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Technik und Kultur : Zeitschrift des Verbandes Deutscher Diplom-Ingenieure, Jg. 17, H. 2

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Technik und Kultur

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Z E I T S C H R I F T DES V E R B A N D E S

D E U T S C H E R DI P L O M - I N G EN I EU RE □□

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S ch riftle ite r 2)ipl.=^5tl0. C a r l W e i h e , P a ten ta n w a lt, F ran kfu rt a. M.

HEFT 2 ESSEN, 15. FEBRUAR 1926 17. JAHRGANG

Die Einstellung des Ingenieurs zu Arbeit und Leben.

V on 2>r.=3in0. L . M e h m k e , S t u ttg a rt-D eg erlo ch .

„Wir steh en im Zeichen de s N ied erg a n g es der Kultur.

Der Krieg hat diese Situation nicht geschaffen. Er se lb er ist nur eine Ersc hein un g davon . W a s geistig g e g e b e n w ar, hat sich in T a ts a c h e n um g e se tzt, die nun ihrer seits w ie d e r in jeder Hinsicht ve rs ch le ch ternd auf das G ei st ige zurück­

wirken. Die W e c h s e lw ir k u n g z w is c h e n dem Materiellen und dem G eist igen hat einen unheilvollen Charakter an­

gen om m en . Unterhalb g e w altig er Katarakte treiben w ir in einer S tröm un g mit unheimlichen Strud eln dahin. Nur mit der ungeh eu er ste n Anstr en gu ng w e r d e n wir , w e n n über­

haupt noch Hoffnung vorhand en ist, das F a h rzeu g un se re s G es ch ic kes aus dem gefährlichen Nebe na rm, in den wir es abtreiben ließen, in den H aup tstrom zurückzubringen.“

So die treffende Schilde ru ng d es best eh en d en Zustan­

des in einem der le s e n s w e r t e s t e n Bücher, die in letzter Zeit erschienen. *)

Da die Technik anerkann ter m aßen unsere heutige Kultur maßgeblich beeinflußt, müßte der m oderne Ingenieur zur heutigen Kulturkrise St ellu ng nehmen, .selbst w e n n sie nicht gleichzeitig eine W irts ch a fts k r ise w ä r e , die jeden, g a n z b e ­ son de rs aber den jungen Ingenieur, aufs empfindlichste in Mitleidenschaft zieht.

W ie ist nun im A llgem ein en die Eins tellung de s ein ze l­

nen Ingenieurs zu die sen Frage n, w i e ganz allgemein zu den ihn berührenden großen Lebensp rob lem en, in deren Mittel­

punkt die Einstellung zur Be ru fsa rbe it steht.

Viele M en sc he n und darunter sicherlich auch zahlreiche B eru fsk ollegen sind ohne w e i t e r e s bereit, sich mit dem Leben, das sie führen und der Art, w ie sie ihre Arbeit v e r ­ richten, „ab zufind en“, w e n n es ihnen dabei materiell ein igermaß en gut geht. Sie arbeiten z w a r nicht se lten mehr oder w e n ig e r ungern, s e h e n a b e r e i n , daß si e berufstätig sein, ja so g a r viel und gut arbeiten m üsse n, w e n n sie sich über die na ckte E x is te n z hinaus s o v ie l Genuß w o lle n v e r ­ schaffen können, w i e es ihre L e b e n sa n sp rü ch e fordern. Ich m öcht e diese Einstellung zur Arbeit die p r i m i t i v e nennen, se lb st da, w o der ers tr eb te Genuß höherer Art ist, also z. B. ein e t w a v o r h a n d en es Bedürfnis nach äst h etischer Gestaltu ng de s äußeren L eb en s, nach Naturgenuß, nach ve rs ta n d e sm ä ß ig e r W eiterb il d ung, nach Aner ke nn un g durch andere mit umfaßt. Auch das Arbeiten, nur um zu Macht zu gela n gen , um M en sch en oder die Natur b eh errs ch en zu können, fällt mein er Ansicht nach noch hierher. S e l b s t v e r ­ ständlich k ön nen auch derart e in g es tellte M en sch en w e r t ­ v o lle s leisten, auch sp ie len alle diese primitiveren Antriebe zur Arbeit, bei an sich höh er er Lebense inst ellu ng, immer noch d an eb en eine Rolle.

B e re its nicht mehr rein eg o ze n tr is ch ist das Arbeiten der M en sc hen, die in der Gründung und Erhaltung einer Familie, in der m öglic hst guten E rzieh un g und Ausbildung v o n Kindern ihr L eb e n s z iel sehen.

*) A lbert Schweitzer, V erfall und W iederaufbau der K u ltu r.

C. H. Beek’sche V erlagsbuchhandlung, München.

Einer höh er en St ufe gehör t ferner b ereits an die mehr rom antisc he Auffassung der Arbeit, die in den Bahn en über­

k om m en er Pflichtbegriffe sich b e w e g t und daher die Arbeit um ihrer selb st w ille n zu tun v e rs u c h t und auch oft tut, e b e n so das Beru fsschaff en dess en , der v o n eigentlichem Arbeitstrieb, unter U m s tän d en auch der Romantik m o d er­

ner Arbeit erfaßt ist und daher aus einem g e w i s s e n S p o r t s ­ geist heraus arbeitet. Der preußische B e a m t e alten Stils und der am erikan isch e A n g es tellte und Arbeiter sind hierfür die a u s g ep rä g te s te n Typen.

Ist der nur eg o zen tris ch arbe ite nd e M en sc h immer nur unfreier Arbeiter, aus materieller Nötigun g heraus oder in der milderen Form als abhängig v o n eig en en Bedürfnissen, w e n n auch höherer Art, so arbeitet der pflichtmäßig oder sp ortsm äßig arbe ite nd e M en sc h be reits aus eig e n e m An­

trieb, also im w e s e n tlich en als ein freier Mensch, auch w o er sich tatsächlich in abh äng iger St ellu ng befindet.

D ie s e be iden T y p e n ha ben jeder in seiner Art Großes gele istet und tun dies noch heute.

Ihre Arbeit hat aber den Verfall der Kultur nicht auf­

zuhalten verm ocht.

S o w e i t es sich um den P fli ch tm en sch en handelt, liegt das Lebensid eal, nach dem er lebt, meist im w e s e n tlich en in der V ergan gen heit, w o M en sc hen seiner Art w e r t v o l l s t e Aufbauarbeit leisteten . Es nimmt daher auch nicht w u nd er, daß der T y p u s de s Pflichtmen sc he n vielfach stark rück­

wä rtsb li ckend ist, daß er in e x trem en Fällen Roman tik er einer Verg an gen heit ist, die — nie existierte.

Da s ist he utzutage möglich, w e il die historischen Kennt­

nisse, se lb st bei unseren Gebildeten, z w a r breit, aber nicht tief zu sein pflegen.

D ie Verg an gen heit erscheint daher als v o n prinzipiell anderer Art, und es entsteht die Tragikomik, daß der m o ­ derne Ro mantik er auf die Vergan gen heit als eine höchst inte ress ante und le b e n s w e r te Zeit blickt, die er sich in seiner Ph a n ta s ie mit den ede lsten, he ld enh aftest en M en ­ sc he n b evölk ert, ohne zu bemerk en , daß es ge ra d e an diese n W e r t e n der G e g e n w a r t absolut nicht fehlt.

Nie w a r ja viellei ch t das Leben sp annender, a b w e c h s ­ lungsreich er und inte re ss anter als heute, da eine Erfindung die an der e jagt, da die unglaublichsten W un der T a tsa c h e g e w o r d e n sind, der m ensc hlich e Flug, Fernseh en , F er n ­ spre che n, F ernh öre n u. a. Nie hat es vielleich t auch ein g rö ß eres Heldentum gegeb en , als es unser Leben der G e g e n w a r t v o n jede m einfachen M en sc hen im Alltag verlan gt.

D er Amerik aner, traditions- und vor ur teils los, „ohne G es p en ste r und R it terg esch ich ten “ •— w i e sc hon Goethe treffend sa gt , hat diese unheimliche R om an tik der G e g e n ­ w a r t viel fach richtig erfaßt. Man spürt das aus dem leide ns ch aftliche n T e m p o heraus, in dem er se in e Arbeit ve rr ichtet. Aber auch in unserer m od erne n Romanliteratur.

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ja in der bildend en Kunst ist da und dort sch o n e t w a s d a v o n zu spüren. B ö r ries v o n M ü n ch h au s en singt nicht nur altem Rittertum, s o n d ern auch der D r e s c h m a s c h in e sein Lied. Und über d e m O zea n ist dieser m od erne n W e lt sch o n v o r J ahrzeh nten ein einzigartiger S ä n g e r erstande n, W a lt W h itm a n n .1) Der Anklang, den g e ra d e er heute findet, zeigt , daß w ir allmählich zur Erke nntn is k om m en, daß w ir in einer Zeit leb en , die mehr als je rom anti sc her Em pfindung Nahrung g e b e n könnte.

A b er w e d e r Arbeit nach dem Pflichtideal al tpreußischer P rä g u n g noch eine R om antik der G e g e n w a r t mit S p o r t ­ g e is t bei der Arbeit nach a m erik a n is ch em Muster v e r ­ m ö g e n u n sere heutige furchtbare äuß er e und innere Not zu w e n d e n , sie k ön nen sie b esten fa lls da und dort zu einem k le inen Teil mildern, mehr nicht.

D a z u beda rf es einer ga n z neuen L e b en sid ee, an der es un se rer Zeit bislang noch fehlt. D a s ist in erster Linie der Grund un se re r Not.

D ie En tw ic k lu n g so m anches Großen der Tech nik zeigt uns das D u rc hlebe n diese r Not, da s B e w u ß t w e r d e n der S in n losigk eit d es D as ein s , ohne eine große lei ten de Idee.

U n se r größ te r Dic hter und M en sc h — G oeth e hat das im Faust treffend gesc hild er t, aber er hat auch den neuen W e g g e w i e s e n , so daß man sich w u n d ern muß, w i e wir heute immer noch da rnach suchen.

Zudem ist diese Lösung, die G o eth e gibt, gar nicht einmal neu. Vor fast z w e it a u s e n d Jahren gab sie sc hon unser g roßer ab end ländisc her Relig ions stifter .

Eine g a n z e R eihe b ed eu ten d er M en sch en der G e g e n ­ w art, die Am erik an er Ford und Filene, v ie le deu ts ch e Ingenieure, F o rs ch er und Industrielle, Oskar v. Miller, D e s s a u e r , L e b e n sr e fo rm e r w i e J ohan nes Müller haben d a s ­ se lb e erneu t in der S p ra c h e unserer Zeit jedem v erstä n dlich a u s g ed rü ck t, hab en für u n sere tech n isch b ed in g te Zeit und damit in sb es o n d er e auch für uns Ingenieure die I d e e formuliert, aus der heraus w ir alle, die w ir S u ch en d e sind, allein le b en können, w e n n w ir un se re r inneren S tim m e wir klich folgen. H ab en w ir doch läng st erkannt, daß Arbeiten ohne eine lei ten de Idee eine Unm ögli chkeit für uns bede ut et.

Ich hab e v or k u r z e m 2) G ele g en h e it g en o m m en , d ie se

„ I d e e d e r m o d e r n e n T e c h n i k “, w i e ich sie nenne, ausführlich zu e n tw ic k e ln und hab e dort auch die w u n d e r ­ v o lle n V e r s e d es G o e t h es ch en Fau st zitiert:

„Ein Sumpf zieht am G eb ir g e hin, V e rp es tet alles sc hon Errungene, D e n faulen Pfuhl auch abzuz ieh en, D a s let z t e w a r ’ das hö ch s t Errungene.

Eröff’n ich R ä u m e viele n Millionen,

Nicht si cher z w a r , doch tätig, frei zu w o h n e n .“

Es w ird jedem ehrlich s tr eb en d e n M en sch en und v o r allem dem Ingenieur so gehe n, daß ihm einmal die Erkennt­

nis kommt, daß nur d i e s e Art d es S chaffens f ü r a n d e r e , das Faust z u l e t z t als einzig befr iedigen de Tat se in e s ga nzen ruhelosen D a s ein s be zeich net, hö chsten L e b e n s w e r t enthält und dem R u helo s en endlich B efrie­

di gung bringen kann.

Nicht da s te ch n is c h e W irk en als so lc h e s, auch w o es aus der Fülle sc h ö p fer isc h e r Intuition he rau s erfolgt, nicht die Arbeit um der Arbeit w ille n, son dern nur um das W irk en im Hinblick auf die s e g e n s r e i c h e W irk un g unserer T a te n für die M en sc hheit.

D er p r a k tisc h e A m erik aner F o r d :i) und sein L an dsm an n F i l e n e 4) s p re c h e n das so aus, daß si e s a g e n , alle m e n s c h ­ liche Arbeit muß D i e n s t a m M e n s c h e n sein.

Albe rt S c h w e i t z e r sa g t: D i e n s t a m L e b e n , das ist vielleich t noch al lg em ein er und darum noch treffender.

1) W a l t W h i t m a n , I c h s i n g e (las L e b e n , m i t e i n e r E i n l e i t u n g v o n H e r m a n n B a h r , V e r l a g E . P . T a l & C o., L e ip z ig 1921.

2) I n „ D e r K r o n a c h e r B u n d “ , 1925, 1./2. H e f t . 3) F o r d , M e in L e b e n u n d W e r k , 1923.

4) F i l e n e . E i n W e g a u s d e m W i r r w a r r , F r a n k f u r t 1924.

A r b e i t m u ß D i e n s t a m L e b e n , i n s b e s o n ­ d e r e a m m e n s c h l i c h e n L e b e n s e i n .

D am it hat un se re Zeit ihre r ic h tu n g g e b e n d e Id ee g e ­ funden. A lles an d ere ergibt sich, w e n n w ir ihr folgen, v o n s e lb st; s o w o h l in B e z u g auf unser p e r s ö n lich es L eb en , w i e das W irts ch a fts leb en , da s s o z ia le L eben, die F ra g e n n a tio ­ naler Art, w i e die a llg e m ein en M en sch h eitsfra g en .

G e z eig t zu haben, daß d ie se „Idee der m od e r n e n T e c h ­ nik“ nicht w e lt fr e m d ist, ist da s V erd ien st der A m erik an er F ile ne und Ford. S ie hab en Millionen mit d ie se r L e b e n s ­ ein st ellu n g ve rd ie n t und führen ihren b e is p ie llo s e n m a­

teriellen Erfolg in ers te r Linie auf die B e f o lg u n g d ie se s P rin zip s zurück. R eich tum in der Hand de rartig e in g es tellter M en sch en ist aber sicherlich ein er der w e r t v o l l s t e n Kultur­

faktoren, hat nichts zu tun mit „K ap ita lism u s“.

Kann oh n e eine p o s it iv e E in stellu ng der führenden M en sc h e n zu einer so lc h e n „Id ee der T e c h n i k “, w i e wir sie eben da rlegten, auf die D a u er de r R eich tu m einer N ation nicht b e s te h e n , so kann ohn e d ie s e id e en m ä ß ig e Einstellu ng auch Kultur w e d e r e n ts te h e n n o c h erhalten bleiben, denn E n ts teh en und B e sta n d v o n Kultur ist un­

m ög lic h o h n e ein g e w i s s e s Maß richtig a n g e w a n d t e n R eichtum s.

D a s lehrt uns die K ulturges ch ic hte aller Zeiten. Ich h ab e in einer St u die üb er den Anteil der T ech nik an der E n tw ic k lu n g v o n W irts ch a ft und Kultur im Alte n A e g y p t e n dies für die a l tä g y p tis c h e Kultur n a c h g e w i e s e n . Dort fand ich, daß let z t en E n d es en tsc h e id e n d w a r für W e r d e n , lan ge Dau er und en dlich es V e rg e h e n der Kultur, daß und in w i e ­ w e it te ch n isc h e s D enk en , u n terg eo rd n et unter da s G eb o t einer höh eren Sittlichkeit, die füh re nd en M e n s c h e n b e ­ he rrsch te . Nicht an der s w a r es bei den an d er e n Kulturen.

Es ist k e i n e s w e g s so , w i e O s w a l d S p e n g le r meint, daß Kulturen gleic h O rgan ism en , und daher m e ch a n is c h dem Altern nach einer g e w i s s e n Zeit v e rfa lle n se ien. Kulturen sind eben g e ra d e k ein e O rgan ism en .

W eil eine n eu e sittlic he Idee im C hristentum g e g e b e n w a r , kon nte es zur h o h en te ch n isc h e n und kulturellen L eis tung d es Mitte lalters k o m m en , w e i l im Hum an is mus der Zeit S c h le ie r m a c h e r s , Fic htes, Kants, Schille rs, B e e t ­ h o v e n s und G o eth es eine nie d a g e w e s e n e sittlic he Höhe m ensc hlich er Gesinnu ng den Grund le gte, kon nten die un­

g eh eu ren F orts ch ritte der T ech nik der N e u z eit entstehen.

De nn w o der M en sc h innerlich bereit ist zum D ienen, da sc h ein t er ein b e s o n d e r s g ü n stig er B o d e n zu se in für die s c h ö p ferisch e Intuition, die ohne A b h ä n g ig k eit v o n unserem W o lle n über uns ko m m t, genau w i e über den Künstler und allein die g a n z groß en L eis tungen auf k ü n s tle ris c h e m w ie jedem an d er en G eb ie t vollbringt.

W e il der Fade n d i e s e s N eu h u m a n is m u s in der z w e i t e n Hälfte d es 19. Jahr hu nd er ts abriß, ist Europa in die fu rcht­

bare Krise der G e g e n w a r t gera ten.

Jede r ein ze lne von uns trägt daher heute in der eig enen Brust s o w o h l die M ögli chkeit sich für eine Z e iten w en d e, für eine neue Kulturep och e in der die Er­

rung ens ch aften der m od ern en T ech n ik sich zum vollen S e g e n der M en sch h eit e n t w i c k e ln kö n nen, zu entsc he iden, oder für den „ U n ter g a n g d es A b e n d la n d e s “ .

H ab en w ir uns aber einmal in p o s it iv e m Sin n e ent­

s chieden, s o w i r d das Prinz ip der D i e n s tle is tu n g uns zum si cheren Führer in allen L e b e n s fr a g e n . W ir sind in der L a g e nicht allein unser p e r s ö n lich es L e b e n s in n v o ll zu g estalten , son dern z. B. auch daran m itzu w irk en , daß die heute s o sc harfe n K la s s e n g e g e n s ä t z e , die F r a g e der B o d e n ­ reform, der zu w ä h le n d e n W irts ch afts p olitik , der nationa len G e g e n s ä t z e einer L ö su n g n äh er g e b r a ch t w e r d e n . E s wird uns mit ein em Mal klar, daß w ir mit d e m P rin zip der D ie n stle is tu n g H en ry F o rd s zum W e s e n s i n h a l t, zu der . Id ee“ der n ä c h s ten ab en d lä n d isch en Kultur pe riod e g e la n gt sind, die e n t w e d e r aus dieser Idee h era u s od er überhaupt nicht w e r d e n wird.

(3)

U n ser Lebe n und unsere Arbeit haben einen Sinn g e ­ won nen.

Allerdings nur die Arbeit, die tatsächlich zum B esten der M en sc hen dient, w e r d e n wir v o n da an tun können.

Auch w e r d e n wir alles, w a s un se re Ar be itsfä higk eit hemmt, unerbittlich aus un se re m Leben strei chen m üs se n, und w ä r e n es noch so lie b g e w o r d e n e G ew oh n h eiten .

Vor uns steht ja die große, b e s o n d e re Aufgabe, die wir, gerade wir, zu lösen berufen sind. S o w e i t wir wirklich als Ingenieure empfinden, w i s s e n wir, daß es bei -einer solchen S a c h la g e für uns nur e i n e n W e g gibt, den zur T a t , zur völlig en Hingab e an die se lb s t e r w ä h lt e L eb en s­

aufgabe.

Ja, es gilt nicht allein- an uns se lb st zu arbeiten, damit wir möglichst große Leistu ngs fäh igk eit in körperlicher, ge istiger und se eli sch er Hinsicht gew in n e n für die Erfüllung unserer Aufgabe d es Dienens, es gilt auch die Fäh igke ite n

zu g e w in n e n , die nötig sind, um unseren eig enen 'Berufs­

stand, w i e unser g a n z e s Volk, auf diese se in e s to lz e Zu­

ku nftsau fgab e v orzu b ereiten .

W ir m üsse n durch unse re Ta ten v or allem später einmal die neue Generation lehren, w e i t w e n ig e r als wir w ille n lo ser A r b e itssk la v e im Die nste reiner P rofitin teressen zu sein, noch sich gar in der Rolle de s H errs ch ers über Natur und M en sc he n zu gefallen , m ü s s e n ihr als V erm ä ch t­

nis hinterlassenr daß, w e r den Ehrentitel d es Ingenieurs zu führen sich anschickt, in erster Linie der überaus großen Vera n tw o rtu n g sich b ew u ß t sein muß, die er mit seiner Ingenieurtätigkeit übernimmt.

A n m e r k u n g d e r S c h r i f t l e i t u n g : S o sehr wir den a llg e m ein en Ausführungen d es V e rfa s s e rs zustimmen , m ü s se n w ir doch die F ra g e aufw er fen , ob a u s g er e ch n e t der A m erik aner Ford uns auf dem G eb ie te einer ethische n

Technik Führer se in soll -und kann.

Kritische Bemerkungen zum Ford-Buch.

Von Direktor N. S t e r n , Frankfurt a./M.

VII *)

„Die Amerikaner und w ir!“ So lautet heute die Gegenüberstellung und Frage, der wir uns nicht e n t­

ziehen können. Aber wir b ea n tw o rte n diese F rage nicht richtig, wenn wir in der den Deutschen eigenen U eberschätzung des Frem dtüm lichen im Am erikanis­

mus alles Heil sehen und alles, w as dort geschieht, für gut und n a ch ah m en sw ert halten. In dieser Einstellung sind wir in D eutschland und auch in den Kreisen der deutschen Industrie geistig dem F ordism us g eg en ü b er­

getreten und haben in allen schriftlichen Auslassungen dieses Industriekönigs ewige und untrügliche W a h r ­ heiten gesehen. Wie verfehlt eine solche Auffassung eines am erikanischen Lebensbildes ist, wie ganz anders wir uns in Deutschland noch immer zu allen Erscheinungen am erikanischen Lebens stellen müssen, wie stark auch gescheite und geistvolle deutsche B e­

sucher in ihren Reiseeindrücken danebengreifen, das zeigt uns mit seltener Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit ein Amerikaner selbst, der eine Kritik seiner Landsleute in solcher Unerbittlichkeit entwirft, wie sie bisher kaum vorhanden w ar, oder auch g e w a g t wurde.

„ D a s L a n d G o t t e s “, das Gesicht des neuen Amerika, benennt H e r m a n n G e o r g e S c h e f - f a u e r sein schon 1923 bei Paul Stegm ann, H anno­

xer, erschienenes Buch. Es handelt nicht allein oder zum wenigsten von Eord und der Industrie, aber es handelt von Amerika im w eitesten Sinne und wirft auf Vermögen und U nverm ögen dieses göttlichen Landes so neue und scharfe Schlaglichter, daß wir einmal mit den scharfen und kritischen Augen Scheffauers sehen müssen, um für die Beurteilung des am erikanischen W esens, vo r allem des w ährend des Krieges e n ts ta n ­ denen „neuen Am erikas“ , den rechten Standpunkt zu finden.

ln diesem Zusam m enhang können wir daher nicht auf alles das Köstliche und 'Treffende eingehen, w as Scheffauer über Politik, P resse, Familienleben und Geschlechtsleben sagt, obgleich es wegen seiner kul­

turellen Kritik hochbedeutsam ist; wir möchten uns vielmehr auf das rein Geschäftliche beschränken. Bei d er Analyse des Geschäftslebens geht Scheffauer d a ­ von aus, daß die ursprünglich leitende Kraft aus dem

*) Vgl. Te ch nik und Kultur 1924, S. 113 und 130, 1925 S. 13, 25, 39, 147.

religiösen, puritanischen Element herv o rg eg an g en sei.

D er Satz, daß der Mensch im Schweiße seines A nge­

sichtes sein B rot essen soll, führte zu einer „Religion der Arbeit.“ Erst sp äter w urde sie durch die A nbe­

tung des Geldes, die Gier nach Besitz, persönlicher Macht, Luxus zu einer Religion des Erfolges, der schließlich jeder religiöse,, ja sittliche Halt verloren ging. Ford spricht z w a r in ähnlichen Gedankengängen auch vom „Dienst am Käufer“, aber wir haben ja n ach­

gewiesen, daß dieser Dienst alles an d ere als ein

„ G ottesdienst“ ist. Mit dieser Entw icklung ging n a ­ türlich auch eine Aenderung in der W e rtu n g der A r­

beit selbst zusammen. W ir haben in Deutschland lange den Glauben gehabt, daß in Amerika, dem Land der Arbeit, auch der Arbeitende vo r dem Nichtarbei­

tenden b evorzugt würde, daß „anständige Arbeit keine Schande sei.“ Scheffauer stellt auch diesem Ideal die Realität gegenüber, daß der moderne Am erikaner alle körperliche Arbeit als plebejisch und erniedrigend a n ­ sehe und sie mit Vergnügen dem fremden E in w a n ­ derer. den er dafür verachtet, überlasse. Das Talent, arb eitssp aren d e Einrichtungen zu erfinden, soll zum Teil in dieser Abneigung begründet sein. „H eutzu­

tage ist es sein Ideal, sa g t Scheffauer, sicht gut anziehen zu können, ein Büro in einem W o lk e n k ra tz er zu haben, dazu eine hübsche Schreibmaschinistin und ein Auto­

mobil und von seinem W itz zu leben, von P rojekten und Ideen, aber nicht von der Arbeit seiner Hände;

nicht einmal die glänzenden Löhne, die der qualifizierte amerikanische Arbeiter erhält, die nicht selten vier- bis sechsmal so hoch sind, als der Kontorist sie erreicht, können ihn verlocken, das weiße Hemd und den steifen K ragen ab — und den Arbeitskittel anzulegen.“ Der bei uns noch v e rb re ite te Glaube von der Heiligkeit der Arbeit in der Republik und von einer V erringerung der Klassengegensätze beruht eben auf einer U n k en n t­

nis der w a h re n Verhältnisse. Das kann natürlich nicht bedeuten, daß man in Amerika auf ein schlaffes Nichtstun hinsteuert. D avon kann in diesem u n te r ­ nehm endsten L an d der W elt nicht die Rede sein, und auch Scheffauer bestätigt, daß gerad e in Amerika die meisten Talente das Meiste, w as an Genie v o rhanden ist, dem Geschäftsleben zugeführt wird. „Das G e ­ schäft ist die einzige wirkliche und w ah re Welt, die

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einzige Tätigkeit, die eines M annes, d e r Gehirn, T alent und U n tern eh m u n g slu st hat, w ürdig ist.“ Hierin liegt ein b e a c h te n s w e rte r G e g en satz zu deu tsch en V erh ält­

nissen, w o m an die a lth e rg e b rac h te Neigung hat, die b e g a b te n S öhne stu d ierten Berufen zuzuführen, weil m an sie für das G eschäft zu „gut h ält“ h ä l t ! Dieser Fehler u n s e re r Auffassung hat schon m anchen S ch a d e n v e r ­ u rs a c h t und erklärt, w a ru m blühende U n tern eh m u n g en oft schon in d e r z w eiten G eneration vöHig Zusam m en­

stürzen. M an entzieht ihnen den N achw uchs an Intelli­

genz und Talent, ohne die geschäftlicher F o rtsch ritt und Erfolg nicht d e n k b a r ist. In dieser Beziehung ist die nüchterne, am erikanische D en k u n g sa rt der uns- rigen überlegen, die auch in d e r gesellschaftlichen W e r tu n g w en ig er auf Schule, Bildung und Titel, als auf d as sieht, w a s Einer, wie S c hopenhauer sagt, „in sich h a t “. S e h r richtig betont Scheffauer, daß die

„ U e b e rm e n s ch e n “ A m erikas nicht Dichter, S t a a t s ­ m änner, Künstler oder Philosophen seien, sondern titanische P lu to k ra te n , wie Rockefellers, Vanderbilts, Carnegies, S ch w ab s, P ierpont, M organs. A ber noch ein A nderes sagt uns auch dieser feine K enner des am erikanischen W esen s, das w ir uns m erk en müssen.

Eine der w irk s a m s te n Kräfte im am erikanischen G eschäftsleben ist der E n t h u s i a s m u s , ln ihm liegt zum g roßen Teil das Geheimnis des a m e r ik a ­ nischen Erfolges. In gutem wie in bösem Sinn muß alles im Zeichen des Enthusiasm us stehen. Aus ihm schöpft der leichtentflam m te A m erik an er die Kraft mitzureißen, durch ihn wird d e r naive A m erikaner m it­

gerissen. Alles, w a s uns v on am erikanischer Reklame bek an n t ist, beru h t auf diesem S y ste m . Natürlich ist diese F o rm des Enthusiasm us der einfachen, einseiti­

gen D en k u n g sa rt des am erikanischen Publikum s a n ­ gepaßt, a b e r in der W ah l seiner Mittel unendlich findig, so daß eine B egeisterung v o n einer s t ä rk e re n abgelöst w ird und so auch die bek an n ten R ekordleistungen auf allen Gebieten des B au w esen s, der Industrie, des Handels, des S p o rts auslöst. Zweifellos liegt hier eine wichtige Quelle des am erikanischen Erfolges, den auch a n d e re K enner übereinstim m end betonen. So sagt auch E rw in R osen in seiner feinen, w en n auch g e g en ü b er Scheffauers realistischerem Kulturbild e t ­ w a s ro sa ro t anm u ten d en Schilderung als H auptsatz des am erikanischen O rg a n isa to rs: „Man muß b e ­ geistern können.“

Auch w ir sollten m eh r mit dieser besten, m e n sc h ­ lichen Gefühlskraft arb eiten und w eniger mit „ V e r­

o rd n u n g e n “ . Es darf in den schw erblütigen Kreislauf deu tsch en Geschäftslebens m ehr v on diesem Anreiz hinzukommen, damit das stren g e Pflichttum beseelter und b esch w in g te r wird. Es ist ein Fehler, daß m an g e ra d e in u n s e re r unfrohen Nachkriegszeit die A rbeits­

seele frieren läßt. Sie k an n nach allen Leidensjahren diesen Aufschw ung v e rtra g e n . Es w ird aber gern von deu tsch en U n te rn e h m e rn übersehen, daß die zwei w esentlichsten Angelpunkte und Pole, um die sich alles dreht im am erikanischen Geschäftsleben, die h o h e n L ö h n e und die anfeuernde B e g e i s t e ­ r u n g sind. D er am erikanische U n tern eh m er weiß, daß er ausgeben und sich ausgeben muß, w enn er die Gefolgschaft bei dem M itarbeiter und dem Publikum finden will, die er braucht. Darin b raucht man nur den Ausfluß nüchternen, geschäftlichen Egoismus, und nicht, wie w ir es bei v. Gottl.-Ottlilienfeld finden, sozi­

ales E rlö sertu m zu sehen. „Der tüchtige G esch äfts­

m an n kann B edenken nicht brauchen. Rücksichten auf

das öffentliche In teresse oder solche sozialer N atur m ach en keinen E indruck auf ihn.“ D as sind A eußerun- gen des E ng län d ers G. L o w es, Dickinson, C am b rid g e („ A p p earan ces“ London 1914), d e r als sc h ä rfste r K ri­

tiker a m erik an isch er Verhältnisse gelten soll. E r b e ­ tont auch die Skrupellosigkeit des a m e rik an isch en G e ­ schäftsm annes, der ste ts nur fragt, „ w a s eine Sache t r ä g t.“ W e n n es dann d e r G e sch äftsm an n zu f ü r s t­

licher Größe g e b ra c h t hat, ergeht er sich in Stiftungen, die die B e w u n d e ru n g der M a sse n e rreg en , so daß sie

„die Augen v o r der Quelle dieses R eichtum s schlies- sen.“ So spielt d e r am erikanische K rösus den öffent­

lichen W o h ltäter, nach d em er v o r h e r den öffentlichen A usbeuter gespielt hat. A ber mit Humor, s a g t S c h e f­

fauer, daß ihm niem and seine Die bereien oder E r ­ p ressu n g en verübele, weil es jeder ebenso täte, wenn er die Gelegenheit hätte!

So bekom m en w ir wirklich hier ein u ngeschm inktes Bild des am erikanischen M enschen, als dessen H a u p t­

s c h w ä c h e seine geistige Unreife h e rv o rtritt. Bei einer nationalen P rü fu n g d e r im Krieg a u sg e h o b e n e n M a n n ­ schaft soll die nationale P rü fu n g sk o m m issio n f e s t­

gestellt haben, daß die Intelligenz des d u rc h s c h n itt­

lichen e rw a c h s e n e n M annes in den V ereinigten S t a a ­ ten die eines normal entw ickelten zw ölfjährigen Kindes sei. Man kan n die ganze K ennzeichnung in dem einen W o rt „ U n w i s s e n h e i t “ z u s a m m e n ­ fassen. Nichts berechtigt den A m e rik a n e r zu jener hochmütigen, überlegenen, v e r a c h te n d e n Haltung, die er beso n d ers g eg en ü b er a n d e re n Nationen einnimmt.

D er schon zitierte Dickinson schildert den A m erik an er als „ein räuberisches, gedankenloses, naives, frühreifes und geschicktes T ie r.“ In diesem Z u sa m m e n h a n g w eist er auch auf die völligen Fehlurteile, die A m e ­ rikareisende, wie Goldberger, M ü n ste rb e rg , Holit- scher, D e ssa u e r in ihrem kritiklosen B e w u n d e r u n g s ­ eifer g em a c h t haben, und die den lächeln m achen, der das w a h re A m erika kennt.

In seinem neuen, kleinen Buch „ D a s g e i s t i g e A m e r i k a v o n h e u t e “ (Verlag Ullstein, Berlin 1925) enthüllt Scheffauer den Z w iespalt a m e r i k a ­ nischen W e s e n s noch deutlicher. E r sa g t uns hier, daß der männliche Teil sich der E r o b e ru n g m a te rie l­

ler Dinge z u w e n d e und die F r a u e n d as geistige G e ­ biet besetzten. D a d u rc h w ü rd e die F r a u die Allein­

beh errsch erin d e r a m erik an isch en Kultur. D a ra u s folgt das geringe geistige Niveau des D u rc h s c h n itts ­ am erikaners, für d as Persö n lich k eiten wie E dison und F ord gerad e klassische Beispiele scheinen. Scheffauer sa g t: „Es w ird kaum einen e uropäischen Erfinder geben, der nicht auch fähig w ä re , am allgemeinen Kulturleben seines Volkes o d er seiner Zeit teilzuneh­

men. Edison bleibt tro tz seines W e ltru h m s d e r naive, provinzielle A m erik an er.“ „D er M ensch F o r d ist, wie alle, die ihn genau kennen, b e w e ise n (z. Bspl. Louis Paul Lochner, sein frü h e re r P r i v a t s e k r e t ä r ) ein sehr enger und einseitiger, so g a r b e s c h r ä n k te r Geist, ohne jede feste W u rz e l der U eb erz e u g u n g und v on jener kindisch-weiblichen Sprunghaftigkeit g etrieben, die auf viele seiner außergeschäftlichen H andlungen, wie das Friedensschiff, seinen A ntisemitismus, seine S e n a ­ to re n k a n d id a tu r und seine P r o z e s s e ein grelles Licht w erfen .“

Scheffauer will mit diesen D arstellu n g en nur z ei­

gen, daß w ir U nrecht haben, diese L eute als H a lb ­ g ö tte r a n zu b eten und d a r ü b e r u n sere S elbstachtung, zu d e r w ir in geistigen Dingen m e h r U rs a c h e haben,

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aufzugeben. W ir haben Ursache, vom A m erikaner zu lernen, aber dürfen dabei nicht das Frem dländische, wie es jetzt üblich ist, grenzenlos üb ersch ätzen und uns selbst geringschätzen. Amerika greift nach dem deutschen Geist, will dem besiegten Deutschland die geistigen G ew alten rauben. Aber „dieser Geist leuch­

tet noch über seinen vom Tode gepackten Körper und allen seinen Qualen, und sein kleiner Finger, w enn er es nur wüßte, ist noch mächtiger als die Lenden seines W idersachers.“

Mit an derem Rüstzeug hat Karl Köttgen Amerika bereist. Hier schreibt ein Geist, der Amerika nicht feuilletonistisch erfaßt, sondern von T atsach en a u s ­ geht. (Das wirtschaftliche Amerika von Dr.-Ing. e. h.

Carl Köttgen (V. D. 1. Verlag. Berlin 1925.)

Bei dem üblichen, oberflächlichen Vergleich z w i ­ schen Deutschland und Am erika w ird selten bedacht, welche verschiedenartige Vorbedingungen in beiden Ländern bestehen. D arü b er gibt Köttgen zuerst Rechenschaft und kommt dabei zu recht b eac h te n s­

w erten Ergebnissen.

Um das W ohlergehen der Vereinigten S ta a te n mit dem D eutschlands zu vergleichen, w ird zuerst die Zahl der an der N a h r u n g s e r z e u g u n g beschäftigten Berufstätigen festgestellt. Da ergibt sich, daß für die E rnährung der Vereinigten S ta a te n 29 v. H. aller E r ­

werbstätigen, in Deutschland 43,3 v. H. nötig sind.

Das heißt aber, daß in Amerika 71 v. H. der a rb e ite n ­ den Bevölkerung frei sind, um andere Bedürfnisse als die reine Ernährung, also die Stillung des Hungers, zu befriedigen. Sie stellen her, w a s sonst zum Leben, für Wohnung, Kleidung und für bessere L e b e n s­

führung, für Erholung und Kultur benötigt wird.

Deutschland hat danach nur 56,7 v. H. verfügbar.

Daraus bildet Köttgen einen sog. W ohlstandsfaktor, indem er diese Ziffer zur Gesam terzeugung, die er mit 100 bezeichnet, ins Verhältnis setzt. Da ergibt sich für

die Ver. S ta a te n ein W o h lsta n d s­

faktor von 100 — 3,45

29

für Deutschland 100 = 2,31

43,3

Nach dieser Annäherung, die voraussetzt, daß in bei­

den L ändern jeder E rw e rb stä tig e gleichviel erzeugt und gleichlange arbeitet, w as in Wirklichkeit die Zif­

fer noch mehr zugunsten Amerikas verschiebt, w ä re der amerikanische W ohlstand das a n d e r t h a l b ­ f a c h e d e s D e u t s c h e n . Hierbei w irken für A m e­

rika die günstigen, klimatischen Verhältnisse, der un­

verbrauchte, vielfach neuerschlossene Boden und die stark e Verbreitung der Maschinen bei der lan d w irt­

schaftlichen Erzeugung.

W en n wir den W ohlstand vergleichen, müssen wir auch die L o h n h ö h e der einzelnen L än d er g e ­ genüberstellen. Köttgen stellt fest, daß der a m e ri­

kanische Lohndurchschnitt e tw a s unter dem D r e i - u n d e i n h a l b f a c h e n des deutschen liegt, selbst bei Berücksichtigung der in Amerika nur halb so großen Kaufkraft bleibt im m er noch das 1 , 7 f a ch e.

W enn aber bei zw eifachen Kaufpreisen der F e r ­ tigprodukte noch dreieinhalbfache Löhne bezahlt w e r ­ den können, muß dieses Ergebnis auf günstigerer A r­

beitsweise beruhen. Das führt auch auf diesem W eg zu der B etrach tu n g des F o r d’schen S y s t e m s . Hier bestätigt der kühle R echner Köttgen, w as w ir bereits im Anfang dieser B etrach tu n g gesagt haben, und w as

man in D eutschland bei der spekulativen, fast p h a n ­ tastischen B eurteilungsart außer Acht läßt: „Die F o r d ’sche Entw icklung w ird sich in der W elt nicht wiederholen, nicht einmal in den Vereinigten Staaten.

S i e i s t b e i s p i e l l o s.“ Aber auch in den Vereinig­

ten S taaten, dessen B edarf bereits F ord zur Hälfte deckt, ist nicht P la tz für ein zweites, gleichartiges U n­

ternehm en. Dabei übersieht man in Deutschland, daß der Betriebsstoff d o rt 16 Pfg., bei uns 40 Pfg., also das z w e i e i n h a l b f a c h e kostet, der Arbeiter also, der den dreieinhalbfachen Lohn bezieht, kann sich einen F o rd w a g e n leisten, weil er ihm im Verhältnis nur den achten Teil dessen kostet, w as der deutsche Arbeiter aufbringen müßte. Das zeigt wieder, daß nicht nur die Verbilligung der W ag en erzeu g u n g die V erbreitung allein bew irken kann, sondern daß wir dazu auch einen b i l l i g e r e n B r e n n s t o f f b r a u ­ chen, ein Gebiet, für das unsere hochentw ickelte che­

mische Industrie m ehr tun müßte als bisher. Aber g e ra d e dort v e rs te h t man sich durch Zusammenschluß auf P reissch u tz und v e rs a g t der Kraftfahrzeugindustrie die entscheidende Hilfe. Aber wenn auch nach dieser Richtung bessere V oraussetzungen geschaffen w erden, können w ir in a b se h b a re r Zeit n i e uns Amerika gleichstellen. Uns fehlen die gleichgünstigen, n a tü r ­ lichen V oraussetzungen dieses L andes und damit die Kaufkraft, die wir der deutschen B evölkerung nicht geben können. Auch Köttgen kom m t zu dem bereits hier m ehrfach betonten Ergebnis, „daß wir die S teige­

rung u nserer G esam terzeugung nicht in dem Maße heben können, wie es von m an ch er Seite erhofft wird.“ W en n man den Dingen auf den G rund geht, zeigt es sich, daß die'leichthin in die W elt gesetzten und besonders von Volkswirtschaftlern übertrieben betonten Rufe nach Rationalisierung nur ein beschei­

denes Ergebnis versprechen. Mit Recht fragt daher Köttgen, w er im Steinkohlenbau M ethoden Vor­

schlägen könne, um auch nur die G esam terzeugung um 10 v. H. zu heben. Selbst w enn auf and eren G e ­ bieten 20 v. H. m ehr erzeugt w e rd e n könne, w a s eine sehr große Steigerung bedeute, w ü rd e hiermit die um 70 v. H. höhere Erzeugung Am erikas nicht eingeholt.

Dabei sind zu diesen Fortschritten Z e i t u n d M i t t e l erforderlich. Auch das muß auf G rund dieser E rg e b ­ nisse hier wiederholt werden, weil es im deutschen Unternehm ertum noch sehr v e rk a n n t wird. Die U m ­ stellung der Methoden, auch im kleinsten Rahmen, e r ­ fordert Zeit, mit der g erechnet w erd en muß, weil d a ­ durch Mittel erforderlich werden, die den eigentlichen Einrichtungs- und Anschaffungsaufwendungen noch hinzugerechnet w e rd e n müssen. Hier ist also mit Schlagw orten nichts zu machen, die praktische W i r k ­ lichkeit fordert G e l d u n d G e i s t !

Amerika, das muß begriffen w erden, können wir nicht einholen. Die amerikanische W irtschaft hat eine M ehrerzeugung von 70 v. H. D avon liegt fast die Hälfte an den Segnungen der Natur. Die an d e re Hälfte aber v e rd a n k t Amerika seinen besseren A r b e i t s ­ m e t h o d e n und seiner größeren A r b e i t s i n t e n ­ s i t ä t . Darin m üssen wir ihnen nachstreben. W ir können

dabei nicht alles erreichen, weil wir eine schw ierigere Rohstoffgewinnung und keine annähernd so großen E r ­ zeugungsm engen haben. Aber in dem bestehenden R ahm en kann sicher vieles geschehen. Es geschieht auch schon mancherlei, die Ausländer b etrachten bei­

spielsweise die d e u t s c h e N o r m u n g s a r b e i t

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als vorbildlich. A ber der prak tisch e Gebrauch, den die Industrie d av o n macht, ist g e ra d e z u kümmerlich.

Die g e g e n w ä rtig e w irtschaftliche Industriedäm m erung, in d e r w ir leben, sollte doch den E rn st dieser Z u s a m ­ m enhänge e rkennen lassen. Aber nichts w ird d a ra u s gelernt. J e d e r Ingenieur w a h r t seine „kon stru k tiv e E ig e n a rt“ bis in die lächerlichsten Kleinigkeiten, selbst, w en n das U n tern eh m en zu G runde geht. E s ist die g rö ß te S e lbsttäuschung der G e g e n w a rt, daß alle zu sa m m e n b re ch e n d e n B etriebe ein „Opfer der Zeit“

seien. Als die Inflation die U n ternehm ungen in eine Scheinblüte b rachte, da quittierten die L eiter p e rs ö n ­ lich für den Erfolg. Heute soll „die Zeit“ den Mißerfolg decken. W e n n m an a b e r gründlich nachsieht, so trifft m an häufig auf ein hohes Maß eigener Schuld. Man h a tte ve rg e sse n , w o man stand, und in den T ag hin­

einproduziert. dabei a b e r nicht bedacht, daß auch bei

uns ein K o n kurrenzkam pf einsetzen muß, d e r ein Kampf bis aufs M esser wird. W ir kom m en auch heute nicht mit W a r t e n und Hoffen d a r ü b e r hinweg, s o n ­ dern nur durch unerbittliche Selbstkritik. H ieran fehlt es noch seh r nach den vielen bequem en J a h r e n der K riegserzeugung und der Nachkriegszeit. Alles G e ­ rede von Eordisierung ist noch nicht d a s nächste.

Viele, die m eisten haben ihre eigene L ag e noch nicht im Spiegel d e r Zeit erk an n t. D eshalb begreifen sie nicht, daß jetzt e rst die m ühsam e, s c h w e r e A n stieg ­ arbeit beginnen muß. Die kann nu r zum Erfolg füh­

ren im Zeichen der Disziplin, d e r A rbeitsam keit, der Bedürfnislosigkeit, des Fleißes und d e r A usdauer.

Neben diesen m oralischen V o rau ssetzu n g en können dann die technischen d e r F ordisierung treten. Dann w e rd e n sich die T r ä g e r dieser Arbeit im w eiteren W irtsc h a fts- und D aseinskam pf behaupten.

Innenfront.

Von G. B u e t z , Dessau.

Es ist genügend von der Notw endigkeit des V o r­

h a ndenseins einer Innenfront geschrieben w orden, genau so viel wie ü b e r die N otw endigkeit der E r ­ kenntnis u n s e re r sc h w e re n wirtschaftlichen Lage, tro tz d e m ist nichts bisher erreicht w orden. Ein B ei­

spiel hierfür ist die Haltung in der Kriegsschuldfrage, die wirtschaftlich wie politisch gleich entscheidend für D eutschland ist und die von einem I eile des deutschen Volkes sofort nach der E rk läru n g sab g ab e der R egie­

rung b e a n s ta n d e t w urde.

D u rch au s nicht allein die politischen M einungs­

verschiedenheiten m achen eine einheitliche Innenfront in D eutschland unmöglich, U nkenntnis und falsche Auffassung treiben ganze Volksgruppen in v ersc h ie ­ dene L ager. W e n n als Leitmotiv der Ausführungen ein Ausspruch S en ecas angeführt wurde, dann ist es vielleicht nützlich, ein w eite re s W o r t dieses großen P olitikers und M en sch en k en n ers hier anzuführen:

„M an muß aus dem G em üt den V erdacht bannen und die Sucht, V erm utungen zu h eg en “ .

Liegt es doch bei uns so, daß jeder Stand, jede B e rufsgruppe der and eren den V orw urf macht, nur eigene Interessen zu v e rtre te n . W ir leiden an der K rankheit d e r V erm utungen und Verdächtigungen.

M an b ra u c h t ja nur einmal unser W irtschaftsleben zu überblicken. Es muß sich, wenn wir zu einer in neren Festigung, einem völkischen Zusammenhalt, kom m en wollen, endlich die E rkenntnis Bahn brechen, daß w ir in D eutschland keinen W irtsc h a ftsz w eig mehr haben, der nicht in ein oder d e r and eren F orm not- leidend w äre. H iervon sollten alle kritischen B e ­ trach tu n g en ausgehen, und m an w ird zu einer g e ­ re c h te ren , d. h. sachlicheren Beurteilung gelangen.

W eiterhin ist folgende Ansicht in vielen Kreisen erst einmal zu ä n d e rn ; m an hält die deutsche B evölkerung für urteilsfähig, fest steht dagegen, daß sie im D urch­

schnitt g enom m en wirtschaftlich zum guten Teile ungeschult ist. W ollen wir zu einer Innenfront k o m ­ men, so muß dieser F ehler in recht energischer W eise .erst einmal zu ä ndern gesucht w e rd e n , denn die

„ Ist’s ein F re v el, dem V a te rla n d e zu sc h ad en , s o is t ’s auch einer, w e n n du de inem M itb ür ger s c h a d es t, denn er ist ein Teil d e in e s V a t e r l a n d e s “.

S e n e c a . meisten Verdächtigungen, die zu d e r E n tfrem d u n g der einzelnen Klassen u n te r einander führen, b eruhen auf m angelnder wirtschaftlicher Einsicht. Man w ird der Feststellung w id ersp rech en wollen, d a ru m ist es n o t ­ wendig, mit einigen B ew eisen zu kommen.

D as v o n der R egierung aufgestellte P r o g r a m m des P r e is a b b a u e s ist von den einzelnen Berufsgruppen dazu benutzt w orden, den G eist der Uneinigkeit noch zu v e rs tä rk e n . Die Industrie v e rd ie n t so viel, heißt es, durch die neuen großen Z u sa m m e n sc h lu ß b e w e ­ gungen will m an uns K onsum enten nu r die Preise diktieren. Ob die großen T rustbildungen, wie sie in der Eisen- und chemischen Industrie, in d e r Kali- und Z em entindustrie jetzt v o rg e n o m m e n w e rd e n , nun an sich für die W irts c h a ft zu begrüßen sind, m a g dahin­

gestellt bleiben; daß die Industrie a b e r alle Mittel zur A nw endung bringen muß, um ihr U nkostenkonto herab zu d rü ck en , daß die Rationalisierung d e r P r o ­ duktion eine L eb en sn o tw en d ig k eit der Industrie ist.

müßte ein jeder einsehen. W ie k an n sich u n sere In­

dustrie denn heute in einer günstigen L a g e befinden!

W en n der Z usam m enbruch d e r K onzerne wie Stinnes, Stum m , s c h w e r e E xistenzkäm pfe, wie sie Krupp a u s ­ zufechten hat, noch nicht bew eisen, daß die Lage ern st ist, dann m üßten doch die A usfuhrzahlen B e­

weis genug sein. Die d eutsche Industrie ist zu m ehr als die Hälfte eine Exportindustrie. W ir besitzen kaum eigene industrielle Rohstoffe, w ir m ü ssen so v ersuchen, die Einfuhr plus V erdienst durch eine Ausfuhr zu bezahlen. In unserem L a n d e ist gut drei Viertel d e r B ev ö lk eru n g in Industrie, Handel und G e ­ w e rb e tätig, w ir stellen, also viel m ehr her. als wir selbst geb rau ch en und v o r allen Dingen bezahlen können. U nsere Ausfuhr geht nun d a u e rn d zurück, die Einfuhr nimmt d e m g e g e n ü b e r zu. W ir h aben im August z. B. um 454 Mill. M ark m ehr eingeführt, denn ausgeführt. W ie soll es d e r Industrie da gut g e h e n ? Es ist auch ein Irrtum , w enn b e h au p tet wird, die In­

dustrie h ätte heute keine Schulden m ehr, denn die Schulden h abe m an in d e r Inflation abgestoßen. Vor

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d er A ufw ertung berech n ete man, daß die Industrie noch e tw a 75 vH ihrer Vorkriegsschulden habe, dazu hat die Industrie ihre Kapitalien, ihre R e s e rv e n zum großen Teile vollkommen verloren, und um diese Verluste zu decken, hat sie in erheblichem Maße neue Schulden aufnehmen müssen. W ä h re n d die früheren Schulden langfristige Inlandsschulden w aren, deren Rückzahlungstermine von den W e rk e n selbst b e ­ messen werden konnten, hat man heute kurzfristige Schulden zu ungünstigen Bedingungen, mußte man doch zufrieden sein, überhaupt neue Betriebsm ittel zu erhalten. Die Lage ist für die Industrie jetzt noch viel schw ieriger g ew orden, als man neue Schulden nicht mehr aufnehmen kann. Die Schulden sind im W arenpreise nicht zu bezahlen, denn die P re is e kann man bei der Absatznot nicht h eraufsetzen; es sind keine genügenden Sicherungen m ehr da, grund derer es möglich wäre, Auslandskredite zu bekommen, und es fehlt an Verdiensten, um die Kredite zur rechten Zeit wieder abdecken zu können. W enn also die V erbraucher die A nstrengungen der Industrie, sich aufrechtzuerhalten, als Maßnahmen geldlicher M acht­

dik tatur auffassen, dann bedeutet das eine völlige V erkennung der Lage. W enn a n d ererseits die A r­

beiter ihre Lohnhöhe als böswillig niedrig gehalten ansehen, und wenn es immer w ieder heißt, daß ihren Direktoren „Unsummen“ gezahlt werden, die In­

dustrie also zahlen könne, w enn sie nur wolle, dann sollten urteilsfähige Menschen derartige Aeußerungen doch wirklich nicht nachsprechen. E rsten s werden keine Unsummen gezahlt, zw eitens ist kein Zahlen­

verhältnis zwischen den wenigen D irektoren und den Tausenden von Arbeitern, Angestellten. Ingenieuren usw. zu finden, um hierdurch Rückschlüsse auf eine Firmenzahlungskraft finden zu können. W enn man in einer großen Maschinenfabrik nach dem G ehaltssatz eines Oberingenieurs, also eines M annes fragt, von dessen Leistungskraft für das W e rk viel abhängt, dann wird m an über die Bescheidenheit der G ehalts­

höhe erschrecken.

G ehen wir auf einen an d eren wirtschaftlichen Trugschluß ein, der unser Volk v erb ittern und sich weiter trennen heißt, die Lage der Banken. Es heißt, daß die Banken ihren Kunden die Konten strichen, daß sie ganz enorme Gewinne m achten, daß ihre Sätze erschreckend hoch und daß ihre Kreditwillig­

keit nunmehr unerlaubt gering sei. Die B anken haben doch Geld. In Wirklichkeit ist die Lage der Banken mehr denn schwierig; daß es so ist, liegt doch auch eigentlich auf der Hand. Die Banken verdienen von Anlage und Um satz ihrer W a re , d. h. der Geldmittel.

Deutschland aber ist v e ra rm t, sein U m satz an Geld­

mitteln ist bedauerlich gering. An dem Kapital­

schwund aber haben die Banken doch genau so teil­

genommen, wie an d ere W irtsch aftsg ru p p en ; ihre Effektenbestände sind doch genau so eingeschrumpft wie in den T asch en des einstigen Millionärs, der heute Kleinrentner ist. Die Banken haben bei dem enorm en Geldumsatz d e r Inflationszeit ihre Geschäfte stark erw eitert, sie haben heute eine U eberzahl von Personal, ein hohes Unkostenkonto bei flaustem G e ­ schäft. W enn jemand abbauen muß, dann sind es die Banken.

Und nun zur Landw irtschaft. Der schuldenlose L andm ann hat doch, so w ird nur allzu oft gesagt,

zum P reise einer Semmel seine H ypotheken abbezahlt.

Man spricht von jener Landw irtschaft, die in der Wolle sitze und die durch hohe Zölle, die man glücklich w ieder d u rchgedrückt habe, den Armen Brot und Fleisch verteuere, die mit ihren Zöllen der Industrie neue Lohnkämpfe bringen werde, diese G roßagrarier, die Sekt tränken. (W äre die Sache nicht so ernst, dann könnte man fragen, v o r oder nach der Z w an g sv erw altu n g ). Und wie liegen die Dinge in W irklichkeit? Das L and hat seine Schulden abgestoßen, verlor a b e r sofort darauf seine B etrieb s­

mittel. Nun braucht die L an d w irtsch aft Betriebsmittel viel notw endiger wie e tw a ein Kaufmann. Jener v e rm a g durch einen schnellen W a re n u m s a tz schon den Kauf mit dem Verkauf zu bezahlen, seine K redit­

beschaffung ist leichter, weil die Kredite kurzfristig sind. Das Land setzt nur einmal im Ja h re die in den Boden gesteck ten Kapitalien um. Im Herbst und Frühjahr m üssen die Gelder zur Bestellung bereit sein, um nach M onaten Gewinne zu bringen. Die Gewinne sind von der Natur mit abhängig, und die Konjunkturausnutzung, die dem Handel das Geschäft bringt, ist für die L an d w irtsch aft schw er, teilweise unmöglich, denn fast zur gleichen Zeit treten die geernteten P ro d u k te auf allen deutschen M ärkten auf. Das Land mußte sein verlorenes Betriebskapital neu ersetzen, verm ochte dies nicht durch Verdienst, sondern durch eine neue Belastung. Die neue B e ­ lastung, die heute ziffernmäßig z w a r noch geringer als vo r dem Kriege ist, entspricht in ihren Aus­

wirkungen, z.B. den Zinsen, die früher 4—5 v.H., heute 12— 18 v. H. ausmachen, dem nach tatsächlich jenen der Vorkriegsschulden. Da die P reise mit den Unkosten nicht in Einklang zu bringen sind, — die P reise für B rotgetreide liefen trotz Zoll und Ausfuhrscheinen auf Friedensbasis, zum Teil sogar d aru n te r —, k o m ­ men Verdienste s c h w e r herein. Man kann die B e ­ stellungsschuld der E rntekredite von 1923/24 nicht zurückzahlen und muß für die H erbst- und F rü h ja h rs ­ bestellung neue Geldmittel zur Verfügung haben, d. h.

man muß neu borgen. Man vergleiche einmal die E rzeuger-A grarpreise, setze dazu die S teuersätze, dann wird man schon b esser im Bilde sein. Die Verhältnisse auf dem Lande sind ernst. Der beste Bew eis ist, daß man heute auf ein G üterkaufangebot M assenangebote erhält. W e r will verkaufen, wenn er sich halten kann und v e rd ie n t?

Man trage also die Last, die heute auf jedem ruht, mit m ehr gem einsam eren Empfinden, m an sehe mit u n g etrü b teren Augen in die uns um gebende Welt, man mache es sich nicht zum Prinzip, in S ch lag ­ w o rten zu denken und d em entsprechend zu urteilen, man einige sich in der großen Not, die uns alle umgibt.

Man empfinde endlich in Gemeinsamkeit, daß die W urzel des Uebels die uns auferlegten Bestim m ungen sind, daß von ihren W irkungep kein D eutscher v e r ­ schont geblieben ist und daß, wenn wir eine Aende- rung erreichen wollen, nicht eine B evölkerungsgruppe die an d ere zu verdächtigen hat, sondern daß wir uns über alle M einungsverschiedenheiten hinw eg zu einigen haben. Zu einigen gegen die Feinde, denn trotz aller F riedenskontrakte sind wir weiterhin von Feinden umgeben. Bringen wir die Erkenntnis und die menschliche Klugheit nicht auf, uns nach außen hin zu einer Innenfront zusammenzuschließen, dann bleiben wir eine Beute dieser F e i n d e ! ---

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Rechtsmängel beim Kauf.

Für die kaufm ännische P r a x is

b e a rb eitet von Dr. jur. Julius W o y d a , Bremen.

Billig und gut will der G eschäftsm ann einkaufen, sonst ist er unzufrieden. Ob m an billig gekauft hat, e r ­ fährt m an m eistens rech t schnell, w e n n m an es nicht schon beim Kaufabschluß genau wußte. Ob der Kauf a b e r auch gut w a r, stellt sich gewöhnlich e rst später, m eistens nach der Lieferung heraus. Nicht nur die Q ualität d e r Lieferung, etw a ig e M ängel d e r gekauften Sache, geben zu unliebsam en B ean sta n d u n g e n Anlaß;

oft, und angesichts der heutigen Finanz- und W i r t ­ sch aftsv erh ältn isse so g ar beso n d ers häufig, melden sich nach Kaufabschluß oder erfolgter Lieferung Dritte, die behaupten, irg en d w elch es Recht, e tw a ein Miet-, P f a n d r e c h t o. dgl., an d e r gekauften W a r e zu besitzen.

In der P r a x is entw ickelt sich dann gewöhnlich ein sehr viel Zeit, Geld und Mühe k o ste n d e r B rief­

wechsel, in dem jeder glaubt, sein „gutes R e c h t“ zu v e rtre te n . D er Käufer w eist d arauf hin, daß er nur v o m V erkäufer gekauft habe und deshalb mit einem beliebigen D ritten ü b erh au p t nichts zu tun habe, der V erkäufer e rk lä rt einfach, v erk a u ft sei verkauft, und d e r Käufer h ätte ja v o r Kaufabschluß d a n ach fragen können, und d e r Dritte endlich, d e r B esitzer des Rechts, b e h au p tet kurzerh an d , daß er garnicht daran denke, auf seine w o h le rw o rb e n e n Rechte zu v e r ­ zichten.

„ T a n t de bruit pour une o m elette.“ Viel L ärm um nichts!

G anz klar heißt es im G esetz: „Der V erkäufer ist verpflichtet, dem Käufer den v e rk a u fte n G eg e n ­ s ta n d frei v on R echten zu verschaffen, die von D rit­

ten gegen den Käufer geltend gem acht w e rd e n k ö n ­ nen.“ (§ 434 BGB.)

D er Käufer h a t also n i c h t die Pflicht, lange N achforschungen d a rü b e r anzustellen, ob auch ja kein D ritte r irgend w elche R echte an der gekauften W a r e hat, son d ern d e r V erkäufer haftet ihm von Gesetzes w egen dafür, daß es nicht der Fall ist.

W ie aber, w enn die gekaufte Sache z w a r u n ­ belastet, ihr Zubehör a b e r mit R echten eines Dritten b elastet ist, also e tw a das gekaufte Grundstück lastenfrei, hingegen d as dazu gehörige In v e n ta r v e r ­ m ietet is t? Die A n tw o rt ist klar. W ie die gekaufte Sache selbst, muß auch d as Zubehör frei von Rechten D ritter sein, und ist dies nicht der Fall, so ist der V e r­

käufer dem Käufer dafür v erantw ortlich.

W a s a b e r b e d e u te t es in d e r P ra x is, daß die v e r ­ kaufte W a r e dem Käufer frei von R echten übergeben w e rd e n muß, die ein D ritte r gegen ihn geltend m achen k ö n n te ? Grundsätzlich alle Rechte an d e r W a r e fallen hierunter, sow eit nur die gesetzliche Möglichkeit b e ­ steht. den Käufer desw.egen in Anspruch zu nehmen, d. h. also ihn darau f zu v erk lag en oder ihm, w en n er selbst der K läger ist, eine diesbezügliche Einrede e n t­

gegenzusetzen. Dabei ist durchaus nicht erforderlich, daß d as betreffende R echt bereits unangenehm e Fol­

gen für den Käufer g eh a b t hat. Auch solche Rechte, die erst künftig praktisch w erden, also z. B. ein M iet­

recht, d as e rs t mit dem Beginne des n ächsten Q u a r ­ tals in W irk s a m k e it tritt, ist eine Beeinträchtigung d e r gekauften Sache, für die der V erkäufer aufzukom ­ m en hat. Die R echte können sowohl dinglicher Natur

sein, d. h. die Beziehungen einer P e r s o n zu einer Sache regeln, wie z. B. G ru n d d ie n stb a rk e ite n oder eine V erm erk u n g im G rundbuch, sie können a b e r auch obligatorischer A rt sein, d. h. nur zw ischen den P a r ­ teien w irken, ohne eine unm ittelbare M ach t über' die betreffende S ache zu gew ähren,- wie z. B. d e r Kauf selbst z w a r dem Käufer das R ech t gibt, zu verlangen, daß d e r V erkäufer ihm die gekaufte S ach e v e r ­ s c h a f f e , ein u n m i t t e l b a r e s V erfü g u n g srech t d arüber, e tw a ein W e g n a h m e re c h t, dem Käufer a b e r nicht ohne w eite re s g e w ä h rt. Frei v on Rechten, dinglichen wie obligatorischen, hat der V erkäufer dem Käufer die v erk a u fte W a r e zu verschaffen. Einige g e ­ setzliche A usnahm en hat der Käufer allerdings „mit in Kauf zu n e h m e n “ . So tritt z. B. d e r Käufer eines G rundstücks an Stelle des bisherigen B e sitz e rs in die sich w ä h re n d der D a u e r seines E igentum s aus dem M ietverhältnis mit den M ietern erg e b e n d e n R echte und Pflichten ein. E n tsp re c h e n d e s gilt für den P a c h t ­ v e rtra g . Selb stv erstän d lich d arf nicht ein gesetzliches oder gerichtliches V e rä u ß e ru n g s v e rb o t die W i r k s a m ­ keit des K au fv e rtra g es illusorisch m achen. G e ra d e in letzter Zeit m ehren sich die Fälle, in denen z. B. gegen ein zum Schutze der K onkursgläubiger e rla sse n e s V e r ­ ä u ß e ru n g sv e rb o t v ersto ß e n wird. Auch in solchen Fällen hat, abgesehen von allem anderen, d e r V e r ­ k äufer seinen Pflichten gegen den Käufer nicht g e ­ nügt.

G e s e t z l i c h e E ig en tu m sb esch rän k u n g en d a ­ gegen muß der Käufer, das w a r schon oben an g e d e u te t w orden, ..mit in Kauf n e h m e n !“ D as G esetz ist b e ­ k annt oder sollte es w e n ig ste n s sein. Gesetzliche R echtsm ängel k ennt der Käufer also, er k an n sie bei Kaufabschluß e ntsprechend berücksichtigen und im Kaufpreise einkalkulieren. So haftet der V erkäufer eines G ru n d stü ck es nicht für die Freiheit des G r u n d ­ stückes von öffentlichen A bgaben und von a n d e re n öffentlichen Lasten, die zur E intragung in das G r u n d ­ buch nicht geeignet sind. Hingegen ist eine e t w a b e ­ stehende B au beschränkung, die ja doch den Kauf eines G ru n d stü ck es für den Käufer zu dem beabsichtigten Z w ecke, sein U n te rn e h m e n darin zu betreiben, völlig w ertlo s m achen kann, als ein R echtsm angel a n z u ­ sehen, für den der V erkäufer g e ra d e zu ste h e n hat.

Vom R echtsm angel ist der S a ch m an g el zu u n t e r ­ scheiden. Habe ich eine bestim m te W a r e gekauft und entspricht die Q ualität d e r Lieferung nicht den v e r ­ traglichen A bmachungen, so ist die gekaufte S a c h e zu bemängeln, es liegt also ein S a ch m an g el v or. Ein R echtsm angel hingegen ist dann v o rh an d en , w enn die gekaufte Sache selbst z w a r nicht b e a n s ta n d e t w e rd e n soll, wohl aber mit dem R ech te eines D ritten belastet ist, das gegen den Käufer geltend g e m a c h t w e rd e n kann. Deshalb ist die oben e r w ä h n te B a u b e s c h r ä n ­ kung ein R echtsm angel, die U n b e w o h n b a rk e it eines neu e rw o rb e n e n G ebäudes e tw a w eg e n einer B e s c h a f­

fenheit, die den baupolizeilichen V orschriften nicht entspricht, a b e r ein Sachm angel. R ech ts- und S a c h ­ mangel können natürlich bei der gleichen Lieferung n e b en ein an d er bestehen. P r a k tis c h e B ed eu tu n g erhält diese theoretisch a ussehende U n tersch eid u n g in der W irk u n g , die sie h e rvorruft,

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