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Die Zukunft, 21. Februar, Bd. 42.

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Academic year: 2022

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Die Zukunft » ·«

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Berlin, den U. Februar t905.

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Venezuela.

SJeiterimSeptember1899, alsUeberwinder und.Machterbedesver- Vks·

haßtenAndrade,in Caracas einzogundbalddanach auchdenkonser- vativenGegnerHernandezniederzwang,hatderGeneralCipriano Castro wahrscheinlichnichtso frohe Tageerlebtwie indiesemMonatderFebrua.

Jm Dezemberkonnte dasSelbstbewußtseineinesPräsidentenderEstados Unidos deVenezuela insWanken gerathen.Großbritanien,dasDeutsche ReichundItalien-bedrohtendenVundesfreiftaat,dernurvierKriegsschiffchen undeineCompagnie Seesoldaten hat; solltedemarmen Kleinvenedigdie Unheilszeitwiederkehren,die es,aufdenWinkKarls desFünften, denKriegs- knechtenderFugger einstalswehrloseBeutehinwarf?HerrCipriano ließden Muth nicht sinken.Gefährlich,mochteerdenken,wäre dieSache geworden, wenn diegroßmächtigenGläubigerdiekleinerenzusammengetrommeltund, mit den unterKaufleutenüblichenMitteln, gemeinsamdieschnelleZahlung derSchuldsumme verlangt hätten.DieSchiffsgeschützedesneuen Drei- bundes aberbrauchenuns nichtzuschrecken.SolangedieGläubigkk- interessennichtzu einemfestenBündel vereint sind, dürfenwirhoffen.

Deutscheund BritendrohenmitgepanzerterFaust? Schön;dannsagenwir zu YankeesundFranzosen:Wenn Die uns denletztenBolivar abprsssembleibt fük Euch an Jahre hinaus nichts mehr übrig.Undschließlichkönnen die Drängerunskeinenlange nachwirkendenSchaden thUU-DieVlokadkbe- lästigtdenEUWPäerhandelnicht wenigeralsuns;undkeinschlauerGläu- bigerwirddesSchuldnersGewinnquellenzuschütten.GreifendieBer-

«bündetenunsereKüstenplätzean,dannweichenwir insInnere-desLandes

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zurückundrührenuns nicht.WirhabenzwarkeinHeer unsere zwei- tausendMannsind schlechtbewaffnetundkaumfüreineGuerilla gedrillt——, könnenuns getrostaberaufdieSchwierigkeitderVerpflegungundaufdas Klima verlassen. Auch dürfteNordamerika nicht dulden, daß europäische TruppenunserGebietbesetzen;sonstwäre die Monroe-Doktrin janurnocheine Prahlereivon vorgestern.DieRechnungwar richtig.Immerhin sahdie GeschichtenochimJanuar nicht gerade anmuthigaus. GrafBülowsagte imReichstag: »GegenüberVenezuela handeltessich nichtallein um Geldsorderungen,sondern auch darum, unser Ansehenzuvertheidigen,das durchdasVorgehendesPräsidenten Castro, durchdieArt,wieer be- rechtigte Forderungenineiner schonend ausgedrückt unhöflichen Weise zurückwies,verletztworden is.« Dasklangwie eineFanfare. Das konntenurheißen:derkleineMestizenhäuptling,der gegen dengroßenweißen Mann ausNorden frechzu werden wagte,wird, selbstwenn ersichend- lichzurZahlung bequemt,demArmdesRächers nichtentgehen. DochHerr Castro hat starkeNerven undbebtenicht einmal,alsimPuertoCabellodie deutschenSeeleutefünfzehnvenezolanischeSegelschiffewegnahmenundals der»Panther«dasFortvonMaracaibo beschoß.AmEndefreuteersich gardieserThaten,dieinNew-York,inLondon undParisverstimmenmußten.

Seht Jhr, spracher: anuns wirddasersteExperimentgemacht; unsere Schulden sindnurderBorwand;derdeutscheJmperialismuswill auspro- biren,wie weiterungefährdetin Südamerika gehen darf; undwennJhr ruhig zuschaut,könntJhrnächstensnochnettereDingeerleben.Schon vorher hatteerdasSchicksal seinesLandesunter denRichterspruchdermäch- tigenNordunion gestellt.DeramerikanischeGesandtevertrat mitzäher YankeeschlauheitdieInteressen Venezuelasgegen denGläubigerausschuß.

HatEuerJamesMonroe nichtdieBrüdergemeinschaftallerAmerikaner feierlichdemErdkreis verkündet? Weht nicht auchuns einSternen- bannervoran?...Castro hat seineTrümpfeunddieSpielfehler seinesHaupt- gegnersklug ausgenütztBaldschiendieplumpeAktion derGläubigereine LebensfrageamerikanischerSelbständigkeitOnkel SamwarinhellerWuth, riefdesHimmelsZornaufdie frevlenGermanen herabundbeschloß,schnell neue Kriegsschiffezu bauenunddie alteneinstweilen,zueinschüchternder

.Demonstration,anEuropensKüstezuschicken.DieEngländer,die dasvon Eduards effektsüchtigerLaunegeknüpfteBündniß längst geärgert hatte- wurden sehrnervös unddrängtenzumSchlußderTragikomoedie.Und als dieZeitderFebrua nahte, hattendie drei Verbündetennurnochdeneinen

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Venezuela. 29 l Wunsch,denheiklenHandelso schnellwiemöglichausder Welt zuschaffen, undvonderangedrohten Sühnewar nicht mehrdie Rede.DonCipriano kannlachen;vordreiMonaten wurde ernicht höher geschätztalsandere DutzendgeneraleundDutzendoerschwörerderMestizenrepublik:heute feiern Nord und SüdderNeuenWelt ihnals nationalen Helden.Undauchseinem LandistdieKrisis gut bekommen; früherwollte demschlechtenZahlerNie- mand mehrGeldborgen:jetztbietendie MillionäreineiferndemWettbe- werbihm DarlehenanundCarnegieerklärtsich, ohne Sicherheit, ohne Rückzahlunsfkishbereit, fast zweiMillionenBolivares vorzuschießen,damit derDeutschediefreien Republikaner nicht längernoch quälendürfe.

Jn würdigemTonaber, ohneeitlesGespreiz,meldetderKanzlerdes Deutschen ReichesdenvomVolk Erkürten: »Venezuelahat sämmtlichevon Deutschland erhabenen Forderungenalsberechtigtanerkannt.« Undseine Leuteschreiben,wiederhabederErfolg bewiesen,daßnur kurzsichtigeThoren unsereinternationale Politiktadelnkönnen. BiszumfünfzehntenJuli1903 wird Allesbezahlt sein,wasDeutsche,alsErsatzdesinfrüherenBürger- kriegenihnen zugefügtenSchadens,vonVenezuelazufordern haben.Das istfreilichnurderkleinereTheildervenezolanischenSchuld.Dieübrigen, umdasDoppeltehöherenForderungenwerdeneinerKommissionvorgelegt, die in Caracas tagenund in dieDeutschlandundBenezuela jeeinen Ver- tretersendenwird. »Diese Kommissionhat sowohlüberdiematerielle Be- rechtigungdereinzelnenForderungenwie über derenHöhezuentscheiden.

Bei denReklamationen wegenwiderrechtlicherBeschädigungvon Eigen- thumerkennt dievenezolanischeRegirung ihreHaftpflichtimPrinzipan,so daßdieKommissionnichtüber dieFrage derHaftpflicht,sondernledig- lichüberdieWiderrechtlichkeitderBeschädigungoderWegnahmeund überdieHöhederEntschädigungzubestimmen hat.«Können die bei- denMitgliederderKommissionsichnicht einigen, so ist,,zurEntscheidung ein Obmann zuzuziehen,dervomPräsidentenderVereinigtenStaaten von Amerikaernannt wird«. DieFrage,ob dieAnsprücheder drei verbündeten MächtevordenenandererStaaten zubefriedigensind;wird derSchieds- gekichtshvfimHaagbeantworten. DiebeschlagnahmtenSchiffe sindder venezolanischenRegirungzurückgegebenworden« und die Blokadehat auf- gehört.DasistderErfolg,den dieOffiziöseningedämpftenChören prei- sen.EhewirdieBerlustlisteprüfen,wollen wirsehen,wasdennnuneigent- lichgewonnenist- Daß Benezuela sicheinesTags entschließenmußte,zu- nächsteinenTheil seineraltenSchuld abzuzahlen,warniezweifelhaft;ebenso

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wenig, daßdiefrühergeforderteBarzahlnngvon31X2Millionen Bolivares überdieKraftdesvonPutschen erschöpftenLandesging. Sicheristunsauch jetztnurdieHonorirungdererstenForderung; die anderen»werdenimPrinzip alsberechtigtanerkannt«.Jm Prinzip:in demSchreibendesKanzlers,das demReichstagdasEnde desHadersmeldet, fehlendie beidenWörter,diedoch nichtganzunwichtigsind.Anerkannt wirdnämlichnurdasPrinzip:fürwider- rechtlicheBeschädigungvonEigenthum hatdieRegirungderRepublikzu haften.Ob aber einewiderrechtlicheBeschädigungvorlagundwelchenBe- tragimeinzelnen FallderGeschädigtezufordern hat:Das soll erstdie Kommissionentscheiden,in derzweiAmerikaner,einer ausNordundeiner ausSüd,denDeutschenstets überstimmenkönnen.JmHaagwerdenYankees undFranzosendasgeforderte Vorzugsrechtder Berbündeten energischbe- streitenundEnglandwird esgewißnicht sehreifrig vertheidigen.Wahrschein- lichwerdenwirnachall demGetösealso erreichen,wasandereMächteohne denDonner vonSchiffsgeschützenaucherreicht haben.UnddieserDonner gehörtnichtzu denbilligen Nationalvergnügungen.DieBilanzdes Unter- nehmens ist schlecht,so schlecht,daßeinBankdirektor,dersiein dieGeneral- versammlung brächte,einen Sturm fürchtenmüßte.DieKostenderZwangs- vollstreckungwerdenvielleichtbeträchtlicher,sichernicht geringer seinals die einzutreibendeSumme. Wiewürde einKaufmann beurtheilt,derhundert MarkanGebührenzahlte,umeinemSchuldner sechzigMarkabzupfänden?

Abereshandeltsich ja ,,nichtalleinum Geldforderungen«. Castrowar frech,dasAnsehendesReiches stand aufdemSpielundGrafBülowdenkt, wiederDänenprinz:Greatlyis to findquarrelinastraw whenhonour

’s at the stake. Nur...DonEipriano lacht nochimmer. KeineKriegs- entschädigung,keineSühneseier,dienachderRömersittedochin denFebruar passenwürde; nichteinmaleinehöflicheVerbeugungDasgroßeDeutsche Reich, dessenhöchsterVertreter sichden»AdmiraldesAtlantischenOzeans«

nennt,hatdieOperettenrepublik nichtzubedingungloserNachgiebigkeitzu zwingen vermocht.Leiderlacht nichtnur Herr Castro.Hübschaberistsund rühmlich,daßderKanzler, ohneeitlesGespreiz,imruhigen Brusttondes Starken vondemneusten Triumph seiner Staatsmannskunst spricht.

Hat-HerrvonHolleben,HerrvonPilgrim-Baltazziihmnieberichtet,daß

«die Südamerikaner sehr stolze,sehr empfindliche,sehrrachsüchtigeLeutesind, die eine Sündegegen die GebotefeinsterHöflichkeitnieverzeihen? Daßin Benezuela seit Jahrzehnten deutscheGeschäftebestehen,derenBedeutungdie derHansemannbahnweitübertrifft? Daß England fast ausschließlichan

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Venezuela. 293 veneZiolanischenMinen-undVerkehrsunternehmungen betheiligtist, deutsche Firmenaber einengroßenTheildesExporthandelsbeherrschenunddurch reichlicheKreditgewährungsicheine beneideteStellunggesicherthaben? Daß dieYankeeslängstaufdieGelegenheitwarten, diesievondieserlästigenSupre- matie desdeutschenKaufmanns endlichbefreit?Undwenn dieGesandtenihn imStich ließen:warum fragteernichtanderWasserkante,eheerKriegsschiffe nachMaracaibo schickte?Jeder hanseatischeCommis hätteihmabgerathen.

Jetzt isteszuspät.DerdeutscheHandelwird in Südamerikabald dieFolgen einerPolitik spüren,die derNordunion denstolzestenTriumph,demDeutschen ReichdiekläglichsteNiederlagebereitethat.Diekläglichste;selbstdieskrupellose FälscherkunstderTroßbubenkannsieaufdie Dauernicht verschleiern. Fran- zosenundRussenhöhnen:DasAbenteuerwird denDeutschentheuerzustehen kommen. DurchdieVereinigtenStaaten geht eianthschrei gegen das Volk desAltenFritzen(dessenDenkmalNiemandim Lande des Sternenbanners sehenmag)undamerikanischeOffiziere, amerikanischeMillionäreschwören, laut, öffentlich,demnächstenVersuch Deutschlands,in denjüngerenKonti- nenthinüberzugreisen,werdeeineleidenschaftlichenationale Erhebungant- w»rten.EnglischeMinister müssentausend Ausflüchteersinnenundtäglich entschuldendeWortestammeln,weilsie gewagt haben,einem aufeinen einzelnenFall beschränkten—BündnißmitDeutschlandzuzustimmen.Das geschiehtnachdemBurenkrieg,derohne Deutschlands stille Unterstützung derAnfangvomEndebritischerWeltmachtgewordenwäre,nachall denzucker- süßenReden,diewährendderletztenzweiJahreüber denOzean gerufen wurden. Nieward,seitderDeutscheeinReich hat, annäherndAehnliches erlebt.Bismarckpflegtezusagen,andemTage,woihmdieErkenntnißge- kommenwäre,daß seinWirkendemVaterland Unheil gebrachthabe, hätte ersich,wie inHellasundRom mancher starkeGreis, mit eigenerHandaus demWege geräumt. GrasVülow wird weiterleben undweiterlächeln.Er kannnochvielebismärekischeReden zuunrichtigerZeit paraphrasiren, noch viele WortegroßerundmittelwüchsigerDenkerfalschcitiren.Eristmitsich sehr zufriedenundseineblendendeUnfähigkeitgefälltdeninstrengerZeitung- zuchtErwachsenen.Aucoeur legerrufterzwischenzwei Schlappev,die Schwarzsehereiseinun mal der alteNationalfehlerderDeutschen;eraber ziehederKassandrarolledieHektorsvor.Wunderhübfch.DochHektorfvcht Undfiel für fein Volk;undnichtalsgeschniegelterRedner lebterimLied.

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Schopenhauers Wille.

ürmituns,dem Denkendie wirnichtzusammenfällt,einenAugenblickdaß dievergessenBegriffekönnen,derSprache sich aufdaßdieSprache ihre Herkunft hin legitimiren müssen,daßdieSpracheoderdasDenkenmit illegitimenBegriffen nichts anzufangen weiß, füruns wäreSchopenhauers legendarischerWille bald bei Seite geschafft.Wollteich fremdeBegriffejedoch

nur von meinemGrundgedankenaus kritisiren, sowürdeichdenselben Fehlerbegehen,denSchopenhauerindemSatz begeht:»Die Motivation ist dieKausalität,von innen gesehen-«Will ich SchopenhauersWillen,der zueinem Scheinbegriffdergebildeten MenschheitEuropas geworden ist, bekämpfen,danndarf ichmeineneigenenGrundgedankenalsvielleichtbloßen Worten nichtvertrauen, dann mußich vielmehrdieUnhaltbarkeitdesBe- griffsausihm selbst heraus nachweisen. Hierwieauch sonstbeiderKritik fremderAnsichten,fremderWorte: gehe ichvonmeinemGrundgedankenaus, soschwächeich ihn,indemicheinSystemaus ihm herausspinne. Vernichte ichfremde AnsichtenundWortevoraussetzunglos,so stärkeichmeinenGrund- gedanken,indem ihmimmer wiederneuer Stoffvon selbst zugeführtwird, von selbst freilichnur soweit,wiemeinGedankengangnichtvon derun- bewußtenEitelkeitauf meinRecht, alsovon meinemJnteresse gelenktwird.

Eswirdabernicht schwer sein, nachzuweisen,daßderWille zur Vor- stellung:oderErscheinungweltgehört, sogut wie die Motive zu denUrsachen gehören. Vorheraber müssenwiruns klarmachen,womöglichmitden einsachstenWorten undohne Rücksichtauf irgendeinePsychologie,waswir eigentlichunter demWort »Wille« verstehen.DasWortinSchopenhauers Sinn gehtuns bisdahin nichtsan. AberauchderWillealseinegeheime KraftdermenschlichenSeele, alsEtwas,überdessenFreiheitoderUnfreiheit

man streiten kann,ist offenbareinmythologischesAbstrakt11n1.Manmüßte einmittelalterlicher Wortrealist sein,um imWillen, weil das Wort einmal vorhanden ist,auchldasSubjekt irgendeinerThätigkeitzusehen.Sowenig esinderNatur, außer undüberdenErscheinungendesLebens, eine be- sondereLebenskraft giebt,ebenso wenig giebtesaußerund über deneinzelnen Willensakten einenbesonderenWillen. Undich halteesfür verdienstvoll, wennichderLebenskraft,dieendlichausdemwissenschaftlichenSprachgebrauch hinausgeworfen ist,nun auchdieWillenskrastoder denWillennachzusenden mich anschicke.DieVergleichungzwischendemWillen unddemLebenin derNatur wirduns auchweiterfördern.

Esist ausgemacht, daßunsere KenntnißvonderWeltausdenSinnes- eindrückenbesteht,diewirempfangen.Alle unsere Sinneseindrücke oder Wahrnehmungen,diesichdann zuVorstellungenund Begriffenaddiren,

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Schovenhaners Wille. 295 haben aber neben ihremspezifischenWerth,als,zumBeispiel,Dem,was wirsehen, hörenu.s.nocheinestärkereoderschwächereBeziehungzu unserem Interesse. JchwilldietechnischenAusdrücke derneuern Psychologie hier nichtanwenden,sondernnur sagen, daßallunsereSinneseindrücke uns entweder angenehmoder unangenehm sind; dieses Verhältnißzuunserem GefühlistindenmeistenFällenso schwach,daßwiresgewöhnlichgarnicht beachten.AberdasGefühl istdaundmußwohlimmer inirgendeinem- wenn auch noch so schwachen—- Grade vorhandensein,damitwirunsere AufmerksamkeitÜberhauptausdenSinneseindruck lenken. Unsere Wahr- nehmungensind also Wirkungen äußererUrsachen,dieunserInteresse,wenn auch noch so leise, berühren.Für denGefühlswerthdieser Berührunghaben wirnur deshalbkeineallgemeinen Worte,weilwirmitGefühleben Das zubezeichnenpflegen, wofürwir keineWortehaben.Wir sind alsobei unserenWahrnehmungenderleidende Theil; unserLeib,insbesondere seine spezifischenSinnesorgane,erleidendieWirkungenäußererUrsachen.

Handelnwirnun, so liegtderselbe Vorgangvor, nurinumgekehrter Richtung.Dann istdieAußenweltleidendundwirsindthätigAeußere Ursachenbewirkenunter demNamen derMotive unsere Bewegungalseine Wirkung;unddiese WirkungwiederwirdzurUrsache einer äußerenVer- änderung.Genauebenso istdieEntzündungdesPulversimGewehrlauf dieWirkungvom AufschlagendesHahnes,aberauchdieUrsachevon der AusdehnungderGaseundvom HeraustreibenderKugel. Jn derewigen KettederKausalitätist immerund überalljedeVeränderungdieWirkung einervorausgegangenenund dieUrsacheeinerzukünftigenVeränderung.Jedes GeschehenaufderWelt, jede minimalste VeränderungisteinZwischenglied zwischeneinerentfernteren Ursacheundeiner entfernterenWirkung.Bei denmenschlichenHandlungen istDasdereinzigeUnterschied,daßunsereigener Leib dasZwischengliedist.Undwährendbei denäußerenSinneseindrücken diesesLeibesderGefühlswerthoderdieBeziehungzuunserem Interesseein geringerer istunddarum gewöhnlichkeinenbesonderen Namen hat«istderl GefühlswerthunsererHandlungeneinsehr starkerundhatdarum einen besonderen Namen erhalten:dasWollen. DieSprache setzt mich hierin Verlegenheit·Jch habe vorhindasAbstraktum »Wille« abgelehntundnur dieeinzelnenWillensakte gelten lassen.Nunaberentdeckenwir,daß diese einzelnenErscheinungendesWollens garkeine AkteoderHandlungen sein können, sondernnur siebegleitenoder vielmehr ihnen vorausgehen,zum Augenblickevorausgehen. Unsere Bewegungsgefühlesinduns bekannt; sie sindsodeutlich,daßsieunseinBildderunmittelbar folgendenHandlung vorausgeben,unddieFolgen dieser Handlung sinduns aus unserer Er- fahrung nicht mehrundnicht wenigerbekanntals andere Erscheinungender

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äußeren Welt. Viel lebhafter alsoalsbeiden Sinneseindrücken, die in Milliarden aufuns-einstürmen,habenwir darum beiodervor unseren HandlungendasGefühl,obsieoderihre Folgenuns angenehmoderunan-

genehm seinwerden· DiesesGefühlnun drücken wir, weilesuns nah angeht,miteinemBegriffaus;wirsagendaseineMal: »Ichwill«, das andereMal: »Ichwillnicht«.DieFrage,obdieses Gefühlsich zwischen dasBewegungsgefühlund diewirklicheHandlung drängenkann,ob die AusführungderHandlungvon diesem Gefühlabhängigist,wärein anderem Zusammenhangzubeantworten. Hier handeltessichnur darum, festzu- stellen, daßdersogenannteWillealsKrafteinmythologischesAbstraktum ist,inseinen einzelnenErscheinungenjedochnur einGefühl,alsoeinSinnes- einsdruck,dersichvondenfpezisischenSinneseindrücken ebennur durch seine Unbestimmtheit unterscheidet.Er isteinebesondereArt dessogenannten Gemeingefühles,sofernersichnicht aufdenunmittelbaren Zustand unseres Leibesbezieht, sondern auf unsere Erwartungvom künftigenZustand. Unser Gemeingefiihlläßtuns,wenn wirnichts dazuundnichtsdavonthunkönnen, sagen: »Ich fühle mich wohl«;oder:»Ich fühle mich nicht wohl«;die Er- wägung: »Ichwerdemich danach wohl fühlen«oder: »Ichwerde mich danach nicht wohl fühlen«drücken wiraus durch: »Ichwill« oder»Ichwill nicht«. Ich glaube nicht, daß ich nochEtwas hinzufügenmuß,ummir zugestehenzulassen, daßdieseGefühle,diewirErscheinungenunseresWillens

zunennen gewohntsind, einzigund alleinunserer Vorstellungweltangehören.

Schopenhauer also,derdieBetrachtungderWeltalseinerVorstellungvon denEngländernundKant übernommen, dieBetrachtungderWelt alsWille jedochneu hinzugefügthat, hätteals Inhalt seines Hauptwerkes richtiger angegeben,eshandlevonderWelt alsunsererVorstellungund von der Wichtigkeitdersogenannten Willenserscheinungenindieser Vorstellungwelt.

DerWilleist schondarum völligungeeignetzurWelterklärungoderWelt- beschreibung,weiler derunklaren unddunklenGefühlsweltangehörtund esdoch sinnlos ist,dieBegriffswelt durchdieGefühlswelterhellenzuwollen, dasHalbdunkel durchdasGanzdunkel.

Jchwerdenun aneinzelnen Punktenzuzeigen suchen, welcheKon- fusion Schopenhauerdadurch angerichtethat, daßerunser erkennendes Organ inVerstandundVernunft gespalten,unddadurch, daßerdie zu erkennende WeltinVorstellungundWille auseinandergelegt hat-

In seiner Abhandlungüberdievierfache Wurzeldeszureichenden Grundes hatSchopenhauereineumfassende Erkenntnißtheoriezugebenge- sucht.DieErkenntnißderWeltbesteht nach allgemeinemSprachgebrauch darin,daßwirfür Alles,wasist,denGrund suchen,warum essei. Mit

·

dieser Frage stehtderMenschderWelt gegenüber,dasSubjektdemObjekt.

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SchopenhanersWille. 297

Schopenhauerlehrt undistda inUebereinstimmungmitschlechtenSprach- gewohnheiten vierKlassendesBegriffes ,,Grund«:dieUrsachedesGe- schehens,denGrund einerEinsicht,dieGrundlage geometrischerVerhältnisse unddasMotiv desHandelns. WirhabendenmathematischenBegriffin diesem Zusammenhangeausgeschiedenund haben die Motive alsgewöhn- licheUrsachenerkannt. Danachbleibennur zweiKlassen übrig:dieUrsachen desGeschehensoderWerdens und die Gründe desErkennens;deruralte UnterschiedzwischenwirkendenUrsachenundErkenntnißgründen.NachSchopen- hauer ist derVerstandderStatthalterderersten Provinz,dieVernunftdie Statthalterinderzweiten.Und über dieVerschiedenheitderbeidenGeschlechter ließen sichebenso billigwiegeistreichanmuthige Bemerkungenmachen,die sogar Schopenhauernicht ganz verschmäht.Erhatvor derSpracheeine so hohe Achtung,daßersogarausihren Schnörkeln nochzulernen sucht.

HaltenwireinstweilenSchopenhauers UnterscheidungzwischenVer- standundVernunftfest. Jhtn ist VerstanddieGeistesfähigkeit,dieWirkungen auf ihreUrsachenbezieht,diealso sowohldieewigeKettezwischenUrsachen undWirkungeninderAußenweltbegreiftalsauchdieseselbe Außenwelt überhaupterstausihren Wirkungen auf unsere Sinnesorgane erräth; ihm ist, miteinemWort,derJerstanddasOrgan fürdiewirklicheWelt. Es istklar,daß nach dieserDefinitionjedes Thier, auchdasniedrigste,einenin seiner Artvollkommenen Verstand besitzenmuß.DieQualle hat Verstand genug, umdieAußenweltnach ihrem Interessezubegreifenundsich soals SubjektdemObjekt gegenüberzuerkennen,wenn auchschwerlichmitdem BewußtseinundderGewohnheit, so schönephilosophischeAusdrücke zu ge- brauchen.DieQualle istaberegoistischgenug,ihren Verstandüberdieses Verhältnißnicht hinausschweifenzulassen.DasVerhältnißderObjektezu einander interessirtsienicht;siehatdieVerdunstungdesWassersinder Sonnenwärntenicht studirtunddarum auchdieDampfmaschinenicht erfunden.

Schopenhauerselbst bestehtwiederholt darauf, daß auchdiesBegreier von UrsacheundWirkung zwischendenObjektenderAußenweltzuden ArbeitendesVerstandes gehöre.EsentsprichtganzdieserAuffassung,wenn

ersogroße Entdeckungenwiedie derGravitationthatsachen durch Hooke (die denBerechnungendurchNewtonvorausgingen)unddesSauerstoffes durch Lavoisierdiesem Verstand zuschreibt,dersichvom thierischenJetstandnur dem Gradenach unterscheidet.Schopenhauerkommt derWahrheit nahgenug, wenn eran dieserStelle solche Entdeckungenunmittelbare Einfälle nennt, währenddieSchlußfolgerungen,die zu denFormulirungen solcherEntdeckungen führen,derVernunftnur gestatten sollen,dieEntdeckunganderen Leuten deutlichzumachen·Wenn inmeiner Sprachkritikgelehrtwird,daß jeder FertschrittinderWelterkenntnißnur von Beobachtungenherkomme, daß

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alleSpracheabernur denZweckderErinnerungundMittheilung habe, so dürftedamitAehnliches gesagt sein.Nurverzichteichdabeiauf die beiden Gottheiten VerstandundVernunftunderfahre vielleichtnebenbei,wasdie allverehrte menschlicheVernunft eigentlich sei, nämlichnicht mehrundnicht wenigeralsdiearme menschlicheSprache. Nach Schopenhauer entsteht stattderWirklichkeitderbloße Schein,wenn derVerstandsich irrt,statt derWahrheitderJrrthum,wenn dieVernunft sichirrt. Wirerfahrenaus unsererKritik derLogik,was esmitderWahrheit auf sich habe: wahr ist, wasdemSprachgebrauchnicht widerspricht;dieWahrheit besitzt,wer seine Muttersprachemit gutemGedächtnis-richtiganwendet. Schopenhauerbrauchte nurmiteinemfestenSchrittaus feinem metaphysischenNebelherauszutreten,

-um dieJdentitätseiner Vernunftund unserer Sprachezuerkennen. Er sagt,dieVernunft bringe ihre wichtigstenLeistungendurch HilfederSprache allein zu Stande: Kultur undStaat, WissenschaftundReligionen,Denken undDichten.WasmagdadieVernunft selbst, alsodasDenkorgan,für einmerkwürdigesWerkzeugsein,wenn sie ihre einzigeLeistung,dasDenken eben,durchdieSpracheallein zu Stande bringenkann?JstdieSpracheetwa

nur einHilfswerkzeugdesWerkzeugesVernunft?Odersolltedie Vernunfthinter derSpracheamEndedochnur derGottsein,derhinterdemDonner steckt?

Wenn inder»JungfrauvonOrleans« derDonnersichgegeuJohanna aussprichtundderPöbelmitdemHofunddemErzbischofimDonner die SpracheeinesGottesversteht, sonennen wir DasAberglauben;derDichter behandeltdenAberglaubenalspoetischesMotiv. WollteabereinPhilosoph unter denZuhörernnun garauseinandersetzen,derDonner sei einmangel- haftesWerkzeugGottes,Gotthabe seineGedankendeshalb nichtklargenug aussprechenkönnen,sowerden wirwohl endlichungeduldigwerden. So aberscheintmirSchopenhauerzuspekuliren,wenn er, nichtgarweitvon derrichtigenBeobachtung, zugiebt,dieSprache,alsdasunentbehrlichsie Mitteldes Denkens,sei dochzugleicheinbeschwerendesundhinderndesMittel, s»weilsiedenunendlich nuancirten, beweglichenundmodisikabelnGedanken ingewissefeste,stehendeFormen zwingeund, indemsie ihn fixire, ihnzu- gleichfessele.«HätteSchopenhauerdiese Spurmitseinem überlegenenScharf- sinnund seinerweithöherenFähigkeitabstraktenDenkens weiterverfolgt:

ich hättemeinBuch ungeschriebenlassenkönnen. AberSchopenhauer glaubt nun einmal andieVernunftalseinen Gott undandieSprachealsihren Propheten.DasHinderniß,daserinderMangelhaftigkeitdermenschlichen Sprache deutlich sieht,werdedurchdieErlernung mehrerer Sprachenzum Theilbeseitigt, sagter. Ganz richtig,denndieJnhaltederentsprechenden

·Worte verschiedenerSprachendeckensichniemals vollständigundsobesitzt, wer mehrereSprachengenaukennt,mehrGedanken oderBegriffealsEiner,

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