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Stahl und Eisen, Jg. 47, Nr. 14

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STAHL U l EISEN

M Z E IT S C H R IF T '

FÜR DAS DEUTSCHE EISENHÜTTENWESEN.

Nr. 14. 7. April 1927. 47. Jahrgang.

Die Unfallve rhü tun g beim Eisen- und Stahlwerk Hoesch.

Von ®r.=$ng. H. B i t t e r in Dortmund.

(E in fü h ru n g der Unfallverhütung. Amerikanische Unfallverhütung. Berufsgenossenschaften und Neuorgani­

sation der U nfallverhütung in deutschen Betrieben. Vorbereitung. Gliederung der praktischen Kleinarbeit.

Psychische E inw irkung. Unfallbilder, A ufschriften, Statistiken, Vorträge, Aufsätze. Physische Unfallverhütung.

Mechanische Schutzvorrichtungen, Gasschutz, Kleidung, Ordnung. Instandhaltung und Verbesserung. Bureau­

arbeit. Erste H ilfe. Vorteile der Unfallverhütung fü r Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Zusammenarbeit. A usblick.)

1 ^ ein Geringerer als Bismarck, der große soziale

Gesetzgeber, hat in Deutschland den Gedan­

ken, Unfallverhütung zu treiben, wachgerufen. Bei Erlaß des Versicherungsgesetzes im Jahre 1883, welches die Errichtung von Unterstützungskassen für kranke und bei Unfällen beschädigte Arbeiter vorschrieb, wollte Bismarck bei Durchführung der Bestimmungen nicht nur den durch Unfall erlittenen

auf den eigenen Vorteilen des Menschen aufbauen.

Der Grundsatz, der den Menschen selbst zur Verant­

wortung erzieht, ist jedenfalls auch nach deutschen Begriffen sehr gesund. Natürlich ist dies in Amerika leichter zu erreichen, weil dort jeder mehr auf sich selbst angewiesen ist und daher von vornherein ein größeres Verantwortungsgefühl besitzt, was wiederum eine stark persönlich ausgeprägte Teilnahme an der

A bbildung 1. W erbung fü r die U n fallv erh ü tu n g du rch A u fschriften.

Schaden ersetzt haben, sondern der Hauptgedanke war, den Schaden einzuschränken und zu verhindern.

In Amerika hat der Kampf gegen den Unfall bedeutend später eingesetzt, aber dann in ganz andererWeise, wie er zuvor in Deutschland ausge- fochten wurde. Dort erstreckt sich der Kampf nicht nur auf Unfälle in den Fabriken, sondern er umfaßt das ganze Leben. Man kann daher von der augen­

blicklichen Unfallverhütung in Amerika als von einer Art Volksbewegung oder einer Art von Sicherheits­

kreuzzügen sprechen. Man muß unbedingt aner­

kennen, daß der jetzige Unfallschutz auf hoher Stufe steht, daß dort mit großer Tatkraft neue Formen der Unfallbekämpfung eingeführt worden sind, die sich

X IV .4,

Unfallverhütung bewirkt. Ijie gemeldeten großen Erfolge durch Werbung (bis zu 75 %) sind daher zum großen Teil auf diese Eigenart des Amerikaners, zum anderen Teil auf die vorher recht mangelhaften Schutzvorrichtungen zurückzuführen. Jedenfalls hat die große nationale amerikanische Sicherheitsbewe­

gung in Deutschland den Unfallverhütungsgedanken neu belebt.

Die Berufsgenossenschaften bemühen sich be­

reits seit längerer Zeit um eine planmäßige Unfall­

verhütungsarbeit, sie wirkten so gewissermaßen bahnbrechend. Natürlich mußte es den Berufs­

genossenschaften als Außenstehenden versagt bleiben, im Einzelfalle praktische Unfallverhütung in den

72

(2)

570 S tah l und Eisen. Die Unfallverhütung beim Eisen- und Stahlwerk Hoesch. 47. Ja h rg . N r. 14.

Werken zu treiben; daß trotzdem Erfolge zu ver­

zeichnen waren, veranlaßte das Eisen- und Stahlwerk Hoesch, im Hinblick auf die Auswirkung der amerika­

nischen Maßnahmen eine tatkräftige Inangriffnahme der Unfallverhütungsarbeit aufzunehmen.

Da die amerikanische „Safety first“-ßewegung unter anderen Vorbedingungen arbeitet, mußten die einleitenden Arbeiten sowie natürlich auch die spätere Durchführung der Aufgabe andere, von den amerikanischen abweichende Richtlinien aufweisen.

Es galt also zunächst den Gedanken der Unfall-

Abbildung 2. Organisationsschem a.

Verhütung erneut in den Vordergrund zu stellen und um die Mitarbeit aller Werksangehörigen zu werben, ohne die ein Erfolg einfach unmöglich ist.

Als erstes Mittel, diesen Zweck zu erreichen, wurden Vorträge vor größeren Versammlungen von Beamten und Arbeitern gehalten, die die Notwendig­

keit der Unfallverhütung sowie ihre ideellen und wirtschaftlichen Vorteile für den Arbeiterstand, den Arbeitgeber und die Allgemeinheit erklärten. Nach­

dem man annehmen konnte, daß der Gegenstand selbst nicht mehr ganz fremd war, wurden diese Vorträge in ähnlicher Form vor kleineren Arbeiter­

gruppen in den Betrieben wiederholt. Parallel mit dem gesprochenen Wort ging eine Bilder- und Auf­

schriftenwerbung (s. Abb. 1). Mit diesen Vorberei­

tungen war bereits ein Teil der später dauernd an­

gewandten psycho­

logischen Einwir­

kungsarbeit einge­

leitet. Der Erfolg war sehr erfreulich, zumal da den Vor­

trägen mit Auf­

merksamkeitgefolgt wurde. So erschien der Boden für die Wirksamkeit der Unfallverhütung ge­

eignet.

Es wurde nun­

mehr an die Aus­

arbeitung und Auf­

stellung einer be­

stimmten O rg a n i­

s a t i o n s a r t gegan­

gen. Abb. 2 ver­

deutlicht die getroffene Einteilung, wie sie auch heute noch besteht. Aus der Erkenntnis heraus, daß zu einer erfolgreichen Durchführung die Mitarbeit eines je d e n Werksangehörigen, von der Direktion bis zu den Arbeitern, unbedingt not­

wendig ist, wurde von vornherein — besonders im Hinblick auf die Arbeiterschaft — das Haupt­

gewicht auf die p r a k tis c h e D u r c h fü h ru n g in s o g e n a n n te r K le in a r b e it, d. h. die der Veran­

lagung und Aufnahmefähigkeit des Arbeiters mög­

lichst entsprechende Behandlung gelegt. Die Aus­

wahl der im Unfallschutz Tätigen mußte daher Anforderungen nach Vorbildung und Wesen voll berücksichtigen.

Von dem le ite n d e n U n f a llin g e n ie u r muß, abgesehen von theoretisch-technischen Kenntnissen, eine umfassende Werkspraxis verlangt werden; er muß die Psyche des Arbeiters aus Erfahrung kennen, um die richtigen erzieherischen Mittel zu dessen Be­

einflussung anzuwenden. Es darf ihm an der nötigen Bestimmtheit und Geduld nicht fehlen, die einmal getroffenen Maßnahmen streng durchzuführen. Auf der anderen Seite verlangt der notwendige Eingriff in die Betriebstechnik eine taktvolle Persönlichkeit, die ihre Wünsche m it der betreffenden zuständigen Leitung, gleichsam als willkommener Berater der­

selben, bespricht. Letzteres ist besonders wichtig, da die Aenderungen nur dann W ert haben, wenn die betreffende Betriebsführung ihren dauernden Gebrauch und ihre Durchführung m it Sorgfalt über­

wacht. Es ist klar, daß die verständnisvolle und gegebenenfalls nachdrückliche Unterstützung der Direktion für alle Fälle dem leitenden Unfallingenieur unerläßlich bleibt. Um eine solche Zusammenarbeit zu sichern und auch um neue Vorschläge zu erhalten, betraute die Direktion sogenannte S ic h e rh e its ­ in g e n ie u re , Assistenten der einzelnen Betriebs­

gruppen, nebenamtlich mit dieser Aufgabe. Sie bilden das Bindeglied zwischen Unfallverhütungsabteilung einerseits und den ihnen unterstellten Werkmeistern anderseits. Bei ihrer Wahl ist natürlich Wert darauf zu legen, daß Erkenntnis und Verständnis für die

Abbildung 3. V ortrag vor ein er A rbeitergruppe.

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7. A pril 1927. Die U nfallverhütung beim Eisen- und Stahlwerk Hoesch. S ta h l u n d E isen. 571

Notwendigkeit der neuen Bewegung bei ihnen vor­

handen ist. Die Fühlung wird durch monatlich wiederkehrende Besprechungen gefestigt. Bei diesen Zusammenkünften werden die gegenseitig gemachten Erfahrungen ausgetauscht, die bestehenden Unfall­

verhütungsverfahren auf ihre Eignung und Wirkung hin erneut geprüft und etwa einzuführende all­

gemeine Aenderungen und Verbesserungen psychi­

scher und physischer Art besprochen.

Zum Zwecke des täglichen Außen­

dienstes wurden zwei Meister haupt­

amtlich angestellt. An diese sind ähnliche ihrer Vorbildung ent­

sprechende Anforderungen zu stellen, wie diese bereits oben für den Ingenieur gefordert wurden. Die Meister müssen natürlich möglichst in den Betrieben groß geworden sein.

Es liegt ihnen ob, an Hand der ein­

gehenden Unfallberichte die jeweili­

gen Fälle zu untersuchen, und durch eigene Beobachtung der Betriebsvor­

gänge sowie Besprechung mit den Arbeitern und Meistern Mißstände bezüglich Unfallgefahren zu finden, ferner auch auf die Mitarbeit der

Arbeiter und deren Vorsicht durch tägliche Be­

sprechungen einzuwirken. Aus den genannten Auf­

gaben erhellt, daß neben Betriebserfahrung und Tatkraft auch die Gabe eines eindringlichen und ein­

wandfreien Vortrages verlangt werden muß (s. Abb. 3).

Wichtig für alle im Unfallschutz tätigen Leute ist sachliches Denken und Handeln, um so das erforder­

liche Vertrauen bei Arbeiterschaft, Beamten und Direktion zu haben. Die Wahrung vollkommener Unparteilichkeit ist besonders bei Untersuchung von

Unfällen auf ihre Ursache hin, wie sie stets bei kleinen und großen Unfällen von den Sicherheitsorganen vor­

genommen wird, zu beobachten. Neben diesem natürlichen Gerechtigkeitssinn verlangen die Unfall­

verhütungsarbeiten ein gutes Maß Id e a lis m u s . Das Bewußtsein, Menschenleben zu retten und so viel Kummer, Sorgen und Schmerzen zu sparen, geben dem ideell eingestellten Unfallingenieur immer wieder Mut, seine Aufgabe mit Geduld zu verfolgen.

A bbildung 4. A rbeitsgliederung.

Bei der Vorgangs aufgeführten Gliederung der Unfallverhütungsabteilung ist ihr Arbeitsfeld bereits verschiedentlich gestreift. Zum umfassenden Ver­

ständnis muß es jedoch näher umrissen werden:

Es gliedert sich entsprechend seinen Ursachen in zwei Hauptgruppen: in die psychische und physische Einwirkung, deren Unterteilung aus Abb. 4 er­

sichtlich ist.

Hinsichtlich der Unfallbilder wurde beobachtet, daß, selbst einen häufigen Wechsel der Bilder vor­

ausgesetzt, diese nicht zu zahlreich vorhanden sein dürfen, denn gerade der Arbeiter wird sehr leicht überdrüssig, wenn er von Bildern — für Aufschriften gilt das gleiche — auf Schritt und T ritt verfolgt wird. Anderseits muß der ric h tig e Gedanke rekla­

mehaft durch ständige Wiederholung gleichsam eingehämmert werden. E r­

fahrungen und Empfin­

dung müssen hier je nach Größe und Art der Betriebe entscheiden. Es wäre hinzu­

zufügen, daß der Inhalt der Sprüche volkstümlich und verständlich sein muß und möglichst Hinweise auf den A r b e ite r einleuch­

tende Vorteile der Unfall­

verhütung enthalten soll.

Das Lichtbild, wiesolcheim

Winter an den Ausgängen

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672 S tah l und Eisen. Die Unfallverhütung beim Eisen- und Stahlwerk Uoesch. 47. J a h rg . N r. 14.

zur Schichtzeit gezeigt werden, wirkt durch seine Größe suggestiv und ist unzweifelhaft sehr empfeh­

lenswert (s. Abb. 5). Zahlen sind immer beachtlich.

So verfehlen auch leichtfaßliche Statistiken, in an­

schaulicher Weise verdeutlicht, nicht ihren Zweck;

wir bringen sie im Lichtbild nach verschiedenen Gesichtspunkten der Ursachen, Arten und Wirkun­

gen getrennt (s. Abb. 6 bis 10), während auf großen Holztafeln mit umsteckbaren Zahlenbrettchen (siehe

genauer Ausführung des Rettungsvorganges bekannt­

gegeben.

Die Hauptsache der p h y s is c h e n Unfallverhü­

tung bilden die Schutzvorrichtungen. Es fiele aus dem Rahmen dieses Aufsatzes heraus, auch nur die

J a n .

Sehn Mörz /Ipril Mai Juni Ju/i äug. Sept. OH Mae. Sez.

A bbildung 8. U nfallzahlen bezogen auf A rbeitsstunden, A rbeitsleistung u n d E rzeugung.

hauptsächlichsten Schutzmaßnahmen zu nennen, welche die Unfallverhütungsvorschriften gesetzlich vorschreiben, geschweige denn die m ech an isch en S c h u tz v o r r ic h tu n g e n aufzuzählen, deren An­

ordnung über den Zwangsbereich hinaus erforderlich /frf der Onfä'i/e

Mnzahi .

7

\Gas-Vergiftung

j

f |

Ge/rinn-frschütterungen

2

j

| |

Verstauchungen

23

~ ~ ~

|

X/tnochenbrüche

717

\tVunden ujnfk/rtionen \

S7_

_____________ |

Verbrennungen

86

_

|

Verschiedene Ver/etzungen\

_____________________

2U2 | Q u e ts c h u n g e n |

A bbildung 9. A rt d er U nfälle.

Abbildung 6. Die, ¡U nfälle'Jder J a h re 1925 un d 1926 bezogen auf 10 000 A rbeitsstunden.

Abb. 11) die absoluten Unfälle des jeweils ver­

flossenen Monats verzeichnet werden.

Zu den bereits erwähnten Vorträgen durch die Werkmeister ist hinzuzufügen, daß die Zeit der Vor­

träge möglichst auf Frühstücks- oder Mittagspausen gelegt wird, damit keine Betriebsstörungen entstehen und die Gruppe der Zuhörer möglichst geschlossen ist.

Am Schlüsse des Vortrages wird den Arbeitern Ge­

legenheit gegeben, Vorschläge und Wünsche zu Ver- erschien. Die allgemeinen Regeln, wie Räder-, Riemen-, Kessel-, Feuerschutz usw., sind bekannt.

Ein Gebiet, das ständiger Aufklärung bedarf, ist die tödliche Wirkung des elektrischen Starkstromes niedriger Spannung (Verwendung von Schwachstrom-

Die Unfälle ereigneten sic/r TveU:

besserungen im Sinne der Unfallverhütung auszu­

sprechen. Letzteres stärkt das Vertrauen der Ar­

beiter zu den Werksmaßnahmen und verschafft oft brauchbare Winke zur Beseitigung von Unfällen;

zieht also einen doppelten, nämlich psychischen und physischen Nutzen. Als Parallele des gespro­

chenen Wortes sind knapp gefaßte Aufsätze populärer Form mit Angaben obenerwähnter Statistiken in unserer Werkszeitung anzusehen. In der Werkszei­

tung werden auch die für Rettung von Kameraden aus Lebensgefahr belohnten Arbeiter mit Bild und

Du selbst unvorsichtig warst.

Une mechanische Ursache vor/ag.

Du gegen Unfh//- Umschriften handeltest.

Dein Mitarbeiter die Schuld hatte- Unfallverhütung doesch A- ß. Dortmund 7S26

A bbildung 10. Schuldfrage.

lampen bei Kesselreparaturen usw.). Der G assc h u tz­

d ie n s t wird, stets mit den neuesten Apparaten versehen, mit peinlichster Sorgfalt überwacht. Mit der Instandhaltung der Apparate ist eigens ein fach­

männisch ausgebildeter Gerätewart betraut. Die dazugehörige Gasschutztruppe1), schon vor Jahren

J) Vgl. D reg erh efte (1926) N r. 110; technische B erich te der H iltte n - un d W alzw erks-B erufsgenossen- se h aft.

A bbildung 7. Die U nfallhäufigkeit des Ja h re s 1926 bezogen auf die einzelnen S tu n d en d er Tag- un d N a ch t­

schicht. (Um eine V ergleichskurve zu erh alten , m u ß ten die U nfälle der N achtschicht auf das D oppelte e rh ö h t w erden, d a sich die Belegschaft der T agschicht zur

N a ch tsch ich t v e rh ielt wie 2 :1.)

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7. A pril 1927. D ie Unfallverhütung beim Eisen- und Stahlwerk Uoesch. S ta h l un d E isen. 573

Wafcw u Auslagen Thomas werk

hier eingerichtet, ist wohl ausgebildet. Die Apparate sind in einem besonderen Raum untergebracht;

die Alarmbereitschaft und das Zusammenarbeiten der Truppe wird durch Uebungen in regelmäßigen Zwischenräumen gewährleistet. In einem rd. 250 m langen Film, betitelt „Rettung eines von giftigen Hochofengasen betäubten Arbeiters“ haben wir die Rettungsvorgänge bei Gasvergiftung von Anfang bis zu Ende verdeutlicht. Dem A u g e n s c h u tz an S c h le ifsc h e ib e n ist wegen seiner häufigen Unfall­

gefahr besondere Aufmerksamkeit zugewandt. Da die Schutzbrille dem Arbeiter aus hygienischen und anderen Gründen unerwünscht ist, haben wir an den Schleifsteinen eine leicht bewegliche und all­

seitig verstellbare Schutzscheibe (s. Abb. 12) ange­

bracht. Die K le id u n g des A r b e ite r s ist von wesentlichem Einfluß auf die Unfallziffer. Wir ermahnen ständig, daß Anzug und Schuhe gut schließen, sie bilden um­

laufenden Körpern ebenso wie dem Feuer weniger Angriffspunkte; offene, zu weite Schuhe bilden zu­

mal ohne Lasche förm­

lich einen Trichter für umherspringende Funken, Schlacke und dergleichen.

Auf g l a tte W ege, d. h.

Ordnung in jedem Be­

trieb, wird ständig Obacht gegeben. Umherliegende Gegenstände, namentlich innerhalb der Schienen­

profile, können zu schwe­

ren Unfällen Veranlassung geben. Sofern Schutzvor­

richtungen auf Grund eines Unfalles angeordnet werden, wird Hauptwert auf ihre s o fo rtig e An­

bringung gelegt; es ist selbstverständlich, daß die Ausführung der Schutz­

vorrichtungen technisch einwandfrei sein muß.

Unvollkommene oder zu schwache Schutzvorrich­

tungen bergen neue, oft größere Gefahrquellen.

So kann ein schwaches Gitter die Gefahr des Herab- stürzens vergrößern, ein schadhafter Sauerstoffappa­

rat den Tod bedeuten, ein zu dünnes Schutzblech von umlaufenden Scheiben durchschlagen werden.

Abb. 13 veranschaulicht z. B. das S c h u tz b le c h vor dem A b s tic h lo c h der Hochöfen. Der Ketten­

behang wurde angebracht, weil derselbe sich dichter an die Unebenheiten des Bodens und der Stopf­

maschine anlegt und so den Arbeiter besser gegen Verbrennung der Füße und Beine schützt. Ein Unfall, bei dem zwar durch die vorherige Art des Bleches einem Schmelzer nach seiner eigenen Aussage das Leben gerettet wurde, jedoch die Verbrennung der Füße nicht verhindert werden konnte, gab die Veranlassung zu dieser Abänderung. In ähnlicher Weise werden fast täglich Verbesserungen und neue

1 5 Martirwerk

. 3 a 4 Mech-Werkstätten

i 2 Bauabteiung

2 ff Stetnfsbr u Phosobaimuhte

1 Maschtnen-AMg

1 Orahtverfemerunc

1 Lisenbahn

i 1 Blechwalzwerk

1 - Oekfr-AMg

- Hammerwerk

6

_

Reslbetnebe

Schutzvorrichtungen beantragt und angebracht;

berechtigte Wünsche betreffs technischer Verbesse­

rungen von seiten der Arbeiter werden gern entgegen­

genommen und nach Möglichkeit berücksichtigt.

So ist zu hoffen, daß die z. Zt. auf mechanische Unfälle entfallenden 25 % der Gesamtunfallziffer sich ganz erheblich vermindern werden. Betont sei nochmals, daß nur dann ein voller Erfolg gewähr­

leistet wird, wenn sowohl die betreffenden Betriebe als auch die Unfallverhütungsbeamten selbst die dauernde Be­

nutzung so­

wie Instand­

haltung der Schutzvor­

richtungen peinlich über­

wachen.

A bbildung 12. Schleifscheibe m it S chutzvorrichtung.

A bbildung 11. A nzeigetafel fü r die Zahl d er U nfälle des verflossenen M onats.

A bbildung 13. S ch u tzv o rrich tu n g am A bstichloch eines Hochofens.

Wesentlich bei der starken Verzweigtheit des Arbeitsgebietes ist eine gut organisierte Büroarbeit, die sich insbesondere auf das Führen von Statistiken mit Hilfe des in der Werksverwaltung bereits be­

stehenden Hollerith-Systems erstreckt und deren Richtigkeit von weittragender Bedeutung für die zu treffenden Verhütungsmaßnahmen, also auch für den Erfolg, sein kann. Infolge der erst kurzen Ge­

brauchszeit ist ein abschließendes Urteil, welche Statistiken die besten Fingerzeige bezüglich der Schädenbehebung geben, vorläufig noch nicht mög­

lich. Neben der rein zahlenmäßigen Aufführung der Unfälle, das sind alle der Berufsgenossenschaft ge­

meldeten Verletzungen, wird eine Statistik, nämlich

die Angabe der auf 10 000 st bezogenen Unfälle in

Form monatlicher Kurven, wohl die Hauptbedeutung

behalten (s. Abb. 6). Sie zeigt den reinen Erfolg

bzw. Mißerfolg. Nebenher werden die auf Erzeugung

(6)

574 S tah l u nd Eisen. Die Unfallverhütung beim Eisen- und Stahlwerk Hoesch. 47. Ja h rg . N r. 14.

bezogenen Unfälle verfolgt. Außerdem werden Statistiken bzw. Kurventafeln in bezug auf das Dienst- und Lebensalter der Verletzten, die Stunden-, Tages-, Nacht-, Wochentags- und Monatszeit, die Ursachen der Unfälle (Schuldfrage), Arten der Ver­

letzungen und Gefahrenstaffelung der Betriebe ge­

führt.

Das Hauptbetätigungsfeld der Unfallverhütung ist, wie ihr Name schon sagt, die V e rh ü tu n g von Unfällen. Wenn jedoch der Schutzring der Unfallverhütung und alle Sicherheitsmaßnahmen

■durchbrochen worden sind und sich ein Unfall er­

eignet, so gilt es diesen Unfall in erster Linie so zu behandeln, daß sich in der Zwischenzeit bis zum Eintreffen des Arztes oder während der Beförderung zur Unfallstation das Uebel durch falsche Behandlung nicht verschlimmert. Wie oft hat man schon er­

fahren müssen, daß aus kleinen Wunden durch Ver­

nachlässigung oder falsche Behandlung (Auswaschen der Wunden) langwierige Unfälle entstehen. Zu diesem Zweck bilden wir aus jeder Abteilung eine entsprechende Anzahl Leute in „ e rs te r H ilfe “ aus. Zur Festigung des Gelernten werden nach den eigentlichen Kursen Wiederholungsstunden in größe­

ren Zeitabständen abgehalten. Diese ausgebildeten Nothelfer sind geeignet, das Verständnis für die Notwendigkeit der ersten Hilfe auch bei ihren Mit­

arbeitern wachzunifen und wachzuhalten. Sie sollen ferner die Träger des Unfallverhütungsgedankens unter den Arbeitern sein und so gewissermaßen ein Bindeglied zwischen den Arbeitern und der Unfall­

verhütung werden. Die Sicherheitsingenieure sowie die sämtlichen Meister wurden gleichfalls in einem theoretischen Kursus über erste Hilfeleistung be­

lehrt. Besondere Aufmerksamkeit wird der W ie d e r­

b e le b u n g sfra g e gewidmet. Pulmotor, Inhabad, Sauerstoff-Inhalierapparat zusammen mit einem gut unterrichteten Personal haben ihre Notwendig­

keit und ihre Hilfsbereitschaft mit rühmlichem Erfolge schon des öfteren beweisen müssen. Im Hochofenbetriebe wird durch laufende Kurse dafür gesorgt, daß möglichst jeder Hochofenarbeiter mit dem Sauerstoffapparat umgehen und Wiederbe­

lebungsversuche anstellen kann. Durch die ge­

troffenen Maßnahmen sind bei mehreren größeren Gasvergiftungen im Jahre 1926 Menschenleben ge­

rettet worden. Weiter geht das Bemühen dahin, uns über den wissenschaftlichen Stand der Wieder­

belebungsfragen auf dem laufenden zu halten.

Da, wo kohlenoxydhaltige Luft vermutet wird und durch Gasanalyse festgestellt werden soll, wurden gleichzeitig Versuche mit weißen Mäusen angestellt, weil deren Empfindlichkeit gegen Kohlenoxyd un­

gefähr gleich der eines Menschen ist. In ähnlicher Weise wurden die Degea-Masken der Firma Auer auf ihre Absorptionskraft von Kohlenoxyd geprüft.

Ueber die abgeschlossenen Versuche wird demnächst besonders berichtet. Das genaue Herausfinden von Gaszonen (abgestuft nach dem Kohlenoxydgehalt) ermöglicht unter Umständen eine Vorausbestim- mung der Verwendungsgrenze zwischen Masken und

Sauerstoffapparaten.

Die Verhütung eines Unfalles wird außer durch Maschinenschutz und Arbeiterbelehrung oft durch die Besonnenheit eines Mannes und seine geistes­

gegenwärtige Handlungsweise im Augenblick der Gefahr bewirkt. Hieraus erhellt, wie wesentlich es im Sinne der Unfallverhütung ist, den richtigen Mann am richtigen Platz zu haben; d. h. unter Aus­

nutzung der bisherigen psychotechnischen Erfahrun­

gen sind die Leute, deren Berufe besondere Umsicht und Geistesgegenwart verlangen, E ig n u n g s p r ü ­ fu n g e n zu unterwerfen. Hierzu gehören in erster Linie Kranmaschinisten, Lokomotivführer, Rangier­

personal und verwandte Berufsarten. Die psycho­

technischen Eignungsprüfungen können als bekannt vorausgesetzt werden, ihre Anwendung verlangt jedoch für das Gebiet der Unfallverhütung besondere Erfahrung, um die Ergebnisse im Sinne der Unfall­

verhütung praktisch verwenden zu können.

Aus dem bisher Gesagten wird jeder gefühls­

mäßig erkennen, daß sich ein planmäßiger Kampf gegen den Unfall und die Betriebsgefahren für das Werk wie für den Arbeiter und schließlich für den Staat segensreich bemerkbar machen muß, weil es jedem soziale, gesundheitliche und wirtschaftliche Vorteile bietet. Es ist klar, daß beim Arbeiter die Schmerzen, verursacht durch einen Unfall, Verstimmung, Unzu­

friedenheit und körperliche Erschlaffung mit sich bringen, die sich auch nach dem Gesundschreiben noch hindernd bemerkbar machen. Der Ausfall an Arbeitsstunden (im Jahre 1926 = 12 245 Arbeits­

tage; die Unfallbetroffenen hatten dadurch einen Lohnausfall von insgesamt 92120 Ji) wird durch das Krankengeld nicht gedeckt, die U n fallren te beträgt stets nur zwei Drittel des Unterschiedes zwischen früherem Verdienst und der mutmaßlichen Einnahme bei der Invalidität; selbst wenn sie die gleiche Höhe ausmachte, so ersetzt sie ihm nie die Ar­

beitsfreude eines gesunden Menschen. Die Erziehung zur Umsicht und Vorsicht ist ihm auch im Leben außerhalb des Werkes ein guter Freund; das Gefühl, daß seine Vorgesetzten sich ernst um die Erhaltung seiner Gesundheit kümmern, erleichtert ihm die Arbeit. Die V o rte ile aufseiten der A rb e itg e b e r sind ebenfalls äußerst vielgestaltig und wirken sich letzten Endes in einer Ersparnis aus, die bereits nach dem verflossenen Jahr dadurch unbestreitbar zutage tritt, daß die Unfallverhütungsarbeit beim Eisen- und Stahlwerk Hoesch trotz einer erhöhten Erzeugungsleistung je Mann eine Verminderung der relativen Unfallziffer um 18 % bewirkt hat, wie aus nachstehenden Zahlen hervorgeht:

Jahr Zahl der U nfälle

Davon

töd lich Zahl der verfahrenen A rbeitsstunden

U nfälle auf je 10000 verfahrene

Arbeitsstunden 1925

1926 790 538

6 2

20 838 690 17 093 961

0,38 0,31

Es besteht die berechtigte und begründete Aus­

sicht, daß sich die Unfallziffer mit der Zeit noch wei­

ter vermindern wird, da die psychologische, d. h.

hier erzieherische Beeinflussung der Arbeiter sich

selbst erst nach unermüdlicher zäher Arbeit auswirken

(7)

7. April 1927. Die Unfallverhütung beim Eisen- und Stahlwerk Hoesch. S ta h l und Eisen. 575

kann, und auch die Abstellung mechanischer Mängel

und Anbringung von Schutzvorrichtungen nur Schritt für Schritt durchgeführt werden können.

Die durch die Unfallverhütung ersparten Un­

kosten lassen sich vorläufig nicht in ihren Einzel­

heiten rechnerisch erfassen, es seien deshalb nur die hauptsächlichsten Verlustursachen aufgeführt. Die Hauptausgaben entstehen aus der Zahlung von Krankengeldern und U n f a llr e n te n ; letztere werden freilich von der Berufsgenossenschaft ausgezahlt, wirken sich jedoch auf die Werke dadurch aus, daß diese in ihrer Gesamtheit die Träger ihrer Berufs­

genossenschaft sind. Ein Beispiel möge zeigen, in welchem Verhältnis die Mehrbelastung einer Betriebs­

einrichtung durch Anlage einer Schutzvorrichtung zum dadurch vermiedenen Unfall steht: In einer Schlosserei sind fünf Schleifscheiben mit dem bereits beschriebenen Augenschutz (s. Abb. 12) versehen.

Die Schutzvorrichtungen sollen zusammen 100 M kosten und 10 Jahre halten. Innerhalb dieser 10 Jahre sollen sie nur ein e Augenverletzung m it Verlust eines Auges verhüten helfen, so werden diese 100 dl Aus­

gabe bei einem angenommenen Alter des Verletzten von 30 Jahren und einem Mindestlohn von 1800 dl eine jährliche Rente von 400 dl, das bedeutet in einem Alter von 60 Jahren des Verletzten 12 000 dt, Unfallausgaben gegenüberstehen. Durchschnittlich kostet jeder rentenpflichtige Unfall etwa 4000 dl;

angenommen, daß im ersten Jahre der Unfallver­

hütungstätigkeit nur 30 sc h w e re Unfälle (die genaue Zahl kann noch nicht angegeben werden) gegenüber dem Vorjahre weniger Vorkommen, so bedeutet das hierbei schon eine Ersparnis von 120 000 dl. Da sich nun freilich die Höhe der Abgaben lediglich nach den Belegschaftszahlen und dem von der Berufsgenossen­

schaft gruppierten Gefahrtarif der Werke richtet, so kann sich der Erfolg einer tatkräftigen Unfallver­

hütung bezüglich Unkosten durch Unfallrenten geldlich vorläufig nicht auswirken; es wäre daher wünschenswert, daß die Anregungen der Unfall­

verhütung treibenden Werke sowie der Berufs­

genossenschaften, diese wirksame Arbeit in irgend­

einer Weise bei den Umlagen zu berücksichtigen, bald in die Tat umgesetzt werden. Dadurch würden sich einerseits die Werke, die den Wert der Unfall­

verhütung noch nicht erkannt haben, eher zur Mit­

arbeit entschließen, anderseits würde die wirtschaft­

liche Bedeutung und betriebstechnische Notwendig­

keit der bereits bestehenden Unfallverhütungsab­

teilungen deutlicher in Erscheinung treten. Denn diese Arbeit wird dann erst volle Erfolge zeitigen, wenn die Werks- und Betriebsleitungen von dem Gedanken überzeugt sind, daß die Unfallverhütung ein völlig g le ic h b e r e c h tig te r F a k t o r n e b e n den eigentlichen w ir ts c h a f tlic h e n F a k to r e n sein muß; dann wird sich die Einrichtung auch in den Betrieben selbst durchsetzen. H at die Betriebs­

leitung die richtige Einstellung zum Unfallschutz gewonnen, dann wird es auch am Erfolge bei den Arbeitern nicht fehlen.

Auslagen entstehen dem Werk ferner dadurch, daß die Arbeitsstunden von der Stunde des Unfalles

bis zur Schicht ausgezahlt werden. Hieran an­

knüpfend sei die Betriebsstörung und mangelnde Ausführung des verlassenen Postens erwähnt, die jeder Arbeiterwechsel zumal bei gelernten Arbeitern mit sich bringt. Unfälle besonders schwerer Natur verursachen oft eine Unterbrechung des Arbeitsvor­

gangs und bedeuten dann eine besonders empfindliche Betriebsstörung, wenn das Ausfallen des Arbeiters gleichzeitig ein Versagen des maschinellen Vorgangs bewirkt.

Schutzvorrichtungen gegen Unfälle bedeuten sehr häufig gleichzeitig Schutz gegen B e tr ie b s s tö ­ ru n g e n . Als Beispiel sei nochmals das vorhin bereits erwähnte Schutzblech vor einem Hochofen- Abstichloch (s. Abb. 13) herangezogen. Es wurde bereits erwähnt, wie es dem Arbeiter als Lebensretter diente, wie es die Sicherheit und ungestörte Arbeit des Schmelzers gewährleistet; in welchem Maße es aber auch Schutz gegen Betriebsstörungen bietet, erkennt man klar, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Folgen daraus entstehen, wenn beim Zu­

stopfen das Abstichloch wieder ausbricht und die noch beschäftigten Arbeiter gezwungen werden, ihr Arbeitsfeld fliehend im Stich zu lassen; die heraus­

fließende Masse bildet bald große Bären, deren nach- heriges Wegschaffen in den meisten Fällen ein Still­

setzen des Ofens notwendig macht. Daß dadurch eine auch in weiterem Umfange fühlbar werdende Erzeugungsstörung eintritt, die im Verein m it der vielfachen Arbeitsvermehrung erhebliche Unkosten verursacht, ist natürlich. Es ist also klar, daß durch enge Zusammenarbeit von Unfalltechnik und Be­

triebstechnik eine Förderung der Entwicklung der Technik erzielt wird, so daß das Ganze wiederum so­

wohl Arbeitgebern als auch den Arbeitnehmern dient.

Wie sehr sich Unfälle im großen zum S ch ad en der gesamten V o lk s w ir ts c h a f t auswirken, geht aus einer Buchung von F re e hervor. Danach be­

deuten die Unfälle in den gewerblichen Betrieben Deutschlands nach einer amtlichen Unfallstatistik des Jahres 1919 für die deutsche Volkswirtschaft einen jährlichen Kapitalverlust von 2,8 Milliarden Goldmark. Die Betriebsausgaben für die Kranken­

kassenbeiträge, Betriebsstörungen, Maschinen- und Materialschäden, Verwaltungs- und Versicherungs­

kosten sind bei diesem gewaltigen Geldverlust nicht berücksichtigt. Da also jeder Unfall einen Verlust der Arbeitskraft und eine Verringerung des Volks- Vermögens verursacht, so ist, volkswirtschaftlich gedacht, die Erhaltung der Arbeitskraft und der Gesundheit eine Angelegenheit des Volksganzen und des Staates.

Z u s a m m e n fa s s e n d sei nochmals hervorgehoben, daß die junge Unfallverhütungsabteilung beim Eisen- und Stahlwerk Hoesch noch manche E r f a h r u n g sam m eln muß, bevor sie alle Möglichkeiten erfaßt hat, die laufend die Unfallziffer auf einem erreich­

baren Mindestmaß hält. Wo dieses liegt und wie es am sichersten erreicht und erhalten wird, sollen die kommenden Jahre lehren; die Arbeit erfordert Aus­

dauer und Geduld; die vorjährigen Erfolge berech­

tigen jedoch zu der Hoffnung, daß die Unfallverhütung

(8)

576 S ta h l und Bisen. Die spezifische Wärme des Eisens. 47. Ja h rg . iNr. 14.

in der Industrie eine wirtschaftliche und soziale Rolle spielen wird, so daß man sie im Großbetriebe jeden­

falls nicht wieder fallen lassen kann. Die Schwierig­

keiten dieser Pionierarbeit werden erleichtert und die Erfolgsaussichten vergrößert dadurch, daß wir einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch zwischen den Unfallverhütung treibenden Werken eingeleitet haben und weiter ausbauen. So veranlaßte solcher Erfahrungsaustausch ein Hüttenwerk2), seine bis­

herige Arbeitsweise im Sinne unserer neuen prak­

tischen Verfahren zu ändern; auch Werke, welche die Unfallverhütung erst organisierten, benutzten dabei unsere Gedanken und Richtlinien. Es ist ein­

leuchtend, daß mancher Umweg durch gemeinsame Arbeit gespart und die Lehrzeit jedes einzelnen Werkes dadurch erheblich abgekürzt wird. In der­

selben Weise wird die Berufsgenossenschaft auf dem

2) Siehe R eichsarb., A rbeiterschutz 6 (1926) S. 760/3.

laufenden gehalten; diese erhält dadurch Unterlagen, die wiederum die Lösung umfassender Aufgaben im Rahmen der jeweiligen Industriegruppen ermöglicht, wodurch die Berufsgenossenschaft von ihrer sonstigen Kleinarbeit befreit wird. Umgekehrt stellt die Berufsgenossenschaft ihren Gesamtüberblick als will­

kommenen Zusatz zu unseren Arbeiten zur Ver­

fügung. Auch die reine W ir ts c h a f tlic h k e its ­ fra g e wird am klarsten und erfreulichsten ohne Zweifel erst nach gemeinsamer Inangriffnahme der Unfallverhütungsarbeit durch alle Mitglieder der jeweiligen Berufsgenossenschaft zutage treten.

So mögen denn diese Ausführungen großen wie kleinen Werken Anregung und Anleitung zur erfolg­

reichen Unfallverhütungsarbeit sein, zu einer Spar­

maßnahme, die dadurch doppelt wertvoll wird, daß sie dem W erk e u n d se in e n A r b e ite r n gleich­

zeitig und gleichmäßig dient.

Die spezifische Wärme des Eisens.

Von P a u l O b e rh o ffe r und W a lte r G rosse in Aachen.

[M itteilung au s dem E isenh ü tten m än n isch en I n s titu t der T echnischen H ochschule A achen.]

(W ärm einhalt und allotrope Umwandlung. Die ermittelte Q -t-Linie des reinen E isen s w ird in bezug auf die M odifikationsfragen des E isens besprochen und m it den Q -t-Kurven der ferromagnetischen Körper Kobalt und Nickel verglichen. Vergleich der neuen Versuchsergebnisse m it denen von Pionchon, Ober­

hoffer und Dürrer. Wärmeinhalt und Schmelzwärme eines 4 % S i enthaltenden Transform atoreisens.) Spezifische Wärme und allotrope Umwandlung.

^ | t / ird einem Körper kinetische Energie zuge- führt, so ändert sich der Wärmeinhalt um einen bestimmten von der spezifischen Wärme ab­

hängenden Betrag. Ebenso wie durch Aenderung der kinetischen Energie der Wärmeinhalt beeinflußt wird, kann auch durch molekularen Umbau des Kristalls eine Aenderung hervorgerufen werden.

So zeigen in der Tat Wärmeinhaltskurven der bisher untersuchten Körper, daß einerseits die spezifische Wärme der einzelnen Modifikationen voneinander verschieden ist, und daß anderseits bei dem Ueber- gangspunkte ein sprunghafter Wechsel in der Wärme­

inhaltskurve stattfindet1). Diese plötzliche Unstetig­

keit steht bei reinen Metallen in ursächlichem Zu­

sammenhänge mit dem Auftreten einer neuen Phase, wie aus der Phasenregel hervorgeht. Daß trotz zahlreicher Untersuchungen die Ansichten einzelner Forscher über die allotrope Eigenart einer Umwand­

lung weit auseinander gehen, mag einerseits auf widersprechende Untersuchungsergebnisse, anderseits auf die ganz verschiedenartige Auffassung einer allotropen Umwandlung zurückzuführen sein. Wäh­

rend O sm ond2) jeder Umwandlung allotrope Eigen­

art zuschreibt, kann nach neuzeitlicher Auffassung eine solche nur hervorgerufen werden durch eine Aenderung der Schwingung der Atome, durch Ver­

schieben der Anordnung der Atomschwerpunkte

L E ine A usnahm e b ild et nach einzelnen Forschern die a-ß-U m w andlung der ferrom agnetischen K örper E isen, N ickel u n d K o b a lt, deren allotrope E ig en art allerdings n ic h t einw andfrei nachgewiesen ist. A n anderer Stelle w ird auf die A rt dieser U m w andlung n äh er ein- gegangen.

2) Ann. chim . 17 (1900) S. 110.

und somit einer Aenderung des molekularen Aufbaues des Kristallgitters, oder durch eine unstetige Aende­

rung der Molekulaxgröße. N e r n s t3) nimmt im Sinne der atomistischen Hypothese an, daß bei allotropen Stoffen die Atome in verschiedener Weise zum Molekülverbande zusammengetreten sind. Nach der Theorie von A. S m its4) sind Polymorphismus und Allotropie durch das Vorhandensein zweier oder mehr Arten von Molekülen zu erklären, die in jeder Phase nebeneinander im Gleichgewicht bestehen können.

Eine verschiedenartige Ausbildung der Gleichge­

wichtsproportionen ist somit jeder Phase eigen.

Welche Theorie der Allotropie der Wirklichkeit am nächsten kommt, kann an dieser Stelle nicht ent­

schieden werden. Da es jedoch unzweideutig ist, daß der strukturelle Aufbau jeder Modifikation ein für sich jeweilig kennzeichnendes Verhalten seiner physikalischen Eigenschaften zur Folge hat, so können diese als Zeichen der stattgehabten Umwandlungen betrachtet werden. Es muß daher die Kenntnis des Temperaturverlaufes der Wärme­

inhaltskurve ein geeignetes Kennzeichen zur Fest­

stellung einer allotropen bzw. nichtallotropen Um­

wandlung sein.

Verbindet man, wie ausgeführt, mit dem Begriffe der Allotropie einen Uebergang von einer Phase zur anderen, der bei einer bestimmten Temperatur ver­

läuft, so muß sich die Umwandlung bei reinen Stoffen durch eine senkrechte bzw. wagerechte Richtungs­

änderung in der Wärmeinhaltskurve kund tun. Die Umwandlung kann in der Nähe der kritischen Tempe­

ratur jedoch sehr träge sein, so daß sie erst in einem

s) W alter N e rn s t: T heoretische Chemie (S tu ttg a rt:

F erd . E nke 1926) S. 324.

4) P hys. Chem. 88 (1914) S. 611.

(9)

HWrvrrf/sr/rcr/f //rca//ff

7. April 1927. DU spezifische Wärme des Eisen.*. Stahl und Eisen. 577

gewissen Abstande von der wirklichen Umwan dl unss- temperatur zur vollständigen Ausbildung gelaust.

Die Aenderung des Richtungskoeffizienten bei dem Uebergange von einer Modifikation zur anderen ist bei kalorimetrischen Messungen daher nicht stets als plötzliche feststellbar, und die Wärmetönung, die mit der Umwandlung verknüpft ist, macht sich

Abbildung 1. Q -t-K u rre von E le k tro ly te ise n nach eigenen V ersuchen.

in der schaubildlichen Darstellung nicht stets als plötzliche Unstetigkeit bemerkbar, sondern sie weicht um so mehr von der senkrechten bzw. wagerechten ab, je größer der Widerstand der Moleküle gegen eine Verlagerung und je größer die zu dieser Verlagerung nötige Zeit ist. Die Größe der Unstetigkeit läßt sich jedoch durch Extrapolation der Richtung beim Umwandlungspunkte ermitteln. So wurde beim reinen Eisen eine Richtungsänderung beim Aä-Punkte bei 785° gefunden und die 230 senkrechte Aenderung bei A 3 und A 4 bei den f Temperaturen 906 und 1401° extrapoliert.

Der Schmelzpunkt ist zu 1528° angenommen.

von 785 bis 906* verläuft sie geradlinig und erfährt bei dieser Temperatur eine senkrechte Richtungs- änderung, einer Wärmetönung entsprechend, die durch den molekularen Uebergang des kubisch raumzentrierten in das kubisch flächenzentrierte Kristallgitter des 7 -Eisens hervorgerufen ist. Die Kurve folgt von 785 bis 906* der Gleichung:

W = 0,165 t.

Die Wärmetönung wurde zu 6,765 cal g ermittelt.

Von 906 bis 1401* weist die Kurve wiederum einen geradlinigen Verlauf auf, der Gleichung folgend:

W = 0,14622 t - f 23,78.

Der molekulare Umbau, der den A4-Punkt zum Aus­

druck bringt, ist mit einer Wärmetönung von 2.531 cal/g verknüpft. Die Kurve, die dem S-Eisen eigen ist, folgt derselben Gleichung wie die des ,3-Eisens. Die Schmelzwärme des reinen Eisens wurde zu 64,38 cal g ermittelt. In Zahlentafel 1 sind die gefundenen Werte in cal/g angegeben. Außer den subjektiv ermittelten Werten sind mit Hilfe des Kurnakowschen Apparates optisch selbstregistrierend einige Werte besonders in der vielumstrittenen Aj-Gegend ermittelt worden. Abb. 2 zeigt eine Ab­

bildung einer derartigen Original-Kumakow-Kurve.

die auf Grund genauer Eichversuche ausgewertet wurde. Die so erhaltenen Werte sind mit in Zahlen­

tafel 1 aufgenommen und durch * gekennzeichnet.

Die Verlängerung der dem S-Eisen entsprechenden Linie von 785 bis 906® (in Abb. 1 die dünn gezeichnete Linie) fällt mit der Linie des 8 -Eisens zusammen

Ternperrrf-j’ - 779°

6notX * 2 ,ttr*g r V a ftu u T J * O JXH -m m flg

A bbildung 2. S e lb streg istrierter T em p eratu rv erlau f im K alorim eterblock.

3

200-

\ 760-

1

8 0 - Versuehsergebnisse der kalorimetrischen Unter­

suchung des reinen Eisens®).

In Abb. 1 sind die von den Verfassern versuchsmäßig ermittelten Werte der Ab­

hängigkeit des Wärmeinhaltes von der Tempe­

ratur als Kreise eingezeichnet und durch eine mittlere Kurve verbunden. Die gefundenen Wärmeinhalte beziehen sich auf die Gleich­

gewichtstemperatur des Kalorimeters 0°. Es ergibt sich demnach bei 0° ein Wärmeinhalt von 0 cal/g. Aus diesem Grunde wurde die Kurve durch den Anfangspunkt des Koordinatensystems gelegt.

Die Kurve nimmt von 100 bis 785° einen Verlauf etwa nach der Gleichung:

W = 0,10461 • IO“ 6 1* - 0,4142 • 10“ 4 1* + 0,13207 t

— 1,89804,

*) Analyse des E le k tro lv teise n ? : 0,02 % C , 0,006 ° 0 Si, Spuren Mn, 0,006 % P , 0,004 % S, 0,0 % Cu.

XIV .47

"

-

---

---

---

---

.

L

<

L -

-b 4^

__

---

200 700 600 800 TOCO

Te/rrpenrpfi/r irr ° C

7200 7VOO 76BC

A bbildung 3. Q -t-K urve vo n K o b a lt n ach D ü rre r.

und führt durch den Kullpunkt. Von Bedeutung ist ein Vergleich mit den Wärmeinhaltskurven der Elemente Kickei und Kobalt, die mit dem Eisen zusammen eine Gruppe des periodischen Systems bilden.und die demEisen eng verwandte Eigenschaften besitzen. Kaeh den Untersuchungen Durrers«) zeigen auch diese Kurven bis zum A.-Punkte einen dem

*) F orsch.-A rb. G ebiet In g e n ie u r^ es. K r. 204 191S 73

(10)

578 S tahl un d Eisen. Die spezifische Wärme des Eisens. 47. J a n rg . i \r .

14

.

ferromagnetischen Eisen grundsätzlich ähnlichen Ver­

lauf (Abb. 3 und 4). Auch führt hier die Verlängerung des bei den verschiedenen Curiepunkten einsetzenden geradlinigen Verlaufes durch den Nullpunkt. Bereits W eiss7) hat aus dem gleichartigen Verhalten der Elemente Nickel, Kobalt und Eisen die Schluß­

folgerung gezogen, daß die beim Curiepunkte ein­

setzenden Aenderungen auf die diesen Körpern anhaftende ferromagnetische Eigenschaft zurück­

zuführen sind. Nach der Theorie des Ferro­

magnetismus von Weiss soll der Wärmeinhalt eines Körpers in engem Zusammenhänge mit dem inter­

molekularen magnetischen Aufbau stehen. Weiss nimmt an, daß die Moleküle ferromagnetischer Metalle stets bis zu ihrer vollen Sättigung magnetisiert sind.

Solange jedoch die Molekularmagnete wirr durchein­

ander liegen, ist infolge der verschiedenen Lage der magnetischen Achsen das sich ergebende magnetische Moment Null. Seine Theorie führt somit zu der An­

nahme eines molekularen Feldes des „ s p o n ta n e n

0 200 000 eoo 200 7000

7200 7000

T em p era tu r in °C

A bbildung 4. Q -t-K urve von N ickel nach D ürrer.

M a g n etism u s“ , so daß beim äußeren Felde gleich Null die Intensität der Magnetisierung bereits einen endlichen Wert hat. Infolge zunehmender thermi­

scher Bewegung kann die den ferromagnetischen Körpern eigene spontane Magnetisierung zum Ver­

schwinden gebracht werden. Es findet dies bei den Metallen Eisen, Kobalt und Nickel an den kritischen Punkten 769 bzw. 1150 und 352° statt.

Da sich die bei A2 beobachteten Aenderungen der übrigen physikalischen Eigenschaften bei der gleichen Temperatur einstellen, bei der sich der üebergang des stark magnetischen Zustandes in den schwach magnetischen vollzieht, so liegt die Ver­

mutung nahe, daß sämtliche Eigenschaftsänderungen in ursächlichem Zusammenhänge mit dieser Aende- rung stehen. Weiss hat so als erster die Beeinflussung des Wärmeinhaltes auf die magnetischen Vorgänge zurückgeführt. Nach seiner Annahme verbraucht die „spontane Magnetisierung“ eine Wärmemenge, die der gefundenen Wärmemenge zugezählt werden muß, um alsdann den Wärmeinhalt zu erhalten, der dem Metall eigen wäre, wenn es keine ferromagnetische Eigenschaften besäße. Weiss hat versucht, im Verein mit B eck 7) seine Theorie an einer von ihm aufge­

stellten Wäxmeinhaltskurve zu bestätigen. Seine

7) J o u rn a l de P h y sik 7 (1908) S. 249.

Versuchsergebnisse — besonders beim Curiepunkte — sind jedoch sehr verworren und lassen den letzten Zusammenhang zwischen Wärmeinhalt und ferro­

magnetischer Eigenschaft nicht erkennen. Auch hat Weiss die Ansicht vertreten, daß der plötzliche Ver­

lust des spontanen Magnetismus eine Wärmetönung von bestimmter Größenordnung hervorrufen muß.

die in einem kurzen Temperaturgebiet ihre Auswir­

kung findet. Nach den eigenen Versuchsbefunden an reinem Eisen, wie denen Durrers an Kobalt und Nickel, ist das Verschwinden der Magnetisierbarkeit mit keiner sonderlichen Störung verbunden; die zur Erreichung des spontanen Magnetismus not­

wendige Kraft verbraucht vielmehr eine Wärme­

menge, die beim Curiepunkte gleich Null wird.

Es scheint keine Zufälligkeit zu sein, wenn die gerad­

linige Verlängerung des Kurventeils rechts des Curiepunktes bei ferromagnetischen Metallen jedes­

mal durch den Nullpunkt führt; es gibt vielmehr zu der Vermutung Anlaß, daß die Q-t-Kurven der genannten Körper einen Verlauf entlang dieser Geraden bis zum Nullpunkte nähmen, falls sie keine ferromagnetische Eigenschaft besäßen. Die Q-t- Linie zwingt zu der Schlußfolgerung, die rechts und links von dem Curiepunkte liegenden Teile als gleichartig zu betrachten; sie unterscheiden sich lediglich voneinander durch die Stärke der magne­

tischen Eigenschaften. Die Abschnürung des Gebietes zwischen der ermittelten Kurve und der gestrichelten Geraden darf jedoch nicht zu dem Trugschlüsse führen, als ob die Aenderungen den wirklichen Werten der molekularen Magnetisierung entsprächen, sondern sie stellen lediglich die Beeinflussung auf die besondere Art der kalorimetrischen Bestim­

mung dar.

Die Verfasser glaubten zunächst, den Verlauf der Kurve bis zum Curiepunkte der Tatsache zusprechen zu müssen, daß das magnetische Feld des elektrischen Ofens eine Einwirkung auf die magnetischen Eigenschaften der Proben ausgeübt habe, die sich thermisch im Kurvenlauf aus­

wirkte. Doch lieferten sämtliche mit sorgfältig bifilar gewickeltem Ofen ausgeführten Versuche ausschließlich Ergebnisse, die genau in den zuerst festgelegten Kurvenverlauf fielen. Auch eine Berech­

nung des magnetischen Feldes des nicht bifilar gewickelten Ofens ergab einen Wert, der zu klein war, um einen Einfluß auf das magnetische Ver­

halten des Probekörpers ausüben zu können.

Der gefundene Kurvenverlauf muß somit in engem Zusammenhänge mit den durch den spontanen Magnetismus hervorgerufenen Schwingungsänderun­

gen der Moleküle stehen. Die A2-Umwandlung ist somit, wie die thermischen Versuchsergebnisse zeigen, keine bei einer bestimmten Temperatur erfolgende allotrope Umwandlung, sondern eine Aenderung, die innerhalb der Moleküle stattfindet und die gesetzmäßig bis zum Curiepunkte verläuft. Ein Störungsgebiet von 100 bis 150°, in dem sich der Üebergang aus dem ferromagnetischen Zustand in den paramagnetischen durch eine besondere Aende­

rung des Energiegehaltes auswirkt, wie viele Forscher

annehmen, besteht nicht. Der A2-Punkt bezeichnet

(11)

7. April 1927. Die spezifische Wärme des Eisens. Stahl und Eisen. 579

demnach nur den Endpunkt des ferromagnetischen Zustandes bei der Erhitzung und den Anfangspunkt der ferromagnetischen Eigenschaften bei der Ab­

kühlung. Genau wie beim Eisen hegen die Verhält­

nisse bei Xiekel und Kobalt.

Die Kurve des eigentlichen a-Eisens besinnt somit erst bei

785°

und endet bei

906°.

Die in der Arbeit gefundene Temperatur von

785° stim m t mit

neueren Untersuchungen H o n d a s 8) überein. Honda und seine Mitarbeiter haben gezeigt, daß der A2-Punkt mit steigendem Kohlenstoffgehalte langsam von

785

bis

770°

fällt und alsdann konstant bleibt. Es genügen nach seiner Untersuchung schon ganz geringe Mengen Kohlenstoff, um das

Sinken

hervorzurufen.

Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß bei den nichtferromagnetischen Metallen Zinn. Wismut. Kad­

mium, Antimon. Aluminium. Silber. Blei. Zink, Gold und Kupfer ein dementsprechender Kurvenverlauf nach den Untersuchungen Durrers nicht festgestellt wurde,

A bbildung 5. Q -t-K u rv en des E isens nach Oberhoffer, P io n ch o n u n d D ü rrer.

vielmehr bei diesen Elementen eine lineare Aenderung des Wärmeinhaltes von 0° an bis zu einer etwa ein­

tretenden Umwandlung bzw. bis zum Schmelzpunkte nachgewiesen ist. Auch führten neuere kalorimetri­

sche Untersuchungen der Verfasser an Messing zu dem gleichen Ergebnis. Es liegen so keine Bedenken vor, den sich gesetzmäßig vollziehenden Kurvenver­

lauf mit den magnetischen Aenderungen in Zusammen­

hang zu bringen.

Die Q-t-Linien des Eisens ermittelt von Pionehon, Ober­

hoffer und Dürrer.

Es ist schon verschiedentlich versucht worden, aus der Q-t-Linie des Eisens Schlüsse auf die Beein­

flussung der ferromagnetischen Eigenschaften zu ziehen, wie auch zu einer Klärung der Modifikations­

fragen zu kommen. Die Betrachtungen schließen sich an die Arbeiten von P io n c h o n , S tü c k e r . H a r k e r , O b e rh o ffe r, W eiss und B ec k und D ü r r e r an.

Eine ausführliche Beschreibung der kalorimetrischen Untersuchung von Pionchon. Stücker und Harker

s) Science R ep. T ohoku U niv. 2 (1913) S. 59 un d 5 (1916) S. 785.

brachte Oberhoffer in seiner Arbeit9) „Ueber die spezifische Wärme des Eisens“. Leider gehen die obengenannten Forscher bei ihren Betrachtungen nicht von den direkten Wärmeinhaltskurven aus, sondern sie versuchen, durch das Studium der Kurve der spezifischen Wärme Aufschluß über das Wesen der untersuchten Körper zu erlangen.

Da die Kurve der mittleren spezifischen Wärme das Verhältnis der von einem Gramm eines Stoffes aufgenommenen Wärmemenge Q zu der durch sie bewirkten Temperaturerhöhung T' — T wieder­

gibt. machen sich bei Ausführung des Ver­

suches auftretende kleine Temperaturmeßfehler in dieser Kurve erheblich bemerkbar. Diese Fehler werden um so größer und stellen sich um so leichter bei kalorimetrischen Messungen ein, je weniger mit steigender Temperatur der Wärmeinhalt eines Körpers zunimmt. Diese Tatsache hat sicherlich wesentlich dazu beigetragen, den endgültigen Zusammenhang zwischen Wärmeinhalt und Zustandsänderuna: nicht klar hervortreten zu lassen.

Abb. 5 gibt die Kurven von O b e rh o ffe r, P io n c h o n und D ü r r e r 10) nach der eigenen Auf­

fassung wieder. Leider sind die Versuche Pionchons oberhalb 790° nicht zahlreich genug, um einwandfrei den Verlauf der Q-t-Linie von dieser Temperatur an festlegen zu können. Ohne jedoch den Untersuchungs­

ergebnissen dieser Forscher einen Zwang anzutun, läßt sich aus den bestimmten Werten eine Wärme­

inhaltskurve zeichnen, die bei Pionchon und Dürrer qualitativ, bei Oberhoffer nahezu quantitativ mit der eigenen Untersuchung übereinstimmt; sie kann somit als eine Stütze der eigenen Arbeit angesehen werden. Auch hier entspricht der Verlauf von 0°

bis zum Curiepunkte der Auswirkung einer inneren Umwandlung. Dürrer konstruiert ein bei Aa auf­

tretendes Störungsgebiet, das sich über ein Temperatur­

intervall von 725 bis 785° erstreckt, und nimmt an.

daß in dem Gebiete die unterhalb dieser Abweichung befindliche a-Modifikation mit der oberhalb be­

ständigen ß-Modifikation ein Gebiet der vollstän­

digen gegenseitigen Löslichkeit besitzt. Eine ähn­

liche Auffassung vertritt er bei den ferromagnetischen Elementen Kobalt und Nickel. Welchen Zwang Dürrer seiner Kurve antun muß, um zu einem ge­

eigneten Störungsgebiet zu kommen, beweist kenn­

zeichnend die Originalkurve vom ferromagnetischen Kobalt bei dem Uebergange von dem a- in den ß-Zu- stand (Abb. 6). Die geradlinige Verlängerung des Kurventeils von der A3-UmWandlung bis zum Curie­

punkte der Oberhofferschen und der Durrersehen Wärmeinhaltskurven führen ebenfalls durch den Nullpunkt (in Abb. 5 die gestrichelte Linie), eine Bestätigung der neu ausgeführten kalorimetrischen Untersuchung.

Aehnlieh wie bei Eisen, Kobalt und Nickel liegen die Verhältnisse sicherlich bei Eisenkarbid. Es er­

fährt Eigenschaftsänderungen bei etwa 200°, die, ähnlich wie die a-ß-Umwandlung des reinen Eisens, sehr schwach ausgeprägt sind, keine Hysteresis

9) D isserta tio n A achen 1907.

10) A. a. 0 .

(12)

580 S tah l u n d Eisen. Die spezifische Wärme des Eisens. 47. J a h rg . N r. 14.

aufweisen und die, wie W ev er röntgenographisch nachgewiesen hat, mit keiner Aenderung der Raum- gitteranordnung verknüpft sind. Die hier vorliegende Umwandlung ist sicherlich eng verwandt mit der magnetischen tx-ß-Umwandlung der ferromagnetischen Metalle. Die bestehende Annahme, das magnetische Verhalten des Eisenkarbids rufe in einem Temperatur­

gebiet von 50 bis 60° Eigenschaftsänderungen hervor, beruht sicherlich auf einem Trugschluß; es soll hier

A bbildung 6. Q -t-K urve fü r K o b alt nach D ürrer.

schon der Vermutung Ausdruck gegeben werden, daß das magnetische Verhalten des Eisenkaxbids einen Einfluß auf sämtliche physikalischen Eigenschaften von 0° bis zum Curiepunkte ausübt.

Die allotrope Art der A3-Umwandlung ist durch die Untersuchung der thermoelektrischen Eigenschaf­

ten, des elektrischen Widerstandes, der Ausdehnung, der Dichte und des strukturellen Umbaues seit

A bbildung 7. M ittlere spezifische W ärm e von reinem E isen nach eigenen Versuchen.

langem festgestellt. Die Q-t-Kurve ergibt ein direktes Maß für die mit dieser Umwandlung verknüpfte Wärmetönung. Die Größe ist verschiedentlich fest- gestellt worden und beträgt nach:

M euthen . . . 5 —6 cal/g bei 890°

D ü rrer . . . 6,67 ,, ,, 919°

Grosse . . . 6,765 ,, ,, 906°.

Der Verlauf der Kurve des y-Eisens ist ein Beweis für die Richtigkeit des R ic h a rd s s c h e n Gesetzes, wonach diejenige Modifikation die kleinste spezifische Wärme besitzt, deren spezifisches Gewicht am größ­

ten ist.

Der Uebergang aus der y- in die 8-Modifikation ist mit einer Wärmetönung von 2,531 cal/g verknüpft.

Wie bereits erwähnt, ist die Q-t-Kurve von 14010 bis zum Schmelzpunkte die geradlinige Fortsetzung des Teiles von 790 bis 906°. Da die Kurve des kubisch flächenzentrierten 8-Eisens den gleichen Richtungs­

koeffizienten wie die des strukturell in gleicher Weise aufgebauten ß-Eisens besitzt, so müssen beide Modifikationen als identisch angenommen werden. Auch die Ausdehnungskurve des 8-Eisens bildet die geradlinige Fortsetzung der Kurve des ß-Eisens, was durch neue dilatometrische Versuche von S e ik ish i S a tö 11) nachgewiesen wurde. Die Kurve der Thermokraft (nachgewiesen von W. S ch n e id e r) und der reziproken magnetischen Suszeptibilität (nachgewiesen von W eiss und Foex) im Bereiche der ß- und 8-Modifikation kann ebenfalls als kontinuierliche Fortsetzung betrachtet werden; es steht dies in Uebereinstimmung mit dem Untersuchungsbefunde der Q-t-Kurve der Verfasser und läßt sich auch zugunsten der Annahme der Gleichheit der beiden Modifikationen auslegen.

Aus der Durrerschen Wärmeinhaltskurve des reinen Eisens glaubt H. B re d e m e ie r12) den Schluß der Gleichheit der a-und 8-Modifikation bereits ziehen zu können. Bredemeier faßt die Wärmeinhaltskurve oberhalb 1401° unter Annahme eines magneto-kalo­

rischen Effektes als kontinuierliche Fortsetzung des Kurventeiles unterhalb 700° auf, obwohl diese Ver­

längerung weder mit dem Kurventeil oberhalb 1401“

zusammenfällt, noch ihm parallel läuft. Aus dem Vor­

stehenden geht aber hervor, daß die wahre Fort­

setzung der 8-Kurve nur mit dem Teile von 785 bis 906° übereinstimmen kann.

Der Uebergang von der gesetzmäßigen Raumgitter­

anordnung zur absoluten Unordnung der Moleküle ist mit einer starken diskontinuierlichen Aenderung

u ) Science R ep. T ohoku U niv. 14 (1925) S. 513/27.

12) Z. anorg. Chem. 151 (1926) S. 109/12.

O 200 YOO 1900 SOO 7000 7200 7000 Z T em p era tu r ir ° C

A bbildung 8. Q -t-K urve von T ran sfo rm ato reisen (4 % Si) naoh eigenen V ersuchen.

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