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Die Zukunft, 16. April, Jahrg. XXIX, Bd. 113, Nr 29.

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(1)

XXIX. Jahrg. Berlin, den 16. April 1931 Nr. 29

alle ukunft

Herausgeber

Maximilian Harden

INHALT

Seite

G e r m i n a l ... ... 57 Sonne geht nicht a u f noch u n t e r ... 57 V on A berglauben u m g a r n t ... 6 6 Schm erzlich Lassen, w idrig S o l l e n ... 79 Europäische Wiederaufrichtung. Von W a l l y Z e p l e r . . . . 81

Nachdruck verboten

Erscheint Jeden Sonnabend

Preis vierteljährlich

22

Mk., das einzelne Heft

2.00

Mk.

BERLIN

V erlag der Z u k un ft

SW47, Großbeerenstraße 67 1921

(2)

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c B r illa n te n

Peplen> Smaragde, rerlschnure kauft zu hohen Preisen

M S o i t z FPlBdrlcntSP. 91-92. I. Elfl.

zw isch . M itte l - u. D o ro theenstr.

K a i s c r h o f E l b e r f e l d

s ü s s e

Bestes

z u r P fle g e d e r Z ä h n e .

S o e b e n e r s c h i e n :

B E L A R E V E S Z

& t n g e n ö e 2 D ö r f e r

E i n u n g a r i s c h e r R o m a n

G e h e f t e t M 12 .— / G e b u n d e n M 1 8 . — In H a lb f e d e r M 3 5 . —

„ . . . H i e r ist die L ie b e e in e r as e nd e, jäh z u m H i m m e l a u f b r a u s e n d e F l a m m e , die alles mit b r a n d r o t e m Schein beleuchtet.

H i e r zucfct, hier sp r ü h t, lebt, g lu t e t alles.

H e i ß e B r u n s t brü llt a us jeder S e it e des B u d ie s , erträglich g e m a c h t d u rd i e in e n e k ­

stati sc hen , fa s t h y m n is c h e n Stil."

Nationalzcitung, Berlin

* Z u beziehen durdi alle Buchhandlungen oder direkt durd»

E R N S T R O W O H L T V E R L A G

B E R L I N W 35

W i e n e r R e s t a u r a n t

Mittelstr. 57—59

R R Z I W A N E R

— ■ - — W e l t b e r ü h m t e Küc he

T E L E P H O N : Z e n tru m 4 0 8 6

P i l s n e r U r q u e l l

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B erlin, d e n 16. A p ril 1921

Germinal

S o n n e g e h t n i c h t a u f n o c h u n t e r

aiser Karl bew ohnte in Baden (bei W ien ) eine W ohn*

ung, die aus drei Zim m ern bestand. Das erste war ein Vorraum , der m eist m it M inistern, Generalen, Politikern, Beamten, O rdon nanzen , Lakaien angefüllt w ar; das m ittlere war das A rbeitzim m er, in dem dritten, dem Schlafzimmer, lag die Kaiserin im W o chen bett. Bürgerlicher kann man nicht sein. D ieK üch e war die denkbar einfachste. So w ohnte(1918) die kaiserliche Familie sechs M onate lang. O ft standen im V orzim m er hohe Offiziere u n d W ü rdenträger: un d die Am m e, mit den U tensilien ihres A m tes in den H änden, ging hin*

durch. In dem A rbeitzim m er sagte ich am dreizehnten A pril zu K önig Karl, er müsse, schon wegen der Ernährungverhält*

nisse, Frieden machen. ,T hue ich nicht, was ich k a n n ? Sie haben gesehen, d aß Clem enceau m einen Brief veröffentlicht hat. Ich kann C zernin nicht verstehen; er ist m ir unbegreif»

lieh.4 D ie A n tw o rt klang sehr bedrückt. »Natürlich w ar mein Bestreben, rasch Frieden herbeizuführen, und dazu wollte ich alle m ir zu V erfügung stehenden M ittel benutzen. Czernin selbst hatte m ir ja gerathen, durch meine Schwäger in Frank*

reich A n k n ü p fu n g zu suchen. Ist nicht genug Blut geflossen?

Jetzt will man m einen Brief als T reu b ru ch gegen D eutsch-

5

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58 D i e Zukunft

land hinstellen] W ä re n n ic h td ie Früchte dieser A ktion Deutsch»

land genau so zum V ortheil gewesen wie u n s? Ich w ollte, C zernin solle die deutsche R egirung zu der E rklärung b rin ­ gen, m ein B rief sei in gem einsam em E inverständniß abge»

gangen. C zernin aber w ollte um keinen Preis. Er sagte, die einzige M öglichkeit sei, n u n A lles glatt abzuleugnen. M ir war es unsym pathisch; aber ich gab nach.* A m Sechzehnten kam der K önig in B udapest an u n d sagte mir, C zernin sei zurückgetreten. Er schien sehr beküm m ert, hatte gelesen, was die Blätter ü b er ihn sagten, u n d verstand die offenen und versteckten A nschuldigungen sehr gut. ,Ich war ja imm er der A nsicht, m an hätte sich zu den Briefen (an den Prinzen Sixtus von B ourbon*Parm a) ehrlich bekennen sollen; aber C zernin w ollte nicht. Seine Sache wäre gewesen, m eine Stell»

ung zu W ilhelm in Brest zu bereinigen; er ist aber damals vollkom m en ins Lager der A lldeutschen eingeschw enkt. Er war heute so, m orgen anders; heute A b rü stu n g un d Völker*

frieden, m orgen Siegfrieden u n d Z ertrüm m erung a lle rF ein d e / Am näch sten T ag spielte sich in einem kleinen Salon der ofener Burg eine Szene ab, die mein V etterB erchtold, O berstkäm m erer Seiner M ajestät, gern erzählt. In der M itte des Saales standen K önig K arl,T isza u n d Burian (dam als R eichsfinanzm inister) im G espräch. A n der T h ü r stand ein Lakai. In einer Fensternische der G en eralad jutan t des K önigs, der dicke Z denko Lobkow itz.

Berchtold (d er unter Franz Joseph M inister des A usw ärtigen w ar) tra t ein u n d b egrü ßte Lobkow itz. D er flüsterte ihm z u : ,In diesem Salon p räp arirt sich ein M inister des A eußeren. Ich bins n icht; ich verstehe nichts von P o litik .4 B erchtold: ,U m G ottes willen, man w ird doch nicht auf mich zu rückgreifen?1 ,Tisza,‘ hauchte Lobkow itz, ,ists bestim m t nicht. D er will sich n icht aus der ungarischen Politik ausschalten lassen. D ann b leib t nu r der Lakai u n d eventuell Burian. D er Lakai sieht ganz intelligent aus . . .* ,Ich setze Zw ei zu Eins auf den La»

kai,‘ sagte B erchtold. Schon aber tra t der M onarch auf seine b eiden H ofchargen zu u n d sprach: ,Ich habe Baron Burian zu m einem M inister des A euß eren ernannt.* Z u der nächsten A u d ien z in Baden hatte ich einen neuen schwarzen G ehrock angezogen. D er K önig sah mich von oben bis unten an, lachte

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Germinal 5 9

u n d sagte: ,Sie sehen aus wie ein H auslehrer. W o z u D a s?

Kom m en Sie doch zu mir, wie Sie sin d !4 Er war gegen jedes C erem oniale. A lle Form alitäten waren ihm unangenehm . Er duldete nicht, d aß im Auf* u n d A bgehen ich im m er links von ihm gehe. In dieser A udienz sagte er m ir: ,Ich will Reform en, überall; ich sehe, sie sind n othw endig. Ich will keine Hof*

politik treib en ; m einer A nsicht nach m üssen die V ölker selbst regiren.4 Am sechzehnten M ai traf der Kaiser aus dem deut*

sehen H au p tq u artier in W ien ein u n d ich w urde sofort nach Baden berufen. Er w ar sehr deprim irt. M an sprach im deut*

sehen H a u p tq u a rtie r von nahem D u rch b ru ch der französi*

sehen F ront u n d einem viertheiligen Stoß in der R ichtung auf Calais. Burian stand ganz unter der Suggestion des deutschen Endsieges und hatte erklärt, jetz t sei nicht der M om ent, m it neuartigen V orschlägen an die D eutschen heranzutreten. D ie hatten weitere N ahrung* u n d R ohstoffzuführung n u r un ter der B edingung zugesagt, d aß im J u n i eine austro*ungarische O ffensive am Piave einsetzen w ürde. Ich legte m eine B edenken ohne alle U m schw eife vor u n d sagte ganz em phatisch, diese O ffensive w erde der A nfang vom Ende sein. Später sollte ich den österreichischen A lpenbew ohnern helfen, deren Depu*

tation dem Kaiser erklärt hatte, das V olk verhungere. T ro tz allem M ühen kon nte ich ihnen n u r anderthalb W agons Salami schaffen u n d ein Jpaar W ag o n s Frühkartoffeln dazulegen. M ehr w ahr nicht da. So lebten, so w irthschafteten w ir in jenen Tagen.

W ir hatten kein G eld , keine N ährm ittel, keine Staatsm änner;

wir hatten n u r ein geduldiges, lam mfromm es, bewunderns*

w erthes Volk. Im Ju n i stieg O esterreichs N o th aufs H öchste.

D eutschland wünschte, aus Polen einen B undesstaat des D eutschen Reiches zu m achen; um aber O esterreich nach außen hin zu schmeicheln un d es thatsächlich doch ganz aus*

zuschalten, beantragte der Reichskanzler im H au p tq u artier, einen Prinzen des H ab sb u rg erh au ses, den E rzherzog K arl Stephan, zum K önig von Polen zu krönen, der dann als Bundes*

fürst eine ähnliche Stellung eingenom m en hätte wie der K önig von Sachsen. Kaiser Karl w ollte ein selbständiges Polen, dem G alizien zufallen sollte. In Berlin sagte m ir G raf Hert*

ling, noch in diesem Sommer, nach der Einnahm e von Calais,

5*

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60 D i e Zukunft

w erde man Frieden schließen; zur Besetzung von Paris wolle es W ilhelm nicht kom m en lassen. (N o c h im J u li, als der Krieg schon verloren war, w urde so gesprochen.) Im Licht der späteren Ereignisse kann es nicht dem allergeringsten Zw eifel unterliegen, d a ß K önig Karl der einzige ü ber alle außen»

u n d innenpolitischen V erhältnisse orientirte Staatsm ann war.

D er K ardinalfehler seiner R egirungm ethode w ar aber, d aß er nicht verstanden hat, der von fhm richtig un d klar er*

kannten Situation in den Kreisen der P olitiker auf irgend*

eine W eise V erständniß zu schaffen. N ach unserer Nieder»

läge am Piave sah ich, in U dine, d aß er graue H aare hatte ...

Spa, w ohin w ir zur B erathung fuhren, w ar wie ausgestor»

ben ; zum T heil w aren die H äuser ab geb rannt u n d noch nicht w iederhergestellt. Kaiser W ilh elm w ohnte in einer wunder*

schönen Villa. In der H alle stellte uns G eneraloberst Plessen dem Rang nach auf. W ir w u rd en einzeln vorgestellt, ein ganz kurzer C ercle folgte, d ann ging m an zu Tisch. D er Kaiser trank uns zu, m achte W itze, sprach üb er Tagesereig»

nisse; P olitik w urde nicht b erührt. N ach dem Lunch zog er mich in eine N ische u n d sprach anderthalb Stunde m it mir. Er äu ßerte sich sehr absprechend über unsere auswär*

tige P o litik u n d m ilitärische Leitung. ,D ie H a b sb u rg er1, sagte er, ,verstehen ü b e rh a u p t nicht, das Volk für sich zu gewin»

nen. D a sehen Sie m ich an! Ich gehe überall herum , spreche m it Jed erm an n ; da gerathen wir mal hart an einander, aber schließlich verstehen wir uns doch. Ich kenne die Unge»

d u ld Ihres Kaisers; aber die gebrachten O p fer sind zu groß, um A b b ru ch des Krieges im günstigsten M om ent zu er*

lauben. N ach dem Krieg w erden wir Alles neu ordnen. Nau«

m anns M itteleuro p a ist U nsinn, aber m ilitärisch m u ß es ein M itteleurop a geben: sonst w erden die Feinde im m er w ieder über uns herfallen. Festhalten um jeden Preis! M al kräftig sein! D u rchhalten !' Im A u g u st traf ich Kaiser Karl, der aus dem deutschen H a u p tq u a rtie r kam, in Linz. W ä h re n d der H o fzu g nach W ie n rollte, sprach der M onarch: ,Im W esten ist die K atastrophe eingetreten, L udendorff und H indenburg, die bis jetzt für keine V erständigungaktion zu gew innen w aren, sind niedergebrochen. N u n sind W ilhelm u n d Luden?

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G erm inal 61

dorff für energische Schritte im Interesse des Friedens.* A m nächsten T ag war .Kaisers G e b u rtsta g 1. In Reichenau Hof*

tafel fü rd ie Erzherzoge. Im N eb eng eb äud e M arschalltafel fü r die hohen G enerale, die Ritter des T heresienordens. W ie oft hatte im Feld n u r die G ier nach diesem höchsten O rd en Tau*

sende in den T o d getrieben! Begeistert schw oren A lle ihrem Kaiser un d seinem H au s ewige T reue. D ie Kapelle spielte:

,G o tt erhalte* u n d .O esterreich w ird ewig stehen*. A m fünf*

ten Septem ber w urde Z ar F erdinand von Bulgarien emp*

fangen u nd versicherte den Kaiser seiner T reu e: in einem A ugenblick, wo das M inisterium des A eu ß eren u n d die Heeres*

leitung schon Beweise für Ferdinands V erb indung m it der Entente hatten. A m V ierundzw anzigsten traf die N achricht ein, Bulgarien habe die E ntente um Sonderfrieden gebeten.

Burian u n d W ekerle täuschten den K önig ü ber den E rnst der Z eith in weg; sie inszenirten Feste, um ihn in guter Stim m ung zu erhalten. Im O k to b e r w urde in D ebreczen die neue Univer*

sität eingeweiht. Er stand selig in einer Lohe der Begeisterung.

B eim B ankettkonnte m an m einen, Volk und H errscher feierten den glücklichsten T ag. Alles w ar hingerissen von derLiebens*

W ürdigkeit des jung en H errschers u n d der K önigin Z ita; alle Reden strotzten von Z usicherungen der Treue, Liebe, O p fe r­

bereitschaft, V erehrung. T usch au fT u sch .E ljen auf Eljen stieg in die H ö he. Ju bel! Ju b el! Ju bel! W ä h re n d wir das Fest feierten, kam ins Parlam ent die N achricht, in Fium e sei der R egirungpalast von eingedrungenen K roaten besetzt worden.

A m A nfang der R evolution w ollte man durch B erufung eines schneidigen G enerals die R uhe u n d O rd n u n g in O esterreich sichern. F ü r drakonische M aßregeln war aber Kaiser Karl nicht zu gew innen; er sagte: ,D er Zw ang, die alten Me*

th od en m üssen auf hören; ich w erde gegen mein Volk nicht K rieg führen. G en u g B lut ist geflossen. Im H in terlan d sollen die M enschen sich nach ihrem W illen einrichten.* G raf C zernin kam w ieder zu m ir ins A usw ärtige M inisterium (das A ndrassy n u n leitete) un d sagte, zum zweiten M al, d aß n u r durch die Besetzung W iens u n d B udapests m it E ntentetruppen, am Besten m it am erikanischen, die bolschew istischen Um*

triebe vereitelt werden können. K urze Z eit danach äußerte

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6 2 D ie Zukunft

er sich in einer öffentlichen V ersam m lung sehr entrüstet dar*

über, daß .gewisse Elem ente eine Besetzung W iens durch feind­

liche T ru p p en wünschen*. Diese Idee stam m te von keinem A nd eren als von O tto k ar C zernin. G ra f M ichael Karolyi, A ndrassys Schwiegersohn, hatte telephonisch den Eid als kö»

niglicher M inisterpräsident geleistet u n d eidlich versichert, d a ß er dem K önig von U n g arn den T h ro n retten werde.

D e r Kaiser u n d K önig wollte von Schönbrunn, trotz An»

drassys W a rn u n g , durch die von erregten M enschen über»

füllten Straßen ins A usw ärtige M inisterium fahren. ,Ist ja Alles gleichgiltig*, sagte er; u n d später: .N ic h t einen Augen»

blick hat m ich das G efühl der A ngst gepackt; ich habe den W ien ern w issentlich nie Böses gethan. Alles, was ich that, geschah in der A bsicht, m eine V ölker glücklich zu m achen.4 U n d V ictor A dler, der Sozialistenführer, sagte m ir: ,D as M alheur m it dem Kaiser ist, d aß er alle M enschen glücklich m achen will. W ir haben schon längst gew ußt, d aß es schief gehen wird.* Schönbrunn fand ich in F insterniß gehüllt, ganz ausgestorben. Es gab keine Schloßwache, keine Leibgarde m ehr. Es w ar elf U h r nachts; doch nicht ein einziger D iener begegnetem ir. In d em g ro ß en le ere n V orzim m er saß einFlügel»

a d ju ta n t u n d las in einem Buch. D er Kaiser w ar allein. D ie W ach en zerstoben, die D iener pflichtvergessen, die weiten Prunksäle menschenleer. D er T h ro n w ankte. Seine drei Stützen, G eneralität, Klerus, A del, hatten ihn verlassen. W o waren jetzt die L obkow itz u n d A uersperg, die Clam u n d Schwar»

zenberg, die C zernin u n d K insky? W o w aren die Ester«

hazy u n d B atthyanyi, die Sestetics u n d A pponyi, die Zichy u n d Szechenyi, die durch Jah rh u n d erte an den Stufen des T hro nes das Knie gebeugt u n d von der G u n st des H ofes gelebt h a tte n ? D er K önig fragte: ,H ab en Sie von der Er»

m ord un g Tiszas g e h ö rt? Es ist schrecklich; er ist der Erste, der daran glauben m uß, d aß m an V ölker nicht knebeln darf.4 Ich sagte: .M ajestät, Sie sind eigentlich der Erste Revolu*

tionär in Ihrem R eich!4 Er: J a , ich m öchte A lles revolutio«

niren, wenn auch nicht m it K ugeln u n d B lut.4 A m ersten N ov em ber rief der K önig den G rafen A ndrassy u n d mich telephonisch nach S chö n bru nn ; erst nach langen Stunden k o n n ten wir ein A u to erhalten (unsere A u tos u n d Chauffeurs

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ü e r m i n a l 6 3

waren vom N ationalrath eingefordert w orden). In Schön*

b ru n n sahen w ir keinen A d ju tan ten m ehr, durchschritten die leeren Säle u nd traten durch die w eit geöffnete T h ü r ins A rbeitzim m er des M onarchen. N u r K önig u n d K önigin wa*

ren anw esend. Er stand am T elephon u n d w ir h örten ihn in höchster A ufregung reden. ,Ich spreche m it B udapest1, rief er uns zu; ,ich soll abdanken, für mich und meine Nach*

kom m en auf den ungarischen T h ro n verzichten. Ich habe das M inisterium K arolyi dem E id e n tb u n d en ; aber D as ist das Letzte. Ich danke nicht ab, habe gar nicht das Recht dazu. W ie diese Kavaliere über den Eid denken, sollen sie m it ihrem G ew issen abm achen; ich kann einen von m ir ge*

schw orenen Eid nicht brechen.1 D er M inister des Inneren, G ra f T h eo d o r B atthyanyi, sagt durchs H ö rro h r zu A ndrassy, wenn der K önig nicht abdanke, w erde m an ihn, wie einen schlechten D ienstboten, wegjagen. G raf M oritz Esterhazy hatte vorausgesagt: W e n n Karolyi, Batthyanyi u n d K onsorten zur M acht gelangt sind, w erden sie dem K önig telephonisch seine A bsetzung anzeigen. D er Kaiser weigert sich, W ien zu ver*

lassen, die Kaiserin ist dafür, sofort in die H o fb u rg zu fahren, sich in nichts einzum ischen, aber nicht von dem Platze zu weichen, den die Pflicht anwies. W ir rufen G raz, Innsbruck, Salzburg, Linz an: überall war die M acht schon auf die Ar*

beiter* u n d Soldatenräthe übergegangen. In seinem eigenen Reich gab es keinen O rt m ehr, wo der Kaiser in Sicherheit die N ach t verbringen konnte. Er erklärte, seine Person dürfe nicht im W eg stehen. N ach der A usw eisung siedelte er, im M ärz 19, sich in der Schweiz an. D er letzte H ab sb u rg er kehrte dahin zurück, w oher derE rste seines Stammes gekom m en war.“

D as steht in dem (bei U llstein erschienenen) Buch des Prinzen L udw ig W indischgraetz: „V om R othen zum Schwar*

zen Prinzen“ ; einem der wenigen lesensw erthen Bücher aus der M em oirenfluth der letzten Jahre. So war der Kaiser un d A postolische K önig K arl: willig zu G utem , w eitab von allem H an g in U eb erh ebun g u n d bereit, von Lammasch, Förster, W indischgraetz u n d anderen W e ltk u n d ig e n sich in V ernunft leiten zu lassen; do ch , m it dem von der M u tte r geerbten Sachsentem peram ent, in O esterreich u n d U ng arn noch un«

heim isch u nd nicht stark genug für die schwerste A ufgabe,

(10)

64 D ie Zukunft

m it der ein ju n g er M onarch b e b ü rd e t w erden k on nte: der, m it den Pranken der Persönlichkeit das G em einschaftleben eines auseinanderklaffenden Reiches festzuhalten. So ist er ge*

blieben. D a ß er heim lich, vielleicht auf den Rath eines magy»

arischen C zernin o d er ehrlicher blinden A ndrassy, nach B u­

dapest un d Szom bathely (Stein am A nger in W estun garn) fuhr, um in einem Lande, dessen M ehrheit in M onarchie zu»

rückkehren w ill, sich das Recht au f den T h ro n , dem er nie entsagte, zu sichern, ist durchaus begreiflich. D a ß er vor der Pflicht zu G ew altanw endung schauderte und nicht wagte, m it O ffizierregim entern, die er haben konnte, von der G ü n s an die D on au, nach O fen oder Schwechat zu m arschiren, dankt ihm das M enschengefühl. N o ch ists fü r die R estauration eines H a b sb u rg zu früh. Prag, Belgrad, Bukarest, auch Paris m üßten erst gew iß sein, d aß er sich in die Enge des O esterreich und U ng arn von heute (deren W irthschafteinheit w ieder hergestellt w erden m u ß ) redlich bescheiden wolle. G anz ertraglos war die Reise nicht (nach der F uder w erthlosen Tratsches A bsatz fanden). O b sie fam ilienrechtlich was eingebracht hat, wissen wir noch nicht: den H absbu rg ern , die nicht, wie die Hohen*

zollern, verhätschelt, m it M illionenhauf« n und Silberschätzen beschenkt w urden, wärs zu gönnen (schon, dam it nicht noch m ehr Erzherzoge zu tingeln anfangen). Karl hat sich in w ir­

rem G ezettel, das seinen A nsp ruch leis zu vernichten strebte, w ieder als K önig gezeigt, das Prätendentenspiel lieber Vettern gestört und in einem von der R egirung veröffentlichten M a­

nifest die staatliche U n abh än g ig k eit U ngarns ausgesprochen, also die Pragm atische Sanktion Karls des Sechsten entkräftet, die für ewige Z eit das Reich der Stephanskrone an Oester»

reich bind en sollte. D ie Karlisten wissen nun, d aß sie erst hoffen dürfen, ans Z iel ihres W unsches zu gelangen, w enn sie die groß e Bauerpartei gew onnen haben, die einstw eilen einen K önig m agyarischen B lutes begehrt u n d au f die der skrupel­

lose H o rth y , Paradeheld u n d „Reichsverw eser“ im w ahrsten W o rtsin n , sein M ächlerplänchen baut. G rö ß e r ist, freilich, der, so zu sagen, negative Ertrag. D a ß die W estm ächte sich von der K önigin, die in Paris w ährend der Friedensverhand*

lungen ihren Salon hatte, beschw atzen ließen, die R ückkehr K onstantins (des K leinsten) nach A then zu gestatten (w o m an

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ü m n in a l 65

den W e rth des Staatsmannes Venizelos allm ählich w ieder zu erkennen beginnt), hat Karl erm uthigt, hat den schon gelösten Pakt R uprechts von W ittelsbach m it dem luxem burgischen Fräulein erneut (doch den A bfall der m ehrfach schaum burgi*

sehen Vicky, der Schwester W ilhelm s, an einen O b erst im bri*

tischen Besatzungheer nicht g ehindert) .W äre auch Karls Streich sofort g e lu n g e n : überall risse die M eu te der M onarchisten sich von der K oppel los. N u n sehen sie, wie schw ierig das G eschäft der R estauration noch im m er ist. D as kann sie Ge*

d u ld lehren. M u ß der arme Karl (schon der alte A dler nannte ihn so), von allen R eichshäuptern des V ierbundes das ein«

zige, das wenigstens den W illen zu A n stan d u n d G ü te hatte, m it der Frau u n d sieben K indern ein neues A syl suchen? D a ß von französischen Priestern u n d anderen F reunden des H au ses Bourbon* Parm a Z u stan d u n d Stim m ung U ngarns ihm falsch geschildert w urde, ist d e n k b a r; nicht, d aß irgendein franzö«

sischer Regirer ihm zu der Reise gerathen habe. A uch Ge*

neral Franchet d ’Esperey, der genan n t w urde, war gew iß n ich t unter den T reibern. D e r ist stolz darauf, den H ab sb u rg ern den T o d e ssto ß versetzt zu haben. D a ß er den G rafen K arolyi, der in Belgrad um G n ad e für U n g arn bat, schlecht behandelte, erklärt W in dischgraetz: „ In den A kten des Q u ai d ’O rsay w ar eine Q u ittu n g ü b er M illionen, die K arolyi für defaitistische Zw ecke erhalten hatte; dem G eneral war er also ein gem einer französischer Spion.“ A us dem Buch des Prinzen notire ich rasch noch zwei m erkensw erthe Stellen. N ach dem M o rd in Sarajewo hatte ich hier geschrieben, die laute T rauerklage sei w ohl nicht ganz a u fric h tig ; denn die tief überw iegende M ehrheit aller R eichsbew ohner habe den launisch jähen Franz F erdinand geh aß t oder m indestens, wie nahendes U nheil, ge«

fürchtet. Prinz W indisch graetz schreibt: „D ie ganze politische G esellschaft B udapests w ar wie von einem A lb d ru ck erlöst;

es ging wie ein A ufathm en d urch das Land. In w iener Hof*

kreisen soll man gejubelt haben. Mi>t A usnahm e eines kleinen Kreises persönlicher F reunde w ar der T h ro n fo lger in allen Schichten der M onarchie u n b elieb t u n d u n p o p u lär gewesen.“

E in paar W o ch en zuvor hatte einer der M ächtigsten in Oester*

reich m ir gesagt: „ W en n n u r dieser fürchterliche M ensch vor dem alten Kaiser stürbe 1 M it dem N ächsten, einem richtigen,

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66 Di e Z u k u n f t

ziemlich hellen Sachsen, w ird Alles ganz g ut gehen.“ A ber die G elegenheit, W ilhelm „bei der dynastischen Puschel zu packen u n d fü n f M in u ten vor Z w ö lf einen totsicheren Prä#

ventivkrieg gegen die Bande zu fü h ren “ , m ußte genutzt w er­

den. M it welchen Falschspielerkniffen dabei in der Wilhelm*

straß e gearbeitet w urde: dafür zeugt w ieder ein V organg, den G ra f Berchtold dem Vetter W in disch graetz erzählt hat. „Beth*

m ann war am dreißigsten J u li von der englischen Regirung gebeten w orden, G reys V orschlag dem A u ßenm in ister Oester*

reich» U ng arns vorzulegen u n d fü r M ild eru n g des an Serbien gerichtetenU ltim atum s zu p laidiren.T schirschky, der D eutsche Botschafter, u n d B erchtold w aren von diesem V orschlag nicht entzückt; sie w ollten (B erchtold gestand es, nach der Nieder*

läge noch, ru h ig ein) lieber eine u n bed in gte K apitulation Ser*

biens erzw ingen. A b er G reys Ersuchen konnte nicht ohne W eiteres abgew iesen werden. B erchtold fu h r also zum Kaiser.

D e r sagte: ,Ja, aber ich m uß erst T isza fra g e n / D e r gab tele?

phonisch seine Z ustim m ung u n d die N o te ging am A b end nach Berlin. D o rt aber war m an inzw ischen m it der Mobili*

siru n g schon w eit vorgeschritten. D ie V ersöhnlichkeit Franz Jo sep h s w ar nicht o p p o rtu n . M an w ollte in Berlin den Krieg.

U n d die N o te w urde nicht an E ngland w eitergegeben.“ D en B etrogenen oder B etrügern, die im m er noch vo n einer „Schuld*

frage“ plappern u n d in V erm ählung des deutschen V olkes m it den ruchlosen Lügen d er K aiserlichen R egirung eine „pa*

triotische Pflicht“ sehen, w ird, selbst den unbesoldeten, auch dieses neue V erbrechensindizium nicht das A uge öffnen. D en A n d eren aber sei, noch einm al, gesagt: D as ist der Bethm ann, d en der R ight H o n o u ra b le Simons („der äußere M ichaelis“) D eutschen als unverlöschliches V o rbild anzupreisen sich er*

dreisten durfte. W ä h n t noch Einer, der d ritte M ucker, der M o d e rn itä t m im t, könn e uns aus dem Sum pf helfen?

V o n A b e r g l a u b e n u m g a r n t

Leidige Pflicht m ahnt, das H a u p tstü c k der R ede zu über*

setzen, die H e rr Briand am sechsten A p ril im Senat gehalten hat.

„Ich biete Ihnen hier nicht das B ild eines selig glotzen*

d en O p tim ism u s; aber ich blicke aus starkem V ertrauen in die Z u k u n ft u n d habe die feste Z uversicht, d a ß w ir uns dem Z iel nähern u n d b ald die Stunde schlagen w ird , die den

(13)

ü e r r n m a ! 67

W e g in V erw irklichung unserer W ünsche öffnet. Zw ei Jahre lang hat der G eist Frankreichs sich in M äß igu ng b e w ä h rt, die ich heldenhaft nennen könnte. N iem als haben wir u n s gesträu bt, D eutschlands Z ah lu n g fäh ig keit m it unseren Bun * desgenossen zu erörtern. U n d als an die Stelle der die Kriegs»

zeit beherrschenden, uns fest zu sam m jnschließenden Ecwä*

gu ngen w irts c h a ftlic h e traten, die uns zwar nicht tre n n ten , d o ch auseinanderrückten, als die Sehnsucht, alle B randherde zu löschen un d alle G eschäfte w ieder in G ang zu bringen, unsere G efährten in die Bitte trieb, das D in g praktisch an*

zufassen un d alle M öglichkeiten endgiltigen A usgleiches m it dem Feind von gestern zu besprechen, hat Frankreich dieses G espräch nicht verw eigert, trotzdem es die darin liegende G efah r klar erkannte. D eutschlands V erfahrensart, sein W ille, voller« Schuldtilgung au f jedem gangbaren W eg auszubiegen, war ja sichtbar ^Enttäuschung also vorauszusehen. In m ancher Stunde der (dennoch begonnenen) G espräche hat die ange*

deutete V erschiedenheit der A uffassungen sich n o :h vertieft.

D eutschland nutzte jede G elegenheit zu dem Versuch, durch emsig heim liche Propaganda das unsere G enossenschaft zu*

sam m enhaltende V ertrauensband zu lockern u n d in den Mei*

nungsp alt eines A ugenblickes G ift zu streuen. Ein T ag kam , da es sich als H errn der Situation fühlen u n d hoffen durfte, von der H au p tlast seiner V erpflichtungen sich zu entbü rden.

Dieses M anöver w urde im Lauf der pariser Januarkonferenz offenbar; u n d die V erbündeten, an deren E inheit die dem Recht genügende deutsche Schuldzahlung hängt, begriffen die Pflicht, diese Einheit neu zu sichern u n d Z w angsm ittel für den Fall festzulegen, d a ß der Schuldner aberm als A usflucht suche. Sie wissen, welche kläglich4ächerliche Vorschläge die D eutsche D elegation in L ond o n gem acht hat. W ä h re n d D o k to r Simons sie erläuterte, sah ich die neben m ir sitzenden Bundes*

genossen an u n d las auf ihren G esichtern zuerst E nttäuschung, dan n wachsenden Ingrim m . D eutschland hatte sie in den G la u b e n verleitet, es sei guten W illens u n d w erde n u r da unter dem im V ertrag Zugesagten bleiben, wo seine Kräfte Mehr*

leistung nicht erlauben. D er Vorschlag, d reißig M illiarden d u rch eine A nleihe aufzubringen, die den D eutschen durch allerleiK onzessionen d erV erbündeten erleichtert werden sollte,

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6 8 Di e Z u k u n f t

schuf allgemeine Em pörung. M it freim uthig edler Bered*

sam keit gab H e rr Lloyd G eorge, m it dessen Z unge das Briten»

volk sprach, die A n tw o rt; er schlug die A kten des Krieges auf u n d plaidirte für Frankreichs Recht. D e r Bruch w ar un»

verm eidlich; zuvor aber w aren die Z w angsm ittel vereinbart w orden. Sie w u rd en seitdem angew andt u n d die Feldzeichen Englands, Frankreichs, Belgiens zeugen in D u isb u rg , Ruhr«

o rt u n d D ü sseld o rf jetzt von dem W ille n zu gemeinsam em H andeln. In L ondo n habe ich unseren F reu nd en gesagt:

F ra n k re ich s G rö ß e zeigt sich d a rin , d aß es, nach so viel erduldetem Leid u n d vergossenem Blut, m it dem G efü h l grau»

sam nagenden U nrechtserlebnisses im H erzen u n d m it seinem verw üsteten G e b ie t als tiefer F lankenw unde, in dem sicheren B ew ußtsein, m orgen, wenn es will, th u n zu können, was es will, die V ollkraft zu E rreichniß seines letzten Zieles zu haben, dennoch, wie den Sieg, auch die G erechtigkeit n u r in Ge*

m einschaft m it den G enossen erlangen, n u r der Solidarität m it ihnen verdanken w ill.4 D e r Friedensvertrag, wie er n u n ein*

mal ist, g ieb t sich, als das In stru m en t unseres Rechtes, als ein stetes, ewiges W erden. Sein M echanism us fo rdert eine beständige kleine Konferenz, die alle Schw ierigkeit zu prüfen hat u n d n u r in E intracht nützlich arbeiten kann. Sobald diese Eintracht aufhört, ist die V ertragskraft gelähm t. Des»

halb stieß der E ntschädigungausschuß zwei Jahre lang auf so viele (auch öffentlich sichtbare) H in d ernisse. D iese Ein»

tracht m uß te also gesichert w erden. D azu w ar n u r V ertrauen un d gu ter W ille nöthig. N iem als (D as spreche ich m it allem N achd ruck aus) d a rf Frankreich eine P olitik ,ä la su ite1 trei­

b en ; es ist zu groß, zu reich an R uhm u n d A nsehen, um in G em einschaft aufzugehen, w orin es seine Persönlichkeit verlöre. V on m ir haben Sie solche P olitik nicht zu erwar»

ten. Im m er w ird Frankreich sein W o rt halten, im m er für seine U nterschrift einstehen und niem als da, wo es durch U ntersch rift g ebund en ist, die G efahr verkennen, die durch K ritik des H an d eln s u n d der V erw altungpraxis unserer Bun»

desgenossen entsteht. W e n n w ir uns dem O rien t zuw enden, w erde ich Sie daran erinnern. D iese H a ltu n g erm öglichte uns aber auch das Verlangen, in dem gegebenen Fall von den G efährten eben so b ehandelt zu w erden.

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üenniiuil 6 9

D eutschland h at unsere E intracht zu zerbröckeln ver*

sucht. D er Plan ist m ißlungen u n d es sieht uns fest ver*

b u n d en . N ach dem ersten M ai ist für W in k elzü g e kein Raum m ehr. D ie Entw affnung m uß vollendet, die Summe der Ge*

sam m tschuld, m it der R atenzahlungpflicht, angegeben, die fälligen zwanzig M illiarden m üssen gezahlt u n d die im Krieg V erbrecher G ew ordenen bestraft w erden. G eschieht D as nicht, so w erden wir zu den G efährten sprechen: .D eutschlands bö*

ser W ille ist offenbar: u rtheilet selbst; nach gemeinem Recht, das für V ölker wie für In d iv id u en gilt, sind wir, als Gläubi*

ger, befugt, von dem faulen Schuldner die Leistung zu er*

zw ingen.4 D as ist ein un bestreitbarer G rundsatz. D eutschland hat ihn zu bestreiten versucht. M it B erufung auf den Frie*

densvertrag (d en es schilt, w enn er ihm V erpflichtung auf*

erlegt, u n d den es streichelt, wenns in ihm ein Schlupfloch zu finden hofft) hat es in L o nd o n gesagt, D aten u n d A rten des Strafvollzuges seien im V ertrag vorgeschrieben; darin stehe nichts von D u isb u rg , R uhro rt, D ü sseld o rf u n d vor dem ersten M ai sei ü b e rh a u p t nichts zu machen. Breit aber öffnet sich uns hier die T h ü r ins gemeine Recht, das gestattet, einem bös*

w illigen Schuldner ein P fand abzunehm en. A ls ein M ann, d er überlegt, wie er sein Ziel erreichen könne, dem oft vor*

. gew orfen w urde, er überlege zu lange, der nie aber sein Ziel aus dem A uge verliert, sage ich hier m it lauter u n d fester Stim me: W e n n m orgen, nach dem A b la u f der letzten Frist, D eutschland noch länger, du rch neue W inkelzüge, der Pflicht zu A b zahlung seiner Schuld auszu weichen trachtet, w ird eine feste H a n d es beim K ragen packen. D as wissen unsere Bun*

d esg en o ssen ; u n d sie k önn en n icht bezweifeln, d aß Frankreich in dieser Stunde dazu das Recht hat. Bis dahin aber w erden w ir die letzten Z uck ung en der List sehen. W as hat, nach dem m ißlungenen T ren n u n g v ersu ch , D eutschland g e th a n ? Einen F reund u n d G efährten, der gestern au f unseren Schlacht*

feldern sein B lut vergoß, dem Frankreich in E w igkeit dank*

bar sein w ird, der sich aber, aus G rü n d e n seiner inneren Poli*

tik, jetzt der G enossenschaar fern hält, h at es als H elfer gegen die A nderen zu w erben gestrebt. D ab ei hat es Propaganda*

m ittel angew andt, die Frankreich stets verschm ähen w ird, weil sein G eist nicht so dum pfig ist u n d es die V ölker nicht

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70 D i e Zukunft

so verächtlich beurtheilt, wie D eu tsch lan d zu th u n pflegt. Id Schriftsätzen, deren b ew u ßte U nw ah rh aftig keit dem Leser das B lut in die Schläfe treibt, h at D eu tschland den Ameri*

kanern Frankreich als ein Land zu zeigen getrachtet, das n ich t die Z ahlu n g des ihm G eschuldeten wolle, sondern n u r Vor*

w and zu E rsetzung des deutschen M ilitaristendruckes durch französischen. In dem M em orandum des D r.Sim ons an A m erika steht, D eutschlan d habe vergebens seine H ilfe zum W ieder*

aufbau angeboten, Frankreich wolle das verw üstete G e b ie t lassen, wie es ist, um darauf neuen H a ß gegen das arme Deutsch*

land zu züchten, noch sei, so zu sagen, kein H au s w ieder aufgebaut, D eu tsch land habe den besten W ille n zu Entschä*

dig u n g gezeigt; u n d so weiter. A m erika hat verstanden. E in edles V olk, das H u n d erttau sen d e seiner besten Söhne übers M eer, in den blu tig en K am pf für die Sache der Gerechtig*

keit, für ein Ideal, gesandt hat, ist du rch plum pe Propaganda*

m ittel nicht zu beirren. A m erika hat geantw ortet: ,W ir hören gern, d a ß D eu tschlan d zu A b zahlun g seiner Schuld w illig ist; dazu ist es, als die für den K riegsausbruch verantwort*

liehe M acht, auch verpflichtet.1 A b er noch an diesem P u n k t hat D eu tsch land die M einung der N eu tralen zu fälschen ver*

sucht: den G ru n d satz der V erantw ortlichkeit, au f dem d e r Friedensvertrag b e ru h t u n d den es du rch seine U nterschrift bestätigt hat, stellte es n u n in Frage. In L ondon h ö rten wir vom D r. Simons, über die V erantw ortlichkeit könne erst die G eschichte urtheilen, D as sei nicht unsere Sache; w ir h ö rte n noch A ergeres: N ich t, weil Frankreich 1871 schuldig war, m u ß te es den F rankfurter Frieden hinnehm en, sondern, weil es besiegt war. A ndere Reden des D r. Simons beweisen, d aß er dam it sagen w ollte, nu r, weils schließlich zu toll gewesen wäre, in L o n d o n nich t 2u sagen wagte: ,U n d D eutschland ist nicht besiegt w orden .1 H ier ist eine H auptschw ierigkeit d er Lage. W ir haben m it dem deutschen Volk zu thun. Ich w ill es n ich t herabsetzen, nicht schm ähen; ich kenne seine V orzüge u n d Fehler u n d wir, Alle, kennen die besondere G eistesart dieses fünfzig Jahre lang system atisch in Gewalt*

a n b e tu n g erzogenen Volkes. D as sah seine Soldaten m it allen W affen, M u sik an der Spitze, heim kehren; sah die Reichs*

einh eit erhalten , vielleicht gar gestäi kt. N ach kurzer Z eit w urde

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G erm inal 71

ihm eingeredet: ,W ir sind O p fer des V erhängnisses,des Hun»

gers, sind aber unbesiegt.4 D iese V orstellung h a t furchtbare V erw üstung bew irkt. Ein V olk, das nach d er A bleh n u n g des lo n d o n er Verlangens, noch vo r der R ück k u n ft seiner Bevoll*

m ächtigten,SoldatenFrankreichs,Englands,B elgiens den Rhein überschreiten sah,m ußte sich eigentlich sagen, irgen d was m üsse w oh l seit 1871 geeschehen sein. D ie s : D eutschland ist in einem K rieg, fü r dessen A usbruch es verantw ortlich ist, besiegt wor*

den. D iese V erantw ortlichkeit w erden w ir niem als abstreiten, nie w ieder auch n u r in Frage stellen lassen ; u n d A m erika h a t darin seineU ebereinstim m ung m it uns vor aller W e lt verkündet.

V erantw ortlichkeit b ü rd et die Pflicht zu E ntschädigung auf. D ie dazu tauglichen M ittel sind nicht vom ersten Blick zu erfassen. D ie g ro ß en H erren der Ind u strie, Finanz u n d des G rundbesitzes k ö n n ten die Q uellen deutscher Zahlungfähig*

keit entdecken. D o ch sie denken nicht daran, der schwachen R egirung, die als W andschirm vor ihnen steht, die Lösung des Problem s zu erleichtern; ihr H interg ed an k e ist eher wohl»

diese R egirung in günstiger Stunde von einer ihrem heim*

liehen H offen noch genehm eren ablösen zu lassen. So lange ge*

redet w ird, w erden deshalb im m er neue K lippen auftauchen.

A m Verfalltag erst, wenn m an von W o rte n zu H an d lu n g vor*

gehen darf, w ird die Z ahlungfähigkeit sich offenbaren. N o ch m öchten die D eutschen uns auf den Ertrag, den U eb ersch u ß ihrer A rb eit vertrösten; als wäre n u r auf den G ew inn aus dem deutschen Riesenbetrieb unser Recht angewiesen, nicht der G esam m tbesitz deutscher N a tio n die H y p o th ek , die u n s die Schuldabzahlung verbürgt! A ls m ü ßten die guten Pa*

trioten, die, um ihre H eim ath zum K am pf gegen Deutsch*

lands grundlosen u n d brutalen Angriff zw stärken, das B lut ihrer A dern hingaben, als m üß ten die G läu big er des durch Krieg u n d Sieg zerrütteten französischen Staates auf Rente u n d R uhesold verzichten, w ährend in D eutschland die Leute, die zu A ngriff u n d V erbrechensvollendung H u n d e rte von M illiarden geliefert haben, ungestraft, ruhig, sicher v o r jeden Schalter treten u n d ihr G eld zurückfordern u n d einstrei*

chen dürften] D as darf nicht sein. W e n n d rü b en die H erren erst m erken, d a ß die Z w angsm ittel zu w irken beginnen u n d auch ihren Interessen Schade droht, w erden sie alle Sehöpfquellen

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7 2 D i e Z u k u n f t

ihres G eistes der R egirung öffnen; u n d ein T heilchen der verschlagenen F indigkeit, die H e rr H u g o Stinnes in seiner W irthsch aftp rop agan d a bew ährt, der Teufelsschlauheit, wo»

m it sein G eld jed e erraff bare Fabrik belegt u n d europäischem o d er globalem Im perialism us den W e g b ah n t, ein winziges Stückchen dieser behenden F inanzkunst w ird, im D ien st der E ntschädigungpflicht, zu A u fd eck u n g neuer deutscher Kraft*

quellen genügen. N o c h verbirgt sie D eu tschland; es hofft, d aß w ir erm üden, die H o ffn u n g aufgeben oderinnere'.K atastrophen erleben w erden (die m an, w enn m an sie zu erw irken versucht hat, erw arten d a rf). Bis D eutschland in äußerste Enge getrieben ist u n d einsieht, d aß längeres Z a u d e rn seine Lage n u r ver*

schlim m em kann, w ird es W inkelzüge versuchen. D e r letzte Schauplatz seiner Ränke w aren die V ereinigten Staaten. Dieses Planchen scheiterte, der V erfalltag n ah t n u n : un d Frankreich ist m it seinen G efährten in dem E n tsch luß einig, das letzte W o rt zu haben. D as Land begreift, d aß die R egirung zu solcher N o th w en d ig k eit gedrängt w erden kann; u n d dieThat*

sache, d aß sie bisher G e d u ld un d versöhnliche M ä ß ig u n g ge*

zeigt hat, ist nicht gering zu schätzen. W ir bedauern das deutsche V olk, w enn seine Regirer fortfahren, es zu täuschen, ihm die Folgen ihrer H a ltu n g verhüllen u n d uns zu unwider*

ruflichem H a n d e ln zwingen. A n W a rn u n g hat es w ahrlich n icht gefehlt; u n d die von heute w ird , hoffe ich, für die deutsche R egirung G ew icht haben^ Sie m uß nu n wissen, d a ß in ihren H ä n d e n das Schicksal D eutschlands liegt und d a ß Frankreich, du rch die G ed an ken selbst, denen es den Sieg erstritt, das Recht erw orben hat, die A b zah lu n g der Schuld, w enns nicht anders sein kann, m it G ew alt durchzusetzen.“

N ie hat D eutschland , niemals ein anderes großes Reich in F riedenszustand, der den nächsten T ag ü b erdauern soll, aus dem M u n d eines frem den M inisters solche R ede gehört.

Sie kom m t aus U eberschätzung deutschen W irthschaftver*

m ögens. A b er die Schroffheit ihres T o n es ist, leider, durchaus begreiflich; u n d h at deshalb auch keine sichtbare Stelle zweier W e lten zu Staunen o d er gar T ad el gestim m t. V on den kaum noch zählbaren Stüm perfehlern des traurigen Sim onsjahres w ar der in dem W in selb rief an A m erika gem achte der plum pste;

vergleichbar n u r d er M exiko^Japan^N ote, die der von W iU

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G erm inal 7 3

heim angetriebene Staatssekretär Zim m erm ann ü b er den At*

lantic schickte. G espräch m it den V ereinigten Staaten war nothw en dig ; konnte aber n u r nützlich w erden, w enn es ganz leis gefü hrt w urde u n d in den Schranken w ürdiger W a h r­

haftigkeit blieb. A m erika kann uns d urch unbefangene E r­

m ittelun g der deutschen Z ah lu n g fähig k eit u n d d urch eine A nleihe helfen, für die eine G en eralh y po thek auf allen dem Staat pflichtigen Besitz (G ru n d - u n d H au sb esitz, W äld er u n d W asserkräfte, Erdschätze, In d u strie u n d H a n d e l) haften m üß te u n d die den W eg in zulängliche E ntschädigung der Sieger u n d in G e su n d u n g unserer eigenen Finanzw irthschaft bahnen könnte. D e r leichtfertige Versuch, Frankreich, ohne ein Bew eiskrüm chen, in W a sh in g to n als ein H euchlerland zu ver­

dächtigen,das n u r H a ß zü ch tu n g , nicht den A u fb au seiner ver­

w üsteten P rovinzen, erstrebe, w ar, m it allem Behang von falschen oder schiefen A ngaben, ein W eltskandal, dessen E n t­

h ü llu n g in jedem anderen Reich die dafür verantw ortliche Re­

girung gestürzt hätte. Ist die berliner R egirung verantw ortlich?

W ird sie d urch E inheit des W ollens g ebunden o der lä ß t sie den hochaufgeschw ollenen Ju risten schalten, wie ihm beliebt, u n d sagt d ann zu allem G eschehenen J a ? Ernsthaft d er Pflicht u n d V erantw ortlichkeit bew u ßte M änner m ü ßten sich fragen, ob ih r S elbstachtungbedürfniß erlaube, noch länger für H a n d ­ lung, die ihnen verheim licht oder in der H a st allerletzter Stunde aufgeschw atzt w urde, sich in verachtendes U rtheil einbezie­

hen, vor dem O h r der W e lt sich unaufrichtige A nw älte eines faulen Schuldners schelten zu lassen. N o ch hat K einer sich geregt. Schlim mer: die Rede des H e rrn Briand h at auch in die N a tio n keinen E indruck, nicht den flachsten, gemacht. D as alte, von keinem H au ch aus dem G razienbereich um w ehte G e sp ö tte l; der alte W a h n unfrom m er K inderei, das Z iel der Franzosenw ünsche sei die A nnexion D üsseldorfs, D uisburgs, R uh ro rts (fü r die un ter zw anzig M illionen m ündiger Fran­

zosen kaum zw anzigtausend zu haben w ären); G eflenn un d G eheu l über französischen M ilitarism us, dessen Fährte m it h u n d e rt Laternen nicht zu finden wäre. D ie Foch u n d Petain stehen im Schatten, w aren schon w ährend der F riedenskon­

ferenz u n d sind heute technisch Sachverständige ohne die allergeringste politische M acht u n d w erden nich t so gefeiert

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wie der deutsche G eneral, der, als in Staat u n d Feld bis in den letzten Befehlstag A llm ächtiger, das deutsche H eer in die furchtbarste m ilitärische N iederlage aller G eschichte ge- fü h rt hat. Frankreichs H a n d eln w ar seit 19 gew iß nicht imm er weise; wäre es aber von M ilitarism us beherrscht, dann hätte es nicht zw eiJahre lang vor G ew altan w en d u ng gezaudert, die gegen einen m indestens halb E nt waflFneten gefahrlos war. D a ß w ir au f den m orschen Stelzen solchen Tratsches nicht vorw ärts kom m en, m üßte, nach zwei fruchtlos verlorenen, verschim pften Jahren, der B linde selbst sehen. Statt, m it einem gründlich besonnenen, au f die M acht klarer G erechtigkeit gestützten Plan, still, wie zu ernstem G eschäft, nach L o ndon zu gehen, ärgerte H e rr Simons die G läu b ig er durch die Selbstgefällig­

keit eines R edefeldzuges, dessen Schauplatz Süd- u n d M ittel­

deutschland, dessen Zw eck die B reitung des G laubens war»

frecher U eb erm uth erdreiste sich in aberw itziges V erlangen.

D as pariser K o n k o rd at forderte die A b zahlung eines m it acht P rozent zu verzinsenden K apitals von 58 M illiarden M ark G o ld in zw eiundvierzig Jahresraten; der lo n d o n er V or­

schlag (L loyd G eo rg e) schob einen viel g rößeren T h eil der T ilgunglast au f den bew eglichen E rtrag deutscher Ausfuhr*

w irthschaft u n d em pfahl, ein m it acht Prozent zu verzinsen­

des K apital von 36 M illiarden G o ld in d reiß ig Jahresraten abzuzahlen. D a ß in drei oder vier Jahrzeh n ten solche Schuld*

sum m e durch Z ins- u n d Zinseszinszuw achs ins U n geh eure schwillt, begreift jed er B anklehrling; auch, d aß der Oester?

reicher, der seit 1914 einem Schweizer 50 000 Francs schul­

det, nicht, weil er zu A bzah lu n g von K apital u n d Z ins jetz t 7 M illionen K ronen braucht, ü b er niederträchtigen W u c h er klagen darf. M it den Riesenziffern, die sich, bis in P apier­

b illio n e n , aus vierzig Jahresraten ergeben, w urde bei uns n u r gefackelt, dam it an dem Flam m enschein sich V olkszorn ü ber schändliche U n g e b ü h r entzünde. D eu tschlands W o rt­

führer durfte in L on d on den Beweis fordern, d aß der er­

satzpflichtige V erlust Frankreichs die angegebene H ö h e er­

reiche, u n d m uß te d en Beweis anbieten, d a ß D eutsch land s Leistungfähigkeit von denV ertragspartnern überschätzt werde.

W as er an bo t, war m it so unernsten, zu W id ersp ru ch zwingen*

7 4 D i e Zukunft

(21)

G erm inal 7 5

den Bedingen (die auf dieH eim ath wirken sollten) bepackt, d aß kein V ernünftiger an der A b le h n u n g zweifeln konnte. (Zw ei Tage vor dem Beginn d er lo n d o n er V e rh an d lu n g w ollte ein im Ersten G liede der D eutsch*N ationalen stehender W irthschaf*

ter nicht glauben, d aß dieser V orschlag gem acht w erden solle, u n d sagte schließlich: „W en n s w ahr ist, w erden unsere Man»

neken von der E ntente ’rausgeschm issen.“) D e r erzählte H err Simons, erst au f der Reise u n d im H o tel, nachts, sei das An*

geb ot fertig gew orden. Staunen ringsum ; berechtigtes: denn seit zwei Jah ren m ußte die A u sarb eitun g des T ilgungplanes die wichtigste, die einzig w ichtige A ufgabe fürs A ußenm inisterium sein. G estern als unannehm bar A bgew iesenes nahm er heute an.

E rw ähnte nicht, d aß Frankreich den seit 1870 über alles H offen erhöhten W irth sch aftw erth Elsaß*Lothringens in die Rech#

n u n g einstellen m üsse u n d d aß der G läu big er nicht durch den K bstenaufw and für Besatzung u n d Seefracht die Zahl«

kraft des Schuldners noch tiefer senken, die R ückgabe deut«

scher H andelstonnage also nicht länger w eigern dürfe. N u r die abgeklim perte Litanei b rin g t er vor; u n d m erkt gar nicht, daß H err L loyd G eorge, der die in festen Raten zu tilgende Schuld um drei Fünftel des pariser K onkordatsatzes kleinert, ihm das R ettungtau zuw irft. (D e n n 30 Prozent Ausfuhr*

zoll w ären nicht unerträglich, w enn sie die W estm ächte für die Steigerung deutschen E xportes erw ärm ten, der, nach ihrer Schätzung, b ald auf die Jahressum m e von 20 Goldm arkm il«

liarden wachsen könn e.) D och die D eutsche D elegation sorgt dafür, d aß an W u p p e r u n d Spree die Stunde ihrer R ückkehr bekann t w erde; u n d ihr F ührer läß t sich, nach dem üblen M u ster geschlagener Feldherren, wie einen, Sieger feiern. Ist obenauf. Im M ärz eine M illiarde G oldm ark, im A p ril noch elf zahlen, die der E ntschädigungausschuß, unter B erufung auf A rtikel 235 des Friedens Vertrages, seit einem Ja h r fo rd e rt? Fällt uns nicht e in ; wir haben schon zu viel gezahlt. W ir h ä tte n : w ehn die vom M inister Erzberger, weil seine A uslieferung der Han*

delsflo ttehart getadelt w urde, für diese Schiffe eingesetzte Ziffer richtig wäre. D er schrieb m unter: 7 M illiarden; die Engländer a n tw o rte te n : E inehalbe. D e r nichtganz unbeträchtliche Schätz*

ungspalt m ußte zu schließen sein. D as aber w urde nicht erst

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versucht. H err Simons blieb auf seiner Ziffer, lehnte die Zahl» \

un g ab u n d redete noch am fünfzehnten M ärz im Reichs*

w irthschaftrath vo n dem „Fiasko, das die M ethode unserer G eg n er gem acht hat“ . D er T o n triu m p h iren d er Ueberlegen*

heit deckte taubem O h r das G e stän d n iß , d aß „für den W ie ­ d erau fb au der zerstörten G eb iete ein ins Einzelne gehender Plan n u n gem acht w erden m üsse“ ; die oft u n d laut, öffentlich, w iederholte B ehauptung, er sei schon gem acht, von Frank*

reichs verbissener T ücke aber abgelehnt w o rd en , w urde da*

d u rch als un w ah r erwiesen. N ach A lledem m ußte kom m en, was kam. D ra u ß e n erlosch das letzte Flackern des G laubens an D eutschlands guten W illen . Folgen: Britaniens Verpflicht*

ung, gegen „K om pensation“ in K leinasien d er Französischen R ep ub lik bei d er Z w angsvollstreckung zu helfen; Pfand*

nähm e bis an die R uh r; Z ollgrenze am R hein; A usfuhrtribut*

pflicht, nicht n u r im W esten ; A m erikas m agistrale B estätigung der sittlichen Schuld u n d der Schuldnerspflicht D eutschlands;

die Racherede des H e rrn B riand, die ihm den g rö ß ten Erfolg seines Lebens u n d aus allen L ändern zustim m enden W ider*

hall eintrug. Z u H au s: stum pfeste G leichgiltigkeit. O b der britische D av id die G räu el der unnöthigen, von unserer Hee*

resleitung befohlenen Welt* u n d U nterw eltverw üstung m it Z ah len u n d B ildern bew eist, ob der bretonische A ristides deutsche Regirer der U nredlichkeit, Lüge, fauler Schuldners*

kniffe zeiht u n d das N a h e n unerbittlich grausam er V ergeltung an k ü n d e t: N iem and beküm m ert sich d rum ; hörsts kaum ir*

gendw o mal erw ähnen. Zw ei D ritteln der N a tio n ist einge­

d rillt w o rd e n : „ W ir haben nicht angefangen, w urden nicht be*

siegt, von uns noch jetz t was zu fordern, ist bodenlose Frech*

h eit.“ D ie A n d eren denken wie am N eckar die Scheuerfrau, die d e r Frage, ob sie den neusten M aueranschlag gelesen habe, ant«

w o rtete: „ N e in ; sind w ir sechs Jahre lang frü h .u n d spät be­

logen w orden, dann w ird heute w ohl auch w eiter gelogen.“

H e rr Simons ging au f U rlau b . D e r R eichsliedervater folgte. D iese H erren, für die n ich t die w inzigste Schöpfer*

leistu n g zeugt, sin d im m er „erh o lu n g b ed ü rftig “ . W a n n , e n d ­ lich, kann von ihrem T h u n u n d Lassen das deutsche V olk sich erh o len ? Q u o u sq u e ta n d e m ? K ränkliche M inister taugen

7 6 D ie Zukunft

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