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Die Zukunft, 21. Februar, Jahrg. XXVIII, Bd. 108, Nr 21.

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(1)

XXVlil.jahrg. Berlin, den 2l. Februar 1920 Kr. 2l

ie Sukunft

Herausgeber

Maximilian Harden

INHALT Nach Aschermittwoch . . . .

Nachdruck verboten

Erscheint jeden Sonnabend

Preis vierteljährlich 10,— Mk., das einzelne Heftel— Mk.

Seite

2 1 9

B E R L IN

Verlag der Zukunft

Großbeerenstraße 67

(2)

Jtbonnementspreis(vierteljährlich) M. 10, pro Jahr M. 40.— ; unter Kreuzbandbe- AlleinigeAnzeigen-Annahme zogen, Deutschlandund OesterreichM. 10.65, pro Jahr M. 4260; AuslandM. 11.30, pro JahrM. 45.20. der Wochenschrift „DieZukunftnur durc* BestellungennehmenalleBuchhandlungen uud Postanstaltenentgegensowieder BerlinW^Podamer'straße23a VERLAGDERZUKUNFT, BERLINSW. 47, Großbeerenstraße 67?Fernspr. tzow7724, I Fernsprecher tzow*$ig3,3463.

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(3)

Nach Aschermittwoch

F i s c h * E s s e n

V v / e n n in das H aus einer preußischen, bei einer anderen v deutschen Regirung beglaubigten deutschen Gesandt*

schaft ein preußischer Richter eingedrungen wäre, den Miß*

brauch des Hoheitrechtes, staatlicher Siegel und Stempel be*

hauptet, Akten und Kasse in Beschlag genommen, den Kanzlei*

direktor verhaftet und in weitab liegenden Gewahrsam weg*

geschleppt, den Gesandten selbst und dessen Ersten Sekretär mit einem Strafverfahren bedroht hätte, wäre vom W iderhall eines W uthschreies oder Spottgelächters Alldeutschland wach gew orden. Jetzt schweigen, nach kurzem Gezwitscher, alle Vöglein im W a ld e ; und doch ist dem angedeuteten Vorgang Aehnliches geschehen. Im berliner Bankenviertel ist seit einem Ja h r der Sitz der.Reichsfischversorgung G m b H , die aus der nicht gerade in lieblichem Ruch verblichenen Central»Einkauf*

G esellschaft hervorgegangen und die Kuppel über (wenn mein G edächtniß nicht irrt) siebenundzwanzig Fisch»Ver*

sorgung*Stellen geworden ist. O b die Fische versorgt wur*

den, weiß ich nicht; daß die Versorgung deutscher Menschen*

magen mit Fischen nicht völlig gelang, wissen wir Alle. In der Kriegszeit waren große Theile der See nicht befahrbar, große Theile des Fischervolkes im Feld. H eute hindert das unaufhaltsame Sinken deutscher Valuta die Einfuhr frischer

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Fische (außer H eringen) und die heimische Fischerei hebt sich nur allmählich. Die Reichsfischversorgnng führt, als staatliches Organ, die Aufsicht über und die Finanzgeschäfte (Kreditverhandlungen mit dem A usland) für die selbständig wirthschaftenden Fischhändlersyndikate und ist dem Reichs*

wirthschaftministerium unterstellt. Ihre G eschäftsantheile gehören dem Reich, dem ihrG ew inn, ungeschmälert, zufließt.

Sie ist (nicht nur berechtigt, sondern) verpflichtet, die ohne Erlaubniß eingeführten Fische, die auf Schleichwegen in den Handel gebracht worden sind oder werden sollen, in Beschlag zu nehmen, und darf, um die Im portirer von dem verbotenen W e g abzuschrecken, ihnen nurBruchtheile des Einkaufpreises bezahlen. D as hat sie gethan und dadurch den Z orn mancher Händlergruppen geweckt. Gegen eine essener Firm a hat sie»

wegen Um gehung amtlicher Vorschriften, Strafantrag gestellt.

Flink antwortete die beschuldigte Firm a mit dem A ntrag, die Reichsfischversorgung dafür zu strafen, daß sie spottbillig, durch Gewaltanwendung, erworbene Fischmengen zu hohem Preis auf den M arkt bringe, die H ändler an wohlfeiler Volks*

ernährung hindere, also Preiswucher und Kettenhandel treibe*

Ein W itz ? D ie Staatsanwaltschaft am Landgericht in Essen nimmt die Sache feierlich ernst; sie fordert einen H aftbefehl gegen den M ann, der den aus Babel^Berlin eingelaufenen Strafantrag unterschrieben hat, und erwirkt, daß der mit der U ntersuchung beauftragte Richter von der Ruhr an die Spree fährt, um in den Geschäftsräumen der Fischversorgung die Bücher zu prüfen, in denen gewiß allerlei Schiebungen ver*

schieiert seien. D er Richter kommt, sieht, hört, daß der zu<*

nächst Verdächtigte (d er obendrein N athan heißt) schon aus dem Vorstand der Gesellschaft geschieden, doch ersucht worden ist, als der Erfahrenste noch ein wichtiges G eschäft n N orw egen zu erledigen: und meint, durch diese That*

sache sei Fluchtverdacht begründet. E r nimmt die Guthaben der Gesellschaft, ungefähr hundert M illionen M ark, und die G eschäftsbücher in Beschlag, zieht den Reichskommissar für Fischversorgung, den juristischen Beirath und zwei an*

dere Geschäftsführer in Voruntersuchung und bringt H errn N athan ins essener G efängniß. D a sitzt seit etwa vierzehn

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Tagen der M ann, der sich, ohne Eigennützen, für einen nach seiner Lebensgewohnheit kaum nennenswerthen Entgelt, in den Dienst des Reiches gestellt hat, für einen wichtigen über*

seeischen Bankposten auserwählt und nur, auf drängendes Bitten des Reichskommissars, zu Abwickelung des norwe*

gischen Geschäftes noch im Amtsbezirk geblieben war. Seine Beschwerde, sein A ntrag, ihn gegen Kaution aus der H aft zu entlassen, ist vom Landgericht abgewiesen worden, dessen zu*

ständige Strafkammer die Angabe, das Reichs wirthschaftmini*

sterium billige das Geschäftsverfahren der Fischversorgung*

Gesellschaft, für unglaubhaft, für erlogen hält.D aß dieses Ver*

fahren bis ins Kleinste der Vorschrift genügte, hat öffentlich selbst der für Handelsfreiheit kämpfende Verein D eutscher Fischhändler bestätigt, der sogar den für vorschriftwidrig ein*

geführte Fische gezahlten „niedrigen Strafpreis“ noch zu hoch findet und empfiehlt, „jede widerrechtlich eingeführte W aare zu G unst des Reiches verfallen zu lassen“ . Dem Reich ge*

hören die in Beschlag genommenen Guthaben. D aß nichts ver*

schieiert noch verschoben, nirgends ein unziemlicherGewinn, nur der winzigste, gesäckelt wurde, ist gew iß; und könnte irgendwo Ungehöriges entdeckt werden, so würde die Reichs*

behörde, nicht H err N athan, verantwortlich. T h u t n ichts:

der Ju d e wird verbrannt. U n d das Reichswirthschaftmini*

sterium, unter der unheilbar herrlichen Leitung des tüchtigen Klavierarbeiters und selbstbewußten Gewerkschaftsekretärs Robert Schmidt, des Preiswuchers und Kettenhandels ange­

klagt? Bis auf diesen Leuchtthurm am Meer des Unsinnes geht unsere Kletterreise wohl noch nicht. A ber eines Ländchens, wo der Scharfrichter eines Kreises nach einer Hinrichtung vom G ericht eines anderen Kreises wegen M ordes verhaftet wird, dürfen wir nicht mehr spotten; dürfen sogar hoffen, daß die Anstifter von Massenmetzelei (in der Französischen Straße, am Königsplatz und andersw o) in irgendeinem deut*

sehen G au eines Tages noch zu ernster Rechenschaft gezwun*

gen werden. Immerhin könnte die schuppige Geschichte zum Nachdenken stimmen. W ie einst die fast genialische Schnurre des Hauptmannes von Köpenick bewies, welcher tollen Be*

fehle die Getreusten ihren W ilhelm für fähig hielten, so be*

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weist die essener Aventiure, deren Opfer N athan, der weise Fischkonfiskator, wurde, mit greller Deutlichkeit, was Land und Beamtenschaft den berliner Regirern zutraut, auf welche Gipfel das Achtungbedürfniß des regirbarsten aller Völker sie hebt und, schließlich, daß sie selbst die Tragw eite ihrer eigenen Verordnungen längst schon nicht mehr ermessen.

S c h u t z h a f t

D ennoch wäre der Fall N athan nicht möglich geworden, wenn diese leistunglosen Regirer nicht mit heißem Bemühen dem Bürger, vornan dem beamteten, die A chtung vor dem M enschen, seinerUeberzeugung und Freiheit austrieben.N icht von den ungesühnten M orden will ich heute reden. N u r ,ein paar Proben der „Begründungen“ geben, auf die jetzt Schutz*

Haftbefehle gestützt werden. „H allup ist V ertreter der Frak*

tion der Arbeiterräthe der Unabhängigen und Revolutionärer Obm ann, also M itglied der O rganisation, die den neuen Um*

stürz vorbereiten will.“ „D r. Levi ist O rganisator und Leiter der Kommunistischen Partei. D aß Diese die gewaltsame Errich*

tung der D iktatur aller Kommunisten erstrebt, ist allgemein bekannt. Levi steht mit D äum ig zu Vorbereitung des neuen Um sturzes in V erbindung.“ „Ernst D äum ig ist der Organi*

sator der neuen revolutionären Bewegung, die gegen den Fort*

bestand der jetzigen Verfassung des Reiches geführt wird. Sein Z iel ist, durch gewaltsamen U m sturz die jetzige Regirung und Verfassung zu stürzen und an deren Stelle die auf der revo*

lutionären Rätheorganisation aufgebaute D iktatur des Prole*

tariates zu setzen. H ierbei stützt er sich auf seine Macht*

Stellung als maßgebendes Vorstandsmitglied der Unabhängi*

gen Sozialistischen Partei, als M itglied des Kom itees, das an die Stelle des Rothen Vollzugsrathes getreten ist, und als eigent*

licher Leiter der Revolutionären O bleute.“ Diese Obleute sind, als O rganisation, längst verschwunden, der Rothe Vollzugs*

rath ist niemals durch ein Komitee oder Aehnliches ersetzt worden und H err D äum ig, dem selbst dieFührer derD eutsch*

N ationalen nicht aufrechte Ehrlichkeit undM uth absprechen, hat stets zu A bkehr von Putsch und gewaltsamem A ufruhr gem ahnt.1 D em A rbeiter*D ichter Stahlberg wird nachgesagt, er habe den*Beschluß des Proteststrike gegen das Betriebs*

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räthe»Gesetz verkündet, die Arbeitgenossen vor den Reichs«

tag geführt und dort zu der Menge gesprochen. D as, Alles, war, nach Verfassung und G esetz, sein unantastbares Recht.

D aß er ,,aufreizend“ geredet habe, wird von den H örern be*

stritten; den „Revolutionären O bleuten“ hat er nie angehört;

heute sind sie verschwunden und die Behauptung, daß „sie einen neuenUm sturz vorbereiten“ , ist einGebild aus Polizisten*

wahn. „Pieck, der seit Jahren in der revolutionären Bew egung thätig ist (also zu dem Aufstieg der Ebertiner mitgewirkt hat), gehört der Reichscentrale der Kommunistischen Partei an, für die er gegen Gehalt als W anderredner agitirt. (U n e rh ö rt!) E r ist ein überaus rühriger Kommunist und gilt als besonderer Vertrauensmann der leitenden Köpfe dieser Partei.“ Also muß er in Schutzhaft genommen werden. D as heißt: ohne U ntersuchung, ohne Richterspruch, ohne Beschwerderecht so lange im Käfig sitzen, wie es H errn N oske, H errn Heine oder einem anderen M itgliede der „Internationalen, Völker befreienden Sozialdemokratie“ nöthig scheint. Jed e dieser

„Begründungen“ ist ein Schulbeispiel Dessen, was der La*

teinerjurist petitio principii nennt: gerade das erst zu Erwei«

sende wird als schon erwiesen hingestelltund (wähnen Blinde) trägt nun standhaft das Recht zu Haftbefehl. H underte sind auf dem schwanken G rund solcher W illkürbefehle einge*

kerkert worden. In der „freisten D em okratie der W e lt“ ; deren Freiheit auch unter dem Belagerungzustand nicht ver»

wittert. U nd die Befehle kommen von „G enossen“, die das Sozialistengesetz von 1878 Jahrzehnte lang als Schandmal be»

spien. Ist eine Verfassung, die so unwürdigen Machtmiß»

brauch, so unkluge Aufpeitschung der M assenwuth gestattet, einen Pfefferling w erth? H ätte der von Illusion Fernste je»

mals geglaubt, daß regirende Sozialisten ihre Genossen, die auf dem Boden des Kommunistischen Manifestes geblieben sind, nur deshalb, einsperren w ürden? D arf über Menschen*

recht, nationale Ehre und Schmach ein W örtchen aus dem schäumenden M aul sprudeln, das sich vor diesen Ekelmalen deutscher Republikanerfreiheit nicht aufthat? A uch die recht»

widrige Verhaftung des Bourgeois N athan darf nur tadeln, wer Proletariern nicht geringere Rechtsgeltung zuerkennt.

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S p e k t r o p h o n

1. „V erehrter H err H ardenr in dem aufregend-interessanten Aufsatz, den Karl Radek am siebenten F eb ru ar hier veröffent­

lichte, w ünscht er, die deutschen geistigen Arbeiter von dem Bewußtsein durchdrungen zu sehen, dem sich, nach seiner B e­

obachtung, in den Reihen der deutschen Intellektuellen der W e g zu bahnen beginnt: daß ,eine neue W elt im Entstehen ist und daß deren (je b u rt sich um so schm erzloser vollziehen wird, je einiger sich "die H and- und Kopfarbeiter am L a g e r der unter Schm erzen sich windenden M enschheit als ihre Geburthelfer zusam m enfinden'. In U ngarn, meiner Heim ath, waren schon vor Jahren viele und nicht die schlechtesten Kopfarbeiter von diesem Bewußtsein d u rch d ru n g en ; wie man wohl allgemein weiß, kam es dort auch im vorigen Frü h jah r, im L auf des bolschewistischen V ersuches, zu einer halb freiwilligen, halb erzwungenen G em einschaft der H and- und Kopfarbeiter. Der ungarische Kopfarbeiter, der diese Zeilen schreibt, m achte den Versuch nicht mit, ja, trotz seiner bürgerlich linksgerichteten G esinnung, selbst zuvor den revolutionären V ersuch einer bürgerlich-sozialistischen Republik nicht, eben weil er revo­

lutionär w ar. Eine der H auptbedingungen für haltbare G em ein­

schaft sehe ich darin, daß sich w eder Kopf- noch H andarbeiter dem W ah n hingeben, sie gehörten, da sie eigentlich gleiche Interessen und gleiche M entalität haben, der selben Klasse an. Ich erinnere mich eines Briefes, worin der edle Mann und herrliche Künstler Henri B arb usse bekennt: ,11 n 'v a aucune espece de difference, au point de vue social et civique, entre un travailleur manuel et un travailleur inte'llectuel. Si nous differons pnofessionnellement, nous nous ressem blons intellec- tuellem ent; nous som m es unis pas ce qu'il y a de plus pro- fond et de plus im portant chez les hom m es: la conscience, les idees e t'le s esp eran ces.' U nd für eben so ungerecht wie einen gewissen H an g zur Aristokratie bei einem großen Theil der Intellektuellen hält er die Beschuldigung vieler Arbeiter, daß die Intellektuellen Bourgeois seien. Mir scheint das A ristokra­

tische, ist es einmal begründet und thatsächlich, durch E n t­

sag u n g und A ufklärung eben so unverw ischbar wie, nach dem katholischen Glauben, das Sakram ent der Taufe. Die U n ter­

schiede, auch W erthunterschiede, die zwischen Arbeit und A r­

beit auch die kom m unistischeste W eltan sch au u n g bemerken muß, werden g a r nicht immer von der gesellschaftlichen N ütz­

lichkeit oder W ichtigkeit der Arbeit bestim mt. Die Arbeit des

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B auers oder des G rubenarbeiters ist, wie wir gerade jetzt de- m ü th ig erfahren, viel nützlicher und w ichtiger als die des D ichters, des Philosophen, vielleicht selbst des Arztes. S ogar für edler darf selbst die schw ierigste Kopfarbeit nicht gehalten -.werden als die einfachste H andarbeit, wie ja auch Brillanten um nichts edler, nur seltener sind als G laskristalle. Bringen w ir ein O pfer des .Intellektes und thun wir, als ob wir zu­

gäb en, daß Intellektualität eigentlich Drohnenthum is t N u n : Aristokratie ist eben D rohnenthum , denn Aristokratie bedeutet

«ine kleine,M inderheit, die nur bestehen kann, wenn eine große M ehrheit für sie arbeitet. Thun wir, als ob wirj zugäben, daß D rohnen vernichtet werden m üssen, fäo lange sie aber am Leben sind, sind sie eben A ristokraten, haben das R echt, sich' A risto­

kraten zu fühlen, und die T h atsach e ihres Aristokratenthum s wird nicht aus der W elt geschafft, auch wenn sie sie ver­

leugnen oder abschw ören. So unbequem es also heute für den Intellektuellen ist, von einem. Theil der H andarbeiter als B o u r­

geois verschrien z\i werden, so würde ich dennoch nicht mit B arb usse meinen, dieser Theil der H andarbeiter dächte so nur ,,p ar ignorance et par suite d'idees insuffisamment ooordonnees e t reflechies'. N ein: diese rüden Kerle denken nur aufrichtig, m it der Schadenfreude des W ach en , der sich von Selbstbetrug- edler T räu m er nicht betrügen läßt. Thun wir schließlich noch, als ob wir zugäben, es sei ungerecht und nicht zu dulden, daß die Lebenshaltung der M enschenkinder nicht ganz gleich ist.

Selbst dann darf man gegen zwei Erfahrungen nicht blind bleiben. Gegen die, daß es Arbeiten giebt, für die ihr V errichter unter einer gewissen Lebenshaltung untauglich, weil abgestum pft und verelendet wird. Dann gegen die, daß es wiederum Leben s­

haltungen, über einem gewissen Niveau, giebt, die den Arbeiter seinen ursprünglichen V errichtungen entfremden. W ir kennen Arbeiten, vielleicht g a r nicht werthvolle und unum gänglich nö- thige, deren V errich ter von den M itmenschen bis zu einem gewissen G rad ausgehalten werden m üssen, sollen diese A r­

beiten verrichtet w erd en ; und wir kennen andere Arbeiten, äu ßerst wichtige und für die M itmenschen nothwendige, für die ein über einen gewissen G rad beschlagener und versehener Arbeiter zu gut, ja, unbrauchbar ist. W as an dieser von der N atur der Arbeit gegebenen U ngerechtigkeit von m enschlichem Standpunkt aus zu bessern ist, darüber müssen wir M enschen uns den Kopf zerbrechen und uns über das W ie im W ege trauriger Brüderzwiste, Bürgerkriege einigen. D och ableugnen

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Die Zukunft

dürfen wir diese U ngerechtigkeit nicht und nicht dem Irrw ahn verfallen, ihr w ürde abgeholfen, wenn wir sie und ihre gesell­

schaftlichen Folgen nicht zur Kenntniß nehm en. Ihre nächsten, gesellschaftlichen Folgen sind nun eben K lassenunterschiede.

G eistige Arbeit ist bürgerlich und im Schoß der B ü rg ersch aft entweder (zum guten Theil, wie die Künste, aus dem H an d ­ werk) entstanden oder (wie die meisten W issen sch aften ) von der Geistlichkeit in die 'B ürgerschaft übergangen. W a s der A del, also die Kriegerkaste von ehedem, Geistiges schuf, übergab er der B ü rg ersch aft; w as er an Geistigem (H andel, R echtspre­

ch un g und A ehnliches) brauchte, ließ er von der B ürgersch aft leisten. W o d er H andarbeiter sich persönlich zur geistigen Arbeit emporsohwin'gt, d ort wird e r eben B ourgeois, mit all den' inneren Gem üthsentzw eiungen zw itterhafter M entalitäten. Und um ge­

k ehrt: von diesem Z w itterhaften der M entalität angekränkelt sind auch wir, bürgerliche Intellektuelle, deren Erw erb für die zu u n serer’ Arbeit nöthige Lebenshaltung von T a g zu T a g w eniger langt und die im Zw ischenstock des gesellschaftlichen G e­

bäudes von gleich elendem, wie das F ach w ort sagt, p roletari- sirtem1 Z ustande gegen die B ourgeoisie gerichtet werden wie, eine T reppe tiefer oder um einige Stadtviertel peripherischer, die H andarbeiter. D och sei die L age Beider noch so g le ich : sie sind Kinder anderer K lassen ; die Intellektuellen können Stiefkinder, mit ihr tötlieh entzweit, unserer B ourgeois-Fam ilie sein, doch mit anderen, unsichtbaren Interessenfäden hängen sie m it ihr zusam m en. In der G em einschaft der Kopf- und H and­

arbeiter muß der Kopfarbeiter, auch wenn seine Arbeit nicht grundlegend w ichtig ist, anders gew erthet werden als der nütz­

lichste H an d arb eiter; <und die im1 Entstehen begriffene W elt muß auf die bürgerliche A bstam m ung des K opfarbeiters Rück-

* sicht nehmen, selbst um den Preis einer V erzögerung des E n t­

stehens der neuen W elt. Ihnen sehr ergeben H ugo Ig n o tu s."

2. „Die Kriegsmittel der gegen uns mobil gewordenen W elt wurden täglich stärker, unsere Kräfte täglich lahm er. L an g e sehen mußten die H eerführer erkannt haben, daß sie den K rieg nie gewinnen ikonnten. Sie aber, die Ja h re lang, T a g vor T ag, uns und dem Erdkreis den Sieg als ihnen ,unentreißbar' kün­

den ließen, m ochten sich nicht für , besiegt erklären und be­

gannen ein V a-Banque-Spiel um ihren guten A b gan g von der W eltkriegschaubühne. U nd sie hatten G lück : sie gewannen das Spiel. D as w ar klug vorbereitet. Sie wollten vor der W elt zur E nd u n g des Krieges durch Ereignisse' außerhalb des K riegs­

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schauplatzes gezwungen scheinen, auf dem sie ja die , H erren' sein und bleiben mußten. Solches Ereigniß konnte nur das Erlahm en des eigenen Landes sein. N ur darauf konnten sie in ihrem Spiel rechnen. D eshalb sagten sie h artn äck ig: W ir ge­

winnen den Krieg, wenn Ihr daheim durchhaltet. Mit dieser E rklärung verschafften sie sich den Vortheil, daß sie, wenn es zu Revolution und Kriegsabbruch kam, die V erantw ortung auf uns Volk Schieben und ihre Schuld, als der K riegverlängerer, verschleiern konnten. U nd all D as w a r d , Ereigniß. Die H eer­

führer haben Tausende und A bertausende unserer B rü der nutz­

los geopfert, ials ihnen dieses O pfers N utzlosigkeit längst e r­

kennbar sein imußte, den von ihnen täglich als unbezweifelbar uns vorgestellten Sieg schließlich vom D urchhalten der Heimath abhängig erklärt und dann, als es, gerade no'ch im1 letzten M o­

ment vor gräßlichster H eeresvernichtung durch den Feind, zu einem (sonderbar ungehindert verlaufenen M ilitär-) R evolutiön- chen im Land gekom m en w ar, den K rieg unter lautester B e­

schuldigung der Heim ath als der Verrätherin aufhören lassen.

Die, schreien sie, sei dem vom Feind unbesiegten und unbesieg­

baren Heer in den Rücken gefallen und habe dadu rch D eu tsch ­ lands Sturz und Elend verschuldet. U nd die Heim ath sieht nicht, was ihr angethan wurde, und huldigt den Schuldigsten, Denen, die ihr Volk obendrein noch1 beschimpfen, als H ero en ."

3. ,,D a s Kino, von seinen A nhängern als Kulturfaktor g e ­ priesen und bestaunt, ist allmählich zu einer, nein: zu der G e­

fahr für die (ohnehin schw er ersch ü tterte) Kultur gew orden.

Soll der Heilige G eist der Kunst m it aller M acht durch diese Höllenm aschine ausgetrieben w erden? Kein Kunstwerk ist noch vor Verfilmung sich er; und der Verfilmter muß versuchen, nach dem mephistophelischen Rezept ,erst den G eist herauszutreiben, dann hat er die Theile in seiner H a n d ; fehlt, leider, nur das geistige B and '. Mit D antes , Hölle' fing es an, gin g über H au p t­

m anns ,A tlantis', M eyrinks ,G olem ' bis zu Strindbergs ,R a u sch ':

und vielleicht können wir bald F au st und G retchen über die Leinwand zappeln sehen. D as aber ist noch nichts gegen den W u st der ,Aufklärungfilm s'. Als die C ensur (die ich nicht etw a zurückrufen will) abgeschafft wurde, hieß e s : ,Zu schlecht können die 'Films nicht w erden ; dafür so rg t ja schon der gute G eschm ack des Publikum s'. D er gute G esch m ack ! E r hat nicht dafür gesorgt, h at Alles, au ch d as E rbärm lichste, schm un­

zelnd hingenom m en und Kind und G reis starren verzückt im Tem pel der neuen Göttin zum Allerheiligsten, zur weißen Fläch e,

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em por. A ber was hier in ,D ram en aus der G esellschaft', ,Sittentragoedien' und anderem sauren Kitsch geboten wird, ist nicht Kunst, inicht Aufklärung, nicht ,nach dem Leben', son ­ dern G eschäft, G eschäft, G esch äft. Einerlei, ob für gefallene M ädchen, uneheliche Kinder oder hom osexuelle M änner an die Thränendrüsen und das ,H erz' der M enge appellirt wird. Dies Herz sitzt in der H ose, es ist auch nicht vor Schreck dorthin geru tsch t (w as wohl m öglich w äre), sondern es heißt: P o rte ­ m onnaie. Bew eis: der Inhalt einer einzigen Seite einer Zeitung an einem T a g e : 1. U nd die M enschen nennen es Liebe. V er­

lorene T ö ch te r; dritter Theil. 2. Die Heldin der Liebe. 3. M oral und Sinnlichkeit. 4. Lu, die C ocotte, Sittenbild aus Berlin SW . 5. Der W eg , der zur Verdam mniß führt. 6. W egen des Riesen­

beifalles und des kolossalen A ndranges auf weitere sieben T age v erlängert: M oderne T ö ch ter od er Sklaven der S ... keit.

(W arum die vielen P u n k te? M ehr als ein dunkler Punkt ist doch wohl nicht bei der S ach e.) 7. G ew issenlose B estien;

zweiter Theil. 8. Die Verführten. 9. W enn ein W eib den W eg verliert. 10. M enschen, die sich verkaufen. 22. Die Liebschaften der Käte Keller. 12. D er ausgesperrte Ehem ann. N o ch m als:

Die Blüthenlese eines T ages. U nd Alles nur ,A ufklärung'?

Nein. W er dahin geht, D er braucht, weiß Gott,* nicht aufge­

klärt zu werden. O der es ist, wie ein W itz aus dem ,U lk' s a g t: ,Die M eta wollen wir nicht m itnehm en, det A as is so schon verdorben g en u g .' Sagen Sie nicht, daß ich verurtheile, ohne zu kennen oder zu verstehen. Ich habe die P rob e oft genug gem acht. A uch, was an V erballhornungen von richtigen D ram en geleistet wird, schreit zum Himmel. Ein Beispiel. Ich habe Strindbergs , R ausch' im Kino und ein p aar T age darauf wieder einmal im Schauspielhaus gesehen. D as D ram a der G edankensünde! Die ist ab er für das Kinopublikum nicht verständlich und inicht anschaulich genug. Also stirbt das Kind an einem Lutschbonbon. D er ist G edankensünde-Ersatz.

Ich stand da, wie Hebbels M eister A nfon: ,Ich verstehe die W elt nicht m eh r.' U eber die V erhim m elung der K ino-G ötter und -G öttinnen, die von m anchen Blättern mit inbrünstiger Hingabe gepflegt wird, will ich hier nicht reden. A ber ich habe auch gute Films gesehen. Selten. U n d : L ang, lang ists her. Neulich sah ich einen unm öglichen ,T otentanz', in dem die Beine von S asch a G u ra (nach R odrigo Q u asts W o rt in Wedekinds, ,B üchse der P a n d o ra ') die beiden Hauptrollen spielten. U nsere Kultur bewegt sich in seltsam en Linien, die das ,Stahlbad des

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K rieges' gewiß nicht veredelt hat. W ir hörten bei T ango und französischem Zotenfilm auf und fingen bei Foxtrott, Jazz und deutschem Aufklärungfilm wieder an. Z ur E rh altu n g dieser K ulturgüter w ar der m assenm örderische Krieg, bei Ju ­ piter, Jahw e und Jesus schw öre ichs, nicht n ö th ig ."

4. Ein G eheim er Sekretär, der das in einem Brief über den Betrieb in der M inisterlalsphäre hier G esagte wohl etw as zu weithin verallgem einert hat, schreibt m ir: ,,Antisemitische B e­

strebungen haben in der ü esam m th eit meiner Berufsgenossen nicht bestanden. Die Beam ten der R egistratur und die des Se­

kretariates haben grundverschiedene V or- und Ausbildung g e ­ nossen. Hier und da ist vorgekom m en, daß Sekretariatsbeam te aus besonderen Gründen im R egistraturdienst Verw endung fan­

d e n ; doch ist mir kein Fall bekannt gew orden, wo ein R egistra­

turbeam ter in den Sekretariatsdienst übergetreten ist. Die G e ­ heimen Expedirenden Sekretäre haben die ihnen zur Erledigung überwiesenen Arbeiten (Schriftwechsel, Entwürfe von Verfü­

gungen usw .) nach den bestehenden G esetzesvorschriften und Verwaltungbestim m ungen selbständig bearbeitet. N iem als habe ich gesehen oder geh ört, daß ein Referent Verfügungentwürfe einem Sekretariatsbeam ten übergeben hat, dam it er sie ,ins Reine' schreibe. F ü r solche Arbeit steht die Kanzlei zur V er­

fügung und die Thätigkeit der Sekretariatsbeam ten w ird -v o n den Abtheilungchefs und Referenten zu .hoch geschätzt, als daß sie solche Ford eru n g stellen könnten. N ach dem .Reichsbeam ten­

gesetz giebt es in der M ilitärverwaltung nur obere M ilitärbeamte im Offizierrang und Unterbe^amte. Zu der ersten Reihe zählen neben Zahlm eistern, Proviantam tsinspektoren, K riegsgerichts- räthen, W irklichen Geheim en Kriegsräthen auch die Geheimen Expedirenden Sekretäre. Die U nterscheidung höherer von m itt­

leren Beam ten ist erst allmählich durch V erw altungbestim m un­

gen eingeführt w o rd en ; aber ,auch seitdem gehören die Geheimen Expedirenden Sekretäre zu den höheren Beam ten, wie ihre Einreihung in die G ehalts-, W ohnunggeldzuschuß- und T a g e ­ gelderklassen und ihre m ilitärischen Rangabzeichen bew eisen."

5. „W issen Sie, w as von den Metallindustriellen beschlossen worden ist? D er sogenannte W eltm arktpreis. Ich nehm e an, daß Sie noch nichts davon h örten ; son st hätten Sie in der geradezu katastrophalen D um m heit der Beschließenden wohl Anlaß gefunden, ein W o rt mit ihnen zu reden. Man beschloß, den Verkaufspreis der Fertigw aaren so anzusetzen, daß er kon­

kurrenzfähig mit dem Ausland sei. D as heißt aber nicht etw a:

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Die Zukunft

der V aluta angepaßt, sondern (so unglaublich es heute au ch k lingt): im N om inalw erth. S tatt unsere Preise so hoch wie irgend m öglich zu schrauben (bei dieser Valuta sind sie im m er noch konkurrenzfähig), setzte m an sie noch herunter, unterbot (dum ping) also wieder in lieber, alter W eise. Die F o lg e : keine Möglichkeit, auf diese A rt zur V alutahebung beizutragen; und der D ruck auf das Inland noch sehr verstärkt. Denn dieser W eltm arktpreis, der dem Ausland gegenüber viel zu niedrig­

ist, gilt natürlich auch fürs Inland und ist hier unerschwinglich1 hoch. W eitere F o lg e : auf der einen Seite werden die A rbeit­

löhne gedrückt (der Abbau wird in indirekter W eise th a tsä ch - lich heute schon versu ch t), auf der anderen alle P reise g e ­ steigert. Glauben Sie, daß diese T hatsach en dem Arbeiter un­

bekannt sind und daß er, wenn er sie kennt, noch große L u st spürt, sich von Neuem schrauben und schröpfen zu lassen ? Man jam m ert über die B ergarbeiter, weil sie die Sechsstunden­

sch ich t fordern. Ich glaube, daß m an unter dieser W irth sch aft und diesen Zuständen sich dazu bequemen muß, wenn man überhaupt Kohle und Erz haben will. Eine ,gottgew ollte' Re­

girung w ar nach der Jahrh u nd erte währenden U n terdrückung der L a ie r durch die P riester noch verständlich. A ber eine R e­

girung der D um m heit und Mittelmäßigkeit, die sich nur durch äußerlichste Kniffe und plum pe G ew altanw endung noch ein W eil­

chen zu halten versucht, ist auf die Länge einfach' u nm öglich ."

6. „D em Freiherrn von Sternfeldt muß ich erw idern, daß die öffentliche Bekanntgabe des W affenstillstandangebotes nicht zu vermeiden w ar. Eine V erheim lichung hätte nur noch schlim ­ m ere Folgen gehabt, d a doch in Form von G erüchten Etw as durchgesickert w äre und sich wie ein Lauffeuer verbreitet hätte. D as Mittel gegen die sozialdem okratisch e W ühlarbeit' sollte der v aterlän d isch e U n terrich t' sein. D er aber hat, m it gänzlich unzureichendem M aterial, noch dazu oft in der Hand cfer ungeeignetsten Leute, m ehr g esch adet als genützt. Und w ar er denn, wenn, wie im m er gem eldet wurde, die Stim m ung ,ausgezeichnet' w ar, überhaupt n ö th ig ? Andere Frage. W enn wirklich in der Etap e und in der Heim ath so viele Juden sa ß e n : w arum kehrten nicht die dam als allm ächtigen G eneralkom ­ m andos und M ilitärbehörden, die son st doch jeden halbw egs Gesunden- hinausschickten, hier m it eisernem Besen au s? D as ist doch am Ende nicht auch d er Revolution als Schuld an ­ zurechnen. Ob C lem enceau ,H underte von M euterern' erschießen ließ, weiß ich nicht. A nderes aber habe ich festgestellt. In

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französischen Zeitungen herrschte eine viel größere P ressefrei­

heit als bei u ns; der ,defaitiste' Henri B arb usse blieb u nan ge­

fochten . und sein gegen den Krieg aufrufendes Buch ,Le Feu' wurde in Hunderttausenden von Exem plaren w ährend des Krie­

ges in Fron t und Heim ath verkauft, w ährend es bei uns zu H aus nur schw er zu erlangen und in keiner ,Feldbuchhand­

lung' zu sehen w ar. Ist d arau s auf ,unnachsichtliche A nw en­

dung der K riegsgesetze' zu schließen? C. F. H elling."

7. „ W a s ging bei K riegsausbruch in der Seele des deut­

schen Volkes v o r? Dieses unpolitische Volk hatte als Masse noch viel zu wenig Interesse an der ersten Seite des H au p t­

blattes seiner T ageszeitungen, um am ersten A u gu st 14 auch nur ein allgemeines Bild von Dem zu haben, w as ihm als ,K riegsursache' eingeredet worden war. N eunzig von Hundert w ar einerlei, w oher der K rieg kam. E r w ar eben da. Und Neunzig sag ten : ,G o tt sei Dank, daß er da ist!' Denn Keiner kannte den Krieg. N icht einmal die höheren technischen Offi­

ziere kannten diesen Krieg. D as Volk begrüßte den K rieg zu­

nächst als Sensation, als circenses. A ber darunter regte sich eine Sehnsucht, eine Hoffnung. D er Krieg w ar für das Volk Neuland, ein T hatsach e gew ordener T raum , ein der W irklich­

keit nahgerücktes M ärchen. Die Instinkte “hatten A ussicht, sich zu entladen. W a s Dies bedeutete, kann heute nur erm essen, wer sich klar noch der Zeit vor dem K rieg erinnert. D a herrschte die Schwüle der G ew itterspannung. Bewußt spürten D as nur die Regirer. Die brauchten den Krieg als Ventil. D as Volk hatte sich reich gearbeitet und durfte seinen Reiichthum nicht genießen. D agegen wehrte sich sein Instinkt. Die Völker kämpften unbewußt gegen ihre Triebe, wie ein Schlafender mit dem Alb ringt. U nd dieses deutsche, vom Säuglingsalter an zu Unselbständigkeit verfluchte Volk (w as w ar und ist der R eich stag?) empfand die wollüstige Vorw onne, irgendwie aktiv sein zu dürfen. Jed er hatte unbewußt das Gefühl, daß er nun endlich einmal er selber sein ,dürfe', daß es ohne ihn nicht gehe. Ein Volk, das im Einzelnen gew ohnt w ar, sich\als über­

flüssig zu fühlen, als immer leicht ersetzbar, als geduldet von

•Brotherrn, R egirung, V orgesetzten, Polizei, em pfand sich zum ersten Mal als N othw endigkeit, als M ittelpunkt. U nd Alles wurde mit einem S chlag anders. Ein neues Leben b egan n ; es g ab zu essen, zu trinken, zu reisen. Alles um sonst. U nd wer d as Bedürfniß hatte, durfte, endlich, ungestraft Einen to t­

sch la g e n ; man hatte W affen in der Hand. Ein system atisch g e ­

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Die Zukunft

knechtetes Volk, dessen gewaltige Kraft, fest ins Joch einge­

zwängt, sich nach keiner Seite wirklich Luft m achen konnte,.

,fühlte s ic h '; fühlte sich gewisserm aßen frei, glaubte sich Herrn seines G eschickes. D er V organg wiederholte sich bei der R e­

volution. In beiden Fällen w urde d as Volk betrogen. Nun' haben sich die Tellerlecker der alten R egirung an den ’ Tisch gesetzt, um die Reste zu schlecken. W ird ihnen das M ahl b ekom m en?"

8. ,,Die A tm osphäre, die seit Jahrzehnten in den Höhen g e ­ weht hat, auf denen die Fü hrer des Volkes wandelten, erw eist sich jetzt, wo die G eschichte zu sprechen begonnen hat, als Stickluft, in der nichts Gedeihliches w achsen konnte. D er B y ­ zantinism us, dessen Aeußerungen dem außen Stehenden zw ar bei allen m öglichen Anlässen als unangenehm es Kennzeichen des Zickzackkurses, immerhin doch aber als vereinzelt scheinen­

des Vorkommniß entgegentraten, w ar, wie sich jetzt zeigt, die G rundstim m ung der politisch führenden Kreise, aus der sich alles Andere ergab. Knechtisches Lakaienthum , in unteroffizier­

mäßiger Stram m heit erstarrtes Denken, geistige C harakterlosig­

keit ärgster A rt: D as waren die M erkmale der U m gebu n g d er Spitzen des Staates in allen Sektionen seiner behördlichen T hei- Iung und über diese hinaus in dem gesam m ten gesellschaft­

lichen Aufbau, der durch die allerhöchste Spitze gekrönt war.

Die Gedankenwelt jener Regionen, die sich in dem Briefw echsel zwischen dem Deutschen K aiser und dem russischen Zaren offenbart, w ar völlig befangen in längst überlebten A n sch au ­ ungen, entspricht aber auch m it ihrem niedrigen Niveau so vollkommen als U rsach e den W irkungen, die sich in der Folge der Ereignisse seit Bism arcks A bgang geze'gt haben, daß nicht laut genug der Vorw urf gegen Alle erhoben werden kann, die sich, als sie zur A usübung der höchsten A em ter des S taates berufen w aren, charakterlos den Launen und krankhaften A uf­

fassungen fügten, die der kaiserliche H err vertrat. So unbe­

greiflich es ist, daß keiner von all diesen M ännern jem als e r­

kannte, daß er zu r Erfüllung der Pflichten gegenüber dem Volks­

ganzen verpflichtet sei und darum , wenn es nicht anders ging, gegen Uebergriffe des M onarchen unter Einsatz seiner Stellung;

Fron t m achen m ü sse: noch unbegreiflicher ist, daß in der K atastrophe des Krieges,, als (wie die Memoiren der H eerführer und Diplomaten zeigen) die Folgen des im Frieden Jah rzeh n te lang geduldeten System s in fürchterlicher W eise zu T age traten, kein einziger dieser M änner auf den Gedanken kam, durch eine Revolution von oben das Vaterland zu retten, mußte dabei au ch

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dem T räg er der Krone zu Leibe gegangen werden. D ieser M angel an heiligem Zorn w ar bereits Korruption schlim m ster Art, eine Korruption, die den Einzelnen nach landläufigen B e­

griffen ehrlich ließ, aber nichts darin fand, daß völlige Sub­

ordination des D enkens gegen Stellung, Titel, W ürden und Orden eingetauscht und gesunder M enschenverstand sowohl wie w ahrhafter M annesm uth ängstlich bei Seite gestellt w urden.

Diesem geistigen Sklaventhum, dessen sich Alle schuldig m ach ­ ten, die seine K e t t e n willig getragen haben, entspricht die1 C h a ­ rakterlosigkeit, die das Volksganze in der schw ersten Zeit seines Daseins ergriffen h a t." H err Dr. Solm ssen, D irektor der D is­

kontogesellschaft, in der V ossischen Zeitung. (Spät kommt er, doch er kommt. Einem, der Jahrzehnte lang, weil er so und noch rückhaltloser sp rach , gesch m äh t, verfolgt, gevehm t wurde, ist längst keine Frage m ehr, daß alles Unheil vermieden worden w äre, wenn die auf M achtgipfelchen Thronenden nicht allzu lange nur ans Verdienen g ed ach t und jede U eberhebung dreisten Dilettantenwahnes in Hundedem uth geduldet h ätten.)

9. „H err D ernb u rg nennt im Berliner T ageblatt strikende Arbeiter L andesverräther. So lange E igen th üm er über ihr E igen ­ thum , der Kapitalist über s e in . Kapital verfügen kann, können auch Arbeiter über ihre A rbeitkraft verfügen. G iebt man den Arbeitern die Produktionm ittel, dann könnte man von ihnen Pflichten verlangen; Pflichten, die für Jeden gelten, wie es wahre Gerechtigkeit verlangt. *Das ,verrathene' Vaterland D ern- burgs ist jedenfalls nicht das V aterland der Arbeiter;- und auch wir sind nach diesem Z ug nicht m ehr geneigt, das V aterland D ernburgs unbesehen hinzunehmen. Fü r uns Dem okralen gilt die L o su n g : Gleiches Recht für Alle. Es w idert uns an, wenn Tagdiebe und Schieber auf zu Arbeit unlustige Arbeiter schimpfen. Diese Gesellen sollen erst selbst an die A rbeit­

front; und wenn H err D ernb u rg sich untersteht, von L and es- verrath zu sprechen, dann soll er erst selber einmal als Kohlen­

gräber an die Arbeitfront gehen. Uns ist nur zu gut in E r­

innerung, welcher niederträchtige T erro r m it dem Begriff V ater­

land getrieben wurde und auch heute noch getrieben wird.

W ir ließen uns unser Vaterland nicht von einem W ich t von G o t­

tes Gnaden vorschreiben und lassen es auch nicht von Denen, die mit Verbrechern durch Dick und Dünn gehen. \

Man streitet so viel darüber, w as w ahre Dem okratie und w ahrer Sozialismus sei. Dazu ein p aar Fragen. Ist die E rm o r­

dung der M atrosen in der Französischen Straße D em okrati-

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sirung oder Sozialisirung des M assen m ord es? G eh ö rt die S ch o ­ nung und Freisprechu n g der G esellen- und Sozialistenm örder zur D em okratisirung o d er Sozialisirung? Ist es D em okratie, für einen W ilhelm , der glaubte, deutsche Soldaten zu V ater- und M utterm ord verleiten zu können, die peinlichste G erech ­ tigkeit zu verlangen, aber dafür sogenannte Radikale mit den gemeinsten Lügen zu verleumden und zu unterdrücken? Ist es dem okratisch, an jedes Ritualm ärchen zu glauben, das über U nabhängige und Kom munisten ausgestreut wird, dafür aber die Sehandthaten und G räuel von an d erer Seite geflissentlich zu übergehen? Kann sich ein Staatsw esen dem okratisch nennen, das die M assenm örder straflos läßt? D as die einfachsten R echts­

grundsätze nicht w ahren kann, ganz abgesehen von allen , Ism en'?

Elephanten und W ölfe zu schlucken und M ücken zu seihen, bringen wir als Dem okraten nicht fertig, auch nicht, wenn diese W ölfe und Elephanten zu den , angestam m ten heiligen T rad i­

tionen' zählen. W ir verstehen unter D em okratie doch noch etw as m ehr als naum ännisch zugerichteten N ationalism us. W ir stellen das Vaterland nicht über R echt und W ah rh eit. W ir wollen heraus aus der Stickluft vaterländischer Interessen. W ir wollen dem nationalen V erbrecherthum , das so ungeheure Schuld trägt, nicht den Boden bereiten. W ir wollen keine Diktatur, aber auch nicht die D iktatur des Schwindels, mit dem raffi- nirte Schlauheit die Oeffentliche M einung bearbeitet und ,in D em okratie (macht'. W ir wollerl unser V aterland in einen R echtstaat umwandeln, in dem kein N ationalism us den W e g zu den höchsten m enschlichen W erthen versp errt und man nicht jedem elenden Gesellen das R echt zum M ord in die H ände drückt. W ir lehnen den N ationalism us von Banditen und M ör­

dern sam m t deren V aterland mit tiefster V erachtung ab. U n s ist Dem okratie der W e g zum Recht, zum kategorischen Im pe­

rativ, der für alle M enschen gilt, einerlei, wo ihnen die M utter das W iegenlied sang. W ir hatten H errn D ernburg, wir hatten dem okratisch gewählt, weil wir glaubten, in der Dem okratie die V erfechter gesunder, w ah rer R echtsgrundsätze zu sehen, die uns durch alle Problem e steuern könnten. Dieser G laube ist arg ersch ü ttert w orden. W ir sind fast schon wieder so weit wie in der späten Kriegszeit, an die ja auch die A rt erinnert, wie m an durch G esinnungterror das ganze Volk trunken zu m achen versucht und, um in diesem Bem ühen nicht gehem m t zu werden, die Presse und die V ersam m lungen d er U n a b ­ gängigen niederknüttelt. Briefe wie der neulich von einem

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adeligen Rittm eister hier veröffentlichte zeigen, daß man die Stim m ung von 1018 noch heute g a r nicht versteht; nicht ver­

stehen w ill? Die K am eraden, die vom U rlaub zurückkam en, waren tief verbittert und sa g te n : ,Die zu H aus haben ja keine Ahnung, wie es uns hier geht. Die stecken!, /wenns befohlen wird, diie Fahnen ’ra u s; und wäre die Lebensm ittelnoth nicht, so könnte dieser Leute wegen der Krieg noch zwanzig Jah re d auern. W e r viel Geld hat, kann noch im mer Alles einkaufen. Ob wir draußen im Dreck- verrecken, küm m ert kaum noch Einen. M an­

ch e r hat, besonders in d er Zeitung, eine große Schnauze. Ablösen aber will (uns N iem and. U nd ist erst mal Friede, dann kräht bald kein ,Hahn m eh r nach den Toten und Krüppeln. Man m öch te w ahrhaftig w ünschen, daß die Flieger d er Bande mal ein p aar Bomben auf den Kopf werfen, dam it sie zu merken anfängt, was der Krieg eigentlicht ist.' Selbst gutmiithigen Leuten w ar dam als schw er klarzum achen, daß dann doch nur Unschuldige getroffen w ürden. Von ,Verhetzung' w ar gar nicht die R ede; die w ar auch nicht nöthig. Die M enschen hatten genug gesehen, gehört, erleb t; hatten, wie der Berliner sagt, die N ase voll und sprachen von K rieg und K riegsführung nur noch m it tiefster V erachtung. (,W enn d er M ist blos erst zu Ende w ä re .') M ars, der sich so lange für einen brutalen, aber kerngesunden N aturburschen ausgegeben hatte, entpuppte sich nun Allen als einen durch und durch korrupten Schieber.

Die Luftpost-A gitation der Feinde hatte ziemlich starken E rfolg;

wer die abgeworfenen Zettel gelesen hatte, sagte, man m üsse zugeben, daß wir die Dum m en seien und mit m an ch er Angabe die Leute drüben im Recht. Ein H auptgrund w ar, daß man uns fast immer nur die deutschen Zeitungen lesen ließ, von deren Siegesgeschrei, Klingklang und G loria uns übel wurde, wenn wirs unserem Erlebniß verglichen. D ieses elende G e­

schwindei konnte das ,Vertrauen in unsere gerechte Sache' weder stärken noch zurückzaubern; konnte nur der feindlichen Beredsam keit in stärkere W irku n g helfen. Die nackten T h at- sachen, die unser Auge täglich sah, redeten eine Sprache, deren Eindringlichkeit durch all das Gelüge nur noch gem ehrt wurde.

D er Versuch, die nationalen Instinkte immer aufs N eue auf- zupeitschen, fand stumpfe, m üde Seelen. Die fühlten, sich, als der m ilitärische Z usam m enbruch kam, nicht ,erdolcht', so n ­ dern freuten sich der A ussicht,-en dlich wieder zu ,M uttern' zu kommen und den ganzen Schwindel abzuschütteln. W ä re man gegen diese Stim m ung mit der ,äußersten Strenge der K riegs­

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