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Die Zukunft, 19. Dezember, Bd. 45.

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Berlin, den r9.Dezember 1903.

. I III »

Reichsparlirer.

WenIahrzuJahrwird mirsschwerer,dieBerichteüberReichstags- sitzungenzulesen;wirklichzulesen,nichtdasAugeüber das Druck- bildschweifenunddanurweilen zulassen,wolebhafterBeisall,große,stür- mische,schallendeHeiterkeitangemerlt ist«Zwei, dreiTagenachderSommer- pause gehts; dannerlahmtderEiferunddiePflichtwirdleidigeLast. Bildest Dir, Snob,garwohlwasdaraufein?SofragtMancher-;undfügt hinzu:

Jedem halbwegsGescheitcnistesdieselbeQuaL AuchdieErklärungistbei derHand.DieserReichstag!Schlimmer nochals dasilliterate Parna- ment,dasvorfünshundertIahrenEnglandsvierterHeinrichberufen hatte.

Iobn Gully,der zumAbgeordnetengekürtePreisscchter,wurde inWest- minsterwie einWunderthierbegasft;beiunswimmelksheutevonGullysaller Sorten. Nurnatürlich,daßNiemandsichgern mitsolchentristen Epigonen beschäftigt.DiealteWeise,der alteText;längstgehörtjadieGeringschätzung

»dieses«ReichstageszumgutenTon.UnddochsitzennebenvielenBanausen auchLeutevonachtbaremWissenundwachemMenschenverstande,diefür ihren Beruf tauglich sind.An derQualitätderEinzelnenkanns also nicht liegen. InLondonist mehr politischerInstinktundfeinereVerkehrsform, inParis mehr Temperament,inBudapestschärfereWitterung für-Konjunk- turen;die Summe derversammeltenIntelligenzist wohlin keiner der drei StädtewesentlichhöheralsinBerlinDerUnterschiedmußanderswozu suchen sein;undist leichtzufinden. In London,Paris, Budapest regietdas Par- lament, giebt Gesetze,verwaltet, durchHirnundArmseinerFührer,das Land.In Wien sogarzwingtesderBureaukratie seinenWillenauf, zvingt ostselbstdenKaiserzurWahlneuer Gehilfen.InBerlinkritisirt es; nach

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426 . Die Zeiteme

derselbenMethode,die in denZeitungen angewandt wird,undmeistauch mitdemselbenErfolg.Nichtallzuunsanft.DieZeitder großenAuseinander- setzungenist fürdiebourgeoisenGruppenvorbei. Die Urbanen habenüber diePaganengesiegt,diedampflosenTagedesAgrikulturstaates,desgeschlosse- nenHandelsstaateskehrennicht wieder;undmählichvzrhallt auchderHader derge·paltenenChristenheit.DieProtestanten habendasProtestirenver- lernt undsind froh,wenn sieinihremToleranzwinkelnicht gestörtwerden;

unddieKatholiken sindimReichdeslutherischen Kaisers recht zufrieden, sindzugut genährtund zuklug,umsichnochin denWahnDarbender zuver- irren,dieFruchtkönne Demschnellerreifen,der mit derLampedieBlüthe wärmt. Früherwars anders. Dafochtman umBeute,umsDaseinsrecht und wäre gern überLeichenzumSiege geschritten.JetztbegnügtJeder sich mit derGeberde desreisigenKriegers, ist Jeder zufrieden, vergnügt,wenn die Schlachttage unblutig verlaufen und,imschlimmstenFall,derKadaoereines Amtsschimmels aufdemFeldebleibt. Fragt dochHerrnSchaedler,Herrn Sattler,HerrnRichter,obsiederWunsch treibt,denGrafenBülowvom Platzezustoßen.Warum denn?EinihnenbequemererMannwürde den Ge- stürztensichernicht ersetzen. Graf Limburg-Stirum, Herr Stoecker, Herr vonLiebermannwünschensichwohleinenanderenKanzler, wissenaber, daßall ihr Wünschenund Winkennichthilft. NirgendsderAnspruch,zuregiren; aus keiner Seite desHohenHausesauchnur derWillezurMacht.Daswäre ganzschön,wenn all dieHerrensagten:Uns gefälltdieseRegirung,drum unterstützenwirsieundhalten uns,haltendasLandnichterst langemitkleinen Ouerelenaus. Doch auchdazu fehltwieder derMuth.Keiner willunbedingt gouvernementalscheinen.DieRegirenden sind nichtdie Vertrauensmänner derNation,undwerihnen allzu zärtlichnahte,würdeamEnde,alsStreber undGunstbettler,nicht wicdergewählt.FlinkdieStirn inFalten;mitdüste-

rerMienedasSündenregisterverlesen. »Mit tiefemBedauern habenwir gehört..,,Geradezu entsetztwaren wir,alssichzeigte..Nur darf dasBedauern unddasEntsetzen nichtetwazuBeschlüssenführen,die das SystemvomThrönchenstoßenkönnten. ManwilljakeineAenderung,will nur vordenWählernEifer prästircn.Manredetalso,tadelt sanft,tadelt streng,schütteltdanneinevomBundesrathstischgnädigherabgestreckteHand, packtdie Altenzusammenundgeht stolznachHause.Viermal wurdewäh- rendderRede lautgelacht,auchdrüben bei denGegnern,amSchluß gabs einanständigesBravound keineExcellenzhatteein Wortübel genommen.

Mehrwar nichtzuerreichen...Wasabersolldaran nochinteressieenPJa

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Reichsparlirer. 427

Bezirksvereinen,in derFraltion magFreude herrschen,weilihrMann seine Sache gut gemachthat. FürunsistsschlechtesTheater-.Jmmerdieselben Spieler,immerdieselbenRollen. Niemals einneuer Ton.Nurdie Naiv- sten wissennoch nichtvoraus,wasJederüberjedenGegenstand sagenwird.

Acht Tage lang habenwirsnun wiedererlebt;und»großeTage«

sollendarunter gewesensein. Acht Sitzungen,dieersterrnachdenWahlen, eineschrankenloseDebatte: damüßtedochEtwas herauskommen. Nichts.

EineguteRede desKriegsministers,eineamusantedesKanzlers; auchein paarAbgeordnetesprachenrecht nachderKunst.JndenerstenTagenwird über Allesgeredet.Dasgeschahauchdiesmal. Von derMandschurei gings rectu nachKrimmitschau;vonBilsezu Vanderbilt. JndenachtStenogram- men stehtabernichtein neuesWort,nicht eins,dasnicht vorher schonin einemParteiblatt stand.An KritikwarkeinMangel. Früherbliebsiemeistder jeweiligenOpposition überlassen;die derRegirung befreundetenParteien suchten,so langeesirgendging,allesUnangenehmezuverhüllen.Jetzt giebt eskeineOppositionmehr—dieSozialdemokratie,diepraktischePoliiiknicht treibenwill, isteinDingansich—undalleFraktionenhaben erkannt, daßdie Tadler imReichdeutschenMißmuthes eher Gehörfindenals dieLober. Seit- demkommtseigentlichnur nochdaraufan,weramKönigsplatzezuerstdas Worterhält. SprichtHerrSchaedlervorRichterundBebel,dannkannerdie Alm abweiden.Selbst Forbach,Hüssenerund dieSoldatenschindereienwirken bei derWiederholungnicht mehrwieneu. AuchdieRegirenden habensichdas Beschönigenziemlichabgewöhnt.NurdieSachsen bestreitenmanchmalnoch Allesundbetheuern,dasHausWettinrageinderbestenaller Weltenhimmel- an.Die AnderengebenMißständezu, dieman nurnicht »verallgemeinern«

dürfeund dienächstens»abgestellt«seinwürden,»Wirverkennendurchaus nicht...« »Wirweidenmit allerEnergie...«Tasistdie Antwort aufdas Bedauern undEntsetzen.Allesbleibthiibschanodin. Den lieben Sommer lang schneidetderHerrAbgeordneteaus seinerZeitung,wassichirgend für dieGeneraldiskusfion brauchen läßt.Jnderselben Zeit liefertdemHerrn MinisteroderStaatssekretär sein Geheimrathdieselben Ausschnitte nebst dementlastendenMaterial. Dann kommtdertausendmal beschnüsfelteund beleckte BreiaufdenTischdesHausesundwirdlangsam ausgelöffelt.Wir könnennicht billigen.Wirwerdenabstellen.Bindende Versprechenwerden nicht verlangt.Keiner denktdaran,demMinister,dessenRessortmitso grim- mem Eifer getadelt wurde,dasGehaltzuweigern.Wergläubig-enHerzens die Redenliest, mußglauben,dieZeitder»unzähligensandammeerigen

M-Si

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undsternamhimmeligenMißbräuche«seiwiedergekehrt,aufdieJohann FischarteinstmitKeulen einschlug.Soschlimmistsabernicht;und wirdbis zumnächstenJahr nochvielbesserwerden. Ganzsicher.Oderman fängt imHerbstebenvonvorn an.AngreiserundAngegriffenewissengenau,was siezu erwarten haben,undregensichnichternstlichauf.DasStückist ja sooft gespieltworden.Nach Sechs,um Sieben spätestensistAllesaus und, so weit dasAugezu blickenvermag,nichts, nichtdasGeringsteverändert.

DieProtagonistenhießendiesmalAugustBebel undBernhardBü- low;undmußtedas alte Stückwirklichwiedergespieltwerden, sowareine bessereBesetzungderHauptrollennichtzuersinnen.BeideMännersind Redner, nicht Politiker.Beidevergessenschnell,was sie gesagt haben,und suchennur demMomentzugenügen.Beideglauben nacheinergelungenen Redeinniglich,sie hättenEtwasgeleistet.BeidehatdieErfahrunggelehrt, daßdieWiederholungbewährterEffektestetswillkommenist:HerrBebel erzähltalljährlich,imDeutschenReich sehees auswieim Romderletzten Caesaren;GrafBülowprägtsichvorjederSzenediedazupassendeRedeseines

»großenVorgängers«ein undkommtdenGründlingenimParterrebis- märckisch.Der Eineist Pathetikerundnur stark,wenn erwüthenkann.

Der AndereistFeuilletonistund desErfolges gewiß,wennerimweltmänni- schenPlaudertonbleibendarf. Jeder aufseineArtsehr tüchtig.NocheineAehn- lichkeit:Beide lebensoganz undsogern in derZeituugwelt, daßsiedie Wirk- lichkeitkaumnocherkennenundgewirktzuhaben wähnen,wenn ihre Pressesie lobt.JedersühltdieSchwächedes Anderen:SiehabenvonWirthschastpolitit keineAhnungund könnennur Witzemachen, sagtBebel;Sie könnennur kritisirenundleisten nichts Positives, sagtBülow. AmerstenTaghatteder Kanzlerdie dankbarereRolle. WeltverbessererundSpötter:aus hundert alten Stücken kenntman dieSzene.SieverlangenEngelsgüteundEngels- reinheitundsind selbst dochkeinEngel;Sieschwärmenfür Freiheitund scheltenIhre Frau,weilsieeinehalbeStunde längeralssonstbeimKassee- klatschsaß.Undsoweiter.Celaneratejamais-,pflegteSareehvonsolchen Szenenzusagen.GrasBülowhat siemunter gespielt;alleWitze überden dresdener Parteitagwaren gesammeltundwurdenmitguterLaune vorge- tragen.DerZuhörerkonntesogarglauben, jetztsolleein Neues werden ; die Re- girung habebeschlossen,dieSozialdemokratienicht mehr ernstzunehmen, sie imParteikesselschmorenzulassenundfortannur noch ironischzubehandeln.

DasbringtdenPathetikerzurRaserei; derunerträglichsteGedankeist ihm, daßervomGegnernicht gefürchtetwird.Obaus derHofsphärenun dem

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Reichsparlirer. 429 Kanzler zugerufen ward,erseizuglimpflichmit derraschwachsendenRotte verfahren,oberderAmtswürdeseierlichenErnstzuschuldenglaubte: schon amzweiten Tag spracherganzandersundamdrittendeuteteerseineBe- reitwilligkeitan-,einAusnahmegesetzgegendieSozialdemokratievorzu- schlagen,wenn ersichersein dürfe,für solchesGesetzeinejMehrheitzufinden.

EingröbererFehlerwarkaumdenkbar. Erstens hateinKanzler-,derein Sozialistengesetzfür nöthighält,diePflicht, sicheineMehrheit dafürzu suchen,unddarf nichtthatlos abwarten,daßihmdasGesetzapportirtwird- Zweitenswäre esverhängnißvolleThorheit,einePartei,dieso gefährlich scheint,mitWitzenabthunzu wollen.PsychologiedesRedners: erberauscht sichamSchall seinerWorteundwill lieberauf Widersprüchenertapptals imAugenblickohne Applaus entlassen sein. Schade.Die Tonart desersten Tageswarvom StandpunktedesKanzlers richtig gewählt.vMitunzwei- deutiger Entschiedenheitmußte gesagt werden,anAusnahmegesetzeseigar nichtzu denken ; dieSozialdemokratiehabeihreSchreckenverlorenund werde, wennman sieinRuhe lasse,denWegallerBergparteiengehen.Werihr sich gesellenwolle,mögeesungefährdetthun; dieEnttäuschungwerdeihm härteste Strafe sein.Das hättemuthig geklungen. JetztwerdendieGenossendie dresdenerWiderwärtigkeitenrasch vergessen.Seht Ihr,wirdsheißen,selbst dieser Bülow,dersich füreinenmodernen Menschen ausgiebt, sehntdie Stundeherbei,wo erdiePolizei aufunshetzen,unsheimlos,friedlos machen kann. Und indieserZeitwolltetJhrmit derbürgerlichenGesellschaftpak- tirenund insSchloß kriechen?Das wirdbleiben,alles AndereinsLeere verhallen.UndHerrVebelist stärker,alservorvierzehnTagenwar.

Die ganzeSozialistendebatte...Leben dennimmer nochLeute,die vonsolcheröden RednereiWirkungerhoffen?Ein paargute Späßemochten hingehen;eineernsthafte Diskussion,dieausdiesterblichenStellen des Marxismuswies undausderneuen Biologie sichdieWaffen holte,konnte nützlichwerden.Nurnichtdie altenGeschichtenvomTheilen,vomnie ent- hülltenZukunftstaat,vondemgroßenReichszuchthaus.Daßdamitgegen dieSozialdemokratie nichts auszurichten ist, sollteman seit mindestens elf Jahren wissen.DieHerrenRichter, Stumm, Stoecker,»Bachemhaben sich 1893müdegeredetundAllesvorgebracht,wasinpopulärenSchriftenge- sammeltwar. DerLiebeMühebliebunbelohnt.GräuelmärenvomZukunft- staat schreckendieMengenicht,derunser heutigerStaat keine Wonnen ge- währt. Jhnzubessern,wäredieAufgabe schöpferischerPolitik gewesen.

Doch blutwenig istgeschehen.An diegroßenProbleme wagtman sichnicht.

VersicherunggegenErwerbsunfähigkeitundArbeitlosigkeit,Wohnungreform,

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430 DieZukunft.

ModernisirungdesErbrechtes,desKreditwcsens,derArmenpotitik:dalönnte einStaatsmann zeigen,waservermag. WortesindkeinspezifischesMittel gegensozialeNöthe. JedePartei hatinihrerJugend mehr verlangt,alssie je erreichen konnte; auchdieheuteNationalliberalen wollten-einstmitTy- rannenblut färbenunddieFortschrittsmänner,dienochin denachtzigerJah- rendieunbeschränkte-HerrschaftdesParlamentes forderten, sindjetztfroh,wenn siedenRegirenden etlicheMillionenausdemEtatkratzenkönnen. Dasselbe SchicksalwirdderProletarierpartei beschiedensein;untertausend Sozial- demokraten zweifeltkaumeinerdaran, daßesin dergemeinenWirklichkeit nieaussehenwird wie inMarxensGedankenretorte.NäheralsderZukunst- staat ist ihnendieGegenwart,derenSchädenihr Leibspürt.HättenichtBebel gesprochen,denjedeWiderredeinblindeWuthtreibt, sondern derkühleSkepti- kerAuer,dannwärederAngriffdesKanzlers wohlmitderFrage abgewehrt worden,wieerdennseinen Kapitalistenstaat zeitgemäßumzugestaltenge- denke...Wirbleibenstets aufdem selbenFleck,hörenimmerwiederdie alten Lieder. DieZöllewerdenermäßigtundwiedererhöht.DasSozialistengesctz fälltundwirdvonderSehnsuchtzurückgewünscht.Warum?DieRothenmachen keineResolution, drohen nichteinmal damit, thuninFabriken undKasernen ihre Pflicht, siegeninwichtigenKämpfengegen dieUnternehmerfast nie, haben nichtschlechtereEigenschaftenalsjedelangeunterdrückteKlasse,diein dieHöhe strebt,undnehmendemStaat nichtdieLebensluftWarum also?Weilihre hochmüthigenRedenärgernundweilnurjdasRedennochgilt. Ach,Exeellenz:

nossonges valent mieux quenosdiscours, sprachschonderalteMon- taigne.Wemschadetsdenn, daßwir inZolldebattenundSozialistenfehden dietausendmalvernommenen Reden abermals hören?HöchstensdemPar- lamentselbst,dasvonJahrquahrlangweiliger undkraftloserwird.Gewiß nichtdemStaat. DerlebtnichtvonWorten. UndwerdasGeschickeines Staates gestalten will,kann das Wortso hochunmöglichschätzen.

ZwischenJournalistenundParlamentariern istbeiuns kaumnoch einUnterschiedfühlbar.Meist leisten dieJournalisten mehr; dieParlamen- tarier plappern ihnendasBeste nach.Undschreibenist schwereralsreden;

derSchreiber mußfeinereArbeit leisten,wennerErfolg habenwill. Erdürfte nicht,wieder-KanzlerdesReiches that, Proudhon,denAhnendesAnarchis- mus,KomniunistenausMarxensGeschlechtals Autoritätoorführen.Seht Euchin Bülows bewunderter Rededochdie Stellen an,denenderstärkste Beifall folgte. »Ichkann Sieoersichern,daßinRepubliken auch mitWasser gekochtwird.«»Ich versichere,daßderSenat inRomzurZeitdesKaisers

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Reichsparlirer. 431 Tiberiusganz andersaussahalsdiesHohe Haus«»Es giebt nichtnur Fürstenschranzen,esgiebtauchBolksschranzen-«»Wo herrschtdennweniger FreiheitalsbeiJhnen?«»Es hatniemalseinKonzilgegeben,woeinesolche Unduldsamkiit,einesolcheEngherzigkeit,einesolcheKetzerrichtereigeherrscht hättewieauthrem letztenPorteitag.«»DieFreiheit,dieSiemeinen,ift:Will- kürfürSie,Terrorismus fürAndere.UndwillftDunichtmeinBruder fein, so schlag’ichDirdenSchädelein.«»BildenSie,HerrBebel,sichetwaein, einEngelzusein?Siesindmir ein netterEngell« »WennSiedurch irgend ein Wunder plötzlichandieMacht kämen,würdeJhreganzeUnfähigkeitsich inbengalischerBeleuchtungzeigen;nurimZerstörenundRuiniren würden Siegroßsein.«»AlleBersuche,andieStelle derorganischenundgesetzmäßigen undverfassungmäßigenFortentwickelungdiewiderrechtlicheundgewaltsame Revolution zusetzen,werdennachmeiner Ueberzeugung scheitern, schei- ternandemgesundenSinn desdeutschenVolkes,dassich selbstaufgeben müßte,wenn ethnen folgenwürde.«Nachjedem dieserSätzeist ,,lebhaftes Bravo«,»Sehrgutl«oder»stürmischeHeiterkeit«verzeichnet.Werhatnicht jedenvonijnien seitdendresdener SeptembxrtagenzwanzigmalgelesenPUnd werwillleugnen,daßderDurchfchnittsjournalistinhellenStundenAehnliches undoftBesseresproduzirt,ohnedeshalbals ein MannvonvielenGraden ange- stauntzuwerden?AuchdieWortliinstlerleiftungistalsogering.Rednergroßen Stiles, denenzutauschenGenuß ist, habendiebourgeoisenParteienunddie BerbündetenRegirungen heute nicht.DasHohe-HauserfülltschonSeligkeit, wenns was zulachen giebt,wenn eineleganterHerrsichzum Tonmittel- wüchsigerFeuilletoniftenundWitzblattschreiberherabläßtsoderBat1 alitäten losböllert.Dannwirdeiferndgestritten. »Richterwargesternmatt.«,,Bebel zulangund zu monoton.« »Keinerso frischundso lustigwie Bülow.« Un- gefährwie imWintergarten,wenndieProgrammsterne verschwundensind- AlshättefürdasReich, fürdasVolk dieCoulisfenfrageirgend welcheBe- deutung,obheutederEineoder der AnderebesserbeiStimmungwar.

MillionensindsüreinenPalastausgegebenworden,diewürdigeStätte derReichsrathsversammlungMonate langwurdeversucht,dasVolk zuer- regen. Vierhundert AbgeordneteentziehensichderBerufspflicht. Beamte, Stenographen, Seher,Dienerplagen sich. Licht, KomfortallerArt, Papier, Druck,Hausoerwaltung:dasAlleslostetinjedemJahreinmttes Sümmchen.

Minister, Staatssekretäke,Dezernenten,RäthevertrödelnWochenundlassen inihrem BureauAktenstößeoerstauben. Wozu?Damitgeredetwerdenkann.

FünfhundertmündigeMännerfinddemHaus,denGeschäftenfern,umReden

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zuhalten,Reden zuhören,.aufzuschreiben,zu drucken.Reden,die imPalast Keinenüberzeugen,draußennur vonschon vorher Ueberzeugten gelesen werden ; dennjedesBlattberichtetausführlichjanurüberdieOratorenleistung dereigenenParteiundkürztalles Andereso, daßeswie wirresGesaselklingt.

DerFreund istimmerein-HeldundeinWeiser,derGegnerimmereinNarr;

in derVosfischenüberstrahltRichters Ruhmdasgroßeundkleine-Himmels- licht,im»Vorwärts« hatBebel KanzlerundBourgeoisiezerschmettert.Die Regirendenwerden je nachdemBedürfnißder Stunde behandelt; istdie BörsenreformunddieKanalvorlageinSicht,derMinimalonnochnicht gesichert,so heißtsbei denLiberalen,GrafBülowhabe »dieScharfmacher zuPaaren getrieben«,beidenAgrariern,dieErklärungendesKanzlersließen, trotzallerGeschicklichkeit,dieSehnsuchtnacheinemstarkenMann nichtver- stummen. EinreizendesSpiel. DerVortrag machtdesRednersGlück;

nicht,was,sondern,wie erssagt.Werkein Rednerist,wirkt als einTropf, auchwenn ereinweitsichtigerFinderneuerMöglichkeitenundeinguterVer- walterist.WirddieserJahrmarktderEitelkeitaberallgemachnichtein Bischen zutheuerPDasAchttagewerk,daswirjetzterlebthaben,wäre vielbilligerund Jnicht weniger nützlichgeworden,wenn diegeehrtenHerrenihre »Gedanken«

inZeitungen veröffentlichthätten.EinParlamentist,derNamelehrtes, einSprechhaus, sollabernichtzurAula,zumKlosterparlatorium,zurSing- spielhallewerden. HinterdemWortmußein Willefühlbarsein,derWille, zuwirken, nichtdieGier,einArtistenkränzchcnheimzuschleppen.ObDieser, obJenerdieSätze zierlicherfeilt,dieWitzesorgsamcrspitzt,giltunsnach- geradegleich.WirwünschenunsMänner,denen das Wortnurunentbehr- lichesMittel ift,nicht Zweck,undderenWesensmaßThaten, nichtReden erkennenlehren.DerBlödestemüßteendlich dochgemerkthaben,wasden Sozialdemokratenvorwärts hilft.NebenAllzupersönlichem:daßsiezuwollen wagen-HerrSchaedler willnichteinenPapstkämmereralsKanzler:Derdürfte janichteinmalkleineGesälligkeitenerweisen. Dir-Konservativen erschräken, wenn WangenheiminshöchsteReichsamt berufenwürde:die ganzeIndu- strie stündebald widersieauf.DieNationalliberalen habennichts dagegen, daß dieReichsfassadealtprenßischbleibt:wasgemachtwerdenkann,wirdhinten gemacht.Keinervertraut derWucht seinesWollens. UnddieRegirenden sindkreuzvergniigt,weilihrParaderednerdenlautesten Beifall erhalten hat.

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CorpsstudentenimStaat. 433

Corpsstudenten im Staat.

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eberdenWerthdesCorpsstudententhumes für unsere Zeit ist oftge- strittenworden. Viele Stimmen verurtheiltenesals eineEinrichtung, diesichüberlebthabe,eineSchulederAeußerlichkeitenundVerflachung,als einbequemesBrettzumSprunginhohe Stellungen,die derSpringer durch eigene TüchtigkeitundauseigenerKraft nicht erreichenkonnte. DieDebatten, idiegeführtwurden,waren meist uninteressantundunfruchtbar,weilsieden Kern derSachenicht trafen. AufdereinenSeite gingderHaß Derer, diesich durchdieBevorzugungderCorpsstudentenzurückgesetztundgeschädigt fühlten,rücksichtlosderganzenEinrichtungzuLeibe;aufder anderenSeite wurdendieCorps nichtnur ihrem eigentlichenGehalt nach, sondern auch inihren BeziehungenzumheutigenStaatsleben vertheidigt.BeideParteien führtederEiferzuweit. Der Kenner weiß heuteausErfahrung,daß das Leben desaktivenEorpsstudenten unbestreitbaren Werth besitzt;derEhrliche

»aber wirdzugeben, daßdieArt,wiederStaat sichinunserer Zeitdes Corpsstudententhumesfür seine Zweckebedient, schädlichist.

DerSchwerpunktdesCorpsstudententhumesliegtim Leben des Aktiven.

Denn hierwerdendiebesonderen GesinnungenundEigenschaftenentwickelt, die dasspätereDasein bestimmen. Die Gegner sagennun, einanständiger Kerl könneman sein, auchohne daßman Corpsstudentwar; anKenntnissen reicheraberwerde man jedenfalls,wenn man seinedreioder vierersten Universitätfemesternichtmit,,Paukenund Sausen« zubringt. Darauf ist Mancherleizuerwidern. DieheutigeErziehungmethodegeht,vom Beginn sderSchulebiszumEndederUniversität, aufeineeinseitigeBildungdes Verstandes. JhrZiel ist,einemöglichstgroßeSummevon Kenntnissen demLernenden beizubringen. Auf Gemüthund sittlichesEmpfindenwird dadurch nicht gewirkt.Die Pflege werthvoller Tugenden,wieTapferkeit, Selbstzucht, Gerechtigkeit,steht nichtimProgrammundistderInitiative desEinzelnen überlassen.DennNiemand kannbehaupten, daßdieperson- licheNeigungzurBilligkeit durch juristische,zurTapferkeit durch historische, zurDisziplin durch philosophischeVorlesungenentwickeltwird. Diedeutsche Erziehungmethodezielt ausschließlichaufeinewissenschaftliche,nichtaufeine sittlichbedeutendeBethätigungderPersönlichkeit.

Daraus geht hervor, daßdiestaatlich gewährteBildung nichtetwa Lückenaufweist, sondern ihrer wesentlichenAufgaben sichgarnicht bewußt ist« NichtdasMaßderKenntnisse, sonderndieDurchbildungdesCharakters bestimmtinersterLiniedenWerthdesMenschen. Schnellmitdem Wort Fertigemeinen,für diese Durchbildung sorgedasLebenselbst.Dasge- schiehtabernur beistarkentwickeltenEnergien. Jm Allgemeinenwirdder Zufalldarüberentscheiden,welche Grundsätze unseresverworrenen Lebens

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434 DieZukunft.

dasjugendliche,leichtzu eroberndeGemüthsittlich beeinflussenundihm die Tendenzseines Daseinsgebenwerden«DiebequemstenPrinzipienwerden inzahlreichen Fällenvorgezogenwerden,zumaldieFlüchtigkeitund Hast desVerkehrseineöffentlicheKontrole despersönlichenWerthes nicht zulassen.

Daraus ergiebt sich, daßeineInstitution,diedievom Staat stiefmütterlich behandelteBildungdesCharaktersundGemüthesauf sichnimmt,auchdann werthvoll ist,wenn sie ihrMitglied für anderthalbbiszwei Jahrederinten- sivenBerftandesarbeit entzieht.

DieseInstitutionwilldasaktiveLebendesdeutschenCorpsstudenten seinundist sieinderThat. Eshat zunächstdasMittel derFreude,um dievomLernzwangverhärtetenGemütherzu lockern. Kräfte,dieJahrzehnte langunter derTyrannisdesVerstandes standen,werdeninsLebengerufen, schließensich zusammenundstellendasnatürlicheGleichgewichtdesMenschen wiederher. VorAllemwirddieBegeisterunggeweckt.DieherrlicheLand- schaftderkleinenUniversitätstädte,eintreues kameradschastlichesBerhältniß, dieGebundenheitdurchdieselbenTraditionen unddasvereinteFechten fürge- liebteFarben:all Das ist geeignet,jugendlichemSinn FrischeundElastizität zuverleihen. DieseBegeisterunginEreignissengroßenStils zubekunden, ist Zwanzigjährigennicht gegeben; sie habennur diedurchAltergeweihten Mittel schlichterStudentenart. Dem, der über dasPrimitive dieserMittel spottet, istzuentgegnen,daß fürdenKulturwerthnur diegehobeneSeele, der feurige HerzschlaginBetrachtkommt. Wie dieseErhebungbewirkt wird,ist gleichgiltig;nur ein ganz Unkultivirter lachtüberDen,der,trotz denbeengendenSchrankenvon JugendundLebensstellung,sichmitbeschei- denem-Werkzeugsein,Glückzimmert. BegeisterungundseelischerSchwung sind heute selteneGüter. DieCorps gewährensie durcheineedleMischung von HeiterkeitundErnst. Jnihrem Bereichwerden diefrohen Festeder Jugend gefeiert,vondenenalteundneue Liederuns künden;beiihnenwird- aberauchderWerthdesEinzelnen gemessenan demSchatztraditioneller Gesinnungen,dieAlles in sich schließen,was denMannesadel ausmacht.

SoerziehendieMitgliedereinander durch FreudeundPflicht.Nurderin seinenAnlagen Mißrathenewird abgestoßenund mußwiederseine Wege gehen;keinesMitgliedes innerstes Wesen schlüpftglattund unerkannt an derKontrole derGesammtheitvorbei. SachederCorps ist,derFreundschaft die Treue zuhalten,Traditionen zuehren,dieEhrezupflegen.Man ge- winnt inihnendie Form unddieäußereSicherheitdesLebens, festigt seinen sittlichenGrund, erprobtdenCharakterandenäußerstenPolenderHärte und derZartheitundgründet sicheineHeimathalleranständigenGefühle.

Heute,woAlles aufeinearmsäligeTagesnützlichkeitzieltundnur Güter erstrebtwerden auchdieKenntnisse gehörenhierher—, diefürdenBe-

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