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Innen-Dekoration : die Gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort, Jg. 27, November

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Academic year: 2022

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PROFESSOR EMAHUEL VOM SEIDL-MÜNCHEN. »DAMENSALON IM HAUSE SCHÖLLER.«

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XXVII. IAHRGANG. DARMSTADT NOVEMBER 1916.

KUNSTWERK UND BESCH A U ER

V O N A. M. SCH W 1N DT—D A RM STA D T

E

s ist nahezu eine Binsenw ahrheit, daß K u n st­

genuß eine re z e p tiv -p ro d u k tiv e V eranlagung v o ra u sse tz t, daß w ir fähig sein m üssen, das K u n st­

w e rk g ew isserm aß en in uns selbständig n ach zu ­ sch affen , um uns an ihm erfreu en zu können.

N iem als ist soviel ü b er K unst g estritten und g e ­ sch rieb en w ord en als in unseren T ag en . Und nie w a rd w en ig er w ah rh aft K u n st als b eglü ck tes S ch au en und N achem pfinden begriffen, als h eu te.

W ir kom m en alle von d e r g esch ich tlich en A u f­

fassung d er K u n st her, h ab en fest form ulierte M einungen und h ab en das W issen ü b er gut und b öse. W ir sind durch E rziehu n g so im n egativ ­ k ritisch en S eh en gesch u lt, daß w ir es kaum m ehr fertigbringen, v oru rteilslos an eine S a ch e h eran ­ zu treten . S elten nim m t sich ein er die M ühe und v o r allem die Z e it, zu n äch st das K u n stw erk selb st einm al red en zu lassen. H e u te , w o m an B ild er­

v erzeich n isse w ie K u rsz e tte l stu d iert, w o man m öglichst genau den »kom m enden M ann« zu w ittern b e stre b t ist, um dann schnell einige seiner W e r k e zu erraffen, in d er Hoffnung, sie mit b e ­ trä ch tlich e m G ew inn w ie d e r losschlagen zu können

— w ie w e it sind w ir h eu te d och oft von d er K unst und dem K u n stw erk entfernt. M an dringt

nur in sein T ie fste s ein, w enn m an E h rfu rch t und G eduld b e s itz t; die a b e r gehen uns ab in u n serer hastenden Z e it. K unst zu erkennen ist s c h w e r ; ein U rteil ü b er sie ab zu geb en — nichts le ich te r als das. M an re d e t ü b er T ech n ik und Stil, F o rm und Z eichnung und v e rlä ß t sich im übrigen darauf, daß d er H e rr N a ch b a r F e istle ja auch n ichts d a ­ von v e rste h t, a b e r d och , um nicht u n gebildet zu e rsch e in e n , sich den A n sch e in g eb en muß, als h ab e er ganz genau die g leich e heilige Ü b e r ­ zeugung. K u n stw erk e b e tra ch te n b e d e u te t h eu te für die M eisten, sie a b sch ätzen , U rte ile ü b er sie ab geb en , die umso sch ä rfe r ausfallen, je w en ig er Sachkenntnis sie trü bt. U nd d och z e rs tö rt man das B este und das F ru ch tb a rs te von vorn h erein , w enn m an sich n ich t loszum ach en v e rste h t von d er kritischen B rille, die unserem G e sc h le ch t an­

g eb o ren ersch eint, w enn m an sich nicht w ied er zur D em ut erzieh t und zum ruhigen A b w a rte n den D ingen g egen ü b er, bis sie in ein er g eseg n eten Stunde sich ersch ließ en , und einen E in b lick tun lassen in ihre S e e le . E in so lch es Einfühlen in das K unstw erk b e re ich e rt dann u n ser eigen es E r ­ leben, läßt uns neue W e lte n ahnen und m a ch t uns b e re ite r und em p fän glich er für alles G esch eh en .

1916. XI. 1.

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373 IN N EN -D EK O R A TIO N

ARCHITEKTEN KAHL & ENDRESEN-HAM BURO »KLOSTER ST.)OHANNlS AN DER ALSTER-HAM BURG«

DAS KLOSTER ST. JOHANNIS IN HAMBURG

D

as neue K l o s t e r S t . J o h a n n i s in Hamburg, von dem unsere stimmungsvollen A bbildungen einige A n sichten w iedergeben, erheischt unser besonderes In­

teresse, w eil es der erste in n e u z e i t l i c h e n Form en durchgeführte K l o s t e r b a u ist, den wir in diesen B lättern vorführen können. D er nach den, in einem W ettb ew erb mit dem ersten P reis gekrönten, Plänen der A rchitekten K a h l & E n d r e s e n -H a m b u r g mit einem A ufw and von 1 0 3 0 0 0 0 M k. errich tete Bau stellt sich als eine ebenso architektonisch anmutige wie zw eckm äßige Schöpfung dar, die einen Schm u ck und eine Sehensw ürdigkeit H am ­ burgs bildet. D ie reichgeglied erte K losteranlage, die in einer von dem K loster-K o nvikt herausgegebenen, schönen V eröffentlichung eingehend behandelt wird, b esteh t aus zwei getrennten Gebäudegruppen. D ie langgestreckte Frontfläche des »G ebäu des der Konventualinnen«, mit einem 3 2 m hohen mächtigen Turm , ist durch fünf vor­

springende E rkerbau ten mit Spitzgiebeln unterbrochen.

N ach der A lste r hin ist an diesen Bau das kleine W o h n ­ gebäude der »Jungfrau D om ina«, eine V ierzim m erw oh­

nung m it D iele usw. und großer V eran d a angegliedert, nach der S tra ß e hin, hinter einer G ruppe von alten L in ­ den, Kastanien, Eichen und A kazien v ersteck t, die W o h ­ nung des K losterschreibers. D as in Fachw erk gehaltene etw as höhere »W itw enhaus« enthält 1 8 W ohnungen aus je 3 Zimmern mit K üche, M ädchenkam m er und Zubehör.

In diesen hellen und geräumigen W ohnungen greifen

Z w eckm äßigkeit und würdige Schönheit ineinander, um den Damen, die in diesen Bauten ihren Lebensabend zu verbringen gedenken, ein behagliches und bequem es, schönes und freundliches Heim zu schaffen. D as K o n - ventualinnengebäude enthält 2 0 W ohnungen m it teils zwei, teils drei Zim m ern, E rker, Badezim m er, K üche und Zubehör, außerdem im Erdgeschoß einen V ersam m lungs­

saal mit heizbarer V eran da. E in e reichgeschnitzte E ich en ­ holztür führt in die m it hellgrauem geädertem M arm or verkleidete vornehme V o r h a l l e (S . 3 8 3 ). E in geschlosse­

ner F ries führt oberhalb des M armors rings herum. D ie k assettierte D eck e trägt eine elektrische K rone. D ie da­

hinter liegende große D iele m it der H aupttreppe, m it ge­

schnitztem G eländer aus Eichenholz, erinnert an die D ielen alter Ham burger Patrizierhäuser. A n die D iele und das Haupttreppenhaus schließt sich d er V e r s a m m ­ l u n g s s a a l. H ohe W and vertäfelung, geschnitzte T ü r­

verkleidungen, D eckenteilungen aus Eichenholz, ein mäch­

tiger K achelofen mit Bronzetür und Bronzefüßen, hinter dem die W an d mit Kacheln bekleid et is t, und schöne M ahagonim öbel aus dem alten K loster, geben diesem Raum einen rech t wohnlichen und behaglichen Charakter.

V om Saal führen drei große tiefverglaste Fenstertüren nach der V eranda mit dem B lick auf die G ärten und A lste r. V o n dem parkartigen G arten der Konventualinnen an der A lste r b ietet sich für ein farbenfreudiges A u ge ein reizvolles B ild in den architektonischen Linien und

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ARCHITEKTEN KAHL & END RESEN—HAMBURG. »NEUBAU DES KLOSTERS DER KONVENTUAL1NNEN ST. JOHANNIS IN HAMBURG- KONVENTUAL1NNENGEBAUDE MIT GARTEN AN DER ALSTER

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380 IN N EN -D EK O R A TIO N

ARCHITEKTEN KAHL & ENDRESEN-HAM BURG

der schönen Farbenw irkung der ganzen A n lage. Zu einem künstlerisch durchempfundenen harmonischen G e ­ sam teindruck verschm elzen die Um risse der schwarzen D ä ch e r, das schw ärzliche R o t des K linkers, das W e iß des S tein s, der Putzflächen, der G esim se und F enster, das stum pfe Grün der L äden, das Leu chtend e der R asen­

flächen und das dunkle L aub der alten Linden und K a­

stanien. D en Z u tritt zu der ganzen A n lag e verm ittelt ein m ächtiges, die beiden H auptgebäude verbindendes Eingangstor in schw erer und reich er K unstschm iedearbeit m it bronzenem K losterw appen. E in b reiter Fußsteig aus G ranitplatten und eine Fahrbahn führen rings um den K losterhof, der nach der A lste rseite hin durch eine San d ­ steinbrüstung mit V asen abgegrenzt wird. In der M itte, von grünem R asen um geben, steht die eindrucksvolle S t . J o h a n n i s - F i g u r in M uschelkalk auf rundem So ck e l mit altchristlich-byzantinischen V erzierungen. D as M otiv für die Figur ist dem silbernen D eck elb latt eines alten dem K loster gehörigen E vangeliars entnommen, das die G estalt des Johannis in getriebener A rb e it trägt. . . . r .

*

jC U N K T IO N U N D F A R B E . E in e H ängebrücke. D er J A tragende Bogen, die K e tte , ist weiß, der B rücken­

körper schw arz g estrich en: ein seltsam es, unlogisch an­

mutendes Bild. W a s am m eisten arb eitet, w irkt, als ob es w egfliegen, in der L u ft verschw eben w ollte. D ie Brückenbahn dagegen m it dem G eländer erscheint als

»HAUPTEINGANGSHALLE DER KONVENTUAL1NNEN«

ein langer Strich , ohne H alt in sich und ohne Stützung.

E rm u ß ein k n ick en ! — E in anderer F a ll: D as Erdgeschoß eines G eschäftshau ses; schw arzer M arm or, poliert, als Einfassung der riesigen Schau fenster. D arüber alles gelber Sandstein. H ier w irkt der glänzende M arm or, zusammen m it dem G las, wie L u ft. D ie Stein m asse darüber hat keine B asis. E s ist dem A u g e unverständlich, warum sie nicht einstürzt. — G ehen wir w eiter durch die Straßen, die verschiedenen Färbungen beobachtend. M erkw ürdig, m it w elcher Sich erh eit fast regelm äßig das Falsch e ge­

troffen ist. D ie tragenden T e ile der W ag en sind farbig bem alt, die Füllungen ernst und grau. D as leichte K lapp­

dach der A utom obile sieht aus wie B lei, die gediegenen W än d e w ie P appe. Ja , hat denn die R o se graue Blüten und farbige Stiele ? M acht man den Rahm en bunter als das B ild ? W en n die Packung greller gefärbt ist als die W a re , so ist eben die W a re der K ern, die H ülle das lockende B latt. A b e r arbeitende T eile dürfen niemals zu schm ückenden, T räg er nicht zu Füllungen um geschm ückt werden. D er unruhige Eindruck unserer Straßen rührt zu einem nicht geringen T eil von solchem sinnwidrigen R ollentausch her. D ie M aschine wird stets gesammelt und ernst in der F arb e sein müssen, ebenso w ie der Stein , der schw er zu tragen hat. D er O bstbaum hat bescheidene B lü ­ ten. A m grellsten leuchtet die taube Tulpe. W a s is tF a r b e ? Ein A ufblühen überschüssiger K räfte, eine Brechung des L ich tes, das nicht zu erhellen, nicht zu wärmen braucht. A. j.

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ENTWURF: ARCHITEKTEN KAHL & ENDRESEN-HAM BURG. »VERSAMMLUNGSSAAL MIT HOLZTÄFELUNG« IM KLOSTER DER KONVENTUAL1NNEN SANKT JOHANNIS IN HAMBURG

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IN N EN -D EK O R A TIO N 383

ARCHITEKTEN KAHL 4 ENDRESEN-HAMBURG »VORHALLE« IM KLOSTER ST. JOHANNIS-HAM BURG

ETW AS VON DER QUALITÄTSARBEIT

E

in russischer G efangener. V o ll U ngeziefer, verelendet, verschnapst kam er an. D eutsche R einlichkeit, deut­

sche Ordnung hat ihn mit vieler Mühe in einen m enschen­

würdigen Zustand gebracht. A b e r seine heim liche L ie b e gehört immer noch dem W u tk i. U m sich hie und da einen verstohlenen Schlu ck verschaffen zu können, fertigt er Schnitzereien zum V erkau f an, V ö g el, allerhand anderes G e tie r, höchst verzw ickte Kinderklappern. Und diese D inge sind wunderbar gem acht, voller Empfindung und handw erklicher E ch th eit. K ein süßer K itsch, w eder roh, noch allzu sehr geglättet, nicht naturalistisch, aber reich und lebendig trotz naiver Stilisierung. W ir hatten solche russische Schnitzereien schon öfter bem erkt, auf der L eip ­ ziger M esse wie auf den Volkskunstausstellungen. A b e r wir hatten nicht die H ände gesehen, aus denen sie her­

vorgegangen. D a strengen w ir uns an m it Schulen, B ü­

chern, A usstellungen, die deutsche A rb e it zu heben. W ir bauen reizende Siedlungen, die V ersicherung nimmt dem A rb e ite r die drückendsten Sorgen ab, die Löhne steigen stetig. W a s O rganisation und Aufklärung leisten können, das wird redlich getan, um einen Stam m hochw ertiger A rb e ite r in D eutschland heranzuziehen. Trotzdem müssen w ir gestehen, es gibt niemand in D eutschland, sei es

Künstler oder H and w erker, der solche e ch te , starke Schnitzerei hervorbringen k önn te, w ie je n e r G efangene, der aus den untersten E lendschichten eines ungebildeten V o lk es stam m t. E s ist auch bekannt, daß die herrlichen orientalischen T ep p iche in kümmerlichen H ütten herge­

stellt werden und zu Löhnen, die bei uns den S ta a ts­

anwalt auf den Plan rufen würden. D ie japanischen H and­

w erker sind gezwungen, mit einer Handvoll R e is im T ag auszukommen, weil ihre m eisterhaften A rb e iten so kläg­

lich bezahlt werden. D ie schönen M adeirastickereien werden von ganz ungebildeten Bäuerinnen ebenfalls zu Hungerlöhnen hergestellt, während bei uns in prächtig eingerichteten Fabriken, m it w underbaren M aschinen, oft recht fragw ürdige m echanische Stickereien hervorgebracht werden. — So lch e G egensätze ließen sich häufen. W ir müssen uns aber doch hüten, allzu w eitgehende Schlüsse daraus zu ziehen. Q ualitätsarbeit und V erelendung b e ­ dingen sich nicht, sie schließen sich aber auch nicht aus.

D och dürfen wir jedenfalls aus der sozialen und m ate­

riellen Hebung des A rbeiterstan d es nicht unm ittelbar eine Steigerung der Q ualität in ihrer A rb e it erhoffen, ich meine, der handwerklichen und künstlerischen Q ualität.

D er gehobene deutsche A rb e ite r wird uns die technisch

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384 IN N EN -D EK O R A TIO N

tadellose W a re liefern können, auf die er auch selbst A n ­ spruch erheben wird. D ie künstlerische Entw icklung da­

gegen geht andere W e g e , über E lend, Verschw endung, M ißachtung und R u h m ! In den sozialen T iefen wird das Kunstw erk ebenso erblühen w ie auf den lichtesten, goldig strahlenden Höhen. D er Kam pf der Künstler um soziale und m aterielle H ebung ihres Stand es ist gewiß eine b ittere N otw endigkeit. Denn leider ist der Künstler auch M ensch, der leben will, der sich nach Sonne sehnt. D ie Q ualität der A rb e it berührt das aber n icht... a . ja u m a n n .

*

D

IE K U N S T vervollkom mnet die Sittlich k eit oder den sittlichenZ ustand der M enschen. S ie vervollkom mnet

ihn, — sie bringt ihn nicht hervor. E rst muß der rechte sittliche Zustand da sein, sonst ist die K unst unmöglich.

W en n sie aber gewonnen ist, w irkt sie erhöhend und vol­

lendend auf den sittlichen Zustand, aus dem sie erstand, zurück und teilt vor allem ihr Frohlocken anderen G e ­ mütern mit, die eines gleichen schon sittlich fähig sind . . . E rst mußt du den sittlichen Zustand erlangen, die reine Freu d e, und ihr dann vollendeten A usdruck geben. Dann ist’s in sich vollkommen und läßt sich anderen G eschöpfen, die solcher Freud e fähig sind, m itteilen. Du kannst dich nicht zu einem guten M enschen malen. Du mußt gut sein, ehe du malen oder singen k an n st, und dann werden F arb e und Ton das B este in dir vollenden, j o h n r u s k i n .

KAHL & ENDRESEN-HAM BURG. AUSF: BILDH. O. ULMER u. O. HENNING. STANDBILD »ST. JOHANNIS» IM HOF DES KLOSTERS

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»EINGANG ZUM SONDERGARTEN FROEBEL« ENTWURF: G . AMMANN. AUSFÜHRUNG: GARTENARCHITEKTEN OTTO FROEBELS ERBEN—ZÜRICH

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IN N EN -D EK O R A TIO N 387

VON SCH W EIZERISCH ER GARTENKUNST

W

er die Schw eiz von R eisen her kennt, wohl sehr gut zu kennen m eint, der hat in den Städ ten neben den alten behäbig breiten Zunfthäusern, G eschäftsbauten, B anken , Schulen und U niversitäten in sachlich neuen Bauform en erstehen seh en , der weiß von vornehmen Stü ck en einer alten Kunst in M useen und P rivatbesitz, von Z eu gen einer eifrig strebenden jungen M alerei, von gediegenen kunstgew erblichen A rb eiten aus verschieden­

sten G ebieten . A b e r w er hat schw eizerische G ärten ge­

sehen ? Ist es doch selb st dem Einheim ischen bloß durch einen gütigen Zufall m öglich, von irgendw o her einen B lick in die hinteren G ärten zu den Kontorhäusern der Seidenbandherren zu w erfen. W e r w eiß, daß Solothurn, Freiburg, Z ürich und B ern H errschaftssitze in großer Z ahl mit beachtensw erten Gartenanlagen b erg en , daß je d e s größere D orf im B ern biet im P farrhof einen Land­

sitz von schlicht-vornehm er G artengestaltung aufzuweisen h at? W e r sich dem D orfe nähert, gleichviel ob im A a r­

gau unten oder im hügeligen V orland, der wird in der Gruppierung der drei Baum assen: K irch e mit Turm, Pfarrhaus und S ch eu er, gerahm t durch Kastanien, Nuß­

bäume oder Pappeln eine stets mit G esch ick gelöste A n ­ lage erkennen. W ie die Baum eister je n e r Z eiten die

Bauplätze zu wählen wußten und um das G ro ß e und K leinste zugleich sich mühten mit einem A u g e für R e ­ präsentation, für W ohnlichkeit, B ehaglichkeit und Sto lz zugleich — man m öchte bernischer P farrh err sein. V ie l ist in den Jahren verändert und verdorben worden, viel Schönes nur noch aus den kolorierten Stich en von W e ib el, um 1 8 2 8 entstanden, zu erkennen. Staatsb au ten sind diese Pfarrhäuser, ausgeführt unter der O bhu t und im Sinn der vielgeschm ähten gnädigen H erren zu B ern.

U nd nun erst je n e Landsitze, die sich die regim ents­

fähigen H erren von denselben A rch itekten bauen ließen, um im Frühjahr den engbrüstigen H äusern der S ta d t­

gassen zu entrinnen; H erren, die in jungen Jah ren in Frankreich lebten, Holland und Flandern kannten oder in preußischen D iensten gestanden. A usgesprochen fran­

zösisches G epräge liegt in allen diesen Schlößchen, die L eb en sart des R okoko. Und doch wäre auch nicht in e in e m Beispiel eine bloß blind prahlerisch nachgeahm te K opie nach irgend einem berühm ten M uster der franzö­

sisch-klassischen A rch itektu r aufzufinden. Ein je d er Sitz erscheint für diesen besonderen P latz ersonnen, einem Hang der A are eingebaut oder zwischen zw eiH ügelw ellen eingebettet. W ie die Z ufahrt von der breiten Landstraße

AUSFÜHRUNG OTTO FROEBELS ERBEN—ZÜRICH

»KROCKETPLATZ VOR DEM HAUS SP .—KILCHBERG«

1916. X I. 2.

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3 88 IN N EN -D EK O R A TIO N

AUS DEM GARTEN DR. C . SCH OELLER-ZÜRICH . »DER ROSENWEG«

abbiegt, um erst nach und nach die L ag e des Schlößchens erkennen zu lassen, w ie man unter dem Laubengang der hundertjährigen Linden dahinschlendert, vor dem P ortal steh t und eigentlich noch immer nichts vom Kleinod hinter den Bäum en, Sträu chern und H ecken erspähet hat, w ie sich dann der Zugang auf tut, die T rep p e einladet — das sind F ein h eiten , die du b ei jed em B esu che immer in einer neu überraschenden Erfindung durchkosten kannst.

Und wenn du dann aus den G em ächern des H auses mit einem D urchblick durch F en ster und Flügeltüren darauf ach test, wie die T e ile des G artens sich nach der Einrich­

tung des H auses ergeben, wie die Ö konom iegebäude, als W asch h au s, Gärtnerw ohnung, R eblaube, schlicht und recht den Rahm en des H ofes bilden, w ie die W e g e in G erad en, m it Kalkfliesen b eleg t, den R asen teilen, die Blumen und Sträu ch er noch heute in w enigen ansässigen A rten auf F leck en oder langen R abatten gesam m elt sind und mit dem M ittelw eg hingeleiten zu einer Gruppe w eit­

fassender Silberp appeln, zu einem O val-B assin oder zu einem A usluge auf die Saaten und F e ld e r und zu den B ergen hin — dann hast du dich eigentlich schon zurecht gefunden in der E infachheit und Selbstverständ lichkeit dieser G ärten, ehe du auch nur einen S ch ritt hinaus vor die V erandatü r getan. E in e Selbstverständ lichkeit, die uns gefangen hält. D iese G ärten sind als streng architektonische G ebild e angelegt, entstanden aus den Forderungen des H ausherrn, aus einer w ohlw eisen B e ­ obachtung der Bodenhebungen und -Senku ngen und vorab und letzten E nd es aus einer fein kultivierten Raum - Empfindung heraus. W ie diese A rch itek ten , oder selb st einfache L eu te, als S ch rein er oder M aurer je n e r Z eiten , einen Sinn für die schöne Teilung einer W an d m it F ü l­

lungen und ebenm äßig hohen Fenstern, für den Bau eines Sessels in sich trugen, so fanden sie auch eine klare und doch still versonnene Fassung für je d e A n lag e eines G a r­

tens. Und w ie sie als A rch itek ten über die S te in e als Baustoffe verfügten, das H olz poliert oder m att oder ge­

strichen zu verw enden wußten, so bestim m ten sie im V ere in m it dem G ärtn er über Sträu cher, Bäum e, Blumen, doch stets hierin m it einer G eduld, die für Jahrzehnte reich te und m it einem besonderen Eingehen auf die L eb en sart der Pflanzen. Je n e G ärten erscheinen selb st­

verständlich angelegt, weil die H ärte der G erad en und E ck en durch die üppig alte Buchsrahm ung und reiches Epheuw erk durchbrochen, die Bäum e m ächtig im L aub dastehen, die S te in e arg verw ittert sind? D as mag in einer oberflächlichen Betrachtung als A u sred e Geltung haben. S ie sind so wohltuend selbstverständlich, w eil sie w ahrhaft künstlerische Schöpfungen und nicht dilettan­

tisch unzulängliche N atum achabm ungen, und weil sie als K unstw erke einfach sind. Einfacher um vieles, als die m eisten der neuen architektonisch konstruierten G ä r­

ten — sorgfältig aber behü tet und gew ählt in den Blumen und Büschen, in der A n lage eines Brunnens, in der A u f­

stellung eines figürlichen S ch m u ck es; im selben G eist sorgfältig, wie wenn es galt, mit feinen Händen die D osen und G läser in den V itrinen aufzustellen und S tich e in guten Rahm en an den W änd en zu verteilen. Frau en des R okoko und der G artenku nst! —

D och, w as wollen zurecht gedrechselte Sätzch en von jenem Erfindungsreichtum und von der strengen S e lb st-

BRONZE VON HERMANN HALLER IM GARTEN DR. C. SCHOELLER

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IN N E N -D E K 0 R A T 1 0 N 3 89

langen. In der A rt, wie die einzelnen T e ile in einander­

gefügt, verzapft sind, zeigen sie einen konstruktiv sichern, schreinergem äßen Bau, ohne damit einer anmutigen Form entraten zu müssen. Und im selben w erkm äßigen Sinne wachsen auch die G ärten auf, die aus seinen Plänen her­

vorgegangen. D er G arten D r. C. Schöller-Z ü rich ist in diesen B lättern abgebildet. Ich könnte mir keine G eg en ­ überstellung d en ken, die so schlagend den G egensatz zwischen einem althergebrachten sogenannten Naturpark und einem nach architektonischen G esetzen angelegten G arten zu zeigen verm öchte, als die frühere und die heutige Fassung dieses B eispiels. W ir bedauern eigentlich, daß uns zu dieser Bew eisführung nicht wenigstens die beiden Grundrisse zur V erfügung stehen, die G ustav Am mann in der F lu g sch rift, des schw eizerischen W erkbundes,

»U b er den G arten« zur A bbildung gebracht hat. S o müssen w ir in W orten eine Um schreibung zu geben ver­

suchen. Im alten G arten w ar das G ebäude ab seits ge­

ste llt; beide lebten gleichsam aneinander vorbei. D ie b reiten Krümmel und B retzelw ege schnitten nierenförm ige R asenstücke aus, in denen Strau ch- und Baumgruppen A ufstellung gefunden h a tten ; und vor einem dieser B üsche, hart am W e g e , war eine Figur postiert. D er V eran da und der T rep p e unm ittelbar vorgelagert nahmen G em üse­

b eete die gesam te T iefe des G artens ein. E s erübrigt bloß noch zu bem erken, daß der G roßvater F rö b el, als Kind seiner Z eit, diesen alten G arten mit vielem F leiß geschaffen und daß nun der Enkel, O tto F rö b els E rben , G artenarchitekten, mit einer besondern Freud e an die Neugestaltung herangetreten ist. D ie Umwandlung ver-

AUFGANG ZU DEM BLUMENGARTEN DR. C. SCH OELLER-ZQRICH

beschränkung verraten können. W ir besitzen Bilder, vor­

nehmlich in den Skizzenblättern von A d o lf T ièch e als Einzelheiten aufnotiert. S ie sind liebe A ngedenken.

Fördernd aber, und ordnunggebietend müßten P lan -A u f­

nahmen dieser G ärten w erden und fachgem äß bestim m te A u sschnitte als Illustrationen. W ir kennen S tich e eines Silv estre, Langlois, des A b b é D elagrive, des Thom as Hill und M erian, die uns die mächtig phantastischen Träum e der R enaissance und Barockkünstler zeigen. A b e r wie uns frühere H öchstleistungen im künstlerischen Schaffen niemals w eiterbringen und wir uns an die Prim itiven oder einfachen Lösungen halten und von da aus eine neue, eigene G estaltung aus unserem W illen und unserer L eb en s­

haltung heraus zu finden trachten, so meine ich, könnten uns je n e Aufnahm en willkommen sein. Zum al für die neuzeitliche P flege des Landhausgartens müßten in jenen ehrbar alten Landsitzen nicht V orb ild er — aber frucht­

bringende A nregungen liegen. W e r G artenanlagen von guter A rt, die in unserem L and e in den letzten Jahren entstanden sind, betrachtet, der erkennt denn auch mannig­

fache Beziehungen zu den vorhin behandelten Lösungen.

D ie A rt, zum B eispiel, w ie G ustav Am mann, G arten­

architekt in Zürich, seine G artenhäuser mit einer schlichten D achform eindeckt und sie dem G esam tbild der A n lage einbaut, gemahnt an S tü ck e einer guten Z eit, ohne damit seine A rb eiten als strick te Anlehnungen bezeichnen zu wollen. Denn w ie könnte Ammann sonst zu solchergestalt neuen, sachlich vorzüglichen Form en in den G artenm öbeln kommen, w ie sie im G artenbuch von L eb erech t M igge und

in den S e ite n dieses H eftes m ehrfach zur A bbildung ge- .DEKORATIVE KUNSTSTEtNVASE IM GARTEN SCH. ENTW: O . AMMANN

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IN N EN -D EK O R A TIO N

GARTEN DR. C. SCH O ELLER-ZÜ RICH . »BLICK IN DEN MITTLEREN GARTEN« ENTW: G. AMMANN. AUSF: OTTO FROEBELS ERBEN

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GARTEN DR. C . SCHOELLER. »SITZPLATZ IM MITTLEREN GARTEN« ENTW: G . AMMANN, BRUNNENMASKE HANS CONR. FREY AUSF: OTTO FROEBELS ERBEN, GARTENARCHITEKTEN-ZÜRICH

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IN N EN -D EK O R A TIO N 395

GARTEN DR. C.SCH O ELLER—ZÜRICH. »BLICK AUF DIE BRONZE« AUSFÜHRUNG DER ANLAGE: OTTO FROEBELS ERBEN, GARTENARCH1T.

langte einen Blumengarten mit der Bestimmung, in einer sorgfältigen A ufstellung die Bronzefigur, »das Blumen­

mädchen« von Hermann H aller aufzunehmen. D er G arten liegt am Rand der ersten Bodenw elle des Z ü rich b erg es;

er fällt hinten in der T ie fe rasch ; deshalb war eine Terrassierung und zwar in drei Flächen geboten. D er obere G arten ist dem Hause vorgelagert. E r ist nun glück­

lich so orientiert, daß mit einem B lick von der W ohnung und V eran da aus durch den breiten M ittelw eg in der T ie fe des G artens im Halbrund der N ische die Figur er­

scheint. D urch diesen M ittelw eg ist der obere G arten in ein Links und R ech ts von R asenstücken geteilt, die durch R osen, Blütenstauden und Buchshecken umsäumt sind. Im Niveau des oberen G artens w eitergeführt, ist unm ittelbar über dem m ittleren T e il ein halbrunder P latz m it Sitzbänken geschaffen, im R ücken durch eine W and von dichtem K irschlorbeer geschlossen. D er m ittlereT e il dieser A n lage ist absichtlich als Blum enbecken (m it gelb­

roten Gauklerblumen gefüllt und einem V ergißm einnicht­

kranz gerahm t) tiefer gelegt, um den B lick von allen S e ite n her auf die Figur von H aller frei zu belassen.

D aran schließt sich der untere Blum engarten an, noch­

mals um zwei b reite Treppenstufen tiefer g eleg t; er stellt in gesch ickter W e is e die V erbindung mit dem übrigen T e il des früheren G artens her. Ein breites B e e t von H ortensien füllt hier diesen aus. D er geschlossene E in­

druck der m ittleren ovalen A n lag e w ird noch verstärkt

durch den W e g als Rahmung aus roten M elserplatten, darauf die Gruppe der S essel und B änke, dunkelblau gestrichen, steht, vor dem Saftgrün der üppig dichten H ecken. D ie Bronzefigur ist frei hingestellt in dem ruhigen G rau der M auernische, um spielt vom strahlend hellen T ag . W ie selten begegnen w ir in A usstellungen Bildw erken, die eine annehmbare A ufstellung gefunden haben und um wie vieles schw erer noch ist es, in P riv at­

besitz Figuren einen guten P latz zu weisen. D er G arten D r. Schöller, Z ürich, zeigt in einem vorzüglichen B e i­

spiel, wie ein reicher Blum engarten, durch w eise Hand geordnet, zu einem köstlichen Rahm en für eine köstliche Schöpfung moderner Freip lastik w erden kann.

W ir bemühten uns im Eingang zu zeigen, w ie ein früheres G eschlecht vornehme G ärten angelegt und wie die Nachfahren diese w eiterpflegen, akkurat so, w ie sie den Fam ilienbesitz in den stillen G assen der S ta d t b e ­ hüten. In den Industriellen und Kaufleuten ist heute ein neues G eschlecht erw achsen; an diesen liegt es nun, im selben Sinn die gewonnenen m ateriellen W erte in geistige umzusetzen in der gesamten Lebenshaltung, im W oh n ­ hausbau, in der Innenausstattung, im Bildschm uck und nicht zuletzt in der A n lage herrlicher G ärten , die die Figuren unserer Bildhauer zieren mögen. Reichtum ist Beruf. M ögen sie, sonder Parvenü-A llüren oder knicke­

riger Beschw erden, diesen B eru f ebenso schön als eine Selbstverständlichkeit erfüllen. . . d r . h . h . r ö t h l i s b e r g e r .

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3 96 IN N EN -D EK O R A TIO N

BLUMENGARTCHEN DR.TH. REINHART IN MAUR AH GREIFENSEE. »SCHATTIGER SITZPLATZ« ENTW: G. AMMANN. AUSF: FROEBELS ERBEN

DIE LEH REN DES HURRAKITSCHES

I

n den ersten K riegsm onaten traf man überall auf Zeitungsaufsätze m it Ü b erschriften wie »D er K rieg und die K unst« oder d ergleichen, darinnen mehr oder minder pathetische B etrachtungen angestellt wurden, wie von der großen W e lle der K riegsbegeisterung recht viele befruchtende G ew ässer auf die stillen G efild e der Kunst ü b ergeleitet w erden könnten. A n g esich ts der großen Ungew ißheit des K rieg es w aren solche Betrachtungen, die vornehm lich aus einem Bedürfnis geistiger S e lb s t­

behauptung entsprungen w aren , sicherlich b erechtigt.

J e mehr sich der K rieg aus etw as unbekanntem Kom m en­

den zu etw as nur zu bekanntem G egenw ärtigen aus­

gew achsen h a t, ist es mit solchen program m atischen Verkündigungen stiller gew orden. W ir w issen je tz t, daß der Schützengraben nicht der O rt is t, w o neue Form en gefunden w erden. W a s an Leistungen der K riegsm aler usw. bekannt gew orden is t, erhebt sich nicht über das Niveau darstellender Journalistik. D abei erleb t man immer w ieder die B estätig u n g , daß d ieser K rieg m erk­

würdig unbildhaft ist. D as W o r t von der » L ee re des Sch lach tfeld es« ist gew isserm aßen bezeichnend für das gesam te Schauspiel des K rieg es. D as, w as diesem K riege sein individuelles G e sich t g ib t, sind D inge der M assen­

entfaltung, der O rganisation, D inge, die sich nur abstrakt vorstellen lassen. A b e r das Phänom en, daß dieser K rieg,

so sehr er uns e rg reift, künstlerisch doch merkwürdig ertraglos ist, b eschränkt sich nicht auf das bildnerische A u sdrucksgebiet. S o ungeheuer viel K riegslyrik produ­

ziert worden is t, so ist doch kein G esang vernommen worden von der packenden G ew alt etw a auch nur der

» W a ch t am R hein« oder des »K önig W ilhelm saß ganz heiter« .V on d erdram atischenD ichtung ganz zu schw eigen.

A lle diese Erscheinungen haben w ieder ihre tieferen Gründe, und man sollte über diese D inge nicht schelten und vorschnell auf eine U nfähigkeit unserer K ünstler zurückschließen, unserer Z e it ihren A u sdruck zu geben.

G anz im G egen teil spricht es in unseren A u gen fü r unsere Kunst, daß sie, nach einem A ugenblick des A tem - anhaltens, zu ihren früheren A u fgaben zurückgekehrt ist und ihre A rb e it dort fo rtsetz t, wo sie vor dem K riege stand. D enn in der K unst wird nichts g esch en k t, und je d e Entw icklung muß S ch ritt für S ch ritt erarb eitet w erden. W en n aus dem ungeheuren E rleb en dieses K rieg es w irklich ein G ew inn für die K unst ab fällt, so könnte er nur in einer veränderten G e s in n u n g , in einer V eränderung der ganzen geistigen A tm osphäre bestehen.

D er A usdruck einer solchen V eränderung könnte nur nach und nach in die Erscheinung treten und müßte, wie gesagt, S ch ritt für S ch ritt erarb eitet w erden. Jed enfalls hat er nichts zu tun m it einer journalistischen A usw ertung

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IN N EN -D EKO R A TIO N

ENTWURF O . AMMANN. »SCHATTIGER SITZPLATZ AN EINER MAUER« AUSFÜHRUNG OTTO FROEBELS ERBEN, GARTENARCHITEKTEN

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398 IN N EN -D EK O R A TIO N

AUS EINEM AUSSTELLUNGSGARTEN: »BLICK AUS DEM LAUBENGANG AUF DIE BLQTENSTAUDEN« AUSF: OTTO FROEBELS ERBEN

der T agesereignisse. — W ährend so die echte Kunst zu einer w ohlbe­

rechtigten R eserv e ge­

genüber den K rieg s­

dingen zurückgekehrt i s t , hat sich ein A u s­

druck der K riegsstim ­ mung des T ag es b reit gem acht, der, durch die H artnäckigkeit seiner E rscheinung, um so auf­

dringlicher da ist. W ir meinen den H urrakitsch.

G egen dieses Z eitp ro ­ dukt ist o ft und ener­

gisch gepredigt w orden, und kann nicht o ft und energisch genug gepre­

digt werden. A b e r m it dem P red igen ist dieser K itsch noch nicht aus der W e lt geschafft. W ir m ein en , zur Erkenntnis der künstlerischen und gew erblichen L ag e un­

serer Z e it muß es lehr­

reich sein, diesen Dingen ohne A ufregung ins G e ­ sicht zu sehen nnd sich klar zu w e rd e n , was

nun eigentlich in dieser AUSSTELLUNOSOARTEN; »MALERISCHER WINKEL BEIM OARTENHAUS«

K itschfabrikation in die Erscheinung tritt. — Z u ­ nächst lehrt die E xistenz des H urrakitsches ein­

mal, daß wir lange noch nicht sow eit gekommen s in d , als wir dachten.

V o r dem K rieg e m achte sich sicherlich eine H e ­ bung der G esch m acks­

ansprüche im B ild e des allgem einen L eb en s b e ­ m erkbar. D ie Fab rik an­

ten überboten sich an Eleganz ihrer E rzeug­

nisse oder doch min­

destens deren dekora­

tiver V erp ackung. D ie V eränderung im Straßen- bilde, w ie das D eu tsch­

land der letzten Jah re

»elegant« gew orden sei, ist oft genug beschrieben worden, und viele glaub­

ten, daß damit auch eine w irkliche H ebung des Geschm acksniveaus er­

reich t sei. D er H urra­

kitsch le h r t, w ie vor­

schnell dieser G laube war. G ew iß ist das P u b ­ likum für A ugendinge

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IN N EN -D EK O R A TIO N 3 99

»SCHLOSSL1 IN ZOLLIKON« DER AUFOANG ZUR OBEREN TERRASSE. ENTWURF: G . AMMANN. AUSF: OTTO FROEBELS ERBEN—ZÜRICH

em pfänglicher geworden, aber es ist darum nicht urteils­

fähiger geworden. D ie m oderne kunstgew erbliche B e ­ wegung hat gesiegt, aber unterscheiden können nach wie vor nur die W enigen. D er K rieg mit seiner U nterbrechung aller D inge w ar gew isserm aßen eine Belastungsprobe dafür, bis in w elche T iefen die m oderne Bew egung g e­

drungen sei und verändernd gew irkt habe. D er Hurra­

kitsch ist die A ntw ort. S ie besagt, daß alle A rb e it noch zu tun ist. D as große Publikum , aber auch das G ros der Fabrikanten, hat von der Bew egung nur die A u ßen­

seite erfaßt. Man hat sich die M i t t e l des neuen K unst­

gew erbes angeeignet, und gewiß sind die Eisernen Kreuze und V ivatbänd er zumeist energischer und farbiger aus­

gefallen, als sie verm utlich gezeichnet w orden wären, wenn der K rieg vor zwanzig Jahren gew esen wäre. A b e r man benutzt diese M ittel sofort, um K itschinhalte zu ver­

w irklichen, sobald dies einträglich erscheint. A u ch das sim pelste Fabrikantengem üt hatte sich in den Sch lag­

w orten »Unterordnung unter den G ebrau chszw eck« und

»M aterialgerechtheit« w enigstens eine Ahnung von den modernen Bestrebungen angeeignet. A b e r da die W affen die Stunde reg ierten , trat eben an S te lle der »T ang o­

kultur« m it ihrer Scheineleganz — der H urrakitsch mit seinem Scheinpatriotism us. —

M ancher w ird den Eindruck h ab en , mit diesen B etrachtu ngen sei im G runde herzlich wenig gesagt. G e ­ schm ack sei stets b ei w enigen gew esen, und G eschm ack­

losigkeiten habe es gegeben und w erde es geben, solange die W e lt b esteh t. — A b e r der m acht sich das V erstän d ­ nis der D inge zu leicht, w elcher m eint, K itsch sei gleich­

bedeutend m it M angel an G eschm ack. G ew iß ist je d er K itsch gesch m acklos, aber nicht je d e G eschm acklosig­

keit ist darum K itsch. Innerhalb des K itsch es gibt es sehr starke Leistungen, sogenannte Schlager, L eistungen von einer K raft der A ufd ringlichkeit, der man sich kaum entziehen kann. K itsch ist nicht einfach Unverm ögen zur hohen Kunst, sondern K itsch hat sein eigenes W ollen , hat — sit venia verbo — seinen eigenen Genius. E r kann darum auch durchaus nicht von jed em K ünstler nach B elieben geleistet werden, sondern er hat seine eigenen B egeisterten und Begnadeten. — Und erst dann werden w ir den H urrakitsch verstehen, wenn w ir seinem eigenen W e se n und W ollen nachgehen. Dazu müssen wir für einen A ugenblick analysieren, w ie K itsch zustande kommt. W enn jem and ein B ehältnis haben will, darin er einer Dame Bonbons überbringen m öchte, so kann dieses G efäß durch die V ornehm heit seiner Form und durch die Schönheit des M aterials ausgezeichnet sein.

E s kann auch gern einen ornamentalen Schm uck haben, w elcher auf die Süßigkeit des Inhaltes oder auf die Z ä rt­

lichkeit, die in der Spend e gelegen ist, gefällig hinw eist.

M it diesen natürlichen Q ualitäten, w ie man das G efäß ausstatten kann, gibt sich der H urrakitsch nicht zufrieden.

E r verleiht ihm eine Form , die w eder dem Inhalt noch

1916. X I . 3.

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400

IN N EN -D EK O R A TIO N

GARTEN OBERST NVFFELER » K1RCHBERG-(BERN). -VERTIEFTER GARTEn'V O R DEM HAUSE*

DER ZUQANG ZUM »GARTEN OBERST NVFFELER« VOM n R C T fA C T cu

YFFELER« VOM OBSTGARTEN AUS. AUSFÜHRUNG: OTTO FROEBELS ERBEN-

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IN N EN -D EKO R A TIO N 401

•GARTENHAUS IN EINEM GEMÜSEGARTEN« AUSFÜHRUNG: OTTO FROEBELS ERBEN, GARTENARCHITEKTEN-ZÜRICH

BRUNNEN IM GEMÜSEGARTEN BEIM »SCHLÖSSL1« IN ZOLLIKON. ENTWURF: G . AMMANN. AUSFÜHRUNG: FROEBELS ERBEN

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IN N E N -D E K O R A T IO N

»TEEHÄUSCHEN« IM GARTEN AD. SCH UB1GER-UZN ACH . AUSFÜHRUNG: OTTO FROEBELS ERBEN, GARTENARCHITEKTEN

daß ein gesunder M ensch an solchen Greueln Freude hat?

Denn das ist ja nun erst das w irklich R ätse lh afte: solche S achen w erden ja nicht nur fabriziert und g e k a u ft, son­

dern finden m e h r A bnehm er,als wirk­

lich schöne Form en.

D ie Freu d e an sol­

chen D ingen ist nur so zu verstehen, daß die Freud e an den unm ittelbaren Q u a­

litäten der Sch ön ­ heit verbild et ist.

Denn der besondere R eiz einer wohlpro­

portionierten Form , eines edlen M ate­

rials, so offen er zu liegen scheint, geht doch nicht einem jeden M enschen ein, sondern erschließt sich erst im lieben­

den E rfassen . . . .

D R. K. M IT T E N Z W E Y - MÜNCHEN. (Schluß folgl)

der Em pfängerin ge­

mäß ist, beispiels­

w eise die Form ei­

nes S ta b es, w ie er einem Feldherrn als Z eich en der M ar­

schallw ürde v erlie­

henw ird . H ier sind w ir an der E n tsteh ­ ungsstelle des K it­

sches angelangt. — D er K itsch arb eitet so, daß er unsach­

gem äße R em inis­

zenzen herbeizieht.

Darum hat auch al­

ler K itsch solch eine fatale N ähe zum

»Sinnigen«. E r kann d ie schöne G e sta l­

tung eines G eg en ­ standes nicht lei­

s te n ; darum zieht er unsachliche D inge heran und schm ückt nun, in friedlichen Z eiten m it T äu b ­ chen und H erzchen, in kriegerischen mit K reuzen und G ra ­ naten. — W ie aber

ist es nur m öglich, »TEEHAUSCHEN« AUS OBIGEM GARTEN. ENTW: O . AMMANN. AUSF: FROEBELS ERBEN

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IN N EN -D EKO R A TIO N 403

ZU DEN ARBEITEN DES ARCHITEKTEN RUDOLF BEH R-M Ü N CH EN

D

ie zwei H äuser, von denen hier die R ed e sein soll, stehen am A bhang des M ichelsberges in Ulm a. D.

E in e solch alte, ehrwürdige Stad t, die eben den sie er­

drosselnden Festungsgürtel gesprengt, muß ja ein Feld für moderne A rch itektu r sein. Theo Fisch er war der erste, den der R eiz dieses G egensatzes rief und der dem W illen seiner Z e it in der prachtvollen Garnisonskirche A usdruck verlieh. M ächtig steht s ie , dem Dom zum T rotz, im W eichb ild der S ta d t und in 1 0 0 Jahren wird kein einziger b egreifen , daß Fisch er überhaupt anders hätte bauen können. — O d er kürzt der K rieg endlich diese F risten ? Jen en Nachkommen wird der W ille unserer Z e it unendlich w ertvoller sein, als jed e, auch noch so glänzende Anlehnung an heute schon längst vergangene Jahrhunderte. E ch te Kunst stört sich nie und wäre sie Jahrtausende auseinander. — W ie der Festungsgürtel fiel, da kletterten die U lm er um die W e tte über seine Trümmer weg, so auch den M ichelsberg hinan. E s wurde aber nur in manchem anders gebaut als bislang, wenig besser. H ier, mit zwei ausgezeichneten Beispielen neuer deutscher Kunst, einen neuen W e g gew iesen zu haben — in der frohen Laune der Natur nahmen sie die Revolution gerne auf — ist das V erd ien st des M ünchener A rch itek ten Rudolf Behr.

D as eine Haus ist das eines A rztes — siehe Abbildung

oben. D ie A usm aße sind 1 6 x 1 3 m. E s steht in einem großen G arten m it alten Bäum en, den eine neu angelegte A llee , m it darunter durchführendem, gepflaster­

tem und schichtenw eise aufw ärtsschreitendem H aupt­

weg zum H au s, in Z ie r- und Nutzgarten scheidet.

D as Terrain vor dem H ause ist auf geebnet, einen unge­

störten, w eiten B lick über den G arten auf die S ta d t zu ermöglichen. D er gepflasterte W e g führt in einem archi­

tektonisch breit ausgebauten Em pfangshof, der das P ein ­ liche jed es Seiteneinganges in der T a t glücklich paralle- lisiert. G leich rechts vom Eingangslor gelangt man in die Berufsräum e des A rztes, während geradeaus ein hoher, schlanker Gang, durch einen W indfang abgeschlossen, in die S e ele des Erdgeschosses, die D iele führt. Z u ihren Seiten liegen Salon und Speisezim m er, letzteres durch die A nrichte mit sämtlichen Küchenräum en in V erbindung gesetzt. Ü berall hellstes L ic h t ! A u s der D iele heraus führt in sehr geschickter K urve, mit ausgezeichneter L ic h t­

führung, die Treppe ins O bergeschoß, darin sich der Fassade entsprechend, als Hauptraum das E ltern -Sch laf- zimmer befindet. E s nimmt mit seinen Nebenräumen den ganzen Balkonraum und den rechten Flü gel ein, während den linken in seiner ganzen T ie fe K in d er-Sp iel- und Schlafzim m er füllen. D ie Fassade ist klar: D as

ARCHITEKT RUDOLF BEHR-MÜNCHEN HAUS DR. BUHL. »STRASSENANSICHT«

1910. I L *.

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404 IN N EN -D EK O R A TIO N

ARCHITEKT RUDOLF BEHR—MQNCHEH. »HALLE IM HAUS AMTSRICHTER BECKH« HOLZWERK UND WÄNDE WEISS

G urtgesim s ist absichtlich tiefer angesetzt, um keine großen G egensätze aufkommen zu lassen, sondern dem Prinzip des G leichgew ichts und der R uhe zu dienen. Dem gleichen Grundsatz gehorcht die vor dem Haus undurch­

brochene Gartenm auer. E s sollte eine vornehme G e ­ schm acksinsel geschaffen w erden und das G artentor in seiner mustergültigen künstlerischen A bw ägung und Durchmodellierung bis ins kleinste ist die richtige E in­

führung dazu. — V on den Innenräumen des E rd geschosses dürften der K orridor und die D iele, in die er mündet,

von besonderm künstlerischem Interesse sein: dieser feine, schlanke, hohe G ang mit den führenden Bogen drüber, in Grün und W e iß mit schwarzem Kleinschm uck — E in­

wirkungen klassischer B eispiele aus Rom sind nicht von der Hand zu w eisen — und dann die D iele, darin der S til des Korridors in der W andschablone fein w eiter­

spinnt. D ie Linienführung ist hier etw as stärker betont.

W ied e r herrschen Grün und W e iß und Schw arz. D ie D eck e mit dem großen Beleuchtungskörper zeigt grüne S tr e ife n , schw arze Hohlkehlen ziehen ringsum. D ie

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IN N EN -D EK O R A TIO N 40 5

ENTWURF ARCHITEKT RUDOLF BEHR-M ONCHEN

m ächtigen seidenen Polsterm öbel sind schwarzbraun — grau und weinrot gestreift. D er abgebildete O fe n , mit umlaufender Bank, trägt grüne Bänder auf Elfenbeingrund (A b b . S . 4 0 5 ). — D as O bergeschoß birgt besondere Kleinodien in den beiden Kinderzimmern. D er Grundton ist natürlich weiß. V o r allem lustig aber sollte das S p iel­

zimmer werden. D arin fliegen die Farben wie die Schm etterlinge herum, und der große eingebaute S p iel­

zeugschrank ist das b este S tü ck von allen. E r ist drei­

teilig. D er m ittlere T e il überragt die Seiten teile mit einem m uschelförmigen A u fb a u , in den die Flügeltüren des M ittelteiles hinaufgreifen. D ie Seiten teile krönen je drei stilisierte E ulen, architektonisch mitwirkend. D ie ein­

flügeligen Türen der Seiten teile sind in je vier F eld er geteilt, darauf die den Kindern am besten bekannten T iere in F arb e ausgeführt sind. D ie M ittelflügeltüre ist eingeglast.

D urch sie schauen die Spielzeuge selber heraus. D iese Lösung eines Kinderspielzeugschrankes ist unendlich lustig und architektonisch w ertvoll zugleich, was bei Kinderm öbeln nicht leicht erreicht wird.

D as Haus B eck h steht auf steilerem Grund als das erste. E s lehnt sich an den P ark der W ilhelm sburg an.

HAUS DR. BUHL. »KACHELOFEN IN DER DIELE«

E ine berufliche Nebenbestimmung w ar nicht gegeben.

D er G arten hat zw ei Straßenfronten. D ie A usm aße betragen 1 5 x 1 0 m . Um so größer w ar die G efah r, daß das Haus hier turmartig w irkte. W ie der K ünstler dieser G efahr begegnete, zeugt von seiner Kunst. E r schob das Haus förm lich in den Hang hinein, füllte rückw ärts noch auf und grub vorne a b , zu ebnen, nur in der M itte zog er gleichsam mit der Hand das Erd reich an die T errasse heran und ließ es an den S eiten am H ause niedergleiten.

A lles beu gte er im vertikalen S treb en in die H orizontale.

E r unterstrich sie in dem tiefgeschnittenen D achgesim se, er setzte ein m ächtiges, schw eres D ach auf und führte dieses M otiv durch bis ins klein ste, bis in den G arten hinaus mit dem niedrigen R asen und den einsäumenden H ecken, bis das Haus wie eine Schild kröte im R asen saß.

D er Grundriß ist hier nicht w ie im anderen H ause durch die D iele, sondern durch drei Gebrauchsräum e in der Front bestimmt, ein H erren-, ein Damen- und ein Speisezim m er.

Dem Damenzimmer in der M itte liegt eine T errasse vor.

D er Eingang liegt hier rückw ärts und führt in einen V o r­

raum, dessen geringe G rö ße durch die äußerst glückliche W andführung, den B lick in das in L ich t- und Linienführung

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4 0 6 IN N EN -D EK O R A TIO N

die wiederum die A u fgabe hat, die Breitenausdehnung einer Renaissancekredenz zu unterstützen usw. Noch w ärenauch hier die G artentüren zu erwähnen, d ieM otive aus dem Innern des H auses tragen. S ieh e A b b . S . 4 0 6 .

— E s w äre allen und im besonderen dem M ichelsberg zu wünschen, daß die beiden Häuser, als ech te Beispiele unserer siegreichen, modernen, deutschen A rch itektu r, recht viele Kam eraden fänden, d r . k o n r a d w e i n m a y e r .

*

A lso ist es mit der K u n st: Nie darf ein einzelner M ensch j t x . auftreten und sprechen: Je tz t bringe ich sie euch, ich bin der Prom etheu s; in m einer S e e le allein habe ich sie vorher gefunden, hier ihr armen Sterb lichen , da habt ihr sie ! G ro ß e Künstler der V ergangenheit w aren nie E inzelgänger; sie sind in G enerationen gewachsen.

W enn man ganz große Namen verehrungsvoll ausspricht, so meint man, genau genommen, drei bis vier G enera­

tionen, die vorher w achsen m ußten, damit der E ine werden konnte. E s ist nur eine V erkürzungsbezeich­

nung, wenn man den M arkantesten nennt, denn jed er, der überhaupt K unst kennt und innerlich erlebt, weiß, daß es dem Einen gegeben wurde, die E rn te zu sam­

meln, andere aber haben vor ihm die Bäum e gepflanzt und gepflegt. E s gab sogar wohl unter den anderen etliche, die viel treuer, viel tiefer vielleicht und feiner und idealistischer waren, als schließlich der, dem es zu­

fällt, daß er der hohe Name geworden ist. W ie un­

dankbar, wenn diejenigen, w elche je tz t als unsere besten Füh rer gehalten werden, glauben wollten, sie wären nur sich allein. . . . f r . n a u m a n n . ARCHITEKT RUDOLF BE IR. HAUS BECKH

w ieder ausgezeichnete schlanke Stiegenhaus und durch die große G lastüre des in den V orraum mündenden Damenzim mers ins F re ie , nahezu annulliert wird und den Namen D iele erlaubte. (S ieh e A b b . S . 4 0 4 .) F ein ste G esetzm äßigkeit durchschreitet auch hier alle R äum e. D ie A u fg ab e w ar auch insofern hier von A n ­ fang an eine andere, als prachtvolle, alte M öbelstücke vorhanden waren, um die die Räum e gleichsam herum­

gebaut werden mußten. D ie Einteilung ist bei beiden H äusern auf der vollen H öhe unserer Z eit. E s sind alle nötigen Nebenräum e vorhanden usw. Im O bergeschoß des H auses B eck h liegt als M ittelpunkt, reich m it L ich t b ed a ch t, die K inderstube m it eingebautem W and ­ schrank, der im M otiv an die schöne G lastüre des Damenzim mers anklingt. Z u beiden S e ite n des Kinder­

zimmers liegen Elternzim m er und Gastzim m er. Daran schließen sich die D ienerschaftsräum e an. Ein beson­

deres Kapitel w äre b ei diesem H ause der Behandlung der Fußböden zu widmen. Im H errenzim m er ist er nach besonderer Zeichnung gefertigt aus gedäm pfter B uche m it amerikanischen Nußbaumriemen durchzogen. P lä tt­

chen laufen auf der D iele, Terrazzo in den N eben­

räumen und Linoleum in den Zim m ern des O b erg e­

schosses. D er Künstler hat auf die alten M öbelstücke architektonische R ücksicht genommen. H artholzm öbel stellte er auf W e iß , für die polierten erfand er andere M öglichkeiten. E s war keine leichte A u fgab e. B ehr hat sie äußerst fein gelöst. Sein F rag- und A ntw ortspiel ging auch hier bis ins kleinste. D as R o t eines fland­

rischen Sam m etsessels klingt zart in einer Bordüre nach, ARCHITEKT RUDOLF BEHR. »GARTENTOR ZUM HAUS BECKH IN ULM«

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IN N EN -D EK O R A TIO N 407

ARCHITEKT HEINZ W O L F-A U G SB U R G »HOTEL 3 MOHREN« BLICK IN DIE HALLE

DAS M ODELLSCHIFF UND SEINE ER BA U ER

M

an kann wohl sagen, daß durch den Brand und durch die Zerstörung der A lexandrinischen Bibliothek, der M useen und P aläste, die dort gesam melten ältesten M odelle griechischer und röm ischer T rieren und P enteren vernichtet wurden. A b e r nicht nur diese, für uns uner­

setzlichen B ew eise einer hochstehenden blühenden Kultur, sind, w ie der G eschichtsschreiber O rosius m itteilt, ver­

loren gegangen, sondern auch noch D okum ente der Nautik aus einem Z eitabsch nitt, der w eit über die G renzen un­

seres heutigen W issen s hinausreicht.

W a s nun an M odellen der G riechen und R öm er sonst noch vorhanden, und w as aus dem Brand der B ibliothek rechtzeitig gerettet w erden konnte, w anderte nach Rom , und erlitt dort, ebenso w ie in anderen Städ ten, durch fort­

währende K rieg e und Zerstörung dasselbe Schicksal, so- daß der F o rsch er fast allein durch das Studium alter P e r ­ gam ente sich seinen B egriff aufbauen muß, von der ein­

stigen G rö ße und P rach t dieser Sch iffe, und von der G enia­

lität ihrer E rbau er. — W ie w eit der Erfindergeist damals schon ging, bew eißt uns V itruvius, der die R uder der röm ischen G aleeren durch Schaufelräd er ersetzen wollte, und einwandfrei ist festgestellt, daß die Schiffbauer in

vollem Einklang mit der eleganten Form die Stab ilität des unter W asser befindlichen T eiles des Rum pfes nach dem »goldenen Schnitt« berechneten und konstruierten.

B is w eit ins M ittelalter hinein läßt sich diese T atsach e verfolgen, und die G aleeren, Sch ebecken , G aleassen, Bergantinen und nicht minder die G aleonen der spanischen A rm ada zeigen in ihrem Unterbau den vollen Einfluß der klassischen Baum eister. E s b estätigt dies auch der große Kosmograph M artin Behaim , ein Z eitgenosse und Freund des Kolumbus, dessen bedeutsam e V erd ien ste um die Fortsch ritte in der Nautik von unverkennbarem Einfluß waren. A u ch er war in das G eheim nis des goldenen Schnittes eingeweiht und erprobte alle seine Erfindungen an vielen selbstgefertigten M odellen, von w elchen noch da und dort irgend eines als Bruchstück in der E ck e einer Sammlung untergebracht ist, unerkannt und unver­

standen und m öglicherweise noch von sogenannter »sach­

verständiger Hand« glänzend restauriert, überm alt und blitzblank und neu aufgetakelt.

Nicht allgemein bekannt dürfte s e in , daß kein G e ­ ringerer als Hans H olbein der Jü ngere, der im V erk eh r mit der englischen Schiffbauerfam ilie P e tt stand, eines

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LINKS: TÜRKISCHE GALEERE UMS JAHR 1770 KURBRANDENBURGER KRIEGSSCHIFF VON 1680

der M odelle des bekannten Sch iffes » G re a t H arry «, das sich im Museum zu O xford befind et, fast allein fertig schnitzte. — M an vergleiche nur seine Zeichnung »ein Segelsch iff« und sein in W in d ­ sor befindliches Bild des Sch iffes » G re a t H arry« und man wird sofort verstehen, m it w elcher F reu d e er sich in dieser Z w ischenzeit auf den M odellbau w arf. — W ährend auf der ersten Zeichnung nur W ille und B egeisteru ng her­

auslesbar ist, ersieht der F a ch ­ mann auf dem zw eiten Bilde aus der A r t, wie die B ark ­ hölzer gelegt sind, den großen F o rtsch ritt und das V erstän d ­ nis H olbeins, sow ie den un­

verkennbaren Einfluß seines L eh rers im Schiffbau. P räch ­ tige M odellschiffe bauten auch der Em dener M arine­

m aler Backhuysen und der H olländer W ilhelm van der V e ld e , von dessen Bildern ganz besonders das »P ortrait«

des Sch iffes »T h e Sovereign of the S ca s « das A u g e des K enners entzückt. — U nge- mein charakteristisch für die A uffassung des M odellbaues der M eister der R enaissance und des B arock ist das W e rk des M odellisten und S ch iff­

bauers N ikolaes W itse n , ei­

nes A m sterdam er R atsh errn :

»A eloud e en hedendaegsche Scheep sbow en B estie r« , in w elchem der V erfasser uns mit großem A ufw and an G e ­ lehrsam keit über den Sch iff­

bau der A lten zu unterrich­

ten versucht. A b e r ebenso­

w enig, w ie die M aler der R enaissance eine »K reuzi­

gung Christi« ohne L ands­

knechte mit B arett, fenster- ärmligen W äm sern und H o­

sen, mit Flam berg, H ellebar­

den und kuhmäuligen Sch u ­ hen sich vorstellen konnten, ebensow enig konnte er und alle anderen M odellbauerund Schiffskonstrukteure der da­

maligen Z e it, sich einen

»MODELLSCHIFFE« ERBAUT VON KARL PLOCK-KARLSRUHE

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NEBENSTEHENDES KRIEGSSCHIFF. VORDERANSICHT RECHTS: HAMBURGER CONVOYSCH1FF UM 1705

Schiffstyp aus vergangenen Jahrhunderten vorstellen oder selbst n ach b ild en , welchem nicht der alles durchdringende B eigeschm ack der Renaissance anhaftete. V ie l trug dazu bei die große M enge vorhandener Kupfer, die damals den M arkt der Buchhändler füllten und wodurch sich m ancher b e­

wogen fühlen m ochte, auch von nicht ganz berufener S e ite aus T e x te dazu schreiben zu lassen. — D aher kam es auch, daß fast jahrhundertelang im­

mer und immer w ieder die­

selben K upfer in fast allen Sch riften , ob sie nun in A u g s­

burg oder A m sterdam erschie­

nen, w iederkehren, mit all ihrer Schönheit, Eigenart und auch m it all ihren Fehlern. — B au te nun ein N ichtkenner nach solchen Tafeln ein Modell pedantisch nach, so nahm er auch unbewußt, aber mit abso­

luter Sich erh eit gerade die­

jenigen F eh ler m it in seine A rb e it, die der W ah rh eit ent­

gegen stehen. Man bem erkt dies in erster L inie an dem übertriebenen hohen T akel, an den unharmonisch liegenden A ufbauten und an dem, was dem K enner Vorbehalten bleibt, an der unter W a sse r liegenden Form des Rum pfes. — A us der Schu le eines C . F . Boulle, des bekannten »ébéniste du roi«, gingen m ehrere spätere V erfertig er solcher M odelle hervor und auch bei uns wurde noch bis ins 19. Jahrhundert in diesem Sinne gearbeitet.

N icht zum V o rteil ist es, wenn solche M odelle fabrikm äßig hergestellt w erden, sie wirken immer kalt und verlieren an Individualität. — Ein M odell­

schiff muß geradeso w ie ein w irkliches altes Sch iff »das kühnste, sinn- und kunstreich­

ste B au w erk«, w ie unser G e ­ währsmann sich ausdrückt, auf Spanten gebaut werden, und es muß, auf Grund eines lan­

gen und gründlichen Studium s, zuerst durch genaue Z eich -

KARL PLOCK. »KURBRANDENBURG1SCHES KRIEGSSCHIFF«

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nungendes G rundrisses, der Schnitte und Seitenansichten festg estellt w erden, und zwar gerade s o , wie ein A r ­ chitekt die P läne eines Hauses zeichnet und dasselbe auf H altbarkeit berechnet, ehe er mit dem Bau beginnen kann. Dann erst wird in ihm das unm ittelbare G epräge des G eistes zum A usdruck gelangen.

Je d es einzelne S ch iff hat sein eigenes G esich t und seine P ersö n lich keit, die sich in den Linien und Form en des Baues und der Takelung ausspricht. B etrachten wir z. B . ein Seeräu berschiff aus dem 1 5 . Jahrhundert, ein

»M auretanisches Caramuzzal« — w elch ein Zug v o n V er- schlagenheit und H eim tücke ist doch dem sichtbaren äußeren Bau schon au fged rü ck t! —

Schw erfälligkeit und außer A chtlassung bestim m ter G esetze drückt sich in den Form en des schw edischen R iesensch iffes »M agelös« aus, w elches im Jahre 1 5 6 4 mit seiner Bestückung von 2 0 0 Kanonen von den kleinen leichten Sch iffen der L ü b eck er und Dänen genommen wurde, und G lanz, G rö ße und Ruhm sucht spiegeln sich in den Form en des »R oyal L ou is«, des größten Schiffes Ludwig des X I V ., dessen obere B atterie w ieder abgetragen w erden mußte, um es seetüchtig zu erhalten. — Fehl­

bauten gab es ja zu je d e r Z e it und unser Chronist schreibt darüber: »M an darf sich nicht verhehlen, daß man beynahe keinen D reidecker kennt ohne H au ptfehler; ent­

w eder segeln sie schlecht, oder ihre unterste L ag e liegt zu niedrig.« — E s kam daher nicht selten v o r, daß bei der tiefen L ag e der untersten B atterie, d. h. bei einer Entfernung von etw a 1 ,8 0 bis 2 m von der W asserlinie bis zu den G eschützpforten bei ungünstiger G elegenheit das Sch iff mit W a sser vollschlug und sank. (Schlu ß folgt.)

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D

EM E C H T E N und V ortrefflichen steht, b ei seinem A u ftreten , zunächst das Sch lech te im W e g e , von welchem es seinen P latz b ereits eingenommen findet, und das eben für Jen es gilt. W enn es nun auch, nach langer Z eit und hartem K am pfe, ihm w irklich gelingt, den P latz für sich zu vindiciren und sich in A nsehn zu bringen, so wird es w ieder nicht lange dauern, bis sie mit irgend einem m anierirten, geistlosen, plumpen Nachahm er heran­

geschleppt kommen, um, ganz gelassen, ihn neben das G enie, auf den A lta r zu setzen : denn sie sehn den U n ter­

schied n icht; sondern meynen ganz ernstlich, das w äre nun auch w ieder so E in er a r t h u r S c h o p e n h a u e r .

ENTWURF ARCH. EDUARD PFEIFFER-BERLIN -N ICO LASSEE. »KAMIN IN EINER WOHNHAUE«

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