühender Unternehmungen geführt haben, da sie fü r die Beurteilung der Sanierungsfähigkeit, aber auch der Sanierungswürdigkeit der kranken Betriebe nicht ohne Bedeutung sind.

Die Entstehung der Verluste.

Sieht man unbefangen und objektiv auch nur die Liste der großen Unternehmungen durch, die im Verlaufe der letzten Monate eine Sanierung ankündigen oder bereits zur Durchführung brin­

gen mußten oder bei denen das Sanierungsbedürf­

nis doch fü r die Öffentlichkeit wenigstens bereits mehr oder minder evident ist, so w ird man in der Hauptsache auf d r e i Verlustquellen stoßen, die teils allein, o ft aber auch in Verbindung miteinan­

der die Lebensgrundlagen der betreffenden U nter­

nehmungen erschüttert haben. Es sind dies:

1. die Unmöglichkeit einer ausreichenden Aus­

nutzung der vorhandenen Produktionsan­

lagen,

2. außerordentliche Abschreibungsbedürfnisse auf Warenbestände, Forderungen, Effekten, o ft auch auf alle drei Positionen,

3. Verluste aus Finanztransaktionen.

H ie rv o n geht der an e rste r S telle angeführte G rund der U n re n ta b ilitä t v ie le r B etriebe im wesentlichen d a r­

auf zurü ck, daß im Zusammenhang m it der W e ltw ir t­

schaftskrise im allgem einen und ih re n besonders h a r­

ten A u s w irk u n g e n in Deutschland im besonderen die A b s a t z m ö g l i c h k e i t e n fast fü r a lle In d u ­ strie n s ta rk zurückgegangen sind. D ie da durch n o t­

wendig gewordene erhebliche P rod uktio nse insch rän­

kung mußte aber von um so schlim m eren A u s w irk u n ­ gen sein, als in D eutschland in den der derzeitigen K ris e vorausgehenden Jahren b e ka n n tlich riesige I n ­ vestitionen vorgenommen w o rden sind, in deren Ge­

folge te ils v ö llig neue P roduktionsanlagen entstanden, te ils die Leistun gsfäh igke it der bestehenden A nlagen

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enorm erhöht w orden ist. D u rch diese E n tw ic k lu n g is t aber gleichzeitig die B eschäftigungsem pfindlichkeit v ie le r Unternehm ungen a u ß e rord entlich gesteigert w o r­

den, und zw a r einm al deshalb, w e il ohne R ü cksicht auf die E n tw ic k lu n g der A bsatzverhältnisse sehr hohe Abschreibungen in jedem Jah re gemacht werden müs­

sen, und zum zweiten deshalb, w e il du rch die E rhöhung der Leistun gsfäh igke it in zahlreichen Betrieben auch das B e t r i e b s o p t i m u m (d. h. diejenige K a p a z itä t, bei der der B etrieb am b illig s te n a rb eite t) erheblich ge­

wachsen ist.

Schließlich bedingen hohe Buchwerte der A n ­ lagen auch hohe Zinskosten, die um so schwerer ins Gewicht fallen, wenn, wie es in Deutschland in den letzten Jahren vielfach der F a ll war, die F i­

nanzierung von Anlagen weitgehend m it fremden M itteln, und zwar großenteils m it k u r z f r i s t i ­ g e n Krediten erfolgte.

Die vorstehend gekennzeichnete Entwicklung w ird in ihren ungünstigen Auswirkungen dabei bekanntlich dadurch noch besonders verschärft, daß einmal heute in keiner Weise abgesehen wer­

den kann, ob und wann die Absatzmöglichkeiten wieder einen ähnlichen Stand erreichen wie vor drei Jahren, auf der anderen Seite aber Deutsch­

land in der Zwischenzeit bereits genötigt ist, so b illig wie möglich zu produzieren, um nicht in noch tiefere Arbeitslosigkeit zu versinken und seine Konkurrenzfähigkeit am W eltmärkte zu erhalten. B illig produzieren und damit im In ­ lande und Auslande konkurrenzfähig bleiben können aber kapitalintensive Betriebe nur dann, wenn Umfang und Buchwerte ihrer Anlagen in einem angemessenen Verhältnis zum Umsatz stehen, was aus den dargelegten Gründen heute vielfach nicht mehr der F a ll ist.

W ill man diesem Mißverhältnis Rechnung tra ­ gen, so muß man dazu übergehen, mindestens auf diejenigen Anlagen, deren vo lle Ausnutzung in absehbarer Zeit nicht möglich sein w ird, sehr er­

hebliche a u ß e r o r d e n t l i c h e A b s c h r e i ­ b u n g e n vorzunehmen. Darüber hinaus ergeben sich jedoch heute vielfach auch große Abschrei­

bungsbedürfnisse bei fast allen anderen Aktiven, und zwar insbesondere bei Warenbeständen, F o r­

derungen und Effekten- und Beteiligungswerten.

Bei den W a r e n b e s t ä n d e n ergibt sich dabei der Abschreibungsbedarf, soweit es sich um marktgängige Waren handelt, ohne weiteres aus den starken Rückgängen der Preise bei fast allen Welthandelswaren. Jedoch dürften sich in vielen Fällen Abschreibungsbedürfnisse auch bei ande­

ren A rtik e ln geltend machen. Man muß hier ein­

mal berücksichtigen, daß der Preisrückgang nicht auf Welthandelswaren beschränkt blieb und da­

her heute auch sonstige Bestände vielfach zu niedrigeren Preisen, zum Teil auch unter Selbst­

kosten, verkauft werden müssen. Zum anderen hat die Depression auch nicht unerhebliche struk­

turelle Marktverschiebungen nach sich gezogen.

Insbesondere sind die Käuferschichten bei man­

chen A rtik e ln weitgehend auf billigere Qualitäten übergegangen, was wiederum eine Entwertung der betreffenden teuren A rtik e l nach sich gezogen hat usw.

Ausfälle auf D e b i t o r e n sind ebenfalls wohl bei fast allen Unternehmungen in neuerer Zeit in einem weit über das in normalen Jahren übliche Ausmaß hinaus entstanden. Am meisten betroffen sind in dieser Hinsicht jedoch die B a n k e n , da sich bei ihnen die schwierige Lage der Produk­

tions- und Handelsbetriebe unmittelbar auswirkt.

Ebenso hat sich auch der starke K ursverfall der E f f e k t e n bei den Banken im allgemeinen am störendsten bemerkbar gemacht. A llerdings w ird man bei der Erm ittlung der Effektenverluste heute nicht ohne weiteres die letzten Börsenkurse vor der neuerlichen Börsenschließung oder die seit­

her bekanntgewordenen Freiverkehrskurse zu­

grunde legen können, da fast allen diesen Kursen eine starke Z u fälligkeit und W illk ü r anhaftet.

Zu den vorstehend besprochenen Verlustquel­

len kommen endlich bei vielen Unternehmungen, insbesondere aber bei großen Konzernen, A b ­ s c h r e i b u n g s b e d ü r f n i s s e aus F i n a n z ­ t r a n s a k t i o n e n v e r s c h i e d e n s t e r A r t .

Die Größe de r R isiken, die von dieser Seite her drohen können, is t dabei in einigen F ä lle n (K a rsta d t, S chultheiß -O stw erke) bereits m it erschreckender D e ut­

lic h k e it offenbar geworden. Ih re Ursachen liegen le tz ­ ten Endes meist in der gleichen R ichtun g: das in der In fla tio n begonnene P rin z ip der Beherrschung von Unternehm ungen du rch Z u s a m m e n b a l l u n g g r o ­ ß e r A k t i e n p a k e t e in den Händen der V e rw a l­

tun g hat in der F olgezeit b e kan ntlich vie lfa c h eine Fortsetzung erfahren. D arüber hinaus sind im Gefolge des andauernd scharfen Konzentrationsprozesses auch häufig A k tie n p a k e te d r itte r Unternehm ungen zum Zwecke der V orb ere itung von Fusionen, Interessen­

gemeinschaften usw. übernommen worden. S ow eit der­

artig e T ransa ktion en von den betreffenden V e rw a ltu n ­ gen ohne Inanspruchnahm e von K re d ite n und zu K u r ­ sen du rchg efüh rt werden konnten, die m it dem inneren W e rt de r erworbenen Unternehm ungen in E in k la n g zu bringen waren, brauchen hieraus allerd in gs besondere G efahren auch u n te r den heutigen veränderten V e r­

hältnissen n ic h t zu entspringen. Gerade diese V ora us­

setzung tr a f jedoch w o h l in den wenigsten F ä lle n zu.

B ei den meisten T ransa ktion en de r vorstehend geschil­

derten A r t d ü rfte n vie lm eh r wenigstens z u r vorläufigen F inanzierung K r e d i t e in A n s p ru c h genommen w o r­

den sein, oder aber, es is t die Beschaffung von K re d ite n zu diesem Zwecke dadurch erm ö glicht w orden, daß die beherrschten Unternehm ungen den G eldgebern gegenüber G aran tien übernahmen.

A ls S icherheit bzw. Gegenwert w aren dabei a lle r ­ dings die aufgekauften bzw. übernommenen A k tie n vorhanden, die auch ursp rü n g lich ih rem K u rs w e rt nach z u r Deckung im allgem einen ausgereicht haben werden. Seit dem im m er rap id eren R ückgang des Kursniveaus sind diese Deckungen jedoch im m e r m ehr zusammengeschmolzen. H in z u kom m t w e ite r, daß man die ursp rün gliche n Pakete aus G ründen der K u rs in te r­

vention vie lfach zunächst noch über das notwendige Ausm aß hinaus vergröß ert zu haben scheint, um den

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352 P L U T U S - B R I E F E 1931 • B R IE F 12

D eckungsw ert der alten Bestände zu erhalten. Gerade in dem oben bereits erw ähnten F a lle von S c h u l t ­ h e i ß hat man dieses P rin z ip offenbar lange Z eit h in ­ durch ve rfo lg t. S chließlich konnte jedoch dem allge­

meinen K u rs v e rfa ll nirgends m ehr ein e rn sth after W i­

derstand entgegengesetzt werden.

Heute liegen die Dinge nun so, daß in den mei­

sten Fällen eine Abdeckung der Kredite, die zur Finanzierung von Mehrheitspaketen aufgenom­

men worden sind, durch einen Verkauf oder eine anderweitige Placierung nicht mehr möglich ist, weil sich einmal hierfür nur in den wenigsten Fällen Käufer finden dürften, zum andern aber selbst, wenn dies der F a ll wäre, der V e r k a u f s ­ p r e i s nur ein Bruchteil der seinerzeitigen E in­

kaufspreise ausmachen würde. Überall da, wo solche Kredite durch die beherrschten Unterneh­

mungen selbst beschafft oder garantiert worden sind, fallen sie daher nunmehr praktisch auf diese zurück.

Warum Bilanzbereinigung?

Übersieht man die vorstehenden Ausführungen im ganzen, so w ird man kaum mehr zweifelhaft sein können, daß in der Tat bei vielen Unterneh­

mungen in Deutschland heute ein Abschreibungs­

bedarf besteht, d e r a u c h u n t e r I n a n ­ s p r u c h n a h m e s ä m t l i c h e r R e s e r v e n v i e l f a c h n i c h t w i r d g e d e c k t w e r d e n k ö n n e n . Daraus ergibt sich aber ohne weiteres die Frage, was nun m it diesen Unternehmungen geschehen soll. Rein rechtlich sind sie natur­

gemäß in der Lage, die entstandenen Verluste so­

lange offen auszuweisen, als diese die Höhe ihres ausgewiesenen Eigenkapitals nicht erreichen. Nur soweit dies nicht der F a ll ist, werden sich die be­

treffenden Unternehmungen schon jetzt an ihre Gläubiger wenden müssen, um entweder Nach­

lässe in einer Höhe zu erhalten, die eine W eiter­

führung des Unternehmens möglich macht, oder ihnen wenigstens eine ruhige Liquidation zu ge­

statten.

Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus betrach­

tet, ist jedoch auch schon ein Schwebezustand der zuerst genannten A rt aus mehreren Gründen be­

denklich. So ist vor allem eine Unternehmung, deren Eigenkapital bei womöglich starker Ver­

schuldung eine erhebliche ungedeckte Unterbilanz auf der Aktivseite gegenübersteht, meist nicht mehr in ausreichendem Maße k r e d i t f ä h i g . Hinzu kommt aber weiter, daß heute, wo selbst v ö llig intakte und wenig verschuldete Unterneh­

mungen großenteils entweder an der Grenze der Rentabilität stehen oder gar bereits m it Verlust arbeiten, die Rentabilität dort besonders gefähr­

det sein muß, wo die Z i n s b e l a s t u n g eines Unternehmens durch Kreditoren, die außer Ver­

hältnis zum tatsächlich noch vorhandenen Eigen- kapital stehen, zu hoch ist. Ist dies der Fall, so kann eine Unternehmung eben nur noch

dadurch in Ordnung gebracht werden, daß die G l ä u b i g e r durch Forderungs- oder Zins­

nachlässe, durch Umwandlung eines Teils ihrer Forderungen in eine Beteiligung oder ein ander­

weitiges Entgegenkommen zu einer Entlastung der Unternehmung beitragen. Geschieht dies nicht rechtzeitig, so besteht die Gefahr, daß sich der Vermögensschwund (und zwar im allgemeinen in progressiver Form) fortsetzt und in einer nicht zu fernen Zeit der offene Zusammenbruch doch erfolgt.

Aus dem Gesagten dürfte sich m it hinreichen­

der Deutlichkeit ergeben, daß es im allgemeinen nicht zweckmäßig sein kann, die Sanierung bzw.

Bilanzbereinigung bei einem einmal als notleidend erkannten Unternehmen allzulange hinauszu­

zögern. An einem bestimmten Punkte erscheint es vielmehr angebracht, aus der einmal gegebenen Situation die Konsequenzen zu ziehen. Erweist es sich dabei im Bedarfsfall als unmöglich, bei den Gläubigern die erforderlichen Nachlässe durch­

zusetzen, so ist allerdings eine Rekonstruktion unter Umständen nicht mehr durchführbar und der allgemeine Zusammenbruch nicht mehr auf­

zuhalten.

Diese Gefahr ist dabei besonders groß, wenn ein T eil der Gläubiger über Sicherheiten verfügt und sich darauf fußend weigert, irgendwelches Entgegenkommen zu betätigen; denn in solchen Fällen ist die eigentliche, den ungedeckten Gläu­

bigern zur Verfügung stehende Masse vielfach be­

reits so klein, daß fü r sie eine Sanierung keine wesentlichen V orteile mehr bringen kann. Sie haben dann an einem W eiter bestehen kein beson­

deres Interesse mehr und treiben unter Umstän­

den sogar selbst zum Konkurs.

W ie nun aber auch der E inzelfall beschaffen sein mag, an der Notwendigkeit einer Auseinan­

dersetzung zwischen Schuldner und Gläubiger kann dadurch in a ll den Fällen nichts geändert werden, in denen ohne Entgegenkommen des letzteren eine Sanierung nicht mehr möglich er­

scheint. Bleibt zu erörtern, ob der g e g e n w ä r ­ t i g e Zeitpunkt fü r diese Auseinandersetzung ge­

eignet ist und ob darüber hinaus eine notwendige Bilanzbereinigung auch bei solchen Unterneh­

mungen jetzt schon durchgeführt werden soll, bei denen die Bilanzbereinigung noch aus Eigenmit­

teln möglich ist.

F ü r eine m öglichst schnelle B ereinigung s p ric h t zu­

nächst ohne weiteres die w e ite r oben erw ähnte Gefahr, daß bei einer Verschleppung notw endiger Sanierungen auch gleichzeitig eine Erschw erung zu befürchten ist, da die betreffenden Unternehm ungen meist, solange die Sanierung n ic h t du rchg efüh rt ist, im m er schlechter werden, ja u n te r Um ständen heute noch sanierungs­

fähige Unternehm ungen in der Zwischenzeit sanierungs­

unfähig werden können, D a fü r s p ric h t ferne r der a uf der G esam tw irtschaft ruhende D ru c k z u r Kostensenkung und W ied erh erstellun g ih re r K re d itw ü rd ig k e it im w e i­

testen Sinne. D a g e g e n könnte allerd in gs geltend

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gemacht werden, daß die augenblickliche U nsicherheit über die im E in z e lfa lle anzuwendenden W ertm aßstäbe die G efahr nach sich ziehe, daß bei der Sanierung ent­

weder der G läu biger zu einem allzusta rken Entgegen­

kommen gezwungen oder aber um gekehrt ungenügend saniert würde. Im ersteren F a lle w ürde der S chuldner ohne Z w eife l einen w irts c h a ftlic h in keine r W eise ge­

re c h tfe rtig te n V o rte il davontragen, im letzteren müßte nach einiger Z e it nochm als saniert werden.

V e rb le ib t die Frage, ob sich die da m it in V erbindung stehenden G efahren n ic h t wenigstens zum T e il verm ei­

den lassen bzw. ob sie n ic h t in ih re r pra ktische n A u s ­ w irk u n g durch die w e ite r oben erw ähnten V o rte ile mindestens überkom pensiert werden. W as hiervon zu­

nächst die erste Frage anlangt, so besteht be kan ntlich durchaus die M ö g lic h k e it, den G l ä u b i g e r an einer späteren Besserung ebenfalls p r o f i t i e r e n zu la s­

sen, indem man ih m wenigstens fü r einen T e il seiner Forderungen A k tie n oder Genußscheine der zu sanie­

renden Unternehm ung in die Hand gibt, oder ihn, wenn es sich um eine E in z e lfirm a handelt, in einer Weise, die w irts c h a ftlic h ähnliche W irku n g e n hat, an etwaigen zukü nftige n Überschüssen b e te ilig t. Im übrigen d a rf auch n ich t übersehen werden, daß schließ lich der G lä u ­ biger durch eine a llz u weitherzige K red itge w äh run g in vielen F ä lle n selbst in gewissem Um fange fü r die heu­

tige N otlage m itv e ra n tw o rtlic h ist. Denn tatsäch lich is t es ja n ic h t so, daß heute a lle oder auch n u r die M ehrzahl der deutschen Unternehm ungen sanierungs­

re if sind. Abgesehen von besonders ungünstig gela­

gerten E in z e lfä lle n , sind es vie lm e h r besonders solche Betriebe, die heute an ihre G läubiger herantreten müs­

sen, die in den zurückliegenden Jahren u n v e r h ä l t ­ n i s m ä ß i g h o h e I n v e s t i t i o n e n m it frem den M itte ln , und zw a r vie lfach sogar m it k u rz fris tig e n K re ­ diten, du rchg efüh rt haben. Dagegen w ird bei U n te rne h­

mungen, die vorw iegend m it E ig e n k a p ita l fina nziert sind, ein etwa a u ftre te nd er Sanierungsbedarf in den meisten F ä lle n durch einfache K apitalzusam m enlegung beschafft werden können. H ie r t r i t t aber eine Schädi­

gung irgendeiner P a rte i im G rundsatz überhaupt n ic h t ein, da ja das B ete iligun gsve rhältn is zwischen den Be­

te ilig te n durch die Sanierung n ic h t verändert w ird und ein V e rz ic h t auf G läubigerrechte n ic h t stattfin de t.

Bilanzbereinigung und Sanierung.

Immerhin w ird naturgemäß da, wo die begrün­

dete Erwartung besteht, daß eingetretene außer­

ordentliche Verluste in verhältnismäßig kurzer Zeit aus zukünftigen Betriebsüberschüssen getilgt werden können, eine Kapitalzusammenlegung nicht erforderlich, ja vielfach nicht einmal wün­

schenswert sein, weil erfahrungsgemäß eine allzu bequeme Beseitigung von Verlusten auf eine solche Weise auf die Energie und den Sparsam­

keitswillen der G e s c h ä f t s l e i t u n g zumin­

dest nicht fördernd w irkt. Auch erholen sich er­

fahrungsgemäß die Aktienkurse nach einer Zu­

sammenlegung schwerer auf den alten Stand, selbst wenn die wirtschaftlichen Voraussetzun­

gen hierzu an sich gegeben wären.

Andererseits ist es fü r derartige Unternehmun­

gen unter Umständen immerhin unangenehm, mehrere Jahre größere

o f f e n e

V e r l u s t v o r ­ t r ä g e mitschleppen zu müssen. Hinzu kommt

ferner, daß, wie schon weiter oben erwähnt, bei der Aufstellung der diesjährigen Bilanzen feste Wertmaßstäbe wenigstens fü r einen Teil der A k ­ tiven häufig fehlen werden, bzw. die Anwendung der gesetzlich vorgeschriebenen Bewertungsvor­

schriften sogar zur Aufstellung unnötig ungün­

stiger Bilanzen führen kann. Es ist hier vor allem auf die starren B e w e r t u n g s v o r s c h r i f t e n fü r Aktiengesellschaften zu verweisen, die ein­

mal durch die Zugrundelegung des Niederstwert­

prinzips die Auskehrung stille r Reserven zur Deckung außerordentlicher Verluste erschweren, und zum anderen fü r Effekten und Waren, die einen Börsen- oder M arktpreis haben, diesen als obere Bewertungsgrenze vorschreiben, während doch die Marktpreise im gegenwärtigen Zeit­

punkt, auch soweit überhaupt welche bestehen, vielfach m it dem wirtschaftlichen W ert der ge­

handelten A rtik e l nur noch in einem sehr losen Zusammenhang stehen.

S peziell bei E f f e k t e n is t es zum Beispiel, soweit sie n ic h t an sich no tleidend sind, durchaus denkbar, daß schon in verhältnism äß ig k u rz e r Z eit eine wesent­

liche E rh o lu n g des Kursniveaus e in tr itt, in welchem F a lle die jetzigen V erluste sogar bei manchen G esell­

schaften w iede r aufgeholt werden könnten. Um diesen Um ständen Rechnung tragen zu können, is t denn auch schon verschiedentlich die F orderung erhoben worden, es so llte n du rch entsprechende gesetzliche Maßnahmen gewisse E rle ichte rung en fü r A u fs te llu n g der nächsten Jahresbilanzen geschaffen werden; und zw ar is t dabei v o r allem an die vorübergehende A ufhebung des N ie ­ d e rs tw e rtp rin z ip s gedacht worden, um den G esellschaf­

ten im B ed arfsfälle die M ö g lic h k e it zu r A uskehrung von s tille n Reserven zu geben, die auf einzelnen A k t i­

ven tro tz der K ris e v ie lle ic h t noch ruhen. Außerdem kämen w o h l S pezia lvorsch rifte n über die Bew ertung von E ffe kte n in Frage, bei denen heute zwischen K u r ­ sen und innerem W e rt zum T e il ein besonders krasses M iß v e rh ä ltn is bestehen d ü rfte .

Faßt man das Ergebnis der bisherigen D ar­

legungen danach zusammen, so ergibt sich, daß w ir unter den durch die Entwicklung der letzten Jahre in Mitleidenschaft gezogenen Unterneh­

mungen eigentlich drei Gruppen zu unterscheiden haben, nämlich

1. Unternehmungen, bei denen zwar infolge von außerordentlichen Verlusten irgendwel­

cher A r t ein Abschreibungsbedarf besteht, zu dessen Befriedigung die Überschüsse eines Jahres oder die verfügbaren stillen Reser­

ven nicht ausreichen; bei denen die Tilgung der Verluste jedoch entweder in verhältnis­

mäßig kurzer Zeit aus laufenden Erträgen voraussichtlich möglich wäre, oder auch un­

ter Ausschaltung des Niederstwertprinzips aut e i n m a l .

2. Unternehmungen, bei denen eine S a n i e ­ r u n g nicht zu vermeiden sein w ird, die je ­ doch noch als sanierungsfähig und sanie­

rungswürdig angesehen werden können, sei

es nun mit oder ohne Gläubigerverzichte,

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354 P L U T U S - B R I E F E 1931 • B R IE F 12

3. Unternehmungen, die unter den gegebenen Verhältnissen nicht mehr als sanierungs­

fähig angesehen werden können.

Aufgabe einer sorgfältigen Prüfung im einzel­

nen muß es dabei sein, festzustellen, welcher der vorstehenden Gruppen Unternehmungen, bei denen sich Schwierigkeiten irgendwelcher A rt zeigen, zuzurechnen sind; und zwar ist bei einer solchen Untersuchung sowohl die v e r m ö g e n s ­ m ä ß i g e und f i n a n z i e l l e S t r u k t u r als auch m it besonderer Sorgfalt ihre R e n t a b i l i ­ t ä t zu untersuchen. Erst wenn dies m it aller Sorgfalt geschehen ist, kann über die Frage der W eiterführung überhaupt, sowie über Form und A rt der Sanierung entschieden werden.

Die Prüfung der Sanierungswürdigkeit.

Besondere Schwierigkeiten bietet dabei natur­

gemäß die Entscheidung, ob eine Unternehmung, die sich in Schwierigkeiten befindet, überhaupt saniert werden soll, oder ob es nicht richtig ist, sie zu zerschlagen. Denn auf der einen Seite kann die W eiterführung eines tatsächlich nicht mehr sanierungsfähigen Betriebes, zu der womöglich noch erhebliche Neuaufwendungen erforderlich sind, leicht zu großen z u s ä t z l i c h e n V e r ­ l u s t e n führen, die bei rechtzeitiger Stillegung zu vermeiden gewesen wären. A u f der anderen Seite sind bei einem Betrieb, der zerschlagen w ird, die früher investierten M itte l in der Regel von vornherein als zum größten T eil verloren an­

zusehen. Letzteres g ilt ganz besonders hinsicht­

lich der in den A n l a g e w e r t e n investierten Beträge, da heute stillgelegte Fabriken in Deutsch­

land im allgemeinen so gut wie unverwertbar sind und auch abmontierte Maschinenanlagen, selbst wenn sie an sich eine vielseitige Verwendungs­

fähigkeit besitzen, meist nur zu Schleuderpreisen wieder abgesetzt werden können. Jedoch ergeben sich auch bei der Ausschlachtung der Betriebs­

werte eines stillzulegenden Unternehmens meist große Buchverluste. Man denke hier nur z. B. an dieLiquidation einer A utom obilfabrik, nach deren Bekanntwerden die bei Beginn der Liquidation noch vorhandenen Autom obile fast stets nur noch zu wesentlich ermäßigten Preisen Absatz finden können, und bei der zuletzt auch immer große Mengen von Einzelteilen, Halbfabrikaten, E r­

satzteilen usw. übrig bleiben, die nur noch als S c h r o t t zu verwerten sind. Hinzu kommt fer­

ner, daß selbst im günstigsten F alle die Abwick- lungs- und Verwertungskosten o ft außerordent­

lich hoch, immer aber sehr erheblich sind, so daß vielfach die zum Schluß zugunsten der Beteilig­

ten bzw. der Gläubiger verbleibenden Über­

schüsse überhaupt nicht mehr ins Gewicht fallen.

Ohne auf die Frage der Bewertung von U nter­

nehmungen, die ausliquidiert werden sollen, hier im einzelnen einzugehen, sei daher jedenfalls da­

vor gewarnt, bei einer Untersuchung darüber, ob

ein notleidendes Unternehmen am Leben gehalten oder stillgelegt werden soll, hinsichtlich des im letzteren F alle zu erwartenden Liquidations­

erlöses allzu o p t i m i s t i s c h e Schätzungen vorzunehmen. Dies g ilt um so mehr, als gerade fü r die G l ä u b i g e r , bei denen ja in der Praxis in solchen Fällen fast immer die eigentliche Ent­

scheidung liegt, der Anreiz zu einer Stillegung oft sehr groß ist, w eil sie auf diese Weise wenig­

stens einen Bruchteil ihrer Forderungen in ab­

sehbarer Zeit hereinzubekommen hoffen, während sie im F alle einer Fortführung sich meist entweder m it ihren Krediten auf lange Zeit binden oder so­

gar eine Beteiligung übernehmen müssen.

Untersuchen w ir nun weiter die V o r a u s s e t ­ z u n g e n , von deren Vorhandensein man eine be­

jahende A n tw o rt auf die Frage nach der Sanie­

rungsfähigkeit einer Unternehmung abhängig zu machen hat, im einzelnen, so ist zunächst festzu­

stellen, daß mindestens ihre allgemeinen w irt­

schaftlichen Grundlagen absolut gesund sein müssen, wenn der Versuch einer Sanierung über­

haupt vertretbar sein soll. Das bedeutet aber, daß es sich um eine Unternehmung handeln muß, der — zunächst ganz allgemein ausgedrückt — irgendein F i r m e n w e r t innewohnt. In was dieser Firmenwert im E inzelfall besteht, hängt dabei von dem Charakter der in Frage kommen­

den Unternehmung ab. Beispielsweise w ird bei einem Unternehmen der Markenartikelbranche fast alles darauf ankommen, daß A rtik e l her­

gestellt oder vertrieben werden, die gut einge­

führt sind, und nach denen eine ausreichend große Nachfrage besteht, um einen bestimmten M indest­

absatz zu garantieren. In anderen Fällen w ird es von besonderer Bedeutung sein, ob ein genügend fester K u n d e n s t a m m da ist, der die in Be­

tracht kommenden Waren bzw. Produkte auf­

nimmt. In beiden Fällen w ird zur Beurteilung dieser Tatbestände vor allem die bisherige U m ­ s a t z e n t w i c k l u n g herangezogen werden müssen, und zwar ist der Umsatz nicht allein wert- und mengenmäßig, sondern auch nach Gat­

tungen, Absatzgebieten usw, weitgehend zu spe­

zifizieren.

Besonders schw ierig is t die B e u rte ilu n g de r A b s a tz ­ m öglichkeiten fre ilic h dann, wenn zw a r die absoluten Umsätze im A u g e n b lic k der Sanierungsverhandlun­

gen noch ausreichend sind, jedoch fü r die z u rü c k lie ­ gende Z eit eine k o n tin u ie rlic h e U m satzschrum pfung festge ste llt w erden muß. In diesem F a lle is t näm lich n u r schwer zu be urteilen, ob n ic h t auch fü r die Folge­

zeit m it einer w eiteren V e rkle in e ru n g des Umsatzes gerechnet werden muß; gerade in dieser H in s ic h t muß ja b e rü cksich tig t werden, daß in den le tzte n J a h ­ ren aus re in k o n j u n k t u r e l l e n G ründen fast alle Unternehm ungen Um satzrückgänge aufzuweisen haben, ohne daß sich daraus zunächst G efahren fü r ih re n B e­

stand zu ergeben brauchen. In der M eh rzah l der F ä lle is t vie lm eh r anzunehmen, daß bei eine r Besserung der allgem einen W irtsch a ftsve rh ä ltn isse auch eine neue

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Umsatzbelefcung e in tr itt. H iervon werden jedoch solche Betriebe ausgeschlossen bleiben, bei denen sich schon der jetzige U m satzrückgang n ic h t a lle in aus k o n ju n k ­ tu re lle n G ründen e rk lä rt, sondern auch noch auf an­

dere Ursachen zurückgeht, auf deren Beseitigung auch eine tüch tige G eschäftsleitung u n te r U m ständen k e i­

nen E in flu ß hat.

U n te rste lle n w ir jedoch einm al, daß die U n te r­

suchung der A bsa tzm öglichke iten an sich zu einem positive n Ergebnis g e führt hat, so is t nunm ehr w e ite r zu prüfen, w ie sich die P r o d u k t i o n s k o s t e n vora ussichtlich nach der Sanierung stellen w ürden, und ob sie u n te r U m ständen so gesenkt werden können, daß eine v o r de r Sanierung v ie lle ic h t fehlende R e n ta b ilitä t nachher m it einiger S icherheit e rw a rte t werden kann.

Zu diesem Zwecke w ir d man zunächst gru nd sätzlich zu unterscheiden haben zwischen Z ins- und A b s c h re i­

bungskosten einerseits und allen übrigen Kosten an­

dererseits. B ei den le tzte re n w ird man, sow eit es sich um M a te ria lk o s te n und ähnliche A ufw endungen han­

de lt, von vornherein ausgehen müssen von den gelten­

den bzw. den fü r die Z u k u n ft zu erw artenden P r e i ­ s e n . S ow eit Löhne, G eneralunkosten, V e rk a u fs ­ kosten und Reklam e in B e tra ch t kommen, w ir d in der Hauptsache die Frage m öglicher E i n s p a r u n ­ g e n zu prü fe n sein, die ih rerseits w iederum in L o h n ­ senkungen oder Einsparungen am Personalstand, Re­

klam eetat usw. bestehen können. Bestehen la n g fris tig e V erträge m it leitenden A ngestellten, deren E in h a ltu n g fü r die Unternehm ung u n te r den veränderten V e rh ä lt­

nissen n ic h t m ehr tra g b a r erscheint, so w ird auf dem Verhandlungswege eine fre iw illig e H erabm m derung der Bezüge angestrebt werden müssen, die fü r die b e tro ffe­

nen A ng estellten meist im m er noch günstiger is t als der alte Rechtsanspruch bei einem Zusammenbruch des Unternehm ens. Im äußersten F a ll besteht zudem a u f G ru n d einer k ü rz lic h erlassenen N o t v e r o r d ­ n u n g die M ö g lic h k e it, unverhältnism äßig hohe Be­

züge, deren W eiterbezahlung dem Unternehm en b i l l i ­ gerweise n ic h t m ehr zugem utet werden kann, auch gegen den W ille n der Betroffenen herunterzusetzen.

Im ganzen w ird man also bei den bisher bespro­

chenen Kostenfaktoren, deren zukünftige Höhe entweder ohne weiteres hinnehmen müssen, oder aber man w ird durch organisatorische Maßnah­

men bzw. auf dem Verhandlungswege eine E r­

mäßigung auf einen bestimmten Stand durchset­

zen. Grundsätzlich anders liegen die Dinge dem­

gegenüber bei den A b s c h r e i b u n g e n und Z i n s e n . Um über diesen bei den meisten Sanie­

rungen außerordentlich bedeutsamen Punkt volle K la rh e it zu gewinnen, w ollen w ir dabei zunächst einmal die Frage betrachten, in welcher Weise bei einem gesunden Unternehmen Abschreibun­

gen und Zinsen in der K alku la tio n berücksichtigt werden. Es ergibt sich hier ohne weiteres, daß Zinsen in der Höhe als Kosten angesehen werden müssen, in der Zinsaufwendungen entstehen w ür­

den, wenn das gesamte Anlagevermögen und der unverzinslich festliegende T eil des Betriebsver­

mögens m it Frem dkapital, das etwa zu üblichen Sätzen verzinslich wäre, finanziert wären. W ürde man weniger Zinsen in die K a lkulation einstellen, so bestände die Gefahr, daß eine angemessene

Verzinsung des in der Unternehmung arbeiten­

den Kapitals nicht mehr stattfindet. Ob dieses K apital dabei den Charakter von Eigen- oder von Frem dkapital hat, ist fü r die K a l k u l a t i o n normalerweise ohne Bedeutung, weil ja nicht allein das Frem dkapital zu verzinsen ist, sondern auch der Unternehmer selbst mindestens fü r sein investiertes Geld eine Verzinsung haben w ill.

In gleicher Weise wie fü r die Verzinsung muß in der K alkulation ferner normalerweise auch für die E r h a l t u n g des in Anlagen investierten Kapitals dadurch Sorge getragen werden, daß A b s c h r e i b u n g e n in einer Höhe eingesetzt werden, die dem Verschleiß der Anlagen ent­

spricht. Denn der Erlös aus den Produkten, die eine Unternehmung produziert, muß ja außer zur Deckung der übrigen Aufwendungen auch zur Ansammlung von Rückstellungen ausreichen, aus denen später die Anlagen erneuert werden kön­

nen, wenn sie v ö llig verbraucht sind. Ist dies nicht der F a ll, so w ird das investierte K apital allm ählich aufgezehrt und es t r itt ein Zeitpunkt ein, an dem — bilanzmäßig betrachtet — dem u r­

sprünglich in Anlagen investierten K apital ent­

wertete und bis auf den Schrottwert abzuschrei­

bende Anlagen gegenüberstehen.

Die vorstehenden Darlegungen über die Be­

messung von Abschreibungen und Zinsen in der K alkulation bedürfen nun aber einer wesentlichen M odifikation, wenn die Frage der Sanierungs­

fähigkeit einer notleidenden Unternehmung zur Erörterung steht. Auch in einem solchen Falle ist es zwar selbstverständlich erwünscht, wenn die bei dieser Gelegenheit auf gemachte V o rkalkula­

tion so günstig ist, daß bei Verrechnung normaler Zinsen und Abschreibungen nach den vorstehend besprochenen Grundsätzen und unter Zugrunde­

legung der alten Buchwerte noch mit Gewinnen fü r die zu sanierende Unternehmung gerechnet werden kann. Gerade dies w ird jedoch vielfach nicht der F a ll sein, ohne daß dadurch die Sanie­

rungsfähigkeit des betr. Unternehmens von vorn­

herein ausgeschlossen zu sein braucht. Während nämlich alle übrigen Kosten nach der Sanierung durch die Erlöse selbstverständlich hereinge­

bracht werden müssen, wenn nicht neue Betriebs­

verluste entstehen sollen und damit in kürzerer oder längerer Zeit eine zweite Sanierung notwen­

dig werden soll, besteht bei den Zinsen und A b­

schreibungen die M öglichkeit einer dauernden Senkung durch eine E r m ä ß i g u n g d e r B u c h ­ w e r t e im Zuge der Sanierung.

Hinsichtlich der Zinsen liegt die untere Grenze, die theoretisch in Betracht gezogen werden könnte, dabei eigentlich beim N u l l p u n k t . Wenn nämlich sämtliche Gläubiger zu der Über­

zeugung kommen, daß bei der Ausliquidierung

einer Unternehmung, der sie Kredite gegeben

haben, kein irgendwie ins Gewicht fallender

Uberschuß verbleibt, der zur Abdeckung ihrer

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356 P L U T U S - B R I E F E 1931 • B R I E F 12

Forderungen Verwendung finden könnte, so kön­

nen sie ihre Kredite sämtlich in eine Beteiligung umwandeln, ohne dadurch ein zusätzliches Ver­

lustrisiko einzugehen. Andererseits tauschen sie jedoch die Chance ein, auf ihre „ I n v e s t i t i o n w i d e r W i l l e n 11 Erträge zu bekommen, wenn sich die Rentabilität des betreffenden Unterneh­

mens, das jetzt von der fixen Zinslast befreit ist, doch noch einmal bessern sollte.

A u f diesen ungünstigsten F a ll w ird man a lle r­

dings in der Praxis eine Sanierung in der Regel nicht auf bauen. Denn einmal w ird ja auch die L i- q u i d a t i o n fast immer irgendeinen Erlös brin­

gen, mag dieser auch im Verhältnis zu dem u r­

sprünglich investierten K apital aus den weiter oben dargelegten Gründen noch so gering sein, und zum zweiten w ird ein Unternehmen, das im Augenblick der Sanierung überhaupt keine Zins­

erträge in die K alkulation einzustellen gestattet, meist bereits über so schwache wirtschaftliche Grundlagen verfügen, daß eine Aufrechterhal­

tung sich, selbst wenn sie keine zusätzlichen R i­

siken m it sich bringt, kaum verlohnt.

W as nun w e ite r die Bemessung der A b s c h r e i ­ b u n g e n bei Untersuchung der voraussichtlichen Kosten und Erlöse nach der Sanierung b e trifft, so kann h ie r im Gegensatz zu den Zinsen eine v ö llig e A u ß e r­

achtlassung zw a r in keinem F a lle erfolgen. Denn sonst w ürde das betreffende Unternehm en ja spätestens nach vollständigem Verschleiß der im Z e itp u n k t de r Sanie­

rung vorhandenen A nlag en zusammenbrechen, da n u n­

m ehr neue A nlag en m it v ö llig neuem K a p ita l beschafft werden müßten, w o fü r sich jedoch sicher kein G eld­

geber finden w ü rde ; p ra k tis c h w ürde der erneute Z u ­ sammenbruch sogar meist w o h l n ic h t einm al auf sich w a rte n lassen, bis a l l e A nlag en verbraucht bzw, e r­

neuerungsbedürftig wären, w e il sich die A nlagen ja in der Regel n ich t gleichm äßig schnell verbrauchen, v ie l­

m ehr gewisse N euinvestitionen — wenn auch in wech­

selnder Höhe — fast in jedem J a h r notw endig werden.

A ndererseits w ird man bei U ntersuchung des zu­

k ü n ftig e n Abschreibungsbedarfs jedoch auch die a l t e n B u c h w e r t e n ic h t zugrunde zu legen b ra u ­ chen, da der U m fang der A nlagen heute vie lfach nicht m ehr in einem angemessenen V e rh ä ltn is zu den zu­

k ü n ftig bei v o rs ic h tig e r Berechnung zu erw artenden A bsa tzm öglichke iten m ehr steht und zum T e il auch das w esentlich höhere Preisniveau der le tzte n Jahre bei N euinvestitionen zu unverhältnism äß ig hohen B uchwerten geführt hat, denen heute w esentlich n ie d ri­

gere W iederbeschaffungskosten gegenüberstehen (man denke h ie r n u r an die E n tw ic k lu n g des Bauindex, jedoch g ilt Ä hnliches auch fü r die Preise von M aschi­

nen usw.). M an w ird dementsprechend A bsch reibun­

gen n u r in der Höhe in die K a lk u la tio n einzusetzen haben, in der R ückstellungen notw endig sind, um u n te r B erücksichtigung des heutigen Preisniveaus und gegebenenfalls de r veränderten A bsa tzm öglichke iten einen E rsatz der verbrauchten A nlag eteile zu erm ög­

lichen. E ine Ausnahm e von diesem G rundsatz is t n u r dann gegeben, wenn A n l a g e w e r t e in B etra cht kommen, bei denen ein E rsatz bzw. eine W iederbeschaf­

fun g nach Lage der Dinge entweder überhaupt n ic h t in

B etra cht kom m t oder zum indest n ich t unbedingt e rfo r­

d e rlic h is t und zukü nftige n Entschließungen überlas­

sen bleiben kann. In B etra cht kommen hier u. a. v o r allem Bergrechte und ähnliche O bjekte einerseits und Schiffe andererseits. H ie r w ird es in der Regel im m er dann noch zweckm äßig sein, den B etrieb fo rtzufüh ren, wenn mindestens die reinen Betriebskosten gedeckt werden und fü r Abschreibungen da rüber hinaus soviel verb le ibt, daß m it de r Z eit mindestens der Verschleu- derungs- bzw. V erschrottungsw ert der betreffenden A n ­ lagen hereingeholt w ird . Es b le ib t auch in diesem F a ll dann noch die Chance offen, daß bei einer etwaigen Besserung der R e n ta b ilitä t in späterer Z eit M e h r ­ e i n n a h m e n e rz ie lt werden, die wenigstens einen T e il der u n te r den heutigen V erhältnissen als verloren zu betrachtenden W erte w iede r aufleben lassen.

Haben w ir uns vorstehend m it den allgemeinen wirtschaftlichen Grundlagen befaßt, deren U nter­

suchung in jedem F alle die Voraussetzung fü r die Prüfung der Sanierungsfähigkeit eines Unterneh­

mens bilden muß, so bleibt nunmehr noch übrig, in diesem Zusammenhang kurz auf einige weitere Punkte hinzuweisen, die bei der Prüfung der Sa- nierungsfähigkeit ebenfalls eine bedeutsame R olle spielen können. Zunächst kommt dabei die Frage in Betracht, ob das zu sanierende Unternehmen in t e c h n i s c h e r Hinsicht den notwendigen E r­

fordernissen noch entspricht, insbesondere also ob die Anlagen und Maschinen ausreichen, um ein konkurrenzfähiges Produkt herzustellen und ob nicht vielleicht zur Erreichung dieses Zieles überhaupt erst neue Investitionen erforderlich sind. Unter Umständen kann hier die Situation auch so sein, daß zwar die vorhandenen Anlagen an sich modern sind und sämtlichen Erfordernis­

sen genügen, daß jedoch das I n v e s t i t i o n s ­ p r o g r a m m noch nicht abgeschlossen ist, und noch erhebliche zusätzliche Anschaffungen ge­

macht werden müssen, um den Betrieb auf eine angemessene Leistungsfähigkeit zu bekommen.

Gerade dieser letztere F a ll ist dabei heute um so leichter möglich, als viele Unternehmungen in den letzten Jahren in der Durchführung ihrer Investi­

tionsprogramme durch die zunehmende Verknap­

pung der K reditm ärkte und den Rückgang der Einnahmen stark behindert worden sind. Schließ­

lich besteht bei manchen Betrieben auch die Ge­

fahr, daß eine nur teilweise Ausnutzung ihrer Produktionsanlagen (auch abgesehen von A b ­ schreibungen und Zinsen) zu einer E r h ö h u n g d e r B e t r i e b s k o s t e n führt, bzw. daß erfor­

derliche Teilstillegungen Schädigungen der A n ­ lagen nach sich ziehen, deren Beseitigung von F a ll zu F a ll erhebliche außerordentliche Kosten ver­

ursacht (letztere Gefahr besteht besonders in der chemischen Industrie). Zur einwandfreien K lä ­ rung a lle r dieser Fragen w ird man in vielen F ä l­

len ohne die H e r a n z i e h u n g t e c h n i s c h e r

S a c h v e r s t ä n d i g e r nicht auskommen, da

eine bloße Anhörung der Geschäftsleitung der

betreffenden Unternehmungen, die an der Durch­

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führung der Sanierung o ft stark interessiert ist, nicht immer ein objektives U rte il ermöglicht.

Ebenso kann bei Prüfung der Sanierungsvor­

aussetzungen sich aus personellen Fragen selbst unter Umständen eine erhebliche Schwierigkeit ergeben. In vielen F ällen w ird nämlich eine B e i ­ b e h a l t u n g d e r a l t e n L e i t u n g nach der Sanierung nicht zweckmäßig sein. Dabei braucht noch nicht einmal an den äußersten F a ll gedacht zu werden, daß die alte Leitung an dem Zusam­

menbruch ein unmittelbar nachweisbares Ver­

schulden trifft, wie es allerdings in manchen F ä l­

len zutrifft. Es w ird vielmehr häufig auch einfach so sein, daß zwar die alte Leitung nach bestem Ermessen und unter B illigung etwaiger Aufsichts­

organe ihre Entscheidungen getroffen hat, daß man jedoch zu ih r auf Grund der ganzen Entw ick­

lung nicht mehr das V e r t r a u e n hat, daß sie das Unternehmen nach erfolgter Sanierung mit größerem E rfolg als vorher führen w ird. In bei­

den Fällen w ird man sich darum bemühen müs­

sen, n e u e K r ä f t e f ü r die Leitung zu gewinnen, was je nach Lage des Falls aber auf außerordent­

liche Schwierigkeiten stoßen kann, wie kürzlich u. a. wieder die Bemühungen um die Gründung einer neuen Nordwollegesellschaft unter verän­

derter Leitung gezeigt haben, ln jedem Falle muß jedoch als Grundsatz gelten, daß die Sanie­

rung einer notleidenden Unternehmung eine K lä ­ rung der Leitungsfrage voraussetzt, wenn nicht die an der Gesundung interessierten Gläubiger oder Aktionäre Gefahr laufen wollen, daß sich späterhin erneute Schwierigkeiten ergeben. Ge­

fährlich wäre es hier insbesondere auch, zu glau­

ben, daß etwa ein verstärktes Interesse des A u f­

sichtsrats oder eines anderen, doch immer mehr oder minder außenstehenden Gremiums die feh­

lenden kaufmännischen Qualitäten einer Ge­

schäfts! eitung ersetzen könne.

Die Bewertung

der Aktiven in der Sanierungsbilanz.

Haben eingehende Untersuchungen der w irt­

schaftlichen Grundlagen und der Rentabilitäts­

aussichten eines notleidenden Unternehmens zu dem Ergebnis geführt, daß das betreffende U nter­

nehmen an sich als sanierungsfähig angesehen werden kann, so ist es Zeit, an die B e w e r t U n g d e r v o r h a n d e n e n A k t i v e n heranzugehen.

A ls Bewertungsmaßstab muß dabei natürlich das Fortbestehen des Betriebes angenommen werden;

d. h. bei der Bewertung der einzelnen Aktiven dürfen im Grundsatz nicht Zerschlagungswerte maßgebend sein, sondern Werte, wie sie sich er­

geben, wenn man die zukünftigen Geschäfts- und Absatzmöglichkeiten m it berücksichtigt. Letz­

teres kann aber selbstverständlich nur für die­

jenigen A ktiven Geltung haben, die in den Rah­

men des sanierten Betriebes h i n e i n p a s s e n . Aktiven, fü r die dieses K riterium nicht zutrifft,

müssen ebenso, wie es bei einer Gesamtliquida­

tion fü r alle A ktiven geschehen würde, unter Zer­

schlagungsgesichtspunkten bewertet werden,

Eine besondere S chw ie rigke it bei der Bew ertung der­

a rtig e r L iq u id a tio n s a k tiv e n erg ib t sich dabei vie lfach daraus, daß man den Z e itp u n k t der endgültigen V e r­

äußerung in keine r Weise übersehen kann. A u c h bei vorsichtig ste r Bew ertung kann demnach le ic h t der F a ll eintreten, daß die sanierte Unternehm ung solche in der Regel ertragslose A k tiv e n noch ja hrelang m it sich schleppen muß, w o durch ih re E rtra g s k ra ft un ter U m ­ ständen em p find lich geschwächt werden kann. M an könnte sich in solchen F ä lle n nun zw a r dadurch helfen, daß man säm tliche L iq u id a tio n s a k tiv e n in der Sanie­

rungsbilanz sehr erheblich u n t e r b e w e r t e t (v ie l­

le ic h t sogar n u r m it einem M e rk w e rt von R M 1.— ). In diesem F a lle w ürden jedoch die späteren Erlöse (bzw.

M ehrerlöse über den B uchw ert) ausschließlich den Be­

te ilig te n (A k tio n ä re n , Inhabern usw.) zugute kommen, w ährend die Sanierung v ie lle ic h t in erster L in ie da­

du rch e rm ö glicht wurde, daß die G l ä u b i g e r auf einen großen T e il ih re r Forderungen überhaupt verzichtet haben. Selbst wenn deren F orderungen aber zum T e il in eine B eteiligung um gewandelt worden sind, so w ird doch aus noch zu erörternden G ründen den V o rb e sit­

zern vie lfa c h ein gewisser P r o z e n t s a t z de r A k ­ tie n bzw. ih re r in eine andere R echtsform gekleideten B ete iligun g belassen, w odurch bei einem W ie d e ra u f­

leben bereits abgeschriebener A k tiv e n die G läubiger u n m itte lb a r benachteiligt werden. Um diesen Schwie­

rig k e ite n zu entgehen, n im m t man vie lfa c h diejenigen A k tiv e n einer notleidenden Unternehm ung, bei denen es sich um reine L iq u id a tio n s a k tiv e n handelt, im Zuge der Sanierung aus der U nternehm ung überhaupt heraus und w ic k e lt sie fü r Rechnung der G läubiger gesondert ab. Das V erfahren hat gleichzeitig den V o rte il, daß das überaus schwierige Problem der Bew ertung solcher A k tiv e n bei U ntersuchung der Sanierungsfrage z u rü c k ­ treten kann und dem zufolge auch der E rfo lg der Sa­

nierung n ic h t davon abhängt, ob man die Bew ertung ric h tig getroffen hat oder nicht. D ie G läubiger bekom ­ men vielm ehr alles, was aus den L iq u id a tio n s a k tiv e n zu erlösen ist, nach Maßgabe ih re r Quote ausbezahlt, sobald der E rlö s im einzelnen eingeht. W ie hoch sie selbst die voraussichtlichen Erlöse einschätzen, ble ib t ihnen überlassen und braucht überhaupt n ic h t Gegen­

stand der Sanierungsverhandlungen zu sein.

Dies vorausgeschickt, ist zu der Bewertung der wichtigsten Gruppen von A ktiven noch folgendes zu bemerken:

1. A n l a g e w e r t e .

W ie schon weiter oben dargelegt wurde, w ird man sich bei der Neubewertung der Anlagen für die Sanierungsbilanz sowohl von den alten Buch­

werten wie von künstlich errechneten W ieder­

beschaffungspreisen im Augenblick der Sanie­

rung, Verkaufswerttaxen und ähnlichen Bewer­

tungsgrundlagen grundsätzlich freimachen müs­

sen. Für die Bewertung derjenigen Anlagen, die weiterhin benutzt werden sollen, w ird vielmehr alles darauf ankommen, in welchem Umfange der B e t r i e b in Zukunft eine dem Verschleiß ent­

sprechende Abschreibung aus dem Erlös der ver­

kauften Produkte aufzubringen vermag, bzw.

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welche Aufwendungen notwendig sein werden, um die vorhandenen Anlagen dauernd v o ll be­

triebsfähig zu halten und ob der Betrieb aus den Erlösen diese Aufwendungen w ird laufend auf­

bringen können. Eine eindeutige Beantwortung dieser Frage w ird allerdings im heutigen Augen­

blick vielfach schon deshalb auf Schwierigkeiten stoßen, weil bei der heutigen Depression nicht zu übersehen ist, m it welchem U m s a t z in Zukunft normalerweise w ird gerechnet werden können.

Man w ird sich daher vielfach m it rohen Schät­

zungen begnügen müssen, bei denen jedoch zweckmäßigerweise so v o r s i c h t i g wie mög­

lich verfahren wird, um dem Betrieb selbst für den F a ll, daß die notwendigen Abschreibungen auch in den nächsten Jahren nicht v o ll verdient werden, eine gewisse Anlaufszeit zu lassen, in der man sich unter Umständen m it unternormalen A b­

schreibungen begnügen kann.

S ow eit es sich um A nlag en handelt, die in nächster Z e it vora ussichtlich überhaupt n ic h t genutzt werden können und die M ö g lic h k e it der H erauslösung aus der Unternehm ung in der w e ite r oben besprochenen W eise n ic h t besteht, muß die Bew ertung u n te r allen U m stän­

den so v o rs ic h tig erfolgen, daß auch die G e f a h r e r- h e b l i c h e r Z i n s v e r l u s t e fü r die Z u k u n ft a u s ­ g e s c h l o s s e n w ird . E ntsteh t dadurch die G efahr einer B enachteiligung der G läubiger zugunsten der V orbesitzer bzw. der A k tio n ä re , so muß eben durch entsprechende Abfassung der Sanierungsverträge allen E v e n tu a litä te n Rechnung getragen werden. Dagegen is t es in jedem F a lle ein Fehler, wenn h ie r bezüglich der anzulegenden W ertm aßstäbe zu o p tim istisch verfahren w ird . Dies g ilt v o r allem auch bei der B ew ertung von F ab rik g ru n d s tü c k e n und ähnlichen O bjekten, die an sich in Stadtnahe oder sogar in ne rhalb einer S ta d t ge­

legen sind, und bei denen demnach bei einem Zusam ­ menbruch des Unternehm ens die M ö g lic h k e it einer V erw ertun g als Baugelände usw. besteht. H ie r kann eine B erücksichtigung dieser V erw ertun gsm ög lichkeit schon deshalb n u r in sehr bedingter W eise erfolgen, w e il, solange die G rundstücke als F ab rikg ru n d stü cke genutzt werden, ih r eventueller V e rk a u fs w e rt ein rein theoretischer B e g riff ist. Es kom m t hinzu, daß die Z a h l d e ra rtig e r O bjekte heute in fast a lle n großen und m ittle re n S tädten d e ra rtig groß ist, daß die p ra k ­ tischen V erw ertungsm öglichkeiten au ß erordentlich ge­

rin g veranschlagt werden müssen.

Entsprechendes wie fü r die Bewertung von Grundstücken und Fabrikgebäuden g ilt auch für die Bewertung von Maschineneinrichtungen usw.

Auch hier muß grundsätzlich zwischen solchen Objekten unterschieden werden, deren weitere N u t z u n g im Rahmen der vorhandenen A b ­ satzmöglichkeiten einigermaßen feststeht und sol­

chen Objekten, die zweckmäßiger weise entweder sofort abgestoßen werden oder die man doch höchstens als R e s e r v e fü r den F a ll einer spä­

teren allgemeinen Konjunkturbesserung betrach­

ten kann. Während man demnach Maschinen, die weiter genutzt werden können, unter dem Ge­

sichtspunkt der Notwendigkeit einer späteren Wiederbeschaffung bzw. einer laufenden Instand­

haltung zu bewerten haben w ird, w ird fü r s till- liegende Maschinen im wesentlichen nur ihr Schrottwert aktiviert werden können. Es sei denn, daß es sich um Objekte handelt, die einzeln am M a rkt irgendwie verwertet werden können.

2. B e t r i e b s w e r t e .

Bei der Bewertung von Betriebswerten haben w ir, soweit Waren in Frage kommen, zu unter­

scheiden zwischen Waren, fü r die feste Handels­

preise bestehen, einerseits und Beständen, bei denen dies nicht der F a ll ist, andererseits. Bei der Bewertung von Waren, fü r die W e l t h a n ­ d e l s p r e i s e bestehen, w ird man in der Regel über diese Preise in keinem F a ll hinausgehen können, da sonst bei einem zukünftigen Verkauf, der ja in jedem F a ll in Betracht kommt, sofort neue Verluste entstehen würden, durch die die gerade sanierte Unternehmung neuerdings ge­

schwächt werden würde.

Im übrigen w ird man bei der Bewertung von Beständen zu unterscheiden haben zwischen Roh­

stoffen, Fertigfabrikaten und H ilfs- bzw. Ersatz­

artikeln. Bei allen drei Gruppen w ird jedoch vor Vornahme der eigentlichen Bewertung festzustel­

len sein, ob ih r U m f a n g in einem angemessenen V e r h ä l t n i s z u r G r ö ß e d e s B e t r i e b e s überhaupt steht und ob sich unter den Beständen nicht zum Teil auch solche befinden, deren Ver­

wertungsmöglichkeiten beschränkt erscheinen.

Letzteres g ilt insbesondere h in s ic h tlic h der H a ib ­ und F e rtig fa b rik a te , da sich h ie r vie lfa c h Bestände an­

sammeln, die überhaupt n ic h t m ehr oder n u r noch zu au ß e rord entlich b illig e n Preisen v e rk ä u flic h sind.

A u c h gibt es W aren, die, ohne u n m itte lb a r ve rd erb lich zu sein, in ih re r Q u a litä t doch du rch lange Lagerung b e einträchtig t werden. A b e r bei a lle n O bjekten dieser A r t können n u r V e r s c h l e u d e r u n g s p r e i s e fü r die B ew ertung in B etra cht kommen. Dabei muß außerdem b e rü cksich tig t werden, daß die h ie r in Frage kom m enden A r t ik e l überhaupt n ic h t m ehr w e ite r­

v e rk a u ft werden können, wenn n ic h t der R u f des be­

treffenden Unternehm ens d a ru n te r leiden soll. B e i­

spielsweise w ir d es bei einer Unternehm ung, die F e rtig ­ waren irgendw elcher A r t h e rs te llt, n ic h t m öglich sein, altgelagerte W are oder q u a lita tiv m inderw ertigere zu verkaufen, da sonst ih re A bsa tzm öglichke iten in q u a li­

ta tiv ein w a n d fre ie r W are leiden w ürden.

In manchen F ä lle n können diese Überlegungen sogar dazu führen, daß die unbequeme W are überhaupt n ic h t m ehr in irgendeiner F o rm m it in den V e rk e h r gebracht, sondern u n m itte lb a r der V e r n i c h t u n g zugeführt w ird .

Neben den Waren spielen von den Betriebs­

werten fü r die Bewertung vor allem noch die A u ß e n s t ä n d e eine Rolle. H ier w ird aber eine besonders sorgfältige Vorsicht um so mehr vonnöten sein, als durch die Ereignisse der letz­

ten Monate viele Kunden, die noch vor kurzem als „g u t“ gelten konnten, ebenfalls in M itleiden­

schaft gezogen sein werden. A ls Anhaltspunkt

für die Bewertung w ird dabei in erster Linie die

F e s t s t e l l u n g d e r Z a h l u n g s r ü c k ­

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