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1. B e rich t des Pastors von S a r a t a, K a tte rfe ld , über seine Bereisung des K irchspiels R o s c h i s c h t s c h e v. 15. Juni 1878.

Sr. H ochw ürden dem H e rrn Generalsuperintendenten

des St. Petersburgischcn K onsistorial-B ezirks Laaland in St. Petersburg, vom Pastor des evang.luth. K irchspiels S a r a t a.

Euer H ochw ürden beauftragten m ich bei meiner A nw esenheit ■ in St. Petersburg, v o r der R ückkehr in meine Gemeinde das K irch sp ie l Ro»

schischtsche zu besuchen, dessen H irte seit einem Jahr wegen K ra n k h e it in D eutschland w eilte. Im folgenden erlaube ich m ir über die E rfü llu n g dieses A uftrages kurz B e rich t zu erstatten.

N ach flüchtigem , kaum zweitägigem Besuche im H ospital in B e n d e r tra f ich am 8. A p ril, dem Tage v o r Dom inica Palmarum, in R o s c h i s c h s t s c h e ein. Le id er hatte die N a c h ric h t von dem bevorstehenden Besuche eines Pastors n ic h t so w e it ve rb re ite t werden können, dass ich m it dem N öthigsten, dem Besuche der entfernteren Colonien, die am längsten ohne Pastorale Bedienung geblieben waren, h ätte beginnen können. So blieb ich die Charwoche in Roschischtsche und h ie lt am Palmsonntage, Grün«

donnerstag, C harfreitag u. ersten O stertag G ottesdienst m it A bendm ahl in der eben fe rtig gewordenen, geräumigen, neuen K irche. D er Betsaal hätte n ic h t den kleineren T h e il der Versam m elten gefasst. A m Grüns donnerstag co n firm ie rte ich einige K in d e r aus der D iaspora u. entlegeneren Colonien. D ie C onfirm anden aus den um den P fa rro rt gelegenen Orts schäften, die der Pastor jä h rlic h in der Z e it zwischen Ostern und H im m els fa h rt zu einem vorbereitenden U n te rric h t zu sammeln pflegt, nahm ich n ic h t an zur C o n firm a tio n , da sie d a m it um den Segen des U n te rric h ts

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gekommen wären, sondern verwies sie an den bald zu erw artenden Pastor.

D en zweiten Feiertag besuchte ich die von Preussen bewohnte A nsiedlung S a p u s t u. h atte h ie r ca. 150 C om m unikantcn. A m folgenden Tage, dem 18. A p ril, tra u te ich 6 Paare. A m 19. w urde ich (60 W e rs t von Roschisch«

tsche) zu einer sterbenden Frau geholt, die drei Jahre n ic h t das Abend«

mahl empfangen hatte u. sehnlichst danach verlangte.

Donnerstag, den 20. A p ril, tra t ich meine erste Reise in den W 1 a d i « m i r e r K reis an u. predigte an vie r aufeinander folgenden Tagen an den v ie r O rte n B r e s a 1 u p, M a r i n k o w, A n t o n o w k a u. H e 1 e n o w, das H e rr Pastor F i n d e i s e n im vorigen Jahre besucht hat. A n allen v ie r O rte n w ar auch C o n firm a tio n u. Abendm ahlsfeier. Im ganzen con«

firm ie rte ich in diesen Tagen 107 K in d e r ü. com m unicirte ca. 1000 Per«

sonen. A m A bende von D om inica Quasim odogeniti, den 23., kehrte ich nach Roschischtsche zurück, um einen Tag zu rasten u. die Papiere zu ordnen, ehe ich die w eitere Reise in den K o w e l e r Kreis antrat. Einer kleinen Ausspannung fü h lte ich m ich recht b e d ü rftig . A ehnliche Strapazen kannte ich noch nicht. Frühmorgens um 6 U h r begann gew öhnlich schon die Prüfung der C onfirm anden und zwei M al endete die Tagesarbeit erst nach 7 U h r abends. D ann machte ich noch die F a h rt in die in der T o u r folgende Colonie. A us dem einen Rasttage w urden drei, da aus der Ge«

meinde G r o s s « G I u s c h a , der ich fü r diese Tage einen Besuch zuge«

dacht hatte, die M eldung gekommen war, es habe eben „e in Pastor aus W i l n a “ das N ö tig e besorgt u. im A ugenblicke sei nach dem Besuche eines Pastors kein B edürfnis vorhanden.

A u c h in diesen Tagen ruhte die A rb e it n ich t ganz: es fand eine Com«

m union s ta tt u. ich traute mehrere Paare. Donnerstag, den 27. A p ril, tra t ich eine zw eite Reise in den W 1 a d i m i r e r K reis an, um noch zwei Colonien zu besuchen, die aus w e ite r E ntfernung D e p u tie rte geschickt und fle h e n tlich um m ein Kom m en gebeten hatte. Einen ganzen Tag dauerte die F a h rt nach M a r i e n d o r f . H ie r hatte ich am 28. A p r il die stärkste C om m union und c o n firm ie rte 44 K in d e r. M eine A rb e it beschloss ich am 29. in J a n o w. A u ch h ie r w a r w ieder C o n firm a tio n und Com m union, ich traute 5 Paare u. bestätigte an 37 K in d e rn die N o tta u fe . D er B itte der Gem einde O c h n u w k a, sie zu besuchen, konnte ich le id e r n ic h t mehr entsprechen, da sie am entgegengesetzten Ende des K irchspiels lag u. die D ispositionen fü r meine A breise schon getroffen waren. Ich kehrte nach Roschischtsche zurück und konnte, da am 2. M ai der Pastor der Gemeinde zurück e rw artet wurde, meinen A u ftra g als e rle d ig t ansehen. A m 1. M ai reiste ich mein K in d zu holen, das ich bei V e rw andten im K o w n o s c h e n G ouvernem ent zurückgelassen hatte. A m 7. M a i berührte ich nochmals Roschischtsche, berichtete dem unterdessen heim gekehrten H irte n der Ge«

meinde über die getane A rb e it u. tra f dann nach fünftägigem A u fe n th a lt im H o sp ita l in B e n d e r am 15. M a i w ieder in Sarata ein.

Für M a r i n k o w hatten m ir Euer H ochw ürden, der d o rt vorgekom«

menen U e b e rg riffe des Lehrers B ülow wegen, einen besonderen A u ftra g gegeben. Da m ir bei den Leuten volles V ertrauen und vo lle W illig k e it begegnete, sich belehren und zurechtweisen zu lassen, so w urde es m ir n ic h t schwer, demselben nachzukommen. Lehrer Bülow, der offenbar grosses Ansehen in der Gemeinde hat, nu r leider sehr v o ll von sich ist, bekannte offen, g e irrt und gefehlt zu haben. F.w. H ochw ürden selbst haben ih n durch Ihre Z u s c h rift v ö llig überwunden. Leider ist die in dem Schrei«

ben des Lehrers Bülow, das ich anbei r'etradiere, bekundete V e rstim m ung gegen den K irch e n ra t in Roschischtsche n ich t ganz unbegründet und w ird von dem grössten T e il des K irchspiels geteilt. N ach Pastor H irschs A b ­ reise näm lich hatte er zur T ilg u n g der K irchbauschuld verfügt, sämtliche A ce id e n tie n zu verdoppeln. Jeder C om m unikant sollte a nstatt der üblichen l y , Cop. (5 fü r den Pastor, 2 % Cop. fü r A bendm ahlsw ein u. H ostien) 15 Cop. zahlen. D e r G rund, w arum in Roschischtsche, wo diese Bestim«

mung d u rch g e fü h rt wurde, sich viele n ic h t zum A b endm ahl anschreiben

liessen, sondern dasselbe a rrip irte n , w ar offenbar der, dass ihnen die Zahlung der 15 Cop. zu schwer fiel. A n den übrigen O rten, wo die alte T a xe erhoben wurde, waren der A rrip ie n te n weniger, doch fe h lte n sie auch n ic h t ganz. Für eine Trauung fo rd e rte der K irch e n ra th s ta tt der üblichen 1 Rub. 50 Cop. 3 Rubel. Ausserdem mussten diejenigen, die noch n ich t den nach dem von ihnen besessenen Lande bemessenen Beitrag fü r den K irchenbau e n tric h te t hatten, diese Summe doppelt, also 6 R ubel fü r eine T ra u u n g zahlen. Bei der D urch fü h run g waren solche Fälle, w ie der m it dem Schwiegersohn des Lehrers Bülow, (cf. sein Schreiben) n ic h t vereinzelt geblieben. Brautpaare, die w either zur Trauung gekommen waren, hatten Kleidungsstücke versetzt, um die 6 Rubel zahlen zu können.

So viele solcher Fälle zu meiner K enntnis gekommen sind, habe ich von dem Gelde, das von Ew. H ochw ürden m ir zu Ausgaben auf der Reise in die H and gelegt war, zu repariren gesucht und dadurch, w ie ich hoffe, beigetragen, die V e rstim m ung zu besänftigen. Es is t m ir h ie r Bedürfniss, Ihnen fü r diese M itte l herzlichst zu danken. Sie sind m ir bei der grossen im K irch sp ie l herrschenden A rm u th sehr zu S tatten gekommen. Ca. 51 Rubel habe ich fü r ähnliche Zw ecke verausgabt.

M eine B itte , doch fre iw illig nach K rä fte n fü r den K irchenbau bei»

zusteuern, d a m it die schwer lastende Schuld bald g e tilg t w erden könne, fand an allen O rte n w illiges Gehör.

N och in einem anderen Falle d u rfte ich v ie lle ic h t ein W enig beitragen, d ie G em üther zu beruhigen und eine V erständigung herbeizuführen, ln einem n ich t unbedeutenden T h e ile des K irchspiels w ollen die neu zu*

gewanderten G lieder sich n ic h t in den hier im Lande geltenden alten S tyl fügen, sondern den neuen S tyl beibehalten und nach diesem auch die Feste feiern. Le id er hat die o b rig k e itlic h e Entscheidung „d e r alte Styl müsse gelten“ den S tre it n ic h t geschlichtet, indem jede P artei u n te r „a lte m S ty l“ das verstand, w ie man es gewohnt war. ln J a n o w w ar diese Frage brennend. O stern hatten nur W enige die K irch e besucht. Lehrer, Schulz u. K irch e n vorm u n d baten mich, m it den Leuten zu reden. N ach dem G o tte sd ie n st h ie lt ich eine Besprechung und e rh ie lt von den W iderstreben*

den die Zusage, dass sie sich in die h ie r im Lande geltende O rdnung fügen w ollten.

Besonders und n ic h t gerade angenehm auf gefallen is t m ir, im U nter*

schiede von dem kirch lich e n Brauche der Gemeinden des Südens, dass auch fü r das A b e n d m a h l eine G ebühr gezahlt w ird . Besonders störend erschien m ir die usuelle Praxis des Einkassierens und entbehrt die Schilde*

rung des Lehrers B ülow n ic h t ganz der W a h rh e it. Manchmal, wenn das fatale G eklapper der Scheidemünze gar zu la u t wurde, oder wenn man die Frage hören musste, was das A bendm ahl koste? und man es n ic h t b illig e r haben könne?, drängte sich m ir die Frage auf, ob sich diese A ccid e n tie n n ic h t überhaupt durch eine E rhöhung des Pfarrgehaltes ablosen liessen, umsomehr, als die aus Polen eingewanderten C olonisten, so wenig wie le des Südens, an diese Z ahlung gewöhnt sind. Jedenfalls waren viele Cebe * stände, die sich je tz t an die Feier des heiligen Mahles knüpfen, z. 1 . t as sehr beliebte A rrip ire n , d a m it beseitigt. ,

D er T o ta b E in d ru e k, der m ir von diesem 3 ^» w ö ch e n tlich e n Besuche des K irchspiels Roschischtsche geblieben, is t der: Es w ar w o h l hohe Z e it, dass diese Gemeinde, besonders die in den W ä ld e rn zerstreuten Glaubens*

genossen, besucht und k irc h lic h bedient wurden. C harakteristisch fü r die vorhandene N o th w ar ein Fall in M a r i n k o w . H ie r h atte ein alter sterbenskranker M ann 14 Tage v o r meinem Kommen, als man noch nichts von dem Besuche eines Pastors in der G e g ^ d wusste, e r k la itJ ? ^ n ic h t sterben, ohne zuvor den Leib und das B lu t des H e rrn empfangen zu haben. A m Tage v o r meinem Kom m en hatten die A ngehörigen sein Ende erw artet. Hände und Füsse waren bereits erkaltet. Da hatte er sich aut*

g e rich te t und e rklä rt, ohne A b e n d m a h l könne er n ich t sterben. Ich tra t ihn w irk lic h noch am Leben, w o h l sterbend, aber doch bei vo lle m Bewusst*

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sein und sehnliehst nach der Zehrung fü r den letzten W eg verlangend.

Dieser sterbende Greis u. jene sterbende Frau, der ich oben erw ähnt, die beide nach dem Genuss des heiligen Mahles selig eingeschlafen sind, haben es m ir bestätigt, dass der H e rr, der das Verlangen der Elenden sieht, meine Reise gefügt.

U eberhaupt w ar m ir der geistliche H unger der Leute, der sich im ganzen K irch sp ie l kundgab, sehr erhebend urid contrastierte w ohlthuend m it der S attheit der C olonisten des Südens, die ja fre ilic h an religiöser E rkenntnis, wie in jeder H in s ic h t, jenen w e it überlegen sind. M it solcher F re u d ig keit habe ich nie predigen und meines A m tes w arten können, so w illig e H ö re r habe ich noch nie gefunden als unter den Colonisten in den W äldern W olhyniens.

Ich w ill m ich hier eines A uftrages entledigen, der m ir w ie d e rh o lt von ganzen Gemeinden und einzelnen Personen gemacht worden ist, Ihnen hochw ürdiger H e rr G enerabSuperintendent den innigsten D ank der Leute auszusprechen, dass Sie ih re r gedacht und fü r ihre geistliche Bedienung gesorgt haben.

M öchte nun Gottes Gnade den der Gemeinde wiedergeschenkten H irte n fü r die grosse A ufgabe stärken, die in den letzten Jahren zuge?

ström ten Massen zu coneentriren und zu organisiren. Es wohnen allein im W l a d i m i r e r Kreise so viel, dass h ie r ein grosses K irch sp ie l gebib det werden könnte. N och ist der Strom der Einw anderung n ic h t versiegt.

Jeder Tag fü h rt neue Fam ilien zu, die aus kirc h lic h e r Verw ahrlosung komm en und in jeder H in s ic h t sehr wenig m itbringen. Das ganze Schub wesen steht auf einer unglaublich niedrigen Stufe. V o n den 161 K in d e rn, die ich c o n firm ie rte , konnten 5 schreiben. V on den Lehrern, die ich kennen lernte, konnte nu r einer sieh rühmen, S ehreibunterricht zu geben.

Trotzdem, dass ich fü r Zulassung zur C o n firm a tio n das geringste Mass an Kenntnissen fo rd e rte , konnte ich ca. 20, die noch gemeldet waren, n icht co n firm ire n . D a ru n te r befanden sich Zwanzig-, u. N eunzehnjährige. D ie Schullocale sind schon darauf berechnet, dass die H ä lfte der K in d e r n ich t kom m t. Dazu sind die meisten Lehrer so roh und ungebildet, dass sie schw erlich dazu beitragen können, die Schule auf ein höheres N iveau zu erheben. Es ist m ir recht zum Bewusstsein gekommen, w ie vie l die Ge?

meinden des Südens der Werner?Schule zu S a r a t a fü r die von ih r aus?

gebildeten Lehrer zu danken haben. Eine ähnliche A n s ta lt zur A u sb ild u n g von Lehrern wäre gewiss auch fü r jene Gegenden ein schreiendes Bedürfniss.

A u ch wäre zu einer geordneten Bedienung der ca. 100 Colonien, die gegenwärtig zum K irchspiel Roschischtsche gehören, die B ildung eines neuen zweiten K irchspiels gewiss höchst notw endig und w iinschenswerth, obgleich ja die grosse A rm u th der Leute und der M angel an Pastoren die B efriedigung dieses Bedürfnisses fü r die nächste Z e it als U n m ö g lic h k e it erscheinen lassen.

S a r a t a, d. 15. Juni 1 8 7 8. L. K a tte rfe ld , Pastor zu Sarata. 2

2. G em eindebericht des evang.-luth. Kirchspiels Roshischtsche pro 1886/87.

An

E in hochwürdiges St. Petersburgisches Evang.?lutherisches C onsistorium zu S t. P e t e r s b u r g . Einem hochw ürdigen C onsistorio habe die Ehre, in N achfolgendem den G em eindebericht des K irchspiels Roshischtsche fü r das B e rich tsja h r 1886/87 ganz ergebenst abzustatten.

verflossenen Jahre ist die Stim m ung der Leute in den Gemeinden der p olitischen V erhältnisse wegen eine sehr gedrückte gewesen. Da is t

w o h l kaum Jemand gewesen, den n ic h t die Existenzfrage, die tra g e um die Z u k u n ft ernstlich in A nspruch genommen hätte. D ie V e rordnung vom 14 M ärz dieses Jahres, welche zwar nu r die A usländer b e tr ifft und letz«

teren das Recht abspricht, Land zu kaufen und zu pachten, sowie auch V e r­

walter« und D ire kto re n stelle n zu bekleiden, hat auch die russischen Unter«

tanen beunruhigt. Was sollte man anfangen, denn die Dinge, die da komm en könnten, erregten m ehr Besorgnis als die traurige Gegenwart.

Dass es böse Z e it wäre, blieb niemandem verborgen. D er slavophile Deutschenhass höherer Stände hatte sich den unteren Schichten der Be«

völkerung m itg e te ilt und die U rja d n ik i ‘ ) und W olostschreiber trieben P o litik und hielten sich berechtigt, ihren Deutschenhass an den K olonisten durch Schim pf und geringschätzige Behandlung auszulassen. Es is t n ic h t zu verw undern, dass der Gedanke an eine Auswanderung im m er mehr Raum gewinnt. So is t denn manche Fam ilie nach A m e rik a ausgewandert, die u n te r anderen U m ständen n ic h t daran gedacht hätte. Z u diesen ge«

hören die wohlhabenderen Fam ilien. W ie viele Fam ilien das K irch sp ie l verlassen haben, is t noch n ic h t zu konstatieren gewesen. D ie m inder*

b e m itte lte n Fam ilien begehen die T o rh e it, nach D eutschland zu ziehen, von wo sie m eist ganz m itte llo s w ieder zurückkehren. D ie deutschen U ntertanen, welche am O rte verbleiben, suchen um die A ufnahm e in den U ntertanenverband nach. D och auch den russischen U ntertanen u nter den K olonisten w ird die Erlaubnis zum L andkauf ru n d abgeschlagen. Es ist denselben n u r die Landpacht auf 12 Jahre gestattet. Diese kurze F ris t is t auch höchst u n v o rte ilh a ft. Denn kaum beginnt der k u ltiv ie rte Boden er­

tragfähig zu werden, so is t die P achtzeit vorüber und die neuen Pacht«

bedingungen werden dermassen hinaufgeschraubt, dass an eine Wieder«

gewinnung des A nlagekapitals, an G eld oder A rb e its k ra ft, n ic h t zu denken ist.

A u c h die F urcht, dass man in Z u k u n ft zur K onversion gezwungen werden könnte, e rfü llt viele m it ernster Besorgnis. Unsere Schulen sind allerdings in diesem Jahre einem dahinzielenden A n g riffe ausgesetzt ge*

wesen. Im Januar dieses Jahres, tra f h ie r im A u fträ g e des K u ra to rs des Kiewschen Lehrbezirks, des Geheimrats Golubzow, der Kiewsehe Schul*

inspektor, Staatsrat S initzyn, ein. E r h atte bereits die K irchspiele S h ito m ir und H e im ta l, sowie auch die Tschechenkolonien besucht. Bei m ir w ar er einen Tag v o r m einer R ückkehr von einer Reise eingetroffen. I ir benutzte diesen Tag, um aus der vorhandenen R egistratur, welche ihm in der Pfarr*

kanzelei vorgelegt w orden war, die genauesten A u s k ü n fte auszuschreiben, und dann eine F a h rt durch v ie r K olo n ie n zu machen. Sämtliche Schulen fanden seinen unbedingten B eifall. M it Befriedigung hat er wahrgenommen, dass in jeder Schule die Bildnisse ih re r M ajestäten vorhanden waren. Auch d a m it war er sehr zufrieden, dass in säm tlichen Schulgemeinden die Krons*

feste m it G ottesdienst gefeiert werden. D en versam melten S chulkindern legte er die verfängliche Frage vor, w ie der deutsche Kaiser heisse. Zu«

fä llig wussten es die K in d e r nicht. A ls er aber fragte: „K a k nasago carja z o v u t2)? “ da an tw o rte te n sie einstim m ig: „A le x a n d e r A le xa n d ro w itsch . A m nächsten Tage hatte ich Gelegenheit, beim K reisschulinspektor K olenko aus L u tz k m it ihm zusamm enzutreffen. Unsere U nterredung, welche aus*

schliesslich unsere Schulverhältnisse betraf, dauerte von 9 U h r abends bis 2 U h r morgens. Seine Auseinandersetzungen drehten sich um die beiden P unkte: U eberführung der Schulen in das Ressort des M in iste riu m s der

V olksaufklärung und russische U nterrichtssprache.

Ich setzte ihm auseinander, dass unsere Schulen K onfirm ationsschulen seien und als solche im Reichsgesetze vorgesehen wären, dass unsere Lehrer Kantoren, d. h. niedere K irchenbeam te (oder D ie n e r) waren. U nd dass unsere Schulen vornehm lich Bethäuser (m o d litv e n n y je doma) waren,

') Beamten.

■) W ie heißt unser Zar?

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in welchen sonntäglich G ottesdienst gehalten werde und in welchen zu«

gleich der K a n to r oder K üster wohne, der die K in d e r zur K o n firm a tio n vorbereitet. Sollten in unseren K olo n ie n Regierungsschulen e rö ffn e t werden, so müssten unsere Schulen doch daneben fortbestehen, weil sie ein not*

wendiges unumgängliches E rfo rd e rn is unseres K u ltu s sind. Außerdem müsste die Regierung fü r eigene Schulhäuser Sorge tragen, da w ir unsere Schulen als G ottesdienstlokale n ich t abtreten könnten. A m Schlüsse unserer U nterredung holte der In sp e kto r ein A k te n fa szike l he rvo r und sagte: „D e r H e rr K u ra to r schreibt hier vor, dass h in fo rt in ihren Schulen der U n te rric h t ausschliesslich in der russischen Sprache sta ttzu fin d e n habe und dass Sic am Schlüsse des Jahres ihm B ericht zu erstatten haben“ . Ich a n tw o rte te ihm, dass ich bereit wäre, dem H e rrn K u ra to r zu je d e r Z e it auf seine B itte A u s k ü n fte zu erteilen, dass ich aber n ic h t im Stande wäre, von ihm irgendwelche V o rs c h rifte n entgegen zu nehmen. E rstaunt rie f er aus: „K a k ! E to wyssoko postavlennoje lic o “ .3) Ich erw iderte drauf, daß es in Russland viele hoch* und höhergestellte Personen gäbe, die m ir aber nichts zu befehlen hätten. W enn es Sr. M a je stä t gefallen sollte, unsere Schulen aus dem Ressort des M in is te riu m des Innern in dasjenige des M in iste riu m s der V o lksa u fklä ru n g überzuführen, so w ürde m ir solches auf dem Instanzenwege m itg e te ilt w erden und wenn ich alsdann noch im D ienst verbleiben sollte, so w ürde ich m ich den Befehlen des H e rrn K u ­ rators unterw erfen.

D er In sp e kto r hatte die A b s ic h t gehabt, säm tliche Schulen des K irch * spiels zu bereisen, hatte sich auch eine M arschroute angefertigt. Nach unserer U nterredung ist er jedoch sogleich am nächsten Morgen nach K ie w zum K u ra to r abgereist. Nach zwei W ochen te ilte m ir der Schuh inspektor K olenko aus L u tz k m it, der Inspektor S in itzyn hätte ihm aus K ie w geschrieben: „P opecitel p ry s v o jit siebie m nienie Prepodobnago Pa*

stora w ielet p rio s ta n o v itj d jc lo (l) i o s ta w itj niem ieckija ucilisca w p o k o je ” .4 *) Diese Angelegenheit h a t ein kleines N achspiel gehabt. A m 22. A ugust habe ich, w ie a lljä h rlic h einen Feldgottesdienst im Lager bei L u tz k fü r die daselbst ko n ze n trie rte n T ru p p e n abgehalten. A m folgenden Tage hatte G eneralgouverneur D re n te ln Truppenmaneuvres. N ach V ollendung der*

stora w ielet p rio s ta n o v itj d jc lo (l) i o s ta w itj niem ieckija ucilisca w p o k o je ” .4 *) Diese Angelegenheit h a t ein kleines N achspiel gehabt. A m 22. A ugust habe ich, w ie a lljä h rlic h einen Feldgottesdienst im Lager bei L u tz k fü r die daselbst ko n ze n trie rte n T ru p p e n abgehalten. A m folgenden Tage hatte G eneralgouverneur D re n te ln Truppenmaneuvres. N ach V ollendung der*