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Ewiger Bund (Gen 17) oder neuer Bund (Jer 31,31-34)? Überlegungen zu einem Grundproblem der Theologie des Alten Testaments im Horizont gesamtbiblischer Theologie

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Axel Graupner

Ewiger Bund (Gen 17) oder neuer

Bund (Jer 31,31-34)? Überlegungen zu

einem Grundproblem der Theologie

des Alten Testaments im Horizont

gesamtbiblischer Theologie

Rocznik Teologiczny 57/4, 473-489

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LVII – z. 4/2015

Schlagwörter: Th eologie des Alten Testaments, Gesamtbiblische Th eologie, Ewiger Bund, Neuer Bund, Erwählung, Heilsgeschichtliche Überlieferung, Prophetie, Rechtfertigung, Die historische Tradition Israels

Pentateuch und Prophetie

Gerhard von Rad hat bekanntlich seine epochemachende „Th eologie des Alten Testaments“ in zwei Bänden vorgelegt1. Im ersten, 1957 erschienenen

Band widmet er sich der „Th eologie der geschichtlichen Überlieferungen Israels“, im zweiten, 1960 erschienenen Band der „Th eologie der propheti-schen Überlieferung Israels“2. Gerhard von Rad hat immer wieder betont, dass

die Zweibändigkeit seiner Th eologie des Alten Testaments nicht editorische, sondern sachliche Gründe hat. „Darin hatte die Botschaft der Propheten ihre Mitte und ihre bestürzende Sprengwirkung, daß sie die bisherige Existenz Israels vor Jahwe zerschlagen und den Geschichtshorizont eines ganz neuen Gotteshandelns mit Israel aufgerissen hat. Deshalb muß in einer Th eologie von ihr gesondert die Rede sein“3. Im ersten Satz der Einführung zum I. Hauptteil

des zweiten Bandes seiner Th eologie des Alten Testaments kann von Rad ihre zweibändige Disposition sogar als „scharfe Abtrennung der Botschaft der

* PD Dr. Axel Graupner jest zatrudniony w Katedrze Starego Testamentu Wydziału Teologii Ewangelickiej Uniwersytetu w Bonn (die Ev.-Th eol. Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wil-helms-Universität Bonn).

1 Zur epochalen Bedeutung der Th eologie des Alten Testaments Gerhard von Rads vgl. W.H. Schmidt, „Th eologie des Alten Testaments“ vor und nach Gerhard von Rad (1972), in: Vielfalt und Einheit alttestamentlichen Glaubens 2, Neukirchen-Vluyn 1995, 155-179.

2 Ultima des ersten Bands ist die 4. Aufl . 1962, Ultima des zweiten Bandes die 4. Aufl . 1965. Alle weiteren Aufl agen sind Nachdrucke.

3 Th eolAT I (41962), 141.

Axel Graupner*

Ewiger Bund (Gen 17) oder neuer Bund (Jer

31,31–34)? Überlegungen zu einem

Grund-problem der Theologie des Alten Testaments

im Horizont gesamtbiblischer Theologie

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Propheten von den Vorstellungen des älteren Jahweglaubens“ charakterisieren4.

Was von Rad meinte, lässt sich eindrücklich an der Aufnahme der paro-nomastischen Deutung des Gottesnamens hyha rva hyha „Ich werde sein, der ich sein werde“ Ex 3,14 E im Deutewort zum Befehl an Hosea, sein drittes Kind ym[-al zu nennen, nachvollziehen: „denn ihr seid nicht mein Volk und ich bin hyha-al [„Nicht-ich-werde-sein“] für euch“. Das Deutewort revoziert ohne Wenn und Aber die Zusage, die Mose und durch ihn Israel mit der Deutung des Gottesnamens empfängt: die unbedingte, weder räumlich noch zeitlich beschränkte, an keinen Mittler gebundene Zusage von Gottes Mits-ein mit Israel5. So vorbe haltlos wie Gott Israel in Ex 3,14 seine helfende und

heilschaff ende Gegenwart zusagt, so radikal revoziert er sie in Hos 1,9. Liegt nicht in diesem Gegenüber von vorbehaltlosem Ja und unbedingtem Nein das eigentliche Problem jeder Th eologie des Alten Testaments? Anders formuliert: Wie reimt sich Nein auf Ja?

Gewiss: Das Problem ist insofern komplexer, als es unter dem Eindruck der Erfüllung der Unheilsansage des Amos und Hosea, auch Michas (1,6) und Jesajas (7,4–9a; 8,1–4; 9,7–20 + 5,25–29; 17,3.4–6; 28,1–4) gegen das Nordreich Israel im Untergang Samarias 722 v. Chr. nicht an Versuchen gefehlt hat, im Rahmen der Fortschreibung der heilsgeschichtlichen Überlieferung Lehren aus der Prophetie zu ziehen. Ich denke an das jehowistische Geschichtswerk, hervorgegangen aus der Verbindung der älteren Pentateuchquellen J und E, und das Deuteronomium in seiner vorexilischen, spätkönigszeitlichen Gestalt6.

Der Jehowist bindet in Gen 15 in Aufnahme der bedingten Unheilsansage Jesajas „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht!“ (Jes 7,9; vgl. 28,16; 30,15) Glaube und Landverheißung zusammen. Die im Begriff des Bundes aufgehöhte, damit affi rmierte Landverheißung gilt nicht irgendwem, sondern Abraham, der glaubt

4 Th eolAT II (41965), 13.

5 Zu Ex 3,14 und zum Verhältnis von Ex 3,14 E und Hos 1,9 vgl. A. Graupner, Der Elohist. Gegenwart und Wirksamkeit des transzendenten Gottes in der Geschichte, Wissenschaft liche

Mo-nographien zum Alten und Neuen Testament 97, Neukirchen-Vluyn 2002, 30-32.37ff .

6 Zum Recht der Quellenscheidung im Pentateuch vgl. aus neuerer Zeit A. Graupner, Zur gegenwärtigen Lage in der Pentateuchforschung – zugleich ein Plädoyer für den Elohisten, in:

B. Schrö-der (Hg.), Hat König David nie existiert?, Alttestamentliche Forschung und Religionsunterricht. Saarbrücker Religionspädagogische Heft e 12, Saarbrücken 2010, 5-33; L. Schmidt, Im Dickicht

der Pentateuchforschung: Ein Plädoyer für die umstrittene Neuere Urkundenhypothese, „Vetus

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(Gen 15,6)7. Außerdem warnt der Jehowist das Südreich vor dem Geschick des

untergegangenen Nordreichs, indem er die Herstellung des goldenen Kalbes, dtr gesprochen: „die Sünde Jerobeams“ in die Frühzeit retrojiziert, damit in einen gesamtisraelitischen Zusammenhang stellt (Ex 32*)8.

Das Deuteronomium führt seine Leser, das spätkönigszeitliche Israel, also Juda / Jerusalem, gleichsam zurück auf die Schwelle zum verheißenen Land und stellt es damit in die Entscheidung: Gottesliebe oder Gottvergessenheit, Landbesitz oder Landverlust, Heil oder Unheil, wobei sich die Gottesliebe in der Wahrung der Einheit JHWHs (Dtn 6,4), in concreto: der Einheit des Kultortes (Dtn 12), der Reinheit des Kultes und im Gehorsam gegen Gottes Willensoff enbarung zeigen soll.

Ausdrücklich sei betont: Die Etikettierung beider Konzeptionen als „gesetz-lich“ wäre grundfalsch. Abrahams Glaube Gen 15,6 ist keine Forderung, inso-fern Vorbedingung der Affi rmation der Landverheißung, sondern – folgt man dem Duktus von Gen 15 – Antwort auf die Vergewisserung der Verheißung zahlreicher Nachkommenschaft (V 5). Auch das Ur-Deuteronomium denkt nicht in der Kategorie des gesetzlichen „Wenn-dann“, sondern warnt davor, das geschenkte Heil durch Gottvergessenheit und Undankbarkeit wieder zu ver-spielen. Dabei stehen Gottes vorgängige Zuwendung zu Israel, eingefangen in der Vorstellung des Väterbundes, der eidlichen Zusicherung der Gabe des Lan-des, und Israels Gehorsam gegen Gottes Willenskundgabe zunächst in einem reziproken Verhältnis. L. Perlitt hat das an Dtn 7,9–11.12b.13 demonstriert9.

7 Zum jehowistischen Grundbestand von Gen 15 und seiner Intention vgl. A. Graupner, Exodus 24 und die Frage nach dem Ursprung der Bundestheologie im Alten Testament. Eine Skizze mit einem Ausblick auf die Herrenmahlsüberlieferung im Neuen Testament, in: W. Kraus (Hg.), Urchristliche Th eologiegeschichte, Beiheft e zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft

163, Berlin – New York 2009, 129-148, bes. 132-136. Den Grundbestand dürft en V 1.2a mit Versteil b als crux interpretum und V 4–6.9f.11.12aα(β)b*(ohne hk'vex] „Finsternis“) bilden. V 3 setzt unnötigerweise mit neuer Redeeinleitung ein und stellt eine Doppelung zu V 2 dar, ist aber kaum das Relikt einer Parallelfassung, sondern eine aus V 4 (vry „erben“) und V 5 ([rz „Nach-kommenschaft “) entwickelte Reaktion auf die kaum mehr heilbare, weil schon früh eingetretene Textverderbnis in V 2b.

8 Der jehowistische Grundbestand von Ex 32 ist allerdings nur schwer eindeutig abzugren-zen. Vgl. dazu M. Konkel, Sünde und Vergebung. Eine Rekonstruktion der Redaktionsgeschichte

der hinteren Sinaiperikope (Exodus 32 – 34) vor dem Hintergrund aktueller Pentateuchmodelle,

Forschungen zum Alten Testament 58, Tübingen 2008.

9 L. Perlitt, Bundestheologie im Alten Testament, Wissenschaft liche Monographien zum Alten und Neuen Testament 36, Neukirchen-Vluyn 1969, 55ff .

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(9) Erkenne denn, dass JHWH dein Gott ist … (11) und halte das Gebot und die Ordnungen und die Gesetze, die zu tun ich dir heute befehle. (12b) JHWH, dein Gott, wird dir den Bund und die Verbundenheit bewahren, die er deinen Vätern geschworen hat. (13) Er wird dich lieben und dich segnen und dich zahlreich werden lassen. Er wird die Frucht deines Leibes segnen und die Frucht deines Landes, dein Getreide, deinen Most und dein Öl, den Wurf deiner Rinder und den Zuwachs deiner Schafe, in dem Land, das er deinen Vätern geschworen hat, dir zu geben.

Erst durch den Zusatz von V 12a wird Israels Gehorsam ausdrücklich zur Bedingung des Bundes:

„Wenn ihr diesen Gesetzen gehorcht, sie bewahrt und sie tut, wird JHWH, dein Gott, dir den Bund und die Güte bewahren, die er deinen Vätern ge-schworen hat“,

wobei der Vorrang von JHWHs Heilshandeln verloren geht. „Auf Israels Gesetzesobservanz folgt Gottes Observanz des Väterschwurs und seine Liebe zu Israel. Auf der Ebene des Endtextes gibt es keinen Vorrang des Heilshandelns Gottes, weder zeitlich noch logisch“10.In noch jüngeren – nachexilischen –

Texten wird „Bund“ sogar zum Inbegriff der Israel unbedingt verpfl ichtenden Willenskundgabe Gottes (4,13.23; 17,2f; 28,69; vgl. 5,2f; im Proömium zur Sinaiperikope Ex 19,5).

Beide Konzeptionen, die jehowistische wie die deuteronomische, zielten darauf ab, dem Südreich, Juda / Jerusalem, das Geschick des Nordreiches zu ersparen. Beide Konzeptionen sind, gemessen an ihrem Ziel, gescheitert. 587/6 geht das Südreich unter, und für Israel beginnt die captivitas babylonica.

Gen 17 und Jer 31,31–34

Gibt es für Israel neues Heil jenseits des Gerichts? In der Perspektive dieser Fragestellung setzt sich der Gegensatz zwischen heilsgeschichtlicher Überlie-ferung und prophetischer Verkündigung in exilisch-nachexilischer Zeit fort und spitzt sich zu. Ich möchte das an zwei prominenten Texten, Gen 17 und Jer 31,31–34, demonstrieren. Beide Texte sind durch tiefe Gemeinsamkeiten

10 U. Rüterswörden, Das Buch Deuteronomium, Neuer Stuttgarter Kommentar Altes Testa-ment 4, Stuttgart 2006, 18.

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miteinander verbunden. Beide Texte setzen die Erfahrung des Untergangs Judas / Jerusalems 587/6, mithin die Erfüllung gerichtsprophetischer Zukunft sansage voraus. Beide Texte teilen die Einsicht der Prophetie in die radikale Schuldver-fallenheit Israels und bedenken sie in ihren Zukunft skonzepten11.

Die Überzeugung, dass Israel als Ganzes radikal der Sünde verfallen ist, spricht besonders eindrücklich Jeremia aus und bündelt dabei gleichsam Ein-sichten seiner prophetischen Vorgänger.12 Für Jeremia steht fest: Das Unheil

trifft alle, weil ausnahmslos alle schuldig sind (2,29; 5,1; 8,6; vgl. Am 7,2; Jes 6,5; Mi 3,8). Von JHWH zum Prüfer des Volkes eingesetzt (6,27ff ), muss der Prophet feststellen: „Sie alle sind die Widerspenstigsten der Wider spenstigen“ (V 28). Eine Läuterung ist nicht mehr möglich (V 29f). Die Feststellung, dass alle schuldig sind, gilt nicht nur für die lebende Generation – für „Geringe wie Große“ (5,4f), „vom Kleinsten bis zum Größten“ (6,13 par. 8,10) –, son-dern „seit je“ (2,20; vgl. V 32). Die Geschichte des Volkes ist von Beginn an eine Geschichte fortgesetzter Verschuldung (vgl. Hos 12,3–5.7.13). Dabei gilt: Israels Schuld ist untilgbar.

„Auch wenn du dich mit Natron wüschest und viel Laugensalz nähmst: schmutzig bleibt deine Schuld vor mir – Spruch des Herrn JHWH.“ (2,22; vgl. 5,7–9)

Der Schuldvorwurf wird – in Aufnahme, Weiterführung, auch Abwandlung der Verkün digung der prophetischen Vorgänger – verschieden konkretisiert. Die Hauptanklage lautet wie bei Hosea: Abfall von JHWH, Verletzung seiner Ausschließlichkeit (2,5–37; 3,1; 5,7 u. ö.). Sie erscheint Jeremia angesichts von Gottes Heilstaten für Israel als schlicht unbegreifl ich und widersinnig (2,10–13.31f; 8,4f.7; vgl. Jes 1,2f; 5,1ff ). Außerdem übt Jeremia scharfe Kritik

• am Zustand der Gesellschaft , der Gewalt gegen Schwache und dem Mangel an „Recht und ’æmæd“, „gegenseitiger Verlässlichkeit“ (2,33f; 5,1f.7.26–28; 6,6f; 6,13 || 8,10; 7,9.28; 9,1–5.7; vgl. das Begriff spaar „Recht und Gerechtigkeit“ Am 5,7.24; 6,12)

• am Gottesdienst (6,20; 7,21; vgl. 11,15f)

11 W.H. Schmidt, Pentateuch und Prophetie. Eine Skizze zu Verschiedenartigkeit und Einheit alttestamentlicher Th eologie (1989), in: Vielfalt und Einheit alttestamentlichen Glaubens 1: Herme-neutik und Methodik, Pentateuch und Prophetie, Neukirchen-Vluyn 1995, 226-240, bes. 236-239.

12 Im Folgenden nehme ich Formulierung auf aus: A. Graupner, R. Micheel, ZuMUTungen. Sieben Texte aus dem Buch des Propheten Jeremia, Texte zur Bibel 23, Neukirchen-Vluyn 2007, 28ff .

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• am religiösen Selbstbewusstsein der Zeitgenossen, dem „Hochmut“ Judas / Jerusalems (13,9; vgl. Am 6,8; 8,7; Hos 5,5) und der securitas der Zeitgenossen, ihrem falschen Vertrauen (7,4; vgl. 2,27; 5,17) • an der Schaukelpolitik zwischen den Großmächten (2,16.18f), später

an der proägyptischen Außenpolitik Judas / Jerusalems (2,36f; vgl. 27,2–4.11; außerdem Jes 20,1–6)

• am regierenden König (22,13ff ) und an den Eliten, den Priestern und Propheten (2,8; 5,13.31; 6,13f || 8,10f; 23,9ff ) sowie den Weisen (8,8f), denen er völliges Versagen in ihren Aufgaben vorwirft .

Mit seinem Schuldaufweis sucht Jeremia seine Zukunft sansage zu begrün-den, zielt insofern auf Einsicht. Immer wieder fordert der Prophet die Adres-saten dazu auf, sich selbst von der Richtigkeit seiner Anklagen zu überzeugen:

„Durchstreift die Gassen Jerusalems,

seht doch und erkundet und sucht auf ihren Plätzen, ob ihr jemanden fi ndet, ob einer da ist, der Recht übt,

der Verlässlichkeit sucht: so will ich ihr vergeben!“ (5,1; vgl. 2,10f.19) Der Prophet sucht in rhetorischen Fragen die Zustimmung der Hörer (2,14.32; 3,1f; 7,11 u.v.a). Er muss jedoch feststellen: Die Angeredeten verwei-gern die Schuldeinsicht (2,20.23.35). Sie sind „töricht“ und „unvernünft ig“, ohne „Gotteserkenntnis“ und „Einsicht“ (4,22), haben „Augen“ und „Ohren“, „sehen“ und „hören aber nicht“ (5,21; vgl. 6,10). So erscheint das Volk als

verstockt: „dieses Volk hat ein störrisches und widerspenstiges Herz“ (5,23; vgl. Jes 6,9f).

Angesichts der Schwere der Schuld des Volkes gilt für Jeremia: Umkehr ist ausgeschlossen:

„Wenn ein Mann seine Frau entlässt und sie von ihm weggeht und (die Frau) eines anderen Mannes wird, darf sie wieder zu ihm zurückkehren? Würde dieses Land nicht ganz und gar entweiht werden? Du aber hast mit vielen Liebhabern gehurt, und du solltest zu mir zurück kehren können – Spruch JHWHs?“ (3,1; vgl. als Hintergrund Dtn 24,1–4)

Außerdem ist der Prophet im Gefolge Hoseas (Hos 5,4; 11,7) davon über-zeugt, dass das Volk von sich aus gar nicht mehr in der Lage ist umzukehren:

„Stürzt man und steht nicht wieder auf? Wendet sich einer ab und nicht wieder zu?

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Sie halten fest am Trug, weigern sich umzukehren“ (8,4f cj. BHS; vgl. 5,3).

Als „Schüler des Bösen“ haben die Hörer die Fähigkeit zur Umkehr längst eingebüßt. Abkehr von JHWH, Umkehrunwilligkeit und Umkehrunfähigkeit sind eins geworden:

„Kann ein Kuschit seine Haut(farbe) ändern, ein Leopard seine Flecken? So wenig könnt ihr Gutes tun, ihr Schüler des Bösen.“ (13,23; vgl. 4,22; 6,10). Beide Texte, Gen 17 und Jer 31,31–34, beantworten die Frage, ob es für Israel Heil jenseits des Gerichts gibt, mit Ja, jedoch auf höchst unterschiedliche Weise.

1) Die priesterschrift liche Konzeption Gen 17

Gen 17 ist – das dürft e Konsens sein – die „Mitte“ der priesterschrift lichen Abrahamerzählung und von „grundlegender Bedeutung“ für die Th eologie der Priesterschrift 13. Der komplexe Text zerfällt grob in zwei Teile: den

Be-richt über die Th eophanie V 1–22 und den Bericht V 23–27, der – typisch für die Priesterschrift – penibel die Ausführung der innerhalb der Th eophanie an Abraham ergangenen Anweisungen notiert: „so wie Gott mit ihm gere-det hatte“. Die Schilderung der Th eophanie V 1–22 zerfällt ebenfalls in zwei Teile: Gottes Bund mit Abraham V 1–14 und die Sohnesverheißung V 15–21. Beide Abschnitte sind mit der Ankündigung der Stift ung (!tn) eines Bundes V 1–3a, der Aufrichtung (~yqh) des Bundes V 3b–6 und der Anordnung der Beschneidung als Bundeszeichen V 9–14 bzw. der Segnung Saras V 15–16, Abrahams ungläubiger Reaktion und Bitte für Ismael V 17f und ihrer Erhörung V 19–21 ihrerseits dreiteilig. V 22 schließt die Th eophanie ab: „Gott fuhr auf von Abraham“.

Bereits der symmetrische Aufb au spricht gegen einschneidende literarkri-tische Eingriff e wie die Annahme, dass die Beschneidung als Bundeszeichen erst später hinzugekommen ist14. Wie der Noah-Bund (Gen 9,1–17) ist der

Abraham-Bund mit einem Zeichen verbunden. Allerdings enthält der Text mit der Exkommunikationsformel V 14a und V 9aβb.10a.14a, die bereits eine

13 P. Weimar, Art. Priesterschrift , http://www.bibelwissenschaft .de/stichwort/31252/ (Juni 2010), 3.2.2.

14 So K. Grünwaldt, Exil und Identität. Beschneidung, Passa und Sabbat in der Priesterschrift (BBB 85), Frankfurt / M. 1992, 18ff ; aufgenommen von H. Seebass, Genesis II. Vätergeschichte

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Mischung aus typisch priesterschrift licher und typisch dtr Sprache aufweisen, Zusätze15.

Mit Gen 17 verlegt die Priesterschrift – angeregt durch Gen 15* RJE und

wohl auch durch den Rekurs auf Abraham in der Verkündigung Deuterojesa-jas (Jes 41,8; 51,2) – die Aufrichtung des Bundes vom Sinai (Ex 24,3–8) in die Väterzeit, damit vor den Beginn der Volksgeschichte, so dass sein Bestand vom Verhalten des Volkes unabhängig ist, durch Israels Ungehorsam nicht in Frage gestellt werden kann16. Außerdem löst die Priesterschrift den Bund wieder aus

der Bindung an den Gehorsam gegen Gottes Willensoff enbarung. An Abraham ergeht zwar die Weisung ~ymit' hyEh.w< yn:p'l. %LEh;t.hi „Wandle vor mir und sei untade-lig!“ Das Gebot ist aber keine Bedingung des Bundes, der Bund eine einseitige Selbstverpfl ichtung Gottes, ein reiner Gnadenbund. Die Priesterschrift bringt dies auch terminologisch zum Ausdruck, indem sie die ältere Formulierung tyrb trk „einen Bund schließen“ (15,18) durch die Verbindung ~yqh / !tn tyrb „einen Bund stift en / aufrichten“ (17,2.19; vgl. Ex 6,4) ersetzt und nur die erste

15 Vgl. H. Seebass, Genesis II/1, 107 mit allen Belegen für die Exkommunikationsformel. In V 9aβb.10a.14a sind die Wendungen „den Bund bewahren / brechen“ V 9aβ.10a typisch dtr. Der Zusatz interpretiert – in schroff em Gegensatz zum priesterschrift lichen Verständnis des Bundes – das Zeichen (tAa) der Beschneidung als Inhalt des Bundes, „Bund“ mithin als Verpfl ichtung auf Gottes Willensoff enbarung und dürft e von der gleichen Hand stammen wie das Proömium der Sinaiperikope Ex 19,3b–8. Vgl. dazu A. Graupner, „Ihr sollt mir ein Königreich von Priestern

und ein heiliges Volk sein“. Erwägungen zur Funktion von Ex 19,3b–8 innerhalb der Sinaiperikope,

in: A. Graupner, M. Wolter (Hg.), Moses in Biblical and Extra-Biblical Traditions, Beiheft e zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 372, Berlin – New York 2007, 33-49, hier: 44ff .

16 W. Zimmerli, Sinaibund und Abrahambund (1960), Gottes Off enbarung. GA zum Alten Testament. TB 19, München 1969, 205-216. – Gen 17 ist zweifellos der jüngere Text: Während in Gen15* RJE die Verheißung der Volkwerdung und der Gabe des Landes im Gefolge von 12,2.7 J noch in zwei aufeinanderfolgende Akte zerfallen und nur die Landverheißung Inhalt des Bundes ist, fasst die Priesterschrift beide Verheißung in ihrer Konzeption des Bundes zusammen. Außer-dem integriert P die Verheißung an Ismael (16,10–12 J) in den Bund und sucht ihr Verhältnis zur Verheißung der an Isaak gebundenen Verheißung der Volkwerdung Israels zu bestimmen. Darüber hinaus ersetzt P die ältere Wendung tyrb trk (wörtlich: „einen Bund schneiden“ 15,18) durch die Verbindung tyrb ~yqh / !tn „einen Bund stift en / aufrichten“ (17,2.19) und schließt damit die Vorstellung aus, dass sich Jahwe beim Bundesschluss zunächst mit Noah, dann mit Abraham einer bedingten Selbstverfl uchung unterstellt hat (15,9f.17; vgl. Jer 34,18; außerdem Sifre I A Z. 7.40 [TUAT I/2, 2005, 181f]). Zugleich betont P durch die Formulierung die Einseitigkeit des Bundesschlusses (s.u.). Außerdem schreibt P die Rollen um: Statt Sara (18,12) lacht nun Abraham ungläubig (17,17), um eine Anknüpfung für den Wunsch V 18 zu gewinnen. Die vorgängige (s.u.) an Abraham ergehende Auff orderung yn:p'l. %LEh;t.hi dürft e 12,1 interpretierend aufnehmen. Die Umbenennung von Abram in Abraham und von Sarai in Sara hat ihr Vorbild in der Umbenennung Jakobs in Israel (Gen 32,29 J; 35,10 P).

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Hälft e der dtn / dtr Bundesformel aufnimmt: ^[]r>z:l.W ~yhil{ale ^l. tAyh.li ^yr<x]a; „dass ich dein Gott sei und deiner Nachkommenschaft nach dir“ (V 7; vgl. Ex 6,7). Damit schließt die Priesterschrift eine Aufk ündigung der Gemeinschaft von Gott und Volk rück- wie vorblickend ausdrücklich aus. Der von Gott aufge-richtete Bund ist eine ~l'A[ tyrIB., ein „ewiger Bund“ (V 7). Signum, äußerliches Zeichen, ist die – jedenfalls in vorhellenistischer Zeit – irreversible Beschnei-dung17. Auf diese Weise bedenkt die Priesterschrift den Anstoß, den die gegen

das Volksganze gerichtete Unheilsverkündigung der Prophetie des 8. und 7. Jh. für die heilsgeschichtliche Überlieferung darstellt18. Ihre Intention scheint mir

eine primär seelsorgerliche zu sein. Sie möchte der Gola, den Entwurzelten im babylonischen Exil, Trost spenden und neue Gewissheit vermitteln: Das Gericht ist nicht das Ende der Gottesgemeinschaft ; sie hat auch im Gericht Bestand, hält sich auch im Gericht durch. Zugleich sucht die Priesterschrift angesichts der Bewahrheitung prophetischer Zukunft sansage für Israel nach einer Zukunft ohne Ende (vgl. Am 8,2; Ez 7). Spätere (Ps) bauen dieses Konzept aus, indem

sie den Kult Rahmen der Priesterschrift ganz vom Gedanken der Sühne her gestalten. (Lev 16; vgl. 17,11 in Anknüpfung an Gen 9,4).

2) Die Konzeption des neuen Bundes Jer 31,31–34

Die Verheißung des neuen Bundes ist Teil des „Trostbüchleins für Ephraim“ Kap. 31f, einer im Grundbestand ursprünglich selbständigen Sammlung von Heilsworten an das untergegangene Nordreich. Die Sammlung weist eine doppelte Rahmung auf. Der jüngere äußere Rahmen (30,1–3; 31,27–28.29f) ist deuteronomistischer Herkunft und scheint der Integration der Sammlung in das Jeremiabuch zu dienen19. Der ältere innere Rahmen (30,4; 31,23–25.26)

be-zieht – vom äußeren Rahmen vorausgesetzt – Juda in die Heilsweissagungen ein, setzt mithin Jeremias Brief an die Exulanten 29,4–7 und die Symbolhandlung

17 Zum Epispasmos in hellenistischer Zeit vgl. A. Blaschke, Beschneidung. Zeugnisse der Bibel und verwandter Texte, Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter 28, Tübingen und

Basel 1998, 350-356 et passim.

18 Zu den vielfältigen Nachwirkungen der Prophetie in der Priesterschrift vgl. R. Smend, »Das Ende ist gekommen«. Ein Amoswort in der Priesterschrift (1981), in: Die Mitte des Alten Testaments.

GS 1, München 1986, 154-159; W.H. Schmidt, Nachwirkungen prophetischer Botschaft in der

Priesterschrift , in: A. Caquot, Mélanges bibliques et orientaux. Festschrift M. Delcor, Alter Orient

und Altes Testament 215, Kevelaer – Neukirchen-Vluyn 1985, 369-377.

19 W. Th iel, Die deuteronomistische Redaktion von Jeremia 26–45, Wissenschaft liche Mono-graphien zum Alten und Neuen Testament 52, Neukirchen-Vluyn 1981, 20ff .

(11)

32,6b–15 voraus. Der Anteil echter Jeremiaworte ist schmal. Wahrscheinlich stammen nur 31,2–5a.15.16abα.17a.18–20 (vgl 3,12.13*) vom Propheten20.

31,35–37.38–40 dürft en postdeuteronomistische Anhänge sein.

Perspektive und Sprache von 31,31–34 zeigen, dass das Wort nicht von Jeremia stammt, sondern Teil des äußeren deuteronomistischen Rahmens ist. V 32bβ blickt bereits auf das Gericht zurück. Der Abschnitt ist nicht rhyth-misch-metrisch geformt, sondern in Prosa abgefasst. Tragende Begriff e wie „Bund“ und „Tora“ („Weisung“ V 33aβ) und die sog. Bundesformel V 33b sind

typisch für deuteronomistische Kreise.

(31) Siehe, Tage kommen – Spruch JHWHs –, da schließe ich mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda einen neuen Bund, (32) nicht wie der Bund, den ich mit ihren Vätern schloss an dem Tage, als ich sie bei ihren Händen nahm, um sie aus dem Land Ägypten herauszuführen, den sie brechen konnten, so dass ich mich an ihnen als Herr erweisen musste – Spruch JHWHs –, (33) sondern dies soll der Bund sein, den ich mit dem Haus Israel nach jenen Ta-gen schließe – Spruch JHWHs –: ich gebe meine Weisung in ihr Inneres und schreibe sie auf ihr Herz; so werde ich ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein. (34) Nicht mehr wird einer seinen Nächsten noch einer seinen Bruder belehren müssen: Erkennt JHWH!, sondern sie alle werden mich erkennen, vom Kleinsten bis zum Größten – Spruch JHWHs –, denn ich werde ihre Sünde vergeben und ihrer Schuld nicht mehr gedenken21.

20 W.H. Schmidt, Das Buch Jeremia Kapitel 21 – 52, Altes Testament Deutsch 20/2, Göttingen 2013, 107.118.

21 V 32bβ wird verschieden übersetzt. Luther 1984: „und ich sie zwingen musste“; Zürcher: „ich aber habe sie verworfen“; Rev. Elberfelder: „obwohl ich doch ihr Herr war“, ähnlich die EÜ: „obwohl ich ihr Gebieter war“. Hebräisch bācal be bedeutet hier jedoch eher: „sich als Herr erweisen“,

und zwar im Gericht. W. Rudolph, Jeremia, Handbuch zum Alten Testament I/12, Tübingen 31968 z.St.

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Der Abschnitt weist einen kunstvollen, in sich gerundeten Aufb au auf: V 31 Ankündigung eines neuen Bundes als Tat Gottes

V 32 Entfaltung

V 32 negativ: in der Gegenüberstellung zum alten Bund V 33 positiv: Beschreibung des neuen Bundes

V 34abα Auswirkungen:

V 34a negativ: keine gegenseitige Unterweisung mehr V 34bα positiv: Gottunmittelbarkeit aller

V 34bβ Voraussetzung des neuen Bundes: Vergebung

V 31 setzt mit dem Aufmerksamkeitsruf „siehe!“ ein und bildet mit der Ankündigung eines neuen Bundes die Überschrift zum Folgenden. Der Bun-desschluss wird allein Tat Gottes sein. Wie in der Priesterschrift ist der Bund kein Vertrag zwischen gleichberechtigten Partnern, keine Abmachung auf Gegenseitigkeit, erst recht keine Verpfl ichtung Israels, sondern Heilsgabe Gottes. Sie gilt Israel und Juda gemeinsam, verbindet insofern beide Häuser, über-greift ihre Trennung (vgl. 3,18). Darum ist in V 33 nur noch von Israel als Einheit die Rede. Die Redaktion führt gleichsam Jeremias frühe Heilsverkün-digung an das Nordreich mit Jeremias später HeilsverkünHeilsverkün-digung an die Gola und das untergehende Südreich zusammen.

V 32f entfalten, worin das Neue des neuen Bundes besteht: Der alte Bund konnte gebrochen werden, der neue nicht. Solche Hoff nung wird gerne als Eskapismus, als Ausweichen vor der Situation, diff amiert. Das ist nicht richtig. Die Verheißung überspringt nicht die Wirklichkeit, sondern tritt ihr gegenüber, und zwar so, dass sie die Adressaten dazu anleitet, ihre Situation vor Gott wahrzunehmen (V 32), und sie dazu befähigt zu erkennen, was sie nicht selbst ins Werk setzen, sondern nur erwarten können (V 33).

V 32 grenzt den neuen Bund gegen den alten ab und beleuchtet damit die Situation der Adressaten. Sie stehen unter Gottes Gericht. Dabei gilt für die deuteronomistischen Verfasser wie für Jeremia, in dessen Nachfolge sie stehen: Israels und Judas Schuldgeschichte reicht bis in die Anfänge zurück. Bereits die Väter haben den Bund gebrochen, so dass sich JHWH im Gericht als Herr erweisen musste.

Worin der Bundesbruch bestand, wird nicht entfaltet. Möglicherweise verbirgt sich in der Wahl des Verbs bācal „sich als Herr erweisen“ ein Hinweis:

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Jedenfalls zeigt die Gegenüberstellung von JHWHs väterlicher Fürsorge – „als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägypten herauszuführen“ – und dem Bundesbruch der Väter: Israel und Juda sind nicht am Gesetz – Gottes „Du sollst“ – gescheitert, sondern an Gottes Liebe. Konstitutiv für die Gemeinschaft von Gott und Volk war nicht Gottes Willensoff enbarung, sondern seine freie Zuwendung zu Israel in der Errettung aus Ägypten, der Führung durch die Wüste und der Gabe des Landes (vgl. 2,5–7). Ursache des Gerichts ist darum im Letzten nicht diese oder jene Verfehlung Israels, sondern seine Lieblosigkeit gegen Gott (vgl. Dtn 6,4f), seine Gottvergessenheit (vgl. 6,10–12).

V 33 sagt, worin der neue Bund bestehen wird und warum der neue Bund nicht gebrochen werden kann: JHWH wird seine Weisung in ihr Inneres geben und ins Herz schreiben. Das Herz ist im Alten Testament nicht, jedenfalls nicht in erster Linie Sitz der Gefühle, sondern des Denkens und Wollens, auch des Gewissens und steht so für das Personzentrum. Will der Mensch in seinem Inneren, in seinem Herzen, was Gott will, ist menschlicher Ungehorsam, ist ein erneuter Bruch des Bundes ausgeschlossen. Gott wird die Unterscheidung von Autono mie und Heteronomie, Selbst- und Fremdbestimmung, die sich in der Geschichte Israels von Beginn an als Diastase gezeigt hat, in der Einheit von göttlichem und menschlichem Willen aufh eben22 – mit der Folge: „so werde

ich ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein.“

Worin die Weisung besteht, wird nicht entfaltet. „Tora“ kann die Gesamtheit von Gottes Willensoff enbarung bezeichnen. Sie kann auch für den im Deutero-nomium (Dtn 5) und in ihm nahe stehenden Kreisen prominent rezipierten Dekalog stehen. In Jer 31,33 scheint mit „Weisung“ jedoch eher die exklusive Gottesbeziehung gemeint zu sein. Dafür spricht, dass V 32 zufolge das Gericht im Erweis von Gottes „Herrsein“ bestand und dass V 34 zufolge die Gabe der Tora ins Herz Gotteserkenntnis zur Folge haben wird.

Die Verheißung wurzelt tief in prophetischer Tradition. Sie zieht die Konse-quenz aus der Einsicht der Propheten in die Radikalität der Sündenverfallenheit Israels und die Unfähigkeit des Volkes, sich zu ändern. Da Israel die Fähigkeit umzukehren eingebüßt hat, bleibt nur die Hoff nung, dass Gott es radikal verändern wird. Auch diese Hoff nung wurzelt tief in prophetischer Tradition:

22 Vgl. W. H. Schmidt, Die Verheißung des Neuen Bundes. Jeremia 31,31–34, „Kirche und Israel: Didaskalia“ 34, 1989, 27-44, hier: 37; vgl. ders. Jeremia 26 – 52, z.St.

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„Ich werde ihre Abtrünnigkeit heilen“ (Hos 14,5; aufgenommen in Jer 3,22). V 34abα beschreibt, welche Auswirkungen die Gabe der Weisung ins Innere haben wird: Gegenseitige Belehrung mit dem Ziel der Gotteserkenntnis wird überfl üssig werden. Eine Glaubensvermittlung durch wen auch immer wird nicht mehr nötig sein. Alle – „vom Kleinsten bis zum Größten“ – werden Gott unmittelbar erkennen.

V 34bβ schließt die Verheißung ab, indem er ihre Voraussetzung thema-tisiert („denn“). JHWH wird Schuld und Sünde, die Israel von ihm trennen, vergeben. Er wird das Volk von der Last der Vergangenheit befreien und so Zukunft eröff nen.

3) Der Dissens

Beide Konzeptionen sind trotz tiefgreifender Gemeinsamkeiten denkbar gegensätzlich: auf der einen Seite die Zusicherung des Fortbestands des Bundes auch in der Situation des Gerichts und über sie hinaus für alle Zeiten, auf der anderen Seite die bittere Gewissheit: der alte Bund ist gebrochen, der neue Bund zwar verheißen, aber noch nicht Wirklichkeit.

Ich verlasse den Schreibtisch des Exegeten und versetze mich in die Situ-ation der Adressaten beider Texte. Was ist die Wahrheit meiner Existenz: Bin ich – obwohl unter Gottes Gericht stehend – immer noch aufgehoben in der Gemeinschaft Gottes, von ihr umfangen, oder lebe ich gleichsam zwischen den Zeiten, ungesichert, nur gehalten von der Hoff nung? Wer bin ich? Sünder, als solcher immer schon gerettet durch den von Gott gestift eten sühneschaff enden Kult, oder Sünder, der nicht anders kann, als zu sündigen, und der nur hoff en kann, von Gott dermaleinst verwandelt zu werden?

Die paulinische Rechtfertigungslehre

Beide Konzeptionen – Gen 17 und Jer 31,31–34 – stehen einander im Alten Testament schroff , im Kern antithetisch gegenüber. Das Alte Testament bietet keine Lösung an und weist – jeweils m.E. – damit über sich selbst hinaus. Wo-rauf? Ich meine: Auf die paulinische Verkündigung der dikaiosu,nh tou/ qeou/23.

23 Zu bedenken wäre auch die Konzeption des Bundes im Hebräerbrief. Vgl. dazu W. Kraus, Die Bedeutung von Diaqh,kh im Hebräerbrief, in: E. Bons, R. Brucker, J. Joosten (Hg.), Th e Reception of Septuagint Words, Wissenschaft liche Untersuchungen zum Neuen Testament II.367, Tübingen

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Für Paulus gilt: Die Verheißung des neuen Bundes ist in Christus erfüllt, o]j kai. i`ka,nwsen h`ma/j diako,nouj kainh/j diaqh,khj (2 Kor 3,6; vgl. 1 Kor 11,25; ferner 10,16). Wie er dazu kam, darüber legt der Apostel in Gal 1,11ff Rechenschaft ab. Dieser in Christus aufgerichtete neue Bund gilt nicht nur Israel, sondern „Juden wie Heiden“, also allen Menschen (Röm 3,21ff ); denn sie alle sind vor Gott schuldig und bedürfen der Rechtfertigung (1,18 – 3,20). Dabei hält Pau-lus die bleibende Erwählung Israels ausdrücklich fest: pa/j VIsrah.l swqh,setai, und zwar unter ausdrücklichem Rückbezug auf das Alte Testament: kaqw.j ge,graptai\ h[xei evk Siw.n o` r`uo,menoj( avpostre,yei avsebei,aj avpo. VIakw,b (Röm 11,26; vgl. 9,4) und führt damit Jer 31,31–34 und Gen 17 zusammen.

Ist das die Lösung? Eine kritische Rückfrage des Christen an sich selbst: Müssen wir uns als einzelne wie als Gemeinde nicht eingestehen: Das, was Jer 31,31–34 verheißt,

• die Einmütigkeit von Gott und Mensch • die Unmittelbarkeit der Gotteserkenntnis aller,

ist noch nicht Wirklichkeit? Wäre sie es, wir säßen heute nicht hier und würden uns nicht gemeinsam um „Belehrung“ bemühen. „Erfüllung bedeutet off enbar nicht“ – ich nehme aus meinen Vorlesungsmitschrift en eine Formu-lierung Gerhard Sauters auf –, „dass wir keine Hoff nung mehr nötig hätten“. Und fahre mit W.H. Schmidt fort: Das Alte Testament enthält „auch für den christlichen Glauben noch uneingelöste … Verheißung. Darum blickt er nicht nur auf das Alte Testament zurück, sondern auch mit ihm gemeinsam voraus“24.

Ich füge mit Paulus hinzu: Ihr Unterpfand hat diese Verheißung im Deus prä-sens, christlich gesprochen: im Gekommenen; „denn für alle Verheißungen Gottes ist in ihm das Ja“ (2 Kor 1,20; vgl. Röm 15,8).

Ein kurzes Fazit: Wenn wir über das Verhältnis von Altem und Neuem Testament und über das Verhältnis von Judentum und Christentum reden, sollten wir Einbahnstraßen meiden. Das Alte Testament ist nicht nur das fun-damentum des Neuen Testaments; es bleibt im Neuen Testament als Hoff nung lebendig – nun aber in universalem Horizont, als Hoff nung für Juden und Heiden, und als Hoff nung, die die Todesgrenze überschreitet (als Hoff nung des

2014, 67-83.

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einzelnen Jes 49,16; 73,23–26; als Hoff nung für die, die im Glauben standhaft geblieben sind Dan 12,2; in universalem Horizont Horizont Jes 25,6–8; vgl. 26,19; 1 Kor 15, bes. V 26).

ABSTRACT

One if not the main fundamental problem of a Th eology of the Old Tes-tament is the coexistence of the historical tradition of Israel, represented by the Pentateuch, and the pre-exilic prophets within the canon because of the prophet’s abrogation of the “Heilsgeschichte” (I). How complex the interac-tion between the Pentateuch and the prophetic literature in their long lasting history may ever have been, the coexistence of a text like Gen 17 and Jer 31:31-34 points out the problem: is the covenant everlasting or broken, the covenant Israel’s every time presence or its future? (II) Th e Old Testament for itself gives no answer to this question. So far the Old Testament points beyond itself – in the author’s opinion to Paul’s concept of the dikaiosu,nh tou/ qeou/. Th is concept combines the proclamation of the fulfi llment of the promise of the New Covenant for all people with the confi rmation of Israel’s everlasting election (III). Both, the fulfi llment of the promise Jer 31:31-34 and Israel’s fi nal salvation, are standing under eschatological reservation. In this perspective the Old Testament is not only fundament of the New Testament, but in New Testament’s hope still alive. (IV)

Keywords: Everlasting Covenant, New Covenant, Election, Justifi cation, Th e histo-rical tradition of Israel, Prophecy, Th eology of the Old Testament, Th eology of the whole Bible (Old and New Testament)

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