• Nie Znaleziono Wyników

Innen-Dekoration : die Gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort, Jg. 31, Juni

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Share "Innen-Dekoration : die Gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort, Jg. 31, Juni"

Copied!
31
0
0

Pełen tekst

(1)

---•... r-"",""'

% ^ '' ;

•■»•vrSv

ARCHITEKT L U D W IG MIES—CHARLOTTEHBURG. HAUS URB1G. HAUPTE1NG ANC

(2)

XXXI. JAHRGANG. DARMSTADT.

J U N I 1 9 2 0 .

DIE FARBE IN DER R A U M K U N S T

D A S N E U E PR O B L E M U N S E R E R M A T E R IA L A R M E N Z E IT

E

s s te h e n uns in d e r R a u m k u n st z w e i W e g e offen. E s s te h t uns fre i: E n tw e d e r d ie in d e n le tz te n z w e i J a h r z e h n te n jä h a u fs te ig e n d e K u rv e u n s e r e r ra u m k ü n s tle ris c h e n L e is tu n g a b ­ z u b re c h e n o d e r u m z u k n ic k e n u n d la n g sa m h in ­ d ä m m e rn d rü c k w ä r ts zu g le ite n in e in e W ie d e r ­ h o lu n g d e s B ie d e rm e ie r, v ie lle ic h t a u c h in ein em f re u d lo s e n K o p ie r e n v o n S tilm ö b e ln fü r d e n E x ­ p o r t u n s e r D a s e in zu friste n . O d e r : T r o t z a lle r ä u ß e r e n S c h w ie r ig k e ite n h ie r au f d ie se m G e b ie t p o s itiv s c h a ffe n d e r K rä fte , in d e m k e in e N ie d e r ­ la g e e r f o lg te , k e in U m le rn e n n ö tig is t, in d e m a lle E n e rg ie n v o lle r S p a n n u n g w ie z u v o r , j a in e r h ö h te r P o te n z v o r h a n d e n sin d , d ie K u rv e w e ite r a u f w ä r t s s te ig e n z u la s s e n , N e u e s z u sch affen , d a s e r n e u te r A u s d r u c k u n s e re s G e is te s , u n ­ s e r e s W o l l e n s , d a s uns n e u e s E r l e b e n ist.

M a c h e n w ir a u s d e r N o t e in e T u g e n d . B ie te t u n s d ie M a te ria lb e s c h a ffu n g z u n ä c h s t u n ü b e r ­ w in d lic h e S c h w ie r ig k e ite n in d e m A u s b a u n e u e r F o r m e n , gut , so w e rfe n w ir u n s m it a lle r E n e rg ie au f d ie E n tw ic k lu n g d e s P ro b le m s d e r V e r w e n d u n g r e i n e r e r F a r b e in d e r R a u m k u n st.

H ie r b e tr e te n w ir N e u la n d , n o c h ju n g frä u lic h e E r d e . W a s h a b e n w ir d e n n b is h e r e r le b t v o n d e r

W irk u n g r e i n e r F a r b e n in g r ö ß e re n , u n s gan z u m s c h lie ß e n d e n R a u m flä c h e n ? W o a n d e rs h a b e n w ir d ie G e w a lt d e r F a r b e s ta r k e r le b t als e i n ­ g e h ü l l t in ih re S tr a h lu n g : u n te r d e m B lau u n d A b e n d r o t d e s H im m e ls d o m e s , u n te r d e m g rü n e n L a u b g e w ö lb e d e s F r ü h l i n g s w a l d e s ? W ir w isse n n u r: F r e u d e b r i n g e r i n — w ie di e M u sik

— ist d ie F a r b e . S ie , — d ie h o ld e Z a u b e r in Iris , G ö ttin d e s v e r s ö h n e n d e n , n a c h d e m U n ­ w e tte r h e ll sic h w ö lb e n d e n R e g e n b o g e n s , S c h u tz ­ g ö ttin a lle r B lum en, — v e rm a g b u n te s , k lin g e n d e s L e b e n z u w e c k e n , d a ß w ir ü b e r d a s d r ü c k e n d e G e f ü h l d e r V e ra rm u n g u n s la c h e n d h in w e g s e tz e n k ö n n e n . A u s n ü c h te rn e m R a u m m it n o tw e n d ig ­ s te m W o h n g e r ä t sc h a fft sie , d ie v ie r g r e n z e n d e n W ä n d e e rh e lle n d , a u flö s e n d , d u r c h b r e c h e n d : e in e g rü n e L a u b e , ein h e ite r e s G e m a c h , — v e r v ie l­

fä ltig e n d , b e r e ic h e rn d u n s e r R a u m e r le b e n , m it W ä rm e u n d A b g la n z d e r v o lle n , u n g e trü b te n L e b e n s fü lle uns s c h m e ic h e ln d , e r re g e n d , tr ö s te n d .

S o w a r te t E u e r a lle r : M ö b e lb a u e r , M a le r, A r c h ite k te n , e in e n e u e A u f g a b e : In g e m e in s a m e r A r b e i t B e is p ie le , V o r b ild e r zu sc h a ffe n e in fa c h e r R ä u m e m it e in fa c h e n M ö b e ln , d ie re ic h , w o h n lic h , le b e n s w a rm w irk e n d u rc h d ie F a r b e , h u g o l a n g . 1920. V I . 1

(3)

1 8 4 INNEN-DEKORATION

A R C H IT E K T : L U D W IG M IES U . V O N W A 1.T H A U S E N H A U S U R B 1G . G A R T E N F R O N T M IT TERRASSE

EIN L A N D H A U S IN N E U - B A B E L S B E R G

R

uhig, wohlausgewogen und fest steht dieses Land­

haus in den G ärten von N eubabelsberg. A lles ist gediegen in der A bsicht und in der Ausführung. Kein falscher Ton stört. R estlose Sachlichkeit, mit kundiger H and zum reinen G esam teindruck gestaltet. Eine gute A rb e it, gut vor allem, weil nirgends eitle Persönlich­

tuerei sich vordrängt.

*

So sind auch zur Erklärung und Erläuterung nicht viel W o rte vonnöten. D as etw as abfallende G elände ist zur A nlage von Terrassen ausgenutzt, die w ieder G e­

legenheit zu abwechslungsreichen Treppen und Mauern gaben. U nter der oberen T errasse und der anschließen­

den Halle ist geschickt ein Spiel- und Turnraum für die K inder eingebaut, wie man ihn nun schon in vielen Neu­

berliner Landhäusern findet. A uch hier fehlt nicht die Nische für das K asperltheater.

*

D er G rundriß ist denkbar einfach, und die aus ihm sich ergebenden Hohlräum e sind durch keine Künstelei m askiert oder um gedichtet worden. J a , die meisten W ände deckt W eiß , das die Luftigkeit des Landhauses unterstreicht und die Maße der kubischen Form en noch reiner zur W irkung bringt. A uch das Mobiliar ist von

äußerster K argheit, und läßt so die großen Räume noch weiter, reiner, luftiger erscheinen. Einzelheiten sind dem Drang der Kriegsjahre anzurechnen, der N eu-A nfer­

tigung, oft auch bedächtige A usw ahl aus dem Vollen nicht gestattete.

*

Noch einmal: eine gute, normale Leistung, aber es w äre falsch, den A rchitekten nun für alle Z eiten auf diesen einen C -d u r-A k k o rd festlegen zu wollen. A uch ihn scheinen Z e it und Tem peram ent in n e u e , k ü h n e r e Bahn zu stoßen...a d o l f v o g d t .

£

D

E R G E IS T E R -K A M P F . W ie nach der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern die Seelen der G e­

fallenen in den Lüften w eiter stritten , so erhebt sich jetzt in jedem Lande über den Schlachtfeldern ein Kampf­

getümmel der G eister um die neue V erteilung der Erde.

Es geht um die Entscheidung zwischen den K räften der H öhe und Tiefe. Es geht um das E dlere und Vollkom­

m enere, das sich ernstlich unter uns durchringen will.

Denn hier w ie überall ist der S treit das Anzeichen dafür, daß eine h ö h e r e G e m e i n s a m k e i t , eine umfassendere V ersöhnung in die W e lt treten will. G roße Einklänge sen­

den ihrer Verw irklichung die Z w ietracht voraus, m i c h e l .

(4)

INNEN-DEKORATION 1 8 5

A R C H IT E K T : L U D W IG MIES U . V O N W A LT H A U SE N H A U S URB1G. BLICK V O N D ER TERRASSE

K U N S T S C H Ö P F U N G U N D KOPIE

(B E M E R K U N G G E G E N EIN EN Ä S T H E T IK E R )

Ä

s t h e t i k und k ü n s t l e r i s c h e s S c h a f f e n haben ungefähr so viel m iteinander zu tim wie die Psycho­

logie mit dem tätigen A blauf eines Menschenlebens.

Ä sthetik ist immer von gestern, das K unstwerk immer von heute. Ä sthetik i s t B e w u ß t w e r d u n g eines Tuns, K unstwerk ist das T u n s e lb e r ...

Vielleicht ist selbst die eben genannte Beziehung (Psychologie und_ wirkliches Seelenleben) für das V er­

hältnis zwischen Ä sthetik und Kunstschaffen zu günstig gegriffen. Denn schließlich haben psychologische Ein­

sichten immer eine gewisse Dauer. Die Ä sthetik aber steht unter dem Fluch, daß sie durch Zeugung n e u e r K u n s t w e r t e ständig ü b e r h o l t w ird, wo sie sich nicht auf rein Psychologisches oder G rundelem ente der Form b e sc h rä n k t...

Vielleicht ist dieser Fluch nicht unausweichlich. V iel­

leicht ist er weniger eine Verdammnis der Ä sthetik als ihrer V ertreter. Vielleicht liegt er mehr in der geschmack­

lichen Gebundenheit der Fachleute und in ihrer Ungeduld nach gesetzgeberischer A usw ertung ihrer Erkenntnisse als in diesen selbst. Vielleicht ist er ein Ungeschick im Einreihen neuer künstlerischer Leistungen unter gefun­

dene Begriffe. Tatsache ist jedenfalls, daß Ä sthetiker sich fast immer bestrebt haben, die Fassungskraft ihrer

Begriffe und W ertsetzungen durch erstaunlich kurzsich­

tige Einreihungen einzuschränken und sie so dem Künstler verdächtig zu machen. Man sieht, sie stehen, nachdem sie in üppigster Begriffspaltung die ganze W e lt des Kunstwerdens und Kunstgenießens durchw andert haben, ratlos vor den künstlerischen N euw erten des T ags, er­

hitzen sich gegen sie und stoßen sie zurück, nicht anders als der kunstfrem de und un gelehrte Bürger, der der G e­

wohnheit seines A uges, der Verbildung seiner Sinne wehrlos unterliegt. V or der e i n e n entscheidenden Frage, welches denn nun die K raft sei, die den Künstler ewig voran treibt, aus gesichertem F ormbesitz in dasW agnis nie gewesener G estalt und nie gehörter Harmonie — vor dieser Frage sieht man sie oft in lächerlicher W eise ver­

sagen. — Friedrich J o d l besitzt als Ä sthetiker R uf und Bedeutung. Ich nehme an, daß diese Bedeutung bestritten ist. Ich weiß es nicht. Ich finde jedoch in seiner »Ä sthe­

tik der bildenden Künste«, 1917 nach seinem T od er­

schienen, charakteristische, kindliche R a t l o s i g k e i t vor dem K u n s t s c h a f f e n d e s T a g s . Das W erk ist offenbar entstanden zu einer Z eit, als es noch keine expressio­

nistische Malerei gab. Folgerichtig ist es noch d er Im­

pressionism us, den d er V erfasser befehdet, treuherzig, höchst leichtfertig, seine umfängliche, wissenschaftliche

(5)

186 INNEN-DEKORATION

A R C H IT E K T : L U D W IG M IES U . V O N W A L T H A U SE N H A U S U R B IG . H A L L E V O R D EM SPEISE ZIM M E R

A rb eit entw ertend. A b er nicht davon soll hier die Rede sein. Sondern von seiner Stellung zur Baukunst des Tages, besser: zu deren Feindseligkeit gegen den archi­

tektonischen Stilw irrw ar im 19. Jahrhundert. Da finden sich folgende lapidare Sätze: »Das auffälligste Merkmal der Baugeschichte des 19. Jahrhunderts wird für die späteren Geschlechter dasselbe sein, das es für uns ist:

das Nebeneinander der verschiedenartigsten Stile bei fast gleichzeitiger Entstehung. Darin ist an und für sich ge­

wiß nichts Unkünstlerisches zu entdecken. Es hat . . . nie einen wirklichen Kunststil gegeben, der nicht an die Kunstübung der Vergangenheit mit mehr oder weniger Bewußtsein angeknüpft hätte. Und es ist absolut nicht einzusehen, warum z. B. ein Palast oder ein Staatsge­

bäude im Renaissance-Stil schön sein soll, wenn es im 16 Jahrhundert entstanden ist, und ästhetisch wertlos, wenn es im 19. Jahrhundert gebaut w urde; warum nur die gotischen Kirchen des M ittelalters schön sein sollen, die des 19. Jahrhunderts hingegen verwerflich. Die Form ensprache, die Raum gestaltung, die Verknüpfung struktiver und dekorativer Elem ente ist doch keine andere geworden. Und unter der Voraussetzung, daß der A rchi­

tekt den S til, in dem er gearbeitet hat, wirklich kennt, wirklich seine Sprache zu reden versteht und seine Mittel mit künstlerischem G eschick den konkreten Zw ecken anzupassen verstanden h at, ist nicht abzusehen, warum

nicht m ittels dieser historischen Slilbenutzung durchaus erfreuliche und künstlerische Schöpfungen entstehen sollten. Sie sind auch tatsächlich zustande gekommen.«

A uf diese A uslassung fällt besonderes L icht, wenn Jodl das neue M ünchener R athaus, dieses geistlose E r­

zeugnis schulmäßigen W issens bei völliger A bw esenheit schöpferischer G estaltung, als eine »bew undernsw erte Schöpfung architektonischer Phantasie« bezeichnet.

Das mag als subjektives G eschm acksurteil dahinge­

stellt bleiben. A b e r es lohnt sich, auf die angeführte A rgum entation einen Augenblick einzugehen. Sie ist nicht neu. Sie w ird hier nur fesselnd, weil sie in wissen­

schaftlichem Zusammenhang erscheint. Sie lebt sich auf anderen G ebieten der bildenden Kunst immer w ieder aus.

Sie ist nicht ganz so ungefährlich wie sie aussieht. Sor­

gen w ir, uns stets bei K l a r h e i t u n s e r e s k ü n s t ­ l e r i s c h e n W o l l e n s u n d M ü s s e n s zu erhalten.

Erfrischen wir unsere Begriffe, indem wir zusehen, was an Unbesonnenheit und — sage ich’s ruhig — an Dickhäuterei des Gedankens in diesen Erwägungen eines nicht nebensächlichen Fachmannes s t e c k t ...

G ew iß: eine Form ist ein W e rt für sich, unabhängig von der Entstehungszeit. — Das kann zunächst nur heißen: K o p i e r e n wir ein altes schönes Bauw erk, so wird die Kopie als W iederholung einer schönen Form ebenfalls »schön« sein. A b e r schon an diesem Satze

(6)

<'í

A R C H IT EK T: L U D W IG M IES U . V OM W A L T H A U SE N . H A U S URB1G. A N S IC H T V O M PARK

(7)

LUDW IG MIES. BLICK ZUM TREPPENHAUS. HAUS URB1G

(8)

INNEN-DEKORATION 1 8 9

L U D W IG M IES U N D V O N W A L T H A U SE N

sind notgedrungene A bstriche zu machen. Erstens ist ein Bauwerk stets verwachsen mit seiner Umgebung und mit dem Klima seines Entstehungsortes. Das Bauwerk kann man Form für Form w iederholen, die ändern Ele­

m ente nicht. Und sie bilden einen sehr wesentlichen Bestandteil seiner ästhetischen Gesamtwirkung. U nter dem M ünchener Himmel stehen die Propyläen anders da als unter dem Himmel A thens. Sie verlieren ein gut Teil ihres Sinnes und Rechtes. Die A r t, wie sie sich mit ihrem steinernen Schutz und Schatten zu Luft und Licht und zur baulichen Umgebung verhalten, ist hier gründlich anders als dort. Es gibt also » u n k o p i e r b a r e « Bestand­

teilein der ä s t h e t i s c h e n G e s a m t Wi r k u n g eines Baues.

Zw eitens wird eine Kopie, weil unter gewandelten tech­

nischen Voraussetzungen entstanden, niemals alle h a n d ­ w e r k l i c h e n E i g e n a r t e n des Originals wiederholen können. Diese Erfahrung ist, besonders bei Ergänzungen zerstörter alter Bauten, hundertmal gemacht worden.

A uch hier liegt also ein zum Teil »unkopierbares« Ele­

ment vor. — Nehmen wir aber an, diese Hemmnisse be­

stünden nicht. Nehmen wir an, dieses U nkopierbare sei eine Größe ohne Belang: so w äre wohl zuzugeben, daß eine Kopie den Form w ert des Originals wiederholt.

W iederholt sie aber auch die ä s t h e t i s c h e E r g i e b i g ­ k e i t dieses Form w ertes? Setzen wir den Fall, es sei ge­

lungen, in der Kopie alle Einzelheiten, alle Abmessungen,

E IN G A N G S H A L L E IM H A U S E U R B IO

alle M aterialien und die Merkmale der alten technischen Behandlung täuschend wiederzugeben. Sogleich erhebt sich die Frage: W erten wir bei einem K unstwerk nur die sinnlich vorhandene Form ? Spielen in die ästhetische G esam tbew ertung einer Form nicht schattenhaft eine Menge von Bestimmungen hinein, die m it der sinnlichen Form nichts zu tun haben?

Es gibt nichts, was fester stünde als dies. Es gibt formfremde Bestimmungen der ästhetischen W irkung.

Und eine große Rolle unter ihnen spielt, jedem Kunst­

freund geläufig, die B e z i e h u n g d e s W e r k e s z u s e i ­ n e m U r h e b e r . D ie Stelle, die das einzelne W erk im Gesamtschaffen des U rhebers einnimmt, die sämtlichen Beziehungen des W erkes zur Subjektivität und zum Lebensablauf des Schöpfers und seiner Z e it, die ganze G e s i n n u n g , die der Entstehung des W erkes zugrunde liegt, der bewegende A nstoß, der verschuldet, daß dieses W erk an diesem b e s t i m m t e n O r t und zu dieser b e ­ s t i m m t e n Z e i t erscheint — alle diese wesentlichen Dinge, die zum A u s d r u c k s w e r t d e s K u n s t w e r k s ge­

hören, führen bei der Findung des ästhetischen Urteils nicht nur eine beratende, sondern eine beschließende Stimme größten Gewichts, (schlossfolgt.) W i l h e l m m i c h e l .

Ä

Ein Ding kann nur schön sein, wenn es wahr ist, außer­

halb der W ahrheit gibt e s keine Schönheit r o d i n .

(9)

1 9 0 INNEN-DEKORATION

L U D W IG M IES U . V O N W A 1.TH A U SEN SPEISE ZIM M E R IM H A U S E U R B IG

DIE FARBIGE W O H N U N G

D

ie A usbaukosten und der M aterialmangel werden den G estaltungsm öglichkeiten unserer Räume und W ohnungen immer m ehr hemmend entgegen treten. Nach und nach w ird es ein A nrecht wenig B egüterter sein, ihre W ohnräum e nach ihrem W unsch räumlich zu ge­

stalten. Die große M asse w ird darauf verzichten müssen.

Es entsteht so die N otw endigkeit, die Nutzbarmachung n e u e r W e g e und neue A usblicke zu suchen, um der Allgem einheit M öglichkeiten zu zeigen, ihre Räum e in W ohnung und Kleinwohnhaus mit a n d e r e n M i t t e l n wie bisher zu gliedern, zu beleben, wohnlich zu gestalten.

Das r ä u m l i c h e S e h e n entsteht aus dem Zusammen­

wirken d er Sehreize und der Tastreize. Ich sehe einen Raum und indem ich ihn in G edanken abschreite, indem ich ihn mit den A ugen von oben nach unten, nach der Seite a b taste, erhalte ich das räumliche Gefühl. N ur durch Übung und durch Einfühlung w ird das R a u m ­ g e f ü h l in uns wachgerufen. Kleine Kinder oder Blinde, die ihr Augenlicht operativ zurückerhalten, müssen erst räumlich sehen lernen. Das Raumgefühl ist im Laufe der Z eiten jeweils mehr auf das T a s t e n , jeweils m ehr auf das S e h e n eingestellt, bald herrscht das eine, bald das andere vor. In der Renaissance suchte man feste, tastbare Grenzen aller Kunstgebilde, das Barock löst die G renzen der K onturen auf, w ird m alerisch, geht auf den Schein.

H ier ist nun die G rundlage g eg eb en , um neue A n­

knüpfungspunkte zu suchen. Es müssen unseren S e h ­ o r g a n e n sehr starke Reize geboten w erden, um die Tastreize vernachlässigen zu können. Da die unerschwing­

lichen A usbau-K osten in immer stärkerem Maße eine V er­

drängung d er p l a s t i s c h - r ä u m l i c h e n Form in unseren W ohnungen bedingen, so muß ein Ersatzm ittel gesucht w erden, kein Surrogat, sondern eine ebenbürtige Begleit­

erscheinung der Form, die bei genügend starkem V or­

herrschen ein zeitweises Z urücktreten der plastischen Formungen gestattet. Dieses M i t t e l ist die F a r b e !

Es ist eine eigenartige, aber eine wohl allgemein b e­

kannte T atsache, daß derselbe R aum , bei demselben A nstrich, mit einer helleren D ecke einen anderen Raum­

eindruck erw eckt, wie mit einer dunklen Decke. So w irkt ein braun gestrichenerRaum mit einer weißen D ecke größer wie der gleiche Raum mit einer braunen. Bei der­

selben Farbe ist ferner der Raum eindruck dennoch jedes­

mal ein anderer, je nachdem der Träger der F arbe die getünchte W an d , T ap ete, T extil-S toff oder Holz ist.

W elches sind die G ründe solcher W irk u n g e n ? ...

Die Reiz-Erscheinungen der A ußenw elt w erden durch unsere Sinne in unser Bewußtsein aufgenommen, die Reize w irken auf unser Sehen, auf unser Fühlen, auf un­

ser W ollen. Sehen und Fühlen sind Funktionen unseres

(10)

E M P F A N G S S A L O N IM H A U S E U R B IG , M IT P A N N E A U X U . R E L IE F -S U P R A P O R T E N A R C H IT EK T L U D W IG M IES —C H A R L O T T E N B U R G

(11)
(12)

1 9 4 INNEN-DEKORATION

A R C H IT E K T : L U D W IG M IES U . V O N W A L T H A U S E N

Bew ußtseins, die isochron in uns vorgehen, sie sind ein­

ander n e b e n g e o r d n e t . Das W ollen ist schon eine sekundäre Funktion unseres Bewußtseins, denn es tritt n a c h dem Erkennen oder nach dem Fühlen auf, erst in der Folge wollen oder begehren wir. Sehen und Fühlen sind einander beigeordnet, und bei der Erkenntnis der A ußenw elt begleitet bald das Sehen das Fühlen, bald das Fühlen das Sehen. Ich sehe, daß d er A pfel rot ist und empfinde, daß er saftig, reif und süß ist. Ich denke an etwas Süßes, so tritt als Begleiterscheinung im Bewußt­

sein sofort die konkrete V orstellung des Zuckers als etw as W eißen, würfel- oder pulverförmigen auf.

B etrachte ich einen gewissen Raum, — ein Zimmer einer M ietwohnung, — so sehe ich gleichzeitig mit der kubischen F o r m auch seine F a r b e , die einen spezi­

fischen G e f ü h l s w e r t h a t, wie ein gewisser Ton eines Instrumentes bei verschiedenen Instrumenten eine ver­

schiedene »Klangfarbe« besitzt; (ein eingestrichenes c w ird am Klavier anders als auf der Violine, oder auf der Klarinette wirken). So hat auch die Farbe einen ver­

schiedenartigen K langwert bei den verschiedenen M ate­

rialien. D asselbe G elb w irkt im Holz anders wie im P ap ier, dies anders w ie gelber Sam t oder S e i d e ...

D ie »Stimmung« des Raumes ist mit der F a r b e sehr eng verbunden. Es ist uns demnach in der F a r b e ein wirksames M ittel in die H and gegeben, die Stimmung

G A N G IM O B E R G E S C H O S S . H A U S U R B IG

der Räume in der vielfältigsten W eise zu variieren.

Gleichgeformte Räume können durch verschiedene Farben ganz verschiedene W irkungen ausüben. Es ist möglich, diese W irkungen durch F a r b e n - H a r m o n i e und K o n ­ t r a s t e noch zu erhöhen und so eine M a n n i g f a l t i g k e i t der Raumwirkungen und Raumstimmungen zu geben, die, bew ußt gestaltet, nicht nur eine B e r e i c h e r u n g d e r R a u m f o r m e n schafft, sondern auch die I n t e n s i t ä t d e s R a u m e i n d r u c k e s steigert. — Die Bereicherung ist noch größer, da die Farbe in der M annigfaltigkeit ihrer Erscheinungen immer ein relativer Begriff ist. Unser A uge ist ein unvollkommenes Instrum ent, w elches vor allem v e r g l e i c h s w e i s e Farben erkennt und feststellt.

Derselbe gelbliche Ton w irkt daher z. B. rötlich, wenn man ihn auf grünen G rund legt und im nächsten A ugen­

blick w ieder m ehr weißlich, wenn man stumpf blauen G rund dazu vergleicht, w ieder kann er grünlich erschei­

nen bei dem Vergleich mit einem wärm eren G elb. Z ahl­

lose Möglichkeiten des farbigen Erlebens ergeben sich so, und die eigentliche A ufgabe des Künstlers besteht darin, die richtigen, wirksamsten Zusammenstellungen zu finden.

W arm e W ohnlichkeit oder kühle Festlichkeit kann sich demnach im Innenraum d u r c h V e r w e n d u n g g e e i g ­ n e t e r F a r b e n o h n e j e d e s B e i w e r k einfinden. Durch starke farbige A kzente w ird eine klare Orientierung im Raum gegeben, farbige Teilung des Raumes kann erreicht

(13)

INNEN-DEKORATION, 1 9 5

A R C H IT E K T : L U D W IG M IES U . V O N W A L T H A U SE N BLICK IN D IE H A LLE IM O B E R G E S C H O S S . H A U S U R B IO

werden. Nicht mehr p l a s t i s c h e F o r m e n , sondern f a r b i g e A k z e n t e , farbige M öbel, Türen und Fenster werden die moderne W ohnung des einfachen Menschen gliedern und beleben. — A b er nicht nur die Form »ver­

treten«, sondern in manchen Fällen sogar »verdecken«

kann und soll die Farbe. Den meisten Menschen, die sich heute Möbel kaufen, ist nicht mehr die Möglichkeit gegeben, Möbel nach ihren W ünschen, Idealen zu wählen, sie müssen nehmen, was sie eben erhalten, das Meiste aus zweiter H and, mit all dem Beiwerk des 19. Jahrhun­

derts. W ie viele häßliche M öbel, schlechte Formen, greuliche Ornam ente der Decken und W ände würden bei einem richtigen Farbenanstrich ansprechender, ihrer Banalität entkleidet w erden! W ie viel Unzulänglichkeit des 19. Jahrhunderts in unseren Bürgerwohnungen könnte unter Farben verschwinden und sich in neuer frischer Erscheinung unserer neuen Zeit, dem modernen Menschen anpassen. Bei höchster Ökonomie der A rb eit die best­

mögliche W irkung! ...E U G E N S T O L Z E R —BERLIN.

ft

A U S D R U C K IM R A U M G EBILD E. Indem alle Be- wegung des menschlichen Herzens in der räumlichen Form des Kunstwerks sichtbaren A usdruck gewinnt, wird sie unverlierbar, wird sie losgelöst von derFlucht derStunde, erhebt sie sich zum zeitlosen Dokument der Unsterblich­

keit und ewigen Schönheit der Menschenseele, d e f r i e s .

» D A S R Ä U M L I C H E S E H E N «

D

er optische W ahrnehmungsinhalt ist je nach der Ein­

stellung und Fähigkeit ein anderer. D er eine sieht die E i n z e l h e i t e n , der andere die G e s a m t h e i t . D er erstere besitzt die ästhetischen V oraussetzungen zum Verständnis eines Raumgebildes nicht, sein A uge ist gewohnt, immer nur einen Gegenstand, abgesondert von seinem großen Rahm en, isoliert von seiner Um­

gebung, zu betrachten: er sieht in dem D e t a i l etwas A bsolutes. Dieses d e t a i l i e r e n d e S e h e n überträgt sich durch sein A uge auch auf sein künstlerisches Denken und Fühlen; er beurteilt z. B. ein A rchitekturw erk nach der Korrektheit eines Profils, nach seiner Stilreinheit und erfreut sich an diesen Qualitäten. — D er andere sieht in dem Geschauten vor allem ein Medium zur G a n z ­ h e i t des ästhetischen Inhalts, er reduziert die Vielheit auf die Einheit, vereinigt die Erscheinungen in einem Zentrum , sucht den Rückweg zur Raumidee, von der der Künstler herkam. Jeder einzelne G egenstand hat nur relative Bedeutung, er spricht und lebt nur, indem er sich der Gesam theit anschließt und sich ähr wie ein Ton in einer Melodie dienend einordnet. Dieses k o n z e n t r i e ­ r e n d e S e h e n ist die ästhetische V o r a u s s e t z u n g jeder k ü n s t l e r i s c h e n R a u m b i l d u n g und des V er­

ständnisses ihres W ahrnehmungsinhaltes. . . . H . s ö r g e l .

(14)

1 9 6 INNEN-DEKORATION

A R C H IT E K T : L U D W IG M IES U . V O N W A L T H A U SE N SPIELSA A L IM E R D G E S C H O S S . H A U S U R B IG

»UEBEREIN S T I M M U N G «

D

a der G rundgedanke des S i e d l u n g s w e r k e s aus dem Volke herausgewachsen ist, so darf man wohl hoffen, bei dieser A ufgabe könnte sich ein im tiefsten Innern des Volkes begründetes g e m e i n s a m e s künst­

lerisches E m p f i n d e n einstellen. W enn der G edanke der V o l k s s i e d l u n g festgehalten w ird , ist auch die Frage zu lösen, w ie der G a r t e n zum H a u s b a u stimmen muß. W enn der Baum eister, G ärtner und Bauherr zu­

sammen, von einem g e m e i n s a m e n G e d a n k e n geleitet, arbeiten, dann w ird sich eine gern e i n s a m e F o r m e l auch für alle Einzelheiten ergeben. — N icht für sich darf man das einzelne H aus betrachten, sondern als G l i e d der ganzen Siedlung; so muß sich auch der einzelne Siedler­

garten, als Teil einer ganzen G artenlandschaft gedacht, aufbauen. Die Form der H äuser w ird dann ebenso mit den klimatischen und Boden-Verhältnissen, dem Charakter der G egend im Einklang stehen, w ie die der Gärten.

U nd ebenso w ird zwischen den einzelnen Siedlungen dann eine gewisse Gleichheit, auch der Einzelformen entstehen, wenn die Baumeister und die G ärtner von diesem höheren G esichtspunkte der Siedlungs-Idee aus ihre A rb eit auf­

fassen. — Eine solche Ü b e r e i n s t i m m u n g ist nicht zu verwechseln mit gedankenarm er »T y p i s i e r u n g « . Leider ist der nachmärzliche Bürokratismus auf dem besten W e g e , das ganze Siedlungswerk um alles G em üt und alle Seele zu bringen, weil »W issenschaftlich-Tuer« und S treber die Konjunktur dadurch am besten auszunutzen glauben, daß sie, m it viel L ärm , die R ettung des W irt­

schaftslebens durch die Erfindung neuer sparsam er A r ­

beitsw eisen und Typisierungs- und Normierungs- M etho­

den nachzuweisen suchen. Ü ber einigen W ahrheiten solcher sparsamen Methoden, die schon immer zum H aus­

gebrauch des Fachmannes gehörten, w ird vergessen, daß die E rde kein P räsentierbrett ist; jedes Haus steht auf anderem Platz, dessen A usm aße verschieden sind, dessen Seiten sich nach anderen Himmelsrichtungen wenden.

In jeder G egend sind die Baustoffe andere und die A n ­ forderungen der Bewohner an H aus und G arten wech­

seln — vom Klima garnicht zu r e d e n ...

W enn der G a r t e n die »Fortsetzung des H auses ins Freie« bilden soll, — wie d er schöne Begriff festgelegt w orden ist, — so w ird nicht einmal in e i n e r Siedlung derselbe H ausgrundriß zu den verschiedenartigen G ärten passend sein. Je m ehr wir in den M itteln sparen müssen, umsoweniger w ird die empfindsame H and des Fach­

mannes zu entbehren sein, die Lage und Form eines H auses und die richtige V erw endung der M aterialien in jedem Einzelfall bestimmt. D ie Sparsam keit aber kann die Entwicklung eines e i n h e i t l i c h e n S c h ö n h e i t s - B e - g r i f f e s für Siedlerhaus und G arten günstig beeinflussen.

Ist der C harakter solcher A nlagen der Eigenart der G egend und ihrer Bewohner entnommen, dann braucht auch für die vollendet künstlerische A nlage nicht be­

fürchtet zu w erden, daß sie später in den Händen der Bewohner unschön verändert wird. Sie wird ihnen etwas V ertrautes und Liebensw ertes sein, das auch aus prak­

tischen G ründen in jedem Jahre in gleicher W eise wieder geordnet und gehalten w ird...H e i n r i c h s t r a u m e r .

(15)

INNEN-DEKORATION1 197

A R C H IT E K T : L U D W IG M IES U . V O N W A LT H A U SE N

» D A S FARBIGE H A U S «

D

er neuerwachende » W i l l e z u r F a r b e « , — auch in der Baukunst, — beginnt immer deutlicher her­

vorzutreten. Die meistgenannten A rchitekten bekennen sich zur f a r b i g e n B a u w e i s e . So in der program ­ matischen Veröffentlichung »Ja« des Berliner A rb e its­

rates für K unst, ferner in einem von Behrens, Endeil, Möhring, Bruno Paul, Poelzig, Schumacher, Taut Unter­

zeichneten, von H. Z ehder verfaßten A ufruf (»Neue B lätter-D resden«), Da heißt es: »Die vergangenen Jahr­

zehnte haben durch ihre rein technische und wissen­

schaftliche Betonung die optische Sinnenfreude getötet.

. G raue Steinkasten traten an die Stelle farbiger und b e ­ malter H äuser. Die durch Jahrhunderte gepflegte T r a d i ­ t i o n d e r F a r b e versank in einem Begriff der »V or­

nehmheit«, der aber nichts anderes ist als M attheit und Unfähigkeit, das neben der F o r m wichtigste Kunstmittel im Bauen, nämlich die F a r b e , an zu w en d en . .

W ir Unterzeichneten b e k e n n e n u n s z u r f a r b i g e n A r c h i t e k t u r . W ir wollen keine freudlosen H äuser mehr bauen und erbaut sehen und wollen durch dieses geschlossene Bekenntnis dem Bauherrn,_ dem Siedler w ieder M u t z u r F a r b e n f r e u d e a m Ä u ß e r e n und

G A R D E R O B E -R A U M IM H A U S E U R B IO

i m I n n e r e n d e s H a u s e s geben. F a r b e i s t L e b e n s ­ f r e u d e , und weil sie mit geringen M itteln zu haben ist, deshalb müssen wir gerade in der Z eit der heutigen Not bei allen Bauten auf sie dringen, bei jedem einfachstenSied- lerhaus, beim Barackendorf im W iederaufbaugebiet usw.«

A uch in England ertönt dieser neue Ruf. D er Archi­

tekt Ch. Davies fordert starkfarbige A nstriche und bunte Fliesen für die H äuserfronten, Blumenschmuck und Farbe überall, Feindschaft dem trüben G r a u ...

W e r in O swald Spenglerischem G eiste mit Leichen­

bittermiene die Einsargung unseres völlig erledigten Abendlandes bejammert, der mag an solchen Forderungen Ä rgernis nehmen. W ir ändern aber, die wir v o r w ä r t s blicken und w issen, daß auf jeden W i n t e r noch ein F r ü h l i n g folgte, freuen uns dieser blutwarmen Lebens­

welle, die in unsere Städte und Behausungen einzuströmen beginnt. Z u wünschen wäre nur eines: daß n i c h t w a h l ­ l o s (wie in jenem Sammelband des Berliner A rbeitsrates) alle G eister, fähige und gänzlich unfähige, auf diese

»öffentliche Farbenschau« losgelassen w erden. Ein schlechter Farbenanstrich ist leichter w ieder gutzumachen, als eine miserable A rchitektur, aber immerhin möge das Geschick uns Künstler und Könner senden, die uns eine g u t e , farbige Baukunst bescheren! h u g o l a n g .

(16)

INNEN-DEKORATION

L. MIES U . V O N W ALTHAUSEN. BADERAUM. H A U S URB1G

(17)

INNEN-DEKORATION 199

DER G E R Ä UM I G E W O H N R A U M

W

enn sich der H err Schulze ein Kleinwohnhaus baut, so wird die kleine Bodenfläche im G rundriß fein ordentlich aufgeteilt in einen kleinen Salon, ein kleines W ohnzimmer, eine Küche, in gleicher Breite einen Korri­

dor mit der Treppe. In den kleinen Salon kommen die guten alten Plüschmöbel, das V ertiko und das Photo­

graphie-Album in Plüsch mit Aluminiumbeschlag auf dem Tischchen. Dann wird die Türe zugemacht. (Sonntags 1 0 — 12 Uhr freier Eintritt.) In das kleine Wohnzimmer kommt das repräsentative B üfett, Tisch, Piano, Diwan.

A uch dieses Zimmer bedarf der Schonung. Für die Kinder ist darinnen kein Platz. G egessen, gelebt, ge­

spielt wird in der Küche. Da haust die ganze Familie.

Ü bertreibe ich vielleicht? Nein, so ist es. Das nennt sich Behagen und W ohnlichkeit im Kleinwohnhaus . . .

*

W ie wäre es mit einer etwas anderen Elinteilung des Grundrisses? W arum in aller W elt kann nicht e in g r ö ß e r e r W o h n r a u m , — nicht nur im »A rbeiter«- haus, — das gesamte Familienleben — bis auf die rein wirtschaftliche Betätigung — zusammenfassen? Das Fam ilien-Oberhaupt ist doch in den wenigsten Fällen ein

»geistiger« A rbeiter, der zuhause der strengen Isolierung und Ruhe bedarf, sondern er pflegt den M ittag und A bend im geselligen Kreise der Seinen zu verbringen.

A lso: m e h r B e w e g u n g s f r e i h e i t , weniger kleinbürger­

liche Einengung! Schaffen Sie sich, H err Schulze, einen g e r ä u m i g e n W ohnraum , in dem Sie mehr als zwei Schritte rechts, zwei Schritte links tun können, ohne mit dem Kopf gegen die W and zu rennen. »Im engen Kreis verengert sich der Sinn« . . . W eite Räume aber erweitern den G esichtskreis! . . . Sogar die T reppe zu den beiden Schlafgemächern läßt sich ausgezeichnet die­

sem großen W ohnraum eingliedern. In diesem seien vor allem gute S i t z g e l e g e n h e i t e n : ein einladendes Sofa, eine Bank am O fen, in erster Linie aber ein guter Lehnses­

sel. E r ist ganz und gar unentbehrlich im Kleinwohnhaus.

Dazu einfache Möbel, eine e i n f a c h e Kredenz. Für V ater, M utter und Kind steht je ein heller Fensterplatz zur V er­

fügung. Besuch wird sich in diesem geräumigen W ohn­

raum zumindest ebenso wohl fühlen wie in dem Puppen­

salon mit Plüschmöbeln. Es braucht auch durchaus nicht immer alles peinlich aufgeräumt zu sein. Die malerisch­

bew egte U nordnung, die das L eben, der G ebrauch schafft, ist niemals sinnlos oder b e sc h ä m e n d ...

*

Ist es wirklich gar so schwer, Behagen zu schaffen? Das obige Bild eines solchen Raumes — eines Klein-Hauses überm großenTeich — ist doch recht überzeugend in seiner W ohnlichkeit. Es blickt einen freundlich an. h u g o l a n g .

A M ER IK A N ISC H E W O H N U N G S K U N S T W O H N R A U M IM K L E IN W O H N H A U S

(18)

2 0 0 INNEN-DEKORATION

A R C H IT EK T P A U L M O S C H -B A S E L SC H L A F Z IM M E R . M Ö B E L BEM ALT

E R S A T Z - S T O F F E IM H A U S E

D

aß »Not erfinderisch macht« hat nicht erst unsere schw ere Heimsuchung zu bestätigen brauchen; der A ufstieg der Menschheit hat in diesem Satz seine feste V erankerung. N otw ehr zwingt zur A bw ehr, zur H and­

lung, umfaßt die w eitgehendste Selbsthilfe. — So w urde in der Bedrängnis der letzten Jahre wohl so ziemlich alles zu erfassen gesucht an Ersatzm itteln für fehlende Rohstoffe, was irgendwie erreichbar w ar; des öftern w urde auch glaubhaft zu machen versucht, daß viele E r­

satzstoffe ergiebiger, verw endbarer, ja auch — bekömm­

licher — seien als die Urstoffe. Daß die W ahrheit in der M itte steht, haben w ir des öfteren erfahren.

Im V ordergründe dieser Ausführungen sollen die mancherlei E r s a t z s t o f f e stehen, die ihren A ufbau aus G e s p in s tf a s e r n erhalten. W ie viel Vermögen ist früher an tierischen G espinstfasern wie W ollen, Haarwollen, H aaren und Pelzwerkkämmung in D ekorationsgeweben, Teppichen, Läuferstoffen, Sofabezügen, W andbespan­

nung und dergl. angelegt w orden, oft noch bedeutend gesteigert durch M itverwendung von Seide, einer eben­

falls tierischen Fadenspende. Das geschah noch, nach­

dem man als Ersatzstoff die guten Eigenschaften der in­

dischen J u t e , die eine dem H anf und Flachs ähnliche V erarbeitung erfährt, seit Jahrzehnten erkannt halte.

N un w ird sie, wenn ihre Einfuhr w ieder gesteigert ist,

für viele der oben genannten Zw eckstoffe die Grundfaser bilden, die tierischen G espinste aber für Kleidung frei­

geben. Und welche A ussichten bat uns die ungemein w eit ausholende Heranziehung der H o l z z e l l u l o s e ­ f a s e r , des Papiergespinstes und Papiergew ebes — ab­

gesehen von den vielleicht nicht ganz befriedigenden Leistungen für W äsche und Kleidung — eröffnet, deren Erzeugnisse in O stasien seit jeher W ertschätzung ge­

nossen. F ür bescheidenere Heim e können namentlich angesichts der herrschenden Stoffnot Papierstoffgewebe in Entlastung der schw ereren Beschaffung der Jute recht geeignete und in Behandlung, Pflege und Lebensdauer auch w irtschaftlich sich bew ährende Ersatzm ittel bieten.

D ie Industrie der Erzeugung und V erarbeitung der Holz­

stoffaser hat so bedeutende Fortschritte gemacht, daß durch ihre reiche M usterkarte an Bespann- und H ang­

stoffen, Decken, Fußbodenbelägen, Posam enten und an­

deren Schmuckmitteln, — auch an zellonierten, w asser­

dichten, lederartigen Ersatzstoffen fehlt es nicht, — für die W ohnlichkeit des Heims bei leidlich gutem W illen vorgesorgt sein dürfte. A ußerdem treten andere,- pflanz­

liche Faserstoffe in gleicher Richtung helfend zur Seite.

Die Fasern der N essel, des Ginsters, des W indenrös­

chens und anderer F aserträger wären hier zu erwähnen, die mehr, allein oder als Mischfasern, der Leib- und Bett-

(19)
(20)

INNEN-DEKORATION

1920. Y L 3.

ARCHITEKT PAUL H O SC H -B A SEL . SCHLAFZIMMER. MÖBEL WEISS MIT BEMALUHO

(21)

INNEN-DEKORATION

(22)

INN EN-DEKORATION 2 0 5

wasche wie Kleidungszwecken Vorbehalten bleiben sollen.

Besondere Beachtung verdienen aber die Erzeugnisse der K o lb e n s c h iIf-( T y p h a - )F a s e r, dann der T o r f f a s e r , die sogar wollähnlichen Charakter in den aus ihr herge­

stellten Geweben zeigt. Diese Ersatzstoffe dürften künftig zur Bedeutung vollwertiger Grundrohstoffe gelangen, wenn ihre Gewinnung und ihre V erarbeitung durch w eitere maschinelle Verbesserungen und Veredelungs­

verfahren gesteigert sein wird. F ür diese textilen Ersatz­

stoffe sind die A ussichten so gute, daß in dieser H in­

sicht die Lösung der W ohnungs-Ausstattungsfragen auf keine allzugroßen Hindernisse stoßen wird. Dem M e ta ll- E r s a t z kann eine ähnliche W andlung der Notfrage in eine bloße Neustoff rage, den gegebenen Verhältnissen angepaßt, zuteil w erden, denn hier liegen die V erw en­

dungsmöglichkeiten in ähnlicher R ichtung; auch Metalle sind vielfach überflüssigerweise für G egenstände verwen­

d et w orden, für die H o l z nicht nur mindestens ebenso gut, sondern besser gewesen wäre. M it Bronze, Messing, Rotguß und Tombak ist eine unnötige Vergeudung namentlich bei Beleuchtungskörpern, Griffen, Drückern und Z ierw erk an allen möglichen Stellen getrieben wor­

den. A us früheren zaghaften V ersuchen, aus Holz B e l e u c h t u n g s k ö r p e r auch größeren Umfanges zu ge­

stalten — es sei nur an die beliebte alte W agenradform erinnert — sind künstlerisch befriedigende Zwecklösungen hervorgegangen, die vereinzelt nur den Fehler haben,

noch etwas zu viel H olz, der Fülle nach, zu zeigen.

Rein technisch schon wäre hier tektonischere Linienfüh­

rung geboten, die sich freimacht von den Nachklängen der Modellier- ,und Gußtechnik der M etalle; man hat vielfach den Eindruck, es handele sich um Ersatz und Nachahmung zugleich. Namentlich für die elektrischen Lichtkörper als Hänge- und Standleuchter läßt sich das Holz reichlicher heranziehen. Das darf auch in Bezug auf D r ü c k e r und G r i f f e der Türen, Schränke und Kästen gesagt w erden. A uch bei ihnen w urde das Holz ein vernünftiger Ersatz in vollwertiger Erfüllung des Zweckgedankens. Elin guter hölzerner Griff oder D rücker kann, der geringeren H ä rte , G lätte und Kälte wegen, recht angenehm in der H and wirken. Und rein forma­

listisch w ird das Holz allen hier gegebenen Möglich­

keiten der Zier- und Nutzanwendung ebenfalls gerecht.

Es winken neue A ufgaben, neue Lösungen; — wir dürfen nie in die Verlegenheit kommen, uns nicht doch irgend­

wie nicht nur b e h e l f e n , sondern erfolgreich über jeg­

liche Not h i n w e g s e t z e n zu können. — H aben w ir uns auf eine ganze Reihe von Bau-Ersatzstoffen einsteUen und damit abfinden m üssen, so dürfte es uns auch ge­

lingen, über die N öte der Raumausstattungsfragen die Überbrückung zu schlagen...p h o f . o t t o s c h u l z e .

Ä

Es kann keine objektive Geschmacks-Regel, die durch Begriffe bestimmte, w as s c h ö n sei, geben k a n t .

A R C H ITEK T P A U L H O S C H -B A S E L W IC K E L -K O M M O D E IM K IND ERZIM M ER

(23)

2 0 6 INNEN-DEKORATION

I M

G EB EI ZTE O D E R B EM AL TE MÖBEL?

Z U D E N A R B E IT E N V O N P A U L H O S C H

M

an kann, wie in allen Dingen, so auch in der Frage der farbigen Behandlung der M öbel die verschie­

densten Standpunkte einnehmen, die sich alle m ehr oder minder rechtfertigen lassen. Im allgemeinen dürfte aber doch eine gewisse Einheitlichkeit der Anschauungen fest­

zustellen sein. So w ürde eine R undfrage wohl ergeben, daß die nicht bemalten Möbel zur Z eit bevorzugt werden.

(M ancher w ürde natürlich boshaft schreiben: Mir ist j e ­ d e s M öbel recht, — wenn ichs nur bezahlen kann . . . .) Ein gutes altes M öbelstück in solidem Mahagoni, Nußbaum oder Eichenholz aus der guten, alten Z eit — nicht wahr, das ist der Inbegriff d er höchsten Seligkeit, das klingt schon bald wie der Beginn eines M ärchens: Es war ein­

mal . . . H andelt es sich indes um ein dünn furniertes Massenmöbel, — ja dann ist ein guter Lackanstrich zum m indesten gleichw ertig, wenn nicht vorzuziehen. A b er guter Lack? W ill der auch zum M ärchen werden? Bleibt die F rage, was erfreulicher ist: g e b e i z t e s W eichholz oder A n s t r i c h ? Und wenn w ir uns für den A nstrich entscheiden, — es w ird wohl d er Farbenfreude wegen so kommen, — dann tauchen zahllose P r o b l e m e auf:

Reichbem alte Möbel zu einfarbiger W and? O d er stark bew egte W andm alerei und dazu m arkante Farbenkuben der Möbel? »Blümchen« - O rnam entik und dergleichen auf den Möbeln oder rhythmisch abgestufte Farbflächen, die im E i n k l a n g mit den konstruktiven Ellementen des

Möbels sind, oder die ein s e l b s t ä n d i g e s , farbiges System bilden? D er naturalistische, die echte H olz­

maserung vortäuschende M aser-Anstrich ist, — hoffen wir das Beste, — in der V ersenkung verschwunden. D enk­

bar aber und zulässig w äre ein A nstrich, der das Charak­

teristische der welligen Maserung in »expressionistischer«

W eise verstärkt dem Möbel aufprägt I (» W er w agt es?«') So bieten sich allerhand Möglichkeiten. Interessant wäre es, die Meinung der Fachleute in dieser Frage zu erfahren.

*

Paul H o s c h —Basel dürfte zu diesem Thema Einiges zu sagen haben. E r ist mit A rbeiten noch wenig an die Öffentlichkeit getreten. V or Jahren schuf er in Berlin originelle W ebereien, B atiks, Kunstgewebe. Dann ging er auf eine W eltw anderschaft, um in A m erika und Japan Erfahrungen zu sammeln. Je tz th a t Hosch inseinerH eim at- stad t Basel seine W erk statt errichtet. W ie seine A rb ei­

ten im M aibeft und in diesem H eft zeigen, ist ihm die F a r b e ein wesentliches Element. E r ist auf der Suche nach Neuem. Bemerkenswert ist auch, besonders in seinen M öbel-Entw ürfen, — ansprechenden Lithographien, — ein ernstes Streben nach Fo r mv o l l e n d u n g , wenn auch unter A nknüpfung an alterprobte Form ungen, w ie sie in seiner Heim at gesucht und geschätzt sind. Es ist zu hoffen, daß Paul Hosch G elegenheit w ird, sein Können an einer größeren A ufgabe zu erproben. . . y u G O l a n g .

(24)

INNEN-DEKORATION

ARCHITEKT PAUL H O SC H -B A SEL . KOMMODE MIT AUFSATZ FÜR E1M DAMENZIMMER

(25)

2 0 8 INNEN-DEKORATION

DE R C H A R A K T E R V O L L E E N T W U R F

r

I

st es nicht m erkw ürdig, w ie anspruchslos w ir uns jahrzehntelang m it völlig seelenlosen und in ihrem g r a p h i s c h e n A u s d r u c k gänzlich u n p e r s ö n l i c h e n M ö b e l - und A r c h i t e k t u r - E n t w ü r f e n begnügten?

So tief steckten wir in d er unbeseelten A tm osphäre des technisch-sachlichen M aschinenzeitalters, daß die blut­

lose R eiß b rett-A rb eit, die nüchterne W erkzeichnung auch im G ebiet der R a u m k u n s t die durchgehende, unbeanstandete Norm geworden war. A ls H öhepunkt galt vielleicht noch die treue W iedergabe der T onw erte und Schattierungen in naturalistisch gerichteter Kon­

kurrenz der Photographie. F ast nirgends aber war k ü n s t l e r i s c h e Form ung, p e r s ö n l i c h e r A usdruck zu finden. — Z u r Jugendstilperiode tauchten Entw ürfe in einigermaßen ausgeprägten, wenn auch greulichen Formungen auf. D ie folgende W iener Richtung schuf wenigstens starke dekorative Schw arzw eiß-W irkungen, aber m eist kunstgewerblich einheitlich im C harakter, ohne persönliche N ote. Zum erstenmal fand wohl in E duard Pfeiffers nervösen Federzeichnungen, — die bald aus­

lösend w irkten, Schule m achten, — eine eigenwillige P e r s ö n l i c h k e i t ihren sichtbaren A usdruck im raum­

künstlerischen, für die Praxis berechneten E n t w u r f . .

*

W enn w ir aber vom Raum- und M öbelkünstler höchste E m p f i n d u n g s k r a f t in d er G estaltung der Möbel und Räume fordern, dann ist sicherlich auch zu verlangen, daß in seinen E n t w ü r f e n schon diese empfindsame H and, dieser feinnervige, höchst persönliche Formwille d e u t l i c h s i c h t b a r in Erscheinung tritt. Eine solche künstlerische Bearbeitung des Entw urfes ist keineswegs gleichbedeutend mit einer V erkünstelung, sondern der charaktervolle Entw urf wird, wie jed e graphische A rbeit, zum »Psychogramm«. A u s jedem S trich , aus d er A rt der D arstellung wird deutlich erkennbar, ob eine wahrhaft fähige, bis in die Fingerspitzen empfindsame Bildnerkraft oder eine im G runde unfähige Persönlichkeit vorliegt.

U nsere neue G r a p h i k bietet dem ernsthaft Suchen­

den deutlich, oft überdeutlich ablesbar, die n e u g e ­ w o n n e n e n M i t t e l der bildnerischen G estaltung. Sie zeigt, wie polare, schw arze und w eiße Bestandteile als Bau-Elem ente zur Schaffung innerer Spannung, l e b e n ­ d i g e r Bildwirkung V erw endung finden, sie zeigt, w ie die O bjekte, u n a b h ä n g i g v o n d e r n a t ü r l i c h e n B e l e u c h - t u n g , nur im Hinblick auf die r i c h t i g e B i l d w i r k u n g sich mit solchen H ell-D unkel-B estandteilen darstellen lassen, wie V erstärkung der R a u m t i e f e n Wirkung erzielt w ird usw., M ittel, die auch dem Möbel- und A rchitektur- Entw urf in Lithographie, Feder- oder Kreidezeichn ung eine Steigerung nach der Seite des A u s d r u c k s ermöglichen.

¥

In dreifacher Hinsicht kann der E ntw urf eine » E r ­ h ö h u n g « erfahren: Zunächst vermögen w ir i m E n t w u r f immer r e i n e r e F o r m e n und V e r h ä l t n i s s e heraus zu arbeiten. H ier fehlt ja noch so gut wie alles. Es ist entschieden zw eckm äßiger, die Klärung und Sichtung der Formen, das Erspüren d er Musik reiner Proportionen auf dem Papier erfolgen zu lassen, als jeden unausge­

gorenen E ntw urf sofort in das kostbare M aterial umzu­

setzen. — Z w eitens lassen sich noch intensiver als bisher die Elem ente d er R a u m s t i m m u n g mit den graphi­

schen M itteln dartun. Die Schlichtheit des Einfachen, das Behagliche des A ltertüm lichen, das Rassig-A ggressive der neuzeitlichen Formungen. — Endlich sind unbegrenzte Möglichkeiten gegeben in dem hemmungslosen A usdruck p e r s ö n l i c h e n F o r m w i l l e n s (sofern nur wirklich Formwille und Bildnerkraft d a sind), alle Träum e raum ­ künstlerischer Formung G estalt w erden zu lassen . . . .

*

Schaffen w ir also l e b e n s v o l l e E n t w ü r f e , klar­

geform te Sehnsüchte, Bekenntnisse ehrlichen Formwil­

lens, die soviel Ü b e r z e u g u n g s k r a f t haben, daß sie, w ie alle starken G eist-V erdichtungen, sich die Inkar- nierung in die M a t e r i e e r z w i n g e n ! . . . h u g o l a n g .

A R C H IT EK T P A U L H O S C H - B A S E L M Ö B E L F Ü R E IN S C H L A FZIM M ER

(26)

INNEN-DEKORATION 2 0 9

E R -/G Ä R E N D E M O ST . In den Forderungen der Jdngen, die schließlich alle in dem Streben nach I n n e r l i c h k e i t , B e s e e l u n g und nach dem a r c h i ­ t e k t o n i s c h e n Z u s a m m e n h a n g der Künste zu­

sammenlaufen, steckt die W ahrheit, die uns frommt.

Scheuen wir nicht vor der brausenden W ildheit der Erscheinung zurück, die die Ä ußerlichkeiten einer jungen, w erdenden Kirnst darbieten. D er Schaum ver­

fliegt, und zurück bleibt die F o r m , die Ew igkeits­

w ert beansprucht... h a n s p o e l z i g .

A R C H IT EK T P A U L H O S C H -B A S E L T R U H E , S P IE G E L , G AR D ER O B ESTA N D E R

ENTW URF: ARCHITEKT PAUL H O SC H -B A SEL . SITZMÖBEL FÜR EIN WOHNZIMMER

(27)

210 INNEN-DEKORATION

'.v.

m *

W m m ż

V O M D E U T S C H E N H A N D W E R K

D

as H andw erk ist auf dem W ege zu einer neuen W ertschätzung. D as gesellschaftliche A nsehen des H andw erks steigt, seine Zukunfts-A ussichten, die bisher gegenüber der mächtigen Entfaltung der Industrie trübe schienen, w erden günstiger beurteilt. — A n die Stelle der persönlichen H andw erksarbeit w aren in dem Industrie- Z eitalter überw iegend die unpersönlichen M assen-Erzeug­

nisse der Industrie getreten; und so verlernte die große M asse des Volkes allmählich den W e rt und Reiz der H a n d- a r b e i t , des stil- und w erkgerechten H andw erks-Erzeug­

nisses zu schätzen. A b e r die Industrie-Entwicklung war noch kaum auf dem H öhepunkt angelangt, so meldeten sich schon die Gegenstrebungen. Man fühlte, daß die völlige Ausschaltung des H andw erks auf die D auer eine V erar­

mung bedeuten w ürde und begann sich wieder nach Dingen umzusehen, an denen man ein Leben lang Freude finden konnte, w ie an den schönen alten Handw erksarbeiten.

W enn auch das eigentliche Kunsthandw erk immer nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der gesamten deut­

schen A rb eit bleiben wird, — überall da, wo es sich um Befriedigung großen M assenbedarfs handelt, w ird auch künftighin die Industrie das Feld behaupten, — so kann es doch durch die A nregung, die von ihm ausgeht, eine w eit über den zahlenmäßigen A nteil hinausgehende Be-

deutung gew innen, es kann der H erd und M ittelpunkt der Q ualitätsgesinnung w erden. M ittel und W irkungen w erden bei der Industrie-A rbeit immer andere sein müssen als bei der handwerklichen A rbeit. A b e r gerade der K äufer, der an guter H andw erksarbeit sein G efühl für Q ualität und Form geschult hat, w irddurch Nachahmungs­

künste d er M assenindustrie nicht m ehr zu fangen sein, er w ird von der Industrie die ihr eigentümliche W esens­

art in Technik und Form v e rla n g e n ...

So w ird das Kunsthandw erk in der kommenden Z eit eine ganz bestim m te und wichtige künstlerische und volks­

wirtschaftliche Funktion zu erfüllen haben. Zunächst hat es den A nschein, als ob das Kunsthandw erk selbst auch einem w irtschaftlichen A ufschw ung entgegengeht.

Es w erden gute P reise bezahlt, und die Nachfrage nach schönen Dingen, die unabhängig von Z eit und O rt ihren W e rt behalten, ist groß. Die Befürchtung ist allerdings nicht abzuw eisen, daß nach Erschöpfung des gegenwär­

tigen scheinbaren Geldüberflusses für alle Q ualitätsge­

w erbe schw ere Z eiten kommen w erden. Um so eindring­

licher muß ihre Bedeutung für die A llgem einheit betont w erden, dam it es möglich w ird, ihnen unter Um ständen auch mit den M itteln der A llgem einheit über ungünstige Z eiten hinwegzuhelfen...d r . e . m e i s s n e r .

A R C H IT EK T L U C IA N B E R N H A R D -B E R L IN E M P F A N G S Z IM M E R M IT T E E W A G E N

V

- }'&<•&

(28)

INNEN-DEKORATION 211

deutsche H andwerk als Berufsstand? 2. W el­

chen A nteil an der Produktion hat das deutsche H andw erk? 3. W elche sozialwirtschaftlichen Massenerscheinungen gedeihen auf dem Boden des deutschen H andw erks? D ie zweite A uf­

gabe ist die Überwachung der Berührungsstellen anderer wirtschaftlicher Interessenverbände mit dem Handw erk und der Tätigkeit der hand­

werklichen Organisationen, um ein Bild der wirtschaftlichen Leistungsmöglichkeit zu geben.

Die geplante A bteilung w ird sich demnach in ein wirtschaftliches Forschungsinstitut für H and­

w erkerpolitik und eine Zentralsammelstelle w irt­

schaftswissenschaftlicher Nachrichten gliedern.

*

D

er im O ktober 1919 gegründete » R e i c h s ­ v e r b a n d des deutschen Handwerks« wird gebildet: 1. von den deutschen H andw erks­

und Gewerbekam m ern, 2. von den beruflichen und wirtschaftlichen Zentralverbänden des deut­

schen H andwerks, 3. den Zentralverbänden der gewerblichen Genossenschaften und 4. dem Ver- band deutscher Gew erbevereine und H andw er­

kervereinigungen. Damit w urde einerder größten V erbände geschaffen. E r umfaßt etw a 1 2 5 0 0 0 0 selbständige H andw erksm eister mit 3 1 /* Millio­

nen beschäftigten A rbeitskräften und stellt mit seinen Familienangehörigen etw a den 6. Teil des ganzen deutschen Volkes dar. Das deutsche H andw erk hat endlich die Organisation gefun­

den, die seiner Bedeutung entspricht...s.

U

m dem Kunsthandwerker Absatzgelegenheit zu verschaffen, w urde im Jahre 1917 in Leipzig ein »W irtschaftsbund Sächsischer Kunst­

handwerker« gegründet, der es sich zum Ziel setzte, den kleinen Kunsthandwerkern die Be­

schickung der Leipziger Messe und anderer Verkaufsausstellungen zu ermöglichen. Im Som­

mer 1918 w urde der » W i r t s c h a f t s b u n d D e u t s c h e r K u n s t h a n d w e r k e r « gegründet, dem außer der sächsischen und bayerischen eine Ham burger, Brem er, eine norddeutsche und badische G ruppe angegliedert worden sind.

*

D

ie Gründung einer » W i r t s c h a f t s - W i s ­ s e n s c h a f t l i c h e n A b t e i l u n g des deut­

schen H a n d w e r k s « in Erwägung zu ziehen, w urde vom H andw erkskam m er-A usschuß be­

schlossen. Die sonst so umfangreiche W irt­

schaftswissenschaft hat sich bisher nicht die Mühe genommen, die Lage desW irtschaftslebens anders zu beurteilen, als von der Lage der In­

dustrie und des H andels aus. D ie richtige volks­

wirtschaftliche W ertung des H andw erks fest­

zustellen, soll nun die A ufgabe der geplanten neuen »W irtschafts-W issenschaftlichen A b tei­

lung« beim Reichsverbande des Handw erks sein.

Die Frage nach der volkswirtschaftlichen Be­

deutung des deutschen H andwerks zerfällt in

drei Problem e: 1. W elche Bedeutung hat das A R C H ITEK T P A U L A LFR ED K E S S L E R -B E R U H . E N T W U R F F Ü R EIN KLA VIER P . A. K E S S L E R -B E R L IN . E N T W U R F FÜR E IN KLAVIER

1920. T I. 4.

(29)

INNEN-DEKORATION

R IC H A R D L. F. S C H U L Z -B E R L IN . K IN D ER -S C H L A FZ IM M E R M Ö B E L

(30)

DIE U M G E B U N G DES K I N D E S

I

n den letzten zehn Jahren bew egte sich unsere G e­

schmacks-Kultur auf einer stetig ansteigenden L in ie ; diese Entwickelung w ar das Ergebnis unseres w irt­

schaftlichen W ohlergehens. Jetzt, wo Deutschland arm ist, stehen 'diese G üter in ernster Gefährdung. Da gilt es für jeden Berufenen, sein Teil beizutragen, daß die wenigen Z entren, wo der gute Geschmack bisher ge­

pflegt w urde, standhaft bleiben und von der anstürmen­

den Flut des Kitsches, die wir bestimmt zu erw arten haben, nicht fortgeschwemmt werden. D er Gedanke, der schon jetzt öfters auftaucht, für Geschmacksbildung sei in dem armen Deutschland kein Raum mehr, — wo ein Volk verarme und verkümmere, dürfe in der Richtung des Geschmackes und der Kultur keine A rbeitskraft ver­

schwendet w erden — , dieser Gedanke ist an sich schon eine Folge krankhafter Rückbildung. Die Freude an der Schönheit, im Größten und im Kleinsten, wollen wir uns nicht nehmen lassen. W ie aber werden wir uns der G e­

fahren, diedem Kunsthandwerk drohen, am erfolgreichsten erwehren? Nach meiner Meinung am besten, indem wir der Sache bis auf den Grund nachgehen — indem wir uns mit unseren Bestrebungen schon an das K in d wenden und hier die sichere G rundlage der Geschmacks-Kultur und des Qualitäts-Empfindens zu schaffen uns bemühen.

W andern wir einmal mit den Kleinen ins K i n d e r - z i m m e r ! Manches ist da gegen früher besser gewor­

den, aber vielfach besteht noch völlige Einsichtslosigkeit.

A ls Zimmer für die Kleinen wird oft ein Raum gewählt, der zu keinem anderen Z w eck mehr recht geeignet er­

scheint. A ls Mobiliar finden wir alten, unbrauchbar ge­

wordenen H ausrat schlechter Formen, toter Farben und ohne Zweckmäßigkeit. Kurz, die Disharmonie herrscht vor. Daß die in solcher Umgebung aufwachsenden Menschlein kein richtiges A B C des guten Geschmackes lernen und mit ins Leben nehmen, ist klar. — Setze ein­

mal ein Kind in eine Umgebung von Licht und liebevollen

R IC H A R D L. F. S C H U L Z -B F .R L IN . L IE G E S T U H L U N D T IS C H . W EISSLA CK IERT

(31)

214 INNEN-DEKORATION

FELICE RIX U . HILDA JESSER. WIENER WERKSTATTE. OLASDOSE U N D -SCHALE

H ILD A JESSER. W IE N E R W ERKSTA TTE B LU M EN K A STEN M IT B E M A L U N G

Dingen. Du w irst erstaunt sein, wie schnell es glücklich und gut gelaunt wird. G ibt das nicht zu denken? W enn von einer »Umgebung liebevoller Dinge« gesprochen wird, denke man nicht an Luxus im gewöhnlichen Sinne.

E her das Gegenteil ist gemeint. Die G egenstände aus der Umgebung des Kindes seien w eiter nichts als z w e c k ­ m ä ß ig , s c h ö n und g u t. A n diese, so einfach erschei­

nenden Begriffe sind allerdings ganz andere M aßstäbe anzulegen, wie der Erwachsene, vielleicht V erbildete, das gemeinhin tut. Die Kultur des Erwachsenen ist ja erst das Ergebnis einer langen K ette von Erfahrungen, Ein­

drücken und Beobachtungen, wozu die elementaren E in ­ d r ü c k e d e r K i n d h e i t den A usgangspunkt bilden. Je r e i n e r diese ersten, tief im Innern haftenden G r u n d ­ la g e n waren, umso feiner und klarer w ird ein solcher Mensch sich in geschmacklicher Beziehung entwickeln.

U rw üchsigkeit, G esundheit, Harmonie und Q ualität in Form , F arbe, Gebrauchsfähigkeit, K onstruktion, das sind die zur Bildung des kindlichen Geschmacks geeig­

neten Elemente. Falsch w äre jede unveränderte Ü ber­

tragung eines G egenstandes vom »Erwachsenen« ins K indliche, Kleine, — z. B. die M iniaturausgabe eines M öbelstückes oder dergl. Damit b ietet man dem Kinde kein Element. Man gebe ihm auch kein Spielzeug, das in vielen komplizierten Gedankengängen erst bewußt-naiv geworden ist. Solche Dinge sind zumeist Karrikaturen.

Die N atur ist naiv, sie steh t dem Kinde immer nahe.

G esundheit, Natürlichkeit und Ehrlichkeit, — wenn w ir es fertig bringen, m it solcher Parole schon im K inde den G rund zum Q ualitätsgefühl zu legen, ihm dam it elemen­

tare Begriffe von G ediegenheit und Schönheit einzuprä­

gen, dann ist alles gew onnen.. . g u s t a v b i s c h o f f-b e r l i n.

Cytaty

Powiązane dokumenty

Hinzu kommt noch, daß der amerikanische Bücherschrank 2 5 — 30 cm im Lichten hoch ist, die wenigsten Bücher aber diese H öhe haben, wodurch man bei niedrigen Büchern

wird nicht zum Hintergrund für ein silhouettenartig gegen die Helle des Tages sich abhebendes Muster, sondern über die Lichtquelle wird durch den Store einfach ein

Die zunehmende Erzeugung der Großbetriebe in einfachen Möbeln ist aber derart, daß sich in allernächster Zeit schon eine große Überproduktion fühlbar machen wird, die

91 Schrank-D iele im Dachgeschoß eines Landhauses.. 116 Treppe zum Dachgeschoß eines

So werden auch wohl nicht gleich alle die neuen Bedürfnisse ganz versiegen, an die wir uns in der vorausgegangenen Zeit so sehr gewöhnt haben, daß wir

voll starke und feine Beobachter, der G oethe war, wird auch durch m oderne Experimente nicht überholt sein, nie überholt werden können, w o es sich um

D ie dekorative Malerei, das Musterzeichnen, die Bauplastik und die gewerbliche Plastik empfangen ihre wertvollste Befruchtung durch die freie Malerei, freie Plastik und

gewerbler, Dekorateur, Architekt Lebrun hat niemals etwas Geniales im Sinne des rein schöpferischen eines Michelangelo, Goya oder Rembrandt und er beherrschte doch mit