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Die Volksbüchereien in Oberschlesien

W dokumencie Oberschlesien, 1909, Jg. 8, H. 9 (Stron 31-36)

Don

(Gerichtsaffeffor (E r i d? VO a r f cfj a it e r.

<iÄxh)WVber ben ZPert eines guten Budjes für bie Bilbung bes <£in$eV neu, guter Dolfsbücfjereien für bie Dolfsbilbung befteht beute fein Zweifel mehr. Den eifrigen Beftrebungen ber Dolfs*

bilbungsuereine unb ähnlicher gemeinnütziger üeranftaltungen ift es 31t banfcn, baß bie (frage ber Befchaffung geeigneten icfeftoffes für bie roirtfdhaftlich fchwäcberen unb wenig fauffräftigen Kreife auf eine höhere Stufe gehoben, in einen größeren gufammenhang eingereiht worben ift. (Es hanbelt ficfj nicft mehr allein um bie Derforgung bes Dolfes mit Eefeftoff, um eine Befriebigung bes llnterbaltungs» unb ZPiffensbebürf=

niffes ber Klaffen, foitberit um bie planmäßige fjebung bes Hiueaus, um bie Befämpfung fdräblicher (Gewohnheiten, um bie JPecfung bes Ejungers nadj geiftiger ZTahrung, fur3 um eine Kulturfrage allererften Banges.

Die Dolfsbüchereien finb heute eines ber mannigfachen ITtittel im Kampfe gegen ben Stumpffinn, gegen bas Überwuchern materieller, finnlicher 2tnfd>auungsweife unb beanfpruchen bas 3"iereffe unb bie lebhafte ^ör»

berung aller berer, benen es ernftlich 31t tun ift um bie (Gefunbimg unb (Gefunberhaltung unferes Dolfes.

lEricfj IDatfdjauer,

Jn (Dberfcßlefien haben Botksbilbungsanftatten unb por allem Büd?ereicn nod? eine befonbere Beben hing. Die Bevölkerung fteßt — man bann bariiber nicht im ßjwcifel fein — burcßfcßnittlich nicßt auf einer folgen Kulturftufe, mie etwa bie Bewohner ber weftlirben provingen.

Sie muff hart beimpfen, um bent kärglichen Boben beit bärglichen Unterhalt abjugewinnen ober bie aufreibenbe, auch gefahrvolle 2lrbeit in Bütten unb (Drüben gu bewältigen. Keine lachcnben grünen fluten, beine anmutigen Berge, beine ft eigen Ströme mit burgengebrönten Ufern grüßen bert O'bcr»

fcßlefter in arbeitsfreien Stunben. Keine alte (Defcßicfite mit all ihren fcf?önen Uberbleibfeln, Sagen, Bolksfeßcn wirbt auf fein (Demut. Dag 11 bommt — befonbers in bent bicht bevölberten Jnbuftriebegirk — baß bie (anggeftreeften, eintönigen päuferreihen, meift rohe §iegelbantcn ohne jebe Jnbivibualität, ohne jeben an beten §wccf als beit ber Zweckmäßigkeit, nicht geeignet finb, ihm bie Siebe 31t feinem ffeime cingupflangen.

ffier v.erricßtet bas Buch, bas bem einfachen 11 Tanne unentgeltlich bargeboten wirb, eine nod? größere Kulturaufgabe als anberswo. (Es bietet ihm bie geiftige (Erholung, bereit er mehr als anbete bebarf, es be»

wahrt ihn vor ber IVirtshausgefahr, bie ja hier gang befonbers groß ift, es gibt feinem (Demüte Bahrnng unb erfüllt ißn, vielleicht ohne baß er felbft es merit, mit einem getuiffen Borrat von Jbealen, ohne bie ber lllenfd? 311m Cier herabfinfen müßte. Wie unb mit welchem (Erfolge biefe ftßwere, aber banlbare 2Irbeit verrichtet wirb, erfießt man mit Genugtuung aus bent leßten Jahresberichte bes Betbanbes oberfdolefifdąer Bolksbüdjereien, ber eine äußeretbentlieh forgfältig unb überficßtlid? pcrcgcftellte Statiftit barbietet. 21us bem übergroßen material können hier nur bie wichtigften unb lehrreichften Daten unb faßten tuiebergegebett werben.

(Es waren am V 21pril 3909 in CDberfcßlefien 14t Stanbbiichereien unb 15 Kreiswanberbüchereien mit 735 21usgabeftellen, gufammen alfo 876 Sefegelegenheiten vorßanben. Jm Jahre 1905 betrug bie §aßl ber Sefegelegenßeiten faft genau bie pälftc, nämlid? 435. Die Bibliotheken verfügten über gufammen 218 91 \ Bücher gegen 135 346 Büch er im Jahre 1905. Die Bevölkerung in ben mit Büchern verfcheiten (Drtf(haften umfaßt 1 762 204 (Einwohner gegen 1 219 249 im Jahre 1905. (Es kommt bähet jeßt auf 8 (Einwoßner ein Bud?.

ZTod? erfreulicher tritt bie Bermehrung bes Sefeftoffes hervor, wenn man bie faßten aus ben Jaßren 1902/1903 mit ben heutigen vergleicht.

Die Zahl ber Stanbbücßereien betrug in biefem Jaßre 68, bie ber ZBanbcr»

bticbereien 8. 21n Bücßern waren in ben Jaßren 1902/1903 vor»

ß an ben insgefamt 63 866, beftimmt für eine Bevölkerung von runö 700 000 Köpfen.

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T>te VolEsbiidiereien in ©berfdßefieu.

21n biefen §a^len fällt insbefonbere ins Huge bie außcrorbentlicb ftarfe Permebrung bet Wanberbiichereien non 8 auf 735. 3n i’er Hat finb biefe Wanberbiichereien redp geeignet, gerabe bie vorjugsweife lanbuurtfcbaftlidie Bevölferung ber Heineren unb fleinften Sanborte fcbnell unb ausreicbenb mit £efeftoff gu verforgen. ~śhr weiterer 2lusbau roirb besbalb eifrig betrieben, unb es finb für bas Herfjnungsjabr 1909 bereits 76 neue Stationen in Husficbt genommen.

Heben biefen Staub» unb Wanberbüdiereien haben fich jtoei Hin»

richtungen bewährt, bie im ff erb ft 1907 angeregt worben finb: bie £efe»

vereine unb bie Büdierausftellungen.

Die iefevereine roenben ficb an höbet gebilbete £efer, bie aus irgenb welchen cSrünbcn ben Polfsbiicbereien fern geblieben finb. Sie vergaffen ihren Witgliebern im 21nfcbluffe an bie Polfsbiicbereien gegen einen ange»

meffeuen Beitrag Büdjer auf ben verfdjiebenften Wegen, unter anberem bureb Perbinbung mit auswärtigen Büdt ervereinen unb großen £eilp biidjereieu. Hs waren bis 311m 2lpril 1909 an 166 Orten iefevereine gegriinbet worben mit einem ITiitglieberbeftanbe von 3230 perfonen unb einer Beitragsleiftung von insgefamt 9700,97 Warf. Die 2ln3abl ber eignen Bücher betrug 2266 Bänbe.

Die Büdierausftellungen follen ben Kampf gegen bie fdKedjten unb fd?äblicben Bücher aufnebmen, unb mit (Genugtuung bebt ber Bericht bie Hatfadje fervor, baß er in ©betfefylefien fdjon begonnen würbe, ehe ber

„Kampf gegen bie S^unbliteratur" 311m Woberoorte geworben war. Sie follen nicht nur vom Kaufe fdilecbter Biidjer abhalten, fonbern auch ben 2lnfauf guter Bücher beförbern unb gebanfenlofe Käufer anregen, bie bis»

her um Weihnachten in bas uädifte Warenhaus gelaufen waren, ofyne baran 3U benfen, baß auch ein gutes Buch ein vornehmes, uüßlidjes unb babci wohlfeiles (Gefcbenf ift. Büdjerausftellungen würben im Berichtsjahre an 91, Orten veranftaltet unb 1305 Bücher im Werte von 1069,75 Warf verfauft.

Daß bie große Permehrung ber vorhanbenen Bücher auf fruchtbaren Boben gefallen unb einem wirtlichen Bebürfniffe ber Bevölferung ent»

gegengefommen ift, 3eigcn bie febr lehrreichen fahlen über bie Beitußung ber Büdjereien.

Die 2tn3ahl ber £efer betrug im 3ahre 1902/1903 20000, im jjahre 1908/1909 103 999, wähtenb bie Bevölferung in ben in ^rage fommenben

©rtfchaften von 700 000 auf 1 762 204 flieg. Die Zunahme ber £efer erfolgte baher im Perhältniffe von etwa 1 : 5, währenb bie Bevölferung fi<h im Perhältniffe von nur etwa 1 : 21/, vermehrte.. Dem Berufe nach gehören bie £efer überwiegenb bem flehten £anbwirt» unb 2frbeiterftanbe

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(E r t iß W a r f ft? a u e r ,

an, von beneu int gaßre 1902/1905 u 000, im gaßre 1908/1909 65 888 bic Stickereien benußten. Kein Unfall ift es, baß bie ungefäßr gleichen gaßlen für bie fprac^Iicfjc (Slieberuug bei Cefer jtitreffen: von ben 20000 £cfern bes gaßres 1902/1903 maren 15 000, von ben £efern bes Paktes 1908/1909 67 031 potnifcßer ober tnäßrifcßer gauge. <Es liegt bies, mie ber Bericßt ßervorßebt, bar an, baß in ben gemifcßtfpracßigen Begirfcn ©berfcblefiens bie Kleinbauern unb Krbeiter gutjlcicf? ben Kern ber po in if di fprecßenben Bevölferung hüben. (Einen Begriff von ber großen quantitativen gnan«

fprucßttaßme ber Bolfsbiicßereieu geiviunt man, menu man bie Berichts»

faxten über bic ITlenge ber Kusteißungen, ben Umfaß, lieft. Sie betrug im gaßre 1902/1903 qei 000 unb fteigerte ficb gictnlicß regelmäßig jebes gaßr um ettva 200000 bis auf 1 551 291 im gaßre 1908/1909. Kuf 1000 (Ein«

mobner entfielen im gaßre 1902/1903 659, im feßten 'Sabre 880 (Entlei«

ßungen. (Ein gleidier allmäßticßer, aber ftetiger ^ortfdiritt geigt ficß beim Bergteicße gmifcßen ber gab! ber Beivobner unb ber gabt ber vorbanbenen Bücßet fomie ber ftänbigen £efer. 2Iuf 1000 (Einmoßner tommen jeßt 124} Bücßer gegen 91 int gaßre 1902/1903 unb 59 ftänbige £efer gegen etma 30 im gleichen gaßre.

Seßr teßrreicß nicht nur vom Stanbpunfte bes Bücher« unb Botts«

freunbes, fonbertt auch von bem bes Pfycßologen finb bie Beobacßtungen, bie über 2trt unb gnßatt ber vertießenen Biicßer angeftellt morben finb.

pier taffen ficb in ber (Tat intereffaute Bticfc in bie Seele bes Bottes tun, unb eine gut burcbgefübrte Statiftif tarnt bereinft eine mertvotte (Snmbtage hüben für eine (Befcßicßte bes (Sefcßmadcs in ben oberfcßlcfifcßen Begirfen.

Borerft tnirb man gut tun, bas pauptaugenmert nocß nicßt fo febr auf bie

^rage gu ricßten, m as getefen mirb, fonbertt vietmeßr barauf, baß über»

baupt getefen mirb. Bie üatfacße, baß bie gnbuftrie» unb tänblicßc Bevöl»

terung überßaupt meßr unb meßr baran geroößnt morben ift, bei geiftiger Baßrung (Erßotung unb guftucßt gu fließen, ift an fiep genug bes (Erfolges, unb man mirb von bem vielfacß in ben Knfangsftabicn geiftiger Bebürfniffo ft eden ben Bauer ober Arbeiter nicßt verlangen bürfen, baß er atsbalb auf bie literarifcß mertvotten (Ergeugniffe losftürgt ober gar roiffenfeßafttieße

£ettüre bevorgugt. Klan bramßt ficß ßierüber um fo roeniger (Bebauten gu madjen, als bie Leitung ber Bolfsbiicßereien ßinreießenbe (Bcrnaßr bafiir bietet, baß bem Botte vieüeicßt neben literarifcß Bebeutenbem aueß naive unb geiftig attfprucßslofe, niemals aber fcßlecßte unb tmgefuube Ko ft bar«

gereießt mirb.

(Einen bemerfensmerten Berfucß gu einer Darftellung bes Stufen«

ganges, in bem fieß ber oberfeßtefifeße liefet beroegt, ßat ber Bcrbanbs»

bibtiotßefar in einem ber früßeren gaßresberießte unternommen. Bier»

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Die DolFsbiidjereien in (Dberfdjleften. 445 na* beginnt ber polnifcbc £efer unter allen llmftänben mit Btärcben unb 3ugenbf<hriften, bie ber beutfdje £efer tu bei Hegel mit ber Schullektüre abgemacht hat. Beoorzugt werben (Srimms Klärchen unb (Lhriftoph non Scbmibs ^ugenberjählungen. Die groeite Stufe wirb gebilbet von Hcife«

crgählungen, See« unb 3ubianergefcbichten foroie gefdnchtlicben (Erzäljlun«

gen, etwa: Karl Illay unb Canera. Der beutfche £efer fängt gewöhnlich mit biefer 2Irt £e$tiire an. IDeibliche £efer bleiben länger auf ber erften Stufe flehen unb überfpringen bie eben gekennzeichnete zweite Stufe. Die britte unb für ben polnifchfprecbenben £efer meift letzte (Sruppe finb ©eit«

fchriften, pumoresten, leichte Homane unb Hcwellen, zu beneu bann ge«

wohnlich bie beutfdje Leitung biuzutommt. Der beutfcbe £efer, falls er nicht gleichfalls auf biefer Stelle flehen bleibt, gelangt fdiließlich zur £ettüre befferer Bomane, Hooelten unb im engeren Sinne belebrenber Schriften.

Diefeti IDeg wirb ber einfache £efer, natürlich mit mannigfachen, aus ber Derfchiebenbeit ber 3ubroibualität fi* ergebenben Dariationcn, wohl heute noch burchmadieu. (Eine wirkliche Statiftik ber meiftgelefenen Bürf/er für bas letzte Berichtsjahr buben nur bie IDanbcrbücbereien aufge«

nommen. 21n crfter Stelle fteht ID. perchenbach mit üerfcfjiebenen 3ugenb«

fchriften, ber 2)8 mal genannt ift, es folgen (Ehnftopb von Scbmib, lllar Ejübner, bie ©eitfd/rift „Der Solbatenbort", (Srimms Klärchen, p. Knotet mit feinen heimattunblicben Sagen unb (Erzählungen, 2D. Bauberger mit 3ugenbf<hriften, Bechfteins Illärchen, (Eprers fchlefifd^e Sagen unb enblidi (Dskar fföcfer.

Die Stanbbüchereien haben nur in große (Sruppen eingeteilte über«

fidlen über bie beliebteren Werfe gegeben. 21m meiften begehrt würben ünterhaltungsf<hriften mit 680 350 von t 028 726 (Entleihungen. (Es folgen Sammelwerke (©eitfchriften) mit 79 4^, gefchi*tliche IDerke mit 78 614 unb erbkunblicbe Bücher mit 60 177 (Entleihungen. Illau wirb, wie ber Bericht zutreffenb betont, biefe 2tufftellungen nur mit einer gemiffen Dorfidit oerwenben bürfen, ba bie größere ober geringere Benutzung eines Budies noch kein fixeres Kennzeichen feiner Beliebtheit ift; es fpielen hiev offenbar noch anbere Faktoren mit, wie Umfang unb ^ufammenfeßung einer Bücbergruppe, Dorliebe bes Bücherwarts für einzelne Büdier unb feine Belefenbeit fowie anbere ©ufälligteiten.

Ulan kann biefen (Sebanken balpn weiterfübren, baß alle Statiftik geiftiger Bewegungen unb Vorgänge, wie fie bas £eben einer Dolksbüdierei mit fidi bringt, in gewiffem Sinne unrollftänbig bleiben muß. (Es liegt im IDefen ber §ahl unb ber ^ablenlunbe ber Statiftik, baß fie nur Umriffe in groben §jügen barftellen kann, baß aber bas (Einzelne, bas perfönliche, bas äußerlich Unfaßbare in ber trockenen Bäufung von Ulaffenbeobacbtungen

5- Seemann,

feine Stätte finbet. So wahr es ift, büß niemanb guoerläffig feftftellen faun, ob unb in weldjem Umfange bie entliehenen 53 ii diet and; wirflicb gelefen, inwieweit fie »erftanben unb »erbaut morben finb, ebenfotuenig fiitb bie (Semüter 311 gählen, bie unenblidje Unregung unb Bereicherung oon ißnen empfangen hoben, ebenfotuenig ift bie geiftige ^reube unb bie fittlidje Kraft mit §ahl unb Wage abgumeffen, bie bett Sefem 31t teil geworben ift. Henn wenn je auf geiftigem (Sebiete nicht bie rohe §ahl triumphiert, fonbern bie (Qualität, bie 3utenfität bes (Elnbrudes überwiegt, fo trifft bies in hödjftem Waße auf bie geiftige Haß rung 311, unb ein einiges Buch, non bem rechten Wenfd?en gut redeten Stunbe mit ber rechten 3lls Brunft genoffen, tanu mehr Segen unb inneres (Sliid heruorgebradtt hoben als taufenb anbere Bücher, bie ohne Weihe unb olyne Derftänbnis „ucr=- fchhingen“ werben. (Eine Statiftif non ber letzteren Urt gibt es nicht unb fann es nie geben.

Unb fo fönnen wir uns mit unferen plätten unb Hoffnungen audi nur an bie reale, greifbare Urb eit unb bie äußeren (Erfolge bes Derbanbes oberfdjlefifdier Dolfsbiichereien holten unb feine Beftrebungen mit ben heften Wünfchen begleiten.

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