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Polen, Kreuz und Quer : Blicke hinter die Kulissen

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Academic year: 2022

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PO LEN

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POLEN *

KREUZ UND QUER

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Blicke hinter die Kulissen

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Von

PETER ESCH

M it 4 Kartenskizzen

Im Deutschen Verlag • Berlin

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Biblioteka

Uniwersytetu Gdańskiego

*1100815482

\ 3 i M / O

Umschlagentwurf: G. Scbipke Printed in Germany-

Copyright 1939 by Deutscher Verlag, Berlin

1100815482

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»

D e r Inhalt

W tX jo W O :j u ( ö l/A

1. E in Ü b e rb lick ... 7

2. „T ru d n o “ — das polnische „N itsch e w o “ ... 12

3. „H e ilig e r J u r“ ... 23

4. „Leuchtender Berg“ ... 35

5. Ü berall im H in te rg ru n d die J u d e n ... 44

6. Ic h suche eine W ohnung ... 58

7. „D e r H e rr M achthaber“ ... 72

8. D ie bösen Deutschen ... 82 9. Das Ende des P ilsu d skism u s... m

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1. Ein Ü b e rb lic k

U nverdrossen schnurrt der M o to r des kleinen Flugzeuges durch den herrlichen M orgen dieses Frühlingstages. Es fü h rt uns aus dem Osten des Reiches über die Grenzen hinaus, die Deutsch­

land vo n seiner früheren P rovinz Posen trennen. Unser Z ie l is t W arschau, die H auptstadt in dem Entente-Polenstaat „R zeczy­

pospolita Polska“ .

Das Landschaftsbild der ersten Stunde, das sich dem Auge jen­

seits der Grenzen darbietet, g le ich t fast haargenau dem des deutschen Ostens, jedenfalls sow eit es n ic h t durch die leuchtenden Bänder der A utostraßen neu geprägt w orden is t: saubere R eihendörfer an breiten D orfstraßen, Bauernhöfe m it Blum en- und Gemüsegärten v o r dem festen, einstöckigen W ohnhaus. H in und w ieder w eist der Schatten des Flugzeuges a uf einen von Hecken oder Ziegelm auern sauber eingefaßten G u tsh of h in , aus dessen B e zirk n ic h t selten der Schornstein w ahrscheinlich einer Ziegelei, Brennerei oder M olkere i herausragt. Sauber gezogene regelmäßige Gräben, die von K o p f­

weiden bestanden sind, lassen a uf Entwässerungsanlagen schließen.

Feldwege und gerade gezogene Raine te ile n die m it landschaft­

lichen Reizen n ic h t gerade bevorzugten w eiten Flächen in große, bunte Stücke auf. Neben dem gesunden G rün der jungen Saat, die durchwegs ausgezeichnet durch den W in te r gekommen zu sein scheint, glänzen die feuchten Schollen, die der P flug gerade um ­ gelegt hat. Selbst über dem kleinen Sandhügel d o rt unten lie g t ein sanfter, grüner Schimm er. E r ve rrät, daß sein Besitzer sicher gehört ih m dieser kleine H o f m it dem freundlichen kleinen G arten und der m ächtigen L inde v o r dem Haus — n ic h t g e w illt is t, v o r der K a rg h e it seines Bodens die W affen zu strecken. A m Rande seines sandigen bebauten Ackers sind die Steine, die aus dem Boden wachsen, so rg fä ltig zusammengetragen w orden.

D ann werden die Felder w ieder großflächiger. Jenes W äldchen d o rt drüben scheint ein Park zu sein. Sicher lie g t m itten in ihm das schöne Haus des Besitzers dieser Felder. U rp lö tz lic h reißen die sauber abgeteilten Flächen ab. Sie sind in kleine Stücke zerhackt, an denen im m er ein kläg lich er G arten und zaunloser Bohlenbau m it Papp- oder Blechdach und einem ähnlichen W irtschaftsgebäude

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an der Flanke steht. Ic h zähle z w ö lf solcher Zw ergbetriebe. Dann is t dieser häßliche Fleck in diesem sauberen Z iv ilis a tio n s b ild des Posener Landes w ieder verflogen. M ein Begleiter, ein g ute r K enner des Landes, schreit m ir durch das T elefon das W o rt „P o n ia to w k i“

zu. E r fü g t erklärend hinzu, daß es sich bei diesen m itten in das G utsland hineingesetzten Zw ergbetrieben um die von dem p o l­

nischen A g ra rm in iste r P oniätow ski (daher der Name „P o n ia to w k i“ ) geschaffenen polnischen Ansiedlungen a u f dem Boden des ent- eigneten deutschen Großbesitzes handelt.

W ir überfliegen ein Stück W ald, dann einen breiten Streifen sauber angelegter Kiefernschonung, dann w ieder ein altes D o rf m it soliden Steinhäusern und G ärten davor und regelm äßig vo n Scheune, Stall und Schuppen umschlossenen H öfen. L in ks v e rlie rt sich eine Chaussee in dem großen dunstigen W aldstück, etwas w eite r laufen Eisenbahnlinien und Straßen in irgendeine der unzähligen K le in ­ städte dieses Landes zusammen.

D ie B ild e r wechseln, aber ihre M o tive w iederholen sich: kleine, o ft lang auseinandergezogene D ö rfe r, bis a uf das letzte Fleckchen nutzbar gemachte Felder, Wiesen, W aldstücke m it W eihern und sauber ausgeschlagenen und so fo rt w ieder aufgeforsteten Flecken darin, G utshöfe, sp itztürniig e K irche n, einsame Friedhöfe am W ald­

rand, gelegentlich die U fe r eines blinkenden Sees, kurzum die ganze w eitflächige W elt, die sich dem Auge von oben so freig eb ig darbietet.

W ir überqueren ein Flüßchen. Ic h blicke a u f die K arte. Es is t die Prosna. Etwas w eiter n ö rd lich m ündet sie in die W arthe, den größten Nebenfluß der O der und H auptstrom des Posener Landes. W ar das B ild der Landschaft bisher e in tö nig durch die R egelm äßigkeit seiner M o tiv e , aber im hellen L ic h t dieses Frühlingsm orgens doch keines­

wegs u nfreundlich — jetzt, h in te r der Prosna, w ird es trosdos: die schmale Prosna tre n n t zw ei W elten, obw ohl, was diesseits des Flusses lag, von der N a tu r sicher n ic h t üppiger ausgestattet w orden is t als dieses endlose Land, über das uns unsere kleine Maschine ostw ärts trä g t. Statt a u f sauber angelegte D ö rfe r blicken w ir a uf w ahllos zerstreute, w indschiefe, zerzauste Strohdächer m it elenden, gartenlosen H olzkaten darunter, schmale, hochgew ölbte Feldstreifen, w illk ü rlic h und regellos ineinandergefügt, dann öde, unbebaute Sandbuckel, w eite kilom eterlange und ebenso breite Sum pfflächen (ich denke m it Grauen an eine eventuelle N otlandung), ein einsamer Eisenbahndamm, der sie durchschneidet, schließlich w ieder H o lz ­ katen, Karpfenteiche, in der Nähe ein G u tsh of m it großspreche­

rischem Schloß, aber verfallenen Ställen und Scheunen, deren moos­

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schim m lige Dächer sicher keinem soliden Landregen m ehr stand­

halten. Zehn M in uten fliegen w ir längs einer Straße: b re it, aber baumlos. M an hat das G e fü h l: w ar die Landschaft v o r der Prosna p la n v o ll gestaltet, sauber und ordentlich, so is t sie je tzt h in te r diesem Flüßchen dem Z u fa ll, der Laune und dem G rad der A rb e its- und Schaffenslust ih re r jew eiligen Besitzer überlassen geblieben, erst zur H ä lfte aus ihrem N aturzustand herausgehoben. D ie andere, un­

bequeme und w eniger zugängliche H älfte, die w eiten versum pften Flächen und die n u r nach dem A ufw and von v ie l Fleiß und Schweiß fruchtbringenden sandigen und steinigen Ödflächen harren noch im m er ih re r Erschließung.

E in F lug über Warschau hinaus in den eigentlichen polnischen Osten, also zum Beispiel nach W ilna, bestätigt dieses B ild einer von W esten nach Osten wachsenden Z ivilisatio n sferne , der Unerschlossen- h eit, U ng eform the it, aber auch der m it der zunehmenden Nähe Rußlands wachsenden W eite und U nendlichkeit, des Sichselbst- überlassenseins der N a tu r und m it Menschen in einer fast noch im U r­

zustand dahindäm mernden Landschaft. F ünfhundert K ilo m e te r südlich von W iln a lie g t das riesige Sum pfgebiet der endlosen R o kitn o - sümpfe Polesiens. H ie r kann sich innerhalb der letzten hundert, ja zw ei- oder dreihundert Jahre nichts verändert haben, denn man kann sich einfach n ic h t vorstellen, w ie ein Mensch dieser Breitengrade, der im m erhin die Stufe des Höhlenbewohners überschritten hat, in noch p rim itiv e re n H olzh ütten hausen, sich noch einfacher kleiden und noch anspruchsloser ernähren kann. Seine H ü tte , sein K le id und seine N ahrung sind fast ausschließlich das ureigene W erk seiner Hände, wenn n ich t das seiner V orfahren, von denen er die H ü tte und den groben Leinenrock geerbt hat. D ie p rim itiv e n , aus zw ei nebeneinanderliegenden H olzbalken bestehenden Laufstege, die durch die viele Stunden w eiten Sümpfe führen, bilden in den ab­

gelegenen Bezirken Polesiens häufig die einzige V erbindung zwischen den menschlichen Siedlungen. A n ihnen kann im V e rla u f der letzten Jahrhunderte gar nichts verbessert w orden sein. H ie r b e g re ift man, daß die Z u k u n ft Polens von der E n tw icklu n g seines Ostens abhängig ist. N u r wenn das Land sich gegen den Osten absperrt und sich dem Westen erschließt, n u r wenn es den Osten in sich überw indet und Europa w ird , kann Polen sich einen Platz unter den K u ltu rn a tio n e n Europas erwerben. A llerd in gs w urden bisher m ehr Elemente des Ostens in den Westen, die p rim itiv e n „P o n ia - to w k i“ -H olzbaracken polnischer A nsiedler in die k u ltiv ie rte Land­

w irtsch a ft des Posener Landes getragen. W enn man Z iv ilis a tio n s ­

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leistungen des nun schon länger als zw ei Jahrzehnte bestehenden Polenstaates im Osten finden w ill, dann muß man schon m it einem Vergrößerungsglas lange suchen. D ie asiatischen Elem ente stehen m it den europäischen seit der W iedererrichtung des polnischen Staates in einem leidenschaftlichen K am pf. In staatlicher Beziehung gehörte der größte T e il dieses Landes zu der orientalischen W e lt des russischen Zarism us. In k u ltu re lle r Beziehung gehört dieses V o lk , seit es um das Jahrtausend in das L ic h t der W eltgeschichte rückte, der W elt des Ostens zu. In H altu ng , G esittung und auch im B lu t haben unzählige Generationen diese östlichen Elemente in sich ein­

gesogen. D ie berühm te „szeroka natura“ des Russen, die breite N a tu r, hat auch in jedem polnischen Menschen ihre H eim stätte und ihren Platz, einen großen in dem Bewohner des Ostens und einen engeren in dem der m ittelpolnischen Gebiete, so g u t w ie gar keinen in dem der posener, pom m ereller und schlesischen Polen, die durch die nüchterne, tüchtige und tatenfrohe Schule des Preußentums gegangen sind.

F re ilich , je m ehr der Pole seinem Wesen und Charakter nach zum Osten gehört, um so lauter betont er seine Z ug eh ö rigke it zu Europa.

D ie „europeizacja“ , zu deutsch die „E u ro pä isie ru n g “ , das ist das Schlagw ort, m it dem man der polnischen H auptstadt einen neuen A n strich zu geben bem üht ist, m it dem man h ie r und da eine Straße in den Osten hineinbaut, eine polnische R üstungsindustrie in dem sogenannten zentralen In du strie b ezirk bei Sandom ir und ein paar D utzend neue Schulen als Beweis des guten W illens zur Beseitigung der M illio n e n ziffe r des Analphabetentum s errichtet. Das m odernste und repräsentativste H o te l der polnischen H auptstadt trä g t den Namen „E u ro p a “ . D ie Europäisierung is t die Idee und der Plan, der heute alle Polen e rfü llt, seine V e rw irk lic h u n g m acht die Besiegung der „szeroka natura“ zur Voraussetzung. D enn zu ih r gehören n ich t Pathos und Sehnsucht, sondern W ille n skra ft und Schaffenslust. Z u ih r gehört auch das Bekenntnis zu der S chöpferkraft jener aus dem W esten nach Polen gelangten deutschen M änner, die in früheren Jahrhunderten in das Land kamen, um im A u ftra g polnischer K önige, H errscher und G rundherren Städte nach deutschem Recht zu gründen, m it deutscher K u ltu r und deutschem B ürgertum zu erfüllen.

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. — --- --- Woiwodschaftsgrenzen seit dem i. A p ril 1938

... Die alten Grenzen zwischen dem Vorkriegsdeutschland und Rußland

Das an Polen im Oktober 1938 abgetretene Olsagebiet

I Pommerellen (Westpreußen), I I Posen, I I I Schlesien, IV W ar­

schau, V Lodz, V I Kielce, V I I Krakau, V I I I Białystok, I X Lublin, X Lemberg, X I Wilna, X I I Nowogródek, X I I I Polesien, X I V W olhynien, X V Tarnopol,

X V I Stanislau

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2. „T ru d n o “ — das p olnische „N itschew o “

G rö ß e r als H olla n d oder Dänem ark is t dieses vergessene Land an der Pina, am P rip je t, Styr, Stochod, an der Jasiolda und am W igonowskoje-See.

W er erinnert sich n ich t dieser Namen aus den tapfersten Jahren der deutschen Geschichte? A u f H underten von F riedhöfen schläft h ie r in diesem Sum pfland ein riesengroßes H eer von deutschen M ännern. H ätten sie h ie r n ich t gekäm pft, gewacht und ih r Leben fü r den Schutz ih re r fernen H eim at eingesetzt, das B ild der politischen K a rte Osteuropas w ürde heute ganz anders aussehen. D ie Grenze zwischen Asien und Europa w ürde einen anderen V e rla u f haben.

Europa w ürde noch enger und kleiner sein und fü r Polen in ihm kaum ein Platz. So is t dieses riesige Sum pfland der P ripjet-S üm pfe Polesiens, die als R okitno-S üm pfe unter H underten vo n Ortsnam en und Daten in die B lätter der Geschichte des deutschen V olkes ein­

gegangen sind, w ieder geworden, was es vordem schon so o ft w ar - G renz- und Übergangsland, Land zwischen den W elten des O rients und des O kzidents, w o die runden grünen K u ppeln der hölzernen Cerkiews der O rthodoxie im m er m ehr vo n den spitzen Türm en der steinernen K irch e n der kriegerischen und polonisierenden röm ischen K irch e verdrängt werden.

D ie Elem ente, aus denen die N a tu r h ie r besteht und die das Leben der Menschen seit Jahrtausenden bestim m en, sind die unendlichen W eiten des flachen M oors, durch die sich je nach dem lleg en - reichtum des Jahres m ehr oder m inder breite Rinnsale ziehen, die manchmal sogar zu einem einzigen riesigen Binnenm eer m it wenigen einsamen Inseln anschwellen, m it D ö rfe rn darauf, in denen wochen- und m onatelang manchmal n u r die D achfirsten aus dem Wasser ragen. In den feuchten Jahren freuen sich die Fischer, in den trockenen müssen sich die wenigen Bewohner dieser unendlichen W eiten m ehr a uf die V iehzucht um stellen, denn dann g ib t es w enig Fische, dafür aber verhältnism äßig reiche Fleuernten, und das V ie h fin de t überall fette und saftige K rä u te r, auch wenn es bis zum Bauch im sumpfigen Boden steht. W enn die E u te r v o ll sind, bahnt es sich watend und schwim m end selbst den W eg durch die Wasserläufe und M oore in den heim atlichen Stall. In den feuchten Jahren haben in den

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polesischen Sümpfen B iber, Storch, Trappe und Auerhahn ih r Paradies, in den trockenen durchziehen W olfsrud el die Sum pfwüsten und suchen sich ihre Beute. D ann w iederholen sich in der polnischen Presse in kurzen Abständen die M eldungen von K in d e rn , die beim Sammeln von Beeren von ausgehungerten W ölfen angefallen und zerrissen w orden sind.

Das Land hat eigentlich n u r d rei Farben: das sanfte Blau des über diesem flachen Land vollkom m en gew ölbten H im m els, das G rün des Schilfs, das zw ei, ja d rei M eter hoch aus der Fläche rag t und sich w ie ein schnittreifes K o rn fe ld im W inde w ieg t, und dann das dunkle, fast schwarze G raubraun des T o rfs und des Wassers. E ine schwer­

m ütige, trau rig e Farbensym phonie, in die außer den bunten Wasser­

pflanzen n u r selten ein paar Menschen m it dem W eiß ih re r groben, selbstgewebten K itte l ein paar helle und lic h te Farbtupfen setzen.

Z u dem w eiten H im m el und dem Wasser, m it dem sich das Land h ie r verm ählt hat, kom m t als weiteres Elem ent der W ald. E r is t das größte Geschenk fü r den polesischen Menschen. E r lie fe rt noch heute dem Fischer den Einbaum , dem Bauern das Haus und in allen seinen T eilen einschließlich der Achse den Wagen. Ja sogar einen T e il seiner K le id u n g bezieht der polesische Sum pfbauer aus dem W ald: seine Schuhe, die „la p k i“ , sind aus der R inde der Bäume geflochten. M it ihnen d u rch e ilt er a uf den schmalen und p rim itiv e n Pfaden, die aus den aneinandergelegten Stämmen der Bäume be­

stehen, das w eite Sum pfland.

M an kennt Polen n ich t, w enn man diesen seinen Osten n ich t kennt. E r hat m it Europa nichts gemein. W er in ih n eindringen w ill, m uß sich a u f eine F ah rt in ein exotisches Land gefaßt machen. Sonst w ird ihm der Osten Polens im m er frem d bleiben. E r w ird ih n n ich t verstehen und dam it n ic h t die Gesetze, die zu einem großen T e il das Leben in Polen bestimmen.

A uch m ir und m einen Kameraden g in g es zunächst n ic h t anders.

E rs t als uns die Boote im m er w eite r a uf den trägen und müden Flüssen durch die w eite Landschaft des Ostens trugen, als uns die Freude an dem schillernden F lug des scheuen Eisvogels w ich tig e r gew orden w ar als die W illk ü rlic h k e it des Laufs der flachen F ahrt­

rinne in dem breiten F luß, als w ir uns n ic h t m ehr über die U n­

zuverlässigkeit der Angaben der Menschen dieses Landes über die W eite des Weges bis zum nächsten Z ie l ärgerten, sondern uns die singende weiche Sprache der nichtpolnischen Bewohner dieser Land­

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verschwunden w ar — da begannen w ir das Land und sein Leben zu verstehen.

A b er es hatte schon eine W eile gedauert, ehe w ir so w e it waren.

Zuerst, wenn w ir nach einem Brunnen fragten, oder nach einem Laden, w o w ir etwas zu kaufen bekommen könnten, und es gab neben einem A rm , der die R ichtung wies, n u r eine A n tw o rt „ o to nie daleko“ — das ist n ic h t w e itl — und dann lie f man durch g lü ­ hende M ittagshitze eine halbe Stunde und m ehr . . . zuerst also, da regte uns das n ich t auf, da schim pften w ir über den Bauern, der am U fe r gesessen und uns diese nach unserer A n sicht verrückte A u sku n ft gegeben hatte. Später sahen w ir e in : Z e it und E ntfernung sind h ier keine festen, kla r umrissenen Begriffe. „T o zaraz“ (das is t d o rt gleich), „ to nie daleko“ , das is t das nächste, aber noch im m er m eilenw eit entfernte Haus am U fe r, das is t die nächste Brücke, zu der w ir aber noch m ehr als eine Stunde brauchen, das is t die nächste Stadt, die w ir v ie lle ic h t am späten Abend erreichen. F ü r den M en­

schen des polnischen Ostens spielen Z e it und Raum keine R olle, w e il sie fü r ih n gar keinen W ert haben. E rst als auch w ir die K ilo m e te r n ic h t m ehr zählten, konnten w ir den Fischer verstehen, den w ir in seinem schmalen Einbaum trafen. Es w ar m ittags, und er fischte seit Sonnenaufgang. „H a b t Ih r schon viele Fische?“ „N ie “ —

„N ic h ts “ . „W e rd e t Ih r noch welche fangen?“ „B o ja w ie m l“

In diesem „b o ja w iem “ spiegelt sich die Seele des Ostens. M an m üßte es w ö rtlic h übersetzen: „W e iß ich?“ A b er so läß t es sich n ich t übersetzen. „W e iß ich?“ is t abweisend, m ürrisch, etw a:

„L a ß t m ich in R uh el“ „B o ja w iem “ is t fre u n d lich , lächelnd, m it einer sanften, geduldigen Ergebenheit in ein unbegreifliches Schick­

sal, gegen das sich eben nichts machen läßt. W ird der Fischer abends von seiner Tagesarbeit, die er m it einem p rim itiv e n Stangennetz d u rch fü h rt, ohne auch n u r ein F ischlein heim kehren — er w ird n ic h t zürnen und g ro lle n oder gar die Schuld an seinem M iß e rfo lg in der U nvollkom m enheit seines Handwerkzeuges suchen. E r w ird , wenn man ih n a u f sein mühseliges H andw erk hinw eist, das so w enig lo h n t, n u r ein „tru d n o “ zur A n tw o rt haben. Das is t w ieder so ein unübersetzbares W o rt, das eigentlich „sch w ie rig “ bedeutet, aber etwa ausdrücken s o ll: „D a kann man eben nichts tu n !“ E in M ensch, der die A n sicht v e rtritt, daß es nichts g ib t, was „tru d n o “ , was schw ierig und unüberw indbar is t, hat im Osten Polens keine Existenzberechtigung. Das „tru d n o “ gehört zur Seele des östlichen Menschen, w ie die Schaffenslust in die des Westens. A uch in W ar­

schau hat etwa der T ischler, der in fo lg e seines schlechten H andw erks­

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zeugs oder seines m angelhaften Könnens an dem W iderstand der M aterie gescheitert is t, nur ein „tru d n o “ zur A n tw o rt. M it diesem

„tru d n o “ fe rtig t der P ostdirektor V orhaltungen ab, die ihm gemacht werden, w eil es in der polnischen H auptstadt Bezirke g ib t, in denen die erste M orgenpost m ittags um z w ö lf zugestellt w ird .

O der man stelle sich das typische B ild einer K le in sta dt im p o l­

nischen Osten v o r, die im m er w eniger eine polnische, ukrainische oder weißrussische als eine jüdische Stadt ist. E in M a rk t von rie ­ sigen Ausmaßen, selbstverständlich ungepflastert, rund herum ärm ­ liche, unglaublich schm utzige H o lz- oder Lehmhäuser, v o r den T üren sitzend oder an den Pfosten gelehnt M änner m it langen Bärten und knielangem K aftan, Frauen m it bunten Seidenperücken (denn jede strenggläubige Jü din läßt sich, wenn sie in den heiligen Ehestand tr itt, die Haare d ich t am K opfe abscheren und trä g t von diesem Tage an eine Perücke, deren Farbe sie je nach Geschmack w äh lt) und dazwischen scharenweis schm utzige K in d e r in allen Lebensaltern.

D ie ganze Stadt scheint w ie das w eite Land zu schlafen. Selbst die geschäftigen Juden lassen sich Z e it. N ic h t n u r an ihrem Sabbat sitzen sie a uf den Schwellen ih re r Häuser und plauschen. D ie Straße is t unvorstellbar schm utzig. A u f einem schmalen B re tt balanciert man über den M orast, den A b fa ll, der im Laufe der Jahrzehnte aus den Fenstern der Häuser a uf die Straße geschüttet w orden is t — unw eigerlich den n ich t sehr angenehmen D üften preisgegeben, die aus den Häusern dringen und die der Boden der Straße entw ickelt.

E in m üder, abgemagerter Schimmel zieht ein schwankes W ägel­

chen, bis zur Achse versunken, durch den Schmutz quer über den einsamen M arktplatz. A b und zu b le ib t das Pferdchen stehen, um L u ft zu schnappen, dann erm ahnt es der K utscher, ein schm ieriger Handelsjude m it langem B art- und H aupthaar und einem fe ttg lä n ­ zenden K aftan. Neben ihm a u f dem schmalen W agenbrett kauert ein etwa zw ö lfjä h rig e r Judenjunge. E in schwarzes, rundes K äpp­

chen deckt auch seinen K o p f. A n den Schläfen rin ge ln sich bereits die läusedurchsetzten „Pejes“ , der Stolz des rechtgläubigen Juden.

Das eintönige jiddische Liedchen, das er v o r sich her p lä rrt, ve rsinkt in dem M orast der Straße.

So sind die kleinen Städte d o rt. In einem w o llte n w ir Brenn­

spiritus kaufen, der a uf dem Lande n ich t zu haben is t, w e il er von seinen Bewohnern als G etränk verwendet w ird . Nach vielen Frage­

reien finden w ir den einzigen Laden, der diesen flüssigen Brenn­

s to ff verkaufen darf. A u f dem Ladentisch dieses vom Staat p riv i­

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legierten Unternehmens lie g t eine Frau. Sie schläft. XX as soll man da machen? W ir tragen unsern W unsch m it im m er größerer L a u t­

stärke vergeblich vo r. Schließlich werden w ir durch die halbgeöff­

neten A u ge n lid er u nfreu n dlich angeblinzt. E n d lich erfahren w ir, ohne daß die Frau ihre bequeme Lage verändert hätte, daß der Brenn­

sp iritus seit einigen Tagen ausverkauft ist. V ie lle ic h t w ird es m orgen, vie lle ic h t sogar° schon am N achm ittag neuen geben. Ganz gewiß w ar die Frau einfach zu fa u l, ihren gesegneten Schlaf eines so w enig bedeutungsvollen Geschäftes wegen v ö llig zu unterbrechen. In solch einem F all läßt sich eben gar nichts machen. Da g ib t es n ur eine A n tw o rt: „tru d n o “ .

Diese kleine Stadt lag an einer Steilküste. D ie M ittagssonne p ra llte gerade a uf die fast senkrechte weiße U ferw and, als w ir nach erledigten Besorgungen w ieder abfuhren. Jetzt sahen w ir die Stadt sozusagen von hinten. D ie Häuser standen n ich t n u r hart am Steilrand, sondern ragten zum T e il über ih n hinaus. Das H och­

wasser des Frühjahrs und Herbstes hatte die Erde unter ihnen weg­

gespült. E in Haus hing m it einer Ecke ganz fre i in der L u ft. M an w ohnte noch darin. D er Sommer w ar ja w arm , und ein bißchen L ü ftu n g konnte ja auch bestim m t nichts schaden. A m Steilhang aber, an einer schattigen Stelle, hockte ein alter Jude und verrichtete harm los und vergnügt ein Geschäft, zu dem w ir anspruchsvollen Europäer einen besonderen Raum benötigen. Sein G esicht verklärte sich bei unserem A n b lic k . E r w ar fü r die unerw artete Zerstreuung offensichlich sehr dankbar.

D er bewußte O rt is t dortzulande ein unbekannter B egriff.

A ls w ir einm al eine Bauersfrau nach ihm fragten, verstand sie uns erst, als w ir sehr deutlich w urden. „Ü b e ra ll!“ w ar die A n tw o rt, begleitet von einer Gebärde, die den ganzen w eiten U m kreis des

Gehöftes um faßte.

D ie Städte im polnischen Osten gehören den Juden. Das ist keine Ü bertreibung. Städte w ie L ub om l und Berezna in W olhynien oder D om brow ica in Polesien, K ossin in der L u b lin e r W o iw od ­ schaft haben eine Einw ohnerschaft, vo n der lau t polnischer S tatistik 94 bis 96 v. H . Juden sind; 71 ost- und m ittelpolnische Städte sind mindestens zu zw ei D ritte ln verjudet. D ie Z ahl der Städtchen, M arktflecken und O rtschaften, in denen wenigstens jeder zweite E inw ohner ein waschechter V o llju d e ist, lassen sich gar n ich t zählen.

In ihren Händen lie g t ausschließlich der H andel, das H andw erk und, was schlim m er ist, das Kreditw esen fü r Stadt und Land.

E in Bauer aus einem einsamen polesischen D o rf erzählt: „Im

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K rie g waren w ir alle in S ibirien. A ls w ir zurückkam en, w ar von unserem .D o rf nichts m ehr zu sehen.“ W ir fragen: „A b e r Ih r habt doch ein festes Haus? H abt Ih r vom Staat eine Entschädigung bekomm en?“ — „Ic h habe beim Juden geborgt.“ — „ Is t schon alles bezahlt?“ — „N e in l N eu lich konnte ich die Zinsen n ic h t be­

zahlen, da hab ich dem Juden die K u h gebracht.“

Es w ar seine einzige K u h . W ahrscheinlich w ird er dem Juden in der Stadt im nächsten Jahr sein letztes Pferd bringen müssen.

D enn nie und nim m er is t er bei den jäm m erlichen A grarpreisen in der Lage, die hohen Zinsen von m ehr als zwanzig Prozent heraus­

zuw irtschaften. Dazu wäre er übrigens auch dann n ich t in der Lage, wenn er die Zinsen von einer staatlichen Bank erhalten hätte. E in D ire k to r der staatlichen A grarbank wies im Sommer 1939 in einem V o rtra g darauf h in , daß ein L a n d w irt, der sich im Jahre 1928 von einer Staatsbank G eld zum K a u f einer K u h geliehen hatte, im Jahre 1939 zur R ückzahlung seiner Schuld 2ehn K ühe verkaufen müßte.

W ir durchstreifen die schöne m ittelpolnische W oiw odschaft L u b lin , die sich durch ihren gesunden, aufstrebenden Bauernschlag aus­

zeichnet. W ir haben unsere Freude an den sauberen Bauernhöfen, die sich ganz erheblich von den üblichen polnischen verschm utzten G ehöften abheben, an dem prächtigen Pferdem aterial und dem ge­

sunden V ieh. In einem kleinen Städtchen is t gerade M a rkt. H ie r w ird uns die A b hä n gigke it der polnischen Bauern von dem Juden schla­

gend v o r Augen g efü hrt, als sich die hausfraulichen Augen m einer B egleiterin an der Größe der E ie r in den K örben der Bäuerinnen entzücken. Dieses Entzücken steigert sich zum Begehren, als der Preis dieser Prachterzeugnisse der H ühner der L u b lin e r Bauern festgestellt w ird : er is t um die H ä lfte n ie drige r als der, den man in Warschau fü r halb so große E ie r zahlen muß. Z u unserem Erstaunen erw eist sich aber, daß die E ie r von uns n ic h t erstanden werden können. D ie Bauern sind säm tlich beim jüdischen E ieraufkäufer (aber selbstverständlich n ich t n u r bei diesem) verschuldet und ver­

p flic h te t, ih re gute und preisw erte W are ausschließlich an ihren G läubiger zu verkaufen, der n a tü rlich den Eierpreis unabhängig vom M arktpreis w illk ü rlic h bestim m t. D ie D ifferenz zwischen diesem Einkaufspreis und dem norm alen M arktpreis, der fü r jedes einzelne E i fü n f bis sieben polnische Groschen beträgt, flie ß t selbstredend ausnahmslos in die Tasche des Juden. Ä h n lic h ve rh ält es sich m it den Gänsen, die die armen polesischen Sum pfbauern züchten. F ü r die Gans, die in Warschau fü r 6 bis 10 Z lo ty ve rka u ft w ird , erhält

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der Poleschuke vom Juden, wenn er G lü ck hat, gerade einen ein­

zigen Z lo ty .

Es g ib t eine am tliche S tatistik aus dem Jahre 1939, die darüber A u sku n ft g ib t, daß der Handel in Polen zu 47,2 v. H . in den Händen von Juden lie g t, genauer gesagt von Personen mosaischen Bekennt­

nisses. W ie hoch der H undertsatz der getauften Juden ist, verrät die S tatistik leider n ich t. A ber im m erhin g ib t sie zu, daß der Handel in der W oiw odschaft Polesien zu 65, in der W oiw odschaft W olhynien zu 67 v. H . in jüdisch-m osaischer H and lie g t. A ber es g ib t keine S tatistik, die eine V o rstellun g von dem Ausmaß der A bhängigkeit des ost-, m itte l- und südpolnischen Bauern vom jüdischen H ändler, A u fk ä u fe r und Hausierer ve rm itte lt. Kenner der Verhältnisse be­

haupten, daß d o rt wenigstens zwei D ritte l aller Bauern am S trick des Juden hängen. M ag diese Schätzung zu hoch oder zu niedrig sein, Stichproben, man mag sie anstellen, w o man w ill, zeigen im m er w ieder dasselbe erschütternde B ild dieser finanziellen A bhängigkeit, die von den meisten Bauern w ie ein unverm eidliches Schicksal em pfunden und hingenom m en w ird . A uch über diesem traurigen K a p ite l steht das resignierende „T ru d n o “ .

Dieses „T ru d n o “ , diese trostlose Ergebenheit in ein unabänder­

liches Schicksal kennzeichnet n ich t allein die seelische H altung des Menschen im polnischen Osten. Sie w ird fü r jeden zum H aupt­

problem fü r die Z u k u n ft des Staates und Volkes schlechthin, der sich den H undertsatz derjenigen Menschen in Polen vergegenw ärtigt, denen diese östliche Seelenhaltung eigen ist. U nd in w ieviel M illio n e n Menschen darüber hinaus werden durch diese fatalistische Schicksals­

ergebenheit die gelegentlichen Versuche zur G estaltung eines neuen Lebensstils fü r V o lk und Staat lahm gelegt, ja einfach unm öglich gem acht! A lle in in den ausgesprochenen O stw oiw odschaften wohnen 6 M illio n e n Menschen. A ber auch in den 14,5 M illio n e n Bewohnern der Zentralw oiw odschaften und in den m ehr als 9 M illio n e n der Südwoiwodschäften n im m t das „T ru d n o “ im täglichen Leben w ie in der E instellung zum Staat einen bedeutenden Raum ein. A n diesem

„T ru d n o “ sind die Versuche M arschall Pilsudskis, des Neuschöpfers des polnischen Staates, gescheitert, die Menschen seines Landes zur N atio n in dem verpflichtenden Sinn der schicksalhaften Verbunden­

h eit zu führen. In einer seiner Sejmreden des Jahres 1926 (und bei vielen anderen Gelegenheiten) stellte er v e rb itte rt fest, daß „ in dem wiedererstandenen Staat die Erneuerung der Seele der N ation n ich t e rfo lg t ist. A ls ich nach Polen zurückkehrte und die M acht in die Hände nahm, glaubte ich an die Erneuerung der N atio n. Damals

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w o llte ich n ich t m it dem K n üppel regieren und gab die M acht in die H and des von m ir berufenen gesetzgeberischen Sejm. D ie N atio n hat sich aber n ich t erneuert. Lum pen und Schufte haben sich b re it­

gemacht . . . N ichtsw ürdige Menschen sind in Polen zu großen H erren geworden. D ie dem okratischen Freiheiten w urden derartig m ißbraucht, daß man deswegen die ganze D em okratie hassen könnte.“

U nd w eiter heißt es in derselben Rede zum Schluß, er habe seinerzeit einen schwachen und kaum pulsierenden Staat übernom m en und den B ürgern einen erneuerten und lebensfähigen zurückgegeben. „A b e r was“ — so fragte P iłsudski damals, genau ein Jahr nachdem er an der Spitze der Arm ee die M acht im Staate w ieder an sich gerissen hatte — , „w as haben sie m it diesem Staat gemacht? Sie machten aus ihm ein Spottgebilde. M ein Program m is t es, die Zahl der Lum pen zu verringern und der R edlichkeit die Wege zu ebnen. Ic h warte ab und versichere Sie, daß ich m ich n ich t ändern w erde.“

P iłsudski hat zu kurze Z e it gelebt und zu kurze Z e it an seinem V o lk e g e w irk t, um es ändern zu können . . .

In den Bereich des „T ru d n o “ gehört auch das Problem Polesien.

Dieses unerschöpfliche Landreservoir um faßt 45000 Q uadrat­

kilom eter, a uf denen n ur 1,1 M illio n e n Menschen wohnen. 54 v. H . des gesamten Gebietes bestehen aus Sümpfen und Ö dland. Das is t eine Fläche von 2,5 M illio n e n H ektar. U nd dieses Land, in dem koloniale und agrarische S chöpferkraft ein herrliches Feld der Be­

tä tigu ng hätten, besteht zum größten T e il aus fe tte r schwarzer Erde, die seit dem Schöpfungstage ausruht und a u f den schöpferischen G eist des Menschen w artet, um urbar und nutzbar gemacht zu werden. D ie Kosten, die h ie rfü r aufzuwenden wären, sind n ich t einm al hoch. Sie stehen jedenfalls in gar keinem V erhältnis zu den volksw irtscha ftliche n W erten, die durch die berüchtigte A g ra r­

reform der polnischen R egierung a u f den h o ch ku ltivie rte n la n d w irt­

schaftlichen G roßbetrieben in Posen und Pom merellen zerstört oder lahm gelegt werden. Im Jahre 1926 hatte der G enfer V ö lkerbu nd drei Experten nach Polesien entsandt, die nach dreim onatiger Besichti­

gung des Gebietes fü r die Trockenlegung der polesischen Sümpfe einschließlich der R egulierung der Flüsse des Landes einen Betrag von 421 M illio n e n Z lo ty errechnet hatten. Das is t etwa der gleiche Betrag, den die polnische R egierung fü r ihre Ende M ärz 1939 v o ll­

kom m en überflüssigerweise m obilgem achten Reservisten bis M itte J u li zusätzlich ausgegeben hat. D ie polnischen Versuche der Trocken- legung Polesiens zeigen eine Leistung, die etwa dem C harakterbild

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entspricht, das P ilsudski in der obenerwähnten Rede vo n seinem V o lk gegeben hat. 1928 w urde in der H auptstadt Polesiens, also in Brest am Bug, ein „P lanungsbüro zur M e lio ra tio n Polesiens“ ins Leben gerufen. Es beschäftigte außer v ie r G elehrten dre iu n dfü nfzig Ingenieure und Techniker neben einem um fangreichen m ittle re n und unteren Beamtenapparat. Dieses B üro hat d rei Jahre lang unter A us­

schluß der Ö ffe n tlich ke it g e w irk t und is t dann im Zeichen zahlloser K o rru p tio n e n vo n allein zugrunde gegangen.

So is t Polesien Polesien geblieben. D ie m ütterliche Erde w artet noch im m er a u f ihren Erschließer, und die w enigen Menschen dieser riesigen Sum pfgebiete leben w ie in U rväterzeiten dahin und werden Jahr um Jahr durch den H ungertyphus dezim iert.

Uns ru d e rt ein „H ie s ig e r“ , ein V e rtre te r jener m erkw ürdigen, im polnischen Osten stark verbreiteten Bevölkerungsschicht, die ihrem B lu t und ih re r Sprache nach entweder zur weißrussischen oder zur ukrainischen V olksgruppe gehört, deren nationales Selbstbewußtsein n ur m angelhaft e n tw icke lt is t und die darum den W ünschen der polnischen Behörden keinen großen W iderstand entgegensetzen, die, um die Z ahl der U kra ine r und W eißrussen in Polen zu verringern, einige M illio n e n vo n ihnen in ihren S tatistiken n ich t als Weißrussen und U krainer, sondern eben als „H ie sig e “ , als „tu te js i“ führen.

W ir liegen in einem schmalen Fischerboot, in einem Einbaum , irgendw o w e it draußen h in te r Pinsk, und schwim men a uf einem der schmalen Flußarm e, die, w er w ill, auch Kanäle nennen mag, die zu Tausenden das riesige Sum pfgebiet zergliedern. W ir hören dem Fischer zu, der unser langsam treibendes B o o t steuert. E r w ar während des Krieges in deutscher Kriegsgefangenschaft. E r hat also etwas von der W e lt gesehen und hat in m itte n seiner N achbarn und D orfgenossen fast den R u f eines R evolutionärs. E r is t näm lich der A n sicht, daß es gar n ich t unbedingt n ö tig ist, daß Jahr um Jahr der H ungertyphus in dieses Land einzieht und besonders grausam nach harten und langen W in te rn haust, w enn die spärlichen V orräte des Sommers v o rz e itig aufgebraucht sind. E r schildert, w ie reich die E rn te a uf den w enigen höhergelegenen Erdstücken ausfällt, w ie m ühelos sich der A cker bestellen läßt und daß er, ohne Zuwendungen in der F orm von natürlichem oder künstlichem D ünger n ö tig zu haben, h un de rtfältig e F ru ch t b rin g t. M an m uß, so e rk lä rt er, dieses Land n u r vom Wasser befreien. E r zeigt uns ein etwa zehn H ektar großes Sum pfstück. E in polnischer G utsbesitzer hatte den Versuch unternom m en, es durch reichlich p rim itiv e Entwässerungsgräben urbar zu machen. E r is t gescheitert, w e il seine Entwässerungsgräben

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keinen A b flu ß hatten. W ie kann man, so fra g t unser Fischer, E rfo lg haben, w enn man einen kranken K ö rp e r dadurch gesund machen w ill, daß man an einem einzigen Finger das Ü bel bekäm pft? „A b e r“ , so fä h rt er fo rt, „s e it ich als kriegsgefangener russischer Soldat, als K necht bei einem Bauern in der M a rk Brandenburg, gesehen habe, was sich selbst a uf sandigem Boden, a uf dem n ich t einm al unsere Ziegen etwas finden w ürden, noch machen läßt und welche E rnten sich selbst a uf solch einem vo n der N a tu r aus kraftlosen Boden erzielen lassen, seitdem weiß ich, daß unser armes versum pftes Land, in dem der H unger schon bei unseren E lte rn und V o re lte rn ein ständiger Gast w ar, ein G arten sein könnte, ein Paradies, in dem die kostbarsten Früchte gedeihen könnten und die jetzigen Sum pfgebiete überreiche E rnten tragen w ürden, wenn man n u r ric h tig ans W erk ginge.“ D e r ehemalige Kriegsgefangene spuckt verächtlich ins Wasser. V ie lle ic h t denkt er an seine Dorfgenossen, die solche Ge­

dankengänge gewiß m it einem ergebenen „T ru d n o “ beantw orten.

E r m e in t: „P anie, das alles wäre kein Sum pf m ehr, wenn die deutschen Soldaten nach dem K rie g n ic h t w ieder weggegangen, sondern hiergeblieben w ären!“ Nach diesen W orten sieht uns unser

„H ie s ig e r“ , der, seit er in D eutschland w ar, kein „H ie s ig e r“ m ehr ist, m ißtrauisch vo n der Seite an und fra g t, als w ir schweigen, ob w ir etwa Polen oder gar von der R egierung sind. E r b eruh igt sich rasch, als er e rfährt, daß das n ic h t der F all ist.

Das is t das Kennzeichen des polnischen Ostens: D ie Menschen, die sich w ie dieser Kriegsgefangene vo n dem „T ru d n o “ fre i gemacht haben und sich zu einer neuen H altu ng dem Leben gegenüber be­

kennen, sind gleichzeitig leidenschaftliche Gegner des polnischen Staates.

A ls w ir ein andermal n ich t durch die Rinnsale der R o kitn o - Süm pfe, sondern a uf einem anderen Fluß durch den polnischen Osten schwammen, da versammelten sich, w o im m er w ir auch erschienen, alle D orfb ew o hn er sehr rasch um unsere Faltboote, die sie m it scheuen B licken w ie Zauberinstrum ente aus einer anderen W elt m usterten, besonders dann, wenn eins der Boote aus irgendeinem G runde auseinandergenommen w urde. A b er unter der jungen G eneration tra f man doch schon solche Burschen an, die bei der scheuen E h rfu rc h t v o r diesen technischen G eheim instrum enten n ich t stehenblieben. Sie versuchen die K o n s tru k tio n der Boote zu ver­

stehen und buchstabieren den Namen der Fabrikm arke vo rn am W ellenbrecher. Sie lassen sich erzählen, w o h in w ir w ollen , und haben eine V o rste llu n g davon, w oh in w ir eines Tages gelangen müßten,

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wenn w ir im m er w eiter flußabwärts treiben w ürden. A ber diese Jugend ist n ich t „h ie s ig “ , also national g le ich g ü ltig eingestellt. Sie erklärte rundheraus, daß sie m it den „H ie sig e n “ nichts zu tun habe:

sie seien ukrainische N ationalisten. Sie erklären: „E ines Tages werden w ir die H erren hier sein.“

D iejenigen, die m it dem „T ru d n o “ nichts gemein haben, das sind die Bannerträger des ukrainischen N ationalism us. Sie versuchen den E in flu ß der Juden auf die Landbevölkerung durch die Schaffung von ukrainischen Genossenschaftsläden einzuschränken (w obei sie den Staat und seine Behörden, die die Juden unterstützen, zum Gegner haben), sie gehen dem Analphabetentum zu Leibe, indem sie V o lks­

büchereien und Schulen gründen, allerdings keine polnischen, sondern ukrainische, die darum w ieder bei der ersten besten Ge­

legenheit behördlicherseits geschlossen werden (auf daß das A n ­ alphabetentum in Polen niemals aussterbe!). Besonders in W olhynien und Polesien werden alle Regungen eines ukrainischen N ationalism us erbarm ungslos bekäm pft, denn Warschau ist bestrebt, diese W oiw od­

schaften m it G ew alt und gutem Zureden, m it K rediten und Posten­

verm ittlun ge n fü r die Folgsamen in ein Land der „H ie sig e n “ zu verw andeln. Nach am tlicher polnischer Auffassung hat ein u kra i­

nischer N ationalism us allerhöchstens in O stgalizien H eim atrecht, niemals aber in W olhynien und Polesien oder gar in der zentral­

polnischen W oiw odschaft L u b lin , w o über hundert orthodoxe K irche n in den letzten M onaten kurzerhand zerstört, verbrannt oder abgerissen w urden, nur um diese Symbole und N ährquellen eines ukrainischen N ationalism us zu beseitigen, um m it Feuer und Spitz­

hacke den ukrainischen Volksboden in einen polnischen zu ver­

wandeln. A u f dem Weg über das Bekenntnis zum „H ie sig e n “ sollen die Bewohner dieser Gebiete in das polnische V o lkstum und in den polnischen N ationalism us übergeleitet werden.

N ic h t n ur die ukrainische Jugend lehrte uns, daß dieser K a m pf noch keineswegs entschieden ist. Selbst unter den von der polnischen R egierung gegen den ostgalizischen ukrainischen N ationalism us als Sejmabgeordneten herausgestellten V e rtre te rn des W olhynien- U krainertum s, also der „H ie sig e n “ , g ib t es solche, die nach ih re r B erufung in das Parlament m it vollen Segeln in das Lager des bewußten und käm pferischen ukrainischen N ationalism us über­

gegangen sind.

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3. „H e ilig e r Jur“

W ir sind in einem D o rf der Ostkarpaten. D ie kleinen H olzhütten hocken tie f im Schnee. E in Bach durchfließ t e ia T al. Es schneit.

L in ks und rechts ein Weg. A m Weg und am Bach stehen W eiden.

D urch die N acht k lin g e lt ein Schlitten. W either heult ein H und, der an der K ette lie g t. Aus einer der abseits gelegenen H ütten kom m t eine eintönige M elodie: Tataratata — tü le tü tü tü — im m er w ieder.

D ie H ütte ist eine Schenke. Eine rich tige Schenke der ukrainischen Bergbauern. M änner und Frauen vergessen in der V orfeiertagsnacht bei Tanz und Spiel des Tages M ühen. Sie tanzen zu zw eit, manchmal zu v ie rt. E inige von ihnen haben den G esichtsschnitt von Zigeunern.

Den meisten G esichtern sind die strengen und herben Züge alter, traditionsbew uß ter Bergstämme eingeschnitten. E inige M änner sind in hohen Schaftstiefeln, andere haben „O panken“ , jene seltsamen ledernen, die Füße geschmeidig umschließenden, flachen und absatz­

losen Schuhe. Diese M änner tragen Hemden m it prächtigen Sticke­

reien, alte Erbstücke der Fam ilie, seit Generationen w ohlbew ahrt und weitergegeben. Das ist gutes, solides H andw erk, ursprünglich und echt in M aterial und M uster m it tiefen, gesättigten Farben, die die N a tu r in ihren Pflanzensäften lie fe rt. R ot und G elb, G rün und hin und w ieder auch etwas Blau. A ll diese Farben stehen auf dem m atten G lanz des handgewebten Leinens. Zw ischendurch, über das Haar der Frauen gebunden, w ieder bunte grelle K o pftü ch e r, die die F abrik lie fe rt: b illig e Pfennigware, die diesen armen Bauern und H irte n , denen io Groschen ein riesiges Verm ögen bedeuten, ein kostbares G ut erscheinen mag. A ber zwischendurch tragen auch die Frauen die ererbten uralten K ostbarkeiten der alten Stickereien und M uster auf Hem d und Bluse und den eigenartigen Rockschürzen. Niem and weiß recht, w oher diese edlen Gewebe stammen. M ancher verw eist unter Berufung auf die Form en der M uster in die bunte W elt des O rients. Genug, daß sie hier leben, noch leben, vie lle ich t so lange noch, als T ouristen in diese D ö rfe r komm en, um solche K ostbar­

keiten zu kaufen und in die Städte zu tragen.

Im m er noch fiedelt die Geige ih r Tataratata — T ü le tü tü tü . Im m er noch tanzen die Paare. Ih re G esichter sind e rh itzt, einigen Frauen sind die Tücher in den Nacken gerutscht. Es is t stickig und heiß in

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der verqualm ten Stube. D ie M änner behalten trotzdem ih re runden Schaffellm ützen a u f dem K o p f. N u r fü r wenige Sekunden halten sie dann und wann inne, um sich eine neue Z igarette anzuzünden. Dann w ird erneut m it doppeltem E ife r w eitergetanzt, um die raren Sekunden des Feierabends ganz auszukosten.

M anchm al sing t ein Bursche ein paar Takte lang W orte zu der M elodie m it. Sie sind ukrainisch. Ic h kann sie n ic h t verstehen. Sicher aber sind sie urw üchsig, derb und saftig und handeln vo n der Liebe, denn die Mädchen senken verschäm t das H aupt.

Es w ird lebhafter. W enn ein Bursche zu singen a u fh ö rt, dann löst ihn je tzt ein anderer ab. Unablässig w ird w eitergetanzt. Niem and steht m ehr plaudernd im W in kel, alles tanzt m it: M änner und Frauen, Burschen und M ädchen, a lt und jung. Sie stampfen m it den Füßen, beugen den O berkörper v o r und w erfen ih n dann w ieder ru c k a rtig zurück. Es überkom m t sie w ie ein Rausch. Sie wissen nichts m ehr von ihren Sorgen und ih re r täglichen M ühsal. Sie tanzen n u r noch und singen, lachen und rauchen. Sie sind w e it jenseits ih re r W e lt der Pferde, der verschneiten Felder und Bergw älder, der Ziegen und K ühe, der weinenden K in d e r, die zu Hause geblieben sind, und der Gendarmen, v o r denen sie a uf der H u t sein müssen, wenn sie sich im ukrainischen Genossenschaftsladen oder in ih re r Lesehalle treffen und über P o litik reden.

H eute is t alles vergessen. D ie W elt ih re r Sorgen is t versunken, w enn sie sich im Tanze schwingen. Im m erzu, im m erzu, lachend und singend im Kreise, im m e rfo rt nach der M elodie, die die Geige fie d e lt: Tataratata — tü le tü tü tü .

Das is t ein D o rf in den polnischen Karpatenbergen. Es lie g t irgendw o h in te r Lem berg, n ic h t allzu w e it von der im A p ril 1939 durch die E ingliederung der K arpato-U kraine in das ungarische K ö n ig re ich neuentstandenen polnisch-ungarischen Grenze. D ie Be­

w ohner dieses D orfes gehören zum Stamm der L em ki. W eiter im Südosten wohnen die H uzulen, in den sich im Westen anschließenden G ebirgsketten die G oralen. V iele H un de rt solcher ukrainischer D ö rfe r g ib t es in den Karpaten, viele Tausend außerhalb der Berge in den W oiw odschaften Lem berg, Stanislau, T arn op ol, W olhynien, Polesien und L u b lin , w o es die Behörden des ultrakatholischen ch ristliche n Polenstaates im K a m p f m it dem von U krainern be­

w ohnten Raum im Jahre 1938 fü r notw endig hielten, das größte Zerstörungsw erk an christlichen Gotteshäusern zu v o llb rin g e n , das

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die Geschichte der N euzeit, vo n der S ow jetunion, M exiko und dem einstmals roten Spanien abgesehen, überhaupt kennt.

D er Osten Polens ist n ich t polnisch. E r is t ukrainisch und w eiß­

russisch. Dieser Osten rü c k t m it jedem Jahr w eite r in den Westen v o r. U nd das in doppelter H in s ic h t: D e r ukrainische N ationalism us entfalte t allen Unterdrückungsm aßnahm en des Staates zum T ro tz , ja vie lle ic h t gerade in fo lg e dieser M aßregelungen, unaufhaltsam seine Fahne, in die der Sturm unserer Z e it bläst, und erfaßt nach und nach alle Menschen ukrainischer Zunge. U nd dann: nirgends in Polen is t der K in de rre ich tu m so groß w ie in W olhynien und Polesien.

B eträgt er d urchsch nittlich , um gerechnet a uf je eintausend Menschen, z w ö lf — in diesem G ebiet erreicht er die Z iffe r neunzehn.

Nach der am tlichen polnischen S tatistik g ib t es in Polen 4,4 M il­

lionen U krainer. Es g ib t in Polen keinen ernsthafteren B eurteiler der Verhältnisse, der diese Z iffe r fü r ric h tig h ält. Daß sie es n ic h t ist, e rg ib t sich allein schon aus der Tatsache, daß es nach der am tlichen polnischen S tatistik 8 M illio n e n Menschen g ib t, die zur griechisch- katholischen oder orthodoxen K irch e gehören. A ußer vie lle ic h t 2 M illio n e n W eißrussen und Russen sind aber die A ngehörigen dieser K irch e n in Polen ausschließlich U krainer. Außerdem g ib t es aber noch mehrere hunderttausend U krainer röm isch-katholischen Glaubens, deren Z ah l a uf jeden F all w e it größer is t als die der w enigen Polen, die zur orthodoxen oder griechisch-katholischen K irch e gehören. 6 M illio n e n U krainer in Polen müssen jeder ernst­

haften Betrachtung dieses Problem s als M indestziffer zugrunde gelegt werden, w ahrscheinlich is t sie aber noch zu n ie drig. D e r ukrainische E thnograph D r. K u b ijo w its c h , K rakau, errechnete bereits fü r das Jahr 1932 die Z iffe r von 9,1 M illio n e n U krainern, die in Polen leben.

A b e r lassen w ir die Z iffe rn Z iffe rn sein. D ie Bedeutung der ukrainischen Frage e rg ib t sich aus der auch vo n den polnischen S tatistiken n ich t bestrittenen Tatsache, daß der polnische Bevölke­

rungsanteil in den östlichen W oiw odschaften Polesien, W olhynien, T arn op ol, Stanislau und Lem berg allen M aßregelungen und stati­

stischen Kunststücken zum T ro tz sich n u r zwischen 14 und 57 v .H . bewegt.

W er die B lä tte r der Geschichte der ukrainischen V olksgruppe in Polen, die sich als ein T e il des a u f geschlossenem V olksboden wohnenden, insgesamt 35 bis 40 M illio n e n starken ukrainischen Gesam tvolkes fü h lt, d urchb lättert oder auch n u r einzelne Seiten dieser Geschichte ü b e rb lickt, erhält das B ild eines um seine nationale F re ihe it kämpfenden V olkes, das seine großen Z iele selbst in den

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dunkelsten und hoffnungslosesten Tagen niemals vergessen und preisgegeben hat. Diese Geschichte beginnt m it dem K a m p f um die E rhaltung der am 19. O ktober 1918 ins Leben gerufenen unab­

hängigen W estukrainischen R epublik gegen die polnischen Truppen.

Sie endet bei den verzw eifelten Vorstößen der V e rtre te r der u kra i­

nischen V olksgruppe im polnischen Parlament m it dem Z ie l der G ew ährung einer te rrito ria le n A utonom ie. D er letzte V orstoß dieser A rt erfolgte im Dezember 1938. Dieser A n trag ist w ie alle seine V orgänger abgewiesen w orden. E r besitzt nichtsdestow eniger zum mindesten als Maßstab fü r die geringen staatsschöpferischen Fähig­

keiten besondere Bedeutung, die die Polen in den zwanzig Jahren ih re r M in d e rh e ite n p o litik an den Tag gelegt haben. A ls ukrainisches Siedlungsgebiet, fü r das dieses von den U krainern am 9. Dezember 1938 im Sejm vorgelegte Verfassungsgesetz gelten soll, werden in diesem A n trag im einzelnen genannt: die W oiw odschaften Lem berg, Stanislau und T arnopol, die W oiw odschaft W olhynien, der größte T e il der W oiw odschaft Polesien (deren kleinerer n ördlicher T e il von Weißrussen bew ohnt w ird ) und T eile der W oiw odschaften L u b lin , K rakau und B ialystok. A ll diese Gebiete sollen zu einer K örperschaft des öffentlichen Rechts in einer autonom en E in h e it m it eigener ukrainischer R egierung, eigenem Landtag, eigener V e r­

w altung und einem eigenen ukrainischen Obersten G ericht in Lem ­ berg zusammengeschlossen werden m it dem Zw eck, dem u kra i­

nischen V o lk in den Grenzen des polnischen Staates vö llig e politische G leichberechtigung m it dem polnischen V o lk sowie freie ku ltu re lle und w irtsch aftlich e E n tw icklu n g zuzusichern. V o n der Zuständig­

ke it der ukrainischen Gesetzgebung sollten im Sinne dieses Antrages le d ig lich die Fragen der A u ß e n p o litik, der Arm ee, des Staatshaus­

haltes und der W ährung ausgeschlossen bleiben. In der Begründung des Antrages heißt es unter anderem, fü r einen Staat w ie Polen, der in nationaler H in sich t n ich t ein he itlich is t und in k u ltu re lle r und w irtsch a ftlich e r große Unterschiede aufw eist, is t die Anw endung ein­

h e itlich e r N orm en fü r alle Gebiete n ich t angebracht. D er A ntrag erinnert daran, daß der ukrainischen V olksgruppe sogar von p o l­

nischer Seite durch ein entsprechendes Gesetz vom September 1922 eine derartige A utonom ie versprochen w orden ist. F re ilich w ar das v o r der Stellungnahm e der Botschafterkonferenz zu dem polnischen Anspruch auf diese Gebiete. Nach Tisch w o llte man auch in diesem F all n ich t m ehr wahrhaben, was man v o r Tisch versprochen hatte.

D ie bloße E rinnerung an jenes polnische Gesetz aus dem Jahre 1922 w ird von den Polen heute als hochverräterische H andlung em pfunden.

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D e r V o lk s b o d e n d e r U k ra in e r in P olen Staatsgrenzen

W oiwodschaftsgrenzen Ukrainer

Weißrussen

I Woiwodschaft Bialystok I I Woiwodschaft Polesien I I I Woiwodschaft Wolhynien IV Woiwodschaft Tarnopol

V Woiwodschaft Stanislau V I Woiwodschaft Lemberg V II Woiwodschaft Krakau V I I I Woiwodschaft L u blin

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Dieser ukrainische A n tra g a u f eine te rrito ria le A utonom ie zeigt, wenn er auch n u r ein A n tra g geblieben is t, m eh re rle i:

1. daß es Warschau n ich t gelungen is t, der ukrainischen Be­

vö lke ru n g Polens ih r nationales Selbstbewußtsein zu nehmen, daß sich dieses vielm ehr unter dem harten D ru c k der polnischen M in de r­

h e ite n p o litik aus den galizischen Gebieten a u f die G ebietsteile über­

tragen hat, die frü h e r unter russischer H errschaft standen. D o rt hat sich der ukrainische N ationalism us in den zw anzig Jahren p o l­

nischer H errschaft zu einer breiten Bewegung e ntw ickelt. D ie p o l­

nischen Versuche der ideellen A briegelung dieser Gebiete von denen O stgaliziens sind m ißlungen. U nter den U nterschriften des u kra i­

nischen Autonom ieantrages befindet sich auch der Namenszug eines Abgeordneten der w olhynischen U krainer, den die polnische Re­

gierung frü h e r w ied erho lt gegen die Bestrebungen seiner ostgali- zischen Volksgenossen auszuspielen versucht hatte.

2. D ie ständig zwischen W erben und Verderben h in und her schwankende U k ra in e rp o litik Warschaus, besonders aber die rück­

sichtslosen polnischen Maßnahmen der letzten Z e it haben zu einer selbst von den leidenschaftlichsten ukrainischen P atrioten n ich t erw arteten E in ig u n g aller ukrainischen O rganisationen, von der nationaldem okratischen O rganisation „U N D O “ angefangen, bis zu den m arxistisch verfärbten ukrainischen Sozialisten g efü h rt. Diese ukrainische E in h e its fro n t besteht n ich t n u r in der Forderung um eine A utonom ie. Sie hat sich bereits in der Praxis des täglichen Lebens, und zw ar anläßlich der Kom m unalw ahlen bew ährt, die im M ai 1939 in den meisten O rtschaften des ukrainischen V o lk s ­ bodens in Polen durchgeführt w urden.

Diese Einigungsbew egung unter den U krainern in Polen, die vie lle ic h t fü r die politische Z u k u n ft des gesamten polnischen Ostens noch einm al von größ ter Bedeutung sein w ird , is t, abgesehen von dem n ic h t erw arteten Ergebnis der polnischen U nterdrückungs­

p o litik , zu einem bedeutenden T e il das V erdienst eines einzelnen le d ig lic h durch die M acht seiner P ersönlichkeit w irkenden Mannes, der in fo lg e seines Am tes außerhalb des politischen Tagesgesche­

hens steht.

H och über der kirchenreichen Stadt Lem berg, die manche eine heitere Stadt nannten, erhebt sich der „H e ilig e J u r“ . Schnalzend tre ib t der Fiaker seine Pferdchen den Berg hinauf. Ih n k rö n t der schönste R okoko-K irchenbau, den es im heutigen Polen geben m ag:

die Kathedrale des FI eiligen G eorg oder des H eilige n Ju r, w ie das

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Gotteshaus von den U krainern und von jederm ann in Lem berg genannt w ird . Sankt G eorg w ar kein sanfter und duldender D iener seines him m lischen H errn , sondern vielm ehr ein stre itlu stig e r und kriegstüchtiger. E r is t der S chirm herr der Soldaten.

' D er H e ilig e J u r in Lem berg is t n ic h t n u r einer der schönsten, sondern auch der eigentüm lichsten K irchenbauten des R okoko.

M it den zierlichen Fassaden des Palais des Oberhauptes der g rie­

chisch-katholischen K irch e und den langgestreckten G ärten, die sich h in te r dem erzbischöflichen Palais hangabwärts der Stadt zu erstrecken, e rinn e rt der H eilige J u r fast an das Schloß eines lebens­

frohen Fürsten, der den w eiten B lic k über das Land, über s e in Land lie b t. D ie langgestreckten zw eistöckigen Bauten, die die K athe­

drale in halber H öhe von drei Seiten flankieren, w iederum erwecken tro tz ih re n freundlichen Giebelaufsätzen fast den E in d ru ck m ilitä ­ rischer Zw eckbauten; m it ihren dicken M auern von außen, im In n e rn m it ihrem G e w irr vo n dunklen Gängen machen sie einen fast abweisenden und unzugänglichen E in druck. D ie Polen sprechen gelegentlich von den „K asem atten“ des H eilige n Ju r.

H ie r, m it dem beherrschenden B lic k über Stadt und Land, hat der H e rr der griechisch-unierten K irch e , der eigentlichen u k ra in i­

schen K irch e , der greise M e tro p o lit G ra f Szeptyckyj, seinen Sitz.

In dem frü h e r russischen T eilgebiet w ar die K irch e von dem H e rr­

scher aller Reußen zwangsweise zur O rthodoxie g efü hrt w orden.

Szeptyckyjs P ersönlichkeit überragt bei w eitem seinen eigentlichen kirch lich e n M achtbereich. Dieser M ann, dessen Einsatz fü r seine N atio n w e it in die V o rkrieg sze it zurückreicht, w ird als die eigentliche F ührerpersönlichkeit vo n den orthodoxen U krainern W olhyniens genau so bedingungslos anerkannt w ie von den A ngehörigen seiner K irch e , ganz gleich, in w elcher politischen Partei der ukrainischen V olksgruppe sie auch stehen m ögen. M e tro p o lit G ra f Szeptyckyj g ilt fü r jeden U krainer als der gute G eist seiner N atio n. Sein E in flu ß , der sonst nach außen kaum h e rv o rtritt, machte sich geltend, als die i i 4 ukrainischen orthodoxen K irch e n innerhalb von zw ei K alender­

m onaten des Sommers 1938 allein in der W oiw odschaft L u b lin auf A n ordnung der polnischen R egierung ze rstört und verbrannt w orden sind: 114 K irche n, g u t, allzu g u t besuchte Gotteshäuser, w urden m it Spitzhacke, Feuer und D yna m it kurzerhand dem E rd ­ boden gleichgem acht. Einzelne der Gotteshäuser, die der M in de r­

h e ite n p o litik der christlichen polnischen R egierung zum O pfer fielen, waren erst wenige M onate vo rh er m it den M itte ln der Ge­

m einden erbaut bzw. ausgebessert und e rw eitert w orden. Andere

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K irche n stammten aus dem sechzehnten Jahrhundert. — E ine, die K irch e in Szczebrzeszyn, w ar im Jahre 1184 gebaut w orden und stellte eine der ältesten bisher erhaltenen K irchenbauten im gesamten osteuropäischen Raum dar. Ih re V ernichtung und die zahlreicher anderer ukrainisch-orthodoxer K irche n in der W o iw od ­ schaft L u b lin s te llt einen einfach unersetzlichen V e rlu st fü r die K u ltu r dar. Gegen dieses V ernichtungsw erk hatte M e tro p o lit G ra f Szep- tyckyj in m ehreren, übrigens von der polnischen Zensur durchweg beschlagnahmten H irte nb rie fe n Stellung genommen, obw ohl diese orthodoxen K irchen kirchenhierarchisch seiner M achtbefugnis eigent­

lic h n ich t unterstehen. A ber M e tro p o lit Szeptyckyj, der ja als das O berhaupt der griechisch-unierten K irch e in Polen der A u to ritä t des Papstes untersteht, handelte bei der N ied erschrift seiner H irte n ­ briefe als der wachsame F ührer seiner V olksgruppe, dessen B lic k über die D o k trin e n seines Kirchenbekenntnisses hinausreicht, ja sicher glaubte er auch als S tatthalter des Papstes so handeln zu müssen.

D enn sicher erwies der polnische Staat m it diesen Maßnahmen den w eiteren kirchenpolitischen Interessen und Z ielen des Papstes und seiner K irc h e n p o litik einen Bärendienst.

D er diplom atische K rie g , der sich an den V orstoß des Lem berger M etro p o lite n anschloß und an dem sich außer diesem und der p o l­

nischen Regierung auch der V a tikan und dessen W arschauer N untius beteiligten, endete m it dem Sieg des Lem berger M etro p o lite n , denn w ie konnte der V atikan die Zerstörung von K irche n gutheißen, auch wenn es sich dabei n ich t um Gotteshäuser der alleinselig­

machenden K irch e , sondern n u r um solche des orthodoxen byzan­

tinischen Glaubens handelt! U nter dem D ru c k der Stellungnahm e des Vatikans sah sich jedenfalls Warschau g en ö tig t, von w eiteren Kirchenzerstörungen abzusehen.

M it der gleichen Entschlossenheit, m it der M e tro p o lit G ra f Szeptyckyj fü r die ihm kirchenhierarchisch n ich t unterstehenden orthodoxen K irche n e in trat, nahm er auch gegen die brutalen U nter­

drückungsm ethoden der polnischen P olizei und der polnischen Truppen S tellung, die nach dem M uster der im A ugust 1930 durch­

geführten „P a z ifik a tio n “ erneut im J u n i/J u li 1938 und nochmals wenige M onate später im Spätherbst des gleichen Jahres sowie um die Jahreswende 1939 den ukrainischen Siedlungsraum in Polen

„befriedeten“ .

„P a z ifik a tio n “ — das is t ein freundliches und schönes W o rt.

Es is t kein Z u fa ll, daß es gerade in Polen erfunden w urde, w o man zw ar die grausamste völkische U n te rd rü cku n g sp o litik betreibt, die

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Europa je gesehen hat, w o man sich aber selbst und der W e lt un­

ablässig in der T o n a rt des von seiner G erechtigkeit vollkom m en Überzeugten einredet und vorredet, daß völkische D uldsam keit schon im m er eine der H aupttugenden der polnischen N atio n ge­

wesen sei. G elegentlich w ird dann noch hinzugefügt: „L e id e r gehen w ir Polen in unserer trad itio n e lle n D uldsam keit zuweilen etwas zu w e it, und es wäre eigentlich an der Z e it, die Zügel der M in de r­

h e ite n p o litik endlich einmal etwas straffer zu fassen . . P azifikation . . . Befriedung.

So w urde O stgalizien im Spätherbst 1938 befriedet: E in Z ug des polnischen Grenzschutzkorps rü ckt in das ukrainische D o rf ein. D er O ffiz ie r läßt sich die m aßgeblichen Persönlichkeiten der D orfgem einde vo rführen. Den Schulzen, den L e ite r der ukrainischen landw irtschaftlichen Genossenschaft, den L eite r der ukrainischen Lesehalle und die Vorsitzenden a lle r übrigen ukrainischen Vereine und O rganisationen. O b sie U krainer sind, werden sie gefragt. D ie ukrainischen M änner sagen ja. D er O ffiz ie r g ib t ein Kom m ando.

D ie Soldaten entkleiden die M änner, w erfen sie m it dem Gesicht zur Erde zu Boden. E in Soldat setzt sich a uf den Rücken, ein anderer auf die Beine, und zwei weitere dreschen auf den bewegungslos daliegenden M ann ein, bis der K ö rp e r a nschw illt und das B lu t durch die zerschlagene H aut rin n t. So mancher U krainer ist nach dieser Prozedur kein gesunder M ann m ehr geworden. M ancher ist überhaupt n ich t m ehr aufgestanden. Im übrigen hat man sich n ich t einm al im m er m it solchen Grausam keiten n u r a uf die M änner beschränkt. Aus einzelnen ukrainischen Gebieten sind Fälle bekannt, w o sich U nteroffiziere und Soldaten des Grenzschutzkorps die Z e it dam it vertrieben, daß sie ukrainische Knaben aufgriffen, um sie nach ih re r nationalen Z ug eh ö rigke it zu fragen. Sagten sie, w er sie sind, dann w urde ihnen die brennende Z igarette in die Wange gedrückt, dam it sie, w ie man sich scherzhaft auszudrücken beliebte, ein „Stem pelchen“ k ü n ftig tragen. A uch ukrainische Frauen, die p o litisch oder k u ltu re ll hervorgetreten sind, w urden n ich t geschont.

*

Irena Blaschkewiczowa zum Beispiel leitete in einem D o rf der W oiw odschaft T arnopol eine Volkskunstgenossenschaft. Sie w urde im Sommer 1938 an ih re r A rbeitsstätte verhaftet und von den Sol­

daten m itgenom m en. Unterwegs ließ der O ffiz ie r haltmachen. D ie Frau w urde gezwungen, sich auszukleiden und dann nach dem­

selben Rezept, nach dem man ukrainische Bauern p azifiert, m iß­

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