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Die Zukunft, 18. Juni, Jahrg. XXIX, Bd. 113, Nr 38.

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(1)

XXIX. Jahrg. Berlin, den 18. Juni 1921 Nr. 38

ie u k u n f it

Herausgeber

Maximilian Harden

INHALT

Seite A m K r e b s w e n d e k r e i s ... 3 2 3 D e u tsc h la n d s V e n d e e ... ... 32 3 W i e es w u r d e ... 339 R o se n au s S c h ir a s . . . ...347 S o n n e n w e n d e ? ... ...350

Nachdruck verboten

E r s c h e in t j e d e n S o n n a b e n d

Preis vierteljährlich

22

Mk., das einzelne Heft

2,00

Mk.

BERLIN

Verlag der Z ukunft

SW47, Großbeerenstraße 67 1921

(2)

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Brillanten Perlen,Smaragde,Perlschnüre kauft zu hohen Preisen

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r.-flnrede; Soldquelle. Fernspr.: 1682 u. 2846. Postscheck: 3 1 0 4 8 1

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Berlin, den 18. Juni 1921

A m Krebswendekreis

D e u ts c h la n d s V e n d e e

Tor ein paar M onaten wurde den in berliner Konzertsäle

* eingeschleußten M engen von allerlei Rednern „bewiesen“, -daß der Finder der Relativitätstheorie ein Stümper, G aukler, echt jüdischer Reklame« und Geschäftemacher sei. Vor ein paar W ochen stand vor einem berliner Gericht ein Schreiber,

<ier öffentlich zweimal alle Treudeutschen aufgefordert hatte, -die Professoren Einstein und Förster, H errn H ellm uth von Ger*

lach und H arden, als dem Bund Neues Vaterland Zugehörige, schnell niederzuschießen. (O bw ohl ich die Ehre hatte, in dieser R eiheW ürdiger vornanzustehen, kenne ich nur Einen der Drei, auch ihn nur aus flüchtiger Begegnung, und habe dem Bund nie angehört, nie irgendeiner seiner Sitzungen oder Versamm*

lungen beigewohnt. Auch, versteht sich, keinen Strafantrag gestellt. D ie Ermittelung so unbeträchtlicher Thatbestands«

merkmale schien dem H ohen Gerichtshof nicht nöthig; trotz*

dem sie, vielleicht, über Ernst und Gewissen des Thäters Klarheit schaffen konnte.) D er Staatsanwalt sah in einer Geld*

strafe von fünfhundert M ark, dem Preis eines D utzends wol*

lener Strümpfe, die angemessene Sühne; und sprach demThäter obendrein völkisch edle M otive und das Recht putativer (nach seiner M einung unvermeidlicher) N o th wehr zu. Ich weiß nicht, welcher „gegenwärtige, rechtwidrige Angriff“ (§ 53 StGB)

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von dem Bund oder dessen H äuptern zu erwarten, je zu fürchten war. A ber das Gericht, das die Strafe verdoppelte, schloß sich der Auffassung des Vertreters preußisch» deutscher Staatshoheit an und konnte deshalb zwiefach öffentliche Auf*

forderung zu einem vierfach mit Todesstrafe bedrohten Ver­

brechen, gegen die Vorschrift des § 49 a, der „G efängniß nicht unter drei M onaten“ androht, mit so tantig gelind er Beutelpoen

„ahnden“ . Zweimal öffentlich zu Erm ordung von vier Reichs*

bürgern aufgefordert, der Zeitung, in ders stand, doppelte Er­

w ähnung auf mindestens achthundert viel weiter verbreite­

ten Blättern, also die geschäftliche W irkung von achttausend Rieseninseraten, gesichert; K ostenpunkt (wie derBerliner sagt) tausend M ark. D och bilde Dir, Kommunist, nicht etwa ein,.

D u kämest eben so billigen Kaufes davon, wenn D u (w as ich nicht weniger abscheulich und strafbar fände) zu Ermor^

dung eines der Generale aufgefordert hättest, die den Krieg v e r ­ loren und die Schuld dann auf ihre bis in den letzten Kampftag mit rauher Faust in Stummheit geknechteten Landsleute abzu­

schieben getrachtet haben. Das würde Dich langjährigeGefäng^

nißstrafe oder, wenn Richter Lynch zu rechter Zeit eingriff.das Leben kosten. DerFeldherr, schrieb neulichGeneralVonZwehl, ist eben „der Vertreter der größten und schwierigsten K unst im menschlichen T h un “. (Bismarck, der in drei Bänden für die hohe, alle heute Lebenden überstrahlende Strategenkunst H ellm uths M oltke nicht ein emphatisches, kein kräftig rühmen- desW ort hat,höbe vor so seltsamerW erthung nur die Achseln.) Stünde: „in widermenschlichem T h u n “, so möchte der Satz gelten. D enn noch der zu V e rte id ig u n g von Volk und H ei­

matherde T od und Vernichtung Säende thut, was ihn im In­

nersten widern muß. G ar dasU rtheil,die militärische Leistung der Alexander, Caesar, Bonaparte, Scharnhorst, M oltke, von der fast nichts geblieben ist, bedeute „in menschlichem T h u n “ mehr als die Schöpferthat der Platon, Kopernikus, N ew ton, Descartes, Kant, mehr als ein unsterbliches Wort* oder T o n­

gedicht, ein W under aus Farbe, Stein, Bronze, fände hinter den deutschen Grenzen unter Civilisirten nirgends mehr G e­

hör. D och auf unserer Erde ragt „über Alles in der W elt“

selbst der Ruhm des Feldherrn, der im G roßen immer geirrt, die eigene Kraft und die des Feindes falsch geschätzt, durch

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A m Krebsw en dek reis 3 2 5

unwahrhaftigen Bericht bis in die letzte Stunde das Volk in trügende Siegesgewißheit eingelullt, die insUngeheure schwel#

lende G efahr ihm verschwiegen und, als der dadurch genährte W ahn, nur schrankenloser Erobererdrang hindere den Frieden, den Faden nationaler G eduld durchscheuerte, geschrien hat,

„innerer H ader“ habe ihm das beinah schon gewonnene Spiel verdorben. D ie alte Geschichte von dem Phantasten oderNar«

ren der Erfindung# oder Unternehm ungsucht, dem Bosheit der Umwelt den zwölften Pfeiler, ju st den letzten, zu seinem Bau versagt und so das werdende W eltw under in Trümmer stürzt.

W enn sie ein Breitstreifiger, mit Sternen und Kreuzen Behäng«

ter erzählt, wirkt sie bei uns noch. Er wird Ehrenbürger vieler Städte, Ehrendoktor vieler humanistischen und technischen Hochschulen, erntet, wo er die Nasenspitze zeigt, Massenjubel und aus seinen in alle Sprachen, auch „feindbundliche“, über«

setzten W älzern ein hübsches Stück Geld. W as ist daneben der Physiker, Mathematiker, dem im W eltraum die Erforsch«

ung des Relativitätgesetzes, die tiefe U m pflügung allen Denk«

bodens gelang? W as, wenn er obendrein aus dem Judenvolk stammt und in der Rast von W issen schaffender A rbeit für fried#

licheW eltordnung.für Sozialisirung derGeister und Einfügung deutschen W ollens in das der Menschheit bem üht w ar? Dem spendet keine Stadtgemeinde, U niversität, Akademie, Tech«

nikerschule U rkunde hoher Ehrung. U nd brülltest D u zweimal durch alle Straßen und Plätze, man solle ihn sammt drei Kum«

panen von auch, immerhin, achtbarer Lebensleistung, also vier geistige Menschen, deren keiner je Anderes als das W o h l deutscher Volkheit ersehnt und auf seine W eise bereitet hat, meuchlerisch niederknallen, so zahlst D u tausend M ark, vier Pfund Sterling, und handelst noch den Lorber des von edlem Trieb in völkische Ehrennothwehr Hingerissenen ein. W eckt aber der hehre A ufruf wirksamen W iderhall und jagt Mörder#

geschoß die Vier, Drei, Einen davon insO rab.dann kostets die H auptthäter nach Menschenvoraussicht gar nichts. O der sind die M örder der Dorenbach, Eisner, Jogiches, Liebknecht, Luxemburg, Landauer, Haase, Schottländer, Sült, der neun«

undzwanzig M atrosen, unzähliger Anderen jemals ernstlich genirt w orden? Schade um den Einstein, würde es allenfalls heißen; „er hätte wohl noch manches G ute geleistet. Aber mit

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seiner fast A llen unverständlichen ,Theorie4 hat er, als richtig­

gehender Jude, ein Bischen viel Bumbum und Geschäftstrara gem acht; und warum ließ er sich in diese sozialdemokratischen Sachen ein?“ D aß der Forscher nie Lärm noch Geschäfte ge*

macht, stets in schlichter Stille gehaust, nie in Politik, nur in W erk der H um anitas „sich eingelassen“ hat, ist zwar über je*

den Zweifel hinaus gew iß; aber ungiltig, weils nicht gedruckt worden ist. A ndere W elt urtheilt anders. Aus dumpfem Emp*

finden einer Dankesschuld hat das Volk Amerikas dem Pro*

fessor A lbert Einstein zugejauchzt. Die höchsten Wissenschaft*

instanzen der Vereinigten Staaten haben ihm gehuldigt. Er war G ast des Präsidenten H arding, der sich, noch vor dem Ab*

Schluß ameriko*deutschen Friedens, im W eißen H aus mit d ie* '' sem Bürger Deutschlands und mit dessen Frau auf eine Platte photographiren ließ. Er hat in den Hochschulen von London und Manchester in deutscher Sprache Tausenden dasErgebniß seiner Forschung dargestellt. Lord H aldane, der im Kabinet A squith Kriegsminister war, erbat die Ehre, den D eutschen zu herbergen. D er Vicekanzler der U niversität M anchester kündete, die alte Hochschule sei stolz darauf, den großen Ge*

lehrten feiern, in den Ring ihrer Ehrendoktoren aufnehmen zu dürfen. U nd ein erlauchter Zunftnachbar faßte Aller Emp*

finden in den Satz, Einstein, dessen Name neben dem der größten Forscher fortleben werde, habe für W elt und Mensch*

heit, für Erkenntniß und Vorschritt mehr gethan, als ganze Schwärme von Staatsleitern un d Heerführern vermochten.

D a den nachGalilaea heimgekehrten Rabbi Jesus die Sippe mißtrauisch,zweifelnd umschnüffelte und nicht glauben wollte, daß in dem Zimmermannssohn, dessen kleinjüdische Eltern und Geschwister Jeder kannte, Besonderes sei,sprach lächelnd der W eise: „W eniger als irgendwo draußen gilt der Prophet in seinem Vaterland und seiner Familie.“ Alles wiederholt sich nur im Leben. W ährend bei uns selbst freundliche Stimmen meist warnen, den Vollwerth der Lehre von Rela*

tivität heute schon als erwiesen zu nehmen, spricht die Welt*

Wissenschaft: „Für M enschenewigkeit gebührt diesem Deut*

sehen, dem baumeisterlichen M ann A lbert Einstein, was auch aus seiner Lehre werde, ein Sitz in der Reihe unsterblicherW ahr*

heitfinder und Erkenntnißförderer.“ Statt sich des Glückes zu

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Am Krebsw en dekreis 3 2 7

freuen, das gerade jetzt, in der finstersten, nur von fahlgelben Schaumkämmen des ringsum brandenden Hasses durchflim«

merten N acht deutschen Erlebens diesen W elteroberer, Be«

w underungw erber ihm zufallen ließ, blickt ihn Deutschland scheel an, lauschte ohne Abwehrregung der gegen ihn eifern«

den Schmährede und hebt den A ufrufer zu Erm ordung des M eisters ins Recht völkischer Ehrennothwehr. Laset Ihr harte Kritik, schroffen Tadel des berliner Gerichtsurtheiles, die Na*

men der Richtendes Staatsanwaltes,immer wieder, in Flammen«

schrift? Nirgends. Schaarten Gelehrte, Künstler, Literaten, Geistige aller A rt sich zu zornigem W iderspruch? Niemals.

Preußen, das den Marschall H indenburg w ie G ottheit anbetet, den General Ludendorff mit „furchtlos aufrechten“ Armen himmelan hebt, dem M inister Helfferich die Pferde ausspannt und arf seines W agens Deichsel sich selbst strängt, duldet, ohne Ehrerbietung, den großen Physiker, den ihm der Erdball neidet.

Bayern würde ihm, weil er Jude, Pazifist, Sozialist, dem Vier«

bund Escherich»Poehner* Kanzler» Kahr also nicht wohlgefällig ist, vielleicht die Erlaubniß zu längerem A ufenthalt weigern.

U n d wenn irgendein N arr oder Schuft schriebe, der Kömmling sei „als Hochverräther am deutschen Volksthum in Amerika und England gefeiert worden, wie nur ein echter Jude und Erzjudas vom Feindbund gefeiert werden kann und sich feiern läß t“, dann würde der Professor wahrscheinlich entweder, wie der Sozialdemokrat Saenger, halbtot geprügelt oder, wie der Unabhängige Gareis, niedergeschossen. Ließe ein Treu«

deutscher sich denn von Völkern ehren und bewirthen, deren Staatsfirma unter dem Versailler Vertrag steht? „Dieses Mach«

werk ist aus dem Geist des Hasses und der Lüge geboren.

D ie Unterzeichnung des Vertrages durch unsere Bevollmäch«

tigten ist nach deutschem Recht jeder rechtlichen Wirksam«

keit bar. M ag man selbst die bloße Anfechtbarkeit abge«

zwungener W illenserklärungen aus dem bürgerlichen in das öffentliche Recht übertragen: die Anfechtung ist längst er«

folgt. Belanglos ist auch die nachgefolgte Regirungerklärung, daß der Vertrag loyal erfüllt werden solle, belanglos die Wie«

derholung der U nterwerfungerklärung durch Artikel 1782 der Reichsverfassung. Die Berufung auf den Versailler Frieden entgegen dem deutschen Recht bedeutet keine Deckung; um«

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D ie Zukunft

gekehrt ist gedeckt, wer sich gegen den Friedens vertrag auf das deutsche Recht berufen kann. W o die Partei ein Entente*

Schützling oder die abzuurtheilende Angelegenheit so geartet ist, daß ihre friedensvertragwidrige Beurtheilung den feind*

liehen Einspruch auf den Plan rufen müßte, da, freilich, m uß die schwere Pflicht gethan und contra jus Recht gesprochen werden; so kann, zum Beispiel, kein deutsches G ericht D en als H ochverräther verurtheilen, der als diensteifriger Entente*

söldling die A breißung der abgetretenen Gebiete betreibt.

W ürde aber, zum Beispiel, einer der feindlichen Staaten deut*

sches Reichseigenthum, das ihm ausgeliefert werden m ußte, an einen Deutschen veräußern, so würde das Reich diesem Käu*

fer gegenüber sein nach deutschem Recht nie untergegange*

nes Eigenthumsrecht geltend machen können, der Richter also die friedensvertragmäßige ,Uebereignung‘ an den feindlichen Staat als rechtsunwirksam zu behandeln haben. Es versteht sich auch von selbst, daß ein Einschreiten der deutschen Justiz gegen friedensvertrag widrige, aber dem deutschen Recht getreue H andlungen so lange zu unterbleiben hat, bis ein M achtgebot von feindlicher Seite gestellt wird. U nd einst wird ja der Tag kommen, an dem sich unser Volk wieder frei regen kann, frei auch von dem ,Als*ob‘*Unwesen, das sich widerwärtig vor das echte deutsche Recht geschoben h a tte l“ D eutschlands Unterschrift und Zusage loyaler Er*

füllung: erpreßt, also rechtlich unwirksam und belanglos. Die Vertragspartner: Feinde; zwei Jahre nach Friedensschluß. W er an die leidige Pflicht zu Hingabe eines im Vertrag abgetretenen Lands!ückes mahnt: Hochverräther und Ententesöldling. D aß friedensvertrag widriges H andeln bis zum Eingriff „feindlichen M achtgebotes“ vom deutschen Staat nicht gerügt und verfolgt, sondern gehehlt wird, „versteht sich von selbst“. M ehr: „W er mit den an sich zulässigen M itteln sich gegen die A usführung der Vertragsbestimmungen stemmte, w ürde nicht rechtwidrig handeln.“ D enn diese Bestimmungen sind nicht etwa einTheil deutschen Rechtes geworden, wie der Frankfurter Friede 1871 französisches wurde, sondern aus H aß und Lüge geborenes U nrecht geblieben, dem ohne Zw ang durch Schwert oder Peitsche nur der Verräther gehorcht. U n d einst kommt ja der Tag . . . Das, meint Ihr, steht in dem Artikel eines wüthig

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A m K rebswendekreis 3 2 9

A llteutschen? N ein: in dem Bande, den Deutschlands nam«

hafteste Rechtslehrer, Richter, Anwälte, Justizbeamte H errn Dr.Liebmann, demBegründer der DeutschenJuristen*Zeitung, als „Festgabe“ gewidmet haben; in dem Aufsatz des münche«

nerRechtslehrers.GeheimenHofrathes undProfessorsD r.Ernst Beling. W ird die Rechtsauffassung dieses Juristen von den höchsten und hohen Richtern, die der Band ihm gesellt, in irgend W esentlichem gebilligt, dann war Deutschlands Untern schrift, Ratifikation, hundertm al wiederholte Erfüllungzusage schlimmer als der von den Jesuiten Sanchez und Busenbaum begünstigte, von Pascal gestäupte Meineid, den derGedanken«

Vorbehalt (restrictio mentalis) des Schwörenden entschuldig g en sollte. D ann war, was zu Erlangung eines Reichsver«

mögensvortheiles, des Friedensschlusses, durch Bewirkung u nd U nterhaltung eines Irrthums, des Glaubens an die Ein*

fügung der Vertragspflichten in die deutscher Rechtssatzung, gethan worden ist, nach deutschem Recht strafbarer Betrug.

Frommer, patriotischer, rühmlichster: wie es Euch gefällt. D ann aber ist eben noch Krieg, nicht Friede, und kein D eutscher hat G ru n d zu Beschwerde, wenn „der Feindbund“ die Leistung des ihm feierlich Zugeschworenen von dem innerlich zu Pflicht»«

umgehung und Eidbruch Entschlossenen mit Kriegsmitteln erzwingt. D ann m uß morgen Mars wieder die Stunde regiren.

A us dem angeführten Aufsatze spricht nicht eine Einzel«

stim m e; spricht der G eist bayerischer Jugenderziehung von heute. D er Geist, der aus ehrenwerthem Drang, alles Vater«

ländische zu lieben, in Heiligenglorie zu sehen, sich selbst ge«

blendet hat und, wider die W u cht zermalmenden Thatsachen«

stoffes, auf der vierfach gezackten Luftmauer des Aberglaubens steht: „D eutschland wurde durch tückischen Ueberfall in den Krieg genöthigt, nicht besiegt, durch Heimathverrath und Fein«

xlestrug in Friedensschluß verleitet und darf zu U m gehung der rechtwidrig ihm erpreßten Entschädigungzusage jedes M ittel, auch das sonst verwerflichste, anwenden.“ W ie wurde gerade Bayern der W urzelboden so verhängniß vollen W ahnes? Den*

k et an die Vendeel Auch ein bergiges Bauerland ohne starke Industrie. D er Viehzüchter, Feldbauer, H irt jä g e r, Fischer, Im«

ker hat unter dem M ißstand sinkender Königszeit nicht schwer gelitten, aus der Revolution von 1789 keinen gewichtigen Vor«

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theil erlangt. D ie hat aber die Hauptgewalten, Klerus und Adel*

entmachtet. D ie Zwei säen den H aß gegen das sündige Paris*

das den König stürzt und köpft, die der Revolution feind»

liehen Landpächter und Bauer entwaffnen will, und stellen in H enri deLarochejacquelein.D ’ElbeeundC harettedem H aufen der Gegenrevolutionäre die ersten Führer. Jakobinerw uth, d ie das fest in ererbtem Besitzrecht wurzelnde Volk mit Theilkom»

munismus, sogar mit dem wüstesten Schrecken des Bolsche*

wismus erster Periode bedroht, facht den glimmenden Z o rn zu Lod ei flammen an. W eil die Adeligen unter einander zanken und, trotz einzelnen Siegen, nichts Rechtes gegen das Konvents«

heer erreichen, fällt die Führung dem Forstmann Stafflet zu.

D er hält sich zwei Jahre lang in N othgedräng w ider den jun»

gen Republikanergeneral H o ch e; m uß dann, gegen G ew ährung von Kirchenfreiheit, Schadensersatz, Lösung von Kriegsdienst»

zwang nnd Amnestie, Frieden schließen; steht, nach der von England begünstigten Landung des königlichen Emigranten»

heeres, noch einmal zu Gegenrevolution auf und wird 1796,.

zugleich mit dem Edelmann Charette de laC ontrie, gefangen, erschossen.Doch bis insjahrderjulirevolution, 1830,w iederholt sich, nach langer oder kurzer Pause, A ufruhr der (manchmal den Chouans.bretonischen Bauern,verbündeten) Vendeer zu G unst des alten Königshauses und Rechtszustandes; und erst das m it dem Blut von zweihunderttausend seiner Söhne gedüngte Land ergiebtsich in Bonapartismus und Republik. Auch Bayern hat, in unbeugsamer W ahrung seiner Reservatrechte, weniger als anderes Deutschenland unter W ilhelm und der berliner The»

aterei gelitten und, da es mit seinen W ittelsbachern immer in bierseliger, oft in spottlustiger Kameradschaft lebte und im In»

nersten urdemokratisch war, durch den Um sturz der Staatsform nichts nützlich N eues erlangt. D er Um sturz wurde möglich»

weil der«Dritte Ludwig, als allzu sparsam eren W ortprunk ver»

preußter .jM ilibauer und Kanalfex“, der sich noch zu Lebzeit O ttos, des Königs von G ottes und Rechtes Gnade, mit frevler H and die Krone aufgestülpt hatte, nicht tief beliebt war; weil die gerade in diesem Bundesstaat ungeheuren Blutopfer u n d die dämmernde Erkenntniß ihrer Fruchtlosigkeit, weil Nähr»

stoffmangel,Verwässerungundtrotzdem Schmälerung desBier»

stromes, Massenelend,Krankheitgeschwader, dazu die Jammer»

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A m K rebsw endekreis 3 3 1

groteske unserer zwischen Hochstapelei und Aushungerfolter, zwischen W ucherzüchtung und W ucherriecherei irrselig tau*

melnden Kriegs wirthschaft, weil, endlich, die jäheEnttäuschung schüchternsten Höffens durch Zusammenbruch und A ngebot der Kapitulation dieG em üther, bis ins dunkelsteT hal.auf die steilste Senne, zu schneller Zertrümmerung verbrauchter Form gestimmt und bereitet hatte. A n dem vierten O ktober 18, der die vom D rängen unserer Feldherren hastig geforderte Bitte um W affenstillstand nach W ashington trug, hörte ich inMün*

chen einen hoch beamteten Offizier aus gutem Bayernadel aufstöhnen: „Konnte es denn anders kom m en? Ist denn je*

mals zuvor ein Volk so unverschämt belogen und betrogen w orden?“ D er M ann hatte Jahre lang eine Hauptmaschine gespeist und geölt; kannte drum gründlicher als Andere das W erden von L ugund Trug. Bayern war totmüde. M ünchen ver*

fiel. Die behäbig»bequeme Pracht seiner G aststätten bröckelte ab. Um zu noch erschwinglichem Preise sich satt zu essen, schritten H ellblonde ins Heim jüdischen Speisengesetzes. Von

\ Bergen, ausThälern riefMassengeseufz das Ende des Grauses herbei. In hohen Halm en stand für Rebellen die Ernte.

Aus dem Gefängniß kam der Schnitter. Dengelte flink die Sense,mähte rüstig,häufte ringsum dieG arben und hoffte, auf seiner Tenne mit eigenem Arm den Ausdrusch vollenden, mit N ährkorn den H unger Bayerns, Alldeutschlands, des Lei*

bes und der Seele H unger stillen zu können. Ich habe niemals <

geglaubt, daßE isner,der preußischejude, als Führer und Voll*

Strecker bayerischen Volks willens sich lange halten werde. D aß ers inbrünstig glaubte, wird nicht nur aus demErinnern an seine lange Hafteinsamkeit begreiflich. W ie Kindshand welkes Laub vom Bäumchen schüttelt, so wehte der Athem des schwind*

süchtigen Sozialisten den König vom gestern noch standfest heiligen Thron.W irklich noch gestern? Längst hatte man,nicht von gesenkten Stimmen, oft gehört: „ ’nen anderjj Küni, wann mir hätten!“ Oefter noch: „M it die Saupreißen, wann mir nicht g’gangen wären!“ N u n ward Gerichtstag und Erntetag.

Jedes W ort Eisners hatte den Klang echt edler Menschlichkeit;

jedes wurde bejauchzt. Vergaß er darob,bis in welche Siedhitze der Preußenhaß geglüht w ar? D aß dicht hinter der Front und^noch im Lazaret Bayern und Preußen gerauft hatten?

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Er lächelte. Ihm, der seit Jahren in Bayern hauste und im«

mer, auf der M achtzinne erst recht, den Berlinern derbste W ahrheit sagte, verzieh das Volk dieH erkunft aus dem schwarz«

weißen Staat. Auch die Fremdrasse. In dem U rbayer war leise, an Furcht grenzende Judenscheu, doch nicht Zorn wider Israel noch gar rohe Lust, Sems Söhne zu ächten, fühlbar.

Eisner, den Stadt und Land pries, wähnte sich eingewurzelt.

Er wollte anno 18 ungefähr, was heute das Kabinet W irth erstrebt: Versöhnung der W elt durch Erweis der Bereitschaft, die sittlichen und sachlichen Folgen des verlorenen Krieges zu tragen. N icht immer war sein H andeln klug, nicht über«

all weitab von selbstgefälligem Dilettiren. D och kein Ken«

ner der damals bestimmenden Menschen und Umstände kann leugnen, daß dieser feine Literatus, der das Land der Völker«

gemeinschaft, des Menschheitsozialismus mit der (dünn an«

gestaubten) Seele suchte und den kein Fädchen an Schuld tind Fehl der Imperialzeit band, erträglichere Friedensbedinge Keimgebracht hätte als die unselige Raßlerschaar des blind*

tauben Landrichters Simons, die ihre H auptaufgabe in Ver«

theidigung des gestürzten, verhaßten Reichsunwesens sah. D as sollte nicht sein. W eil sein W o rt dieM ajestät eines alten Herr*

scherhauses, von dessen M auer die A nkreidung einer LolaMon«

tez und einiger Chevauxlegers gelöscht war, entkrönt hatte, reckte er sich in das höchsteW agniß: in das heraklische M ühen um Ausbaggerung naher und ferner Sümpfe im Preßbereich.

Dieses aber, bedenkets, ist die unverzeihliche Totsünde, deren N am en selbst ein neuer Johannes in schnaubender Offenbar«

ung nicht nennen dürfte. Aus dem Machtbezirk des Minister«

Präsidenten antwortete zunächst nur ein Knirschen. Von N ord fegte Ge witter her. Eisners berliner Zunftgenossen höhnten den M ann, neben dem sie sich als Knirpse empfinden mochten; fan­

den schon die Vorstellung zum Kreischen komisch, dieser Buch«

mensch, Feuilletonist, H albdichter solle einen Staat regiren, wolle Kerlen vom H och wuchs Fritzens und Philipps ins Staats«

männerwerk dreinreden. M unter bellten andere Rüden aus der M eute, die Rochefort „la journaille“ hieß, in der H atz mit.

U nd der Lärm des Hussa und H olla entschüchterte schnell auch die Nächsten. „H öret Ihr, wie über den Parvenü von Denen geurtheilt wird, die ihn nah sahen,bis ins Eingeweide kennen?

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A m Krebswendekreis 3 3 3

Ein H answ urstl“ „N ein: Hochverrätherl Deshalb saß er ja im Kerker. D ie Sorte ist schuld, daß wir den Krieg verloren. D en Professor Förster, den der Verräther in der H ofb u rg so oft heimlich empfing und dessen Friedensgewinsel hier von jedem ehrlich deutschen Studenten ausgescharrt wurde, hat er als Gesandten in die Schweiz, den kleinen Sozialismusbeschreiber M uckle auf Lerchenfelds berliner Posten gesetzt, wo er vor Rosa Luxemburg kniet. U n d er selbst, der hier den Genossen Posa mimt, leckt den Ententekönigen den Dreck von den Stie«

fein. W er weiß, ob er nicht gekauft ist? D aß er nicht Kurt, sondern Salomön heißt, ist sicher. W ahrscheinlich also, daß er sein Goldschiffchen im Trockenen hat.“ Verleumdungblitzen dröhnt Schimpfdonner nach. Das Bayern des Haberfeldtrei*

bens.der Kirchweihschlachten und Bierkellerkämpfe,das Mün*

chen, dessen G eheul den Jungdeutschen Dingelstedt, dessen G em urr den W alhallromantiker W agner wegscheuchte, lebt noch; und ist wieder auf Falschfährte, wieder, wie auch in der Sache Luitpold gegen Ludwig, bereit, sich mit gläubig dumpfem Sinn in Götzendienst zu verirren. W o, tief im Binnenland, fern von Salzluft des Meeres, gelehrte M änner einen „Verein zu rascher Niederkäm pfung Englands“ (der, freilich, unter der O bh u t eines Meisters der Psychiatrie stand) gründen und wahren konnten, ist der Raum des Unmöglichen eng.

Lange von Angst geduckte Köpfe dräuen wieder auf straffem Genick. In Berlin siehts übel aus. D ie Hoffnung, schon die Um taufe in Republik werde gelinden Frieden einhandeln, schwindet allmählich. U nd W ittelsbach, dessen A rnulf, vor ju st tausend Jahren, nach Deutschlands Kaiserkrone die H and strecken durfte, ward von einem preußischen Juden gestürzt 1 S turm : trommelt von allen Thurmglocken wänden der Klöppel.

D er Milde, der, allermindestens, als Regirer dem Bayerland nicht geschadet, ihm draußen Freunde geworben, drinnen Liebknechts wilde Schaar abgewehrt hat, wird Gauner, Ver«

räther, Bolschewik, D iktator gescholten; wird dem Landvogt Geßler, dem Puppenspielteufel, verglichen. „Fort m ußt D u!

D eine U h r ist abgelaufen.“ W ürdiger noch als den Macht«

glanz trägt Eisner die Niederlage. D er W ahltag gab ihm keine M ehrheit, er will in Reihe und G lied der Gemeinmannschaft zurück: der junge G raf Arco schießt ihn nieder. Dieser Sohn

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einer Jü d in , der sich laut gerühmt hat, das Vaterland von Judenherrschaft erlöst zu haben, wird N ationalheld. Generale preisen ihn, Professoren mahnen die Jugend, ihm nachzu«

streben, H underttausende stellen sein Bild auf den Haus«

altar und in M ädchenträumen gleißt sein Goldharnisch über den Schwanennachen, schmiedet er auf dem Nibelungsam«

bos Germaniens Schwert, hütet er (dessen M utter Oppen«

heim, nicht Herzeleide, hieß) den G ral des Christenheiles.

W ie reuige Sehnsucht nach Eisner flammts einmal noch auf;

dankbare Liebe des armen, noch nicht entwaffneten Stadt*

Volkes erzwingt ihm Totenfeier, wie keinem König je eine ward. Rasch aber waren dann die hundert Tage unblutiger Staatsumordnung, frohen Vernunftregimentes vergessen, ver«

wünscht. Die W u th über Eisners Erm ordung, an der tausend«

mal schuldiger als der gräfliche H albjude der Stank aus den Nord« und Südkloaken Oeffentlicher M einung war, peitschte ein Häuflein edler, doch mostig unklarer Schwarmgeister in den tollen Plan, an der Isar, im W eißwurst»Eden, über Nacht ein M oskau brandrother Sowjets zu schaffen.

Toller Plan. A n dessen A usführung aber nicht nur Karl M oor und M ax H ölz, sondern auch frömmere Crispinus»

j ünger Kopf und Kragen gewagt hätten. D enn noch schimmerte M oskau als das neue Jerusalem, die Heilstätte der Mensch*

heit, durch Europens trüben Abend. Vor dem bloßen Zauber«

wort zerstiebt, was eben noch aus Erz gefügt schien. Die Regirung des Genossen Hoffmann giebt Schweiß; flieht nach Bamberg. Schneebleich hörts in Berlin die des Genossen Ebert (die erst ein jah r später,mitdem Kapp«Zaum über demNasen«

bein, auskratzt); woher, pfaucht Generalissimus Noske, für so viele Fronten die Truppen nehm en? Götterdämmerung.

Schon hängt den ge waltigstenAsen schlaff und fahl dieWange.

D a knarrt die Kabinetsthür: und rahmt, wie einen rosigen Säug«

ling an unversiechlicher M utterbrust, die W ohlgestalt Sancti M atthaei Erzberger. „W arum so verstört?“ Gelassen hört er die Kunde von M ünchens Kindlbescherung. „W eiter nichts?

D as ist doch kein G ru n d , die Flinte ins Korn zu werfen und Trübsal zu blasen. D a schicken wir eben eine Depäsche nach Bamberg, daß wir die dortige Regirung anerkennen, und eine Depäsche nach M ünchen, daß wir die Verfassung«

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Am Krebswendekreis 3 3 5

widrige nicht anerkennen: und die Sache ist einfach erledigt“ . H ell tönts aus blondem Apostelspeck. Alles athmet auf. Lenz*

lieh blüht Fritzens Herrscherantlitz, zärtlich streichelt Philipp den Schnurrbart und auf der kurzen Stirn des einem H unde­

fänger Aehnelnden trocknet der Angstschweiß. Einfach er*

ledigt! N u r verständlich, daß der armeBethmann aus staunen*

der A ndacht stets fragte, woher diesem Erzberger immer der erlösende Einfall Zuströme. (D er neuste: durch D oppelung des deutschen Kohlenpreises die Sieger um die Hälfte der aus*

bedungenen Entschädigungsumme zu prellen, riecht nur ver*

wohnten Nasen wie ein faules Colum busei.) Einverstanden?

Alle. Die freundliche Stimme des Stehaufmännchens schwäbelt den W ortlaut, dieDepäschen tanzen ab; und „erledigen“, natür*

lieh, gar nichts. In M ünchen, auch in ein paar anderen Bayer*

städten tobt wirrerldealismus sich aus. VielBeängstigung, auch, trotzdeln die Levine, Landauer, Mühsam, Toller täglich vorBe*

schmutzung der H ände, der Seelen warnen, mancher Raubzug.

Gings je bei Revolution, die nicht so mühlos wie Eisners gelang, ganz reinlich zu und hat je eine ihre Kämpfer mit Rosenöl ge*

salbt? G ar so fürchterlich, wie mans nachher malte, wars nicht.

Allerlei Löbliches, noch mehr abergläubig den Russen, also in H öhen und Tiefen durchaus anderer W elt, Nachgestümpertes wurde begonnen.DerW irthschaftschade: neben dem durch die Kriegsfinanzpolitik, die Kriegsgesellschaften, das Hindenburg*

Programm bewirkten ein Hügelchen neben Himalayas. Das unter Verantwortlichkeit der „ R ä te re p u b lik “ vergossene Blut eine (noch unverzeihlich breite) Lache, wenn mans dem Strom vergleicht,der demWeißwurst*Schrecken entsprang.D ieN er*

venbolschewikchenhaben nicht jakobinisch g^iaust, nur Jako*

binerbrauch und Babeuvismen angekündet: und doch im H ui Bayern in Deutschlands Vendee umgewandelt. W eil Erde und Luft dazu bereitet war. W eil das Gespenst des Kommunismus der Fliegenblätterschwamm wurde, aus dessen Sud die Kriegs*

verherrlicher W olfs wuth tranken, denberserksgangr der Nord*

landssaga. Verdächtige wurden von Zufallsgericht hastig ab*

geurtheilt, von hohem Sehnen in Taumel Hingerissene wie Straßenräuber gestraft, zu Festunghaft, Ehrenhaft Verurtheilte wie Strolche gehalten, Unschuldige erschossen, mit dem Kolben erschlagen, von Kommißstiefeln zertrampelt, inStücke gerissen.

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Die Zukunft

Das Entsetzliche schien noch nicht entsetzlich genug. W er ge*

lesen hat, wie Professor Beling, ein Rechtslehrer von Rang, heute noch denkt, wird sich über das seit Jahren in Bayern Geschehene nicht wundern. D em M ittelstand, also der Mehr*

heit, hat der Um sturz der Staatsordnung nichts eingebracht und Oberflächenvergleich von Einst und Jetzt verleitet diese schwach belichtete Bürgerschicht leicht in den Irrglauben, er habe sie noch geschädigt; dem A del und Klerus nahm er H aup t­

werkzeug der Macht. W ie in Frankreichs Vendee. Vor die Arco, Xylander, Bothmer, den splitternden Schaft des Adelsfähn*

leins, tritt stämmig H err Escherich, Forstmann wie Stofflet.

D ie Orgesch wird die geweihte Schaar, die das Palladion des Vaterlandes schützen, deren Hakenkreuzzug, auf des erha*

benen Führers W ink, das Heilige G rab erobern wird. W as war, ist vergessen. D aß der Bayer, Volk und Fürst, den zwei*

ten W ilhelm vom ersten Besuch an (wo er ins Goldene Buch der H auptstadt schrieb, Königsbefehl gelte über alles Gesetz) unausstehlich fand. D aß Bismarck, der einzige Preuße, den Ludwig und Luitpold, Ober* und N iederbayern als Lands*

mann liebte, hundertm al gesagt hatte, dieser Kaiser bereite des Reiches Untergang. D aß in der Deutschen Republik Bayerns Sonderart und W ille sich ein viel breiteres Einfluß*

bett graben konnte, als ihnen zuvor gegönnt war. D er Ur*

trieb in wahrhaftige Demokratie. Alles. Für ein W eilchen sogar der Preußenhaß; als preußische Truppen (und würt*

tembergische Chouons) das Land von dem Räthespuk be*

freit hatten. Das konnte nicht währen. Zwar gelang die Mo*

nocleklemme und General Ludendorff wurde an jeder Stu*

dentenkneiptafel herumgereicht. A ber Berlin war zu eklig.

Machts, eiskalte Preußentröpfe und Saujuden, da unten, was Ihr wollt. U ns kann Keiner. W ir halten auf stramme Zucht.“

Stolz bäum t die Vendee sich gegen das sündige Babylon.

Kein deutscher Hoche wird diesen Stolz brechen; jeder ihn segnen, ihm schmeicheln und trachten, fester noch, tiefer ihn einzuwurzeln. „Von Bayern m uß Preußen lernen“ : so schallt die Losung. Leichter, wir sahens, als in anderem Deut*

schenland konnte im zweitgrößten Staat das listig verschmitzte Unternehm en gelingen, die für Ausbruch, Längerung, apoli*

tische Führung des Krieges, für eitle Verzauderung der Frie*

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Am Krebswendekreis 337 densmöglichkeit und für die Niederlage Verantwortlichen in H eldengloria höchzuseilen und die Schuld auf das Gewim*

mel abzuschieben, dessen Blut und G u t des Krieges Opfer geworden war. „Das Judengift hat meine herrlichen Soldaten verseucht. N u r die Juden sind schuld daran, daß wir den Krieg verloren. Sie allein haben auch die Revolution ge«

macht. In Rußland, in meinem Reich, in U ngarn; überall.

O ft sagte ich dem Kaiser Franz Joseph, meinem väterlichen Freund, unter zweiundzwanzig seiner ungarischen M inister seien immer neunzehn Juden. Von diesem Volk stammt alles U nheil der W elt. D ie W elt m uß sie ausstoßen. Am Besten wärs, alle Juden zu henken.“ Also sprach, vor dem Umzugnach D oorn, W ilhelm zu einem holländischen Professor, ders seinem Freunde D r. Frederik Poulsen nach Dänemark berichtete.

So sprechen heute auch seine Kinder und Schwiegertöchter;

sprechen neun Zehntel aller von den Folgen des Krieges Ent*

machteten. G iebt es bequemere Ausflucht für reulose Sün«

der, aus deren dichtem Schwarm nicht von einer Lippe, bis heute von keiner, das Bekenntniß auch nur des kleinsten Fehles, winzigsten Irrens kam ? D aß hinter fünfzig Juden, die in Rußland, Ungarn, Deutschland für Kommunismus kämpften (und oft genug fielen), fünf M illionen stehen, die, selbst in unwirthlichen Ländern, Hochgrate des Patriotismus erklettert hatten und mit der zählebigen Leidenschaft des an schwer errungenes Besitzrecht Geklammerten jede Revolution, gar das Eigenthum gefährdende, verfluchten, zählt nicht: weils in keinen Nachkriegskram taugt. D ie Juden („D as steht doch fest 1 “) haben in alter Zeit die Brunnen vergiftet, Christenkinder geschächtet, geschmort, statt des Osterlamms gegessen; und nun den Krieg angezettelt, die Niederlage Rußlands, Oesterreichs, Ungarns, Deutschlands (also ihrer ergiebigsten Siedelstätten) bereitet, die Revolutionen gemacht. Auch auf dem Höhlenweg dieses finsteren W ahnes ist Bayern vornan. U nd haben Men«

sehen sich erst der Menschheit entwöhnt und indem schwülen Brodem des Fremdenhasses,barbarischer Xenophobie, sich ein«

genistet,dann lernen sie bald Jeden hassen,der nicht ihres Hasses Genosse sein will. Z u H aufen sind Erzchristen, Kerngermanen gefallen. M enschenopfer unerhört. Ist auch darauf das Land des schönsten deutschen Bergwaldes, Heim und Asyl deut«

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scher Kunst und Wissenschaft, stolz? A u f die Friedhofsruhe, die armsälige, von allen Schöpferkräften gemiedene Klotz*

köpfe ihm errangen? O der darauf, daß Juden so aller Scham und Ehre bloß sind, daß sie, ohne unbrechbaren Zwang, noch immer ein Land betreten, dessen Volk nicht am Gossen*

rand, nein: von den höchsten Amtssitzen, Kathedern, Kanzeln ihren Stamm anspeit? Jeden vehmt es, der nicht wenigstens auf der Lehre des Geheimen Hofrathes Beling steht. W ie ein unheilbar räudiger H u n d wird Karl Gareis niedergeknallt; ein stiller, sauberer deutscher Mensch. W arum ? W eil er gegen Orgesch und Einwohnerwehr sprach und schrieb u nd , wie Liebknecht, Eisner, Levine, Haase, Sült, den Stoff zum Arm»

leuteführer in sich hatte. Heuchelgeplärr aus Behörden und Presse. Im G runde ist jeder Bürger froh, daß wieder „so Einer weg ist“. Verschonet uns mit Eurem Geflenn, Petzer, die morgens und abends Einen ins Ketzergericht empfehlen!

Euer Verdienst ists wahrlich nicht, daß in D eutschland noch trotzig freie Geister athmen. D ie M örder sind H andlanger Eures infamen W ollens; von Eurer Schwarzkunst Bethörte, die „Vaterländischer Pflicht“ zu gehorchen wähnten; zehn*

tausendmal reiner, der G ottheit näher als Ihr. Zum Schind*

anger verschmutzt Ihr und mit Euch der T roß „G eistiger“, die alle Schande und Schmach feig hehlen, die deutsche W elt.

D as ist nicht unsere. „W ie Deutschland einst den Briten für N ew ton dankte, so dankt heute England den Deutschen, die ihnen, die der W elt Einstein schenkten. A uch dieser Deutsche zerriß einen Papierfetzen, die U rkunde alter Lehre;

doch statt ihrer gab er uns neue, die breiteren Lichtstrom ins H irn der M enschheit spendet.“ D er faule Jude, zu dessen Erm ordung man für tausend Emmchen öffentlich auffordern darf. Der, dieBotschaft aus London lehrts.hat dem deutschen G eist Ruhm und D ank erworben. Schämen die Literaten, die „D ichterfürsten“, die nur zu Beschimpfung des „Feind*

bundes“ oder sonst ihnen Ungefährlicher den Schnabel auf*

thaten, im D unkel ihrer Vendee oder auf nordischem Räkel*

sitze sich nicht? V orjahren gelang in gebildeter Sprache ihnen ein W erk. D as ist ehrenvoll und bringt Gewinn. Enthebt aber Keinen der Pflicht, zu tapferem Kampf gegen frech thronen*

des U nrecht seine W affe, des Geistes, zu schwingen.

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Am Krebsw endekreis 33 9

W ie es w u r d e

A us dem Buch des Grafen Czernin („Im W eltkrieg“ ; Ullstein &. Co.) wissen wir, daß M itte A ugust 17, also nach der

„Friedensresolution“, die offiziell auf Entschädigung und An*

nexion „verzichtete“ (als ob auf Unerreichbares Verzicht mög- lieh wäre), W ilhelms Deutsches Reich Frieden nur schließen wollte, wenn Polen, Litauen, K urland, Belgien ihm, min«

destens, „militärisch und wirthschaftlich verbunden“ würden und „Erwerb oder langfristige Pachtung“ ihm die flandrische Küste, die Festung Lüttich, die A usbeutung des Erzbeckens von Briey und Longwy sicherte. (Brief des Reichskanzlers Michaelis vom siebenzehnten A ugust 17.) D aß also die Kaiser­

lich Deutsche Regirung, als jeder Wache den Krieg längst verloren wußte, sich in Gebietsforderung eines Umfanges erfrechte, den, später, im pariser Trium virat kein Sieger den militärisch zerschmetterten Staaten auch nur in Lenztraum zugemuthet hat. W ir wissen ferner, daß, ein paar W ochen zuvor, im Reichstagsausschuß Staatssekretär Helfferich den nahen, sicheren Endsieg verbürgt hatte. Also sprach er: „D er H ungerkrieg hat sich gegen sehien U rheber gewendet. Unsere Feinde haben keine Zeit mehr, zu warten. Die Zeit arbeitet jetzt für uns. W ir halten den Feind mit eisernem Griff. Nie*

mand wird das Schicksal wenden. Auch nicht die Menschheit­

apostel jenseits des G roßen W assers.“ Das darf, in Gemein­

schaft mit H errn Hergt, der in Preußens Landtag schrie, keine amerikanische Compagnie könne über den Atlantic, nun Ger- maniens M agister spielen. Aus Czernins Buch wissen wir auch, daß dieser M inister sich stets als einen Pazifisten gab, sich „auf den Standpunkt des Deutschen Reichstages stellte, einen Frieden ohne A nnexionen und Entschädigungen zu verlangen“, daß er die Kaiserin Zita leis des Eindranges in den Bereich der Diplomatie zieh und die Schuld an Karls (von dem Prinzen Sixtus von Bourbon» Parma in Paris vor­

gelegten) Briefen dem Kaiserpaar zuschob. Diese Angaben und A ndeutungen, die den Czechensprossen und Czechen- fresser Grafen O ttokar Czernin in den N im bus des Allsichtig*

All weisen, des Propheten und Internationaldemokraten heben sollen, werden, wie welkes Laub vomFlämmchen eines Streich­

holzes, von U rkunden vernichtet, die das durch Inhalt und

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Form empfohlene Buch „D er Sturz der Mittelmächte“ (Vers fasser ist H err N owak, Verleger H err Callwey in M ünchen) ans Licht bringt. Fürs Erste mögen zwei Pröbchen genügen.

1. „M in ister d e s A eu ß e re n . 17. 2. 1917.

A lle rg n ä d ig ste H e r r i n !

Se. k. u. k. A p o s to lis c h e M a je s tä t h a b e n b e fo h le n , d a ß ich E u r e r M a je stä t tä g lic h ein en B e ric h t ü b e r d ie ä u ß e re L age v o rleg e n d a r f , e in e n B efehl, d e m id i Von m o rg e n a n n a c h - k o m m e n w e rd e .

iBei g e n a u e r e r U eb e rleg u n g : d e r A rg u m e n te E u re r M a je s tä t in m e in e r h e u tig e n A u d ie n z w ü rd e ich (d en g r ö ß te n W e rth ' d a r a u f leg en , w e n n d e r P rin z S ix tu s s e lb s t zu E u re r M a je s tä t käm e. W e n n E u re M a je s tä t S e lb st m it ih m (sprechen k ö n n te n , wümde u n s e re S a c h e b e d e u te n d weiterkomimiün.

Ich e r f a h r e a u s s e h r g u te r Q u elle, idaß d a s M in iste riu m 1 G aillau x am H o riz o n t e rs c h e in t. P a s w ä re ein ,Friedenis-

■ m inisterium '; v ie lle ich t h ä n g e n d ie b e id e n A k tio n e n z u sa m m e n . E u re r M a je s tä t k ü ß t d ie H ä n d e I h r e rg e b e n s te r D ie n e r

C z e rn in m . p*"

2. (D em K aiser K arl ü b e r re ic h t im S o m m e r 1917, ein H a lb ­ ja h r v o r d e n V e r h a n d lu n g e n vo n B rest-L ito w sk , zw isch en d e m 1 ru s s is c h e n A n g riff bei K alu scz u n d d em G e g e n a n g r iff d e r V e rb ü n d e te n b e i Z b o ro w ).

' „ S tre n g g e h e im 1.

K r i e g s z i e l e u n d d i e p o l n i s c h e F r a g e . E s ist e in e se lb s tv e rs tä n d lic h e B in s e n w a h rh e it, d a ß . es u n s e r e r s te r W u n s c h se in m u ß , d ie M o n a rc h ie m in d e s te n s in ta k t u n d o h n e E in b u ß e a u s d ie sem K rie g h e ra u s z u b e k o m m e n . Im O s te n sin d , d a n k d e r K rie g sk a rte , p o litisc h e K o m b in a tio n e n m ö g lic h , w elc h e d ie se s Ziel e rre ic h e n la ssen k ö n n e n . Es ist d e n k b a r , d a ß w ir d ie R u ß la n d a b g e n o m m e n e n 'und b ese tz te n G e b ie te v o re rs t als KotmpeniSiationobjekt g e b ra u c h e n k ö n n e n , u m O stg a liz ie n u n d d ie B u k o w in a z u rü c k z u e rh a lte n . A n d e rs s te h t le id e r d ie S ac h e im S ü d e n . F alls e s u n s n ic h t gelingjt, d ie Ita lie n e r n o c h v o r F rie d e n s s c h lu ß vo n u n s e re m T e rrito riu m ,

z u v e rtre ib e n , so s e h e ich (so tr a u r ig D a s klingt) a b s o lu t keine M ö g lich k e it, d a s v e rlo re n e T e rrito riu m z u rü c k z u g e w in n e n . Es w ird m ir g esag t, e in e te rrito ria le K o n ze ssio n an Italien sei ein D in g d e r U n m ö g lic h k e it u n d m a n (müsse erreichten, d a ß e in e m ilitä ris c h e O p e ra tio n e in g e le ite t w e rd e , w e lc h e unser, T e rrito riu m sä u b e rt. Die- m ilitä ris c h e S itu a tio n ist d ie , d a ß im*

»Westen h u n d e r t n eu e D iv isio n en d e n D e u ts c h e n g e g e n ü b e r - s te h e n , d a ß d ie D e u ts c h e n w eite T e rrito rie n r ä u m e n , u m 1 n u r

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Am Krebswendekreis 341

d ie M ö g lic h k e it zu b e k o m m e n , d e n e rw a r te te n A n stu rm ' a u s ­ z u h a lte n , d a ß sie also g a r nidlrt h n . S tanlde sin d , T r u p p e n v o m 1 W e s te n f ü r u n s abzugeben'.; d a ß , Zw eitens; w ir im O s te n a u f d e r g a n z e n L in ie e in e r g ro ß e n U e b e rm ä c h t g e g e n ü b e r ­ ste h e n , s o d a ß im b e s te n F all e in g e lu n g e n e r D e fe n siv k rie g e r w a r te t w e rd e n k a n n , u n d d a ß iwir schließ lich ' in Italien s e lb s t e in e r v ie rfa c h e n U e b e rm a d h t g e g e n ü b e r s te h e n , eine O ffen siv e a ls o m it d e n d o r t b efin d lic h e n ' K rä fte n g a n z au sg esc h lo sse n ' ist. Bei d ie s e r m ilitä ris c h e n S itu a tio n ist es s e h t le ic h t g e s a g t die P o litik e r m ü ß te n ein e m ilitä ris c h e O ffen siv e g eg e n Italien e rz w in g e n ; e s s te h t d ie se m P o s tu la t e in k a te g o risc h e s U n m ö g ­

lic h ' g e g e n ü b e r u n d es w ü rd e n B itten u n d D e m a rc h e n b eim d e u ts c h e n G e n e r a ls ta b n ic h ts A n d e re s e rre ic h e n als ein e d i ­ re k te A b le h n u n g u n d d ie D em ü th ig iu n g , u m s o n s t g eb e te n zu

h a b e n . Ich 1 h a lte a ls o e in e e rn s te , sa c h lic h e D isk u ssio n , w elc h e sich a u s sc h lie ß lic h a u f d ie s e s e b e n a n g e f ü h rte A rg u m e n t stü tz t, fü r u n fn ö g lic h .

N a tü rlic h ist e s m ö g lic h , d a ß d ie m ilitä ris c h e S itu a tio n sich p lö tz lic h zu u n s e re n G u n s te n v e rä n d e rt. D ie V o rg ä n g e in R u ß la n d , g e w isse A n ze ich e n h ö c h s te r K rieg S m ü d ig k e it in Italien sc h lie ß e n d ie M ö g lic h k e it e in e r v e rä n d e rte n m ilitä ris c h e n L ag e n ic h t a u s ; u n d in d ie sem Fall w ä re es ja g a n z s e lb s t­

v e rstä n d lic h u n s e re e rs te P flic h t, v o r A llem d a s an Italien v e rlo re n e T e rrito riu m z u rü c k z u g e w in n e n . So langie d ie se r F all a b e r n ic h t e in g e tre te n ist, m u ß d ie P o litik m it e in e r u n g ü n s tig e n G re n z v e rs c h ie b u n g im S ü d e n re c h n e n u n d e s m ü ß diesesi F a k tu m bei B e s p r e c h u n g d e r K riegsziele a ls ein e b e n sio b e ­ d a u e rlic h e r w ie m ö g lic h e r F a k to r in K o m b in a tio n g ez o g e n w e rd e n . M it a n d e r e n W o r te n : W ir m ü s s e n d ie E v e n tu a litä t ins A u g e fa s s e n , d e n V erlu st, de'n w ir im' S ü d e n edeidfen^

au f a n d e re m G e b ie te k o m p e n sire n z u k ö n n e n .

U n d zu d ie se m eb en a n g e fü h rte n G ru n d e , w e lc h e r e in e te rrito ria le V e r g rö ß e r u n g k a te g o risc h v e rla n g t, k o in in t n o c h 1 ein zw eiter, m in d e s te n s e b e n so w ic h tig e r. W e n n D e u ts c h la n d aus;

d ie sem K rieg u n g e f ä h r m it d e m s ta tu s q u o a n te h e rv o rg e h e n w ü rd e , d a n n k ö n n te ich z u g e b e n , d a ß a u c h 1 d ie M o n a rc h ie m it u n g e f ä h r ih re n a lte n G re n z e n heriauskoinrneln d ü rfte . W e n n ab e r, w ie ich tro tz A lled em f ü r W a h rsch e in lic h h alte, D e u ts c h la n d m it G e b ie ts e rw e ite ru n g e n im O s te n d e n K rieg a b s c h lie ß t, w e n n fe rn e r, w ie ich e b e n fa lls g la u b e , B u lg a r ie n m it b e d e u te n d e n V e rg rö ß e ru n g e n a u s d ie se m K rie g iheirvorgeht, d a n n ist es m e in e r A n s ic h t n a c h v o lls tä n d ig u n m ö g lic h , d ie M o n a rc h ie m it d e m s ta tu s q u o o d e r s o g a r v e rk le in e rt aus' d ie se m K rie g

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a u s tre te n zu la sse n . D a s B ild w ä re d a n n , d a ß die M o n a rc h ie H u n d e r tta u s e n d ^ v o n T o te n )und M illia rd e n v o n S c h u ld e n als B ilanz a u fz u w e ise n hat, ‘ d a ß sie in N o th u n d E le n d g e ra th e n is t a u s sc h lie ß lic h u n d (nur m it d e m ein zig en E ffekt, D e u ts c h la n d u n d B u lg a rie n zu V o rth e ile n v e rh e lfe n zu h a b e n . E ine so lc h e P o litik w ü rd e n ir g e n d s , w e d e r in O e ste rre ic h n o c h in U n g a rn , v e r s ta n d e n w e r d e n ; u n d m it R e c h t n ic h t. Sie k ö n n te n ic h t v e r s ta n d e n w e rd e n , v o r A llem bei n ic h td e u tsc h 'e n V ölk ern C isle ith a n ie n s, w eil d ie ü b e rm e n s c h lic h e n L e istu n g e n , die in d e r G e s c h ic h te b e isp ie llo s d a s te h e n d e n A n s tre n g u n g e n , d ie h e ld e n m ü th ig e n O p fe r, alles D ies n u r iad m a jo re m g lo ria m G e rm a n ia e , eine S tim m u n g a u s lö se n m ü ß te , w elc h e an d e n L e b e n s n e rv d e r M o n a rc h ie u n d a n d ie W u rz e ln d e r D y n a s tie g reifen m ü ß te .

A c c e p tirt m a n d ie s e n G e d a n k e n g a n g , g ib t m a n zu, d a ß ein e V e r g rö ß e r u n g D e u ts c h la n d s a u c h e in e V e rg rö ß e ru n g d e r M o n a rc h ie u n b e d in g t involvirt, d a n n m uß, m a n d e r Fragje n ä h e rtre te n , w o d e n n eine so lc h e ü b e r h a u p t m ö g lic h w ä r e ; u n d d a g ie b t e s zw ei g ro ß e G e b ie te , d ie in F ra g e k o m m e n : d e n O ste n u n d d e n S ü d e n . B e g in n e n w ir m it d e m 1 O ste n . Im O ste n ist d e r p o ln is c h e S ta a t d u r c h e in b in d e n d e s W o r t d e r b eid e n M o n a rc h e n in d e n S atte l g e s e tz t u n d w ir m ü ss e n , o b es u n s n u n h e u te g e fä llt o d e r n ic h t (m ir a lle rd in g s g e fä llt e s n ic h t) , m it d e r E x iste n z d ie s e s z u k ü n ftig e n S ta a te s re c h n e n . D ie s e r p o ln is c h e S ta a t k a n n ein e v ie rfa c h e O rie n tiru n g e r ­

h a lte n . E s k a n n 1. d ie ^ a u s tro -p o ln is c h e ' L ö s u n g im P rin z ip als m ö g lic h g e d a c h t w e rd e n , 2. ein e ,g e rm a n o -p o ln is c h e ', 3. e in e ,ru s s o - p o ln is c h e ' L ö s u n g e n v is a g irt w e r d e n ; u n d e s k an n sc h lie ß lich 4. ein w irk lich s e lb s tä n d ig e r p o ln is c h e r S taa t, d e r u n a b h ä n g ig vo n allen seinen N a c h b a rn ist, g e d a c h t w e rd e n .

i Ic h 1 f ü g e s o f o rt h in z u , d a ß ich d ie e rs te u n d d ie vierte L ö ­ s u n g f ü r rein th e o re tis c h h alte. W ir w e rd e n w e d e r d ie a u s tro - p o ln is c h e L ö s u n g g e g e n d e n o ffe n e n u n d e n e rg is c h s te n W id e r ­ s ta n d D e u ts c h la n d s d u r c h z u s e tz e n im S ta n d e sein, n o c h ist

d e n k b a r, daß ein w irklich, se lb stä n d ig e s u n d u n a b h ä n g ig e s P o le n p ra k tis c h d e n k b a r se i, w e n n n ic h t afas a n d e re n G r ü n d e n , s o a u s d e m 1, daß, e b e n w ie d e r D e u ts c h la n d d iese L ö s u n g um k ein en P re is z u g e b e n w ü rd e , u n d w eil w ir n ic h t die m ili­

tä risc h e K ra ft h a b e n , D in g e d u rc h z u s e tz e n , die in le tzter In ­ sta n z von B erlin a u s m it A u fb ie tu n g allen d e n k b a re n D ru c k e s e n ts c h ie d e n w e rd e n w üriden. B leiben also> d ie b e id e n a n d e r e n L ö s u n g e n , w elc h e fü r u n s u n g e f ä h r g le ich u n g ü n s tig sin d u n d w elc h e s ic h d a h in z u s a m m e n fa s s e n la ssen , d a ß P o len sich g eg en

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Am Krebswendekreis 343

D e u ts c h la n d o d e r R u ß la n d o r ie n tirt u n d in b eid en F ällen fü r u n s n ic h t m eh'r in B e tra c h t k o m m t. A u f d ie se m W e g alsOi, s c h e in t m ir, k o m m e n w ir n ic h t w eiter. W ir m ü s s e n e in e g a n z a n d e re R ic h tu n g ein sch la g en , w o llen w ir d e n V e rsu c h u n te r ­ n e h m e n , w e n ig s te n s h a lb w e g s lauf u n s e re /Kosten zu k o m m en . . . W e n n n ic h t ein n e u e r K rieg, w e n n n ic h t ein e R ev o lu tio n G alizien lo sreiß t, so w e rd e n w ir d iese P ro v in z n ic h t verlieren , m ö g e n n u n d ie P o len e tw a s m e h r o d e r m in d e r in te n siv ü b e r die G re n z e sch ielen . Es h e iß t a b e r w irk lic h u n se re Z e it n ic h t m e h r v e rs te h e n , w e n n 'm an g la u b t, d a ß d ie k o m m e n d e n Z eiten im Z eich en n e u e r K riege o d e r n a tio n a le r R e v o lu tio n en s te h e n w e rd e n . Ich w e n ig s te n s, ich bi'n fe st ü b e rz e u g t, daß. dieses;

f ü rc h te rlic h e M o rd en a u f u n d e n k lic h e Z eiten h in a u s d e r letzte K rieg g e w e se n sein d ü r fte . D a s, w a s d ie V ö lk er je tz t e rtra g e n h a b e n , w e rd e n sie sich kein zw eites M al g efa llen lassen.

Ich se h e g a r kein e M ö g lich k e it, im O ste n irg e n d w ie a u f u n s e re K o ste n zu kom 'm en. A lles a b e r w eist u n s k a te g o risc h a u f dert B alk an hin. D a n k d e r g e o g r a p h is c h e n L ag e ist e s a u c h in B erlin b is zu ein em g e w is se n G ra d e v e rs tä n d lic h 1, d a ß w ir ein V o rr e c h t a u f d e n B alk an h a b e n ; u n d h ie r lie g t d a s g ro ß e G e b ie t, a u f w elch em w ir E r s a tz f ü r d i e f u rc h tb a r e n g e b ra c h te n O p fe r s u c h e n u n d fin d e n k ö n n e n . V o n M o n te ­ n e g ro m ü ss e n w ir a u s m ilitä ris c h e n G rü n d e n d e n L ovceri h a b e n , d a s v e rk le in e rte S e rb ie n soll in u n se re Z o ll- u n d H a n d e ls g e m e in s c h a ft a u fg e n o m m e n u n d g e z w u n g e n w e rd e n , se in z u k ü n ftig e s H eil u n d se in en W o h ls ta n d in im m er e n g e re m 1 A n s c h lu ß a n d ie M o n a rc h ie zu fin d e n . U n d sc h lie ß lic h : R u ­ m änien.* R u m ä n ie n m ü s s e n w ir e r h a lte n ; w ir m ü s s e n d ie W a la c h e i b e k o m m e n u n d d ie g a n z e M o ld a u b is zum S ere th . D e n ö stlic h e n T h e il d e r M o ld a u w o llen w ir R u ß la n d a n tra g e n ( u n d h ie r se h e ich e in e w e se n tlic h e E rle ic h te ru n g ideis F riedens,- s c h lu s s e s ), d ie a lte D o b r u d s c h a so ll an B u lg a rie n fallen und]

d e r kleine e r ü b r ig e n d e R e s t m a g d a s n e u e kleine R um änien, b leiben' u n d d e n d o p p e lte n Z w eck e rfü lle n , a ls Keil zwischen) B u lg a rie n u n d R u ß la n d zu d ie n e n u n d die D o n a u m ü n d u n g e n zm b esitzen , w e lc h e se lb st zu e rh a lte n w o h l g ro ß e S c h w ie rig ­ keiten b e re ite n d ü r fte .

A n e rk e n n t m an, daß d ie se L ö s u n g e in e f ü r u n s n ic h t u n ­ v o r t e i l h a f t e se i, so m u ß m a n sich fra g e n , w ie m a n d e n n z u d ie s e r L ö s u n g g e la n g e n k a n n . W e n n w ir a u f d e m r e in n e g a tiv e n u n d , w ie ich b e h a u p te , v o lls tä n d ig im p o te n te n S ta n d ­ p u n k t b e h a r re n , d a ß w ir D e u ts c h la n d zu, h in d e rn tra c h te n , d e n ,g ie rm ä n o -p o ln isc h e n ' S ta a t zu g r ü n d e n , o h n e g le ic h z e itig d e n

(24)

P re is zu n e n n e n , u m w eldhen' w ir (diesen ,g e rm a n o -p o ln is c h e n ' S ta a t zu g e s ta tte n b e r e it s in d , d a n n w erd en , w ir g a r n ic h ts , A n d e re s e rre ic h e n , als d a s V e rh ä ltn iß z u D e u ts c h la n d im m e r m eh 'r zu tr ü b e n u n d zu v e rg ifte n ; w ir w e rd e n sc h lie ß lich d o ch ' n a d i g e b e n m ü s s e n , w eil d ie s e s K p n d o m m iu m a u f d ie D a u e r u n h a l tb a r ist, u n d ' w ir wenden; a u f idem B a lk a n n ic h ts e rh a lte n h a b e n , w eil w ir Idle k o s tb a re !Zeit m it n e g a tiv e n u n d im p o te n te n , ziel- u n d 1 zw e ck lo sen M a n ö v e rn v e rlo re n h a b e n w e rd e n . D a n n w e rd e n w ir zW isd ien zw ei S tü h le n a u f d e m B o d e n sitzen u n d ’ w e d e r R u m ä n ie n n o c h P o le n h a b e n . W e n n w ir h in g e g e n d e n D e u ts c h e n e rk lä re n , daß, w ir d ie v o n u n s b e s e tz te n G e ­ b ie te P o le n s n ic h t h e r a u s g e b e n w e rd e n , b e v o r s ie u n s n ic h t R u m ä n ie n a n g e g lie d e r t h a b e n , SO' w e rd e n w ir d a r in ein M ittel fin d e n , u n s e r e Z w eck e zu re a lis ire n , |und Wir w e rd e n d a m it e in e T a k tik e in s c h la g e n , d ie a u c h 1 in B erlin v e rs ta n d e n w e rd e n m u ß u n d 1 d ie sich idoch1 s e h r w e se n tlic h ' v o n je n e r u n te rs c h e id e t, d ie o h n e e r r e ic h b a re n Z w e c k u n d o h n e g re ifb a re s' Z iel d a rin b e s te h t, d ie D e u ts c h e n zu h in d e rn , o h n e u n s zu n ü tz e n .

M an sa g t m ir, es sei ein k a rd in a le r F e h le r, a u c h n u r im; P rin z ip z u z u g e b e n , diaß w ir e v e n tu e ll a u f d ie a u s tro -p o ln is c h e L ö s u n g v e rz ic h te n u n d u n te r U m s tä n d e n a u s P o le n h e r a u s ­ g e h e n ; R u m ä n ie n w ü rd e n w ir s o w ie s o n ie m a ls b e k o n fm e n u n d d ie s e r e v e n tu e lle V e rz ic h t a u f P o le n w e rd e u n s auch!

v o n d o r t v e rtre ib e n . D iese L ogik' v e rs te h e ich1 n ic h t. G utw illig;

u n d fre iw illig g e h e n w ir n ic h t a u s u n se re m P o le n herauls, b is es u n s a b g e k a u f t w ir d ; u n d h in a u sg e w o rfe n w e rd e n , m it W a ffe n g e w a lt, k ö n n e n w ir d o c h a u c h 1 d a n n , w e n n w ir n ie m a ls a n R u m ä n ie n g e d a c h t h ä tte n .

■Rumänien is t e in M illia rd e n o b je k t. D ie s a ;u sz u fü h re n , h ie ß e E u le n nacW A th e n tra g e n . D ie E r w e rb u n g ein es M il­

lia rd e n o b je k te s h a t S in n u n d h a t Z w ec k , u n d w e n n a u c h in d e r e r s te n Z e it w ie n e r B ie rh a u s p o litik e r u n d u n g a r is c h e D e s- p a r a d o s (dagegen S te llu n g n e h m e n w e rd e n , so k ö n n e n so lc h e M o m e n te d o c h w o h ’l n ic h t a u s s c h la g g e b e n d se in . E s g ib t in d e r P ra x is k ein e L ö su n g , w e lc h e m it u n g e t e i l t e m B eifall d e r g a n z e n M o n a rc h ie a u fg e n o m m e n w e rd e n k ö n n te . D ie F ra g e s te h t so , o b d ie E rw e r b u n g R u m ä n ie n s n ic h t im 1 L a u f d e r J a h r e a ls e in E rfo lg b e z e ic h n e t w e rd e n w ird . N a tü rlic h , d e r Ö sterreichischte S ta n d p u n k t, d e r b e to n e n w ind, O e s te rre ic h h a b e g e g e n Italien P ro v in z e n v e rlo re n , d a f ü r h a b e U n g a r n r e ic h e s G e b ie t g e w o n n e n , d e r N a c h th e il se i a ls o ein ö s te rre ic h is c h e r, d e r V o rth e il ein u n g a ris c h e r, d ie s e r S ta n d p u n k t h ä tte E tw a s

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