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Gymnasium mit Realschule I. Ordnung zu Thorn. Zu der am Freitag den 2ten October 1874

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Gymnasium mit Realschule I. Ordnung

Kopernikańska

THORN.

Zu der

am Freitag den 2|,,Ա October 1874

stattfindenden

Öffentlichen Prüfung

aller

Gymnasial- ոոճ Real-Klassen und der

Entlassung der Abiturienten ladet

ehrerbietigst und ergebens! ein der Director

INHALT: Nicolaus Copernicus auf der Universität zu Krakau. Von Prof. Dr. L Prowe.

ScHulnachrichten von Michaelis 187Ց bis Michaelis 187-4. Vom Director.

THORN 1874.

Gedruckt in der Buchdruck erei von J. Buszczyński.

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NICOLAUS COPERNICUS

AUF DER

U"ľbTI^EľRSITÄT ZTJ ľETľRAľKATT-

l eber den Aufenthalt des Copernicus auf der Universität zu Krakau sind uns nur wenige dürftige Notizen erhalten. Die Aufgabe des Biographen wird sich hier darauf beschränken müssen, in grossen Zügen ein Bild von den Zuständen der Jagellonen - Universität am Ende des 15. Jahrhunderts zu entwerfen, soweit dieselben auf die geistige Entwickelung von Copernicus Einfluss haben konnten.

Copernicus stand im 19. Lebensjahre, als er im Herbste des Jahres 1491 die Vaterstadt verliess, um sich den akademischen Studien zu widmen.

Die Wahl der Universität hatte nur zwischen Krakau und Leipzig schwanken können ; nach diesen beiden Hochschulen pflegten sich damals die Studirenden aus dem Preussen-Lande zu wenden. ’) Dass die Entscheidung für Krakau fiel, dazu wirkten mancherlei Gründe zusammen.

Zunächst war es die Nähe der durch die regsten Handels - Beziehungen verbundenen Schwester-

’) Seitdem Prag von einer Welt-Universität zu einer Landesschule herabgesunken war, zogen die Studirenden aus Preussen zumeist nach Leipzig. Schon im ersten Jahre nach Eröffnung der Universität werden sechs preussische Studenten immatriculirt (je zwei aus Danzig und Graudenz, je einer aus Elbing und Marienburg). Die ersten Thorner Studenten sind in den Jahren 1411 und 1413 inscribirt (Matheus Furstnow und Johann Furste).

Die Gesammtzahl der in den ersten 20 Jahren zu Leipzig inscribirten Preussen beträgt 110, darunter Gl aus Danzig, 19 aus Elbing, 11 aus Thorn.

In dem Jahre 1491, in welchem Copernicus die Universität Krakau bezog, sind in Leipzig 16 Studenten aus Preussen immatriculirt, aus Thorn allein 7, aus Königsberg 4, aus Danzig und Elbing je 2 und einer aus Marienburg.

Auch die Universität Krakau wurde früh von Studirenden aus Preussen aufgesucht. Ihre Reihe eröffnen im Jahre 1402 Nicolaus Tuniersyn und Johannes Waluckop aus Königsberg und „Martinus Auber de Danczk.“ Die ersten Studirenden aus Thorn sind in der „ metrica Studiosorum “ im Jahre 1403 verzeichnet : Johannes Platte und Henricus Merzback.

Allein, obgleich näher gelegen als Leipzig, wurde die Hochschule zu Krakau von Studirenden aus Preussen weniger besucht ; (auch sogar nach dem 2. Thorner Frieden, nachdem Preussen in engere politische Verbindung mit Polen getreten war). In den neunzig Jahren seit Eröffnung der Krakauer Universität sind dort nur 104 Studirende aus Preussen immatriculirt, also nicht einmal so viele als in den ersten zwanzig Jahren zu Leipzig. Die meisten hatte noch Thorn entsendet ; das akademische Inscriptionsbuch führt bis zum Jahre 1491 aus Thorn 36 Namen auf. Aus Danzig sind 31 immatriculirt, aus Königsberg und Graudenz je 10, aus allen übrigen Städten findet man nur 10 ver­

zeichnet.

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stadt, welche schon früh die aus den Kaufmanns-Familien stammenden Jünglinge Thorns nach Krakau gezogen hatte. ')

Bei dem jungen Copernicus traten für Krakau’s Wahl auch noch Familien-Beziehungen ent­

scheidend hinzu. Der Vater selbst war einst von Krakau nach Thorn eingewandert,*2) hatte Ge­

schäfts -Verbindungen mit seiner früheren Heimath stets erhalten. Auch die alten Familien-Verbin­

dungen waren bewahrt, neue hinzugekommen (eine Schwester von Copernicus hatte ein Ehebündniss mit einem Krakauer Kaufherrn, Barthel Gertner, geschlossen). Am liebsten mochte also die besorgte Mutter den Sohn, da sie ihn aus dem Vaterhause entlassen musste, nach der befreundeten Schwester- Stadt entsenden, wo der Jüngling mannigfache Anlehnung finden konnte. Auch von ihrem Bruder war sicherlich die Krakauer Hochschule empfohlen, auf der er selbst einst seinen Studien obgelegen.

Äusser den Genossen seiner akademischen Jugend hatte Lucas Watzelrode, seit er den Bischofstuhl von Ermland bestiegen, noch weitere Verbindungen in Krakau gewonnen, die dem jungen Neffen von grossem Vortheil sein mussten. Als erster Gross-Würdenträger der preussischen Lande stand er in unmittelbarster Beziehung zu dem Könige Polens und seinen Käthen.3)

։) Bei den meisten Thonier Jünglingen fehlen die Familien-Namen in dem Inscriptions - Buche der Krakauer Universität, wie dort überhaupt seltener den Taufnamen (des Immatriculirten wie seines Vaters) der Familien-Name hinzugefügt zu werden pflegt. Bei einigen ist es jedoch geschehen; unter ihnen befinden sich zwei Studirende. welche aus Thorner Familien stammen, die mit Copernicus verwandt waren: im Jahre 1428 wird Fridericus Friderici Waczil- roth immatriculirt, im Jahre 1458 Johannes Matthiae Thesner. Des Copernicus mütterlicher Oheim wird im Jahre 1463 als ,,Lucas Luce de Thorun'՛ aufgeführt (zugleich mit ihm „Nicolaus Fredewald de Thorun.“ Durch ein Spiel des Zufalls findet sich zum Jahre 1473, dem Geburtsjahre von Copernicus, in der metrica studiosorum ein „Nicolaus Nicolai de Thoron “ immatriculirt.

2) Die Einwanderung des Vaters von Copernicus aus Krakau nach Thorn, welche früher als unsicher hingestellt werden musste, ist gegenwärtig durch archivalische Dokumente, welche das Danziger Archiv enthält, vollständig be­

glaubigt. Diese Urkunden sind erst im vorigen Decennium bei der Neuordnung des Danziger Archivs aufgefunden. Ich habe auf dieselben bereits in Sybels hi stor. Zeitschrift (1872 S. 369) hingewiesen; sic sind dann später durch Hiplcr Spicileg. Copernic, p. 295 und 371 veröffentlicht worden.

3) Anfangs war die Stellung des Bischofs Lucas Watzelrede zu dem Könige von Polen keine freundliche. Casi­

mir IV. hatte gegen seine Wahl protestirt, weil er das Nominations - Recht beanspruchte und gern einen Polen auf den Ermländischen Bischofstuhl erheben wollte. Aber nach dem Tode desselben änderte sich das Verhältniss gänzlich. Der neue König bittet Lucas Watzel rode bei seiner Thronbesteigung in einem eigenhändigen Schreiben (d. d. Freitag nach Pfingsten 1492) um freundliche Unterstützung und wendet sich auch ferner stets in den wichtigsten Reichs-Angelegen­

heiten an ihn. Vergi. Erml. Zeitschrift I, 175. 255.

’) Die Frequenz der ältesten Universitäten war meist eine recht bedeutende, weil sie die Mittelschulen ersetzen, So eröffneten sich dem jungen Copernicus bei seinem Eintritt in die grosse Welt sofort die reichsten Beziehungen. Nicht fand er sich gleich vielen Andern isolirt, hinausgeworfen in die Fremde und auf den glücklichen Zufall neben der eigenen Kraft verwiesen. Er brauchte die Beziehungen, die sich ihm von selbst darboten, nur zu pflegen und fortzuführen. Er konnte, ein gern gesehener Gast, Theil nehmen an den kleinen Freuden und Leiden des Gelehrten-Lebens, er durfte eintreten in die Häuser der grossen Kaufherrn der Sarmaten-Hauptstadt, und ebenso war ihm die Gelegenheit geboten, sich den Kreisen zu nähern, welche den Königshof umgaben. So lernte der junge Copernicus früh die Menschen kennen, so ward früh und in reichem Maasse der Gesichtskreis des jungen Preussen erweitert, den schon die Umgebungen in der Heimath nichts weniger als beschränkt hatten.

Vor Allem aber die Universität selbst, welche reichen Bildungs-Elemente schloss sie in sich!

In hohem Ruhme strahlte damals die Krakauer Akademie weithin über die Länder Europa’s. Mehr denn tausend Lernende sassen hier gleichzeitig zu den Füssen berühmter Lehrer.4) Auch aus den

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weiter entlegenen deutschen Gauen kamen Scholaren nach der rauhen Weichselstadt. ’) Das ,,Ja- gellonische Studium“ suchten sogar Männer auf, die selbst als Lehrende auftreten konnten, die sich bereits die Würde eines Baccalaureus auf einer deutschen Universität, oder zu Paris, erworben hatten.* 2) Wahrlich schon der damalige Weltruf Krakaus musste den jugendlichen Geist anlocken, dort seine Schwingen zu stärken!

ja fül՛ viele Scholaren gar die erste Vorbildung geben mussten. Allein die Zahl der Studirenden wird doch häufig sehr übertrieben angegeben. Auch die Zeugnisse von Zeitgenossen sind nur mit grosser Vorsicht zu gebrauchen. So ist z. B.

die Angabe des Florentiners Ottaviano di Guccio, welcher nach Vincenzo Coppi Anuali Firenze 1695 p. 119 die Zahl der zu Krakau im Jahre 1496 Studirenden auf 15,000 angiebt, ganz aus der Luft gegriffen. Der zehnte Theil dieser Zahl dürfte der Wahrheit vielleicht nahe kommen. Am Ausgange des 15. Jahrhunderts wurden nämlich im Durch­

schnitt jährlich 300 Studirende zu Krakau immatriculirt.

') Schon im Jahre 1401 wird ein Michael de Thuringia und ein Theodoricus de Saxonia, 140'2 Petrus Johannis de Colonia und Otto Berthold! de Gandelfyngen immatriculirt.

In den Jahren 1491 und 1492 sind in Krakau immatriculirt (haben also mit Copernicus gleichzeitig studirt):

fünf Scholaren aus der Diöcese Constanz, zwei aus Jüterbogk, je einer aus Basel, München, Regensburg, Schwäbisch Hall, Bamberg, Würzburg, Mainz, Strasburg. Auch ein Scholar aus dem fernen Norden“ Raphael Philippi de Suecia civitate Habe“ war im Jahre 1492 unter die Scholaren der Krakauer Akademie aufgenommen.

Schon vorher finden sich G Scholaren aus Schweden in der metrica studiosorum zu Krakau aufgeführt, 4 im Jahre 1425 und je einer in den Jahren 1118 und 1426.

Bis zum Jahre 15u8 sind in Krakau inscribir!: aus den deutsch-österreichischen Ländern 85 Studirende, aus Franken 81, aus Schwaben 75, aus Baiern 41, aus der Schweiz 28, aus Thüringen 26. Vgl. Zeissberg das älteste Matrikelbuch der Universität Krakau p. 72 ff.

2) In dem durch Muczkowski (Cracov. 1849) edirten „liber promotionum philosophorum ordinis“ sind während des 15. Jahrhunderts 17 Wiener baccalaurei aufgeführt, die nach Krakau kamen, um hier ihre Studien fortzusetzen, fer­

ner 15 baccalaurei aus Leipzig, 6 aus Coin.

3) Die chronologischen Angaben aus dem Leben von Celtes sind bekanntlich sehr unsicher. Sie beruhen selten auf urkundlichen Zeugnissen, sondern sind hauptsächlich aus den in seinen Gedichten enthaltenen Andeutungen zu entnehmen, die häufig mit poetischer Licenz behandelt sind. Dazu müssen, um einigermassen sichere- Grundlagen zu gewinnen, durch Combination andere Elemente zur Feststellung der Chronologie gewonnen werden, die deshalb auch nach den neusten Forschungen Aschbach’s unsicher bleibt. So hat u. A. Aschbach geirrt, als er das Jahr 1488 սո­

ւ՛*

In Krakau ward Copernicus auch schon unmittelbar von dem Geiste der neuen Zeit angeweht.

Noch herrschte zwar auf den dortigen Lehrstühlen überwiegend die scholastische Anschauung und Lehrweise. Aber früher als auf andern Universitäten diesseits der Alpen waren in Krakau Berüh­

rungspunkte mit der neuen Zeit, die von Italien ausging, gewonnen worden. Schon um die Mitte des 15. Jahrhunderts waren Sendboten des Humanismus in den fernen Osten vorgedrungen. Der bedeutendste unter den Verkündigern der neuen Lehre war der aus Florenz gebürtige Philipp Buo- nacorsi (bekannter unter seinem humanistischen Beinamen Callimachus). Den Verfolgungen unter Papst Paul II. nach Auflösung der Akademie des Pomponius Laetus glücklich entkommen, hatte er nach manchen Irrfahrten eine Zufluchtstätte an dem Hofe des Königs von Polen Casimir IV. ge­

funden. Hier wirkte er, zuerst als Erzieher der Söhne des Königs, dann als Staatsmann, in unmit­

telbarer Umgebung des Königs, wie seines Nachfolgers Johann Albert. In dieser einflussreichen Stellung hat der gelehrte Mann, der mit den bedeutendsten Professoren der Universität persönlich befreundet war, in den empfänglichen Kreisen die Liebe für die klassischen Muster der Latinität geweckt; schon im Jahre 1484 wurde Virgil und Cicero in Krakau interpretirt.

Nun war noch, als so der Boden für die neue Aussaat gelockert war, der unermüdliche Ver­

breiter des Humanismus Conrad Celtes im Jahre 1489 nach Krakau gekommen, woselbst er sich zwei Jahre hindurch aufgehalten. 3)

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Celtes war zunächst nach Krakau geführt durch den hohen Ruf der dort lehrenden Mathema­

tiker. Aber nicht wenig trieb ihn dazu auch die Kunde von dem frischen Geiste, der eine Zahl von Professoren und Studirenden erfüllte. Zu dem Kreise von Gelehrten, mit denen Celtes zu Krakau in näherer Verbindung gestanden, gehörten mehrere Männer, die auch auf die Bildung des jungen Copernicus von grossem Einflüsse gewesen sind. Es war dies zunächst der berühmte Lehrer der mathematischen Wissenschaften Brudzewski, um dessentwillen Geltes vorzugsweise nach Krakau gekommen war. ') Während Celtes unter seiner Leitung den mathematischen und astronomischen Studien als Scholar*2) oblag, hielt er selbst, wie später in Wien, als „fahrender Humanist“, vor einem Kreise gleichgesinnter Freunde und Scholaren Gastvorträge über die Römischen Klassiker, über Poetik und Rhetorik.3) Zu seinen Schülern gehörten u. A. zwei Männer, von denen der eine bereits

gab, in welchem Celtes nach Krakau gekommen sein soll. (Vgl. die Sitzungs-Berichte der phil. hist. KL der Wiener Akad, der Wissenschaften LX., p. 99.)

Aus der Krakauer Universitäts-Matrikel wissen wir ganz genau die Zeit anzugeben, in welcher Celtes unter die Scholaren der Krakauer Akademie aufgenommen ist. Es geschah dies im Anfänge des Sommer-Semesters 1489. Auf Seite 362 des erw. Mscpts ist Celtes mit der humanistischen Uebertragung seines Familien-Namens in der (corrumpirten) griechischen Form aufgeführt als „Conrados Frotados Joannis de Herbipoli“ mit dem Zusatze „totum solvit.“ Er ist ,, commutatione estiuali“ unter dem Rectorate des Magister Stanislaus de Cobilino immatriculirt worden.

Celtes hat nur wenige Monate vor der Ankunft des jungen Copernicus Krakau verlassen, da er sich nach seinen eigenen Angaben zwei Jahre lang in Polen aufgehalten hat. (Vgl. Odar. lib. I. od. 11 und od. 23.)

*) Wir haben eine Reihe von Zeugnissen, dass Brudzewski der Lehrer von Geltes gewesen ist. Zunächst wird dies ausdrücklich bemerkt in einer Notiz zu dem liber promotionum (3 J. 1470): „Alb. de Brudzewo (insignia Mathe- maticus, Conradi Celtis magister).“ Ein vollgültigeres Zeugniss finden wir ferner in der von der Sodalitas Rhe- nana herausgegebenen Vita Conradi Celtes: „Cracoviae astrorum studio vacavit praeceptore Alberto Bruto.“ (Die Form „Brutus“ 1st von Celtes selbst übernommen, in dessen Gedichten Brudzewski’s Namen in dieser latinisirten Verstümmelung erscheint.)

Endlich ist noch der Brief anzuführen, welchen Brudzewski an Celtes nach dessen Abreise von Krakau im J.

1491 geschrieben, worin Brudzewski, auf das Pietäts-Verhältniss des Lehrers anspielend, ihn mit den Worten „Mi fili“ anredet — eine Anrede, die sich sonst, von dem 46jährigen Manne an den kaum 15 Jahre jüngeren Celtes ge­

richtet, wunderlich genug ausnehmen würde.

2) Als Celtes sich den Scholaren der Universität Krakau anreihen liess, waren seit seiner ersten Immatriculation in Köln nicht weniger als zwölf Jahre verflossen, er hatte schon das 30. Lebensjahr überschritten. Mehrere lateinische Gedichte waren von ihm bereits in der gelehrten Welt verbreitet und mit grossem Beifall aufgenommen, ausserdem hatte seine Ars versificând! in zwei Auflagen eine weite Verbreitung gefunden. Ja es war Geltes, nach einem mehr­

monatlichen Aufenthalte in Italien zurückgekehrt, von Kaiser Friedrich III. mit dem Dichterlorbeer gekrönt, als er den Entschluss fasste, sich auf der Krakauer Hochschule immatriculiren zu lassen, um noch Mathematik und Astro­

nomie zu studiren.

Wie traurig es mit den mathematischen Studien auf den damaligen Universitäten bestellt war, ist aus vielen Zeugnissen allgemein bekannt. Von der Universität Köln sagt Geltes selbst (Od. III, 21):

Nemo hic latinam grammaticam docet Nec expolitis rhetoribus studet;

Mathesis ignota est, figuris Quidque sacris numeris recludit.

Nemo hic per axem candida sidera Inquirit, aut quae cardinibus vagis

Moventur, aut quid doctus alta Continent Ptolemaeus arte.

3) Vorträge über die Römischen Klassiker, namentlich über Cicero und Horaz, wie im Anschluss an sie, über Rhetorik und antiken Versbau, hatte Geltes schon vorher in Erfurt, Rostock, Leipzig gehalten, so wie später an den­

jenigen Universitäten, die er nach seiner Krakauer Reise aufsuchte.

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den Grad eines Baccalaureus erhalten hatte, der zweite sogar als magister legens an der Universität wirkte ֊ Laurentius Corvinus und Johannes de Sommerteit (Aesticampianus). Mit beiden Männern blieb Celtes auch nach seinem Weggange von Krakau in geistigem Verkehre. *) Mit ihnen, mit Buonacorsi, wie mit andern Männern, die der neuen Geistes-Richtung zugethan waren, bemühte sich Celtes einen seiner Lieblings-Pläne durchzuführen, welche es ihm jedoch erst später gelang, in andern Gegenden, in Deutschland, zu verwirklichen. Er suchte nämlich nach Art der Römischen Akademie des Pomponius Laetus einen gelehrten Verein zu begründen, welchem die Aufgabe gestellt war, den Kampf gegen die Geistes-Fessel des Scholasticismus in gemeinsamer Thätigkeit fortzuführen. Zu diesem Zwecke sollten die den humanistischen Studien geneigten Gelehrten in den Weichselstädten, welche Celtes deshalb persönlich bereiste, zu einer geschlossenen literarischen Genossenschaft vereinigt werden, als deren Sitz naturgemäss Krakau bestimmt wurde. *2)

Zu diesen Vorlesungen, welche ganz privater Natur waren und gegen Honorar՜ gehalten wurden, versammelten sich, nicht nur Studenten, sondern auch reifere Männer der Wissenschaft, um sich in die reinere Sprache Latiums, in die klassischen Reden Cicero’s und die horazischen Gedichte einführen zu lassen. Geltes selbst erwähnt diese Krakauer Vorträge in dem „Carmen in laudem Sarni;,tiae ad gymnasium Cracoviense dum orare vellet“, aus dessen Exordium Klüpfel in s. vita Ceitis einige charakteristischen Stellen mittheilt.

’) In der Celtes’schen Briefsammlung finden sich mehrere Briefe von seinen Krakauer Freunden. Die fünf Briefe Sommerfelds, des Lehrers von Ulrich v. Hutten, gehören den Jahren 1497—1502 an, die von Corvinus sind aus den Jahren 1500, 1501, 1502 u. 1503.

Äusser diesen beiden Gelehrten wird noch ein Andreas Pegasus (von dem weiter Nichts bekannt ist) unter den Krakauer Freunden des Celtes aufgeführt. Celtes selbst richtet an ihn zwei Oden (I., 5 und 18). Auch die Vita Celtis zählt ihn neben Callimachus zu den vertrautesten Freunden des Dichters: „ Amicos secretores et praecipuos bábuit

•— Andreám Pegasum Sarmatom, Philippum Cailimachum, Florentinum vatem, virum doctissimum“.

2) Ueber den Plan zu der sodalitas literario Vistulana, wie über die andern gelehrten Sodalitäten des Geltes vgl. Aschbach a. a. O. S. 103. 122. u. a. In diesen Celtes’schen gelehrten Gesellschaften, welche zunächst die huma­

nistischen Studien ¡ordern sollten, ist die Grundlage der neuern Akademie der Wissenschaften nicht zu verkennen.

3) Copernicus ist unter der Bezeichnung „Nicolaus Nicolai de T ho run ia“ mit dem Zusatze, dass er das ganze Inscriptionsgeld bezahlt habe „solvit totum“ in der metrica studiosorum aufgeführt, als der 32. unter den im Wintersemester 1491/92 immatriculirten Studenten.

4) Die in „ commutatione hyemali“ des J. 1491 zu Krakau immatriculirten Thorner Studenten sind ohne Fami­

lien-Namen in dem Inscriptions-Buche aufgeführt als: Matthias Jacobi, Andreas Nicolai, Henricus Henrici, Jacobus Georgii de Thorun. Aus verschiedenen Gründen könnte man geneigt sein in „Andreas Nicolai“ den altern Bruder von Copernicus zu erkennen; doch spricht Einiges wieder dagegen. Die Namen der beiden Brüder folgen nämlich nicht unmittelbar aufeinander, sondern es stehen dazwischen die Namen von 15 andern Studenten; auch hat Andreas nur einen Theil des Inscriptions-Geldes bezahlt (4 gr.). Im Ganzen haben während der Studienzeit des Copernicus sich zwölf seiner Thorner Landsleute auf der Krakauer Universität aufgehalten.

Der Plan ist wohl kaum ins Leben getreten, der vielleicht wirklich begründete literarische Verein jedenfalls nicht lebensfähig gewesen. Aber schon der Gedanke, der Versuch seiner Ausführung, zeigt, dass der Boden in Krakau für denselben nicht unempfänglich geschienen.

Wenige Monate waren verflossen, seit Celtes Polen verlassen, noch wirkte in nachhaltiger Weise die geistige Anregung, die er gegeben, als der junge Copernicus den Musensitz zu Krakau aufsuchte. Derselbe wurde unter dem Rectorate des Matthias von Kobylin, an dem Immatricula­

tions - Termine des Winter - Semesters, („in commutatione hy email " ) unter die Scholaren der Uni­

versität aufgenommen,3) zugleich mit ihm noch vier Jünglinge seiner Vaterstadt, darunter vielleicht sein Bruder Andreas.4)

Copernicus beabsichtigte in Krakau nicht sich einem Fachstudium zuzuwenden ; die Angabe

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hat auf der Krakauer Universität der Artisten-Facilitât angehört. Diese war damals besonders blü­

hend. Neben den Vorlesungen über Poetik und Rhetorik und den alten scholastischen Collégien über Donat, Priscian, Ganfredus, Alexander Galliens, Franciscos niger wurden in den Jahren 1491 bis 1494 (in denen Copernicus zu Krakau weilte) von den jungen Humanisten interpretirt: Cicero (de officiis und de amiciția) Virgil (Aeneis, Bucolica, Geórgica) Ovid (Fasti, Epistolae de Ponto, Fristia) Seneca (epistolae ad Lucilium), Valerius Maximus.2)

In ein frisches geistiges Leben trat Copernicus zu Krakau ein; eine abgelebte Form des wis­

senschaftlichen Lebens, der Scholasticismus, rang dort mit einer neuen Lehr- und Denkweise um das Dasein. Noch schwankte der Sieg. Denn bewährte Kräfte vertheidigten auch in Krakau das Althergebrachte,3) während die jungen Magister, wie überall, rüstig kämpfend für die neue Bildung eintraten.

’) Im Hinblik auf des Copernicus spätere medicinische Studien, sowie mit Rücksicht auf die engen Beziehungen zwischen den medicinischen und Natur-Wissenschaften, ist es sehr wohl möglich, dass Copernicus auch schon in Kra­

kau einige von den medicinischen Vorlesungen seiner mathematischen und humanistischen Lehrer besucht habe. Sein Hauptstudium auf der dortigen Akademie war jedoch, wie auch Gassendi richtig angiebt, den Vorlesungen der Docen­

ten in der Artisten-Facultät zugewandt. Den medicinischen Doctorgrad hat Copernicus erst auf einer Italienischen Uni­

versität erworben, wie aus den Frauenburger Akten sicher hervorgeht, in denen er erst nach seiner Rückkehr aus Italien als „doctor“ aufgeführt wird.

2) Die meisten Docenten, welche klassische Autoren zur Zeit der Anwesenheit des Copernicus in Krakau er­

klärten, standen noch in jugendlichem Alter und hatten erst kurz zuvor das Magister-Examen bestanden: im J. 1490 Martin v. Glogau und Caspar de Nissa, 1491 Stanisl. de Cracovia und Job. do Szadek, 1492 Adam de Łowicz, 1493 Georg, de Frencz und Nie. de Wratislavia. Einige waren etwas älter; aber gerade unter ihnen befanden sich die ent­

schiedensten Anhänger der neuen Richtung, so die zu den bedeutendsten Humanisten Krakaus zählenden Joh. Som­

merteit und Laurentius Corvinas. Jener (der bereits 1481 Baccalaureus, 1485 Magister geworden war) hat in den Win­

tersemestern 1492/3 und 1493/4 Cicero do amiciția und Seneca’s Briefe interpretirt. Laurentius Corvinus dagegen, der im Sommer 1490 Virgils Bucolica erklärt hatte, hat in den Jahren 1491—1495 keine humanistischen Vorlesungen ge­

halten, sondern nur Aristotelische Philosophie vorgetragen (im Wintersemester 1492/3 de ente et essentia und in den beiden folgenden Semestern de anima und die libri priorom).

Schon einige Jahre vor des Copernicus Ankunft in Krakau waren Römische Schriftsteller auf der Krakauer Universität interpretirt. Wisznewski hat bereits in seiner Litteraturgeschichte III. 334 darauf hingewiesen und auch ein altes Lektions-Verzeichniss mitgetheilt, das jedoch nicht ganz zuverlässige Angaben enthält. Aus dem „liber diligen- tiarum“ (es ist dasselbe Buch, welches Wisznewski „registrom facultatis Artistarum“ nennt) geht hervor, dass äusser den bereits erwähnten Joh. Sommerfeit, Laur. Corvinus, Paul v. Zakliczew u. A. als Humanisten an der Krakauer Uni­

versität vor 1491 gelehrt haben: Johann Sacranus (von Auschwitz, Oświęcim), Joh. Thurszy, Stanislaus Biel de nova civitate ad Przemysliam (letzterer las 1484/5 Virgil’s Bucolica, 1489 u. 89 die Aeneide, 1489 u. 90 die Metamorphosen), Stanislaus de Cracovia (1488 Geórgica u. 1490 Terenz), Albertus de Monte Regio (1489 90 Cicero de officiis), S gis- mundus de Vratislavia (1490 Geórgica), Job. de Szadek dr. med. (1490 Paradoxa Tullionis (sic.)).

3) Die Hauptvertreter des Scholasticismus auf der Krakauer Universität um das Jahr 1490 waren Jacob v. Go­

stynie (über welchen Wiszniewski hist. lit. Polsk. III. 207—212 berichtet) und Michael Bystrzyków gewöhnlich Michael Parisiensis genannt, von welchem ein Zeitgenosse rühmt „ex studio Parisiens! cum redierat non solum nomen, verum etiam magnam doctrina m reporta vit." Letzerer las selbst über Römische Autoren, nachdem er sich an der Krakauer Akademie habilitirt hatte ; so interpretirte er 1492/93 Cicero de oficiis. — Ueber seine Habilitation berichtet sehr be­

zeichnend eine Randbemerkung zum liber diligentiarum pag. 327: Anno 1475 Junii die 20 Michael de Bystrzyków M.

artium promotionis Parisiensis, respondit pro loco inter Magistros Academiae Cracoviens., cum quo 30 magistri decer- tabnt uno cum medio die super hac quaestione proposita:

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Es war von grossem Einfluss auf die Entwickelung und Kräftigung des jugendlichen Geistes, dass Copernicus schon gleich beim Beginn seiner wissenschaftlichen Studien in so heisse Kämpfe hineingeführt wurde, bei denen auch er Partei ergreifen musste. Er konnte nicht schwanken. Der Keim, der in ihn vom Schöpfer gelegt war, seine geistige Beanlagung, die jugendlichen Jahre — Alles musste ihn wohl in das Lager der kühn aufstrebenden Humanisten führen. Hier legte er den Grund zu der Sicherheit des lateinischen Ausdrucks, die ihn auszeichnet, und, indem er mit der reineren Sprache Latium’s bekannt wurde, erschloss sich ihm auch ein tieferer Einblick in das Ko­

mische Alterthum.

Die Kenntniss der Griechischen Sprache blieb ihm noch verschlossen. *) Zwar hatte bereits das Baseler Concil im Jahre 1439 der Krakauer Universität einen „ civis Gonstantinopolitanus "

Demetrius als Lehrer der Griechischen Sprache empfohlen;2) allein während des ganzen 15. Jahr­

hunderts ist zu Krakau das Griechische öffentlich nicht betrieben worden. Gegen Ende des Jahr­

hunderts mögen vielleicht durch die aus Italien zurückkehrenden Studirenden und durch Geltes angeregt3) die jüngern Lehrer der Universität mit einiger Kenntniss des Griechischen ausgerüstet gewesen sein; allein es war wohl kaum eine Gelegenheit geboten, das Griechische unter sicherer Leitung zu erlernen. Von den Universität^-Lehrern wurden die Griechischen Schriftsteller erst im

16. Jahrhunderte in den Kreis ihrer Vorlesungen gezogen.4)

So entbehrte Copernicus während der Zeit seines Krakauer Universitäts-Lebens noch das Bil-

') Ganz unrichtig ist die Angabe Gassendis, der den jungen Copernicus bereits auf der Thorner Schule das Griechische erlernen lässt — zu einer Zeit, wo diese Sprache sogar in dem Westen Deutschlands noch auf den besten Schulen unbekannt war! Es muss dies ausdrücklich hervorgehoben werden, weil viele der spätem Schriftsteller Gassendi’s Autorität übereilt gefolgt sind.

։) Das Original-Dekret des Baseler ökumenischen Concils befindet sich im Archiv der Krakauer Universität; cs ist bereits von Wisznewski hist. Ht. Polsk. III., Vorrede S. III. und IV. veröffentlicht worden.

3) Geltes hat allerdings keine tieferen Kenntnisse in der Griechischen Sprache besessen; allein bei seiner grossen geistigen Regsamkeit und dem Eifer für die humanistischen Wissenschaften hat er auch für diesen Zweig derselben gewirkt, was in seinen Kräften gestanden. Nach dem Zeugnisse von Rudolf Agricola ist Celtes einer der Ersten ge­

wesen, welche den Unterricht in der Griechischen Sprache im südlichen Deutschland förderten, und bei der Empfäng­

lichkeit, welche seine Krakauer Freunde für das Griechische nachmals bethätigten, dürfen wir wohl annehmen, dass die Anregung dazu vorzugsweise von Celtes ausgegangen ist.

Einer der bedeutendsten Schüler von Celtes, Sommerfeld, hat im Jahre 1504 die Briefe des Libanius in einer lateinischen Uebersetzung herausgegeben. (Der Titel lautet: Libanii greci declamatoris disertissimi beati Johannis Cry- sostomi preceptoris epistole cum adiectis Sommerfeit argumentis et emendatioue et castigatione clarissimis.) Allein die Uebersetzung rührt nicht von Sommerfeld selbst her, ist vielmehr in Bologna angefertigt, und das ihm durch den Buchdrucker zugekommene Manuskript war nur durch Sommerfeld zum Drucke befördert.

4) Der erste, der die Griechische Sprache auf der Krakauer Universität lehrte, war Georg v. Liegnitz mit dem humanistischen Beinamen Libanus. Er hatte nach seiner eigenen Angabe um das Jahr 1519 seine Griechischen Vor­

lesungen begonnen, geschützt von dem eifrigen Beförderer der Wissenschaften in Polen, dem damaligen Reichskanzler und Bischof von Krakau, Pet. Tomicki. Die Vorurtheile, die er bei seinen Griechischen Vorträgen zu bekämpfen hatte, waren, wie überall, auch in Krakau dadurch gesteigert, dass man in der Betreibung dieser Studien die Haupt­

quelle für die kirchliche Häresien erblickte. „ Selo ego plerosque, sagt Libanus — qui banc linguam latinis litteris ne­

cessarian! esse negant, qui in compotationibus et lautis conviviis, cum accrescit zelus domus dei, omnes graecitatis stu- diosos aut haereticos aut lutheránus appellant aut schismaticos, et tantum profiéi unt, ut ab omnibus, qui sani sunt, insani habeantur.“ Libanus berichtet dann weiterhin, wie er von einem einflussreichen Gelehrten einst öffentlich geta­

delt sei „ propter unum et alte rum libellum, quos tum huius negotii studiosis graece praelegeram, cen furem aut sa- crilegum me impetivit.“ Mit feiner Ironie schliesst Libanus: „ Omnia videbantur illi, quae in gymnasio nostro tracta- rentur, alicuius esse moment!, litteris duntaxat graecis, quas unice oderat, exceptis, oderat inquam ob id, opinor, quod eas Apostoli tanto honore dignati sunt, ut non alia lingua scripserint.

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dungselement und die Begeisterung, welche sein Jahrhundert aus dem Studium der Griechischen Sprache und Literatur schöpfte. Dagegen ward ihm das Glück, dass seine Führer auf dem Gebiete der Römischen Sprache und Literatur der neuen Zeit ganz angehörten. Die jungen Humanisten Krakau’s hatten — gleich ihren italischen Lehrern — das alte geistlose Herkommen verlassen und mit den bisher vergötterten Lehrbüchern die starren Formen der mittelalterlichen Lehrweise abge­

streift. Dafür waren sie um so eifriger bemüht, zu den eigentlichen Quellen der altrömischen Welt hinaufzusteigen und in den Geist der Sprache und Schriftsteller Rom’s einzudringen. Indem sie so das freie Denken aus den Fesseln befreiten, entzündeten sie in ihren Schülern neben der Begeisterung für die Schätze des Alterthums ernstes wissenschaftliches Streben, weckten sie in ihnen den Geist der Forschung und selbstständigen Denkens.

Und Copernicus war nicht blos eifriger Zuhörer bei den Vorlesungen seiner humanistischen Lehrer ; der junge Scholar, der vor den Genossen durch seine geistigen Anlagen hervorragte und begünstigt war durch die von Vater und Oheim überkommenen Verbindungen, trat auch bald in ein näheres persönliches Verhältniss zu den Lehrern der Universität. Es ist uns ein bestimmtes Zeugniss erhalten von den innigen Beziehungen, die ihn mit einem Hauptvertreter der neuen Richtung ver­

banden Es war der ihm an Jahren nahestehende Laurentius Corvinos, ') mit dem Copernicus ein Freundschafts - Bündniss schloss, welches auch über die Zeit seines Universitäts - Lebens hinaus dauerte.

Bei dem engen Bande, das die Humanisten umschloss, lässt sich nun mit Bestimmtheit annehmen, dass Copernicus auch den andern humanistischen Lehrern nicht fremdgeblieben ist. Dieser anre­

gende Umgang musste selbstverständlich dazu dienen, die geistige Richtung zu stärken, die er gewonnen hatte.

Aber so hoch der Gewinn zu veranschlagen ist, den Copernicus aus den humanistischen Studien gewonnen, sie standen doch nicht im Mittelpunkte seines geistigen Strebens Eine andere Wissenschaft hatte den jugendlichen Geist früh in höherem Masse in Anspruch genommen und ge­

fesselt. Es war das Gebiet, auf dem er später eine vollständige Neugestaltung durchführen sollte

— Mathematik und Astronomie.

. Beide Wissenschaften standen damals in hohem Ansehn. Wenn ein idealer Zug in dem Jahr-

Laurentius Corvinus (Rabe) war zu Neumark in Schlesien geboren. Im J. 1486 erhielt er auf der Univ. Krakau den Grad eines Baccalaureus und im J. 1489 wurde er Magister. Seine Vorlesungen begann er im folgenden Jahre mit Virgils Bucolica; ausserdem werden jedoch in dem Lectionen-Verzeichnisse nur scholastische Collegia von ihm aufgeführt (tractatus Petri HLpalensis, Boethius de consolatione, de ente et essentia, de nima, priorum). Seit dem Jahre 1494 wird sein Name in dem liber diligentiarum nicht mehr aufgeführt. Er wird also etwa gleichzeitig mit Copernicus Krakau verlassen zu haben. In den nächsten zehn Jahren unterrichtete er an den Schulen zu Schweidnitz und Breslau und wurde um 1506, wahrscheinlich durch Empfehlung von Copernicus, mit welchem er seit der Krakauer Zeit eng befreundet war, Stadtschreiber zu Thorn. Hier verweilte er jedoch nur einige Jahre, da seine Frau nach Schlesien zurückzukehren wünschte. Im J. 1509 ging dieser Wunsch in Erfüllung, indem Corvinus als Stadtschreiber nach Breslau berufen ward, woselbst er in grossem Ansehen stand. Er ward u A. zweimal als Gesandter vom Rathe an den Hof des Königs Wladislaus von Ungarn und Böhmen geschickt.

Corvinus hatte sich an Celtes, seit er ihm in Krakau näher getreten war, mit grosser Innigkeit an geschlossen und suchte sich, als sie räumlich getrennt waren, durch Briefwechsel mit ihm geistig zu stärken. Seine humanistischen Bestrebungen führten ihn früh in das Lager des Protestantismus, zu dessen ersten Bekennem in Schlesien er zählte.

Corvinus starb zu Breslau 1527. —■ Ueber sein Leben und seine Schriften hat zuerst ausführlicher berichtet Haneke de Silesiis indigenis eruditis p. 204 fi"; vergi. Wiszniewski a. a. О. III, 319 ff. und 373.

Von dem vertrauten Verhältnisse, in welchem Corvinus zu Copernicus gestanden, legt das Einführungs-Gedicht Zeugniss ab, welches Corvinus dem Erstlings-Werke seines Freundes, der 1509 zu Krakau erschienenen Uebersetzung der Briefe des Theophylaetus Simocatta, vorangestellt hat.

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hundert des Wiederauflebens der Wissenschaften die Geister mit unbezwinglicher Gewalt zu den humanistischen Studien zog, so waren es hauptsächlich äussere Anregungen, welche die mathema­

tischen und astronomischen Studien in hohem Grade förderten.

Zunächst gewährte ihnen die Kirche gern Schutz und Unterstützung, weil sie ihrer zur genauen Bestimmung der Festzeiten bedurfte, als der Kalender und die Zeitrechnung in arge Verwirrung gerafften waren. Die Gunst der weltlichen Macht ferner musste der aufblühenden Astronomie wegen des praktischen Nutzens bei den weiten Seereisen zu Theil werden. Den Beifall der Menge endlich wandten ihr die allgemeinen astrologischen Träumereien der damaligen Zeit zu.

Bei dieser Bedeutung, welche Mathematik und Astronomie für die verschiedenen Lebenskreise hatten, befassten sich die ersten Gelehrten mit diesen Studien neben ihrer Berufswissenschaft ; noch häufiger geschah es, dass junge höher strebende Talente der Artisten-Facultät sich den mathemati­

schen und astronomischen Studien ganz zuwandten. Das ideale Motiv ist ja selten das allein maass- gehende Das Ansehn, in welchem der gelehrte Mathematiker stand, die Ehren, welche dem her­

vorragenden Astronomen zu Theil wurden, winkten mächtig zur Nacheiferung; ein Regiomontanus war für seine Verdienste um die Astronomie mit einem Bisthum belohnt!

Auch den jungen Copernicus ergriff bei seinem heissen Wissenstriebe die Liebe zu den mathe­

matischen Wissenschaften, denen er sich mit der ganzen Energie einer jugendlichen Seele hingab.

Auf keiner Universität diesseits der Alpen stand damals das Studium der Mathematik und Astronomie in solcher Blüthe als zu Krakau. ’) Hier lehrte seit zwanzig Jahren der berühmte Albertus Blar de Brudzewo2) (abgekürzt gewöhnlich Brudzewski genannt), dessen Name vorzugsweise die Studi-

’) Während es auf den meisten Universitäten Deutschlands noch im 16. Jahrhunderte um die Mathematik sehr schlecht bestellt war, ist schon früh — wohl bald nach Begründung der Universität — ein Lehrstuhl der Astronomie zu Krakau errichtet, durch Job. Stobner de Cracovia, der im Jahre 1379 zu Prag zum Baccalaureus promovirt wor­

den war.

Nach dem Statute vom Jahre 1449 umfasste diese Professur „Euclidem, Perspectivam, Arismetricam, Musicam un Theoricas planetarum“ endlich „tabulas Alphonsii praemisso Algarismo minutiarum“; das Statut vom Jahre 1475 fügte noch hinzu „tabulas resolutas“ (Regiomontanij „Eclipses“ und „confèctionem Almanach singulis annis.“

Die Belege über die hohe Blüthe, in welcher Mathematik und Astronomie am Ende des 15. Jahrhunderts auf der Universität zu Krakau standen, sind bereits mehrfach beigebracht. Es sei jedoch gestattet, hier noch das Zeugniss eines Zeitgenossen anzuführen, der in einer Stadt lebte, welche seit Regiomontan’s Zeiten den regsten Eifer für die astronomischen Studien bewahrte. Hartmann Schedel, der zu Nürnberg im Jahre 1493 seine commentariolos de Sar- matia verfasste, schreibt: Cracoviae est celebre gymnasium multis clarissimis doctissimisque viris pollens, ubi plurimae ingenuae artes recitantur. Studium eloquentiae, politices, philosophiae ac physices, astronomiae tarnen studium maxime viret. N ec in tota Germania, ut et multorum relatione satis mihi cognitum est, illő clarins reperitur.

2) In mannigfachen Varianten und Verstümmelungen erscheint der Name Brudzewski’s, des berühmtesten unter den Lehrern des Copernicus, zu Krakau. Celtes hat ihn aus metrischen Gründen für seine Gedichte in „Brutus“ um­

gestaltet. Trithemius nennt ihn ., Albertus de Prusa", Denis macht daraus „ Albertus de Prussia." Zum Theil unerklär­

lich sind die anderweiten Entstellungen „Brudler“, „Brudlewus" „Prosevus“.

Bei den Polnischen Schriftstellern ist in neuerer Zeit die Form Brudzewski überwiegend zur Geltung gekommen.

Dieselbe ist richtig gebildet und deshalb auch allgemein adoptirt worden. In den Handschriften der Universität Kra­

kau, — wie bei den älteren Polnischen Schriftstellern — wird Brudzewski einfach mit seinem Taufnamen unter Hinzufügung des Heimathsortes aufgeführt als „Albertus de Brudzewo"; so in dem Promotions-Buche zu den Jahren 1470 und 1474. In der „metrica studiosorum“ ist noch der Taufname des Vaters beigefügt („Albertus Stephani de Brudzewo“); vereinzelt endlich wird er in dem Promotionsbuche zum J. 1485 — in welchem er das Decanat in der Artisten-Facultät bekleidete — „Albertus blar de Brudzewo" genannt.

Brudzewski’s humanistischer Beinamen scheint „Vigellus “ gewesen zu sein, wenn es nicht etwa ein fingirter Mann ist, mit welchem derselbe in Sommerfeld’s modus epistolandi bezeichnet wird. (vgl. S. 13 Anm. 1).

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renden aus den fernsten Gegenden Deutschlands nach Krakau zog. Ihn zu hören, war, wie oben erwähnt ist, u. A. auch Conrad Celtes nach Krakau gekommen. Ebenso wird nach dem Vorgänge von alten Gewährsmännern Brudzewski allgemein als Lehrer von Copernicus angegeben. ’) Neuere Untersuchungen, auf archivalische Documente gestützt, haben dargethan, dass Copernicus einer öffentlichen Universitäts-Vorlesung Brudzewski’s über Mathematik nicht beigewohnt haben kann.* 2) Dieser hatte nämlich die Reihe seiner astronomisch - mathematischen Vorträge an der Universität bereits abgeschlossen, als Copernicus nach Krakau kam; er hatte zuletzt im Winter 1489/90 de coelo scientiam vorgetragen. Seit dem Jahre 1490 bis zu seinem im Jahre 1494 erfolgten Weggange von Krakau las Brudzewski nur über Schriften von Aristoteles.

Brudzewski war im Jahre 1445 geboren und auf der Universität Krakau vorgebildet. Dort wurde er 1470 bac­

calaureus, 1474 magister artium. Seit dem Jahre 1476 finden wir ihn als Vorsteher der bursa Hiingarorum, im August desselben Jahres wurde er in das s. g. collegium minus gewählt. Im Jahre 1484 ward er Mitglied des grossem Kolleg und bekleidete 1485 das Dekanat der Artisten -Facultät; im Jahre 1493 war er procurator universitatis.

Das Lections-Verzeichniss der Krakauer Universität führt von ihm nachstehende Vorlesungen auf: Arith- meticam (1434), exercitium parvorum logicalium (1484), exercitium veteris artis, (1488, 1489) theoricas planetarum (1488), exercitium novae logicae (1488/9, 1490, 149L2) scientiam motus orbis Messahalae (1488/9), perspe- ctivam (1489), de coelo scientiam (1489/90), exercitium de anima (1490/91), exercitium meteororum (1492), exercitium parvorum naturalium (1492/3), de coelo (1493), de generatione (1493/4).

Seitdem Brudzewski Mitglied des grossen Collég geworden war, wandte er sich theologischen Studien zu und wurde im Jahre 1490 baccalaureus der Theologie. Später nahm er auch eine Domherrn-Stelle in Krakau an, verliess jedoch bald darauf die polnische Hauptstadt, indem er im Jahre 1494 einem Rufe nach Wilna folgte, woselbst er als Sekretair in die Dienste des Fürsten Alexander von Litthauen trat (des nachmaligen Königs von Polen). Dort starb er bereits im Jahre 1497.

Eine kurze Lebensbeschreibung Brudzewski’s hat zuerst Starowolski in s. „Scriptorum Polon, hecatontas“, gegeben.

Von Brudzewski wird eine Reihe mathematischer Manuscripte auf der Universitäts-Bibliothek zu Krakau aufbe­

wahrt: 1) Introductorium astronomornm Cracoviensium, 2) tabulae resolutac astronomicae pro supputandis motibus cor- porum coelestium, 3) de constructione astrolabii, 4) tractatus et cánones ad reducendum motum pro meridiano Craco- viensi, 5) Commentarium super theoricis novis Georgii Purbacii in Studio Generali Cracoviensi.

’) Als Lehrer von Copernicus wird Brudzewski zuerst von Starowolski genannt in der zweiten Ausgabe seiner Scriptorum Polonorum hecatontas, welche unter dem Titel: „Elogia ас vitae centum Poloniae scriptorum“ zu Venedig im Jahre 1627 erschienen ist. In der zweiten Ausgabe war ihm dies Verhältniss Brudzewski’s zu Copernicus noch un­

bekannt; ebensowenig geschieht desselben in der Biographie Brudzewski’s Erwähnung. Starowolski’s Bericht lautet:

„Copernicus cum in Academia Cracoviensi sub Alberto Brudzevio una cum Jacobo Cobylinio, qui Astrolabii declarationem scripsit, Mathern aticas artes didicisset, peregrinationibus deinde totum se (ledit.'՛ — Starowolski’s Bericht ist von Gassendi in seine vita Copernici übernommen und ihrer Autorität sind dann alle Späte­

ren gefolgt.

2) Der Director der Sternwarte zu Krakau Prof. Dr. F. Karliński hat das Verdienst, den index lectionum der Krakauer Universität für die Zwecke einer quellenmässigen Bearbeitung der Studienjahre des Copernicus zu Krakau einer genauen Durchforschung unterzogen zu haben. Die Resultate dieser Studien, soweit sie die mathemathisch-astro­

nomischen Vorlesungen an der Universität Krakau in den Jahren 1191—1495 betreffen, sind von Karliński selbst in s. 1864 erschienenen „rys dziejów obserwatoryum Astronomicznego uniwersytetu Krakowskiego“ veröffentlicht worden.

Allein Prof. Karliński hat seine Studien noch auf andere Manuscripte der Krakauer Universitäts-Bibliothek ausgedehnt und befreundeten Forschern in liberalster Weise zur Verfügung gestellt. Auch dem Verf. dieser Abhandlung sind bereits seit Jahren die werthvollen Excerpte des durch eingehende Sachkenntniss vor Vielen berufenen Gelehrten zur Benutzung übermittelt worden, und benutzt derselbe gern diese Gelegenheit, seinen Dank für die freundliche Unter­

stützung öffentlich abzustatten.

Dennoch scheint es nicht gerechtfertigt, das Zeugniss von Starowolski, des ersten Biographen von Copernicus, anzufechten, welcher Brudzewski mit bestimmten Worten als Lehrer von Copernicus bezeichnet. Der scheinbare Widerspruch löst sich auch, wenn man erwägt, dass Brudzewski sein

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reiches Wissen für die Scholaren nicht allein in den streng akademischen, öffentlichen, Vorträgen verwerthen konnte und verwerthet hat.

Als Vorsteher von Bursen stand Brudzewski zu einem Theile der Studirenden in einem nähern Verhältnisse; er hatte hiedurch besondere Veranlassung, die ihm zugewiesenen Studirenden in pri­

vatem Wege zu fördern. Aber auch ausserhalb der Bursen muss Brudzewski noch freie Vorlesungen gehalten haben. Es würde sonst u. A Celtes seinen Unterricht in der Mathematik gleichfalls nicht haben geniessen können. Denn auch während der Zeit, dass Celtes sich in Krakau aufhielt, hat Brudzewski — wie der index lectionum ausweist — keine Vorlesung aus dem Gebiete der reinen Mathematik an der Universität angekündigt und nur zwei Vorlesungen aus der angewandten Mathe­

matik gehalten (im Sommer 1489 las Brudzewski Optik und in dem darauf folgenden Winter trug er vor „de coelo scientiam“).

Gleich Celtes wird also auch Copernicus unzweifelhaft Zutritt in die Privatkreise von Brud­

zewski gehabt haben. Gassendi — dem äusser Starowolski wohl noch andere Quellen vorlagen — sagt dies mit bestimmten Worten, ') und es liegt kein hinreichender Grund vor, seine Angabe zu verdächtigen. Gassendi’s Zeugniss wird überdies durch innere Gründe in gewichtiger Weise unter­

stützt. Das Verhältniss, in welchem Celtes zu Brudzewski gestanden, die Stellung, welche Brud­

zewski zu den Humanisten, wie zu den mathematischen Lehrern, an der Universität Krakau gehabt hat — Alles würde, selbst wenn kein äusseres Zeugniss vorläge, zu der Annahme drängen, dass ein aufstrebender begabter Jüngling, wie Copernicus, der sich ganz den mathematischen Studien hingegeben, nicht des Unterrichtes und Beirathes von dem anerkannt ersten Lehrer der Mathematik an der Krakauer Akademie entbehrt haben werde.

An welche unter den mathematischen Lehrern Krakau’s äusser Brudzewski sich Copernicus besonders angeschlossen, ist uns zur Zeit unbekannt. Aus dem Lection en-Verzeichniss, welches der

„ liber diligentiarum “ enthält, können wir nur die mathematisch - astronomischen Vorlesungen angeben, welche von Copernicus benutzt werden konnten; nicht wissen wir, welche er wirklich gehört hat.

16 Lehrer hatten in den Jahren 1491 — 1495 mathematisch - astronomische Vorlesungen angekündigt:

„ Arismetrica “ und „ Musica “ wurde von 6 Docenten vorgetragen ; vier interpretirten den Euclid ; je fünf lasen über „Perspectiva communis“ und über die Planetentheorie Peurbach’s; vier commen- tirten die „Tabulae resolutae “ des Regiomontanus ; je zwei behandelten das Calendarium Regiomon- tan’s, die „scientia motus orbis“ und die „sphaera materiális“; je ein Docent endlich las über die

„Eclipses“ und den „computus chirometralis.“ * 2)

’) Gassendi’s Bericht (vita Copernici p. 5) lautet: Copernicus .... quia a primis annis ardore Matheseos magno tenebatur .... in academia Cracoviensi ... non neglexit sane praelectiones Alberti Brudzevii in eadem academia mathe- maticas artes profltentis, quem etiam fuit solitos et convenire et audire privatim.

2) Die Namen der Docenten, welche in den Jahren 1481—1495 Arismetrica und Musica vortrugen sind : Stanis­

laus de Olkusz (1491/2 und 1493), Martin de Szamotuły, Nicolaus de Łabiszyn (1492/3), Stanislaus de Kleparz (1493,4), Mathias de Łazy (1494), Martinus de Seburg (1494/5) — Den Euclid interpretirten : Leonardus de Cracovia (1491/2), Bartolomaeus de Lipnica (1492/3), Stanislaus de Kleparz (1493, 1494/95), Bartholomaeus de Oraczów (1495). — Die Theoricae planetarum Peurbach’s trugen vor: Albertus de Pniewy (1492/3), Simon de Sieprz (1493), Nicolaus de Łabi­

szyn (1493/4), Stanislaus de Olkusz (1494/95) Jacobus de Iłża (1495). — Die tabulae resolutae des Regiomontanus com- mentirten Bernhardus de Biskupie (1492,3), Michael de Vratislavia (1493/4), Simon de Sieprz (1494), Martinus de Se­

burg (1495). — Ueber „ Perspectiva communis “ lasen : Stanislaus Biel de noya civitate (1491—92), Johannes de Prze­

myśl (1492), Martinus de Olkusz (1492/3), Nicolaus de Łabiszyn (1493), Albertus de Pniewy (1493/1), Simon de Sieprz (1495). — Den Kalender des Regiomontan interpretirten: Johannes de Gromadzice (1492/3) und Martinus de Olkusz (1493/4). — Die scientia motus orbis trugen vor: Thomas de Zoravia (1491,2), Nicolaus de Łabiszyn (1492). — „Sphaera

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Die Astrologie — welcher zum Theil freilich schon die „ scientia motus orbis “ angehört — war auf der Krakauer Akademie zu der Zeit, da Copernicus dort studirte, nur mässig vertreten. ') Die

„ Astrologia in genere “ wurde in den Jahren 1493 und 1494 von Albert de Szamotuły vorgetragen, von demselben im Winter 1494/5 das Quadrupartitum Ptolemaei; äusser Szamotuły las nur noch Johannes de Przemyśl, ein Studiengenosse des Laurentius Corvinus, im Winter 1491/92 über das

„ Alcabitium

Alle Lehrer der Mathematik, welche in den Jahren 1491 — 1495 Collégien angekündigt hatten, waren jünger als Brudzewski und sämmtlich auf der Krakauer Universität vorgebildet. Sie sind sonach (vielleicht mit einziger Ausnahme des ihm an Jahren zunächst kommenden Albert de Pniewy*2) ) als Schüler Brudzewski’s anzusehen, so dass die erste mathematisch - astronomische Bildung des Copernicus ganz Brudzewski und seiner Schule angehört.

materiális“ wurde nur in den Sommer - Semestern 1494 und 1495 von Stanislaus de Olkusz und Stanislaus de Kleparz vorgetragen; „de eclipsibus“ las Bernhardus de Biskupice (1493), den computus chirometralis erklärte Johannes de Przemyśl (1493,94).

’) Eine Professur der Astrologie war an der Krakauer Universität bereits sehr früh (1450) durch Martin Król de Premislia errichtet. Ihr waren zugewiesen die Vorträge über Ptolemaeus in Quadrupartitо, Alcabitium, Centiloquium verborum Ptolemaei, Albumazar „et alios libros spectantes ad astrologiam.“ Der Astrolog war ausserdem verpflichtet jährlich ein Indicium (Prognosticou) zu verfassen („ Collegiatus domini M. Martini diet! Rex indicium correctum et a se- nioribus suis in eadem facultate revisum et approbatum universități singulis anuis praesentabit.“)

Manche Vorlesungen, die später noch hinzugefügt wurden, wie z. B. die scientia motus orbis, wurden bald zu den astronomischen, bald zu den astrologischen, gezählt; es ist überhaupt die Grenze schwer zu ziehen, denn jeder Astronom des Mittelalters ist ja zugleich Astrolog.

Während des 15. Jahrhunderts stand die Astrologie auf der Krakauer Universität, wie schon die geringe Zahl der Vorlesungen und Docenten anzeigt, in keiner besondern Achtung. Kein Student war verpflichtet ein astrologisches Collég zu hören, auch bei keiner Prüfung wurde Kenntniss der Astrologie verlangt. Das Uehergewicht der Astrologie trat erst mit dem Verfall der Universität im 16. Jahrhunderte hervor. Im J. 1522 wurde durch eine Stiftung des Domherrn Matthias de Myechow das Einkommen der astrologischen Professur bedeutend erhöht.

Die berühmtesten Astrologen der Krakauer Universität waren: Johannes de Glogovia und Michael de Vratislavia, Zeitgenossen von Copernicus. Ihre „iudicia“ wurden zu Anfang des 16. Jahrhunderts in Krakau und Wien öfter gedruckt.

2) Albert de Pniewy war im Jahre 1473 baccalaureus geworden (also nur 3 Jahre später als Brudzewski). Unter den übrigen Lehrern der Mathematik, welche Copernicus zu Krakau vorfand, waren vier gegen Ende der siebziger Jahre des 15. Jahrhunderts baccalaurei geworden; die meisten hatten erst wenige Jahre vor seiner Ankunft in Krakau die licentia docendi erlangt.

Zu den bedeutendsten Docenten neben Brudzewski gehört Martin de Olkusz, welchen man nach dem Vor­

gänge Starowolski’s irrthümlich für einen Mitschüler von Copernicus anzugeben pflegt. Derselbe stand ihm freilich an Jahren nahe; er war 1488 baccalaureus geworden und magister um die Zeit, da Copernicus seine Studien begann.

Sein Gutachten über die Verbesserung des Kalenders wird handschriftlich auf der Universitäts-Bibliothek zu Krakau aufbewahrt.

3) Mit Recht nehmen wir an, dass Copernicus auf der Krakauer Universität zunächst die grundlegenden mathe­

matischen Vorlesungen besucht und sich dann besonders der Astronomie zugewandt habe. Ein alter Bericht hebt aber ausdrücklich hervor, dass Copernicus sich auch auf andern Gebieten der angewandten Mathematik in Krakau heimisch gemacht und mit besonderm Eifer die Optik — oder, wie man sie damals nannte, Perspectiva communis — studirt habe. In Anlehnung an diese Studien habe er gelernt, nach der Natur zu zeichnen und sei in dieser Kunst zu einer solchen Vollkommenheit gelangt, dass er'sieh selbst nach dem Bilde im Spiegel gemalt habe. „Cum partes vero

Unbestritten bleibt der Universität Krakau das Verdienst, dass ihre Lehrer in der Mathematik den jugendlichen Geist des Copernicus für diese Wissenschaft gewonnen und einen festen Grund gelegt haben.3) Und das Hauptverdienst hat sicherlich Brudzewski. Nur ein Lehrer, wie er, begei­

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stert für seine Wissenschaft, kann dieselbe Begeisterung in den Herzen seiner Schüler entzünden.

Nur ein Mann, wie Brudzewski, konnte die Sicherheit des mathematischen Wissens, die Schärfe des Blickes, die erhabene Einfachheit der Beweisführung, welche die Nachwelt an Copernicus bewundert, in ihm begründen. Brudzewski besass neben Klarheit der mathematischen Anschauung eine seltene Gabe, die Probleme der Wissenschaft seinen Zuhörern vorzuführen. „Alles was der Scharfsinn eines Euclides und Ptolemaeus geschaffen — so schreibt ein Zeitgenosse — hatte er zu seinem geistigen Eigenthum gemacht; was dem Laien-Auge tief verborgen blieb, wusste er seinen Schülern sonnen­

klar vor Augen zu stellen.“ *)

Die wichtige Frage, ob durch Brudzewski und seine Schule Keime der neuen Weltanschauung in Copernicus gelegt sind, wird wohl kaum je zur Genüge beantwortet werden. Den öffentlichen Vorträgen der Krakauer Professoren lagen die Arbeiten von Peurbach und Regiomontanus zu Grunde.

Brudzewski selbst hatte sie commentirt. Wie weit die Krakauer Schule über diese grossen Meister hinausgegangen ist, darüber wird man in den Universitäts-Manuscripten vergebens Aufschluss su­

chen, und anderweite Quellen fehlen uns gänzlich.2)

o m n e s matheseos curaret, tum perspectivae speciatim incubuit eiusque occasione picturam tum addidicit, tum eo usque calluit, ut perhibeatur etiam se ad speculum eximie pinxisse. Consilium autem pingendi ex eo cepit, quod peregrinationem ac potissinium in Italiam cogitaos in animo haberet, non modo ad­

umbrare sed graphice etiam quantum posset exprimere quidquid oceurreret observata dignum." (Gassendi vita Copernici ed. 1654 p. 5).

’) Sommerfeld hat uns in s. „ modus epistolaudi“ (Viennae 1515) das im Texte angeführte Urtheil aufbewahrt, welches Callimachus über Brudzewski lallte. Es ist einem Briefe entnommen, welchen Callimachus an einen Landsmann Joh. von Arezzo geschrieben : Habet nostrum gymnasium hac tempestate in omni facultate claríssimos viros, praecipue in naturalium rerum cognitionibus perspicasissimos et in coeliferis astrorum motibus indagandis, non minus etiam eru- ditissimos; inter ceteros habet quendam virum Albertum Vigellum (vgl. S. 9) hominem mathematicae adeo a multis annis studiosum, ut nihil eurn fugiat, quod vel Euclides vel Ptolemaeus claro quisque suo ingenio perlustravit; quaeque oculum nostrum fugiant, ita discentibus suis d emonstratio ni- bus in medium affért, ut luce clarius tanquam visa intelligant.

2) Brudzewski’s Commentai՛ zu den Theoricae Planetarum von Peurbach ist durch einen seiner Schüler Joh.

Otto Germanus de valle uracense bereits im Jahre 1495 zu Mailand dem Drucke übergeben. Sorgfältiger als der Ab­

druck ist jedoch das Manuskript, welches, durch „Michael de Proszowice in bursa Jerusalem" zu Krakau im J. 1493 geschrieben, auf der dortigen Universitate - Bibliothek aufbewahrt wird.

Aus letzterem Manuscripte hat Prof. Karliński die beiden auf die Bewegung der Erde bezüglichen Stellen bei Hipler Spie. Copern. p. 314 veröffentlicht. Die erste Stelle enthält der Eingang des Commentars. Derselbe lautet:

„Astrorum observatores Studiosi experti quidem sufficienter sensu, ratione et instruments tradiderunt recte vir­

tute primae sphaerae omnium erbium latones, neenon cunctarum stellarum fixa rum volutationem, rotari. Tradiderunt insuper et alium motum huic primae lationi contrarium gravem quidem et tardum, quatenus omnium rerum generatio- nes cunctosque mutabilium naturae progressus sui gravitate retardaret, ne fluxibilitate continua celeriter defluerent.

Hos autem orbes sic motu contrario currentes stellarum et astrorum mira pulchritudine primus artfex adornavit, tan­

quam lucernas fulgentissimas, dubitavitque eis ab eorum primordiali formatione diversas virtutes et opera, ne oto vilescerent, sed ut t erram immobilem in medio orbi um sit am eisdem virtutibus disponerent, proportionalique influxu earn fixe tenerent, ne ad dextrum,. sinistrum, aut quaquam versus, declinaret, ceteraque mobilia elementa suis regerent afflatibus hominibus quoque ministerium suis circumrotationibus, luminibus, inquiescibilibusque influentiis, prout eis concessit, exhiberont, usque in diem, quem ipse primus conditor voluerit“ etc.

Die andere Stelle findet sich zwei Seiten später :

Oritur autem hic, Albertus (sc. Magnus) inquit, gravis quaestio: quam licet in secundo coeli et mundi teti- gimus, tarnen etiam hic solvenda esse videtur: Quare primi duo coeli (h. e. coelum „primi et secundi mobilis“) nullám habent stell am, térti um autem habet multas valde et septem alii quilibet habent unam tantum. Et causa huius est procul dubio, quod sphaera, quae uniformitatis est, non potest esse difformis in habende Stellas aut habende stellam, est enim esse in se uniforme : quod est effectus primae sphaerae Similiter autem compositio, quae tantum ex principes

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Soviel jedoch kann mit Sicherheit behauptet werden, dass Copernicus aus den mathematischen Vorlesungen auf der Universität Krakau Anregung der verschiedensten Art in sich aufgenommen hat.

Die dortigen Mathematiker beschränkten sich nicht auf den engen Kreis ihrer Wissenschaft und der damit zusammenhängenden Disciplinen. Einige von ihnen sind den Humanisten beizuzählen, wie Stanislaus Biel de nova civitate. Dieser hatte, als Copernicus die Universität bezog, ein Collegium über Optik angekündigt, in den vorhergehenden Jahren jedoch den Ovid, wie die Aeneis und die Bucolica Virgils, interpretirt. Andere wiederum lasen neben ihren mathematischen Collégien oder vorzugsweise philosophische Collégien. So Brudzewski selbst. Und man nehme keinen Anstoss daran, dass es Schriften des lateinischen — aus dem Arabischen übersetzten — Aristoteles waren. Auch Laurentius Corvinus und Johannes Sommerfeld, die zu den hervorragenderen Humanisten gehören, interpretirteu den lateinischen Aristoteles. Ueberdies lässt sich nicht annehmen, dass Männer, an welche sich der von solchem humanistischen Eifer erfüllte Celtes mit Innigkeit angeschlossen, in der Unfreiheit der scholastischen Denkweise ihre Studien getrieben haben.

Auch in dem Gebrauche der astronomischen Instrumente ') und in der Beobachtung des Himmels

substantiae non habet difibrmitatem, et ideo secundum coelum non habet stellam aliquam. Sed cum figuráé sunt phi- rimae et propriae, quibus distinguuntur entia quanta, oportuit quoque stellata niultis stellis esse sphaera tertia.

Propter quod etiam ab astronomis isti sphaerae (h. e. sphoerae tertiae seu recte octavas sphaerae stellarum fixarum) attribuitur movere terram, quae producit figuras varias planetarum et moderatur. Et cum aliae sphaerae non moveant nisi principia simplicium et complexionantium et ilia sicut singula, non potuit quaelibet aliarunî sphaerarum habere nisi unam stellam pro unaquaque et tali ordine dispositam ut dictum est.“

Aus den beiden oben mitgetheilten Stellen ist allerdings ersichtlich, dass Brudzew ski sich an die damals gültige Welt-Anschauung angeschlossen. Dasselbe geschieht in seinen andern Schriften. Es muss demnach zugegeben werden, dass Copernicus keine Anregung zu seinen Ideen aus den öffentlichen Vorträgen Brudzewski’s habe entnehmen können, selbst wenn er eine derselben gehört hätte.

Allein aus den erhaltenen Collegien-Heften kann nicht, wie es geschehen ist (vergi. Hipler Spie. Copern.

p. 227 und 313) mit voller Sicherheit der Schluss gezogen werden, dass Brudzewski sich lediglich in dem hergebrachten Geleise der kosmischen Anschauungen bewegt habe. Brudzewski durfte bei der damaligen Universitäts-Einrichtung von dem Katheder nichts Anderes vortragen, als was allgemeine Geltung hatte. Wenn seine üeberzeugung mit den überlieferten Lehren nicht übereinstimmte, so konnte der Docent seine abweichenden Ansichten nur in esoterischem Kreise vortragen. Das Collégien-Heft, aus welchem die oben mitgetheilten Stellen entnommen sind, lehnt sich über­

dies geradezu an ein bestimmtes Lehrbuch an, es wurde in ihr ein Commentar zu dem Lehrgebäude Peurbach’s gegeben.

Ausserdem darf man nicht übersehen, dass Brudzewski’s freundliche Stellung zu den Humanisten, die er ganz offen zur Schau trug, ihm besondere Vorsicht auferlegte; bei dem schroffen Gegensätze, in welchem die beiden feind­

lichen Parteien zu Krakau standen, waren Verdächtigungen sehr leicht möglich. Endlich war Brudzewski, seit er in den Dienst der Kirche getreten, noch mehr verpflichtet, Nichts öffentlich zu lehren, was der kirchlichen Lehre zu widersprechen schien.

*) Die erste Nachricht von astronomischen Instrumenten zu Krakau hat sich in den Manuscripteu des Job. von Olkusz erhalten, welche um die Mitte des 15. Jahrhunderts geschrieben sind und auf der Universitäts-Bibliothek zu Krakau aufbewahrt werden. Die Aufschrift der Manuscripte lautet: 1. Compositio Astrolabii (1444). 2. Compositio novi Quadrantis (1444). 3. Canones super astrolabium Ptolemaei (1447). 4. Canones novi quadrantis (1447). Karliński hat bei Erwähnung dieser Manuscripte, (auf welche bereits Wiszniewski а. а. О. IV. 181 aufmerksam gemacht hatte) mit Recht hervorgehoben, dass die dort gegebene genaue Beschreibung der Instrumente für die Studirenden nur von Vortheil sein konnten, wenn sie dieselben unmittelbar vor Augen hatten (Rys dziejów obserw. Astron, p. s.). Auch Brudzewski soll nach dem Zeugnisse von Radyminski eine Abhandlung „de constructione astrolabii“ hinterlassen haben, welche Karlinski jedoch nicht aufgefunden hat. Bei der wissenschaftlichen Stellung Brudzewski’s lässt sich noch weniger annehmen, dass er, ohne eigene genauere Anschauung von den beschriebenen Instrumenten, nur die Arbeit eines Andern copirt habe.

Die Ueberlieferung bestätigt gleichfalls, dass seit der Mitte des 15. Jahrhunderts die damals gebräuchlichen astronomischen Instrumente zu Krakau vorhanden gewesen sind. Noch heute werden daselbst einige Astrolabien auf-

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ist Copernicus zu Krakau geübt worden. Zu seiner Zeit ist zwar nicht, wie in frühem Jahren, ein öffentliches Collég über den Gebrauch des Astrolabium gehalten. ’) Allein gerade diese mit der Praxis verbundenen Vorträge sind ja jederzeit mehr der Privat-üebereinkunft anheimgegeben. Dass Copernicus, nicht bloss als gründlich gebildeter Mathematiker, sondern auch als sorgfältiger Beo­

bachter die Universität Krakau verlassen, erfahren wir aus seinem Munde durch Rheticus. Dieser berichtet, es sei Copernicus, als er später die Universität zu Bologna aufgesucht, nicht mehr als Schüler angesehen, sondern habe bereits in selbstständiger Weise die Rechnungen und Beobach­

tungen seines dortigen Lehrers Dominicos Maria di Ferrara unterstützt. 2)

Copernicus selbst hat der Universität Krakau, die ihm zuerst die Bahnen der Wissenschaft eröffnet hat, stets ein treues Andenken bewahrt.3) Leider hat uns die Ungunst der Jahrhunderte, wie so Vieles von Copernicus verloren gegangen ist, auch den Briefwechsel entzogen, welchen der­

selbe mit seinen frühem Lehrern und Mitschülern in Krakau geführt hat. *) Von diesen Briefen des

bewahrt, von denen man annimmt, dass sie durch Martin von Olkusz (welcher mit Regiomontanus in Italien gewesen) nach Krakau gekommen sind. Äusser den altern unvollkommneren Instrumenten hat Copernicus also auch diese bessern Astrolabien auf der Krakauer Universität bereits vorgefunden.

Karliński verdanken wir (a. a. 0. p. 7. 8. und p. 64 ff.) nähere Angaben über die noch gegenwärtig zu Krakau aufbewahrten alten astronomischen Instrumente. Das eine von den ältesten Astrolabien ist arabischen Ursprungs. Es ist ganz gleich dem zu Berlin auf der Königl. Bibliothek aufbewahrten, von welchem Woepcke eine eingehende Be­

schreibung in den Abhandlungen der mathemat. Klasse der Berliner Akademie der Wissenschaften (Jahrgang 1858) geliefert hat. Neben verschiedenen Angaben in arabischer Sprache enthält das Krakauer Astrolabium auch noch spätere Zusätze in lateinischer Sprache. Die Breiten-Bestimmungen sind für Gondar in Nubien, für Mekka, Siut (?) u. Kairo angegeben, dann für Saragossa, Andujar (?) und Toledo, endlich für Padua u. Wien-Pressburg. Die letzteren Notizen zeigen zugleich den Weg an, auf welchem das Astrolabium nach Polen gewandert ist, von Spanien über Italien und Wien oder Ungarn. — Ein zweites Astrolabium, grösser als das eben beschriebene, ist nach der Aufschrift im Jahre

1486 angefertigt.

’) Nach Ausweis des liber diligentiarum ist an der Jagellonen-Universität eine öffentliche Vorlesung über den Gebrauch des Astrolabium im Winter 1487/88 von Stanislaus aus Krakau gehalten worden („Cánones astrolabii“).

In den folgenden Jahren bis 1495 findet sich eine ähnliche Vorlesung nicht angekündigt.

2) Der im Texte erwähnte Bericht des Rheticus findet sich im Eingänge der Narratio prima: „Cum 0. doctor meus Bononiae non tarn discipulus quam adjutor et testis observationum Viri Dominic! Mariae summa cura

observationes adnotasset etc.

3) Ein Zeitgenosse des Copernicus hat in einem — noch bei Lebzeiten des grossen Mannes veröffentlichten — Schriftstücke Zeugniss abgelegt von der Anhänglichkeit, welche Copernicus noch in seinem hohen Alter der Bildungs- Stätte seiner Jugend bewahrt habe. Albert Caprinus schreibt in dem Widmungs-Briefe an den Bischof Sam. Macie­

jowski von Plock, d. d. den 27. September 1542, welchen er seinem „Indicium astrologicum“ vorangestellt hat: „Ex hoc enim gymnasio (sc. Cracoviensi) multi mathemata hauserunt, qui in Germania magna cum laude et emolumento studiosorum eadem profitentur, quorum honoris gratia nomino Nicolaum Copernicum Canonicum Varmiensem, qui huius urbis olim hospitio usus erat et haec, quae scripsit in rebus mathematicis admiranda, plura etiam edenda instituit, ex hac nostra universitate ceu ex fonte primum accepit. Id quod ipse non solum non diffi- tetur (benignum esse et plenum ingenui pudoris indicio Pliniano existimaos profitori per quos profeceris: verum hoc quidquid est, totum nostrae tert acceptum Academiae.

4) Noch im Anfänge des 17. Jahrhunderts, als Starowolski seine vita Copernici schrieb, wurde ein Th eil des Briefwechsels, welchen Copernicus mit seinen Krakauer Freunden geführt, daselbst aufbewahrt. Diese Briefe befan­

den sich damals im Besitze des Prof. Job. Broscius, sind nach dessen Tode jedoch verschollen. Die Namen der Kra­

kauer Gelehrten, an welche die verloren gegangenen Briefe des Copernicus gerichtet waren, hat Starowolski a. a. 0.

uns aufbewahrt. Sein Bericht lautet:

Copernicus familiares bábuit Vapovium Cantorcm Cracoviensem, ad quem scripsit epistolam de motu octavae sphaerae, Nicolaum de Schadek, Martinum de Olkusz, Mathematicos Cracovi-

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Copernicus hatte im Anfänge des 17. Jahrhunderts Professor Broscius zu Krakau eine grössere Zahl zusammengebracht; es hat sich von ihnen jedoch nur ein einziger in einer Abschrift erhalten. ')

Wie lange der Aufenthalt des Copernicus in Krakau gewährt hat, kann nicht mit voller Be­

stimmtheit angegeben werden. Fast nach subjektivem Belieben sind mitunter ganz entgegengesetzte Zeit-Angaben gemacht worden. Einige von den Schriftstellern, welche über das Leben von Coper-

enses, olim condiscípulos snos, cum qui b us conferebat de ecclipsibus et earum observationibus, ut patet ex epistolis manu illius scriptis, quas habet in academia Cracoviensi Job. Broscius.“

Äusser Vapovius, Nicol, de Schadek und Martin de Olkusz, welche Starowolski an der mitgetheilten Stelle als Mitschüler des Copernicus bezeichnet, hat er im Eingänge seiner Biographie auch noch Jacob de Cobylin als Studien­

genossen desselben angeführt. Von ihm weiss Wiszniewski (a. a. O. III. p. 146) nichts weiter mitzutheilen, als was Starowolski berichtet. — Vapovius (Bernhardus de Mnyschewo, Wapowski) ist durch das Promotions-Buch als (etwas älterer) Studiengenosse von Copernicus beglaubigt; er wird 1493 baccalaureus, 1495 magister.

Ein dem Copernicus gleichaltriger Astronom Martinus de Olkusz ist den Polnischen Literar-Historikern unbe­

kannt. Die Universitäts-Matrikel führt zwar unter den Coaetanen des Copernicus einen Martinus de Olkusz auf; allein von dessen literarischen Verdiensten weiss Niemand etwas. Wahrscheinlich liegt hier ein Irrthum Starowolski's vor, indem er den durch seine akademische und schriftstellerische Thätigkeit bekannten Martin de Olkusz zu einem Mit­

schüler des Copernicus macht. Dieser war einer seiner Lehrer und als solcher vielleicht mit ihm befreundet, er hatte in dem Jahre 1491, in dem Copernicus immatriculirt wurde, bereits den Magister-Grad erlangt. — Auch in Betreff des Nicolaus de Schadek, welcher viele Jahre hindurch Docent an der Krakauer Universität gewesen, ist Starowolski’s Angabe irrig; derselbe ist viel jünger als Copernicus, er wurde erst im Jahre 1508 baccalaureus.

’) Der im Texte erwähnte Brief, der sich nur in einer einzigen Abschrift erhalten hat, ist an Wapowski ge­

richtet d. d. 3. Juni 1524. Er enthält das für uns wichtige Gutachten des Copernicus über die Schrift eines Nürnberger Astronomen Job. Werner „de motu octavae sphaerae.“ Starowolski hatte des Briefes in seiner vita Copernic! Erwäh­

nung gethan. Gassendi bedauerte deshalb, dass ihm dieses Schriftstück nicht zugänglich gewesen sei. Tycho Brahe besass eine Abschrift aus zweiter oder dritter Hand, wie er selbst in s. Schrift de cometa sagt. Weiteren Kreisen blieb der Wortlaut des Briefes jedoch unbekannt, bis die Warschauer Ausgabe der Copernicanischen Werke einen Abdruck brachte. Hipler in s. Spicileg. Copern. p. 172 ff. und der Vf. in s. Mouumenta Copernicana p. 141 ff. haben den Brief wörtlich aus der Warschauer Ausgabe übernehmen müssen, da die Gelehrten, welche dieselbe besorgt haben, geflissentlich eine jede Quellen-Angabe vermeiden. Erst Polkowski haben wir es zu danken (Żywot Mik. Kopernika p. 214), dass uns die Quelle bekannt geworden ist, aus welcher die Warschauer Herausgeber den Abdruck besorgt haben. Die Handschrift wird auf der Kgl. Bibliothek zu Berlin aufbewahrt (Msc. lat. fol. 83). Sie scheint Ende des 15. oder Anfang des 16. Jahrhunderts gemacht zu sein und war — wie eine Randbemerkung angiebt — früher einer Ausgabe des Copernicanischen Werkes de revolutionibus Orbium coelestium angefügt; weitere Angaben fehlen ganz.

Eine andere Abschrift des Copernicanischen Briefes soll sich nach Hipler (Altpreuss. Monatsschrift X, 208) auf der Strassburger Bibliothek befunden haben.

Der Text der Berliner Copie ist vielfach entstellt; einige offenbare Schreibfehler sind bereits durch die War­

schauer Herausgeber entfernt worden. Manches Wichtigere lässt sich nach dem Hauptwerke verbessern, namentlich was die Zifferwerthe betrifft. Sehr entstellt ist besonders der vierte Absatz der Warschauer Ausgabe (p. 577). Durch eine glückliche Conjectur Karlinski’s sollten in dem Eingangssatze die sinnentstellenden Worte „ est contraria“ in „e con­

trario“ umgewandelt werden. Die Einsicht des Manuscripts ergab die Richtigkeit der Conjectur. Danach lautet nun der erste Satz:

Scientia stellarem est ex eorum numero, quae praepostere cognoscuntur a nobis quam secundam náturám. Quem- admodum verbi gratia: pries natura novit (?) viciniorcs esse terrae planetas qnam fixa sidera, deinde quod sequitur, ut minus vibrantes appareànt nobis; e contrario, antea visi sunt non scintillare et exinde cognitum propinquiores esse terrae. Der Schluss des 4. Satzes des erw. Alinea ist nach dem Manuscripte zu lesen ... quoniam consideratis visisque stellarem locis astipelatione quadam omnibes conveniret. istatt „visis, quae“).

Gegen das Ende des Briefes ist das Wort „duabus“ ausgelassen in dem Satze, welcher in den Monum. Copern.

p. 149 leider durch den Setzer arg entstellt ist, indem derselbe eine ganze Zeile hat ausfallen lassen. Der Verfasser benutzt die hier gebotene Gelegenheit auf diese Verstümmelung aufmerksam zu machen, indem er den betreffenden Satz nach dem Manuscripte folgen lässt. „Et haec de Motu octavae sphaerae in longitudinem. Quid de motu quo que de- clinationis existimandum sit, involvit non ipsum duabus ut ait trepidationibus instruendo secundam hane supra primam“

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