• Nie Znaleziono Wyników

Historische Monatsblätter für die Provinz Posen, Jg. 20, 1920, Nr 5.

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Share "Historische Monatsblätter für die Provinz Posen, Jg. 20, 1920, Nr 5."

Copied!
20
0
0

Pełen tekst

(1)

XX. Jahrgang | Nr 5. § Januar 1920 'j

t/VWWWWWVWVWIMWWWVVVWVÄ

historische

Monafsbläffer

für die Provinz Posen.

&—

I n h a lt

---\>

Seite A W a r s c h a u e r , Erinnerungen

aus Warschau... 65 J. K o h t e , Zur Geschichte Frau-

stadts im 18. Jahrhundert... 76 Nachrichten:

1. Die versuchte Erneuerung der Posener Seidenkultur nach 1840, von M. Laubert ... 78 2. Kriegsnachrichten in Warschau

1813, von M. Laubert,. . ... 79 3. Kurt Schottmüller f, von A.

Warschauer... 80

^---- ----D

Alle Rechte Vorbehalten.

9 ^ * Z u r B e a c h t u n g ! Anzeigen für Seite 2 bis 4 dieses Anzeigen-Umschlages werden mit 25 Pf. für die halbe Zeile oder deren Raum berechnet. Mitgliedern der Historischen Gesellschaft steht eine Preisermässigung von 25% zu. Sendungen sind: „An den Vorstand der Historischen Gesellschaft zu Posen, Geh. Rat M a rtell, Am Königsring 3b zu richten.

\WWWvVV)

Preis des Jahrganges <, (12 Nummern) 4 Mark f

^ M \/W W W W W W A %

| Preis der Einzelnummer

I 50 Pf.

(2)

I

(3)

HISTORISCHE ' MONATSBLÄTTER

I n h a l t : A. W a r s c h a u e r , Erinnerungen aus Warschau. S. 65. — J. K o h t e , Zur Geschichte Fraustadts im 18. Jahrhundert. S. 76.

Nachrichten. S. 78.

E rinnerungen aus W arsch au .

D er Verfasser dieser Erinnerungen war zur Zeit der deutschen Okkupation in P olen drei Jahre als Direktor der deutschen Archiv Verwaltung in Warschau tätig. D ie ihm dort obliegende A ufgabe war wissenschaftlicher N atur und lag dem politischen und w irtschaftlichen Leben vollkommen fern. D ie nachfolgenden Bemerkungen beanspruchen des­

halb nicht, politisch wertvolle Aufschlüsse zu erteilen, son­

dern wollen nur unbefangen von den in Warschau gewon­

nenen Eindrücken erzählen, vielleicht m it mehr Ruhe, als es gewöhnlich in Zeiten schwerer nationaler Konflikte mög­

lich ist. Auch brachte den V erfasser seine Tätigkeit und eine R eihe von Beziehungen persönlicher [Natur in Berüh­

rung m it Kreisen, die dem deutschen Beam ten sonst fern lagen, endlich unterstützte ihn die K enntnis der polnischen Sprache und Geschichte, seine .Herkunft aus den gem ischt­

sprachigen Landesteilen des preussischen Ostens, sowie eine gewisse, jahrzehntelang gepflegte Gewöhnung, die ihn um­

gebende polnische W elt m it Interesse zu betrachten, in dem Bestreben, die ihm in Warschau sich erschliessenden neuen Verhältnisse von einer höheren W arte als derjenigen der Partei zu beurteilen.

Das Ende der deutschen H errschaft in P o len durch den polnischen Staatsstreich vom 11. Novem ber 1918 war bekanntlich verhängnisvoll und demütigend. A llen deutschen

für die Provinz Posen. &

Jahrgang XX. Posen, Januar 1920 Nr. 5

(4)

66

Beam ten und Militärs wird der Abschluss ihrer Tätigkeit im Lande und ihre A bfahrt aus demselben eine trübe Er­

innerung sein. Trotzdem werden wenige die in dem eigen­

artigen frem den Lande und seiner schönen und interessanten Hauptstadt verbrachte Zeit in ihrem Leben missen wollen.

Im allgem einen werden die Bilder, die der deutsche Fremd­

lin g in seiner Seele aus W arschau davongetragen hat, freundliche genannt werden dürfen.

Zunächst das S t a d t b i l d selbst, das in buntem W echsel sich in Stadtteile ganz verschiedenen Charakters auf löst und gerade deshalb einen Zug ins W eite und Gross­

artige erhält.

Durch zwei einander und der W eichsel parallel von Worden nach Süden führende Strassenziige, nach Osten die Krakauer Vorstadt, die sich in der N euen W elt und der Tljazdowska-Allee fortsetzt, und nach W esten die Marschall­

strasse pulsiert das moderne Grosstadtleben Tag und N acht in voller Farbenpracht und glänzendem Scheine. D iejenigen, die Warschau von früher her kennen, Aviederholen immer wieder, dass in Friedenszeiten, als die Russen H erren von P olen waren, dieses Grosstadtleben hier noch um vieles stärker flutete und nur ein schwacher Schimmer davon zu­

rückgeblieben sei, und man wird glauben dürfen, dass der Prunk, den die russischen O ffiziere und besonders ihr weib­

licher legitim er oder illegitim er Anhang hier entfaltete, durch ihre deutschen N achfolger in ihrem schmucklosen feldgrauen A eusseren keineswegs ersetzt wrorden ist. V on den meist engen Verbindungsstrassen, die diese beiden Hauptadern des modernen Verkehrs m it einander in V er­

bindung setzen, nahm bei den Deutschen das grösste In ter­

esse in Anspruch die H eilige K reuzstrasse: der M ittelpunkt des Buch- und Antiquitätenhandels. Fast in jedem H aus dieser langen, engen Strasse befindet sich ein solcher Laden, die Besitzer sind m eist Juden, viele von ihnen haben mit den kauflustigen deutschen Beam ten und O ffizieren, die man aussuchend und handelnd zu allen Zeiten des Tages vor ihren Ladentischen stehen sah, gute Geschäfte gemacht.

Freilich gehört zum Einkauf altertümlicher und antiqua­

rischer Seltenheiten ein spezielles Verständnis, das nicht leich t zu erringen ist, und mancher Deutsche, der einen verm eintlichen Schatz zu hohem Preise erstanden hat, wird, in die H eim at zurückgekehrt, von Sachkennern eine er­

nüchternde Schätzung nur ungern hingenomm en haben.

Immerhin ist es dem in W arschau vorübergehend tätig ge­

wesenen Direktor der städtischen Sammlungen in Dresden,

(5)

P rofessor Dr. M inde-Pouet, gelungen, bei einem Antiquar unter Makulatur 28 B riefe Christian G ottfried Körners aus Dresden, des Vaters des Dichters Theodor Körner, darunter 8 an seinen Sohn und 7 an Schiller, ausfindig zu machen, die später durch die Stadt Dresden für ihre Sammlungen erworben worden sind.

V on den anderen Stadtteilen ist für den Geschichts­

freund der interessanteste die m ittelalterliche K olonialstadt, die in die A l t s t a d t und die N e u s t a d t zerfällt und sich nordwestlich an den Schlossplatz anschliesst. Deutsche, die aus Posen oder W estpreussen nach W arschau kamen, fanden hier genau das Planschem a der Stadtanlage wieder, das ihnen aus der A ltstadt Posen oder Thorn vertraut war, und zwar in einer W iederholung, wie es zum Beispiel die Stadt Grätz im Posenschen aufweist. H ier wie dort handelt es sich um m ittelalterliche A nsiedelungen zu deutschem Recht unter starker B eteiligung deutscher Einwanderer.

D er M a r k t der A ltstadt Warschau, in dessen M itte früher das Rathaus stand, zeigt noch heute in seiner ge­

schlossenen Anlage und dem A ufbau und der A usstattung seiner einzelnen Gebäude das fesselnde Gepräge altertüm­

licher Eigenart. Immer von neuem zog dieser Platz, der so ganz an die Marktplätze der ostdeutschen H eim at erinnert, die deutschen Gäste an, und immer wieder sah man sie die Fassaden und steilen Giebel betrachten oder in die engen H öfe, winkligen Gänge oder auf den gewundenen Treppen verschwinden. Für ebenso anziehend aber wurde ein Spazier­

gang durch das J u d e n v i e r t e l gehalten, hier allerdings weniger wegen der gewiss recht nüchternen A rchitektur der W ohngebäude, als wegen ihrer Bewohner, die sich, wenn nicht gerade Sabbath war, jederzeit geschäftig auf der Strasse zeigten. Was dem Fremden an den Warschauer Juden sofort in die A ugen fällt, ist ihre Menge, wie man sie in deutschen Städten, wo der jüdische Prozentsatz der Einwohner auch ansehnlich ist, nicht annähernd zusammen zu sehen gewohnt ist, ferner ihre äussere Erscheinung.

Zwar wird der eigentliche K aftan nicht mehr getragen — nur die Rabbiner haben ihn beibehalten — , dafür hat sich eine andere uniforme K leidung bei ihnen ein g efü h rt: langer, dunkler Rock und kleine runde M ütze; die Juden­

frauen dagegen kleiden sich nach den V orschriften mo­

dernster Mode, und es gewährt einen eigenartigen Anblick, einen jüdischen, in seine Tracht gekleideten • Mann neben seiner Frau oder Tochter einhergehen zu sehen. H ingegen ist es zw eifellos, dass G esichtsschnitt und Ausdruck bei den

(6)

68

Männern fesselnder ist als bei den Frauen, obgleich ma®

unter den letzteren manche dunkle Schönheit bemerkt. Di&

echweren, durch die Jahrhunderte hindurch getragenen Leiden und Entbehrungen, sowie die geistige Arbeit, die ihre Erwerbstätigkeit und das allgem ein betriebene Studium des Talmuds m it sich brachten und von Generation zu Ge­

neration forterbten, hat eine anziehende Ausprägung in ihren Gesichtszügen gefunden, und man wird viejfach von dem edlen Schnitt und dem durchgeistigten Ausdruck dieser Charakterköpfe betroffen. D ie m eisten D eutschen werden auch im Judenviertel von Warschau zuerst den Jargon ver­

nommen haben, die Muttersprache der polnischen Juden, die in ihrem W ortschatz und in ihrer Grammatik zw eifellos ein deutsches Idiom ist und noch manches Goldkorn alten deutschen Sprajchguts in sich birgt. D er Jargon belegt die übrigens auch historisch nachweisbare Tatsache, dass die Vorfahren der polnischen Juden aus Deutschland nach P olen eingewandert sind. D er erste grosse Schub stammt aus dem 13. Jahrhundert und hat sich in den Städten nieder­

gelassen, die der deutschen K olonisation ihre E ntstehung verdanken. East alle Warschauer Juden, ausgenommen etwa die älteren Frauen, verstehen übrigens auch polnisch, und in folge des deutschen Grundcharakters des Jargons wird ihnen auch die Erlernung der deutschen Sprache leicht.

B einahe jeder W arschauer Jude, der auch nur einige Schul­

bildung genossen hat, versteht, schreibt und spricht die drei Sprachen und ü bertrifft darin den Polen, bei dem eine vollkommene Beherrschung der deutschen Sprache selten angetroffen wird. D ieser Umstand hatte zur Zeit der deut­

schen B esetzung die merkwürdige Folge, dass die deutsche Verwaltung, für ihre Bureau- und H ilfsdienste vielfach au f einheimische K räfte angewiesen, sehr viele jüdische junge Leute und Mädchen anstellen musste, da sie neben dem Polnischen das D eutsche besser beherrschten. D eutsch sind auch durchweg die Fam iliennam en der Juden, wie ein Blick auf die zahlreichen Firmenschilder in der Judenstadt zeigt.

D er G rund lieg t darin, dass die Juden Polens Fam ilien­

namen erst zur Zeit der ersten preussischen H errschaft im Lande nach den Bestim m ungen des General-Judenreglements für Siidpreussen und Neuostpreussen vom 17. A pril 1797 anzunehmen genötigt wurden. D ie Nam enwahl, die sie unter dem E influss der preussischen Beam ten trafen, war vielfach seltsam und widersprach in einzelnen Fällen allen sonstigen G esetzen der Namensbildung. Man konnte häufig D eutsche in der Judenstadt sehen, die sich auffallende Nam en, w ie:

(7)

Jungfernm ilch, K räuterthee, Postbrief, B riefkasten, Leben- sold, Langleben, Leibsohn in ihre Notizbücher eintrugen.

E inen besonderen R eiz gewährt das Stadtbild von W ai schau durch die grosse Reihe wohlgepflegter P a r k ­ a n l a g e n in der Stadt und ihrer Umgebung. A n der Ost­

seite der Ujazdowska-Allee folgen drei grossartige Anlagen verschiedenen Charakters einander: der U jazdow ski-P ark in englischem Stil, der Botanische Garten, vorzüglich zu Lehrzwecken, und der Lazienki - Park, 'eine grossartige Schlossgartenanlage, deren M ittelpunkt das berühmte Som- Tnerschlösschen des letzten polnischen Königs Stanislaus A ugust Poniatowski bildet. Leider aber hatten die Russen aus ihm alle K unstwerke und die Bibliothek entführt, so dass man, wenn man sich dort herumführen liess, einen etwas kahlen Eindruck gewann. Auch das im Freien ge­

legene N aturtheater machte einen etwas melancholischen Eindruck. M it V ergnügen erinnerte ich mich, hier vor etw a zehn Jahren in einer milden Sommernacht ein farben­

prächtiges B allett der W arschauer Oper m it angesehen zu haben. Gespielt wurde auf einer Bühne an einem kleinen See, an dessen U fern die Zuschauerreihen aufsteigend an­

geordnet Avaren. Jetzt, zur Zeit der deutschen Besetzung, mussten die W arschauer wie auch ihre Gäste dieses V er­

gnügen entbehren; die Oper wTagte wohl das Unternehm en wegen der grossen K osten und der unsicheren Einnahmen nicht.

D er bekannteste Park Warschaus ist der Sächsische Garten. E r liegt im M ittelpunkt der Stadt und ist von ge­

pflasterten Vevkehrsstrassen von N orden nach Süden und von Osten nach W esten, allerdings nur für Fussgänger, durchzogen. Den Rokokocharakter der ganzen A nlage be­

tonen zahl reiche Sfntnen desselben Stiles. Auch ein Sommer­

theater, ein K affee, eine Brnnnenhalle usw. umschliesst der Garten. M it besonderem Geschick ist ein grösser T eil der Ruhebänke so angeordnet, dass sie der Sonne ungehindert zugänglich sind, so dass sie an hellen Tagen auch während der kühleren Jahreszeit benutzbar sind. D ie Fremden hat die Fülle der Besucher dieser Gärten, besonders des Sächsi­

schen Gartens, oft in Erstaunen gesetzt. D ies hing w^ohl damit zusammen, dass unter den Gewerbetreibenden vielfach G eschäfts!osigkeit herrschte und die Leute zur Erholung Mn sse hatten. Ucbrisrens konte man häufig hören, dass der Charakter des den Sächsischen Garten besuchenden P ubli­

kums sich geändert hätte. D ie zahlreichen deutschen O ffi­

ziers- und B eam tcnnnifonnen brachten einen neuen Ton

(8)

70

hinein, vor allein aber war die zu russischer Zeit bestehende V orschrift, dass langröckige Juden den Garten nicht be­

treten durften, nicht mehr in G eltung, und es wurde von der ungewohnten Erlaubnis reichlich Gebrauch gemacht.

Tatsächlich waren auch in früheren Zeiten an allen E in­

gängen des Gartens W ächter aufgestellt, die scharf a u f etwaige Eindringungsversuche der Langröckigen aufpassten.

U n ter den sonst verhassten Massregeln der früheren R egie­

rung war diese dem polnischen Publikum wohl am wenigsten unangenehm, und man konnte dem zufolge o ft unliebsame Aeusserungen über die neuen Besucher vernehmen.

So ist den zahlreichen Deutschen des H eeresgefolges die interessante und lebhafte Stadt, die den m eisten von ihnen für drei Jahre die H eim at ersetzen musste, schnell ein behaglicher A ufenthaltsort geworden, und manche von ihnen haben sich auch m it ihrer Geschichte und ihren Kunstdenkmälern beschäftigt. Schwieriger und wandlungs­

reicher war dagegen da/S V e r h ä l t n i s d e r D e u t s c h e n z u d e r e i n g e s e s s e n e n B e v ö l k e r u n g , und es liesse sich vieles über die Ausgestaltung dieser Beziehungen er­

zählen. So viel steht fest, dass die Polen die Deutschen nicht als die feindlichen Eroberer ihres Landes betrachteten;

dazu war das Leid, das die russische R egierung ihnen an­

getan hatte, noch in zu frischer Erinnerung. Aber auch als B efreier von dem russischen Joch galten sie nicht,, selbst nicht, als etwa ein Jahr nach dem Einzug der Deutschen und Oesterreicher beide Mächte sich entschlossen, zur W iederaufrichtung eines polnischen Reiches die Hand zu bieten. D er merkwürdige Staatsakt im Stadtschloss zu Warschau, in dem ein deutscher und ein österreichischer General unter polnischen Bannern m it dem weissen Adler die W iedererstehung des polnischen Staatswesens ankün­

digten, entbehrte eigentlich jeder Warme, da man von deutscher Seite sich noch nicht zum Verständnis seiner poli­

tischen N otw endigkeit und Tragweite durchgearbeitet hatte, von polnischer aber aus dem Misstrauen und der Zurück­

haltung nicht herauskam. W enn die P olen m it den D eu t­

schen vertraut wurden, gestanden sie wohl auch den tiefsten Grund ihrer pessimistischen Anschauungen ein: sie glaubten nicht an den endgültigen Sieg der D eutschen. Trotz aller Siege au f den Schlachtfeldern und der Grösse der Erobe­

rungen glaubten sie doch, dass Deutschland der Ueber- macht seiner vereinigten G egner nicht standhalten werde.

Sie haben darin zw eifellos klarer gesehen, als damals w ir selbst, und waren also mehr als ungewiss, ob es den D eu t­

(9)

sehen möglich sein werde, ihnen gegenüber ihre Zusage zu erfüllen.

Im übrigen haben sich persönliche Beziehungen zwischen D eutschen und P olen vielfach angeknüpft, und es (kam von einem Nebeneinanderleben doch auch vielfach zu einem Zusammenleben. Am ersten zeigte sich dies bei den beiden Geschlechtern in den unteren Ständen. Schon in den ersten W ochen sah man deutsche Soldaten mit polnischen D ien st­

mädchen Arm in Arm in den düsteren Laubgängen des Sächsischen Gartens spazieren gehen; der K avalier verstand kein Polnisch, die Dam e kaum Deutsch, und doch scheinen sie sich mühelos miteinander verständigt zu haben. Später sah man auch deutsche O ffiziere und Beam te m it polni­

schen Fam ilien im Verkehr stehen, und in dem beliebtesten K a ffe e der Stadt» Lourse in der Krakauer Vorstadt, bemerkte man an den N achm ittagen häufig V ertreter und V ertrete­

rinnen beider N ationalitäten ein vertrauliches Plauder­

stündchen gem essen. Auch konnte man bei festlichen V er­

anstaltungen des Generalgouverneurs im grossen Saale des Stadtschlosses polnische Herren, besonders die Würden­

träger des neuerstandenen Staates, in bunter R eihe mit den D eutschen zusammen sitzen sehen. Auch die Salons der V ertreter Oesterreich-ITngarns vereinigten vielfach. A nge­

hörige beider N ationalitäten, endlich benutzten deutsche B eam te und O ffiziere polnischer H erkunft in der deutschen V erw altung ihre Verbindungen nach beiden Seiten zur Er­

m öglichung gesellschaftlicher Annäherung.

Im allgemeinen hielten besonders in der ersten Zeit die Polen nicht mit Aeusserungen zurück, die eine hohe Anerkennung für deutsche K ultur und W issenschaft, deut­

schen Ordnungssinn, deutsche Sitte, Zucht und Tapferkeit ausdrückten; zwar konnte man keine Zuneigung oder V or­

liebe für das deutsche W esen erkennen, denn dazu war der Charakter der beiden N ationalitäten zu verschieden von einander, wohl aber Achtung, ja eine gewisse Bewunderung.

Wärmer waren von voimheren die G efühle, die die Juden den Deutschen entgegenbrachten ; sie betrachteten die D eut­

schen als Erlöser von dem unerträglichen russischen Joch.

Man erzählte sich in Warschau, dass einzelne Juden in wahnsinniger Freude bei dem Einzug der deutschen R eiter ihnen nachgelaufen seien und ihren P ferden die Schwänze geküsst hätten. Freilich verkümmerten die Ansätze zur Ueberbriickung der nationalen Gegensätze später unter den aufreizenden W irkungen der immer notwendiger werden­

den deutschen Kriegsmassregeln, die den P olen nicht er­

(10)

spart und von ihnen als Unrecht und als Bruch der ihnen gegebenen Zusagen em pfunden wurden. Besonders die B e­

schlagnahme der M etalle und vieler W aren und R oh stoffe, die allmähliche Lahm legung des H andels und der Industrie und das unerhörte W achsen der Preise aller Lebensm ittel machte immer mehr böses B lut, und sowohl die P olen als die Juden begannen den D eutschen als Feind zu betrachten, da man ihm die alleinige Schuld aller U nbill beimass. W enn man darauf hinwies, dass P olen hierin das Los aller anderen Länder teilte, so erhielt man gewiss die Antwort, dass P olen ja keinen K rieg führe und Leiden ertragen müsse, ohne, wie der Deutsche, den Trost zu haben, für das Vaterland zu leiden. Langsam begann sich sogar wieder die Zeit der Russenherrscliaft in den A ugen der Landeseingesessenen zu verklären, und man fin g an, sich wieder nach den russischen Fleischtöpfen zu sehnen. Tatsächlich müssen nach den E r­

zählungen der P olen und Juden die Lebensm ittel zur Russenzeit ungewöhnlich billig gew esen sein. Ueberhaupt hatte man nicht den Eindruck, als ob die P olen und Juden m it den Russen schlecht gelebt hätten; im G egenteil war eine gewisse V orliebe für den russischen Volkscharakter klar erkennbar; die breite A rt der Lebensführung, das Leben und Lebenlassen, das dem Russen sowohl der unteren als der höheren Stände eigen war, war nicht vergessen und gab v.’olil G elegenheit zu unliebsamen V ergleichen m it dem deutschen Volksciiarnkter. Verhasst waren zu russischer Zeit eigentlich nur die R egierung und die Beam tenschaft gewesen. V on der Bestechlichkeit der letzteren hatte der Volkswitz mancherlei Anekdoten erfunden und man konnte viel Eigenartiges darüber erzählen hören. So knüpft sich an die Erzstatue des russischen Marschalls Paskiewicz in Warschau das oft angeführte W ort, er sei der einzige Russe in Warschau, der kein Geld nehme, w eil er nicht in der La «re sei, die Hand auszustrecken. Für die Selbstverständ­

lichkeit, mit der die russischen Beam ten Besteclm ngsgelder als laufende Einnahmen angesehen hatten, gab mir ein junger polnischer A nwalt ein treffendes Beispiel. B ei dem Abzug der Russen aus Warschau übergab ihm ein russischer Bezirkskommissar sein A m t mit der Kasse und der R egi­

stratur. H ierbei äusserte er, das Am t sei recht einträglich, da es jährlich etwa 15 000 Rubel brächte. Er bezog aber ein ordentliches Gehalt von nur 3000 Rubel, das übrige stellte er als „ausserordentliche Einnahm en“ in Rechnung.

E in besonderes K apitel bildet der lodernde H ass der Juden gegen die frühere^ russischen Machthaber, die zu den alten

(11)

Sünden vor dem K riege noch unzählige neue gehäuft hatten.

H ier konnte ich sogar eine moderne Legendenbildung be­

obachten. Aus jüdischem Munde hörte ich folgende G e­

schichte von der Rache des Rabbi von Sochaczewo. Dort beschuldigten die Russen eine grössere Anzahl Juden, die Deutschen begünstigt und gefördert zu haben. U nter den Beschuldigten befand sich auch der greise Rabbi und seine junge, schöne Tochter. Trotz der B eteuerung ihrer U n ­ schuld wurden sie zum G algen verurteilt, und zwar wurde die Tochter zuerst im A ngesicht des Vaters gehängt. Der A lte aber legte vor seinem Tode einen furchtbaren Fluch au f die Russen und prophezeite ihnen, dass der Sieg von nun an ihren Fahnen fernbleiben werde. Tatsächlich er­

schien dann jedesmal, wenn es zu einer Schlacht mit den D eutschen kam, der Rabbi in riesenhafter Vergrösserung vor den deutschen R eihen und jagte Todesschrecken in die ITeere der Gegner, die mit dem Schrei: „D er Rabbi von Sochaczew o!“’ heulend davonliefen. D ie Abneigung der einheimischen Bevölkerung gegen die Russenherrschaft kam zu sichtbarem Ausdruck durch die Entfernung aller äusseren Spuren derselben. A lle russischen A ufschriften auf Strassen- und Firmenschildern verschwanden schon in den ersten W ochen nncli der Besetzung. Jüdische G eschäfte brachten an Stelle der russischen A ufschriften vielfach deutsche a n ; später ging der nationale E ifer auch gegen die Denkmäler vor. So wurde das Denkm al auf dem Grünen P latz abge­

tragen. D er Zar Nikolaus I. hat es für sieben polnische Generäle errichten lassen, die beim Ausbruch der polnischen Revolution am 20. Novem ber 1830 auf russischer Seite gefallen waren. V on den P olen war es als ein Symbol natio­

naler Schmach um so mehr gehasst, als sie behaupteten, dass es den polnischen Generälen völlig fern gelegen habe, die russische P artei gegen die polnische zu ergreifen. Den Höhepunkt erreichte diese Stimmung durch die Nieder- reissung der Paskiewiczstatue auf der Krakauer Vorstadt, die, im Brennpunkt der polnischen H auptstadt stehend, als öffentliche Verhöhnung des polnischen Nam ens empfunden wurde.

So verschieden auch die politischen Anschauungen der Deutschen der Polenpolitik der R egierung gegenüber waren, so wird doch keiner von ihnen sich der Anerkennung und Bewunderung für die Konsequenz verschlossen haben, mit der die P olen ihren nationalen Standpunkt wahrten und keine G elegenheit vorübergehen Hessen, ihn kund zu geben.

K ein M ittel blieb unbenutzt, die nationale G lut des Volkes

(12)

74

anzufeuern. In rascher Folge wechselten historische und K unstausstellungen nationalen Charakters einander ab.

U nter den öffentlichen A ufzügen, die zu nationalen Erinne­

rungen veranstaltet wurden, war der imposanteste derjenige bei der Feier vom 3. Mai 191G zur 125. W iederkehr des Tages der M ai-Verfassung von 1791. A n dem Zuge haben sich H underttausende von M enschen jedes Geschlechts und A lters beteiligt, alle Behörden, alle Schulen zogen mit, auch die G eistlichkeit aller K onfessionen hatte ihre vornehmsten V ertreter, den Erzbischof an ihrer Spitze, entsandt. Auch die Juden hatten sich nicht ausgeschlossen, und das P u bli­

kum begriisste die Rabbiner der verschiedenen Richtungen im Zuge mit B eifall. W eitere M ittel der nationalen D e­

monstration, die in der letzten Zeit ihre Spitze wohl auch gegen die deutsche Okkupation richtete, bildeten die Streik­

tage, an denen alle G eschäfte geschlossen blieben und das öffentliche Leben völlig ruhte. H ierbei muss man aner­

kennen, dass es selten zu Ausschreitungen kam, obwohl die beschäftigungslose Menschenmenge die Strassen in dichten Massen durchflutete. Allerdings brauchte man von deut­

scher Seite die Vorsicht, an solchen Tagen von Zeit zu Zeit M ilitär die Strassen durchstreifen zu lassen. D ie Soldaten zogen gewöhnlich mit Musik und klingendem Spiel dahin und machten einen heiteren Eindruck; wer aber genau zu­

sah, bemerkte, dass sie M aschinengewehre im Zuge m it­

führten und also auch in der Lage waren, E m st zu zeigen.

Auch der E ifer, m it dem die P olen geistige, w i s s e n - s c h a f 1 1 i c li e u n d k ü n s t l e r i s c h e B e s t r e b u n g e n pflegten, erregte die staunende Bewunderung der Deutschen.

Da zur Russenzeit eine politische B etätigung der Volkskraft so gut wie ausgeschlossen war, so ist es vollkommen ver­

ständlich, dass sich alle geistigen und m ateriellen K räfte auf diese Gebiete warfen und in ihrer Pflege die nationalen Aussichten zu fördern sich bestrebten. Trotz der ernsten und schweren Zeiten spielten jeden Abend eine ganze M enge grösserer und kleinerer Theater, darunter K unstinstitute erstfn Ranges, auch jüdische Theater, in denen im Jargon gespielt wurde; vor allem die Pflege der "Musik war m uster­

gültig. Besonders aber erregte die Menge der öffentlichen w issenschaftlichen Vorträge Erstaunen. Solcher Vorträge waren allabendlich viele angekündigt und erfreuten sich immer eines grossen Zuspruchs. V ielfach mussten ganze Vortragszyklen wiederholt werden, da die Schar der Zu­

hörer zu "gross war. D ie polnischen Theater und K onzerte wurden von den Deutschen auch zahlreich besucht, den

(13)

Vorträgen mussten sie der Sprache wegen natürlich fern - bleiben.

N eben dem emporwachsenden Bau des polnischen gei­

stigen Lebens hatten sich in W arschau während der Okku­

pationszeit auch eine R eihe von Organisationen zur Pflege geistiger deutscher Interessen gebildet, die ebenfalls sehr Erhebliches leisteten. In Warschau spielte fast alle Abend ein deutsches Theater, der Generalgouverneur veranstaltete zahlreiche Vorträge, für die nam hafte deutsche G elehrte berufen w u rd en ; im letzten Jahre noch wurden ganze V or­

tragszyklen auf dem G ebiete sowohl der Natur- als der Geistesw issenschaften abgehalten, zu denen die bedeutend' sten Universitätsprofessoren Deutschlands nach Warschau kamen und sich wochenlang dort aufhielten. Auch fand ein deutscher Aerztekongress in Warschau statt. Eine An­

zahl deutscher Volksbüchereien sorgte für das Lesebedürfnis der Deutschen, schliesslich wurde auch noch eine in grossen Dim ensionen geplante wissenschaftliche Bibliothek für O ffi­

ziere und höhere Beam te angelegt.

So floss deutsches und polnisches geistiges Leben in getrennten Strömen nebeneinander dahin, ohne sich gegen­

seitig befruchten zu können, wobei das Haupthindernis nicht eigentlich der nationale Gegensatz, sondern die Sprache war.

D agegen bildeten die bedeutenden polnischen Sammlungen eine Art von Vereinigungspunkt, in dem sich deutsche und polnische Gelehrsamkeit und wissenschaftliche Forschung berührten. Das polnische Museum und die wechselnden K unstausstellungen, das Naturhistorische und das Gew^erbe- Museum wurden auch von den Deutschen viel besucht, und in den beiden grössten Privatbibliotheken Warschaus, der Krasinskischen und der Zamovskischen, waren deutsche B e­

nutzer stets willkommen und wurden m it Zuvorkommen­

heit behandelt. Leider starben während der Zeit der Okku­

pation die beiden Leiter dieser Bibliothek, Dr. Baranowski in jugendlichem, Professor Korzon in hohem Greisenalter, betrauert wie von den Landeseingesessenen so auch von den Deutschen, denen sie bei ihren Studien unermüdlich h ilf­

reiche H and geboten hatten.

Von deutscher Seite wurden in Warchau zwei streng wissenschaftliche Organisationen g esc h a ffen : die Landes­

kundliche Kommission und die Archiv Verwaltung. D iesel­

ben erregten auch in polnischen Kreisen Interesse. D ie Archiv Verwaltung beschäftigte neben einer grösseren A n­

zahl deutscher auch polnische Arbeitskräfte und machte die unter ihrer Verwaltung stehenden Archive der polnischen

(14)

76

G elehrten weit rückhaltlos zugänglich. D as von der Landes­

kundlichen Kommission herausgegebene Handbuch von Polen ist bereits in zweiter A u flage erschienen. W ie sehr auf dem G ebiete der K unstgeschichte Polentum und D eutschtum sich gegenseitig anzogen, mag man daraus erkennen, dass wäh­

rend der Okkupation der deutsche K unsthistoriker Gurlitt ein umfassendes W erk über die Kunstdenkmäler W arschaus, und der polnische Baum eister Lauterbach zu Warschau in der deutschen Sammlung „Berühm te K unststätten“ einen Band über W arschau in deutscher Sprache hat erscheinen lassen. Im allgem einen kann man wohl sagen, dass Polen und D eutsche auf dem Gebiete geistiger Arbeit und objek­

tiver Forschung am ersten und leichtesten den P unkt ge­

meinsamen Interesses gefunden haben.

Deutschtum und Polentum werden in der Zukunft zw eifellos in politischer, w irtschaftlicher und geistiger B e­

ziehung vielfach auf einander angewiesen sein, und die Rückkehr friedlicher Beziehungen wäre im Interesse beider N ationen sehr erwünscht. W enn der Plan, das polnische Staatswesen im Anschluss an die Zentralmächte aufzurichten, gelungen wäre, so wäre die gegenseitige B efruchtung auf allen G ebieten eine natürliche F olge davon gewesen. Das Schicksal hat es anders entschieden, und der polnische Staat baut sich in feindlichem Gegensatz zu den Zentralmächten auf. N ichtsdestow eniger aber muss eine A rt von Zusammen­

leben gesucht und gefunden werden, und die dreijährige Okkupationszeit wird trotz manches geschehenen M issgriffs und Irrtums als eine für die gegenseitige W ürdigung nicht fruchtlose Periode zu gelten haben. A. W a r s c h a u e r .

Zur Geschichte Fraustadts im 18. Jahrhundert.

önig A u gu st I I I ., d er 1733 seinem V ater in der H err­

sc h a ft P olen s u nd Sach sen s folgte, verließ nur ungern seinen W oh n sitz in D resden und kürzte d ie R eisen n ach P olen tu n lic h st ab. U m d iejen igen H an dlun gen zu vollziehen, zu d enen es gesetzlich der A nw esen heit d es K ön igs au f p olnisch em B od en bedurfte, p fleg te er n ach F ra u sta d t zu kom m en, w elch es er als d ie erste S ta d t d es K ön igreichs P olen v o n D resden au s in d reißig Stu nd en erreichen k onn te.

K ön ig S tan islau s A ugust, der in seinen Lebenserinnerungen*) die B eq u em lich k eit seines V orgängers trefflich k en nzeichn ete,

*) Die Memoiren des letzten Königs von Polen Stanislaus August Poniatowski, übersetzt von A. v. Guttry. (Polnische Bibliothek, München 1917.)

(15)

erzählt, daß er bei dessen Besuchen in Fraustadt einige Male- zugegen gewesen sei, 1752, als er die Ernennung seines Vater»

zum Kastellan von Krakau, und 1755, als er die eigene zum Truchseß von Litauen erhielt. Manchmal erweiterte sich der Aufenthalt des Königs infolge eines Consiliums des Senats oder des Empfanges eines fremden Gesandten. Alsdann waren in der Stadt zahlreiche beamtete Personen unterzubringen und Gelegenheit zur Abhaltung einer Versammlung zu treffen. Frau­

stadt war königliche Stadt; doch scheint das am Rande der Stadt gelegene Schloß, der Sitz des Starosten, für solche Zwecke nicht geeignet gewesen zu sein. Man wählte das Rathaus auf dem Markte; wie dieses bei solchem Anlaß benutzt wurde, lassen einige Zeichnungen in der großen Plansammlung des Haupt­

staatsarchivs in Dresden (Mappen Fach 84, 15 und 90, 18) er­

kennen.

Obwohl das Fraustädter Rathaus im 19. Jahrhundert eine Erneuerung erfahren hat, ist der Grundriß doch im wesentlichen bestehen geblieben. Die Dresdener Zeichnungen zeigen an der östlichen Langseite den Sitzungssaal des Senats; er öffnet sich auf eine hölzerne Laube, zu der vom Markte eine doppelarmige überdachte Treppe emporführt, von gediegener barocker Form­

gebung. Die dreigeschossige Front des Gebäudes trägt ebenfalls barocke Gestalt; die Treppen, die Gesimse und Mauerstreifen sind grau, die Mauerflächen wie das Ziegeldach rot angelegt.

Von dem noch mittelalterlichen Turme an der Nordwestecke führt ein hölzerner Gang hinüber zu den Wohnhäusern an der Westseite des Marktplatzes, die als Wohn- und Empfangsräume des Königs eingerichtet sind. Weiter führt wiederum ein hölzerner Gang über Treppen durch die Gasse nach der katholischen Pfarr­

kirche. Andere Blätter behandeln die Wohnungen des Fürsten Lubomirski und des Unterkanzlers Malachowski. Letzterer bekleidete dieses Amt 1736—46 und stieg danach zum Kanzler auf*); es handelt sich also um einen Bauentwurf aus den ersten Jahren der Regierungszeit Augusts III., was auch durch die Formgebung, namentlich der gefälligen hölzernen Laube nebst der Treppen bestätigt wird. Zu welcher Gelegenheit diese weit gehenden Anlagen entworfen wurden, ob sie einmalig oder wie vielleicht' der Saal mit der Laube und den Treppen des Rathauses dauernd gedacht, ob sie überhaupt ausgeführt worden waren, ist in Ermangelung schriftlicher Aufzeichnungen nicht zu entscheiden. Die Blätter bekunden von neuem, wie jene Zeit ihren festlichen Veranstaltungen einen bedeutsamen künstlichen Ausdruck zu geben verstand. J. K c h t e.

*) Bobrowicz, Herbarz polski, Bd. I, S. 345 u. 354.

(16)

Nachrichten.

I. Die versuchte Erneuerung der Posener Seidenkultur nach 1840’). Es ist allgem ein bekannt, dass Friedrich der Grosse die in seinen alten Provinzen unternommenen V er­

suche zur Förderung der Seidenkultur auch auf W estpreussen übertrug, wo er indessen selbst anerkennen musste, dass es ,,fiir die Maulbeerbäume dorten viel zu kalt“ sei 2). Trotz­

dem haben sich im N etzedistrikt die R este dieser Industrie bis zum W iederverlust des Landes durch den T ilsiter F rie­

den gehalten 3).

V öllig in Vergessenheit geraten ist dagegen die Tat­

sache, dass noch in weit späterer Zeit auf grosspolnischem Boden Versuche zur Wiedererweckung dieses Erwerbs­

zweiges unternommen worden sind. D ie Anregung hierzu gab der rührige I g n a z v. L i p s k i , der 1S40 nach Besuch einer Versammlung in Potsdam auf Grund der daselbst ge­

machten Erfahrungen den Seidenbau nicht nnr bei sich in Niew ierz einfiihrte, sondern namentlich auch die kleinen B esitzer zu interessieren versuchte. Im Frühjahr 1842 waren von ihm bereits 14 620 Maulbeerbäume gepflanzt.

D er Oberpräsident F lottw ell hatte ihm ein warmes Erm unte­

rungsschreiben g ew id m et4). D as gegebene B eispiel fand bei mehreren anderen Gutsbesitzern .Nachahmung, so bei dem Freiherrn v. Massenbach-Bialokosc, der freilich noch 1845 einen starken M isserfolg erlitt. Ferner zeigte H einrich von Treskow-Radojewo starkes Interesse. D ie Posener R egie­

rung versuchte durch einen Runderlass an die Landräte 1842 weitergehende Teilnahme zu erregen. Es gelang indessen auch dieses Mal nicht, die vorhandenen Schwierigkeiten zu überwinden. In einer auf die landrätlichen Berichte sich stützenden Ilauptübersicht vom 7. April 1847 an das Landes- ökonomiekollegium musste der O b e r p r ä s i d e n t v o n B e u r m a n n bekennen : Trotz aller behördlichen A ufm unte­

rung steckt dieser W irtschaftszw eig noch in den Anfängen.

D ie Tätigkeit der Interessenten hat sich in der R egel auf die Pflanzung von Maulbeerbäumen beschränkt, die in etwa 80 O rtschaften erfolgt ist, während man zur Zucht der

Nach den Oberpräsidialakten XVIA- 39 im Staatsarchiv zu Posen.

a) Max B är: Westpreussen unter Friedrich dem Grossen. I. S. 687.

Lpz. 1909.

3) Kiewing: Seidenbau und Seidonindustrie im Netzedistrikt von 1773—1805. Zsclir. d. Hist. Gesellsch. f. d. Prov. Posen. Bd. X. u. XI.

4) Lipski an Flottwell 29. Jan.. Antwort 6. Febr. 1840; Lipsjjj

Oberpräs. Grafen Arnim 30. Apr. 1842. an

(17)

Seidenwürmer nur an 7 Stellen übergegangen ist, so in Gorzyn bei Rittergutsbesitzer v. Harlem. D ie Gesamtaus­

beute der Provinz betrug 1846 nur % P fu n d Seide und 25 Pfund Cocons. D ie B eschaffenheit der W ohnungen auf dem Lande macht in den m eisten G egenden die Zucht ge­

radezu unmöglich. D ie Behörden bleiben also in der H aupt­

sache auf die H ilfe deutscher Lehrer angewiesen, aber auch diese sind zu dürftig gestellt, um irgendwelche K osten zu tragen. „U nter diesen Umständen kann ich erhebliche Fort­

schritte von diesem W irtschaftszweige zur Zeit nicht er­

warten.“

Bald darauf haben dann wohl die Unruhen des 48er Jahres die schwachen Anfänge völlig geknickt, und nur ver­

einzelte R este alter Maulbeerpflanzungcn mögen heut, noch an die geschilderten Versuche einiger unternehmungslustiger

Männer erinnern. Manfred Laubert.

2. Krlegsnachrichten in Warschau 1813. Die überall em pfun­

dene und vielfach aus p olitisch en Gründen genährte U nzuver­

lässigkeit der 1813 über die m ilitärischen E reignisse eingehenden N ach richten wuchs m it steigender E n tfern u n g vom K riegsschau­

platz und m achte sich in W arschau besonders fühlbar, weil hier die W ünsche der russischen Behörden denen der polnischen B e ­ völkerung schnurstracks zuwiderliefen.

H ierüber gib t ein B erich t des damals in der polnischen H au p tstad t w eilenden späteren P osener O berpräsidenten v. Z e r - b o n i an H a r d e n b e r g vom 19. Mai A ufschluss, worin es h eisst: D ie widersprechenden und unbestim m ten N ach richten, die die h iesige R egieru ng über die L age der D in g e bei der Armee hat, bleiben ein R ätsel. D en 16. abends brachte ein m it K ourier- pferden anlangender O ffizier die Kunde von einer bei B isch o fs­

werda am 12. vorgefallen en Schlacht, bei der N apoleon aufs H au p t geschlagen wurde und 28 K anonen und 3000 G efangene verloren haben sollte. Er versicherte, A ugenzeuge des K am pfes gew esen zu sein. B ei seiner A breise h atte die Arm ee B efehl, wieder über die Elbe zu gehen1). Am 18. erhielt aber die R eg ie­

rung B r ie fe aus dem H auptquartier d i e s s e i t s Bautzen, worin von dieser Schlacht n ich t die Rede ist. D ie P olen, die

„sichtbar au f anderen W egen als dem der P o st com m uniciren”, behaupten beharrlich unsere entschiedene N ied erlage. „F anatik er w issen die Franzosen schon in B erlin und w etten au f das A us­

bleiben der m orgigen Zeitung. In B reslau lassen sie alles flüchten . G utgesinnte drängen sich ängstlich an m ich und ver­

lan gen A ufschlüsse, die ich selbst n icht besitze. D ie h iesige

*) In W irklichkeit h atte dort an diesem T age nur ein unbe­

d eutendes G efech t der R ussen m it M acdonald stattgefu n d en , das m it dem R ückzug der ersteren endete.

(18)

80

R egieru n g ist ebensow enig bemüht, eingehende frohe N a ch ­ rich ten ins Publikum zu bringen als fü r die U nterdrückung nach ­ teilig er besorgt. Man rechnet doch zu zuversichtlich au f di*

A llian z m it dem H im m el2) . “ Laubert.

3. Kurt Schottmüller f . A m 11. A u gu st 1919 starb in D anzig im A lter von 48 Jahren der A rchivrat K u rt Schottm üller, dessen zu gedenken w ir hier V eranlassung haben, w eil ein grösser T eil seiner am tlichen und w issenschaftlichen T ä tig k eit der Provinz P osen angehört. A n fa n g 1897 tra t er, 26jährig, als H ilfsa r b e iter bei dem P rovinzialm useum und der Landesbibliothek in P osen ein und wurde ein halbes Jahr später in den D ien st des Posener S taatsarchivs übernommen, dem er bis Oktober 1906 m it einer VA jährigen U nterbrechung am tlicher T ätigk eit im Geh. S ta a ts­

archiv zu B erlin erhalten blieb. V on P osen wurde er nach D an ­ z ig an das d ortige S taatsarch iv versetzt und ist dort bis zu seinem Ableben geblieben. Sowohl in P osen als in D an zig stellte er seine gew andte Feder und seine ausgezeichnete Rednergabe ausschliesslich in den D ien st der ostm ärkischen G eschichts­

forschung. Besonders au f dem G ebiete der P osen er Landes­

gesch ich te h at er sich V erdienste erworben, die seinen N am en hier in gu tem K lan g erhalten haben. V iele seiner A ufsätze er­

schienen in der Z eitsch rift und in den M onatsblättern der H is to ­ rischen G esellschaft für die P rovinz Posen , auch die T ages­

zeitun gen und G elegenh eitssch riften wurden durch seine B eiträge bereichert. A us diesen A rbeiten seien hervorgehoben: „H andel und Gewerbe im R egierungsbezirk P osen bis zum Jahre 1851”, Sonderabdruck aus der F estsc h r ift der P osen er Handelskam m er,

„D ie M annsfelder im K loster Lubin’’, ein e E pisode aus dem 30jährigen K riege, M onatsblätter V 98— 104, „D eutsche Siede- lu ngen in der P rovinz P osen in T ille ’s deit.tsc?’enG eschichts- blätternV I 311— 23. F ür die Jahre 1899— 1904 rühren von ihm auch die U ebersichten der E rsch einu ngen au f dem G ebiete der P osen er P rovinzialgesch ich te in den H istorisch en M onatsblättern und den Jahresberichten der G eschichtsw issenschaften her. D as bedeutendste W erk zur P osen er L andesgeschichte aber ist sein B u ch : „D er P olen -A u fstan d 1806/07. U rkunden und A ktenstücke aus der Z eit zwischen Jen a und T ilsit” , das die H istorisch e Ge­

sellsch aft 1907 als B and I V ihrer S ond erveröffen tlich un gen er­

scheinen liess. D as W erk b ietet reich h altigen neuen Q uellen­

st o ff m eist aus den A kten des B erliner Geheim en S taatsarchivs und wurde von der K ritik m it grösser A nerkennung a u fg e­

nommen. N och mehr als zur Z eit seines Erscheinens wird es das In teresse des Lesers in unseren T agen erregen, in denen die dam aligen E reign isse nahezu eine W iederholung erfahren.

A. W a r s c h a u e r . 2) Nach Rep. 92 Hardenberg G. 1 im Geh. Staatsarchiv zu Berlin.

** i

R edaktion: Dr. W. L o e w e n t h a l , Posen? 2 -r-V ertag der H istorischen Gesellschaft für die Provinz Posen zu Posen u n d der H istorischen G esellschaft fü r den Netze-Distrikt zn.

B rom berg. — D ruck der Posener B uchdruckerei, T. A.

&io i

(19)

\

\

(20)

Im Verlage der Historischen Gesellschaft für die Provinz Posen erschienen bisher:

A. Sonderveröffentlichungen.

A. Warschauer: Stadtbuch von Posen. I. Band: Die mittel- JC alterliche Magistratsliste. Die ältesten Protokollbücher und Rechnungen. Posen 1892. Roy. 8'. 198 u. 527 S . 12,—

0 . Knoop: Sagen u. Erzählungen a. d. Prov. Posen. Posen 1893 Roy. 8°. 363 S... 7 , -

gebunden 8 ,—

Das Jahr 1793. Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte der Organisation Südpreußens. Mit 4 Portraits. Unter der Redaktion von Dr. R. Prümers. Posen 1895. Roy 8°. X u.

840 S... 1 2 ,- B. Sonderabdrucke aus der Zeitschrift und den Monatsblättern.

R. Jonas: Ein Deutsches Handwerkerspiel, nach einer handschrift­

lichen Überlieferung aus dem Kgl. Staats-Archiv zu Posen herausgegeben. 53 Seiten. 1885 ... 1,—

A. Warschauer: Die Chronik der Stadtschreiber von Posen. XLV t und 171 Seiten. 1888 ... 5 ,— | R. Roepell: J. J. Rousseaus Betrachtungen über die polnische | Verfassung. 24 Seiten. 1888 ... 0,80 l M. Beheim-Schwarzbach: Die Mäusethurmsage von Popiel und f Hatto. 48 S. 8'1. 1888... 0,50 \ E. Hoffmann: Hundertjährige Arbeit auf Gebieten des Verkehrs- * wesens i. d. deutschen Ostmark. Mit 1 Karte. 26 S. 1890, 1,20 f Fr. Schwartz: Die Provinz Posen als Schauplatz des siebenjährigen

Krieges. 52 Seiten. 1890... 1,20 R. Roepell: Das Interregnum, Wahl und Krönung von Stanislaw

August Poniatowski. 173 Seiten. 1892... ... ... 1,50 Ph. Bloch: Die General-Privilegien der polnischen Judenschaft.

120 Seiten. 1892... 2,50 M. Kirmis: Handbuch der poln. Münzkunde. XI u. 268 S. 1 8 9 2 .... 6 ,—

J. Landsberger: Beiträge zur Statistik Posens. 30 S. 1893... 0,60

William Barstow v. Guenther: Ein Lebensbild. 18 S. 1894. 1,—

A. Warschauer: Die Posener Goldschmiedefamilie Kamyn. 26 S.

Mit 6 Tafeln Abbildungen. 1894... 1,50 G. Adler: Das großpoln. Fleischergewerbe vor 300 Jahren. 1894. 2,80 H. Kiewning: Seidenbau und Seidenindustrie im Netzedistrikt von

1773 bis 1805. 1896... 1,50 H. Kleinwächter: Die Inschrift einer Posener Messingschüssel.

16 Seiten. Mit einer Tafel Abbildungen. 1897... 1,—

G. Knoll: Der Feldzug gegen den polnischen Aufstand im Jahre

1794. 126 Seiten. 1898... 3 , - ! F. Guradze: Der Bauer in Posen. I. Teil (1772 — 1815). 100 S. t 1898... 1,50 | J. Kohte: Das Bauernhaus in der Provinz Posen. Mit 2 Tafeln t und 5 Abbildungen. 16 S. 1899... 1,— ♦ J. Kvacala: D. E. Jablonsky und Großpolen. 154 S. 1901. 1,50 * R. Prümers: Tagebuch Adam Samuel Hartmanns, Pfarrers zu £

Lissa i. P. über seine Kollektenreise durch Deutschland, die Niederlande, England und Frankreich in den Jahren 1657—1659. t 279 S. 1901... 3 , - | G. Minde-Pouet: Kunstpflege in Posen. 80 S. 1902... 1,20 t G. Peiser: Über Friedrichs des Grossen burleskes Heldengedicht X

„La guerre des confederes. 52 S. 1903... ... 1,20 $ A. Warschauer: Die Epochen der Posener Landesgeschichte. 28 S. * 1904... 1 , - i t R. Prümers: Die Feier zum 100jährigen Geburtstage Schillers in |

der Provinz Posen. 15 S. 1905... 0,60 f

• A. Warschauer: Dex polnische Reichstag von 1603 in der } historischen Überlieferung und in der Darstellung des

| Schiller’schen Demetrius. 14 S. 1905... 0,60

P osener B uchdruckerei und V erlagsanstalt T. A., Poznan.

Cytaty

Powiązane dokumenty

Die Glctscher führten viele Gesteine nnd großeSchlannuinassen mit sich, die heute den Grund nnd Boden unserer Provinz und der ganzen nord- deutscheuTiefebene bilden oder iu

Das Jahr 1862, in dem sich in Posen übrigens auch ein neues „Komitee zur Veranstaltung einer Kunstausstellung in Posen“ bildete, dürfte demnach als das

kündigung des göttlichen Wortes und Darreichung der Sakramente gelegentlich nach dem ungastlich gewordenen Posen kommen lassen. In dieser Glaubensnot schlossen sie sich

Am folgenden Tage trat D^browski seinen Marsch gegen W esten an. Doch bewegten sich vor ihm als aufklärender Vortrab, rechts und links als Flankendeckung kleine

Wenn Kosinski seinen Abschied erbat, so that er dies nicht nur, weil ihm selbst die Erkenntnis aufdämmerte, dass seine Mission verfehlt war, sondern auch unter

schaften, Towarzystwo Przyjaciol Nauk. Im Jahre 1857 begründet, hatte sie als erste wissenschaftliche Organisation der Provinz bereits während eines Menschenalters im

aus Posen an Herzog Albrecht „quoniam sumus adhuc in medio consul- tationum promoventes modis omnibus pacem apud utriusque regis oratores hic praesentes, ideo

flüchtet wähnten, blieb unangetastet; dagegen wurden die Kirche in Dalewo, das Vorwerk Neuhof und benachbarte Dörfer, ja auch das Kloster Paradies heimgesucht.