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Fremd in der Heimat. Deutsche im Nachkriegspolen 1945-1958. Rezension der Dissertation von Teresa Willenborg

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Academic year: 2021

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Jonathan Voges

DOI: 10.24425/historie.2020.133258

Fremd in der Heimat.

Deutsche im Nachkriegspolen

1945-1958. Rezension der Dissertation von Teresa Willenborg

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Keywords: national minorities, German-Polish relations, borderlands, migra- tions, communism

Gleich zu Beginn muss der Rezensent gestehen, dem in der Disser- tation von Teresa Willenborg verhandelten Gegenstand nicht ohne persönliche Betroffenheit gegenüberzustehen, rekurriert er doch in vielen Teilen auf die eigene und bis in die Großelterngeneration schmerzliche Familienerinnerung. Ohne dass es mir heute noch möglich wäre, die Erzählungen meiner inzwischen schon mehrere Jahre verstorbenen Großmutter systematisch zu rekonstruieren, er- innert doch vieles von dem, was Willenborg zitiert und analysiert, an das, was meine Großmutter in den unterschiedlichsten Zusam- menhängen – und leider immer mit einer deutlich antipolnischen Stoßrichtung, die sich erst nach einem Besuch in der „alten Hei- mat“ in den späten 1990er Jahren zumindest zum Teil legte – er- zählte. Sie kam aus der schlesischen Kleinstadt Patschkau (heute Paczków), ihre Eltern unterhielten ein gut laufendes Stoffgeschäft, und nach 1945 kam sie nach ein paar Monaten im nunmehr schle- sischen Polen in die besetzten Deutschland wo die Familie an die Tradition anknüpfte und wiederum ein Stoffgeschäft in Wolfen- büttel gründete – das so lange gut lief, wie das Selbernähen nicht durch die Warenhäuser verdrängt wurde.

Willenborgs Dissertation nimmt sich der spannenden Jahre von 1945 bis 1958 in Polen an und fragt, wie es den Deutschen erging, die nach Ende des Krieges (und zum Teil noch bis in die 1950er Jahre hinein) in Polen blieben, wo sie erleben mussten, wie ihnen ihre Heimat „fremd“ wurde. Das gelingt zum Teil recht überzeu- gend, auch wenn die verwendeten Leitbegriffe „Heimat“ und „Ent-

1Teresa Willenborg, Fremd in der Heimat. Deutsche im Nachkriegspolen 1945- 1958, Hamburg 2019.

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fremdung“ eine schärfere methodische und theoretische Rahmung erfordert hätten. Insbesondere ein im Grunde innovativer Ansatz wie die hier gewählte Verknüpfung von politischer und Erfahr- ungsgeschichte hätte ein derartiges Gerüst verdient, gerade auch um Modellcharakter für folgende Studien entwickeln zu können.

Gerade für den Bereich der politischen Geschichte zur Frage des Umgangs mit den neu zum polnischen Staat hinzugekommenen Gebieten und deren Bewohnern gelingt es Willenborg auf ver- dienstvolle Weise, aus offiziellen Quellen und der Sekundärliteratur ein überzeugendes Bild zu zeichnen. Insbesondere der Einbezug einer Vielzahl polnischsprachiger Publikationen ist zu würdigen, schafft es Willenborg doch, mit knappen Zusammenfassungen der einzelnen Studien souverän in den gegenwärtigen Stand der ge- schichtswissenschaftlichen Diskussion in Polen einzuführen – in einen Teilbereich der Forschung, der wohl nur wenigen deutschen Lesern bekannt sein dürfte. En passant macht die Autorin so deut- lich, dass die Geschichte von Flucht und Vertreibung immer eine transnationale Perspektive verlangt!

Willenborg geht es dabei vor allem um die Zwickmühle, in der sich die polnischen Verantwortlichen nach 1945 befanden: Auf der einen Seite wollten sie den ethnisch möglichst „reinen“ National- staat, also eben keine Minderheiten (vor allem ging es um die deut- sche und ukrainische) auf dem eigenen Staatsgebiet. Gleichzeitig war man sich aber durchaus bewusst, dass eine überstürzte Auswei- sung unweigerlich negative ökonomische Folgen nach sich ziehen würde. Deshalb wurden vor allem Fachkräfte daran gehindert, in den Westen zu gehen, später versuchte man auch, sie durch beson- dere Vergünstigungen zu halten.

Der zweite Teil der Arbeit, die Erfahrungsgeschichte, fällt dagegen leider etwas ab. Zwar ruft Willenborg entsprechende theoretische Rahmungen auf – die Geschichte des Erinnerns und Vergessens, die Erforschung historischer Narrative –, schöpft deren Potenziale aber nicht immer hinreichend aus. Das liegt zum einen daran, dass die theoretische Fundierung viel zu knapp ausfällt. Zur Erinne- rungsgeschichte ist inzwischen so viel publiziert, dass ein kurzer Hinweis auf die neueste Arbeit von Aleida Assmann nicht genügt, um deren Möglichkeiten auszuloten; was Narrative sind und wel- che Bedeutung sie haben können, bleibt mindestens ebenso blass.

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Die Schwäche zeigt sich aber auch im Umgang mit den – selbst er- hobenen – Quellen aus Zeitzeugeninterviews; Narrative werden darin im Grunde gar nicht freigelegt, die Fragen, warum erinnert wird, was erinnert wird (und was vergessen wird), werden nicht wirklich gestellt. Vielmehr erfüllen die – erfreulich langen – Zitate vor allem eine illustrative Funktion, geben die Berichte den aus den Schriftquellen gewonnenen Erkenntnissen doch letztlich nur ein wenig mehr Farbe. Das ist schade, hier wäre mehr Mut seitens der Autorin gefordert gewesen, die Berichte ihrer Gewährsmänner und -frauen auch einmal gegen den Strich zu bürsten und deren narrative Struktur streng wissenschaftlich zu dekonstruieren. (Ich gebe zu, dass ein derartiges Vorgehen menschlich zu durchaus pro- blematischen Situationen führen kann, wenn man den gestandenen Herrschaften in fortgeschrittenem Alter mit erlebter Leidensge- schichte derart kritisch gegenübertritt – wissenschaftlich geboten wäre es aber dennoch gewesen.)

All dies zusammengenommen und abgesehen von den zahlreichen Formulierungs-, Rechtschreib- und Begriffsfehlern (der britische Premier hieß Winston, und nicht „Wilson Churchill“2) hat Teresa Willenborg eine spannende Studie zum politikgeschichtlichen Hin- tergrund des polnischen Umgangs mit den verbliebenen Deutschen auf dem neu hinzugewonnenen Staatsgebiet vorgelegt. Die erfah- rungsgeschichtliche Perspektive im zweiten Teil der Arbeit, die an sich sehr spannend ist und für die Willenborg aussagekräftige Quellen erhoben hat, schneidet die Autorin jedoch nur an, hier könnte eine Folgestudie ansetzen, die die angedeuteten Potenziale wirklich ausschöpft.

Abstract

Review of Teresa Willenborg’s book Fremd in der Heimat. Deutsche im Nachkriegspolen 1945-1958

Teresa Willenborg’s book is devoted to analysis of the situation of the German population of former German territories which were granted to Poland in 1945 basing on diplomatic conferences of great powers: USA, Great Britain and the Soviet Union. Willenborg

2Ebd., S. 43.

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focuses on experiences of Germans who decided to remain in their hometowns and villages. The subject of her interest is here mainly a term of becoming ‘foreign’ and ‘solitare’ in their own homeland af- ter 1945. Thanks to usage of various Polish and German sources the author managed to stress the fact, that the history of post-war ex- pulsions and national minorities often requires a transnational ap- proach.

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