oder
^die Abschlachtung der Demokraten
am Sonntag den 20. August
«
berliner! Ih
rwißt wie sich die Charlottenburger
am19. März gegen die unglücklichen Gefangenen,
vondenen viele auf den Tod.verwundet waren, be
nommen
haben; die Mißhandlung der Studenten sind auch gewiß ebenfalls noch
im frischen Andenken; aber die Greuelthaten des 20. August setzen ihren H
el
denthaten erst die Krone auf.
—Charlottenburg ist mit Recht das reactionärfte Nest im ganzen preußi
schen S taat, Teltow und den „patriotischen Verein" könnte
manfreisinnig dagegen
nennen.M
andenke sich also die Wuth dieser Ultra-Reaktionärs, als hier
am12. August, eine Gesellschaft junger Männer zusammentrat,
umhier wie in Spandow, Moabit und andern kleinen Orten, einen demokratischen Verein
zustiften. D
erAnsicht dieser Parthei nach mußte dadurch die W elt wenigstens
ausdem Leim gehen. Von allen Seiten gingen dem Vereine geheime Warnungen und Drohungen
zu,die
vonden M itgliedern natürlich unbeachtet blieben, da sich der Verein auf dem Rechtsboden befand, und
nur vonder Erlaubniß „sichfriedlich
und ohne Waffen in geschloffenen Räumen versammeln
zudürfen" Gebrauch machte. D ie Gegner mußten also
zuandern M itte ln ihre Zuflucht nehmen,
umden gefährlichen Verein
zustören, und darum
warensie auch gar nicht ver
legen. M
a nmiethete eine Horde Bestien, gab ihnen Geld und Branntwein,
so
viel sie trinken wollten, sagte ihnen, daß die Republikaner (wom it
mandie
Demokraten bezeichnete) den König fortjagen, den Thron umstürzen und wieder
Barrikaden bauen wollten, daß diese Leute
ankeinen G ott glaubten, wie ja Held öffentlich ausgesprochen habe, und daß nicht eher Ruhe und Friede, und
wa sdie
Hauptsache, Verdienst wieder komme, bis diese alle
vonder W elt
vertilgt seien.
D ie bezahlten Subjekte, die nicht einmal wissen, ob
mandie Republik erst kochen, oder ob
mansie roh verzehren kann, schworen
nunbeim Branntweinsglase „T od allen republikanisch Gesinnten!" und setzten die Ausrottung derselben, auf So nn
tag den 20. August fest. Am Vormittage dieses Sonntages sollte eine Versamm
lung des Vereins in einem öffentlichen Locale stattfinden, doch ließ der W irth desselben einige Stunden
vorder anberaumten Zusammenkunft sagen:
„ma nhabe ihm gedroht, sein ganzes H
au s zudemoliren,
wenn erdie „gotteslästerlichen Repuklikaner" bei sich aufnehme.
Daß eS Ernst mit dieser Drohung sei, ging daraus hervor, daß sich schon
-während des Gottesdienstes große Massen
vonStraßenjungen und ihnen geistes
verwandtem Gelichter
vo rdem Hause sammelten, und ein,
ruh ig des Weges konr- mender,
zudem Vereine gehöriger junger M
a n nwurde sogleich
mit Pfeifen und Steinwürfen empfangen. Weder Polizei noch Bürgerwehr ließen sich sehen,
umden Haufen Ruhestörer
zuzerstreuen. Ich befand mich
mit noch eini
gen Mitgliedern bei dem Buchhändler Herrn Egbert Bauer,
wobeschlossen
wurde, die Sitzung für heute und
solange auszusetzen, bis sich ein paffendes
Lokal für den Verein gefunden haben würde. D
astürzte plötzlich die Frau des Kaufmanns I
acobi
zu unsin's Zimmer und berichtete unter herzzerreißendem
Jammergeschrei, daß
manihren M
a n n soeben
ausdem Jägerhäuschen (einer
sobenannten Weißbierbrauerei) gebracht habe, aber
sozerschlagen, daß der A rzt
anseinem Aufkommen zweifle. Noch hatten
wir
uns von unsermSchrecken nicht erholt, als drei M itglieder hereintraten,
mit zerschlagenen, furchtbar entstellten Ge
sichtern,
mit Löchern in den Köpfen, und der Eine
mit einem fast heraushängenden Auge. D ie Kleider
warenihnen
vomLeibe gerissen und die Körper starrten
vonBlut. Diese Unglücklichen hatten, auf die Mittheilung, daß kein Lokal
zurZu
sammenkunft vorhanden sei,
voneiner, ihnen bei Weitem überlegenen Anzahl ihrer politischen Gegner ohne Weiteres mit Stuhlbeinen, Stöcken und andern In stru
menten
sograuenhaft mißhandelt worden. S ie erzählten, daß sich noch mehrere
V
e rein
s-M itglied
e rim Jägerhäuschen befänden, die eben
soschrecklich zugerichtet seien, und
vonder mehr als unmenschlichen Behandlung des Kaufmanns Jacob i
konnten sie nicht Schreckliches genug erzählen. E in junger M
a n n von20 Jah- ten, der ebenfalls harmlos in das Jägerhäuschen gekommen
wa r,wurde sogleich
von
der viehischen Rotte niedergeschlagen und dann in den Keller gesperrt. Hie
rbrachte ihm ein Mädchen Wasser,
umsich das B lu t abzuwaschen. A ls dies ge
schehen war, kam der Schneider Wiedemann
zuihm in den Keller und forderte ihn
auf, wieder
mit oben
zukommen;
essolle ihm Nichts geschehen. Zitternd folgte der junge Mann. Im Zimmer angekommen, verlangte Wiedemann
vonihm:
ersolle erklären, ob
er anGott glaube und dem König treu bleiben
wolle. Der junge M
annsagte hierauf:
erhabe ja das noch nie geläugnet, wor
auf
erwieder furchtbare Prügel bekam und dann auf die Straße geworfen wurde.
Noch ein anderes M itglied deö Vereins konnte sich
nurdadurch retten, daß
erdem Verlangen der Todtschläger nachgab, die linke Hand auf's Herz
zulegen,
und drei Finger der rechten Hand
zuerheben,
wo erdann schwören mußte:
a nGott
zuglauben, dem Könige treu
zubleiben und nie wieder
u n
ter die Republikaner
zugehen,
-r-Weder Polizei noch Bürgerwehr ließ sich sehen,
umdie Un
glücklichen in Schutz
zunehmen.
—Das
wardas Vorspiel; jetzt kommt erst die eigentliche Mordscene. D ie
so
schwer Verwundeten
warenbei B
aue rgeblieben, und dieser beschäftigt, die
Namen der Schläger aufzuschreiben,
umdie gerichtliche V
erfolgung einzuleiten.
Ich hatte mich
zumeinem Glücke entfernt und
wa r zueinem
mir befteundeten Kaufmann, Bauer gegenüber, gegangen. Hier
warich kaum zehn Minuten, als ein fürchterliches Jammergeschrei und H ilfe
ruf
zumeinen Ohren drang. Erschrok-
ken wandte ich mich nach dem Fenster, und
n unstellte sich
mir eine Scene dar, die
mir daS B lu t erstarren machte.
Wohl zweihundert Kerle in Hemdeermeln mit Knütteln bewaffnet,
warenin in den Bauerschen Laden eingedrungen. Sämmtliche darin Befindliche wurden unter schrecklichem Geschrei bei den Haaren herausgeschleift,
a uf der Straße nie
dergeworfen, und hier
mit Knütteln geschlagen, daß eS einen S te in erbarmen
^mußte. Einige Unglückliche suchten sich durch die Flucht
zuretten; sie wurden aber
vonder ganzen Rotte im vollen Trabe verfolgt, eingeholt, und
vorden A u
gen des,
zumAppell versammelten M ilitä
r s,fürchterlich gemißhandelt. D
a-M ilitär hatte auf Commando Front! gemacht; eS stand wie eine Mauer, und sah
zu,wie die .Straßenräuber in viehischer Lust gegen ihre Opfer wütheten. Ich billige es, daß das M ilitär sich neutral verhielt; aber als ein junger M
annin Todesangst sich in ihre M itte drängte, und
mit herzzerreißendem Tone
umSchutz flehte, das M ilitä
raber dennoch die Reihen öffnete,
umden jungen M
a n nseinen Henkern auszuliefern
—da glaubte ich todte Maschienen, aber keine füh
lenden Menschen mehr in den Soldaten
zusehen. Der Auffuhr
warjetzt in der ganzen Stadt verbreitet, aber immer noch keine Bürgerwehr
zusehn. D ie Todt
schläger
warenjetzt wohl auf 500 angewachsen,
soviel ich in dem Augenblicke
schätzen konnte
—da sah ich sie nach meiner Wohnung ziehen.
Ich erfuhr später durch einen Freund, daß sie meine ganze Wohnung, sogar die B etten durchsucht hatten, bis in die äußerste Spitze des DacheS wa^en sie ge
klettert,
ummich
zusuchen; sie wollten, sie mußten mich haben, weil ich
—M it, glied deS Demokraten-Vereins sein sollte. S ie hatten sich eine Liste sämmtlicher
Mitglieder des Vereins
zuverschaffen gewußt, sogar
mit Angabe der Wohnungen.
Nun drangen sie in alle Häuser,
woMitglieder wohnten, mißhandelten dieselben
a ufs Grausamste, und führten sie dann unter Verhöhnungen und Beschimpfungen,
m
it Faustschlägen und Stockschlägen
zumArrest. D ie
n u nendlich
zusammenge
tutete und getrommelte Bürgerwehr sah diesem Schaustüel ruhig
zu,und wider
setzte sich durchaus nicht dem Eindringen der Rotte in die Häuser. E in Jammer
wa rs mit anzusehen,
wie die
armenMenschen leichenbleich, oder b lu tig geschlagen
m
it zerrissenen Kleidern
vonden brutalen Schurken durch die Straßen geführt
wur
den, und Niemand der
zuihrem Schutze auftrat,
mit Ausnahme einiger achtungS-
werthen Bürgern, worunter ich den Tischlermeister Herrn Pfahl besonder- lobend erwähnen muß. Aber auch viele Personen, die niemals
zumVerein gehört haben, wurden mißhandelt. Unter Andern der Dr. Bruno Bauer, der sich eben in ffine Wohnung begeben wollte; der Kausmann H ag ist, weil seine Söhne dem Verein angehörten, und
sonoch viele Andere. Der Kaufmann Herr M eife
rwurde arretirt
vonder Rotte, und in Gewahrsam gebracht, weil bei ihm öfter Studenten
mit rothen Federn auf den Hüten, Cigarren gekauft haben. D
akann
es