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Hauptbegriffe der E thik und Sozialphilosophie

N a t o r P , S o zia lp ä d a g o g ik. 6. A u f l .

Nachdem der tiefliegende Zusammenhang der sittlichen V er­

n u n ft des Menschen m it dem Leben in der Gemeinschaft sich e n th ü llt hat, bedarf es erst der Rechtfertigung, weshalb w ir den A ufbau der sittlichen W e lt gleichwohl m it der A ufstellung eines Systems i n d i v i d u e l l e r T u g e n d e n beginnen.

Das Bewußtsein des Willensgesetzes kann sich, dem Dar- gelegten zufolge, allein in der Gemeinschaft bilden und zieht aus ih r fo rt und fo rt seine Nahrung. Auch seiner Geltung und seinem In h a lt nach bedeutet es ein Gesetz nicht fü r den Einzelnen allein, oder fü r eine V ie lzah l von Einzelnen bloß aus gleichem Grunde, sondern an und fü r sich fü r die Ge­

meinschaft. Eine sittlich e W elt, eine eigene O bjektwelt - des W ille n s existie rt überhaupt nur fü r eine Gemeinschaft der W ille n, ebenso wie die W e lt des Verstandes nur fü r den ge­

meinen Verstand. Das Gute, schlechthin und ohne Einschrän­

kung, kann gar nicht gedacht werden als Aufgabe fü r den isolierten Einzelnen. Es is t in seinem überindividuellen, un­

endlichen Charakter zu groß selbst fü r eine noch so w eit ver­

standene empirische Gemeinschaft. Sofern aber fü r die In d i­

viduen, besteht die sittlich e Aufgabe nur fü r alle insgesamt;

A ir jeden Einzelnen nur gemäß dem A n te il, der an der ge­

meinschaftlichen Aufgabe gerade ihm , nach der Besonderheit -einer Lage und Befähigung, z u fä llt. Wras in concreto das

S ittlich e fü r den Einzelnen, hängt davon ah, was es fü r alle, was fü r die Person überhaupt, davon, was es an sich, sachlich, objektiv ist. Das „ Ic h soll“ hat, wenn nach dem In h a lt des Sollens die Frage ist, zur Grundlage das „E s soll“ , das Gute der Person das Gute der Sache, nicht umgekehrt.

Darum bleibt doch das W ollen des Guten selbst in d iv id u e ll1):

es kann keiner fü r mich wollen, fü r mich V e rn u n ft haben, praktische so wenig wie theoretische. Daß ich oder mein Tun gut sei, lie g t rein in m ir, in der Beschaffenheit meines Wollens, und is t ganz davon unabhängig, ob auch der Andre es dafür erkennt. S ittlic h k e it besteht nicht durch einen V ertrag auf Gegenseitigkeit; habe ich bei m ir selbst etwas fü r gut erkannt, so bleibt es fü r mich geltend, und ob alle W e lt es anders befände. Der sittlich e W ille u n te rw irft sich nur dem Gesetz, das er sich selbst gibt. A lle in je tzt is t nach dem In h a lt des Gesetzes, nicht nach dem Gesetzgeber die Frage. Die Gesetzes­

form selbst aber verleiht diesem In h a lt objektiven und also überindividuellen Charakter. Der Glaube an eine Sache is t (nach § 8) das M erkm al sogar des (eigentlichen) W ille n s über­

haupt, nicht erst des sittlichen W illens. Mag aber einer den Gegenstand seines besonderen W ollens fü r seine ausschließliche Sache halten, so is t doch der W ille so lange noch nicht rein s ittlic h , d. h. e rfü llt er nicht rein sein eigenes Gesetz, als man noch die eigene Sache gegensätzlich gegen die des Andern s te llt; er is t es erst dann, wenn ich erkenne: meine Sache is t keine andre, soll keine andre sein, als die auch jedes Andern Sache sein sollte und der W ahrheit nach ist.

Also bleibt es dabei, daß das S ittlich e an und fü r sich, seinem In h a lt nach, Gemeinschaftssache und in keiner Weise Privatsache ist. Es is t nicht bloß an sich fü r alle eins und *)

*) So sagt Pestalozzi ric h tig in den „N achforschungen“ (W erke hr.

v. S e y ffa rth V I I I , 468): „D ie S ittlic h k e it is t ganz in d iv id u e ll, sie besteht n ic h t u n te r zweien“ ; näm lich im U nterschied vom „gesellschaftlichen Recht“ , welches nach seiner (Rousseauschen) A uffassung auf V e rtra g , d. h. a u f gegenseitiger V e rp flic h tu n g beruht. Dagegen w ird das S itt­

lich e seinem In h a lt nach von Pestalozzi wesentlich sozial verstanden.

(V g l. Abh. 2. A u fl. I I 133 f.; Reins Enz. H db., A r t. Pestalozzis Päda­

gogik, N. 18— 20; Pestalozzi, s. Leben u. s. Ideen, 2. K ap. § 7, 3. K ap. § 4.)

dasselbe, sondern es muß auf der Höhe s ittlich e r K la rh e it auch als gem einschaftlich bewußt und im H in b lic k auf die Gemein­

schaft gew ollt sein. S ittliches Bewußtsein is t als solches not­

wendig Gemeinschaftsbewußtsein.

Aber doch d arf in der Gemeinschaft der Individuen nicht alle B e s o n d e r u n g verloren gehen. Gerade in der Gemein­

schaft läß t vielm ehr ein Hecht der In d iv id u a litä t sich k la r verstehen, das ih r dagegen nicht zukommt in der Loslösung von der Gemeinschaft. Also is t von einer S i t t l i c h k e i t des I n d i v i d u u m s , im Unterschied von der der Gemeinschaft, allerdings zu reden. K ann keiner fü r mich wollen, keines Andern sittlich e Y e rn u n ft statt meiner eignen über mich richten, so is t es notwendig, daß i c h so geartet und gebildet bin, das S ittliche erkennen und meine T rieb krä fte in seinen Dienst stellen zu können. D ie Aufgabe is t gemeinsam, aber alle A rb e it an ih r is t doch A rb e it der Individuen, obwohl n ich t isolierter, sondern in der Gemeinschaft lebender und sich entwTickelnder. Es is t also jedenfalls dem Gesichtspunkt nach verschieden, ob man von S ittlic h k e it des Individuum s, von S ittlic h k e it, sofern sie ihre W urzeln in den seelischen K rä fte n des Individuum s hat, oder von sittlic h e r Ordnung des Gemein­

schaftslebens spricht. Also is t die Unterscheidung zwischen In d iv id u a l- und S ozial-E thik allerdings begründet; nur darf man die genaue Wechselbeziehung zwischen beiden nie außer acht lassen.

Nun is t zwar die konkretere Gestalt der sittlich e n A u f­

gabe die gemeinschaftliche. Denn, wenngleich Gemeinschaft ein A bstraktum und nur die Individuen konkret sind, so is t dagegen das iso lie rt gedachte Ind ividu u m wiederum eine A b ­ straktion. In W a h rh eit g ib t es kein isoliertes, menschliches Individuum , denn der Mensch is t Mensch nur in menschlicher Gemeinschaft und durch Teilnahme an ih r. Und das g ilt doppelt vom wollenden und handelnden; im bloßen Erkennen mag man eher noch sich vereinzeln, im ästhetischen Genießen Ul*d Schaffen fü r sich bleiben und allein sich genügen wollen;

dagegen das Handeln des Einzelnen und, sofern es aufs Handeln zielt, schon sein W ollen g re ift unverm eidlich in die

Sphäre der Gemeinschaft ein, muß also, fa lls es m it Bewußtsein geschieht, auch seiner W irk u n g in diese Sphäre hinein m it­

bewußt sein. Also is t der Einzelne, zugleich in seiner Gemein­

schaftsbeziehung gedacht, konkreter als der bloß fü r sich gedachte Einzelne.

Aber eben w eil dem so ist, kann die A bleitung der konkret sittlichen Aufgabe nur vom Ind ividu u m ausgehen; denn der Gang der Deduktion is t vom Abstrakteren zum Konkreteren.

Die einfachen Grundverhältnisse des Sittlichen, an sich die­

selben fü r Ind ividu u m und Gemeinschaft, werden sich doch am Ind ividu u m unm ittelbarer erkennen lassen. Sie ergeben sich, wie w ir erwarten müssen, durch die Besonderung der in sich e i n e n sittlichen Aufgabe gemäß ih re r Beziehung auf die drei Grundfaktoren der A k tiv itä t, Trieb, W ille und V e rn u n ft; von diesen aber is t unm ittelbar k la r, was sie im Individuum , nicht ebenso, was sie in der Gemeinschaft besagen. Eben dam it • aber w ird zugleich der Grund gelegt fü r die A bleitu n g des S ittlichen auch in seiner sozialen Gestalt. Denn dasselbe, was der W ille auf seinen drei wesentlichen Stufen fü r den Einzelnen bedeutet, muß er auch fü r die Gemeinschaft bedeuten; man hat nur die Wechselbeziehungen der Einzelnen in der Gemein­

schaft hin sichtlich eben dieser drei Stufen der A k tiv itä t zu­

gleich in Betracht zu ziehen. Das is t im wesentlichen der Weg, den P l a t o eingeschlagen h a t1). Schon er gelangte so zu einer genau parallelen Bestimmung des konkret S ittlichen fü r Ind ividu u m und Gemeinschaft, die, wie verbesserlich auch im einzelnen, doch dem P rin zip und methodischen Grund­

gedanken nach vo rb ild lich bleibt.

0 Denn es is t n u r Schein, daß im „S ta a t“ die soziale E th ik das F u n ­ dament fü r die in d iv id u a le abgebe. P lato sagt ausdrücklich (S. 435 E ), daß die G rundform en der A k tiv it ä t und die entsprechenden Tugen­

den n u r aus den In d iv id u e n in die Gemeinschaft gekommen sind, und n u r deshalb der Rückschluß von der Gemeinschaft a u f das In d iv id u u m mög­

lic h ist. Es e n tsp rich t n u r dem w ohlüberlegten didaktischen Gange seiner Untersuchung, daß vom m ehr Ä ußerlichen, grob Faßlichen zum w irk lic h R adikalen erst zurückgegangen w ird . Im Leben der Gemeinschaft (heißt es S. 368 D ) sei das S ittlic h e in größeren Buchstaben geschrieben, und deswegen fü r den Ungeübten le ich te r lesbar.

A u f seiten des Individuum s ergibt sich auf diesem Wege ein System von G r u n d t u g e n d e n . Unter Tugend überhaupt verstehen w ir die S ittlic h k e it des Individuum s, unter Tugenden deren einzelne Seiten oder Richtungen, unter Grund- oder Kardinaltugenden die ursprünglich zu unterscheidenden Seiten, die aus irgend einer obersten E in te ilu n g des B egriffs der in ­ dividuellen Tugend sich ergeben müssen. Zum obersten E in ­ teilungsgrund aber dienen uns die wesentlichen Stufen der A k tiv itä t überhaupt; denn Tugend is t nichts andres als die rechte, ihrem eigenen Gesetz gemäße Beschaffenheit mensch­

licher T ä tig ke it. Es is t wiederum Plato, der erkannt hat, daß die ihm schon überlieferten Hauptnamen von Tugenden wie V e rn ü n ftig k e it, Tapferkeit, Maß einen solchen E in te ilu n gs­

grund stillschweigend voraussetzen, nur fre ilic h ohne Bewußt­

sein und daher ohne sichere Abgrenzung der Begriffe. Da­

durch war seiner Untersuchung in H in sich t der individuellen Tugenden der Weg vorgezeichnet. W ir halten diesen W eg inne, nicht aus Vorliebe oder um der V orteile einer großen Über­

lieferung w ille n, sondern w e il w ir eine sachliche N otwendigkeit dabei erkennen.

Das Größte aber, was Plato gelang, war die Übertragung dieser selben E in te ilu n g auf die s o z i a l e Tugend. Den Be­

g r iff einer Tugend der Gemeinschaft hat wohl er zuerst (allen­

fa lls nach dem Vorgang des Sokrates) aufzustellen gewagt.

E r war ihm nahe gelegt durch den weiten Sinn des griechi­

schen und besonders Sokratischen Wortes aQSVr) (Tugend), das (als A bstraktum zu aya'd'ög, gut) jede A r t T ü c h tig k e it oder Rechtbeschaffenheit (Güte) besagen kann. Und so wagte er die Tugenden der Gemeinschaft nach gleichem P rin zip w ie die des Individuum s, daher diesen genau parallel, abzuleiten. Noch weiteres fiel ihm dabei wie von selbst in den Schoß; vor allem der Nachweis der G rundfunktionen des sozialen Lebens, die ja den G rundfunktionen des Individuallebens, w e il den Grundstufen der A k tiv itä t überhaupt entsprechen müssen. Im einzelnen zwar is t hier recht v ie l am Platonischen E n tw u rf zn ^ ric h tig e n . Die Funktionen sind an sich nicht einwandfrei anfgestellt; auch sind sie zu sehr auseinandergerissen und,

ganz gegen die ursprüngliche Absicht, w eit mehr gegensätzlich als einhellig und zu einander komplementär gedacht1). Aber in der Verbesserung dieser Fehler bewährt sich nur desto über­

zeugender der methodische Kerngedanke.

Und so dürfen w ir auf demselben schlichten und sicheren Wege zu den wahren Grundfaktoren des sozialen Lebens zu gelangen hoffen. Ja, das gleiche P rin zip w ird uns über Plato noch einige wesentliche Schritte hinaus führen. Eines nament­

lich, woran Plato in seiner Z e it kaum denken konnte, was dagegen dem heutigen Forscher sich besonders nahe legen m uß. die E n t w i c k l u n g des sozialen Lebens muß sich wohl einem letzten Gesetze fügen, das auf der gleichen allgemeinen Grundlage deduktiv zu gewinnen ist. Unserem Z eitalter is t der Gedanke der E n tw icklu n g so in Fleisch und B lu t über­

gegangen, daß man an eine fundamentale Untersuchung über irgend ein Problem der Sozialwissenschaft die Frage immer zuerst richten w ird, wie w e it i h r e Erkenntnis dadurch ge­

fördert sei. Die Förderung aber, die hier vor allem not tu t.

sehen w ir in der Erkenntnis, daß eine E n tw icklu n g irgend welcher A r t sich nicht anders zu klarem B e g riff bringen und methodisch beherrschen läßt, als auf Grund der Idee. E in Gesetz der E n tw icklu n g lä ß t sich nur entwerfen aus dem Standpunkte der Idee, indem man sie, nach K ants Terminus, als „regulatives P rin z ip “ in die E rfahrung e inführt. Diesen von K a n t gewiesenen, aber nur in einzelnen Andeutungen von ihm selbst betretenen Weg gedenken w ir zu verfolgen; die Deduktionen des grundlegenden T eils enthalten die Recht­

fe rtigu n g dafür.

Nach allem, was über die p s y c h o l o g i s c h e Seite unsrer Aufgabe schon bemerkt worden ist, bedarf es nur kurzer E r ­ innerung, daß diese ganze A bleitu n g nicht als psychologisch verstanden und b eurteilt sein möchte. Es is t ein rein objek­

tiver, vor a ller Psychologie feststehender Unterschied, ob das menschliche Bestreben, als bloßer Trieb, an den Augenblick und das vor Augen Liegende gefesselt bleibt, oder ob es sich *)

*) V g l. Abh. 1 ff. u. Reins Enz. Hdb., A rt. Platos Erziehungslehre, N. 6.

m it dem Entschluß „Ic h w i l l “ über den Zwang des Augen­

blicks erhebt und, selbst wenn es der Gegenstand des augen­

blicklichen Triebes wäre, den es bejaht, doch eben wagt, u r­

teilend über den Trieb hinauszugehen und ihm das Seinsollende zum Objekt zu setzen; oder ob endlich diese F re ih e it des Ur- teilens sich, unter dem Namen der praktischen V ernunft, bis zum Standpunkte der Idee in ih re r Unbedingtheit erhebt. Es sind die wesentlichen Stufen der D u r c h d r i n g u n g d e r E r f a h r u n g m i t d e r I d e e im Bewußtsein, die dam it be­

zeichnet sind; etwas, das sich auf bloß psychologischem Wege überhaupt nicht verständlich machen ließe. Diesen Stufen also müssen die Grundtugenden und so alles weitere, wovon eben die Rede war, entsprechen.

W i ll man dies V erhältnis aber psychologisch ausdrücken, so muß man sich dessen vor allem bewußt bleiben, daß die Scheidung jener drei Faktoren auf bloßer A bstraktion beruht;

daß in der konkreten V orstellung des seelischen Lebens die Voraussetzung ursprünglich getrennter T ätigkeiten oder F u n k­

tionen gar nicht sta tth a ft ist. Schon Platos tiefgründige U nter­

suchungen über das V erhältnis der vielen Tugenden zu der einen, in sich unteilbaren Tugend führen über die psycho­

logische V orstellung von drei gleich selbständigen Personen gegen einander agierenden „Seelenteilen“ w eit hinaus, zu der einer untrennbaren E in h e it bloß b e g rifflich auseinanderzu­

haltender Seiten oder Richtungen der menschlichen A k tiv itä t, deren normales, zuletzt nach dem Grundgesetz der Idee, dem Gesetz der Gesetzlichkeit selbst zu bestimmendes V erhältnis die seelische T ü chtig ke it oder Tugend ausmacht. Heute vollends is t es wohl nachgerade allgemein anerkannt, daß es in der Psychologie auf die E in sicht in die ursprüngliche Verbindung oder vielm ehr unteilbare E in h e it (In d iv id u itä t) der nur ab- s tra k tiv zu unterscheidenden Faktoren des Psychischen an­

kom m t; daß im seelischen Leben die Kom plexion ursprüng­

lich, die Zerlegung in Einzelakte zum Verständnis der Kom- plexion zwar unerläßlich ist, aber ein höheres Recht als das einer vorläufigen A bstraktion niemals beanspruchen darf. Die Grundlage dieser notwendigen Abstraktionen bieten die

mannig-fachen Objektivierungen des seelischen Inhalts. Denn alle O bjektivierung beruht auf A bstraktionen; handelt es sich hingegen darum, den seelischen In h a lt in seiner subjektiven U n m itte lba rke it — und das eben heißt psychologisch — zu erfassen, so muß die Scheidung in Gedanken wieder aufgehoben, die Verbindung a llse itig wiederhergestellt werden.

Hiernach hat man auch nicht mehr zu besorgen, daß, wenn von einem W ille n und einer V e rn u n ft der Gemeinschaft die Rede ist, diese zu einem mystischen Wesen außer den In d iv i­

duen gemacht werde. Es is t allein die Frage: was ergibt sich daraus, wenn Trieb, W ille und V e rn u n ft der Einzelnen in der Gemeinschaft in Berührung treten und ihre W irk u n g gleich­

sam summieren. Daraus fo lg t eine gewisse Norm, gemäß welcher sich diese drei Faktoren in der Gemeinschaft, ebenso wie im Einzelnen, ins Gleichgewicht setzen müssen, wenn nicht die Gemeinschaft zerfallen, sondern das einheitliche Zusammen­

w irken der Einzelnen sich erhalten und fördern soll.

übrigens is t auch schon bei Plato die A bleitu n g im letzten Grunde nicht psychologisch, sondern objektiv. Seinen psycho­

logischen E inteilungen liegen ethische Unterscheidungen be­

reits stillschweigend zu Grunde. Der fundamentale Gegensatz des Sinnlichen und V ernünftigen entstammt dem Kerngedanken der Ideenlehre; er hat seine klare, objektive Begründung in dem in h altliche n V erhältnis zwischen E rfah ru n g und Idee.

Zwischen diesen beiden äußersten Enden schien ihm dann noch eine V e rm ittlu n g nötig. Diese is t m it dem Platonischen tivfiug allerdings nur psychologisch, aber eben auch nicht zutreffend bezeichnet. Uns dagegen ergab sich als M itte lstu fe der W ille (im engeren Sinn), als Ausdruck des Bewußtseins der prak­

tischen Regel, der Maxime. Durch diesen rein objektiven B e g riff e rklä rt sich die Tugend der T apferkeit als entschlossene Unterordnung der Einzelhandlung unter die einmal gewählte Maxim e (daß man w ill, was man w ill), desgleichen die ent­

sprechende F unktion im Sozialleben, näm lich die regierende im weitesten Verstand, ungleich besser als durch den P lato­

nischen der an sich ganz dem Gebiete des Triebs ange­

hört, wenn auch gleichsam die dem W ille n zugekehrte aktive

Seite des Triebs darstellt. Plato selbst hat anderwärts die Tapferkeit, wie die Tugend überhaupt, von allem Triebartigen fast allzu schroff geschieden. Die U nzulänglichkeit seines Psychologischen> Schemas verrät ferner seine vierte Tugend, die der Gerechtigkeit. Sie ste llt bei ihm eigentlich nur die Vereinigung der drei andern dar; dann hätte sie aber nicht diesen koordiniert werden dürfen. In der T at kom m t dieser Tugend eine eigenartige Stellung zu. Sie is t aus der Reihe der individuellen Tugenden nicht zu streichen, aber sie bezeichnet nur die der Gemeinschaft zugewandte Seite der individuellen Tugend, den Sozialcharakter des Sittlichen, sofern er eine Grundlage in der In d iv id u a litä t doch haben muß. Sie lie g t somit gleichsam auf dem Punkte des Übergangs von der in d i­

vidualen zur eigentlich sozialen Tugend, der Tugend der Ge­

meinschaft als solcher. Diese hat P lato sonst bei dem Namen G erechtigkeit hauptsächlich im Sinn, und es is t vielleicht dieser Doppelsinn der G erechtigkeit als Tugend des In d iv i­

duums sowohl als der Gemeinschaft gewesen, der ih n auf den Parallelism us der individualen und sozialen Tugend überhaupt führte. So b le ibt auch hier die allgemeine R ichtung seines Gedankens anzuerkennen, nur die Ausführung der Verbesse­

rung bedürftig.

Nachdem so unsere E in te ilu n g der Tugenden vorläufig gerechtfertigt ist, dürfen w ir zur Spezialbehandlung zunächst der individuellen Tugenden übergehen.

§ 12.

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