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Die Zukunft, 1. Dezember, Bd. 33.

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Academic year: 2022

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Berlin. den 1.Dezember 1900.

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Ministerworte.

enn derAllerhöchsteKriegsherr,derseine TruppenzumletztenAb-

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schiedvorsich sieht,dieTruppen,dieauf sein GeheißinsFeldziehen

eristbesserorientirt alssie—, warnt,sieauf mancheVerhältnissedort aufmerksam macht,dannmußman doch sagen:einederartigeBewegung ist menschlicherklärlich,ist menschlichschön.WennmirderAusspruchentgegen gehaltenwordenist:,Gefangenewerdennicht gemacht«,so habe ich Ihnen diegesetzlichenBestimmungenbereitsvorgetragen,dieauf BefehldesKaisers bei dennach OstasienentsandtenTruppenzurEinführunggelangtundauf AllerhöchstenBefehl aufdemlangen Transport nach Chinamit denTruppen zureingehendenInstruktion gemachtworden sind. Folgen,wie sieHerrBebel hierzurSprachegebrachthat, sind also,selbstwenn dieRede SeinerMajestät zueinemMißverständnißhätte führen können, völlig ausgeschlossen. Jm -Vorwärts«spielendie,Hunnenbriefe«jetzt fast täglicheinegroßeRolle;und der AusdruckHunnen«ist aufeine RedeSeiner MajcstätinBremerhaven zurückgeführtworden. Ja,wenn man dieseKritikenliest,dann kannman dochnur sagen:DasisteinereinäußerlicheBetrachtungderWeltgeschichte.

Dem Gedankenmußman nachgehen. Jchmeine,man muß dieWeltgeschichte imGanzen betrachten.DerVorgang, daßvor anderthalb Jahrtausenden dieMongolen,dieOstasiateninEuropa einsielenund ganzeReicheüber PenHaufen warfen,bissie schließlichdurchdenRestdereuropäischenVölker geschlagenwurden undEuroparäumten,istldochvon größtemInteresse.

Jahrhundertelang habenwirunterdiesemfurchtbarenEinfall gelitten.Jetzt, Michanderthalb Jahrtausenden dieVergeltungderWeltgeschichteschreitet

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358 DieZukunft

sonstschnellervereinigensichendlichdieVölkerEuropas, nicht,umdenHunnen nachzuahmen,sondern,umRechtundGesetzinOstasienwiederaufzurichten.«

KriegsministervonGoßler:

Reichstagsstenogrammvomneunzehnten November 1900, Seite38.

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»DieRedeSeinerMajestätinBremerhaven ist gehaltenworden in einemAugenblick,woallgemeinangenommen wurde und angenommen werden mußte,daßalle inPeking eingeschlossenenEuropäereines martervollen Todes gestorbenwären. Eswar nachmeinerAuffassungganzinderOrdnung, daß-Seine MajestätderKaiserzudenausrückenden Soldaten indiesem AugenblickalsSoldat gesprochenhatund nichtalsDiplomat. Daßdie Diplomatiedabeinichtzukurz kommt, dafür lassenSiemich sorgenl«

ReichskanzlerGrafvonBülow:

Reichstagsstenogrammvom zwanzigsten November 1900,Seite63.

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»Wieman dieArmeeunddasEhristenthummiteinanderinGegen- satz bringen kann, versteheich nicht; hatesdoch, seitdasEhristenthum auf Erden erschienenist, auch stetsArmeen gegeben...DerDeutsche Kaiser führtdas Kommando über die Armeeundspeziellüber diepreußischeArmee, undzwaralsKriegsherr. Jn dieser Eigenschaft ertheilterseineBefehle, nichtblosaufGrundderReichsverfasfung.«

KriegsministervonGoßler:

ReichstagsstenogrammvomdreiundzwanzigstenNovember 1900,Seite 126.

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»IcherkläreaufdasAllerbestimmteste,daß,alsdieRedeSeiner MajestätinBremerhavengehaltenwurde, alle Weltüberzeugtwar, die Euro- päerinPekingwären bisaufdenletztenMann niedergemachtworden. Das wurde damals von derganzeneuropäischenDiplomatieangenommen, von allen Kabineten geglaubt;eswaren jadamals schonanverschiedenenStellen fürdieUnglücklichenTrauergottesdienstegehaltenworden. DieRedeSeiner MajestätdesKaisersinWilhelmshavenwurdeallerdingsgehalten,unmittel- barnachdemdieNachrichteingetroffenwar vonderErmordungdesdeutschen Gesandten; zehnMinuten vorherwar dieDepeschemitderNachrichtvon derErmordungdesFreiherrnvon Kettelerbeiuns eingetroffen. Jch sage Jhnenganzoffen: ichwürdeesnicht verstehen,wenn dieNachrichtvoneiner so schmählichenUnthatdemDeutschenKaiserdasBlutnicht rascher durchdie Aderngetriebenhätte.«

Reichskanzler GrafvonBülow:

ReichstagsstenogrammvomdreiundzwanzigstenNovember 1900, Seite125.

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Sozialtsmus undKunst. 359

»Für fast jedenTrägeroffiziellerPflichtenistvonallenLastendieVerant- wortlichkeitdieschwerste. MehraberalsjedenAnderendrücktdieseBürde denhöchstenöffentlichenBeamten; geradeerfühlt ihre Wuchtundsuchtsich ihr,woerirgendkann, zuentziehen.«

Lord-Kanzler Henry Brougham:"sketches oftstate-stricken I

»FürdasgrößteUnheilunserer Zeit,dienichtsreifwerdenläßt, muß ich halten, daßman imnächstenAugenblickdenvorhergehendenverspeist,den TagimTage verthutundsoimmer ausderHandin denMundlebt, ohne irgendEtwas vorsichzubringen«HabenwirdochschonBlätter für sämmt- liche TageszeitenlEinguter Kopfkönntewohl nocheinsunddasandere interkaliren. DadurchwirdAlles,waseinJederthut,dichtet, ja,waser

vorhat,insOeffentlichegeschleppt.Niemand darfsichfreuen oder leiden als zumZeitvertreibderUebrigen;undso fpringtsvonHauszuHaus,von Stadt zuStadt, von ReichzuReichund zuletztvon Welttheilzu Welt- theil,Allesveloziferisch.«

Staatsminister vonGoethe: Sprüche.

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SozialiSmuSund Kunst.

WasdemMunde derunthätigstenKapitalisten hörtman besondersoft denVorwurf,derSozialismus schwächedenpersönlichenMuthzur Jnitiativezdiestarrsten Despoten bekämpfenihnmitdemSchlagwortvon FreiheitundHumanität:daistesdennnichtweiterwunderbar,daß geradedie geistigunfreisten SpießbürgerdieVertheidigungderKünstlergegendie«un- wissendeMenge, »diemodernen Barbaren«,übernehmen.Dochkannman zum Trosthinzufügen,daß sie nicht vereinzeltfind: auch geistvolleund gelehrte Philosophen,wieFouilleåe,äußern sich besorgtüber dasSchicksal, das in einerGesellschaftvonKommunistenundMaterialistendenDichtern, Künstlern,Metaphysikerndrohenkönnte. Würdeman sie nicht, ohne ihnen

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360 DieZukunft

denLorbergereichtzuhaben,aus dein Lande derFreiheit jagen?Undwenn man sieselbst ruhiglebenundschaffenläßt: solldiesozialistischeZukunft- gesellschaftdiephslosophifcheArbeit.oiganisiren,die bisan diehöchstenWipfel undan diefernstenGrenzendes Daseinsreicht, ja,bisinsJenseits dringt?

Laßt sichetwa dieArbeit desDenkers aufdemVerwaltungwegeregeln?

Kann man ihrdenachtstündigenMaximalarbeitstagdikiirrn und einem chior Hugo befihlen,seinepoetischeErleuchtungpunkt sieben Uhr morgens zuhabenundsichumneun Uhr auszuruhen?Und wie wirdman dieseArbeit bezahlen?DerGedanke einesgenialrn Menschen ist nichtvon obenherab aufMark undPfennige abzufchätzenHättenetwa,als Galileidie Satelliten desJupiter entdeckte,dieGeschäftsführereineskommunistischenStaates vorher- sagenkönnen, daßdieseSatelliten einst dieHerstellungbessererKartenermög- lichenunddieseKarten dieHandelsflottevordrohenden Schiffbrüchenbe- wahren würden? MußeundMüßigganghaben, so verhaßtsiedemHand- arbeiteranAnderensind,nebenihren Nachtheilendochauch Vorzüge;siebrin- gennichtselten Nutzen,sind sogareinegesellschaftlicheNothwendigkeit.Wenn die ganze Welt imJoch stöhnte,hättenwirkeine idealenSchwärmer,fehlten uns diescheinbarmäßigenTräumer,dieman Sokrates,Archimedes, Laplace oderDann-, Shakespeare,Lamartine nennt. Kurzundgut: nach Fouilliåes AnsichtwirdeinesozialistifcheGesellschaftzwarKohl bauen, sichaberwenig

um dieRosenzuchtkümmern;ihreganzeKraftwürde in derSorge fürdas materielleWohlergehenverzehrtwerden. Jederhättegewiß,waserunbedingt braucht,aberKeiner denholden Ueberfluß.Undgeradevom Ueberflußder ReichenlebenjadieKanstler.

Bevor ichauf diese kritischenBemerkungenantworte,muß icheinen grundsätzlichenJirihumbeseitigen.

AueSozialistenundMaterialistenwürdengemeinsammitFouillöe die biszur Banalität zweifelloseWahrheitanerkennen,daßeinekollektivistifche Gesellschaft,dieversuchte,diegeistigeArbeit ebensowiedieHandarbeit administrativundbureaukratischzuregeln, jedeRegungdesEisindergeistes, jeden sozialen,aberschließlichauch jedenwirthschaftlichenFortschritt hemmen würde. Zuunserem Bedauern stimmtaberFouillåe nichtmituns inder Gewißheitüberein,daßeinsolcherGedanke niemals imHirn irgendeines sozialistischenTheoretikers gelebt hat. Er magsich beruhigen:die Victor HugoderZ ikunftwerdenkeinerFabrikarbeiterordnungunterworfen seinund dieShakeipcaredeszwanzigstenJahrhundertswerden wenn sie sichnicht besserernähren können nicht gehindertwerden,aufderBühnekleiner MatiosentheaterihrLeben zufriften.Undman darfsogarhoffen, daßdie Astronomen, Dichter, Mathematikerund Philosophenunter sozialistischer Herrschaft nichtwieGalilei insGefängnißgesperrt,wie Dante verbannt,

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Sozialismus undKunst. 361 wieArchimedes getötet,wieSokrates vergiftetwerden. Wirklich um ernsthaft aufeinenernsthafterenEinwandzuantworten —: einGelehrtervom RangeFouilltåes brauchte sichnichtzubemühen,umzubeweisen,wasselbst derbeschränktesteKollektivistniebestritten hat: daßPhilosophieundKunstvor Allem derFreiheit,derungehemmtenEntwickelungbedürfen.DieFrage ist einfach,obDichter, Philosophenundandere uneigennützigeGeistesarbeiterin einersozialistischenGesellschaftnichteben so viel odersogarmehrwirkliche Freiheit habenwürdenalsjetzt.Esist«doch klar, daßkeineGesellschaftsorm derKunstundPhilosophie ungünstigerseinkannalsderKlassrnstaatder Bourgeoisie,die ganz inGeldinteressen aufgeht.

Wenn aufdenRuinen derVergangenheit,ausdemschwankenMoor- grundederGegenwart, aufverwitterten Trümmern undauf Gipfeln,von denen schondasLichtderaufsteigendenMorgenröthedie kommende Zukunft ahnen läßt,trotz Alledemdie Kunstweiterblüht,sodanktsiedieseBlüthe einemTrieb,derebenso unaufhaltsam istwie dieKeimkraftderPflanzein altem Gemäuer,imgeborstenenPflaster,in derkümmerlichenAckerkrumedes dürrstenBodens. Aber trotzdieser unbezwinglichenLebenskraft leidet dies ästhetischeSchaffen undman kanngenau dasSelbevom philosophischen sagen kläglichunter denungünstigenLebensbedingungen,denenessich heutzutagefügen muß. FürdieMehrheitundselbstfürdieFlügelmännerder bürgerlichenGedankenweltistdasästhetischeVergnügennur einSpiel,eine Zerstreuung,einLuxusgenuß. Nach SpencersWort istesdadurchcharak- terisirt, daßesnichtmit denLebensfunktionenverknüpftist, daßeskeinenin Ziffern umzuwerthendenVortheil bringt;dasBernügenanTönen,anFarben undsüßen Düften, sagter,ist nichtsalseineUebung,einSpiel diesesoder jenes Organs,einSpiel ohne sichtbarenNutzen;esist,miteinemWort,ein LuxusgenußUndbei einemsozialen Zustande,derdiegroßeMehrheitder Menschenzwingt, ihreganzeKraft imKampfum dastäglicheBrotzuver- brauchen,kanndieserLuxusgenußnatürlichnur einerwinzigenMinderzahl vorbehaltenbleiben. DaswarzurZeit LudwigsdesVierzehntenhauptsächlich derHof. Späterwaren esdie»vornehmenLeute« deraristokratischenSalons.

Heute istesfast ausschließlichdieBourgeoisieodervielmehr jener verschwin- dendeBruchtheilderBourgeoisie,dernochandereInteressen hatalsdas,mög- lichsthohe Mehrwertheaus derArbeitderProletarierherauszupresfen.

Wennman vondenallzu seltenen wirklich geistigenGenüssen absieht, die derSozialismus heute schonAllenbietet undvondenenübrigensleider diemeistendemHandarbeiter nach seinem Bildungsgrade noch unzugänglich sind, sokannman wohlruhig sagen, daßnurdieBourgeoisie,dieKlasseder Reichenodermindestens Wohlhabenden,Z:itundGeldhat,um Bibliotheken undTheaterzubesuchenoder sichgarBücher,Bilder,Statuen oderandere

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362 DieZukunft.

Gegenständeanzuschaffen,indenensichdieSchönheitverkörpertUnddieses geistigeundwirthschaftlicheMonopol giebt ihr undnur ihr auchdie Macht,unmittelbar oderdurch VermittelungdesStaates allenKünstlern, die keine anderenDaseinsmöglichkeitenhaben, Gesetzezu diktiren: sie müssen ihrdienenoderHungers sterben.DaserklärtauchdieMittelmäßigkeitDerer, diesich unterwerfen,unddieErbitterungderAnderen,diesich aufbäumen.

AllenKünstlern,diedurch persönlicheHilfsquellenoderdadurch, daß sie sich harteEntbehrungenauferlegen, sicheinegewisseUnabhängigkeitgesicherthaben, istdietiefwurzelndeAbneigunggegendiebourgeoifeThranneiund das bourgeoiseJdeal gemeinsam.EineGruppe schöpftaus dieserAbneigung KraftundzwingtderEmpörunggroßeWerkeab. Soschrieb Balzacdie ComödieHumaine, spieFlaubertden lärmendeuJunisiegerndesJahres48 seine VerachtunginsAntlitz,brandmarkte VictorHugodaszweiteKaiserreich, schufZola seinenRomanGerminal. Andere,einezweiteGruppe,treibt derEkel ausderGegenwartin denElfenbeinthurmderElitedichterzsiesingen,wieMal- armtå,das LiedvonderDecadenceoderflüchtenin dieVergangenheitundsuchen indengroßenJahrhundertendesChristenthumsdieErbauung,dieihnen die moderne Weltschuldigbleibt. Undwieder Andere, derenZahlvonTag zuTag wächst,sucheneineStütze in dererwachendenMassenpsycheundver- künden, mitWagner,dennahendenSiegdesBundes derKunstmitder Revolution. Dochwieschön,wieerhaben ihreWerkeauch sein mögen: sie sindnur Vorläufer,könnennichtsAnderessein. Damit eineneue Kunst erblühenkann,eineKunst,großundmachtvollwiedieMenschheit selbst, mußdieMenschheitnachdemKampf Frieden, nach rastloserArbeitMuße, nachwildenJnteressenkämpfenundZänkereienum dieBeuteendlichdiestille EinheitderHrrzenundSeelen kennen,genießenlernen. Zeitendes Ueber- gangs,derKritik, derRevolutionirung,wieunsereesist,könnennur ge- quälteundunvollkommeneWerkezuTage fördern.Waswar,isttot. Was kommenwird, lebtnoch nicht.Traum und Wirklichkeitsind nichtzuver- einen. DiedenBaugrundzu Neuemlegen, habenkeineZeit,anAnderes zudenken;unddieKünstler,die zu einemnoch unterjochtenVolkereden, warten nur allzu oft vergebensaufeinenWiderhall ihrer rasendenStimme.

Wenn einstaber dasheutigeProletariateinwahrhaftmenschenwürdigesLeben führt,wennalleArbeitergeistigundseelischsokultivirtseinwerden,daßsieKunst künstlerischempsindenkönnen,wenn nachderArbeitAlle dieMuße haben, derensozialeNothwendigkeitauchFouillöe anerkennt,dann —undnur dann wirddasästhetischeVergnügennicht mehreinLuxusgenußsein,sondern ein BfedürfnißderGesamtheitwerden, dannerst undnurdann werdengroße Werkevon vollendeter Schönheitentstehen,gesundeKinder desfruchtbaren Seelenbundeseines schöpferischenJndividuums,dasderGedanke, verstanden

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Sozialismus undKunst. 363 zuwerden,beglückt,unddermitschaffendenGesammtheit,diestolzdarauf ist, einenGroßen empfunden,verstanden zuhaben.Waswäredenn,nachdem herrlichenWort derGeorgeSand, dieKunst »ohnedieHerzenund-die Geister,indieman siepflanzt?EineSonne, diekeinLicht spenden,kein Lebenschaffenkönnte.« Wieanders würde dieWelt aussehen,wenn die Massen ihre AugendemLicht öffnetenundselbst auf ihrebescheidenstenAr- bettennocheinStrahldesglänzendenGestirnes herniederleuchtete!

Mit einemScheinvon Berechtigungwendetman dagegenein,. die ästhetischeEntwickelungwerdegehemmt sein,wenn dieKünstlerineinem soziilistischenStaat derHilfsquellenberaubtwären, dieihneninderZeit desPrivateigenthumsdieGunstfürstlicheroderbürgerlicherMaeceneerschloß;

geradevon diesemLuxusbedürfnißderReichen,sagtman, lebensieja.Und dochist der Einwandnurkomisch.ErstammtvonBewunderern derbourgeoisen Gesellschaftordnung.DieBourgcoisieals alma mater dergeistigenArbeiter!

Mußmanwirklicherstdaranerinnern, zuwelchenMitteln diemeistenGeistes- arbeiter heuteihreZuflucht nehmen müssen,um sichdasStücktrockenen Brotes zuverschaffen,dasBerlioz sichamDenkmal HeinrichsdesVierten mitRostnen versüßte?Schillerwar ProfessorderGeschichte.Balzacbekam kaumeinpaarlumpigetausend FrancsfürseinezehntausendSeitenfüllende KomoediederMenschheit. Ehe LudwigderZweiteinWagnersLeben ein- griff,war derMeistergezwungen, eineBegleitung für zweiCornetä«Piston zur,,Favoritin«zuschreiben.Beethoven schriebam EndeseinesLebensan

seinen FreundRies übereine Sonate, sieseiunter denelendestenVer- hältnissenentstanden;dennesseitraurig, fürdasliebeBrot schreibenzu müssen.»Undsoweit binichnun!« Unter dengrößtenSchöpfernverdanktdie weitaus größteZahlDeter, dienichtimschwärzestenElend lebten,ihreExistenz entweder einerBeschäftigung,dieihrer Kunstganzfern lag,einemeinträg- lichenNebenamt oderderspätenGunstdesimmer nachhinkendenPublikums.

Nach jederRichtungwürdediekommunistischederheutigen Gesellschaft überlegensein«DienebenihrerKunst einen anderenBerufausüben müßten, hätten mehr freie Zeit. Diejetzt für irgendeinenbürgerlichenoderkönig- lichenMaecenarbeiten,würdendann wieeinstRembrandt undHals für Gemeinschaften,Gruppen, öffentlicheAnstalten thätigsein,derenKollektiv- luxusdieEitelkeit und Knausereidesprivaten Luxusverdunkeln würde.

Und Dieendlich,diemitamtlichen Sphären nichtszuthunhabenwollen undsichlieberdirektandasPublikumwenden, könnten dannvondemErtrag ihres Pinselsoderihrer Federvielleichterundbesserleben, weilsieeinviel größeres,reiferesundverständigeresPublikum hättenalsjetzt· Ganz thöricht IstderEinwand,dieMengewerdeeinschlechterRichterseinund dieglänzende, insAuge fallende MittelmäßigkeitderschlichtenGrößedesursprünglichen

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364 DieZukunft

Talentes vorziehen. LehrtdieErfahrung nicht,daß derhartnäckigsteWider- standgegen dieneuen Kunstformen nichtvon derMasse, sondernimGegen- theilvon denprivilegirtenKasten ausgeht?AlsWaltherStolzingvonden Meistersingernzurückgewiesenwird, wendetersichandieguten Nürnberger.

NichtimHotel Rambouillet, sondernbeiderMasse siegteCorneillemit seinem Polheucte.DiewirklichgroßenSchöpfungen,die einesganzen Volkes Seelewiderspiegeln,wurdenstets zuerstvondemVolkselbstodermindestens dochvon demBruchtheildesVolkesverstanden,dernoch nichtganz von derMachtderFinsternißunterjochtwar.

WiediebeidengroßenEpochen,die imewigenWebenundWerden derGeschichteruhmvollbisinunsere Tage leuchten, sowirdauchderSozia- lismusseinWerkmiteiner neuen Aesthetikkrönen. Man hat oft gesagt, dieKunstseinichtsAnderesalsdervielleichtschlechtgerahmte,aberimmer getreueSpiegelderGesellschaft. Heute zeigteruns dieschlaffeMuthlosigs keit dersterbendenBourgeoisie,dieSorgenund Qualen, aber auchdie Hoffnungendesim Leid lebenden, im LeiderstarkendenProletariates. Morgen wirderdieruhige Heiterkeit glücklicherGeschlechterzeigen,die demSumpf desElendsentronnen sindunddurchdie Kraftihres Fleißes, ihres muthigen Mühensdiesouveraine HerrschaftderArbeit gesichertunddasReich soli- darischerNächstenliebebegründethaben.

VictorHugo zeigtuns ineinemseinerherrlichstenGedichtedenbocks- füßigenWaldgottaufdesOlympos Höhe,wieerstruppigundschwarzin der stolzenVersammlungderGötterauftaucht.ManhöhntihnmitscharfenWor- ten. Erantwortet mit einemheransforderndenLied.Merkurgiebt ihm seine Flöte.Bezwungen reicht ihm Apollo seineLeier. DerrevolutionäreGesang schalltmitwachsenderGewaltbisansGewölbe derHimmelsvesteundauch derSänger wächst,währendersingt,bisseindunklerSchattenden unend- lichen Raum erfüllt. Eine Weltsteht aufundstürzt Jupiters Thron.»Ist derSazialismus nichtderSatyr diesesGedichtes,wieeranfangs struppig undschmutzig,beimersten Auftauchenverachtet, imWachsengefürchtet?Doch

er wächsthöher,greift nachderFlöte Merkurs, nach ApollosLeier,nützt Alles,was dieKunstanSchönheitbietet, bedientgeradederSchönheitsich alsseiner Waffe,recktsich hochundstolzvorDenen anf,diesich unsterblich dünken, und wirdihnenbald,währenderauf ihren ThrondenErobererfuß setzt,inderVollkraftseinesSiegerbewußtseinszurufen:Raum fürAlle!

JchbinPan!Aufdie KniemitDir,AllvaterZeus!

Brüssel. Dr.Emile Vandervelde.

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KatholischeLiteratur. 365

KatholischeLiteratur.

Wieflüchtigineineran inneren EreignissenreichenZeitdieTages- gefchehnisseimmodernen Bewußtseinhaften,dafür bietet derKampf einenBeleg,derglücklichmiteinerNiederlagedesCentrums geendethat.

DerKampfum die Lex Heinzewar derzweiteAlteinesDramas, dessen letztedreiAufzüge voraussichtlichnoch mancherlei Ueberraschungenbringen werden,dessen ersterAkt aberschon beinahe vergessenist« Das Schauspiel hobanimJahre1898aufderfünfundvierzigstenGeneralversammlungdeut- scher KatholikeninKrefeldmitderöffentlichenErörterungdergeistigenRück- ständigkeitdesheutigenKatholizismus,dieunterdem Namender»Jnferiorität- debatte« indemBuchdermodernenWeltanschauungsgeschichteverzeichnetsteht-

»Ein Jahr istvergangen, seitdieJnferioritätdebatteinkatholischen Kreisen ihre höchstenWellenschlug.Undheute?Kaum eineSpur erinnert nochan dasGescheheneVerecnundus, deraufrührerischeGeist, hatdie Maske abgelegtundsichalsKarlMuth,Redakteur der,KatholischenWelt·, entpuppt. ErhateinenzweitenStein indenSumpf geworfen;vergebens- EinAufgurgeln, undAllesliegt stillundschwarzwievorher.DerKatho- lizismus ruht aufdenLorbern seiner politischenMachtund ertröstetsich überseine literarische RückständigkeitmitderHoffnung,daß derHimmel schließlichdocheinEinsehen habenundeinen deutschenkatholischenDrckens sendenwird. DerTrost ist schwach,aberergenügtfürsatte Leute«Und satt istderKatholizismus, so satt, daßerdiegeistigeAnstrengung,dieKarl Muth ihm zumuthet, überlegenlächelndablehnt. Schell hat sichgebeugt, Beremundus ist vergessen,KarlMuthwirdignorirt:derSumpf hat seine ersehnte schwarzeRuhewieder« Mit diesenWorten hebtdasletzteKapitel eines kleinenBuchesvonErnst Gystrow, ,,Der.Katholizismusunddie moderne Dichtung«(Minden, Bruns1900), an,daslängstvor demAuftauchender KunstparagraphenderLex Heinze abgeschlossenwar. Das Buch schildert nichtnur dieGeschichtejenes SelbsterkenntnißversuchesdesKatholizismus, der in demAufwerfenderFrage gipfelte,obderheutige Katholizismus geistig Undbesondersdichterischinferior sei,vondem BucheSchells»DerKatholizis- musalsPrinzipdesFortschritts«bis zu derBrochurevonVeremundus über dieliterarische InferioritätdesKatholizismus,sondernesweist auchdie tieferenGründefür dessendichterischeJmpotenz nach.

Eswärethöricht,dieMachtdesKatholizismuszuunterschätzenSeine mehralshundertAbgeordnetenimDeutschenReichstagsind einenichtweg- zuleugnendeThatfache.Undwenn sich auchdas Berhältniß zwischender protestantischenundderkatholischenBevölkerungmitjedemJahr ungünstiger fürdieKatholiken gestaltetundsie schon jetzt nichtmehrein Drittel des

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gesammten deutschenVolksstandesbildenund dieses Drittel dererdrückenden Mehrheit nachdenungebildetstenSchichtendesVolkes angehört,so bedeutet derpolitischeKatholizismus dochimmer nocheine ebensolchenationaleGe- fahrwie derreligiöseKatholizismuseineWeltanschauungsgefahr.Sowill- kommeneMitbürgerdenReichsdeutscheneinesTages sonstdiezehnMillionen DeutschendesheutigenOesterreichsseinwürden:man lehnt sie heute häusig ab,weil ihr Eintritt indasDeutscheReichdieMachtdesEentrums ins Ungeheureverstärkenmüßte.

DieFrage nachderliterarischen InferioritätdesKatholizismuswar inderAbsichtaufgeworfenworden, Alleszusammeln,was aneinigermaßen brauchbarer katholischerLiteratur vorhanden sei,undesdermodernenKunst als-ebenbürtigenNebenbuhleran dieSeite zustellen.DreißigMillionen deutschredendeKatholikenineinemgroßenKompleximReicheunddraußen;

undkeine Literatur? WiewäreDas möglich?Wennnur derRuferschölle nach dengroßenNamen,dieesda zunennen gab,dann würdensie schon genanntwerden. Aber derRufertönte, und die Antwort bliebaus.

MayundBrackel habenSie derenNamen schoneinmal gehört?—:

Das waren dieGrößen,dieaufdenSchild erhobenwurden. DerDichter von ,,Dreizehnlinden«hatte auchgarnichtsspeziellKatholischesinseiner Dichtungundwar obendrein längsttot. UndEmilMarriot, aufderen TaufscheineinkatholischerKirchenstempelstehen foll,·Emil Marriot, die Realistin,konnteman doch unmöglichmitgerechtenNamenwieKarlMay in einemAthem nennen! Sobliebsbei-VrackelundMay. AlseineHeer- schauwars gemeintgewesen,aberbei derHeerschauhattenur Einsgefehlt:

dasHeer,dasdoch nichtalsganznebensächlichgeltenkonnte. So ward aus derHeerschaueingroßes Bekenntniß literarischer Unterlegenheit,über dasauchderVortragdesFreiherrnvonHertling aufderVersammlungder Görres-GesellschaftinKonstanz nicht hinwegtäuschendarf. Undalsdieser Zustanderkannt worden war, daließman dieFrage fallen.Vonden ,,StimmenausMaria-Laach«bis zur,,KölnischenVolkszeitung«wardsievon derTagesordnung abgesetztundmitdemMantel derkatholischenSelbstliebe bedeckt.Dafür gingman zum zweitenAktüber, zu demVersuch,dem protestantischenTheil Deutschlandsdieselbe Inferioritätaufzudrängen.Das istdergeschichtlicheZusammenhangderLex Heinzemit derInferiorität- debatte. Beide habenmitCentrumsniederlagengeendet;undman könnte nur fragen, welche Niederlageeigentlichdieschwererewar.

SolangeesüberhaupteineschriftlicheNiederlegungvondichterischen Schöpfungengegebenhat, so lange ist auchdieDichtungniemals der reine Ausdruck desAugenblicksdenkensund AugenblicksempsindensderEinzelnen gewesen,so lange haben sichauchdas Leben mitseinen Gedanken,Gefühlen

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