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Die Zukunft, 19. Juli, Bd. 40.

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Berlin, den 19.Juli t902.

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Adolf Schmidt.

In Venedig,mitten in demengenGäßchengewirrzwischendemRialto

J unddemCampanile,dernun in Trümmern liegt, starb1729, sechs Tage nachdenJdendesMärz,derSchotte JohnLarv. Erstarb,nochnicht sechzigjährig,alseinarmer, einsamerMannundhatteein paarJahrevor- her dochWelteninBewegung gesetztundRiesenzifferninsTraumbuchder Menschheitgeschrieben.BiszumletztenWankhieltihndieHoffnung.Wie Jbsens Borkman, glaubte auch dieser John,dernächsteMorgen werde, müsseihnin denGlanzeinesgroßenLebenszurückrufen.Nichtin einPrasser- leben, dessenDurstdietheuerstenWeiber undWeinestillen,nein: in die Schöpferarbeiteinesdurch ungemeineWillenskraftund durchdieGabe,neue Entwickelungmöglichkeitenfrühwittern zukönnen,zurHerrschaftüber schwächereMenschen Prädestinirten.DerSohndesedinburgcrGold- schmiedesundBankiershatte sichdasZiel nichtniedriggewählt.AlsJüngling war er, inLondon, Amsterdam,Genua, Venedig,cinSpielerUndSchwelger gewesen,hatteallerleiHändelgesuchtundgefundenundsogar,alserwegen einerWeibergeschichteeinenGentleman im Duell getötet hatte,imGe- fängnißgesessen.Dann aber wurdeerernst. Wirthschaftprobleme,die uns noch heutezuschaffenmachen,waren ihmaufgetaucht, seiterPattersons Bankgründungin derNähesah Getreidesilos,EinschränkungdesPauperis- mus durch öffentliche,vom Staat vergebene Arbeiten,Handelskammern, verbesserter Minenbetrieb,HerabsetzungdesZinsfußes, Förderungdes ExporthandelsundMeliorationen desAckerbaues: dasAllesschwebteihm indeutlichenUmrissenvor undderInstinktwiesihmdenWeg,denzwölf

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90 DieZukunft.

Jahrzehnte späterdiegreifendePhantasie unseres Fauftdichters gehen sollte.

DaderWaarenwerthdesalsGeldumlaufendenSilbers sichdurcheinen wechselndenZuschlag erhöhteund so schidlicheSchwankungendesGeld- preisesentstanden: warum sollteman künftignichtmitKreditgeldzahlen, mitdurch HypothekengedecktenBanknotenP Lawempfahldeinenglischen Parlament dasPapiergeldalslegaltender. Dochdie LordsundGe- meinenriefen nicht,wieMephistoamHofdesebennochdarbendenKaisers:

»Ein solchPapier,anGoldundPerlcn Statt, ist so bequem;man weißdoch, was man hat.«SielehntendieVorschlägeab,die derSchotte ihnenin einerDenkschriftunterbreitet hatte.Jin FrankreichderRegentfchaft erst fanderdenBoden, aufdemseinGeniesichtummeln durfte.Der Sonnen- könighatteeineStaatsschuldvonzweiMilliarden undeinerhalben hinter- lassen;alleReichskasscnwaren leer undvondenSteuereingängenblieben nach VerzinsungderStaats-schuldjährlich höchstenssiebenzigMillionen übrig.Undnun trat einFremdling aus,dereineüberfließendeGeldfülle verhieß.Eine WeilewehrtensichdielPerrückenundderHerzogAdrienvon Noailles wetterte gegen den Abenteurer. DeinRegentenaberbliebnur die Wahl zwischendemStaatsbankerott unddemSystem Law;undPhilipp vonOrleans war einHerr,der gernwasGuteszuschmausen hatte. Nach zähemWiderstand mußtenNoaillesundD’Aguesseauweichenund derSchotte behauptetedasFeld. Natürlich;gar zu lockendklangdieWeise,alserin denBankbriefenanMonseigneur schrieb, sein WegwerdeFrankreich ohne GewaltanwendungzurWeltherrschaft führen.DienächstenEtappen hießen nun BanqneGånårale, Compugnie d’0(:cident, Banque Royale.

LustigwirdeinemkränkelndenUnternehmen durchdieFusionmiteinem ge- sunder scheinenden für kurzeZeit aufdieBcine geholfen, wird,um denKurs in dieHöhezutreiben,eine Dividendezugesichert,die derwirkticheGeschäfts- gewinii nicht rechtfertigt,werden jungeundjüngsteAktienausgegeben;und alle,die«m(äres,fjllesundpetites Alles,wurden ftürmischumworben. Wer Geldgenug finden konnte,lief indieRue Quincampoixundpries sein Geschick,wenn ereine Aktie imWerthvoiifünfhundertLivresfürdenzwei- unddreißigsachenBetragnocherstehenkonnte. Sowar dieKonjunkturim November 1719. AchtMonate danachwar vordeinBankhausderAndrang nochdichter dreiMenschenwirden erdrückt—,aberdiesmalwollien die Leutenichtneue Notenlaufen,sondernfürdie altenMetallgeldholen. Und wiederein paarMonate danachmußte Lam,derKolonisator, Sozialrefor- mator,Tabakregisseurundnoch manchesAndere gewesenwar und esbis

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AdolfSchmidt. 91 zumRangeinesGeneraldirektors derStaatsfinanzen gebrachthatte,bei Nachtund NebelvorderVolkswuthfliehen.Lange hatderGlanz also nicht gedauert;abererleuchtetewie eingleißendesDorado goldüeldnennt

mans heute über eine kleine WelthinundderMann,derihngewirkt hatte,konntenicht,wolltenichtglauben,all dieHerrlichkeit,derenStrahl ebennochSchätzespendete,sei fürimmer versunken.WennervomCampa- nileherabsah:ödelaguntendie Stadt ingrünlichemSchlamm;dochaufdie.

EbbefolgteineneueFluthund wecktdieschlummerndenWunderderLagune.

SomußteauchinseinemLebenaufdie DürrewiederFruchtbarkeitfolgen;er cJattesein letztesWortnoch längst nicht gesagt;dieanSchöpferintelligenzen arme Menschheitbrauchteihnundwürdeihn zurückrufen.Erwarseiner Sache gewiß, undstarbimtröstendenGefühlsolcherGewißheit...Ein SchwindlerodereinkühnesGenie,demdasJahrhundertnicht reifwar?

Niemandnoch hatvondieser PshchedenSchleier gelüstetundheute,wiein denTagenderThiersundDaire, streitendieFachmenschendarüber,ob JohnLaw einSpekulantwie andereSpekulantenwar oder Einervonden Großen,dienie, auchwenn es vonfern soaussieht,anpersönlichenVortheil denkenundderenVision früherals AnderertastendeKurzsichtin derSumme desMöglichkndasindiesem AugenblickNothwendigezu erkennenvermag.

DiezeitgemäßereFrage,obJohann Philipp HeinrichAdolfSchmidt, derfrühereGeneraldirektor derAktiengesellschaftfür Trebertrocknung,ein Schwindler ist,wirdziemlicheinstimmig ohneZweifelspause bejahtwerden;

dieMeistenwerdenstaunendhören, daßman ihnen solcheFrage überhaupt zustellen wagt.Unddochistdie Antwort nicht so einfach.DerMann ist nicht gewöhnlich,istkeinDutzendgründcr.Eristvom Stamm Lawsund scheintdemSchotten näherverwandt alsirgendein AndercrausderSchaar dunkler Ehrenmänner,dieseitdererstenBlüthezeitdesMerkantilismus geräuschvollüber den mit demAbfall tropischerSchätzegedüngtenBoden Europas stampften.MankönnteanBethelHenryStrousbergdenken. Der abersiehtnurgroßaus, weil eineKonjunktur ihn hob,undwarimGrunde nur einungewöhnlichstarkes Agententalent.Er kamaus englischerSchule in dieZeit wachsendenEifenbahnbedarfcsunderfand,daerwederGeldnoch Kredithatte,das aufdemKontinent vorher nochunbekannteAuskunftmittel,die LieferantenmitAktien,alsomitselbstgeprägtenWerthen,zubezahlen.Erwar einEnkel,keinAhn; und LawhättedenJuden,deralleKünftedermimieryauf- bot,umfüreinen Britengehaltenzuwerden,überdieAchselangesehenSchmidt könnteihm eher gefallen. Zwei stattliche Männer,die mitdemKraftreiz

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92 DieZukunft

ihrer MännlichkeitzurrechtenStunde zu wirkenwissen. Zwei rastlosins Große strebende Arbeiter,dieauf FinanzgeschäftepolitischeMittelanwen- den.ZweiHypnotiseure,die alleErfolgederschwächereSeelen mühelos zwingendenMachtihresWillens zu dankenhaben.Beidesind,alssiezu- sammenbrechen, nicht reicheLeute, trotzdem hundertMillionen durchihre Finger gingen:sieglaubtenebennicht,ihnenkönne einletzterGlückstagdäm- mern, undhattenzuAmeisensorgenniemals Muße.Beidewaren nicht ,,solid«;wiekonntensies sein,dasieohne eigenes Kapital, ohne stützende Sippe Riesenpläneausführenwollten? Schmidts Unterfangen scheintfrei- lichklein,wenn mans demdesMississippigründersvergleicht.Nur muß man vordem UrtheildenWandel derZeitenbedenken. Lawwar derGunst- lingdesRegentenvonFrankreich;und vonzehntausendMenschen wußte 1720 nicht einer,wie inLouisiana, Ostindien, China,denLändern, auf diederGründerihre Sehnsucht wies,die Weltwohl aussehenmöge.Un- wissende,dienochnieaufdenLeimgelocktwurden,sind leichtzubethören.

Schmidt hatteesschwerer.EinPrivatmann, der ineiner Zeit,die manchen Kracherlebthat undmißtrauischgeworden ist inKasselsitztund, wenn ernachBerlin oderFrankfurt kommt,alsProvinziale bewitzeltwird:

weitausgeschnittene Weste, altmodischgestickteHemdbrust,Lackstiefelund in derStimmeden metallischenTimbre einesHeldenmimen,derausApplaus spielt.AberdergroßeblondeHerrmitdemklugenBlickzeigt sichgarnicht verlegen;und nacheinem Weilchendenken diestolzen Großstädter: Nicht übel; offenbareinehrlicherKerl,derdasHerzaufderZunge trägt;waser sagt,klingt verständig; unddaß-ernicht nachderneustenModegeschniegelt ist,zeugt fürdiekerndeutscheSolidität seines Wesens. SolcherEindruckist einhalberSieg.UndSchmidt ist jakeinFinanztnann,derinsBlauehin- eingründenundGimpel fangen will, sondern suchtaufeinemengbeschränkten Industriegebiet redlichenGewinn.MalzhülsenundausgepreßteTrauben,die alsViehfutter lohnendzu verwenden wären, wurden,wenn warme Luft auf dieFeuchtigkeitschlug,schnellsauer undwaren deshalbschwerzutranspor- tiren. Schmidtwolltesietrocknen undhatte wirklicheinenApparat,der bis zuvierzigProzenttrockene,versandfähigeTrcberlieferte.DaswarderAnfang, aufdensicheinekleineAktiengesellschaftmit350000Markgründen ließ.

DochdererfinderifcheDirektor sorgte für AbwechselungErbrachtedas Otto-Patent verbesserteTrebertrocknung—, dasBergmann-Patent

BerwerthungvonHolzabfällen—, denEntwurfzu einerrotirenden Retorte,dieWunderdinge leisten sollte,erliefertedenexternenTrebertrock-

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Adolf Schmidt. 93 nern undHolzverkohlernMaschinen und-AnlagenallerArt, kaufteWälder, verkaufteViehfutterundChemikalien,machteausunbrauchbaren Abfällen Nutzbleundsetzteeine ganzeHordevonTochtersabrikenindieWelt. Die WuchsennichtinLouisiana nochinOstindien auf.Jederkonntesie sehen, einAufsichtrathwar verpflichtet,einZeitungschreiberheermindestens nicht gehindert, ihrenGeschäftsgangzu kontroliren. UndSchmidt erreichte, was ererreichenwollte. SeineAktienstiegenauf800undauf890,seine Dividendenzisfernerinnerten anGoldlandmärchen.Dabeiwurderingsum gezischelt,die ganzeGeschichtesei frecher Schwindel,undin derFranksurter Zeitung,derenVcrdienstin dieser und inderSpielhagen-Sache nichtlaut genug gerühmtwerdenkannauchdieAntiseiniten solltensichmerken,daßderMann, derSchmidtundSanden entlarvte, Cohnstädtheißt—, konnteman beinahe täglichlesen,die Treberei sei schamloserBetrug.DashemmteSchmidtnicht auf seinem steilen Pfad.Erhattedie alteLeipzigerBank,die alsbesonders solidundvorsichtiggalt, geködert;sie finanzirte seine Unternehmungenund glaubte so langeanseinen Stern,bissienichtmehr zurückkonnte·Undwenn sie schwachwurde,mußtendiegroßenberlinerInstitute sie stützen,um die Panikzuvermeiden,die derSturz dieser ehrwürdigenGenossindemganzen Bankenmarkt herausbeschwörenwürde.DieRechnungwarrichtig; sorichtig wie die desgroßenschottischenGründers. AuchdenDirektorJohannAdolf Schmidt trifftdasUrtheil,dasLouis BlaneüberJohnLawsprach:Il avait commencå paroü il aurait dü finir. Beidehatten,alsechteMerkanti- listenschüler,geglaubt,dieHauptsache seiderKredit,deralteBedürfnisse steigern,neue schaffenmüsseunddurchderenBefriedigung bequemwieder gedecktwerdenkönne. Beidehattendie Dauerbarkeit derKonjunkturver- kannt. AlsdieLeipzigerBank,die ein in derWirthschaftgeschichtenoch nicht verzeichneterFall-einem einzigenJndustrieunternehmen,derAktien- gesellschaftfür Trebertrocknung,neunzigMillionen Markgeliehenhatte,in denFugenzukrachenbegann,konnten die BerlinerbeimbestenWillennicht helfen,weilsiemitSanirungpflichtenschon fastüberVermögenbebürdet waren. Doch dieserMangelanAugenmaßlöschtSchmidtspersönlicheKraft- leistungnichtaus. AuchLawsstärksterEpigonewarnienüchterngenug,um aufdenStein zuachten,über denerbeimnächstenSchritt stolpernkonnte.

Erist auch jetztnoch nicht nüchtern.JnderHauptverhandlungwider ExnerundGenossenwurde erneulichvordemSchwurgerichtalsZeuge vernommen. Jn Leipzig,wodieausgeplünderteBevölkerungihnalsden SchwarzenMann haßt,alsdenbösenDämon,derExners Arglosigkeitin

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94 DieZukunft.

denAbgrund riß.ErhatinKasselPassivaimBetragevon183Millionen hinterlassen,istalsFlüchtlingdurch Europa geirrt,inParis gefangenund in dieHeimathausgeliefert worden, sitztseitMonaten imUntersuchungs- gefängnißundkannsichüber dieStrafe,dieihnerwartet,kaumtäuschen- DassindGründe genug, dasstolzesteSiegerbewußtseinzuschwächen.Ge- wiß, dachtendie demGerichtsspektakelZuschauenden,werdenwirwieder einenwinselndenDirektor sehen,einenneuen Sanden, GentzschoderPach- müller,derdenreuigen Ehrenmannmimtundleiderallzu langeeinallzu reinerThorwar,ein Ausbund angemüthvoller,rathloser Menschenschwach- heit. »Ja,wennwir damals Allesvorausgeahnt hätten..»Ja,wenn wir nichtvonSanden,vonExnergetäuschtwordenwären..!« Undsoweiter.

DerTypus,demmeist nocheinweinerlicherAnwalt mitmelodramatischen Geberden zur Seitestand »DaheimharrenWeib und Kind in Elend und HerzenspeindesgeliebtenErnährers; greifenSie inihre Brust, meine-Her- renGeschworenenznichtnachdemstarrenBuchstaben...« Undso weiter-, derTypuswarschonzumAnspeienwidrig geworden. Schmidt schlugeinen anderenTonan. Manmußte annehmen,derGangderVerhandlungen sei

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ihm sorgsamverheimlicht worden;denn sein Zeugnißkonntenur nützlich werden,wenn erdieAussagenderAngeklagten,dervorhervernommenen Zeu- gen undSachverständigennichtkannte. Er aberhatte offenbardieBerichte genaudurchstudirtundgleich sein erstesWorttrafdenfaulsten Fleckdes ganzenVerfahrens:dieGutachtenderSachverständigen.Dassind pracht- volleGestalten,dieeinem MoliåreoderSwiftzuwünschengewesenwären.

VoneinerjüngserlichenTugendhastigkeit,dieboshafterMenschenwitzge- riebenenBankleuten niezugetraut hätte,unkundigallerhalbwegs schlimmen

»Usancen«und immerbereit,dieBrauenhochzuziehenundentsetztzuseuf- zen:UnerhörtlNieistin einemanständigenGeschäftshausAehnlichesvor- gekommen! Schmidt scheintsovielrauheTugend nicht vertragenzu können undgeht stracks aufdiesehrEhrenwerthenlos. Statt aufdieFragedes Vorsitzendenzu antwooten,will ,,er einegenerelleErklärungabgeben«;und sosicherist sein Auftreten, daßderLandgerichtsdirektorsichfügt. »Die hier anwesendenHerren sind nichtnurbefangen, sondern überhauptunfähigzum Amt einesSachverständigen;siemüßteneinunendlich höheresVerständniß für industrielleundkaufmännischeVerhältnissehaben,umsichüberunsere GeschäfteeinUrtheilerlaubenzudürfen.«Ganz JohnGabriel Vorkman:

»Das istderFluch,deraufunsauserwähltenMenschen lastet.DieMasse derDurchschnittsmenschenkann uns niemalsverstehen.«Undindieser

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AdotfSchande 95 Tonartgehtsweiter. »DerStatus derTrebergesellschaftistvondenSach- verständigenganzfalsch aufgestelltworden.« Weder derVorsitzende noch derStaatsanwalt findetzumSchutzderAngegriffeneneinarmesWort.

AdolfSchmidt sagt,was ersagen will, nicht mehrundnichtweniger; fast

jedeAntwortistklar,klärend und imAugenblickmindestensunwiderleglich

Und diehypnotischeWirkung seiner ruhigen,vonjedemWimmcrlaut frei-en

Rede, seiner furchtlosen, aufrechtenHaltungistsostark, daßderGedanke, hier stehederseit Wochenerwartete Hauptzeuge,unbemerkt aus denHirnen schwindet.Nichteineeinzigeunbequeme Fragewirdihmgestellt,keine, auch diewichtigstenicht,von derenBeantwortung eigentlichAlles abhängt:

obernichtin einerbestimmtenStunde Exner durchdasVersprechen reichcnpersönlichenGewinnes bestochenund sodieLeipzigerBankanseine MalzhiilsenundHolzabfällegekettethabe. Jeder hatdasungeheureTreber- engagement derLeipziger unbegreiflich gefunden; jetzt forschtKeiner nach dem Motiv. Keinerdenktauchnur daran,ineinemKreuzveihörExnerund Schmidt,deren Interessengemeinschaft jetztja durchlöchertist,gegen einander zuhetzenundsoneue,weiterleuchtendeWahrheitzuhören.Exners gewandter Vertheidiger hatte vielleicht triftige Gründe, Schmidt nichtzumRedenzu drängen.AberGerichtshofundAnklägerPSiewolltenmitdiesemMann wohl nichtgernlängerzuthun haben.Derhatjanichtnur dieleichtdurch- schauteGrimassedesRedlichen.Dersprichtja,als wäreeraufdemSchlacht- feld füreine guteSacheverwundet worden ...Adolf Schmidt verließ nach kurzemVerhörwie einSieger ungebeugten HauptesdenSaal. Undwir k- lich:niewar seiner Suggestivkraft größerer,schwererer Sieg gelungen.

Solche Wirkungvermagnur Einer,deran sich glaubt,derseine Vision lebt, nichteinbewußterSchwindler.Schmidt hat ausgesagt, erhabe GehaltundTantieme oft nicht erhoben,um dasGeld in derTrebergesell- schaftarbeiten zulassen.Das magwahr sein.Kleine LeutereiztderGe- winn undsiedrücken gernbeideAugenzu,wennsie hoffendürfen,bald über einem BanknotenbündeldieFinger schließenzu können.StärkereNaturen, diegeradedeshalbmeist gefährlichersind,locktnur dieMöglichkeitunge- hemmterBethätigungund derDrang, herrischüberMenschenschieksalenzu walten. Wirwerdenunsmählichgewöhnenmüssen,diekräftigenKapitäne derIndustrie nichtanders zubeurtheilenalsirgendeinenCondottiere, Conquistador,Diktator oder anderenChrgeizigengroßenStils. Noch regt der GedankeunsEkel, daßsieimschlechtestenStoff schaffen,itngemeinstenz abersie sinddieGebieter derStunde undderschnödeStoff,derso häß-

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lich stinkt, diingtheutzutagebesseralsBlut. Auchüber das Lebenswerkdieser Promotorenwird,wie über dasdergroßenundkleinenBonaparte,dasUr- theilnichtnacheinerfesten moralischen Norm, sondernnach demErfolgge- fällt. Mancherhat eben sounsolid gebautwie derTrebertrockner undsitzt heute trotzdemwarm inEhrenundWürden, runzeltamEndegarander Barre dieSachverständigenstirnob derVerruchtheiteinesinseinerMaien- blüthe geknicktcnSünders. WenndenLeipzigern nichtindenTagendes Niederganges,woüberallStützbalkenundPumpwerke angebrachtwerden mußten, derAthcm versagthätte,dann wäreSchmidt vielleichtheutenochein HeldundNiemand würdeihm diegeschtninktenBilanzen, diesiechenTochter- gesellschaften,dieTransaktionen undFusionen vorwerfen,derenjedemmit kleinemKapitalarbeitenden GeschäftsmannklarerZweckwar,inschwieriger Zeitden Schein dchrcditfähigkeitzuwahren.Erstreute ja nichtnur werth- losePapierfetzenaus: erbautesichtbare,greifbareFabrikenundMaschinen, ergab auchdernicht spekulirendenMenschheitzuverdienen;undwennseine Patente verschrienwurden: auchdieRuck-Patentewaren langezuSpottpreisen vergebens angeboten;undGoldshares sindanderhamburger Börseals Ta- petenmusterfürRumpelkammern empfohlenworden.Schmidt hatte sichmit unzureichendeuMittelnaneingroßesUnternehmengewagtundmußteschieben undtünchen,um wederseineAktionärenochTantchen public opinionaus demSchlafzuwecken;morgen frühkonnteeinglückenderHandstrichAlles wiederinOrdnung bringenNurleider:derGlücks-morgentagteihm nicht mehr;undso isternachallenRegelnderGeschäftsmoralverdammt,—von Rechteswegen. MitBorkmans megalomanischemWort magersicheinen Napoleonnennen,derin dererstenFeldschlachtzumKrüppel geschossenward, einen slügellahmenJagdvogel,derunthätig zusehenmuß,wie die Anderen ihmdieBeutewegsangen, »StückvorStück«...DieDichtungkenntden Typus längst.Balzac,dernichtnureinMeister phantastischerSatire,sondernneben- beiaucheinrostendesHändlergeniewar,sah ihn zuerst herauskommen,Zola zerrte ihninsSymbolischeundnannte ihn Saccard,Jbsen gab ihmdie bleibenden Zügeeinerdeutlich abgegrenzten Persönlichkeitund grubden Namen JohnGabrielin dieAhnentafelmoderner Krüppelheroengeschichte.

Dieser Typus differenzirt sicheinstweilen wenig;undersiehtimLebennicht anders ausals imGedicht. NochamGrabe pflanzterdieHoffnung auf.

WennAdolf SchmidtausderZelleindieFreiheit schreitet,wird derGlocken- thurmvonSan Marco wiederaufgebautsein.Dann mager,wieJohn Laweinst, hinunterhorchenin dengrünlichenSchlamm;dannwirder, wie Saccard imGefängniß,wieVorkman, ehe aufdemAbhang ihndieErz- handmittötlichemGriff packte,gewißsein, daßdernächsteGlockentondie Stunde einläutenmuß,dieihn zuriickrustunddenEntschuldrtenkrönt.

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BellaundAnna. 129

Bella und Anna-

Fumeiner Studienzeit wurdeich einmalmiteinem

ausgedientenundmit Auszeichnungverabschiedeten Offizierbekannt,mitdem ichmanchege- müthlicheStunde beimBieroder beimSchachspielverlebvte.Eswar einwackerer,

zuverlässigek,höchstehrenhafterMann,wie»mirsolcheimLebennur seltenbe- gegnetsind;dabei offen,mittheilsam,mitgewiss-M kUUPpeII, festenGebFrdeM

miranBildungundErfahrung natürlichweitüberlegen.AlsFremderinder

«Stadtund ohne Bekanntschaft nahmmichAlexanderva Wendel offenbar»als Lückenbüßer.Jnunserer Unterhaltungwar ichderEmpfangende;was hatte OUUchichStudentlein mitmeiner grünenPhilosophieihm gebenkönnen?Doch bringtReden dieLeutezueinander; undsowurden wirbald sehrvertraut.

Spät abends,instillenSommernächten, pflegtenwirindenPraterzugehen, weithinaus,unddabeiwurde überAllerlei debattirt,überGeschichte, Kunst, Politik, Metaphysik; namentlichüberMetaphysik,dieerfürhöchstnutzlosund unfruchtbar hielt,zuseinemeigenen drolligen Aergeraber nicht lassenkonnte-

»GlaubenSiemir: einenKerl,derspekulirt, sollmantotschlagen,mit einemdickenKnüppel;eristschädlich,derWelt undsichzurLast.«

»Wennman nun dasUnglück hat!«

»Aha,kommenSie darauf?Haben Sieeinen glücklichenMenschenge- sehen,deraus freiem Willen zuspekuliren begonnen hätte?Esistnichtsals Raisonnement gegen einSchicksal.«

»Dieses Laster istweitverbreitet.«

»Ja. Warum spekulirendieFrauennicht?Siesindglücklicher.«

»Schwächer! SchwacheMänner philosophirennie.«

»Im Gegentheil: starke.EinMensch,derlebt, hatkeineZeitzurPhilo- sophie.EinTaggelebtist mehralseinJahrgegrübelt.Als ich lebte, ist esmirnieeingefallen.DieGedanken kommen erst späterundsangenuns den RestanKraftaus. Sie verstehen mich nicht?«

»Siemeinen: derJntellekthemmtdenWillen.«

»Ichmeine so: That, verstehen Sie, dierichtigeThat,nichtetwader Ankan einerHose, geschiehtimmer ohne Ueberlegnng,von Phantasieunge- schwächt.Wenn man erst anfängt, Verlauf,Folgen,Möglichkeitenzuüber- denken,verliert man dieThatkraft weildiePhantasiedasGemüthbefriedigt.

DenkenSiedieFreudeneinerReise durchundesist,alsobsiedieReisege- machthätten.JchhabeinschrecklichenAugenblicken meines Lebens erfahren, was esheißt,sichfreizubethätigenodervonderPhantasie gehemmtzusein.«

»ErzählenSiemir. WirkönnendieseschöneNacht nicht besser ansfüllen.«

Ersagte ohne Verlegenheit: »Sie sind jung, soweitverständig, mir ists gleich.Wenn esSieinteressirt: vielleicht bringtJhnenmeineErfahrung einmal Nutzen.DieLuft istangenehmunddieStille thut wohl.«

ErlegtedenKonzurückundsahhinauf;wirgingen langsaminder Hauptallee,deinLusthausezu·Eswar wonnig still;ichgingschweigendneben ihmundiiberdachte seineWorte. Eins meinerMittel, einemMenschen näher zukommen,besteht darin,ihn soweitzubringen, daßermirdarlegt, wieer über das Leben denkt,wieersichdieWeltzurechtlegt.Darin hat Jeder seine

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130 DieZukunft.

besondere Art,anderkeinSchicksalundkeineEnttäuschungvieländern.Offen- barstanddiePhantasieimMittelpunktevon WendelsWeltkugel.

Erfuhr nacheinerPause fort:,,UnterdenKräften,diediemenschliche Gesellschaft beeinflussen, istdiePhantasiediestärkste: Ruhm, Liebe, Reichthüm, Ehre sind Träume. Wenn man so unvorsichtig ist, siedurchzudenken,siemit.

denHändenzugreifen, keinSpinnengewebe ist soleicht;kaumberührt, ist esnichts,einSchmutzandenFingern,was vor einein Augenblick nochim tausend Farbengeschillert hat;nur Phantasie. Sie istdiewahre,Alles be- wegende Kraftdermoralischen Welt. dieKraft,dieReligionen,Philosophien,.

KunstnndWirthschaftaus sichgebiert.Sie gehtallenanderenKräften voraus-,- begleitet sie,undwenn sievergangen sind,überzieht sie ihre Spurenmitihrem schönenGlanz. UnserGewissen, unsere Erinnerung,ErnstundSpiel,Wohl oderUebel: phantastische Lügen.

JchbinderSohn einesälteren L-ffiziers,eines Grenzers,undhabe meine JugendinInstituten und Militärschulenverbracht; Familie, Mutter, Geschwister habeichniegekannt.Man sagt, Leute,die keineJugendhatten,.

bleiben lange jung.Magsein:kindisch, spielsüchtig;von einerverlängerten Jugendweiß ich nichts.Man lerntdadieMenschen früher kennen, auf eigenen Füßenstehen;undman erreicht frühdietraurige Kunst, sich aufKeinenzu ver-- lassen,vonKeinem Hilfezuerhoffenalsvonsichallein.

Jchwar einguterSoldat,einstrenger Offizierundkanntekeineandere Sorgealsmeine Mannschaft.Jn wurdeichineinHauseingeführt,bei einein Fabrikanten,dessen Tochtermirsehr gefiel.Eswar nocheineTochter da,dievon ihremMann getrenntlebte,die Mutter eineskleinenJungen. Sie wohntebeimVater,dieHausmntterwar gestorbenundsieführtedieWirthschaftx einegroße Wirthschaft;dieGeschäftegingen gutundman hieltden Mann für sehrreich.

Also dieseTochter,Bella,war einFrauenzimmerrecht nachmeinem Geschmack:eineüppigeBlondine, lebhaft,mitgrünen Augen,mitallenJnstinkteie desWeibes,ganzohne VerstandundUeberlegung,immer demAugenblickvoll- ständig hingegeben. Ich habe dieses Mädchen sehr geliebt.Sie gabmirnichtv Das,wasich brauchte,einHerz, verstehen Sie,dasich jaimmerentbehrt habe, deninnerenAnschluß,dasGefäß,indasman schüttet,wasEinemdasGemüth abdrückt. Das aberwußte ichdamals noch nicht; ich lechzte nachanderem- Anschluß. DieMenschen sind sodumm! Fürden Mann istdasWeibkeines- wegeseineEpisode,sondernebensoSchicksalnndLebensbahnwiefürdas- WeibderMann.

Wennman mir damalsdieleichteSchwesteralsWarnung vorgehalten hätte undallesMögliche: ich hätteBella doch geheirathet.Siegefielmirunddamit basta!... JchmöchteIhnen nichtAlleserzählen.Siegab mir,was siezugeben hatte,undmachtemichdannsehrunglücklich-

Jchkamineineandere GarnisonundBellaausdemVaterhaus. Sie hattenun dasLebeneinerSoldatenfrau vor sichundichkann mirdenken, daß esihr nichtschmeckte.SagenSieeinem solchenrosigen, lustigen Geschöpf,das ansichFreude hat,sichgernputzt,lacht,anGesellschaftgewöhnt istundnun allein sitzen muß, sagen Sieihr,daß Niemand amLebenGeschmackhat,

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