Widerstandserhöhung im Seegang
-Bestimmung und
Modellversuche
P. Blume, U. Keil, P. Schenzle
Für ein Seeschiff gehört der Seegang zu de'i normalen Umweltbedingungen. Das hat einen Geschwindigkeitsverlust
gegen-über der Glattwassergesd-iwindigkeit zur Folge. Bei mäßigem Seegang beruht dieser Fahrtverlust vor allem auf der Wider-standserhöhung, bei zunehmender Seegangs-stärke muß die Schiffsführung darüber hin-aus wegen gefährlicher Ereignisse - Slam-ming. Wasser an Deck, große Beschleuni-gungen, Durchgehen Jes Propellers - die Fahrt weiter zurücknehmen oder den Kurs ändern.
Die Widerstandcerhöhung kann nun recht einfcth nach einer von Boese in [1] vor-geschlcgenen Methode aus der Tauch- und Stampfhewegung berechnet werden. Das Ziel dieser Untersuchung war es, diese Ver-fahren an einem Beispiel durch Modell-versuche zu überprüfen).
Der natürliche Seegang ist ein unregel-mäßiger Vorgang, er wird üblicherweise durch sein Spektrum dargestellt. Physika-lisch gedeutet gibt es die Verteilung der
Energie üher der Frequenz an, die Ge-samtfläche unter dem Spektrum ist ein Maß für die mittlere Energie des stationä-ren unregelmäßigen Seegangs. Die mittlere Widerstandserhöltung RAW ist ein Effekt höherer, im wesentlichen zweiter Ordnung. ?hnlich dem Vorgehen bei Bewegungen im Seegang definiert man eine Art Über-tragungsfunktion für die Widerstandserhö-hung
RA W
YR5\V (w) =
,
bzw. oft in dimensionsloser Formw
/IL\V (w)
-g Bd;L :.
Diese Funktion ist frequenzabhängig, sie läßt sich nach der genannten Methode be-rechnen und auch durch Modellversuche in regelmäßigen Wellen ermitteln. Das See-gangsspcktrum LT(o) ist dann mitYRAw(w) zu multiplizieren, die Flche unter dem so gew(i nenen Spektrum der Widerstandscr-höhung, nämlich
ist proportional zur mittleren
Widerstands-Diese Abeit ist rn Pahmen cies Sonderfor-schunqsbereichs 8 Schiftstechnik und
Schiff-tau entstanden und wurde unter Verwen
curg der hm von der Deutschen
Forschungs-gemeinschatt zur Verfügung gesteilten Mittel
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7JO Schft & Hafen, Heft 91974, 26. Jahrgang
erhöhung RAW in einem stationaren See-gang, der durch das Spektrum (w) be-schrieben werden kann [2]. Es gilt also zunächst, genau wie bei den Seegangsbewe-gungen, das Verhalten des Schiffes irs re-gelmäßigen Wellen zu bestimmen, darge-stellt durch eine Ubertragungsfunktion.
Rechenverfahren
Das hier benutzte Rechenverfahren ist in [1] ausführlich beschrieben, hier sollen slur die Grundlagen aufgezeigt werden. An-ders als in einem ähnlich einfachen Verfah-ren von Gerritsma [3] wird hier nicht von einer Encrgiebilanz ausgegangen, sondern direkt von den Druckschwankungen auf der Außenhaut des sich im Seegang bewe-genden Schiffes. Die Integration dieser Druckschwankungcn über die jeweils be-netzte Außenhaut ergibt eine in Betrag und Richtung schwankende resultierende Kraft. Die der Fahrtrichtung des Schiffes entgegenwirkende Komponente dieser re-sultierenden Kraft hat einen endlichen Mit-teiwert, den zusätzlichen Widerstand R.w. Der Integrationsbereich, die jeweilige be-netzte Oberfläche, läßt sich in einer Theo-rie 2. Ordnung zweckmäßigerweise unter-teilen in die im Mittel benetzte Oberfläche
S bis zur mittleren Wasserlinic und in die Schwankung der Benctzungsfläche S uns die mittlere Wasserlinie. Entsprechend dieser Unterteilung des Integrationsbereichs ergeben sich zwei Widerstandsanteile RAWO und
Zum ersten Widerstandsanteil RA\VO lie-fert nur die im schiffsfesten System verti-kale Komponente der resultierenden Druck-kraft auf S5 einen Beitrag 2. Ordnung, und zwar dadurch, daß nicht nur ihr Betrag, sondern aufgrund der Stampfbewegung (9(t) auch ihre Neigung gegenüber der raumfesten F.shrtrichtung harmonisch schwankt. Wenn man die resultierende ver-tikale
Druckkraft durch die mie ihr im
Gleichgewicht stehende d'Alambert'sche Trägheitskraft im Massenn-mittelpunkt aus-drückt, erhält man für den ersten Wider-standsanteil:
mit
F(t) = llZ = ci)2E MZ.,1cos(wEt+Fzl)
und
(9(t) = O. cos (wet + ze)
RA\VO = ½ WE MZMA cos (ei.í - Fs) Dieser Anteil ist in See von vorne im allgemeinen negativ, da die Stampfbewe-gung (9 der Taudmbewegung im
Massen-mittelpunkt um weniger als r/2 vorauseilt. Der zweite und bedeutendere Wider-st.sndsantcil Rvi kann als Korrektur
da-rechnerische
Lorator1umvo6r
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P4ke1wg 2 2ß28 CD DQIft
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für aufgefaßt werden, daß beim ersten An-teil auch im aus- oder eingetauchters Zu-stand immer bis zur mittleren Wasserli-nie integriert wurde. Die Berücksichtigung
der Drücke im
Bereich der Benetzungs-schwankung S1 führt zu einem Widerstands-anteil 2. Ordnung, der vom Verlauf der Wasserlinienbreite BwL(x) und der Relativ-bewegungsamplitude ;A(x) über der Sd-tiffs-länge abhängt:'/20 g J S(x)
dx LDieser Anteil ist in See von vorne posi-tiv, da am Vorschiff die Relativbewegung
cA größer und die Wasserlinienneigung B\VL .
negativ ist.
Im Rahmen einer Theorie 2. Ordnung ist diese Formulierung des zusätzlichen Wi-derstandes durch die beiden Anteile als Funktion der Schiffsbewcgung exakt.
Rv =
+ R.wi
Das Problem liegt nun irs der Berech-nung der Schiffsbewegungen. Für die Be-rechnung der Tauch- und Stampfbewegun-gen hat sich die Anwendung der Streifen-methode auf die zweidimensionalen hydro-dynamischen Koeffizienten als ausreichend genau erwiesen. Problematisch könnte' nur sein die Genauigkeit der Phasenwinkel und besonders der üblichen Annäherung der lokalen Relativbewegung s(x) als Dif-ferenz aus der lokalen Vertikalbewegung z(x) des Schiffes und der ungestörten lo-kalen Wellenerhebung (x)
(x)
z(x) - (x)
Die Prüfung der Brauchbarkeit dieser Me-thode zur Berechnung des zusätzlichen Wi-derstandes im Seegang unter den gemach-ten Voraussetzungen, insbesondere der Ver-nadilässigung der Deformation der Welle bei der Berechnung der Relativbewegung, ist das Ziel dieser Untersuchung.
Modeuversuche
Zum Vergleich mie der Rechnung wur-den Widcrstandsversuche nut dem Modell cines Containerschiffes der dritten Gene-ration im großen Tank
der HSVA in
Glattwasser sowie sudi in regelmäßigen von vorn kommenden Wellen durchführt. Dabei wurden folgende Werte ge-messen:
Modellwiderstand Modellgesdmwindigkeit
Vertikalbewegung vorn und hinten Horizon talbewegung Wcllcnhöhe Begegnungsperiode -'c .1 (w) Ytt .-w (w) dw
- Rv
ti)Abb. 1: Versuchsanordnung
Außerdem wurden bei jeder Meßfahrt in Wellen etwa zehn Serienfotos vorn sidi bewegenden Modell gemacht.
Die Versuchsanordnung zeigt Abb. 1, das Modell wird nur durch die Spanndrähte a und h in Längsrichtung gcfiihrt. Diese Anordnung wurde sowohl für Glattwasser-fahrten als auch bei Wellen benutzt, um Fehler infolge unterschiedlicher Modell-führung zu vermeiden, gerade weil es sich vor allem hei kleinen Wellen um die Be-stimmung des kleinen Widerstandszuwadi-ses aus der Differenz zweier großer Werte handelt.
Der Versuch wurde bei 5 Geschwindig-keiten durchgeführt Vm = 1.67 rn/s bzw. Fn = 0.188 1.94 rn/s 0.219 2.11 rn/s 0.238 2.29 rn/s 0.258 2.47 rn/s 0.278
in Glattwasser und in regelmäßigen von vorn kommenden Wellen mit folgenden durchschnittlichen Daten:
15r5e,,c4C
I Auswertung
Aus den gemessenen Widcrstandskurvcn wurde dic Widerstandserhöhung entnom-men und damit die Übertragungsfunktion gebildet. Diese Werte erscheinen als Kreuz-eben in Abb. 3. Dazu wurde cine Fehler-abschätzung durchgeführt. Der Fehler hei der Widerstandsmessung ist im wesentli-chen ein absoluter Fehler, nämlich die Rei-bung der Umlenk- und Potentiometer-rollen. Problematisch wird es deshalb, weil, wie schon gesagt, bei kleinen Wellenlän-gen die Differenz zweier fast gleich
gro-ßer Werte zu nehmen ist. Dadurch kommt der Fehler in die gleiche Größenordnung
ie der zu ermittelnde Wert selbst. Die Wellenhöhe wird
mit einem Fehler von
2 bis 3 Prozent bestimmt. Der gesamte
relative Fehler ergibt sich dann zu
F.2
F .2 + F2
+(R,.Ru)2
-HIHLfl$HHfl
UUU74UiUUU
/¡IIIIIIIUUIIH
aauumrduuuwa=--..
uaanuuaiuuu
Abb. 4: ÜbertragungsfunktIon der Tauchbewegung Stampi bewegung (Y6)
r
.Schiff & Hafen, Heft 911974, 26. Jahrgang 791
a,
/ /
i
R...
/
2UURIUR RRRR.w
UR.RR.
'
p, I.!Lm i. = 0.21 1.7 m 6.0 cm 0.42 3.3 m 6.5 cm 0.63 5.0 m 7.0 cm 0.84 6.8 m 9.5 cm 1.10 8.8 rn 10.3 cm 1.33 10.8 rn 11.8 cm 1.62 13.0 m 11.8 cm 2.00 16.0 m 13.2 cmAbb. 2 zeigt die gemessenen Modell-widerstände aufgetragen über der
Geschwin-digkeit.
..sm .
-3: Obertragungsfunk ion der
Widerstandser-In rege mäßigen, von vorn kommenden
höhung Abb.
:T
Wellen bei verschiedenen Geschwindigkeiten x Versuch, -- Rechnung,
Fehlerabschätzung
Diese Abschätzung führt zu dem getön-
.- -',
..-.- -.
.,.
ten Unsitherheitsbereich in Abb. 3. Dem -j . :
gegenübergestellt sind die vollständig ge-rechneten Verlaufe der
Übertragungsfunk-tioneo. Abb. S: Fotoserle einer Bewegungsperiode
F = 0.219 ,/L = 1.1 1G.O cm
n
Die Übereinstimmung im Bereich großer Wellenlängen scheint herab bis 'L 0.8
zufriedenstellend. Im Bereich darunter ist größere Werte für die Übertragungsfunk-die Abweichung dagegen groß. Die gerech-donen. Doch bei der höchsten Gesdswin-neten Kurven gehen für
'L -
O gegen digkeit ist die Abweichung auch im Be-0. Die Extrapolation der Meßwerte scheint reich der größten Werte beträchtlich. Des-zu einem endlichen Grenzwert Des-zu führen. halb wurde dafür eine weitere Aufsehlüs-In diesem Bereich sind die gemachten Ver-selung durchgeführt, indem die gemessenen einfachungen der Rechnung sicher nicht Bewegungen den gerechneten in Abb. 4mehr zulässig. Doch ist dies ohne prakei-gegenübergestellt wurden. Außerdem wurde sehe Bedeutung, weil bei den kleinen Wel-aus den Scrienfotos der Verlauf der Rda-len die Widerstndsiinderungen absolut sehr tivbewegung über der I.änge ermittelt. klein sind. Nur dadurch, daß sie auf das Abb. 5 zeigt eine Folge als Beispiel und
Abb. 2: Ergebnisse der Widerstandsversuche In Quadrat der ebenfalls kleinen Wellenampli-Abb. 6 den daraus gewonnenen Relativ-Glaltwasser und In regelmäßigen, von vorn
Augen-Abb. 6: Auswertungsgrafik zur Bestimmung der flelativbewegung zwischen Schiff und WasseroberfUiche (siehe auch Bild 5)
F 0.219 kl = 1,1 = 10.0 Cm
n L A
hlickskonturen übereinander gezeichnet, dann ist die Doppelamplitude der örtlichen Relativbewegung gleich dem Abstand zwi-schen oberer und unterer Einhüllenden oder auch gleich dem doppelten Abstand zwischen der Glattv,'asserwellcnkontur und der unteren Einhüllenden. Wegen der Sprit-zerbildung am \Torschiff läßt sich die obere Einhüllende oft nicht eindeutig fixieren. Abb. 7 zeigt ein weiteres Beispiel, diesmal für die weiter untersuchte höchste Ge-schwindigkeit. Dort sind zusätzlich der so aus dem Versuch ermittelte und der ge-rechnete Verlauf der Ubertragungsfunktion der Relativbewegung gezeigt.
Mit den im Versuch bestimmten Uber-tragungsfunktionen für Tauchen, Stampfen und di Relativbewegung lassen sich nun dic beiden Widerstandsanteile nach der
an-Abb. 8: Obertragungsfunlction der Anteile der regelmäßigen, von vorn kommenden Wellen
Wjderstandserhöhung in Vartikalbewegung elatvbewegung echnung, --Versuch für F = 0.278 n
aui.0
L .ua' aRIua
u.
.u
iau.uauuum
usu a
.2gegebenen Methode berechnen. In Abb. 8 werden sie mit den vollständig gerechne-ten Anteilen verglichen. Man sieht, daß die Abweichung durch den zweiten Anteil be-dingt ist, dic unterschiedlichen Verläufe der Relativbewegung sind die Ursache. Die in der Rechnung enthaltene Voraussetzung, daß die Welle durch das Schiff nicht ge-stört wird, ist nur eine grobe Näherung. Trotzdem rechtfertigt das Ergebnis den Schluß, daß dieses einfache Verfahren eine praktisch brauchbare Abschätzung der mitt-leren Widerstandserhöhung in unregelmäßi-gem Seegang ermöglicht.
792 Sch]ff & Hafen, Heft 9/1974, 26. Jahrgang
Abb 7: Verlauf der Übertragungsfunktion der Relativbewegung über der Schiffslànge F = 0.278 kl = 1.3 = 11.8 cm n L A RG Glattwasserwiderstand Rv Widerstand in regelmäßi-gen Wellen S Relativbewcgung
S-' Amplitude der
Relativ-bewegung
So mittlere benetzte
Außen-haut
Si Bereich der
Benetzungs-schwankung
S: Seegangsspektrum
YR\r
Ubertragungsfunktion dermittleren 'Iiderstands_ erhöhung z Vertikalbewegung ZM Vertikaibewegung des ?vlassenmitteipunktes e Phasenwinkel k, Wellenerhebung
"A Amplitude der
Wellen-erhebung
f9 Stampfwinkel
Amplitude des Stampfwin-kels
I, Wellenlänge
U) Krcisfrequenz
Begegnungskreisfrequenz
Literaturhinweise
]l] Boese, P., Eine einfache Methode zur Be-rechnung der Wideratandserhöhung eines
Schilfes im Seegang IfS-Bericht Nr. 258,
Fe-bruar 1970
Gerritsma. J., van den Bosch, J. J.,
Beu-kelnian, W.. Propu!sion in Regular and
Ir-regular Waves Inkernational Shipbuilding
Pro-gress. Juni 1961
Gerritsma. J., Beukelman, Analysis of the
Resistance Incresse in Waves of a Fast
Cargo Ship, Lab. voor Shepsbouwkunde, 1H
Deift, Rep. No. 334. September 1971
Symbolliste
B Breite des Schiffes
BSVL örtliche Breite
F Froude -Z ahi
Fz vertikale Druckkraft im
schiffsfesten System
F absoluter Fehler der
Wel-lenamplitude
F absoluter Fehler des
Widerstandes in
Glatt-w asse r
absoluter Fehler des Widerstandes in Wellen
f gesamter relativer Fehler
der Cbertragungs-funktion g Erdbcschleunigung L Schiffslänge Lm Modellänge M Schiffs masse mittlere Widerstandserhö-hung in regelmäßigen Wellen
RA \VO, RAW! Anteile der Widerstands-erhöhung
mittlere Widerstandserhö-hung in unregelmäßi-gem Seegang