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Geisteskultur und Volksbildung. Monatshefte der Comenius-Gesellschaft 1923, 32. Band, Heft 4-6

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(1)

und Volksbildung

Monatshefte d er Comenius-Gesellschaft

H e r a u s g e b e r u n d S c h r i f t l e i t e r : Dr. Artur Buchenau u. Dr. Georg Heinz

|M|| | III ^ 0 t *

I L | H 1 ' 6esel,schaft

U 1 e insere ^ " ' t L d e « wenn es für 1»

An J t die 0 ^ °

32. Jahrgang 1923 4 .-6 . Heft

Verlag von ALFRED UNGER in Berlin C2

(2)

COM EN I U S - G E S E L L S C H A F T

fBr GeUleskaltar and Volksbildung. Begründet von Oeb. Archivrat Dr. Ludwig KelUr

Vorsitzender: Schriftleiter: Geschäftsführer:

Stadtschulrat D r. B u e h ra tu

Charlottenburg 5, Schloßstr.46

Dr. G eorg Heine Berlin0 3 4 , Warschauer Str. 63

A lfred Ungcr,Verlagsbuchhändler Berlin C2, Spandauer Str. 22

J^ ie Mitgliedschaft wird innerhalb Deutschlands, der Freien Stadt Danzig und des Memelgebiets durch Einzahlung des Mindestbeitrages, je nach Können von 3 - 5 Goldmark erworben. Die Beitragszahlung kann erfolgen:

1. auf das Konto der Comenius-Gesellschaft bei dem Postscheckamt Berlin Nr. 212 95, 2. direkt an die Geschäftsstelle der Com.-Ges. in Berlin C2, Spandauer Str. 22.

3. bei jeder Buchhandlung in Form des Zeitschrift-Abonnements.

Für das Ausland ist der Mitgliedsbeitrag wie folgt festgesetzt:

Belgien u. Luxemburg . 18 Fr.

D flnem ark... 6 Kr.

E ngland... 6 Sh.

Frankreich ...15 Fr.

H o lla n d ... 3 Fl.

I ta lie n ... 18 Lire J a p a n ... 2,40 Yen N o rw e g e n ...7,20 Kr.

S ch w ed en ... 6 Kr.

S ch w eiz... a Pr.

S p a n ie n ... 6 Pea.

Verein. Staaten u. Mexiko 3 Doll.

Die Mitglieder erhalten die Zeitschrift k osten los. Sie erscheint jährlich etwa in 4—6 Heften im Umfange von je 3 Bogen. Die Hefte sind auch einzeln käuflich.

Bei Zahlungen von Behörden oder Vereinen ist zur Vermeidung von Miß­

verständnissen und kostspieligen Rückfragen die Angabe des Empfängers des Exemplars, für das der Beitrag gelten soll, dringend erforderlich.

Die Zeitschrift wird in Deutschland durch die Post überwiesen. Außerhalb Deutschlands unter Kreuzband. G enaue Anschriftsangaben unbedingt nötig!

I N H A L T :

Seile

B rau n , Für stille S t u n d e n ... 51 D ie ste l, Der Tempelherren Qlück und Ende . . . . 54 F e ld k e lle r , Die Rekonstruktion des Bibelglaubens 65 B ü h le r, Ursprung und Entwicklung der Freimaurerei 74 S tre iflic h te r... ... 80 R u n d s c h a u ... 87 B Q c h e rs c h a u ... 90

Religionswissenschaft — Geschichte — Literatur und Sprich Wissenschaft — Naturwissenschaft — Schöne Literatur — Jugendbücher

S p r e c h s a a l... 103 Gesellschaftsnachrichten...108

Verlag von ALFRED U NOE R, BERLIN C2, S p a n d a n e r S t r a ß e 22

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Geisteskultur und Volksbildung

M o n a t s h e f t e d e r C o m e n i u s - G e s e l l s c h a f t

Schriftleitung:

Schulrat Dr. A. Buchenau Berlin-Charlottenburg

Schloßstraße 46 Dr. G eorg Heinz

Berlin 0 3 4

W arschauer StraOe 63

V erlag von

A lfr e d U n g e r , B e r lin C 2

Spandauer StraOe 22 jährlich 6 H efte

Preis für den Jahrgang Gm. 5.—

freibleibend Bezugspreise fü r das Ausland

auf d er 2. Umschlagseite

3 2 .Jahrgang 1923 4.— 6. Heft

A u f r u f !

Unsere M itglieder w erd en es wohl bem erkt haben, daß w ir in den letzten zwei Jah ren die B eiträge nur durch Aufrufe in dem Blatte und durch Beilage von P ostscheck Vordrucken eingenom m en haben.1) W ir b auten au f die Einsicht und Anhänglichkeit u n serer F reunde und haben uns bei vielen darin nicht getäuscht.

Auf unsere w iederholten Bitten em pfingen w ir etw a von dem einen Drittel u n serer M itglieder freiwillige Erhöhungen ihres Beitrages, von m anchen, besonders von Ausländern, nam hafte Spenden. Hierdurch und durch das Entgegenkom m en unseres Verlegers, d er seit Ü bernahm e u n ­ seres Blattes und der Geschäftsstelle au f jegliche V erw altungsgebühren verzichtete und durch Anlage u n serer geringen M ittel ih rer E ntw ertung steuerte, gelang es au s dem ständigen Defizit d er letzten Jah re zu einem Bestände von etw a 30 M illiarden Mark, W ährung vom 20. Okt., zu g e ­ langen, der allerdings kaum 2ur Deckung der Druck- und V ersandkosten dieses H eftes ausreicht, m it dem w ir den laufenden Jah rg an g beschließen m üssen, w enn es uns nicht gelingt, m it diesem

le tz te n Hilferuf

das Gewissen derjenigen unter unseren M itgliedern w achzurufen, die das w ertvolle Blatt, die F rucht der selbstlosen Bem ühungen und ideal gesinnter M änner, schon jahrelang o h n e G e g e n l e i s t u n g e r h a l t e n u n d s i c h a n i h m e r f r e u e n .

M öchten sie uns neben dem schuldig gebliebenen M itgliedsbeitrag ein Notopfer in angem essener Höhe und neue F reunde zuführen. U nsere ausländischen M itglieder bitten w ir aber, uns auch w eiterhin durch Spenden in ihrer heimischen Valuta zu Hilfe zu kommen. Auf sie rechnet ja heute das verarm te Deutschland besonders.

!) W ir versandten keine persönlichen Mahnungen und Postnachnahmen.

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50 Aufruf

W ir haben bisher u n ser m öglichstes getan, um rech t viele Gebiete des Lebens und Denkens in unseren A rbeitskreis einzubeziehen.

W ir wollen darin fortfahren. W ir beabsichtigen im Jah rgan ge 1924 den Titel unserer Zeitschrift in „G e i s t e s k u 11 u r “ zu ändern, da in d er „G eisteskultur“ die Volksbildung mit einbegriffen ist. W ir streben eine deutsche Geisteskultur an, die sich in einem deutschen Gemeingeist, im Sinne dies alten F rm rersp ru ch s v ergang ener Jahrzeh n te: „Alle für Einen, E iner für Alle“ ausspricht. W ir verlassen dam it nicht den W ahl­

spruch unseres geistigen Schutzheiligen Comenius, w ir wollen n u r das

„O mnia sponte fluant“ im Geiste ergänzen durch den V orspruch: Viribus unitis om nia laete fluant. —

F ü r diese Aufgabe brauchen w ir nicht nur Mittel (Gelder, Effekten, Devisen vom Auslande, Goldanleihe, junge Effekten usw. vom Inlande), sondern

T ätige Hilfe

W ir rufen unsere Leser, nicht nur unsere M itglieder, zu eifriger M itarbeit auf. W ir brauchen im neuen Jahre, sollen w ir nicht aus der alten Höhe w eiter nur zu einer Gesellschaft herabsinken, die allein auf ihrer Zeitschrift beruht, also zu einer sog. U nsichtbaren „Republik der O om enius-Schw ärm er“ eine festgeschlossene A rbeitsgem einschaft. Diese denken w ir uns für Berlin zusam m engesetzt aus

M itgliedern von gem einnützigen und ethischen Verbänden, Geistlichen aller Bekenntnisse,

B eauftragten d er S tadt und des S taates, insbesondere der M ini­

sterien des U nterrichts und der Volksw ohlfahrt

und aus den A bgeordneten der freim aurerischen Vereinigungen, die dam it die Pflege der H um anität zur T at w erden lassen.

W ir führen unseren ersten T atgedanken, der das A rbeitsfeld des neuen Jah res im Sinne ein er w arm herzigen H um anität e rw eitern soll, in einem Artikel des Sprechsaales dieses Heftes aus.

Heute aber bitten w ir w iederholt und dringend, e r f ü l l t E u r e P f l i c h t ,

g e b t u n s M i t t e l ,

g e b t u n s E u r e K r ä f t e ,

w e r b e t f ü r u n s e r e G e s e l l s c h a f t u n d i h r A r b e i t s a m t .

Da die W ertbem essung des Geldes heute eine an dere gew orden, bitten w ir über Gaben unter 10 Goldm ark nicht m it Namien quittieren zu müssen. W ir danken ab er für diese und auch die kleinste Gabe.

Der M indestbeitrag für das neue J a h r b eträ g t 5 Goldmark.

Rechtlich denkende M itglieder zahlen uns den rückständigen Betrag für die vergangenen zw ei Ja h re und für das neue Ja h r 1924 zusam m en ein.

M it deutschem Gruß

Vorstand und £chriftleitung

Dr. Buchenau. Dr. Reimann. Alfred Unger. Dr. Heinz.

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Für stille Stunden

Von R e i n h o l d B r a u n . Heimat

Heimat, o lieb trautes W ort! In dir spiegelt die deutsche W elt klar sich und leuchtend!

Du bist ein Gefäß von Kristall, das alles, w as deutsch ist, köstlich umschließt!

Der schw ingende Klang bist du von M enschen zum M enschen und baust Brücken von Licht über unendliche W eiten.

Raum ist dir nichts; denn in dir ist Seele!

Tausend Tore springen auf, und G ärten erblühen.

W olken hebst du von unserem Leben, daß blaue der Himmel der Kindheit und lache die Sonne aus seligstem Tag.

V ater und M utter hören w ir reden und sind w ieder Kind und strecken die Arm e aus und lachen und jauchzen im Glück.

Unsere Kindesunschuld schaut uns an mit fragendem Auge. Uns ist, als lallten w ir w ieder zum ersten Male die süßen Namen: V ater und M utter.

Die F riedenssonntagsglocke erklingt. Abendläuten w eht in die Träum e.

Heimat!

Aus dir w ächst em por des Geistes erhabene W elt; in dir w ird sie im m er von neuem geboren.

Bild um Bild zauberst du uns und erfüllst uns damit, daß w ir reich sind wie Könige, reicher vielleicht denn sie.

Denn Könige gibt es und Fürsten, deren Jugend durch M auern g e ­ tren n t w a r von dir, denen du niem als ganz sein konntest: M utter!

Und das ist deine große, w ahrhaftige M ütterlichkeit, daß du alle deine Kinder umschließt m it der gleichen, unendlichen Liebe.

Arm und reich, hoch und gering gilt nichts v or dir; nur der M ensch ist dir w ert.

Deine offenen Hände hältst du uns hin, und alle dürfen nehm en und- wählen.

Und die w erden sein die reichsten im Lande, die zufrieden sind und kindlichen Herzens, die dich am heißesten lieben, die dessen schon glücklich sind, daß du bist.

Ein Taglöhner kann sein ein heim licher König!

Der seltsam e Acker

Im Traum schritt ich durch ein som m erliches Land. Goldne Breiten wogten, und mein Herz w a r eine Harfe, aus der das Lied des Dankes erklang.

4 *

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52 Braun

Da kam ich an einen Acker, der die seltsam ste Buntheit w ar, die ich je geschaut hatte.

Ich schüttelte den Kopf und w ar voll Zorns gegen den E igner des Ackers, der sein Wierk so schlecht g etan hatte, und ich sprach: „W as für eine E rnte soll d as g eb en ?“

W ie ich das sagte, h örte ich eine Stim m e neben m ir: „Ja, w as für eine E rnte soll das g eb e n ?“

Es w ar ein W an d erer, d er es sprach. Seine G estalt w ar hoch und edel, und u n ter seinem w eißen H aare leuchteten zw ei Augen voll u n­

endlicher Güte.

„Das ist ein seltsam er Acker, v o r dem du steh st,“ begann e r von neuem. „Der L ebensacker eines M enschen ist’s, und auf ihm ging die S a a t seines H erzens auf. Du siehst v o r d ir alles das, w as deij M ensch fühlte, dachte und wollte, und du siehst vieles, w as nicht zur E ntfaltung kam und ein küm m erlich G ew ächse blieb, und anderes siehst du, d as geil aufschoß und seine K raft ins K raut trieb od er in ein paar B eeren n u r o d er g a r in eine böse und häßliche F rucht.

Das im m erw ährende Dahin und Dorthin dieses H erzens siehst du in seiner unseligen Buntheit.

Schau sie dir re ch t an, dort die gelben Neidblüten und do rt den roten, eitlen M ohn und die vielen Disteln, U nw ert und d o rt d en großen D ornbusch Unm ut und die w uchernden K räuter des giftigen Schierlings.

Etliche gute G ew ächse siehst du wohl auch. Aber die m eisten von ihnen sind Küm m erlinge geblieben.

Doch nun schaue dorthin und freue dich an dem goldenen Geviert des W eizens! Sieh, da w a r das Herz des M enschen eihm al ganz bei seinem Besten, und Gott w a r darin, und darum w ard das heilige W ollen solch ein gesegnetes Vollbringen.

Du siehst also: Das Herz kann, w enn es will und w enn’s ergriffen ist vom Heiligen!“ —

Ich schaute hin über den Acker und d ann in die Augen des W anderers.

Da w ußte ich, daß m ein eignes Herz au f diesem Acker aufgegangen w ar, und ein nam enloser Schm erz schüttelte mich, und ich sah nicht m ehr die Sonne dieses T ages und seine Schönheit, sondern n u r das unselige G ebreit des Ackers. T ränen brachen m ir aus den Augen.

Da fühlte ich eine Hand auf meinem Kopfe, und eine w undersam e Ruhe ström te in mich. Ich schaute auf und schaute in zw ei unendlich gütige Augen und hörte eine Stimme, tröstend und mild w ie die eines V aters; die sagte: „W eine nicht! S ondern bücke dich nieder und be­

ginne zu jäten, und ob deine Hände bluten, lasse nicht ab von dem

W erke, bis das letzte U nkraut au f dem W ege liegt! Und dann bereite

fein tüchtig des Ackers Erde, und sei in allem voll heiligen W ollens,

und säe den Sam en der tiefen K raft!

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Für stille Stunden 53

W isse, dein Acker w ird schw er sein von F ru ch t und schön wie das Licht der S onne!“

Immer noch lag die Hand des Greises auf mir, und ich fühltq w eiter die hohe K raft in mich ström en, und im m er noch lächelten die gütigen Augen. Plötzlich aber w ar er verschw unden.

Da w ußte ich, w er es gew esen w ar, und m eines H erzens H arfe klang w ieder auf.

Dann aber bückte ich mich nieder und begann mein W erk.

Lerchen jubelten über mir.

V orstehende beiden Dichtungen von Reinhold Braun-Dresden sind entnom m en aus dessen „B ronnenbuch“ . Ein Buch voll K raft und Freude*).

W ir geben hier unserem L eserkreis gleichsam als eine H erzens­

erfrischung zw ei D ichtungen u n seres M itarbeiters, die von einem tiefen E rfassen der echten L ebensw erte Zeugnis ablegen und von einem Geiste, der den Problem en der Zeit auf dem Gefühlswege n äh e r zu kom m en sucht. Der Dichter w ird dabei zum Seher. Jed e r w ird in beiden Stücken, die w ir aus einer Fülle von Schönem fast blindlings ausw ählten, w eise M ahnungen für unsere Zeit und für unser arm es Deutschland erblicken.

Liebe und A rbeit nur können es erlösen. M enschenliebe, die den Haß der P arteien überbrückt und ihnen die Hellebarde zum A rbeitsw erkzeug um ­ biegt. Arbeit, die den Lebensacker u n seres' schw ergeprüften D eutsch­

tums von dem vielen U nkraut befreit, das in Vor- und N achkriegsjahren, nicht nur im Kriege selbst, auf ihm W ürzel faßte und Sinnigkeit zur Sinnlichkeit, Friede u nter den M enschen zum Unfrieden wandelte.

W ir hoffen in den folgenden Heften unsere L eser durch w eitere B raunsche Dichtungen und durch Lebensbilder dieses Dichters zu erfreuen, der zugleich ein Dulder und K äm pfer ist. Reinhold Braun h at besonders in Sachsen seine Gemeinde. E r hält W andervorlesungen bald aus seinen Schriften, bald über Them en des Edelm enschen turnst.

Der Verlag ist gern bereit, W ünsche nach V orträgen, wom öglich zu kleinen R undreisen zusam m engestellt, an den Dichter weiterzuleiten.

(Dresden-A., W einbergsw eg 96.)

*) Erschienen im Verlag von Alfred Unger, Berlin C 2. Kart. Goldmark 2.50, geb. Goldmark 3.60. Von demselben Verfasser erschienen in demselben Verlage:

Das Morgenbuch, Ein Jahrweg Freude und Innerlichkeit. Kart. Goldmark 2,50, geb.

Goldmark 3,60. Frauenglück und Sehnsucht. Kart. Goldmark 2,—, geb. Goldmark 3,—.

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Der Tempelherren Glück und Ende

Von E. D ie s te l- B e r lin

sr Zw iespalt zw ischen König Philipp IV. von Frankreich und dem P apste Bonifatius VIII. arte te aus zu einem Kampfe auf Leben und Tod. Im Rate des Königs w urde die V er­

haftung des P apstes beschlossen, ein tolles W agestück, das erst Napoleon I. w iederholt hat. W ilhelm N ogaret und S ciarra Colonna, des P ap stes Todfeinde, w aren die Ausführenden.

Der P ap st befand sich in seiner V aterstad t Anagni, um von hier den Bannfluch über Philipp zu schleudern, wie ein st von h ier aus die H ohen­

staufenkaiser verflucht w aren. Dies sollte durch die V erhaftung verhindert w erden, denn ein Bannfluch konnte au f die französische Volksseele u n ­ heilvoll w irken. In der N acht vom 7. a u f den 8. S eptem ber 1303 brach ein gew orbener Haufe in A nagni durch ein von V erräterhan d geöff­

netes Tor ein, u nter Frankrteichs B anner m it dem Ruf: „Tod dem P apst Bonifatius, es lebe König Philipp!“ P alast und Dom w urden a n ­ gezündet, die Päpstlichen nach tap fe rer G egenw ehr überw ältigt. Uber die Leichen der Erschlagenen drängen N ogaret und Colonna in das Ge­

m ach des P apstes, der im päpstlichen Schm uckr auf dem T hron über ein goldenes Kreuz gebückt dasaß. Colonna riß ihn vom Thron, m it Mühe w urde er gehindert, den P ap st zu durchbohren, der in enges G ew ahr­

sam g ebracht w urde. Inzwischen plünderten die E ingedrungenen mit dem beutegierigen Volk die' päpstlichen Schätze. Schon nach drei Tagen kam die W endung, Cardinal Lukas Fieschi erschien m it Bewaffneten, das Volk — im mer w ankelm ütig — rief: „Tod den V e rräte rn !“ Die feigen R äuber flohen, d er P ap st w urde befreit, doch bem ächtigten sich seiner die Orsini, führten ihn nach Rom„ hielten ihn d o rt b ew acht und hinderten seinen V erkehr m it der Außenwelt. Schon nach fünfund­

dreißig T agen nach seiner G efangennahm e in Anagni erlag der greise P ap st der Aufregung. In den G rotten des Vatikan liegt er in Stein auf seinem Sarkophage, das Antlitz streng und schön und von königlicher Miene.

Philipps Sieg 1303 über Bonifatius VIII. w a r vollkommen. Genau ein­

h undert Ja h re früher h atte auch König S v erre von N orw egen dem großen Innocenz III. siegreich w iderstanden, weil sein Volk zu ihm hielt. P rie ste r­

h errsch sucht verliert gegen F ü rst und Volk ihre M acht. Der kluge König gab seine Erfolge nicht aus d er Hand. Die Neuwahl d er K ardinäle tra f einen furchtsam en, der schw ierigen L age des P apsttum s nicht gew achsenen M ann, e r nannte sich Benedict IX. E r fühlte sich w ehrlos gegen des Königs M acht und w agte den ungeheuren F revel gegen seinen V or­

gänger nicht zu ahnden. E r m ußte im Gegenteil die Bullen seines V or­

gängers aufheben, um F rankreich m it dem P apsttu m auszusöhnen. In

Rom bedrän gt von den verschiedenen P arteien zog er sich nach P erugia

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Der Tempelherren Glück und Ende 55

zurück, und erst von hier aus w agte e r den Bannfluch über die F revler von Anagni, N ogaret und S ciarra Colonna zu verhängen, d er auch den König Philipp, w enn auch unausgesprochen, m ittraf. Am 7. Juni 1304 veröffentlichte Benedict diese Bannbulle, vier W ochen d arau f w a r er tot. Über die U rsache seines Todes schw ebt unheim liches Gerede.

In P erugia w aren die K ardinäle zur schw ierigen P apstw ahl versam m elt, die französische und die italienische P artei standen sich gegenüber, ein J a h r lang dauerte der Zw iespalt. Inzwischen tobte w ütender Adelskrieg in Rom und der Campagna, die Colonna forderten ihre Güter zurück und käm pften gegen die Orsini und Gaetani, die Nepoten des toten P apstes. Schließlich bot die französische P artei dem König Philipp heimlich die W ahl des Erzbischofs von Bordeaux an, B ertrand de Got.

Der König begrüßte die W ahl seines U ntertanen m it V ergnügen und der Gewählte w urde in L y o n am 14. Novem ber 1305 zum P ap st gekrönt. Denn dorthin h atte der neue P ap st zum Schrecken der K ardinäle die Kurie entboten, e r nannte sich Clemens V. Beim K rönungszuge e r ­ eignete sich ein seltsam es Unglück; eine M auer fiel auf die V o rü ber­

reitenden, der P ap st stürzte vom P ferd, seine T iara fiel in den Staub, ihr H auptedelstein kam im Tumult abhanden. Zwölf B arone seines Gefolges w urden erschlagen, Carl von Valois verw undet, der Herzog von der B retagne starb infolge seiner dort erhaltenen Verletzung. Das Volk h atte leicht Unheil zu prophezeien. Bald schlug Clemens sein H oflager in Avignon auf, Philipp sah sich am Ziel, der Papst, zw ei Jah re nach dem Tode des Bonifatius, w a r ein W erkzeug seiner M acht gew orden. Das päpstliche Exil h atte begonnen, Rom sank indes in Öde und Armut.

Der König zauderte nicht, seine M acht zu einem neuen Kampf zu g e ­ brauchen gegen den vornehm en Orden der T em pelritter od er Tem pel­

herren.

Dieser R itterorden, wie auch sein Gegner, der Johanniterorden, v e r­

dankte seinen U rsprung der S chw ärm erei der Kreuzzüge. Jerusalem w ar erobert, der M ärchentraum der Christenheit erfüllt, das Heilige G rab in ihrem Besitz. Unaufhörlich ström ten begeisterte P ilgerscharen aus dem A bendlande nach der heiligen Stadt. Von dieser stürm ischen Sehnsucht, dieser entsagenden Kraft, können w ir uns heute kaum eine Vorstellung m achen. Da entschlossen sich neun französische Ritter, u nter F ührung des Hugo von P ayens und G ottfried von Orner, einen Bund zu schließen, um den P ilgern auf ihrem W ege von der Küste nach J e ru ­ salem Schutz und Beistand gegen R äuber und Sarazenen zu gew ähren.

König Balduin II. von Jerusalem räum te ihnen einen Teil seines am Salo­

m onischen Tem pel gelegenen P alastes ein, w ovon sie den Namen der

arm en R itter od er B rüder des Tem pels (Tem pelbrüder) erhielten. (Pau-

peres commilitones Christi templique Salom onis). In die Hände des

P atriarchen von Jerusalem Guarem und, zur E hre „der süßen M utter

G ottes“ legten sie ihren Eid ab, außer den drei üblichen Mönchsgelübden,

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56 Diestel

Armut, Keuschheit und G ehorsam noch das vierte: beständigen Kampf gegen die Ungläubigen und V erteidigung der christlichen Pilger. Sie w aren so arm , daß sie für N ahrung und Kleider auf m ildtätige U n ter­

stützung angew iesen w aren. A ber bald schenkten ihnen die C horherren und der A bt des K losters des Heiligen G rabes m eh rere Gebäude für ihr Rüstzeug, w ohl auch bestim m t zu P ilgerherbergen. Neun Ja h re erfüllten diese neuen R itter still und u n v erdrossen u n te r allgem einem Beifall ih re übernom m enen Pflichten, da reg te der König Balduin sie an, neue M it­

glieder aufzunehm en, sich an eine bestim m te O rdensregel zu binden, und sich zur B estätigung an P a p s t Honorius II. zu w enden. Des Königs Em pfehlung und die w ichtige F ü rsp rach e des großen Abtes B ernhard von Clairvaux bew ogen den P ap st, au f dem Konzil zu T royes 1128 den neuen O rden zu bestätigen. E r gab den R ittern einen w eißen M antel, dessen F arbe ihre Unschuld und Milde gegen die Christen bedeuten sollte. Eugenius III. fügte ein einfaches ro tes Kreuz hinzu, Sinnbild des blutigen M ärty rerto d es und der im m erw ährenden Feindschaft gegen die Ungläubigen. Das Siegel stellte zwei R itter auf einem P ferde dar, um an die brüderliche E intracht (nicht an die ursprüngliche Arm ut) zu e r ­ innern. Die Inschrift auf dem schw arz und weiß geteüten B anner (beaus- cant) lautete: Non nobis, Domine, non nobis sed nomini tuo da gloriam und m ahnte zur Demut.

Von dem Abte B ernhard rü h rt auch die e rste feste O rdensregel her, w enn nicht von ihm persönlich, so ist sie doch in seinem strengen und schw ärm erischen Geist abgefaßt, zur stren gsten Bändigung der m enschlichen T riebe; Tag und Nacht sollen die B rüder ihrem Gelübde leben, religiöse V orträge zu allen M ahlzeiten; nach dem A bendgottes­

dienst ist alles Sprechen verboten, Kleidung und H aartracht einfach, jeder R itter d a rf nur drei P ferde und einen Diener halten, doch h a t kein Einzelner w irkliches Eigentum ; dem M eister gebührt streng er Gehorsam , kein R itter bekom m t U rlaub; ohne E rlaubnis d a rf keiner baden, Arznei nehmen, zur A der lassen, ausgehen, W ettren n en halten, Knappen v e r­

schicken, Briefe schreiben o der em pfangen. Nur Ja g d auf Löw en ist der R itter w ürdig, jede an d ere Jag d verboten, auch die beliebte F alken­

jagd. Geschlechtlicher Umgang jeder A rt ist verboten, W eiberküsse, auch der nächsten A ngehörigen, sind zu m eiden, kurz, eine A rt von Ge­

fängnisordnung, die um so gefährlicher w irken m ußte, als eine gew isse B ew egungsfreiheit doch den R ittern unum gänglich nötig w ar. Ein Teil der gegen die Tem pelherren später gerichteten Anklagen m ag aus der geknechteten M enschlichkeit, die sich irgendw ie L uft m achen mußte, seine Begründung erh alten haben. Hiervon abgesehen w a r der Gedanke, die beiden höchsten S tände des M ittelalters, Mönch und Ritter, zu e i n e r P erso n zusam m enzufassen, ein ü beraus glücklicher; es entstehen h ier­

aus für die dam alige Zeit ideale Gestalten, die auf ihre Standesgenossen

überaus anziehende K raft ausübten, zum al auf die vielen jüngeren Adels­

(11)

Der Tempelherren Glück und Ende 57

söhne, denen kein väterliches Erbteil zufallen konnte und die sich nach einem tatenreichen Leben sehnten. H ieraus erk lä rt sich die reißend schnelle A usbreitung der R itterorden, sow ie die ihnen zugew ändte Ge­

schenkfreudigkeit der Großen, durch die sie schnell zu großem Reich­

tum kam en.

Als Hugo von P ayens m it seinen R ittern nach der V ersam m lung zu T royes die europäischen Höfe bereiste, offenbarte sich die anziehende K raft des neuen Ordens. Überall fanden sie offene Herzen und H änd e;

F ürsten, G rafen und H erren nahm en den w eißen M antel; König Heinrich I. in England bereitete ihnen den glänzendsten Em pfang, in Deutschland schenkt ihnen L othar II. einen Teil der G rafschaft Supp- ü n g b u rg ; m it 300 R ittern aus den edelsten Familien k eh rte Hugo nach P alästina zurück und schnell wuchs der O rden zu M acht und Reichtum.

Bald genügten die alten m önchischen O rdensregeln nicht m ehr, neue O rdensstatuten w urden nötig, die in provenzalischer Sprache 1247 bis 1266 abgefaßt w urden. Die Aufnahme des Suchenden geschah nun v or versam m eltem Kapitel, kein F rem d er h atte Z utritt; der Suchende m ußte adelige H erkunft feierlich versichern, durfte keines schw eren V ergehens schuldig sein, keinem an d eren O rden angehören, m ußte an Leib und Geist gesund sein, um das vierte Gelübde, die unablässige K riegführung gegen die Ungläubigen, erfüllen zu können. F ern e r m ußte e r geloben, dem eigenen Besitz au f im m er zu entsagen, alle Gebote des O rdens g e ­ w issenhaft zu halten und denselben nim m er zu verlassen. D arauf nahm der M eister ihn au f m it den W o rten : „So nehm en w ir dich auf in die G em einschaft des O rdens und m achen dich u n d d e i n e V o r f a h r e n der guten W erk e desselben teilhaftig und versprechen dir B rot und W asser und das arm e Kleid des Hauses, sow ie M ühe und Arbeit g en ug .“

Sodann hing der M eister dem Knieenden den weißen M antel um, richtete ihn a u f und küßte ihn au f den Mund. H ierauf setzte sich der neuej Tem pler zu den übrigen Tem plern, dem V orsitzenden gerade gegenüber, der ihm n u n e r s t die notw endigsten Satzungen erklärte und m it der Erm ahnung zu g etreu er Pflichterfüllung schloß. D e r S u c h e n d e h a t t e a l s o G e h o r s a m g e g e n a l l e O r d e n s g e b o t e g e l o b t , o h n e s i e z u k e n n e n ; s e i n G e l ü b d e w a r a l s o e i n s e h r g r o ß e r V e r t r a u e n s b e w e i s . Der Aufnahme ging übrigens eine P rü fu n g s­

zeit von unbestim m ter D auer voraus; der G roßm eister konnte sie je nach U m ständen verkürzen o d er ganz erlassen. Verschuldete R itter w urden zurückgew iesen, verheiratete nur m it V erm ögensopfer zugelassen, doch durften sie nicht den w eißen M antel tragen.

Dienende B rüder bürgerlichen S tandes standen den adeligen R ittern

zur Seite, sie zerfielen in geehrte W affen brüd er (freres servan s d’arm es)

und in H andw erksbrüder (freres serv an s des m etiers). Die W affen ­

b rü d er taten auch Kriegsdienste, konnten zu P rio raten aufsteigen und

h atten dann Sitz und Stimme in den O rdensversam m lungen; vier der

(12)

58 Diestel

W ähler des G roßm eisters m ußten aus ihrer M itte genom m en w erden.

Auch die H andw erksbrüder bekam en durch ihren Anschluß an eine so vornehm e G enossenschaft eine Stellung, w ie sie ihnen die dam alige Zeit sonst nicht bieten konnte. Als sogenannte Affiliierte schlossen sich weltliche P ersonen aller S tände an, um so willkom m ener, je m ehr V er­

m ögen sie dem Orden zubrachten. S eit 1172 b efreite sich der Orden von der G erichtsbarkeit des P atriarch en von Jerusalem und erhielt eigene Geistliche o d er Kaplane, w elche von adeliger H erkunft sein m ußten; sie standen u n m i t t e l b a r u n te r dem P ap st und hatren d es­

halb das Recht um fassender Lossprechung, w a ren aber trotzdem der strengsten O rdnung des O rdens unterw o rfen und ko nnten selbst mit K etten und B anden b estra ft w erden. Da sie a b e r nicht zahlreich genug w aren, alle geistliche A rbeit in den ausgedehnten Besitzungen des O rdens zu leisten, durften die R itter auch M önchen und W eltpriestern beichten.

Die O rdenspriester trugen den w eißen M antel nur, w enn sie bischöflichen oder höheren Rang h atten; bei Tafel saßen sie dem G roßm eister zu ­ nächst und w urden zu erst bedient. Der G roßm eister h atte fürstlichen Rang, verteü te Rosse und W affen an die Ritter, h atte die Aufsicht und V erw altung über das Verm ögen, ern an n te die in den O rden srat aufzu­

nehm enden R itter; n ur die höchsten O rdensbeam ten w urden vom Kapitel gew ählt. E r h atte des P apstes Vollmacht zur G esetzeshandhabung über säm tliche R itter und Geistliche des Ordens. B eschränkt w a r seine M acht durch das G eneralkapitel und an dessen S ta tt durch den K onvent von Jerusalem . Bei den w ichtigsten G eschäften w ar e r an die Zustimm ung der V ersam m lung gebunden. W a r d er Sitz des G roßm eisters frei, führte ein G roßkom thur, den die Kom thure o der Baillifs ernannten, bis zu r Neuwahl die G eschäfte. Die W ahlversam m lung bestand aus den O rdens­

oberen und den vorzüglichsten R ittern. Aber die V ersam m lung selbst w ählte nicht, sondern ernannte zw ei W ähler, diese ergänzten sich zu vier, und so fort, bis sie zw ölf w aren, die m an m it den zw ölf Aposteln verglich, ihnen w urde ein Kaplan beigesellt, als S tellvertreter Christi, diese dreizehn w ählten dann den G roßm eister. Dessen S tellv ertreter w a r der Seneschall (eigentlich Altknecht). Die V ersam m lungen in J e ru ­ salem w ie in den Provinzen w aren geheim , alles V erhandelte m ußte in n er­

halb der M auern der K apitelstube bleiben, keiner der übrigfön B rüder durfte das g erin gste erfahren. Die Versam m lungen begannen mit einem g e m e i n s c h a f t l i c h e n Gebete und ein er A nsprache des O rdens­

geistlichen, w orin e r die A nw esenden erm ahnte, Gott vor Augen zu haben und ohne Vorliebe, Haß und andere N ebengründe nach ihrem Gewissen zu reden und zu handeln. Nach dem Sündenbekenntnis und Auferlegung der Bußen schritt m an zur Beratung. Am Schlüsse forderte der V orsitzende die B rüder zum gegenseitigen V ergeben auf und betete für den Frieden, die Kirche, das K önigreich Jerusalem , den T em pler­

orden und alle and eren O rden und Ordensleute, Lebende und A bge­

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Der Tempelherren Glück und Ende 59

schiedene. Zuletzt erhob sich d er Ordensgeistliche und sprach: „Liebe Brüder, sprechet m ir die Beichte n ach“ und erteilte sodann die L o s­

sprechung. G eringere S trafe w a r der V erlust des weißen M antels, die schw erste S trafe w a r die Ausstoßung aus dem Orden: Sie w urde v e r­

h ängt für P fründenverkauf, Mord, V errat, w idernatürliche Unzucht, feige F lucht v o r dem Feinde (kein Tem pler d urfte vor drei Feinden fliehen, e rst v or m ehreren w ar die Flucht gestattet), Irrglauben, Ü b ertritt zu den Sarazenen, D iebstahl und Meineid.

Durch die Gunst der Zeit und M enschen w uchs d er Orden ins Ungeheure; 150 Jah re nach seiner E ntstehung zählte e r gegen 20 000 Ritter und besaß 9 000 Kom thureien, Balleien, Kom m enden und Tem pel­

höfe, aus denen die Einnahm en jährlich gegen 54 Millionen F rank en b e­

trugen. Als 1291 Akkon fiel, verlegte der Orden seinen Sitz nach Cypern zugleich mit dem Orden der Johanniter; Ende des 13. J a h r­

hunderts w a r seine H auptm acht in Frankreich, wie ja auch der G rund­

stock d es O rdens französisch w ar. Reichtum und M acht erw eckten im mer Neid und Haß; trotz ih rer heldenm ütigen T apferkeit gab m an den Rittern schuld an dem schlechten Ausgang der Kreuzzüge. M an konnte sich die Niederlage der tapferen und kam pfgeübten ritterlichen Scharen unter S arazenen und K urden nur durch verräterisches E inverständnis mit den Ungläubigen erklären. V erm ehrt w urde der Haß durch die Reibereien mit den Johannitern und den kirchlichen W ü rden trägern, die dem O rden seine unm ittelbare Stellung u n ter dem P ap st mißgönnten.

Alle Feinde fanden in König Philipps Habsucht und H errschsucht eine willkomm ene M acht, den Orden zu verderben. Doch konnte der König den Orden, der einen m ächtigen S taat in seinem S taate bildete, schon aus staatlicher Klugheit nicht dulden. Clemens V., der französische P ap st in Avignon, w urde durch den König geängstigt m it dem Prozeß gegen den toten P apst Bonifatius VIII. Daß ein toter P ap st durch einen lebenden N achfolger v or Gericht gestellt w urde, w ar nicht beispiellos. 896 starb der P ap st Form osus, e r h a tte den deutschen König Arnulf zum Kaiser gek lö n t und w a r den R öm ern w egen seiner deutschen S taatskunst v e r­

haßt; acht M onate nach seinem Tode zog sein Nachfolger, P ap st Stephan

VI., den toten V orgänger v o r Gericht. Die Leiche w urde ihrer Gruft

entrissen, m it den päpstlichen G ew ändern bekleidet und auf einen Thron

gesetzt. In feierlicher V ersam m lung w urde nun über den grauenvollen

Angeklagten Gericht gehalten, seine Absetzung und Verdam m ung

ausgesprochen, die Leiche entkleidet, die drei Segensfinger der rechten

Hand abgeschnitten, endlich der K örper durch die S traßen geschleift

und u n ter den Beifall der M enge in den T iber gestürzt. Die E rinnerung

an diesen schrecklichen Vorfall befleckte das Ansehen des P apsttum s

und unm öglith konnte P ap st Clemens einwilligen, m it seinem V orgänger,

Bonifatius VIII., es zu diesem Ä ußersten kom m en zu lassen. A ber auch

der König w a r auf den guten W illen des P ap stes angew iesen und brauchte

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60 Diestel

seine Einwilligung zum U ntergange der Tem pler. So einigten sich beide P arteien zu einem glimpflichen Ende des G erichtes gegen Bonifatius, d er U ntergang des T em plerordens w a r d er v ereinb arte P reis, den der P ap st zahlen m ußte. Der König w urde in dem S treit gegen Bonifatius für unschuldig e rk lä rt — seine L ossprechung von dem Bann h atte ja schon Benedict XI. ausgesprochen — ab e r zu ein er eigentlichen V er­

urteilung und V erbannung des P ap stes kam es nicht. Zur V erurteilung der T em pler genügten die A nschuldigungen, die von jeher gegen Ketzer gegolten haben; es w a r ein A uftakt für die späteren H exenprozesse:

Unsittlichkeit und Gottlosigkeit. In W a h rh eit w a r W elt- und Geldgier d er Grund der F eindschaft gegen den reichen Orden, und in diesem Kampfe g alt von jeher jedes M ittel für gut, d as zum Zw ecke diente.

Also lauteten die A nschuldigungen gegen die R itter: sie hätten Christum verleugnet, das Kruzifix beschim pft und grauen h afte Unzucht für erlaubt erklärt. D er Schlag w urde geheim v o rb ereitet und ein ungew öhnliches Glück begünstigte die P läne des Königs, daß trotz zw eim aliger Be­

sprechung m it dem P a p st und also vieler M itw isser das Geheimnis b ew ah rt blieb. Noch 1304 h a tte d er König in den eh rend sten A usdrücken dem O rden B egünstigungen erteilt, zweifellos, um die R itter zu täuschen und etw aige ihnen zugekomm ene üble Gerüchte zu widerlegen. So gingen sie arglos in die gestellte Falle, als ob sie m it Blindheit geschlagen w ären.

D er P ap st lud den G roßm eister Jacob von Molay neb st sechzig Rittern nach F rankreich, u n ter dem V orw ande, m it ihnen über einen neuen Kreuzzug zu beraten. J a c o b B e r n h a r d v o n M o l a y , der letzte G roßm eister der Tem pler, w a r inm itten des 13. Jahrh u n d erts in Burgund geboren und 1297 zum G roßm eister gew ählt. Nach seiner Ankunft in F rankreich erließ der König den Geheimbefehl, säm tliche in Frankreich anw esenden Ritter, an einem und dem selben T age zu v erh aften und ihre G üter einzuziehen. W ieder w urde das Geheimnis bew ahrt, niemand verriet: den R ittern die ihnen drohende tödliche Gefahr. Am 12. Oktober 1305 h atte noch Molay als ein er der G roßw ürd enträg er des Reiches ahnungslos dem B egräbnis d er Schw ägerin des Königs beigew ohnt und das B ahrtuch gehalten, am 13. w urde e r m it 140 R ittern verhaftet. Der nun beginnende P rozeß stellt sich d a r als einer der schändlichsten Ju stiz­

m orde, von dem die W eltgeschichte zu m elden weiß. Uber die Anklagen auf Unsittlichkeiten verliere ich kein W ort, Reichtum und M äßigkeit m ögen G elegenheit zur W ollust genug gegeben haben, ab er eine O rdens - gem einschaft, in die fort und fort christliche Jünglinge hoher Stände ein traten, eingeladen durch bereits eingew eihte V erw andte, k ann u n ­ möglich als Ganzes d er Unzucht ergeben gew esen sein, Verfehlungen einzelner m ögen, wie gesagt, o ft genug vorgekom m en sein. Vor allem g alt es, den tödlichen V orw urf d er Ketzerei zu begründen. ‘ In Geheim­

statuten sollen bei d er Aufnahm e ketzerische Dinge g efo rd ert sein, wie

Verleugnung Christi, Bespeiung des Kreuzes, auch w ären an die Suchen­

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den unsittliche F orderungen gestellt w orden. Aber von diesen a n ­ geblichen G eheim statuten h a t sich schlechterdings nichts gefunden und bei d er plötzlichen V erhaftung der R itter und dem räuberischen Ü ber­

fall der T em pelhäuser in F rankreich h ätte doch etw a s dergleichen g e ­ funden w erd en m üssen, w enn es vorhanden gew esen w äre. Die U n ter­

suchung spottete der dam aligen R echtsform en. Der König h atte sogleich seine Residenz im Tem pelhof von P aris bezogen, dem selben Hause, aus dem Ludwig XVI. den W eg zum B lutgerüst ang etreten h at. E rst Napoleon III. h a t den Tem pelhof zerstört. Dagegen steh t in London d er Tem pelhof noch heute und g eh ö rt den R echtsgelehrten. M it der U nter­

suchung w a r eine königliche Kommission betraut, u n ter Vorsitz des königlichen B eichtvaters, des Dom inikaners Wilhelm, der m it der Gier eines Bluthundes als fanatischer K etzerriecher an s W erk ging. Das ein ­ fache Rechtsm ittel w ar die Folter. M an setzte die Anschuldigungen ohne w eiteres als w a h r voraus, die Leugnenden w urden gefoltert, den Be­

kennenden F reiheit und V erm ögen versprochen, aber nicht gehalten.

Der „U ntersuchungsrichter“ W ilhelm gab in diesem Sinne seine Befehle an die Provinzen, zumal sollten die A ussagen der Geständigen über die V erleugnung Christi unverzüglich dem Könige eingesandt w erden. S echs­

unddreißig R itter starben u nter den Folterqualen, viele an d ere in scheuß­

lichen G efängnissen aus M angel an den notw endigsten Lebensm itteln.

U nter den M artern g estan d en viele R itter, “w as m an verlangte, A b­

scheuliches, W idersinniges, Unmögliches. S ogar der G roßm eister zeigte sich schwach, seine Nerven w aren den Qualen nicht gew achsen, w enig­

stens h a t e r nach d er späteren Behauptung des P ap stes gestanden, daß Verleugnung Christi und Bespeiung des Kreuzes O rdensgebrauch sei; er bat um die Aussöhnung m it der Kirche und erhielt die Lossprechung.

Jedoch blieben auch viele R itter stan dhaft und starben, ohne ein e n t­

ehrendes Bekenntnis über ihre Lippen g eb rach t zu haben.

Außer den obigen Anschuldigungen w a rf m an dem Orden die Anbetung des Götzenbildes Baffometus vor. Baffomet ist provenzalisch für Mako- m et und baffom airia heißt eine M oschee. Dieser Baffomet ist im W elt­

kriege bei den italienischen F reim aurern w ieder aufgetaucht, er soll eine Büste mit drei Köpfen gew esen sein, die Moses, Christus und M oham ­ med vorstellen. W enn dem so ist, dann h ätte der Orden in seinen höheren G raden sich eine A rt W^eltreligion zurechtgem acht, aus den drei ihm b e­

kannten H auptreligionen: Judentum , Christentum und M oham m edanism us.

Das ist an sich ja möglich, die R itter h atten auch bei den sogenannten Ungläubigen, die auf Leben und Tod zu bekäm pfen sie sich verpflichtet hatten, ritterliche, rein m enschliche Tugenden kennen gelernt; Sultan Saladin, d er Kurde, h atte 1187 Jerusalem ero b ert und den König Guido von Lusignan und viele in G efangenschaft geraten e R itter großm ütig be­

handelt. Die Erfolglosigkeit d er Kreuzzüge, die u nter dem begeisterten Rufe: „Gott will e s “ ins Leben getreten w aren, konnten den Orden auch

Der ^Tempelherren Glück und Ende 61

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62 Diestel

leicht an seinem naiven C hristenglauben irre m achen. Denn w enn w ir arm en M enschen einm al den W illen d er Gottheit bei einem W erk e zu w issen meinen, dann m u ß auch der Erfolg u nsere A rbeit krönen, o d er w ir w erden irre an G ottes W illen, w enigstens irre an unserem W issen von Gottes W illen. So konnte der O rden irre gew orden sein an Gottes W illen; w a r G ott nicht auch d er Juden und der Heiden Gott? P aulus hatte es bejaht*). So w a r mit Recht od er mit U nrecht der Orden in den G eruch d er K etzerei gekom m en, d. h. in den Ruf, sich aus den Banden engherzigen K irchenglaubens h erau sg earb eitet zu haben, zu einer nicht durch kirchliche G laubenslehren beschränkten G ottesverehrung. Diesem Ruf v erd an k t e r es, daß nach vier Jah rh u n d erten der F reim aurerorden sich an die Überlieferung des T em plerordens anschließen konnte. Aber

für das vierzehnte Jah rh u n d ert w a r dieser Ruf tödlich.

1308 verlangte eine dem Könige knechtisch u nterw o rfen e S tä n d e­

versam m lung zu T ours die V erurteilung des O rdens. Der anfangs w id er­

strebende P apst, geängstigt durch die vom Könige im m er w ieder v e r­

langte V erdam m ung seines V orgängers Bonifatius VIII., w illigte schließlich ein, den O rden zu opfern, als ihm 72 T em pler v o rg efü h rt w urden, von denen die m eisten bei den einm al abgelegten B ekenntnissen ih rer Schuld b eharrten. Nun ordn ete der P ap st für alle L änder, w o Tem pler w aren, geistliche Gerichte an, deren anfängliche Milde die Tem pler m it neuen H offnungen erfüllte. Bald liefen aus verschiedenen G efangenenhäusem W idersprüche gegen die bisherige U ntersuchung ein und 900 R itter e r ­ klärten sich zur V erteidigung des O rdens bereit. Aber u n ter diesen w a ren 54, die nun ihre früher auf der F olter gem achten G eständnisse zurückgenom m en hatten. Diese w a ren nun „rückfällige K etzer“ und w urden als solche durch den E rzbischof von Sens dem weltlichen Arm übergeben, denn die heilige Kirche rich tet niem anden hin, dazu bedient sie sich der w eltlichen Obrigkeit, die ihr zu gehorchen hat. Am 12. Mai erlitten die 54 Rückfälligen, stan d h aft ihre und ihrer B rüder Unschuld beteuernd, den l a n g s a m e n F e u e r t o d . Das nannte m an damals Gerechtigkeit, ausgeübt im Namen d er christlichen Kirche. Die ü b er­

hau p t g ar nichts gestehen wollten, w urden furchtbaren Qualen u n te r­

w orfen und n ur zum Schein, um dem allgem einen Unwillen über dieses grausam e V erfahren entgegenzukom m en, g estattete m an 74 R ittern in P aris den B eistand des G eneralprokurators des Ordens, P e te rs von Bou- logne. Den päpstlichen L egaten w urden nur solche R itter vorgeführt, die gestanden hatten, obw ohl auch diese sp äter beteuerten, daß nur F urcht vor F olter und Tod ihnen ein G eständnis abgepreßt habe. 1311 w urden in P aris die Akten geschlossen.

Die unw ürdige Stellung des Papstes Clemens V. erhellt am besten aus der Tatsache, daß drei Provinzialkonzile, zu Ravenna, zu Mainz und in

*) Rüm. 3, 29.

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Der Tempelherren Glück und Ende 63

A ragonien ein „Nichtschuldig“ über den T em plerorden aussprachen; tro tz ­ dem o p ferte e r den Orden, g ed rän g t durch den König, d e r ihn fo rt­

w ährend ängstigte mit d er V erbannung des P ap stes Bonifatius VIII., auf dem allgem einen Konzil zu Vienne 1311. Der schlim mste R echtsbruch ge­

schah: dem O rden w urd e v o r seiner V erurteilung keine G elegenheit sich zu verteidigen gegeben, obw ohl d er P ap st das ausdrücklich versprochen hatte. Noch schlim m er: neun freie R itter erboten sich im Nam en von zw eihundert freien R ittern, den O rden zu verteidigen; sie kam en nach Vienne und w urden vom P a p st wie rechtlose Hunde ungehört ins Ge*

fängnis gew orfen. A ber das Konzil selbst w urde schw ierig; 114 Bischöfe em pörten sich üb er diese G ew alttat und verlangten Abstim mung über die F rage, ob den Tem plern Gehör zur Verteidigung zu geben sei, nur vier Erzbischöfe, ein italienischer und drei französische verneinten aus K riecherei vor P a p st und König diese F rage. Im F eb ru a r 1312 kam Philipp selbst m it großem Gefolge nach Vienne, ab er auch dem vereinten D rängen von P a p st und König w iderstand das Konzil und w eigerte sich nach wie vor, die T em pler u n g e h ö r t zu verdam m en. Bei dem Konzil lag E hre und W ürde von S ta at und Kirche, beim König und P ap st lag sie nicht. In dieser V erlegenheit beschloß Clemens die V erurteilung des Ordens allein, durch seine päpstliche Vollmacht, vorzunehm en. Dafür gab der König die Einwilligung, daß Bonifatius VIII. durch das Konzil für g erechtfertigt erk lä rt und nur die gegen die Rechte F rankreichs g e ­ richteten V erordnungen vernichtet w erden sollten. Der Kuhhandel w ar gem acht, der O rden w a r der Preis. Am 22. M ärz 1312 erk lärte Clemens in einem geheim en Konsistorium, also nicht v o r dem Konzil, die Aufhebung und Vernichtung des Ordens. Dieser U nrechtstag w ird m it Recht d er V ergessenheit entrissen.

So ist der O rden untergegangen, w enn auch von W eltgier befleckt,

— w elcher Mensch, w elche Gem einschaft ist davon frei? — aber rechtlos, so rechtlos, wie D eutschland jetzt v o r seinen Feinden ist.

Der W o rtlau t der Aufhebungsbulle ist: W ir heben durch u n e r­

schütterliche und ewig gültige Verfügung den kriegerischen Orden des Tem pels von Jerusalem , seine Gestaltung, V erfassung und Namen hierm it auf, nicht d u r c h e i n e n e n d g ü l t i g e n U r t e i l s s p r u c h (non per modum definitivae sententiae), w e i l w i r d a z u n a c h d e n s t a t t ­ g e f u n d e n e n U n t e r s u c h u n g e n r e c h t l i c h n i c h t i m s t a n d e w ä r e n (cum eam super hoc secundum inquisitiones e t processus super his hos, habitos non possum us ferre de jure), s o n d e r n a u s V o r s i c h t (per viam provisionis) und aus apostolischer Gewalt; weil M eister und B rüder durch verschiedene unsagbare, schändliche Gemeinheiten und Fäulnis befleckt w orden sin d ^ .

*) Bei Mansi, T. XXV p. 389.

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64 Diestel

Durch diese gew undene Form el spricht das böse Gewissen des P ap stes deutlich mit. D er König fiel gierig über seine Beute her, das Eigentum des w ehrlos und rechtlos gem achten O rdens. Z w ar sollten die Güter nach päpstlicher V erordnung an den Johann itero rd en fallen, dieser ab e r m ußte sie so teu er kaufen, daß er, w ie ein Zeitgenosse schreibt, nicht reicher, sondern ä rm e r w ard. Überdies blieben alle b aren Schätze und das w ertvolle bew egliche V erm ögen im Besitz des Königs. König E duard II. von England folgte dem Beispiel seines S chw iegervaters Philipp und nahm zw ei D rittel des O rdensbesitzes an sich; in den übrigen L ändern stattete m an einheim ische R itterorden m it dem Verm ögen der Tem pler aus. Es w a r ja überhaupt die Schw äche' d er W eltstellung des Ordens, daß e r über das ganze Abendland sich erstreck te und nicht wie der deutsche O rden einen einheitlichen m ächtigen Besitz gew onnen h atte. In D eutsch­

land erschien d er W(ild- und R heingraf Hugo, K om thur des Ordens, g e ­ w appnet mit zw anzig R ittern vor dem E rzbischof von Mainz. Dessen Urteil erk an n te e r nicht an, b erief sich auf P a p s t unid KlorMl und — w urde vom P a p st freigesprochen!

Nun n a h t sich der letzte, ersch ü ttern d e und erhebende Akt des großen T rauerspiels. Jacob B ernhard von M olay, seit dem 13. Ok­

tober 1306 in stren g er Haft, w urde — als geständig — am 11. M ärz 1314 zu P aris von einer Versam m lung von P rälaten und päpstlichen L egaten zu l e b e n s l ä n g l i c h e m G e f ä n g n i s verurteilt! E r w a r etw a 63 Ja h re alt. Nun sollte e r vor großer V ersam m lung die Schuld des O rdens bekennen, um die durch den heldenm ütigen Tod so vieler R itter beunruhigten G em üter zu beruhigen. Das w ä re eine glänzende R echtfertigung des Königs und des P ap stes gew orden. A ber d e r durch die lange H aft greisenhaft g e ­ w ordene M eister h atte sich und seine H eldenkraft w iedergefunden. Er erk lä rte — o ewig denkw ürdige E rklärung:

„W ohl bin ich eines großen V erbrechens schuldig, ab er nicht dessen Ihr m ich anklagt, sondern d er schändlichen Schw äche, m it der ich, freilich u n te r den M artern der Folter, w ider m ich und den O rden gezeugt habe. D urch solche Unehre will ich mein L eben nicht erkaufen. So beteure ich denn v o r Himmtel und E rd e des O rdens Unschuld und gehe nun freudig dem Tode entgegen, der mich, ich weiß es nach dem Beispiel anderer, w elche W id erru f w agten, e rw a rte t.“

D ieser E rklärung schloß sich der M eister von d er N orm andie an.

Die in peinliche V erlegenheit gesetzten P rälate n wollten am folgenden T age w eiter beraten, d er König ließ jedoch die beiden G efangenen am Abend desselben Tages, am 11. M ärz 1314, auf der Seineinsel im lang ­ sam en F euertode verbrennen. Die M ärty rer b eh a rrten mit heldenhafter S tandhaftigkeit bei der B eteuerung der Unschuld an den ihnen au fge­

bürdeten V erbrechen.

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Die Rekonstruktion des Bibelglaubens 65

Der V orhang fällt, der grauenhafte Justizm ord w a r vollendet.

Clemens V. starb am 20. April, genau 40 Tage, Philipp am 29. November, 8 M onate nach Molay; den M itlebenden erschien beider Tod w ie eine Berufung des M ärty rers auf Gottes R ichterspruch. Und w arum sollte Molay das nicht gedacht o d er vielleicht sogar sterb end gerufen haben:

Ich rufe m eine Richter vor Gottes Gericht! Vor den R ichterstuhl d er W eltgeschichte sind sie längst geladen und gerichtet. Daß die E rsinner des freim aurerischen G ebrauchtum s an die Überlieferung der T em pler a n ­ geknüpft haben, ist fraglos. In Schottland scheinen tem plerische Spuren sich erhalten zu haben.

W ie eine gew altige, kunstvoll aufgebaute T ragödie aus W elten ­ dichters Geiste erscheint die Geschichte des Tem plerordens. Aus reiner, unschuldiger B egeisterung geboren, schnell aufgestiegen zu glänzender W eltstellung, in M acht und Reichtum, dem ursprünglichen kindlichen Glauben entw achsen, als m ächtige W eltm enschen von m ächtigeren niedergew orfen aus schnöder Geldgier und brutalem M achtsinn — hebt sich am Ende der verdunkelte Stern w ieder strahlend em por, in todes­

m utiger B ekennertreue. Der S cheiterhaufen Jacob B ernhard Molays und seiner Getreuen, als ein Sinnbild des im M enschengeiste sich offen ­ barenden] G ottesgeistes.

Die Rekonstruktion des Bibelglaubens

Von P a u l F e l d k e l l e r

ie religiöse Not der G egenw art b esteht in einer U nangem essen­

heit des religiösen Denkens im V erhältnis zum religiösen Sinn. Es w äre nicht richtig, zu behaupten, daß der heutige E uropäer od er A m erikaner w eniger religiöse Tiefe besäße als früher. Ich halte es so g ar für fraglich, ob er w eniger religiös sei als der Orientale, insofern im m er und überall nur ein B ruch­

teil der M enschen eine erkennbare m etaphysische Verbindung m it dem Absoluten besitzt, d. h. eine solche unverküm m erte, die sich nicht v e r­

schütten läßt. Es ist keinesw egs alles „Religion“ im Sinne Christi, was sich so nennt. Eines ist ab e r unzw eifelhaft: unsere westliche Kultur bietet der Religion keine so günstigen Daseinsbedingungen wie der Osten. Diese Schw ierigkeit gibt sich in dem ergreifenden Schrei nach religiösen Ausdrucksm itteln kund, die unserem m odernen M enschtum v ersag t o d er w enigstens ersch w ert sind. Denn in nichts anderem besteht die religiöse S ehnsucht u n serer Tage. Die Seele kann sich nur m it Hilfe des Intellekts religiös ausleben; dieser ab er v ersag t seine Mit-

5

(20)

66 Feldkeller

Wirkung, und die religiösen G laubensinhalte, w elche frühere M enschen w underbar stärkten, verfehlen ihren E indruck und w erden abgelehnt.

Der m oderne M ensch aber, w elcher von der eigentüm lichen S tru k tu r und den B edingungen des m enschlichen Denkens, u n ter w elchen es für das religiöse Leben fruchtbar w ird, nichts weiß, schiebt in seiner U nw issenheit alle Schuld auf eben diese Glaubens i n h a 11 e und e rw arte t alles Heil von einem „neuen M ythos“ , einem neuen Heiland. Und doch ist es ein Irrtum , zu m einen, ein neuer Glaubens i n h a 11 m üsse kommen.

Vielmehr gilt es, die G l a u b e n s s t r u k t u r der Bibel o der — sofern dies nicht möglich ist — eine dieser S tru k tu r religiös äquivalente zurück­

zugewinnen.

Um diese Aufgabe zu erkennen, m üssen w ir uns v o re rst die Rolle klar m achen, welche der V erstand im m odernen Kulturleben spielt.

H ier sind zwei deutlich unterschiedene U rteilstypen in G ebrauch: der em pirisch orientierende (bzw. w issenschaftliche) und der künstlerische (poetische). Ihr U nterschied ist ein solcher der biologischen Funktion.

E r kom m t zum Ausdruck in ein er ganz verschiedenen S tärke des G eltungsanspruches: eine historische D arstellung will u n ter allen Um ­ ständen für w a h r genom m en w erden, ein Gedicht nur für den A ugen­

blick des V ortrags. Die Religion h a t zw ischen beiden U rteilstypen die W ahl und w ird von keiner befriedigt, weil sie sich w eder in W issenschaft noch in Poesie auflösen läßt. Es kom m t dah er von Seiten religiöser M enschen der G egenw art m eist zu einem schauderhaften Kompromiß:

die h eutiger W issenschaft nicht geradew egs w idersprechenden religiösen Erzählungen w erd en in w issenschaftlichen Urteilen gedacht, die ändern aber (wie die Berichte vom Sündenfall und vom Turm bau zu Babel) in bloß sym bolischen oder poetischen. M erkw ürdigerw eise sind sich dabei nur w enige d arü b er im klaren, einen wie starken U nglauben das eine wie das andere einschließt. Am leichtesten ist dies beim poetischen Glauben einzusehen. Fasse ich z. B. das Jungfräulichkeitsdogm a bloß symbolisch od er poetisch auf, so schließt dieser sond erbare sym bolische

„G laube“ gerade den U nglauben an das im Dogma B ehauptete ein, weil e r den G laubensinhalt eben durch die symbolische Um deutung in sein kontradiktorisches Gegenteil v erk eh rt — eine Tatsache, auf die schon H arnack (Reden und Aufsätze I, 223) aufm erksam gem acht hat. Und so schließt alle poetische A uffassung — w as so viele Gebildeten und selbst Religionsphilosophen w ie Höffding nicht zu w issen scheinen — die glatte Leugnung des betreffenden Glaubensinhaltes in sich. Die rein w issenschaftliche, also kritische A uffassung ist ab er religiös ebenso unmöglich, w eil kein em pirischer T atbestand absolut gewiß ist, e r viel­

m ehr u n ter allen U m ständen der w issenschaftlichen K r i t i k und Be­

zw eiflung un terliegt — ein Zustand, m it dem sich keine Religion zu­

frieden geben kann. Die rein w issenschaftliche Einstellung muß für die

Religion zur A ufklärung führen. Die Religion v erlang t eine von der

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Die Rekonstruktion des Bibelglaubens 67

w issenschaftlichen grundverschiedene „M entalität“ . Der P ilatus im Credo ist ein a n d e re r als der geschichtliche Pilatus. Die Gewißheit, die w ir m it jenem verknüpfen, fehlt un serer immer bloß problem atischen geschicht­

lichen B etrachtung gänzlich. Der M ensch, der sich w issenschaftlich ein­

stellt, kann sich für diesen M om ent nicht zugleich religiös einstellen;

und tut e r es dennoch, so ist es m it der w issenschaftlichen Haltung auch schon w ieder vorbei. Die Tatsachen, m it denen es die W issen ­ schaft, und diejenigen, mit denen es die Religion zu tun hat, liegen also auf verschiedenen Ebenen. An jene glauben auch die Teufel. M eint aber jem and im E rnste, daß Luzifer „religiös“ sei?

K einer d er beiden U rteilstypen genügt also der Religion. Der m oderne M ensch führt ein m erkw ürdiges am phibisches Dasein zw ischen Auf- klärertum und Poesie. E r ist daher gem einhin ein Virtuose in beiden A uffassungen, ohne daß doch seine religiöse Meinung zu ihrem Rechte käme. W ie das möglich gew orden ist, erg ib t sich aus einem Vergleich des m odernen Denkens m it dem früheren bzw. m it dem m orgenländischen.

Hier ist nämlich das Denken noch nicht differenziert: zw ischen w issen­

schaftlichem, religiösem und poetischem Urteil w ird kein U nterschied gem acht. D aher hat für diese M enschen auch die F rage, ob z. B. der S chöpfungsbericht buchstäblich, geistig (pneum atisch) od er bloß sym ­ bolisch-poetisch zu verstehen sei, keinen Sinn. Ein und derselbe Ge­

dankentext genügt für drei grundverschiedene Einstellungen. Jede dieser Einstellungen findet also ihren, w enn auch nicht sch arf geprägten A us­

druck. Heute ab er ist dies anders. Das U rteil h at sich differenziert in einen klar au sgeprägten w issenschaftlichen und einen eben solchen poetischen Typus, w ährend die Religion leer ausging, da die A rm ut an intellektuellen A usdrucksm itteln bisher keine dritte Form finden ließ, w elche einen erkennbaren U nterschied zu den ändern beiden aufwiese.

Jed e r sieht, daß infolge dieser geschichtlichen Entwicklung das m oderne V erständnis heiliger Schriften, und also auch das Bibelver­

ständnis, in hohem G rade leiden muß. Das frühere undifferenzierte Denken können w ir einem E lternhaus vergleichen, das die ganze Fam ilie unter e i n e m Dache beh erb erg t h at: W issenschaft, Poesie und Religion. Das alte Haus w a rd jedoch als zu klein abgebrochen, aus dem vorhandenen M aterial schufen sich W issenschaft und Poesie zwei neue Häuser, w ährend die Religion obdachlos w urde. Es lag dies in seelischen, durch das Bild nicht w eiter anzudeutenden Gründen. Heute nun gilt es, der Religion ein neues, eigenes Haus zu bauen, in un serer S prache: ihr neben dem w issenschaftlichen und dem poetischen einen dritten eigenen Denk­

stil zu sichern. Das gilt jedoch n ur für das Abendland, das M orgenland denkt noch undifferenziert und h at diesen Neubau (der übrigens bereits seit den deutschen M ystikern in langsam em F ortschreiten begriffen ist) nicht nötig. Darum kann für uns ein W iederaufbau des alten E ltern ­ hauses nicht in F rag e kom m en: die E ltern sind nun einm al tot, die will­

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kürliche W iederherstellung der alten Ungeschiedenheit von w issenschaft­

lichem, poetischem und religiösem Denkstil ist ein Ding psychologischer Unmöglichkeit. Auch der fröm m ste abendländische Theologe der Gegen­

w a rt kann selbst beim besten W illen nicht m ehr jenen intellektuellen Zustand des religiösen Glaubens herstellen, der z. B. die Apostel b e­

seelte. Die intellektuelle S tru k tu r der Seele, das F orm ale des Urteils»

h a t sich g eändert. Insofern ist also an eine R ekonstruktion des Bibel­

glaubens nicht zu denken.

Aber die intellektuelle S tru k tu r des U rchristentum s ist nicht seine Religion, die historisch und psychologisch bedingte Gewohnheit der U rteilsform Christi nicht seine religiöse Einstellung. Und nur auf diese kom m t es doch an! Heute ist die Situation so, daß die differenzierten w issenschaftlichen und poetischen D enkform en (um den Denk i n h a l t handelt es sich bei all diesem g a r nicht) der religiösen Einstellung nicht genügen und ein neuer Denkstil gefunden w erd en muß, der es m odernen M enschen g estattet, an die, P aradieserzählung und die W under Christi ohne die erkältende symbolische V erdrehung genau so fromm zu glauben w ie die e rste n Christen. S o ist die „R ekonstruktion des Bibelglaubens“

gemeint. Nur s o — durch neue F o r m e n des Denkens, d. h. durch einen neuen (obwohl schon lange, n ur nicht entschieden genug geübten) Denkstil können die alten w ertvollen Glaubens i n h a 11 e voll und ganz g erettet w erden.

D ieser in d er M enschennatur tief begründete Denkstil w ird nur von m odernen V orurteilen an seiner Ausbildung gehindert. Das charak­

teristische W irklichkeitsbew ußtsein, welches den m odernen em pirischen Zeitgeist auszeichnet, ist von historisch ganz bestim m ter, r e l a t i v e r und som it g a r nicht selbstverständlicher Art. Es w ird aber von dem m odernen, in den biologischen Zusam m enhängen von Politik und G eschäft aufgehenden M enschen irrtüm licherw eise für a b s o l u t , d. h.

für das einzig mögliche gehalten und dam it zum T atsachenaberglauben.

Denn dies m oderne W irklichkeitsbew ußtsein ist lediglich biologisch bedingt, ist O rientierung an d er sinnlich erfa h rb a re n Um welt und muß daher angesichts d er biologisch ganz irrelevanten m etaphysischen Zu­

sam m enhänge, die immer geistiger A rt sind, notw endig versagen. W er in u nseren intellektuellen G edankentexten m ehr als eine konstruierte

„M erkw elt“ (Üxküll) zum biologischen Z urechtfinden sieht, h a t die Tiefe des Daseins nich t erfaßt. Denn u n ser Denken ist nichts Letztes, Abge­

schlossenes, das seine M einung in sich trüge und som it auf sich stünde, sondern ist allem al bloßer Ausdruck von etw as h inter ihm liegendem.

Es g ib t keinen besseren Beweis h ierfür als die T atsache, daß zwei dasselbe denken können, ohne daß es doch „dasselbe“ zu sein braucht:

auch bei gleichen G edankentexten ist für die „M einung“ des Gedachten

noch g ar nichts entschieden. Denn die Seele eines Gedankens, aus der

h erau s e r ü berhaupt erst „verstanden“ w erden kann, ist seine „Intention“

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einen stilisierten Gegenstand. Wie im Theater vor allem des Expressionismus die Stätte der Illusionslandschaft vielfach durch eine nur andeutende Linienführung «oder gar — wie

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