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Deutsche Volksbildung, Jg. 5. Oktober 1929, H. 1.

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deuHEbe Volksbildung

Eöuarö Märile zum Gedächtnis

1804 1929

h5. Jahrg.Nr.i Oktober 1929

Zweimanatsschrist,herausgegebenvon GeorgKerlchensteinern.Karl Alexander v.Mäller Verlagvan R.Vldenbourg«Münchenund Berlin

ZW M z—— Einzelhei-o—75

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Bayerischer Volksbildung-Verband gegr. 1906

DemLandesberband für freie VolksbildunginBayernangeschlossen.

Geschäftsstelle München,Nenhanserstr.51(Alte Akad.), Fernrus93982·

Postschctkkonto4330.

1.Vors.: Geh. Oberstudienrat, Univ.-Prof.Dr.Georg Kerschensteiner, München.

Stellv. Vorsitzende:Generalintendant Clemens Frhr.v.Franckenstein undUnib.-Prof.

Dr.KarlAlexanderv.Müller,München.

Borstandsrrm DieVorsitzendenundSenatspräsidentDr.Ernst Müller-Meiningen, Staatsministera.D.JUniv.-Prof·Dr.Kaup-BürgermeisterDr. O.Mainerx Oberlehrer Dr.Adolf Strehler -Hauptlehrer F.X.Wahl,München. Juristischer Beirat: Ober- landesgerichtspräsidentM.Hahn-Nürnberg Pressebeirat: Prof.P. N. Coßmann, HauptschriftleiterDr.Mündler, dieSchriftleiterP. Ehlers, C.Freund, H. Maier, A.Noelte, Dr. O. v.PanderundDr.W.Zentner. Schriftführer: HauptLEduard Riegel undHauptLZwißler.Schatzmeister:Dr.Alfr. Rudolph,München,Bayer. Vereinsbank, Promenadestr.14.

Abteilungen: l.Bollstümltche Kunstpslegez Münchener Dpernbühne: Hauptlehrer Wahl,VorsitzenderderLandesstelle für VolksbildungdesBayer. Lehrervereins, München, HarlachingeriStr·38; Tel.42567; Postscheckkonto23077.

2.Volls- nndJugendbüchereten, Schundliteramrbekämpfung: Hauptlehrer Ell, Hauptt. ScherlundDr·Prestel,Südd·Lehrerbücherei,München,Rosental 7,Tel. 20869.

Z.KörperlichenndstaatsbürgerlicheErziehung: Grafo.Luxburg, Dr.Gertraud Wolf, OberstudienratDr.Kemmer, München,Gabelsbergerstr. 41,Dr. med.DoraRohlfs, Sportärztin·

4. Bild-undWerkkunst: KunstmalerDr.Quante, München, Ysenburgstr. 2,Tel. 61 348.

Wanderkunstmisstellungem Oberlehrer Freytag, München, Winthirschule. Lichtbilderund Lehrfilme: Oberlehrer Buckler,München, Albanistr.2.

b.VolkstümlicheHetmatpflege:Dr.O. Mainer, München,Leopoldstr. 27,Tel. 360043.

Arbeitsgemetnschaften bestehen a) fürdasWa nde rb üche rei wese nmitder Beratungsstelle fürVolksbüchereien anderBayer.Staatsbibliothek,München, Ludwigstr. 23, b) fürdiePflege des Kultur- und Spielsilms mit derBayer.

Landesfilmbühne,München,Franz-Joseph-Str. 41, Tel.360426. Leiter:Dr. oh.Eckardt, c) für Wanderlehrgänge mitderVolkshochschuleMünchen (DirektorBol).

BetsttzeuMiit-Rat Dr.Bauers chmidt;Landtagsabg. Oberstudiendirektor Burger, Ludwigshafen; JntendantKurtv.Boeckmann; Reg.-Schulrat Bogenstätter; Arnold Element; Dr.Dolles, Lauingen;Professor Fritz Erler; ProfessorOskarGraf; L.

Frühauf; Dr.M.Hartig, Päpstl. Hausprälatu.Domkapitular;Stadtbibliotheldirektor Held;Oberreg.-Rat Heydel; Prof.Dr.H.Hilpert, M.d.L.;Geh. Kommerzienrat Kammerecker (Wirtschaftsbeirat);Sanitätsrat Dr.Lunckenbein, Ansbach; Oberbürger- meister Knorr; PfarrerLangensaß; Reg.-RatDr.Leibig; Exzellenzv.Mülmann;

KommerzienratArturRiemerschmied; Dr.RobertRiemerschmid; Stadtrat Ritzer, Erlangen;Geh.Komm-Rat Rückl; AbtAlbanSchachleiter; Oberregierungsrat Schultheißz L.-Abg. Städele; G.C. Steinicke; Dr.Stieve, Deutscher Gesandterin Riga; Reichsministera.D.Dr.K.Stingl; Direktor KarlThiemig; Stadtschulrat Weigl, Amberg; Univ.-Pros.Dr.Zahn;Min.-Rat Dr.Ziegler undStadtrat Zuber, München.

MinisterialdirektorDr.Das ch; Ministerialrat Dr. Pöverleinz Landtagsvizepräsident Hartmannz Univ.Prof.Dr.v.Frauenholzz ObervermessungsratDiplomingenieur Groll, Lindau; rechtsk.1. BürgermeisterDr.Bauer, Landsberg.

Vertreter angeschlossenerBerbände tmGesamtansschnß: Gräfin Baudissin; Staats- ministera.D. Dr.vonBrettreich, RotesKreuz; VerlegerStadtrat Bosse,Regensburg;

CarryBrachvogel, Schriftstellerinnenverein; Prof.Dr.Büttner; Regierungsdirektor Deg- mai r,Landshut; Obervermessungs-und Stadtrat Deisenbe rger, B.Sängerbund;Studien- ratO.Döbereiner,Nürnberg; Franz Efinger; Regierungsdirektor Eymann, B.Be- amtenbund; Prof.Dr.Fehn, Bamberg;Geh.RatProf. Fleischmann, Erlangen;Haupt- mann Frank,B.Kriegerbund;Dr.Friedrich, Schrift·"teller-Schutzverband;Dr.Gebhart, Lindau;SulratGierster, Landshut;Graphiker Paul Glaß;Dr.Gofferje, Ochsenfurt;

Univ.-Prof. r.Gallinger; Joh· Grom, Frankenverein; Jnspektor Grötsch, Oberpfälzer- verein; Prof. Gschwind, Freising; Hofrat Gutleben; Geh.RatDr.Hammerschmidt, Deutscher Sängerbund; PfarrerHafsner,Altdorfb.Nbg.; Geh.RatDr.Halm, Heimatschud;

Hauptschriftleiter F. Hartmann, Neustadta.H.; BuchdruckereibesHebeyAugsburg;Schul- (Fortietzung S.Las

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DeutscheVolksbildung

MachtichtenblattdesBagerischenMollsbilöungsverbanöes

Schriftleitu ng:Dr. Kurt Trampler, München, Galeriestr. 15J11L Fernruf:29 292.

5.Jahrgang 1.Heft toktoberipxo

Eduard Mörike Zur125.Wiederkehr seines Geburtstages (8. Sept.).

VonPaul Fechten

Zwei Gegenden gibtesinDeutschland,in denen Menschen dichterischer, künstlerischer,geistigerArtoffenbarambesten gedeihen:diesächsisch-thüringi- schenunddieschwäbischenLande. Esist erstaunlich,wie vieleDichter, Denker, Maler,MusikerindemLandstrich zwischen Eisenachund Kamenz geboren wurden wievieleaus dengesegnetenGauen um denunteren Neckarher- gekommen sind.VonBachundLutherüberLessingundFichtebis zuNietzsche undWagner gehtderReigenimSächsischen;imSchwäbischenvon Schiller undHölderlinüberHegelundFriedrich TheodorVischerzuDavid Strauß und Uhland,Zellerund Eduard Mörike.

Eswäre ganzreizvoll,einmal zuuntersuchen,warum geradediesäch- sischeund dieschwäbischeLuftdem Wachstum außergewöhnlicherMenschen sogünstig ist«Mörikewäreeinsehr geeignetes Objekt dazu,aneinemEinzel- falldieGesetzmäßigkeitderErscheinung nachzuprüfen.Das Ergebniswäre wahrscheinlich, daßindiesenbeidenLandstricheneinmal dieBedingungendes äußeren Lebens,dieReizevon Natur undUmwelt,Geschichteund Gegen- wart so günstigverteilt sind, daß sie ohneweiteres auf empfänglicheGemüter produktivwirken müssen und daß fernerdasinnere Leben deseinzelnen indiesenbeiden Bezirkenden Ausgleich zwischen Bindungund Freiheit am besten findenkann. DiebürgerlicheKultur Deutschlands hatinSachsen und Schwaben vielleichtdietiefsten Wurzeln geschlagen:dasJneinander von EngeundWeite,von BildungüberalleZeiten hinwegundkleinbürger- licherBehaglichkeitimengsten Kreise,dasdasbeste WesendesBürgertums ausmachte,istinden Menschen dieserbeiden Gegendenwohlam meisten organisch,Natur, selbstverständlicheSicherungdes gesamtenDaseinsge- worden.

Eduard MörikeisteinederschönstenBlüten aus dergroßen Zeit dieser deutschen Bürgerkultur,diemitGoethe, Schiller, Hegel, Lessing, Fichteund den anderen großen Gestalten desersten Jahrhundertdrittels begannund seitdenJahren um 1870 allmählich abflaute. Mörikeisteiner derletzten, dendieSicherunggebende Kraft dieserKultur nochvollkommen trägt,dem sie ermöglicht, unproblematischundeinfach, hellund selbstverständlichzu leben undseineWerke hervorzubringen,wiederBaum seine Blüten,das Kindsein ungewußtesLied. DasDaseinEduard Mörikesist nochso umhegt von derSicherheitderFormendieses bürgerlichen Lebens, daß seine mensch- liche Erscheinung hinterdenBlüten dieses Daseins, seinen Dichtungen, fast

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verschwindet.Seine Weltliegt ferne hinteruns. Vonseinen Versenzuden unsrigen führtkaum nocheinWeg undselbst Goethewirktwie ein moderner Problematiker neben derhellenungebrochenen Schönheit »dieserfast süd- lichenWelt.

Einen Teildieser strahlenden Diesseitigkeitdankt Mörike sicher seiner schwäbischenHeimat. Man mußeinmal das Land um denNeckardurch- wandert haben,inhellen Sommertagen, wenn die Rebenhügelinreifem Glanze schwingen, mußvon KarlEugens Solitüde hinabgeschaut habenin dasweitestrahlendeLandum Ludwigsburg, dasschwäbischePotsdam, wo Mörike 1804alsSohneines Arztes geborenwurde. Undwenn man einmal von Heilbronn hinausgepilgert ist nach Weinsberg,wo sein Freund Justinus Kerner aufderalten Ruine desHelfensteinerSchlosses poetisch-romantisch hauste,und weiter nach Cleversulzbach,wo derdreißigjährigeMörike sein erstesselbständiges Pfarramt hatte,wenn man von denBergen hinabblickt aufdasweite hügligeLand mitRebengärtenundwogenden Feldern,das sich weichundweitnachSüdenhinschwingtbisdahin,wodiefernen Berge derAlb,Teck undNeuser undHohenstaufenundRechbergblauverdämmernd denBlickauffangen dann erlebt man ganz tiefetwas vonderstrahlenden Schönheitderdeutschen Welt,diedieser schwäbischePfarrer zuweilen herrlich wiekaumeinzweiterinseinen Verseneinfing. Eingut TeildesSchönsten derLyrik Mörikes,diewiederum dasSchönsteinseinemganzen dichterischen Werkist, trotzdemRoman vom Maler Nolten und der unsterblichenEr- zählungvonMozart aufderReise nach Prag,die wieeinhellerer südlicherer Eichendorffwirkt—- eingutTeildieser Schönheitistin dergesegnetenWein- gegendzwischenLudwigsburgundderAlbgewachsen. Hier liegendieWurzeln seiner Kraft,in demwerktätigen Daseinsbehagen dieses reichen Landes;

und was er hieran eingeborenemDeutschtumempfing,an ganzselbstver- ständlichemLandgefühl,daswar starkgenug, umdiegefährlichezweiteKom- ponenteinseinem Schaffen,denZusatz klassischerBildung,diefürdasdeutsche Bürgertumdamals dieeinzigewar, zuorganischem Besitzzuassimilieren undohne Widerspruchzu demeingeborenenGefühl sich völlig einzuverleiben.

Alsder Vater 1818 starb, beganndie BerührungMörikes mitdieser Welt von Hellasund Rom. Der Vierzehnjährigekamnach Stuttgart zu einem Verwandten, dem Konsistorialpräsidentenvon Georgii unddort undaufdemGymnasiumwuchserzuerstin dieklassischeWelthinein. Das niedere Seminar zuUrach,dasihndann aufnahm, bestärktewieder die ein- geborenen Kräftedes Knaben;diepittoreskeGegend ließdenHangzum Romantischen,derinihmalsrichtigem Deutschen ohneweiteres lag, sich weiter auswachsen;dieandere Hälfte,dieklassizistische,aberwuchs mit,und ging so harmonischindasWesendesWerdenden ein, daßderreifeMörike späterganz von selbstzum Klassischenim Sinne Goethescher Schönheit kam ohne sich bewußtindiese Richtung eingestelltzuhaben.

AchtzehnjährigbezogMörike dann alsStiftler dieUniversitätTübingen

um dortimGrunde dasgleichereale Träumerleben weiterzuführenwie bisher.1826verließersiewieder undzognun alsVikarimSchwäbischen, baldimOberland,am Randecker Mahr, baldimUnterland alsHelfer aus allerhand Landpfarreien umher; predigend, lesendund selber dichtend biserdreißigjähriginCleversulzbachlandete. Knapp zehn Jahrehaterdort gehaust,dann gaberseinAmtauf,zogzuseinem Freunde Hartlaub,dann 4

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nach Mergentheim, wo erdiespätereGattin fand»- undschließlichginger alsLiteraturlehrer 1851nach Stuttgart. Hier haterbiszuseinemTode am 4.Juni 1875 gelebt zuletzt ohne Amt,daseraus Gesundheitsrücksichten schon1866niedergelegt hatte.

Aus SchwabenistMörike demnachniehinausgekommen. Erempfand keinBedürfnis,dieWeltzusehen; sein Daseinsgefühlwar starkgenug, jede Situation unddasLeben anjedemOrtzuwirklicher Lebendigkeitzusteigern.

ErhattedieungebrocheneNaivität desgenialen Menschen,die allein fühlend gelebtes Leben alswahrhaftes Leben empfindet. Schon seinen Beruf sah er lediglichalsBegleiterscheinungdesDaseinsan: erbesaß noch jene gött- liche KraftderFaulheit,deren hohesLiedderTaugenichtsEichendorsfs ist:

denlieben Gottnur ließerwalten unddieströmende klingende Welt,die erinseinem Inneren formte. Eswar sovielFülleinihm, daßerseinem Leben nichtmit Arbeit einen Jnhalt zugeben brauchte:er arbeitete nur, um den Reichtum,dendieGnade inihngelegt hatte,in denAugenblicken, dasieesgewährte,zuGebilden reifer Schönheitaus sich strömenzulassen.

Erwar starkgenug, sich seinzulassen,wieer aus demreichenBoden der Heimat gewachsenwar; erverbogundverbildete sich nicht dasinnere, nichtdasäußereLeben bestimmte sein Dasein. Erführte, ohne literarische Romantik,dasLeben eines Romantikers: dieZeitderFouquåund Eichen- dorffundArnim und Brentano klangindiesem fabulierenden schwäbischen Pfarrer bürgerlich beruhigtaus. Seine Lieder und Balladen sind aufdem tragenden Boden des Volksliedes gewachsen,das dieRomantik hingestellt hatte; auf diesemBoden aberwuchs ihm auch seineWeltdergroßen Gestaltung dergefühlten klingenden Form,in derderGeistderAntikenun wirklichein- maldeutlich gewordenwar. JndenStrom,dervom Volkslied undRomantik kam,mündete hierein zweiter, an dessenQuell ein anderer, dergrößte schwäbische Dichter steht: FriedrichHölderlin Das alte deutsche Ringen mitdem GeistderAntike,derewige Kampfum dasdritte Buchder Ver- söhnung zwischenNorden undSüden, WesenundForm hier isteseinmal fast kampflos entschieden zueinem Ausgleichvon strahlenderSchönheit.

Freilich,dasistzusagen: aufeinem eng umgrenzten Gebiet und in einigen besonders günstigen Fällen,wodasSchicksal seinen Segen dazu gab.

DieEngederWeltMörikes mußte notwendig auchin dieErscheinung treten, undalle Phantastik,alleLiebenswürdigkeitundalleHexameterhelfen nicht darüberhinweg, daßeingutesTeil seiner Dichtungenineben dieser behag- lichen Engeseiner gebildeten schwäbischenPfarrerwelt verbleibt. Das HerrlicheaberanMörike istesgerade, daßersichvor diesem, sprechenwir esruhigaus,SpießbürgerhafteninseinerSeele nichtimmindestenfürchtete, wie esviele derheutigenjungen Dichtertun, dieeine Todesangstdavor haben, daß jemand dieseSeiteihrerSeele auch sehenkönnte,undsie ängstlich hinter hoherLiteratur um jeden Preis verbergen,undebendarum nur Lite- ratur, d.h. falschenVorbau vor mühsam verhehlter seelischer Simplizität liefern. MörikehattekeineAngst, sah überhauptkeinenUnterschied, sondern ließausseinerSeele wachsen,waswachsenwollte. Ergenierte sichderfreund- lich ländlichen Gewächsenichtundnahm sieebensogern aufwiediegroßen strahlenden GeschenkederGnade, fürdiesie ihnGefäßwerden ließ.Er be- sang ohne Scheuinfeierlichen DisticheneinnächtlichesGesprächdesPräzep- tors Ziboriusmit seiner jungen Frauüberdas Gurkeneinmachen um

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dann wieder Versevon derstrahlendenSchönheitdesalten Bildes,derun- endlich zarten Liebeslieder oderdeswundervoll reifen Septembermorgens zufingen,indenen die ganzeHerrlichkeit dieserWeltinsechs Zeilenunver- geßlicheingefangen ist.Erbekannte sich, ohne daßeresüberhauptalsBe- kenner empfinden konnte, ruhigund fröhlichzudem behäbigen, breiten, ewigen Philistertum,das,einGeschenkGottes unddesTeufelszugleich,die großen Deutschenallemitbekommen zuhaben scheinen, wohlalsGegen- gewicht fürdieAuseinandersetzungmit dem Metaphysischen,zudemder Weltgeist dieseNation wiekeinezweite auf dieserErdeverpflichtetzuhaben scheint.ManfindetdiesPhilisteriumbeiHegelundfindetessogarbeiGoethe, man findetesbeiSchillerundbeiJeanPaul undfindetesbeiMörike sorein wiebeiwenigen. Jhm war esNatur wiealles,keinProblem; er brauchtees nichteinmal zuüberwinden, sondern nahmesals ein Stück seines Lebens,genau wie allesandere hin. Erschrieb Albumverseund Fa- miliengedichte,wiesieeben ein begabterPfarrer schreibt undschenkte uns unvergängliche Herrlichkeiten,wie den AnfangdeserstenPeregrina- liedes. Erhatte Visionenvon derGrößedesVildes: GelassensteigtdieNacht ans Land schrieb Versevon einer soklaren reinen Melodie, daß schon dieschönstenGoetheschenzum Vergleich heran müssen undfandein paar Klänge,diefastneben Hölderlin stehen dürfen.Erwar versponneninden kleinenpersönlichenTraum seinesLebens undfanddoch, ohneden Traum zustören, nachtwandelnd ZugängezuWeiten,diefastüberseinGeschick hinausgingen. Erhat diesen göttlichenSinn seinesLebens selbsteinmal am

schönstenund knappsten formuliert:

VonTiefedannzuTiefen stürztmein Sinn, Jch höreaus derGottheit nächt’ger Ferne DieQuellen desGeschicksmelodisch rauschen:

Betäubt kehr’ ichden Blicknachoben hin ZumHimmel auf dalächelnalleSterne;

Jchkniee, ihremLichtgesangzulauschen.

F

Vom altenTiroler Volksrecht.

Von Dr.FranzArens.

Zu Zeiten JakobGrimms gabeseinen gewaltig aufgeklärten Mann, dervielRühmensdavon machte, daßer ein altes Bauernweistum, solch erschrecklichen Überrest barbarischen Mittelalters, insFeuer geworfenhatte.

Nun dieserwildeFortschrittler wußte doch offenbar wenigstens noch,was ein Weistum ist.AlsaberderSchreiberdieser Zeilenvor nunmehrschon ziemlich langen Jahren daranging,über denkulturgeschichtlichen Gehaltder Tiroler Weistümer einen nichtganz schmalenBand zuschreiben, fander unter dennicht speziell historischoderjuristisch gebildetenLeuten seinerBe- kanntschaftkeineneinzigen,dersichunter demWorte etwas vorstellenkonnte.

Seither sindden Weistümern zwar eineAnzahl verdienstlicher wissen- schaftlicherArbeiten gewidmet worden, aber ich fürchte, daßdiebreitere Schichtder Gebildeten auch heuteund in Zukunftvon diesen urkräftigen 6

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Schöpfungendeutschen Geistes nichtviel zusagen wüßte hätte nicht Eugen Diederichs ganz neuerdings mitvollem Rechtinfeiner reichen, schönen und wohlfeilen Sammlung ,,Deutsche Volkheit« auchden Weistümern den gebührenden Platz eingeräumt.Nunkanndocheinmal jeder,dereinunver- fälschtesBildvom WesendeutschenBauerntums haben will, frischvon der Quelle schöpfen.Weistümer sind,,bäuerliche Rechtsweisheit«,sinddas Recht,dasinden Versammlungen derDorfgenosfen erfragtundgewiesen wurde.

Daß diesealtendeutschenBauern nichteben just,,Weltseele«,,,Ethos«, Dynamik«oderkosmische Geheimnisse ,,gewiefen«haben, liegt ja wohlnun freilich aufder Hand. Sie,,wiefen«,was Rechtenswar indenFragen,die ihrtäglichesLeben berührten: Grundbesitz, Flurordnung, Weiderechte, sie ,,wiesen«wasdem,,gemeinenManne« zukamundwas demHerrn,was Sitte undBrauchwar an Fest-und Gerichtstagen, aberauch,wieman mitden Störern von OrdnungundFriedenverfahrensolle. SolcherWeistümer gibt esbeinaheaus allendeutschen Gauen; diemeistenundreizvollstenaberent- stammenden Randgebieten: denösterreichischenAlpenländern,den Rhein- undMosellanden,dem niederfächsischenStammesgebiet.

Jch habeversucht,denReichtumderTiroler Weistümer auszuspüren.

Tirolistdoch geradeinunseren TagendemDeutschen sehrvielmehr geworden alseinLandschöner Sommerfrischen. Sodaßdenn einekurzeEinkehrbei dieser reichen, dieser unzweifelhaft ergiebigstenQuelle deutschtirolischer Volkseigenart füglich hoffen darf,das Interesse des einen oder anderen

Leserszufesseln. .

DieTiroler Bauern waren, sozialgeschichtlichangesehen, sehrvielfreier alsdieanderer deutscher Landschaften. Muß auchdieRechtfprechungder Dorfgemeindeandie Gerichts-und Landesherrschaften inderZeit,dadie ,,fremden, doctorischen recht aufstanden«,StückfürStückihrer Machtvoll- kommenheiten abtreten, so gehören doch ,,Eigenleute«inTirol zudensel- teneren Erscheinungen,undauchderbäuerliche Grundbesitzwar nur selten einem Oberherrn zins-und dienstpflichtig. Wer dieMachtdesgenossen- schaftlichen GeistesimbäuerlichenLebenzuwürdigen versteht,wirdausdieser sozialen FreiheitderTiroler natürlich nichtden Schluß ziehen wollen,das ,,freie Individuum« hättein den Tiroler Bergen feineAuferstehung besonders früh gefeiert. Wohlergibt gründlichere Beschäftigungmit den Tiroler Bauern-Gekechtfamen,daß auchindiesem abgelegenenBerglandganz all- mählicheinebestimmtere WertschätzungderPersönlichkeit,derBegriffder subjektiven Ehre,derindividuellen Verantwortlichkeit durchdringt: entschei- dendbleibt aberdochdieZugehörigkeitdesMenschenzudemengstenVer- bandseinerFamilie (wobei noch so manche Erinnerungen andie alteGroß- familieder»Sippe« lange Zeit mitklingen)undzudemweiteren derGe- meinde,der,,Nachbarschaft«.

Ja,dieStellung desnichtzurGemeinde GehörigenindiesenBauern- rechtenwird erstim17.Jahrhundert einerichtig prekäre:diebösen Kriegs- nöte und die innere ZerspaltenheitdesReiches mögendieHauptschulddaran tragen, daßdie altgermanische Gastfreundfchaft einem ängstlichen Miß- trauen gegenüberdem ,,Fremden« Platz gemacht hat;esmag aber auch die besonderegeographische BeschaffenheitdesGebirgslandes mit Schuld daran haben,daß auch schonin früherer Zeitder von außerhalbdes

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,,Tales«Kommende alsFremder zugelten hatunddieEinheimischen ohne weiteres dasRecht haben,einenFremden,vordemihnen »grausnat« (natür- lich istdaangewalttätige Landstreicherzudenken,von denen man übrigens noch heute auf Landstraßen recht glaubwürdige Exemplareantreffenkann!), niederzuschlagen.DieGastfreundschaft hat sichebeninjenen schweren Zeiten sichtlich auf vereinzelte, besonders»gefreite« Ortlichkeiten zurückgezogen,wie siedasWeistum von Matsch (1805) nochzuAnfang des19.Jahrhunderts lebendig erweist,oder dieGestalt kirchlich gefärbter Wandererfürsorgean- genommen, wieindemHospizvon St.Valentin aufderHaid,dasvöllig im GeistederSchweizer St.Bernhardsmönchegeführtwird.

Bei allerAblehnungderFremden,allerBetonungdesEigentumsrechtes kenntundpflegt übrigens auchdasalteTiroler RechtdenBegriffdes»Mund- raubs«, zumalindenweingesegneten LandschaftendesdeutschenSüdtirol, wo dieTraube demdurstig vorübergehendeneine gefährliche Lockungbe- deutet. Die freundlicheRücksicht,diedabei aufdie Gelüste schwangerer Frauen genommen wird, isteinbesonderssympathischer Zug dieserReben- weistümer undberührt sich nahemitjenem prinzipiellen Interesse fürden schwächerenTeil,derimGerichtsversahren der Weistümer so mancheszu- gunstendesAngeklagtenauswirkt muß sich docheinmal derAnkläger sogar selbst solangeinHaft begeben,bisdieRichtigkeitseiner Anschuldigung erwiesenist.

HierwäreauchderOrt,der GütedesTirolers gegenTiere zugedenken:er siehtinihnensichtlich nichtalleinNutzgüter, sonderneineArtvon Hausgenossen.

Diesefreundlichen Zügewerden begünstigt durchdasenge Eingezirkt- seinvon MenschundTier indiegleichegewaltige Natur, derderGebirgvler nur inharterMühedaszum Leben Notwendige abringt. InsolcherUm- gebung bedarfesdoppeltwacher nachbarlicher Hilfsbereitschaft,undalles, was nur irgendwiealsBeförderungsmittelwärmenden BehagensinFrage kommt, erfreutsich besonderer Schätzung:wer geradebeim Backenist, darf selbstderGemeindesitzung fernbleiben,damit das»liebe Feuer« nicht erlösche;

auchan dieWichtigkeitdesöffentlichen Gasthausesund die schöne Sitte, nachderChristmetteim Pfarrhaus denFrommen einwarmes Plätzchenzu schaffen,mag erinnert sein.AberauchdieBedeutung derHausgemeinschaft, desFamilienlebens macht sich doppeltstark fühlbar. Nichtswird schwerer geahndetalsBruchdieses FriedensoderunrechtmäßigeStörung desruhigen Besitzesam Grund undBoden; BlutrachefürMord eines Sippen ist noch durchaus lebendigund verständlich.

DieEhegesetzgebung isteinesehrrigorose;dasfreie Verfügungsrechtvon FrauundKindern einehöchst geringfügiges. Jndem Verfügungsrechtder Frauüber dreiKreuzer spiegelt sich zugleicheinanderer wesentlicher Zug ursprünglicher Verhältnisse:die Neigungzusymbolisch-anschaulicher Fest- legungaller Zusammenhänge. Wie hierdie Verfügungsgewaltder Frau durch jene humoristische Dreizahl begrenztwird,so bezeichnendreiSteine aufderTürschwelleeinerechtsgültige Ladungzur Gemeindesitzung, hatder Weinberghüter (Saltner) der Meraner Gegenddem Pfarrherrn, wenn er zuGast erscheint, zwei (!)Weinbeeren mitzubringen, darf jederVorüber- gehendesicheine (!) Beere abzupfen, mußderVerbrecher,denzurichten nicht Sacheder Gemeinde ist,an die GrenzedesGebietes gebracht,mit einem Seidenfaden an einen Baum gebunden werden.

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