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Die Zukunft, 28. August, Jahrg. XXVIII, Bd. 110, Nr 48.

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XXVIII. Jahrg. Berlin, den 28. August 1920 Nr. 48

ie SSukunft

Herausgeber

Maximilian Harden

INHALT

Sri.»

Im Schaum der Fluth . . • ... 239

Nachdruck verboten

E r s c h e i i f l jeden Sonnabend

Preis vierteljährlich 22 Mk., das einzelne Heft 2.00 Mk.

B E R L IN

Verlag der Zukunft

G roßbeerenstraße 67 1920

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Im Schaum der Fluth

F r a n k r e i c h s W e h

T n Schreckensstarre vergleichen wir unsere Lage von heute A der von gestern. In der Kriegszeit drang unser H ilferu f ,bis ans Ende der Welt* un d trieb h u n d e rt Völker, über Ge«

birg u n d M eer hin zu N ied erw erfu n g D eutschlands herbei«

zueilen. U n d was ist aus all der Bundesgenossenschaft, was aus der Fülle unserer Freundschaften g ew o rden? Keine ist uns geblieben; von allen nicht eine. U nser H o chm uth, unser finster blickendes M iß trau en u n d die kriegerische W u th , die, Jedem zu U eb erraschun g , in Frankreich den langen, unsäglich grausam en K rieg überdauert, hat alle G enossen u n d Freunde uns entfrem det. Z u erst lähm te A m erika durch eine von unse«

rer grundverschiedene, in keinem V ertrag spürbare politische W eltau ffassu ng unsere Spottlust. D an n schied Streit uns m it tiefer K luft von der lateinischen Schwester. D ie neuen Staaten des O stens w andten sich von uns ab. W eil der schlechte Finanzstand uns verstim m te u n d die A u sfü h ru n g eines m it M ängeln behafteten Vertrages schw ierig w urde, kam en w ir m it England in Zw ist, dessen U m fang die O effentlichkeit noch nicht kennt. U eb er das H an d eln der uns V erbündeten will ich hier nicht urtheilen noch gar es billigen. Ich will n u r zeigen, d aß die P olitik der K apitalisten, K riegsm änner, D iplom aten, die unsere Sache führten, ungeschickt u n d un«

nützlich war. U nsere längst unbehagliche Lage ist geradezu

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schrecklich g ew o rd en , seit w ir die R egirung des G enerals W ra n g e l anerkannt haben. D as h at uns vereinsam t. D enn was b leib t nach diesem ,Meisterstück* unserer D iplom atie noch von dem franko-britischen B ü n d n iß ? W ir sind allein.

In welche neue G efahren, in welches h eute noch unahnbare U n heil fü h rt uns d er W e g , den reaktionäre A bgeo rdnete u n ter R egirern des selben Schlages beschritten h a b e n ? W ill m an u ns in Krieg gegen das R u ß la n d der Sowjets stürzen?

D as Schlimmste ist, d a ß in Frankreich der Friede nicht, wie in E ngland, von einem zu d en Staatsbeschlüssen m itw irken- den P roletariat geschirm t w ird. In E ngland ist das M itbe- stim m ungrecht d er A rbeiterpartei unbestritten. U n d doch dürfen auch w ir n u r a u f das P roletariat zu W a h ru n g des Friedens zählen, den K apitalism us u n d M ilitär b ed ro hen und dem die B ourgeoisie, in träger U nw issenheit, Schutz versagt.

D ie genfer Beschlüsse der französischen, englischen, deut- sehen B ergarbeiter, die entschlossene H a ltu n g der englischen G ew erkschaften wecken neue H offnung, stärken die Zuver- sicht, d a ß der geeinten A rbeiterw elt die Sicherung des Friedens gelingen w erde. D as H eil Frankreichs, E uropas, der ganzen E rde ist in dieser Stunde furch tbarer G efahr in den H änd en des Proletariates. A us tief aufgew ühlter Seele, m it einer von A lter geschw ächten, von banger Sorge um das G em einw ohl gestärkten Stimme, rufe ich laut: Franzosen, rettet den W e lt­

frieden!“ D iesen A u fru f hat, in der pariser Z eitu n g „ L ’Hu*

m anite“ , d er greise W o rtk ü n stle r A natole France veröffent- licht. (U n sere K ünstler u n d G elehrten sind am anderen U fer oder zu bequem , sich ins G etüm m el zu wagen. Einem d e u t­

schen France w ürde von allen S um pfkröten auch entgegenge- q uakt, d a ß er vor sechs Jah ren mal abscheulich H itziges gegen D eu tsch lan d geschrieben habe, also nicht im m er „au dessus de la- m elee“ gewesen sei.) D er feinste der ü berlebenden Vol- tairianer zieht, scheint m ir, den Kreis allzu eng. G egen das T ollhäu sler verbrechen neuen Krieges regen sich A lle, aus denen die E rin n eru n g an fü n f Jah re zinslos eklen U n frie­

dens, vier w üstesten, schim pflichsten G rauses noch nicht ge­

wichen ist; Eltern u n d K inder, W eib er, Bräute, Schwestern all D erer, die ein unw iederbringliches Stück ihres Lebens an

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Im Schaum der T luth 241

das hohlste, häßlichste P hantom vergeudet haben. R egt sich nicht n u r das P roletariat (dem die France, R olland, Cecil, G arw in, Smuts, G iolitti, M asaryk u n d ihre Schaaren ja nicht zugehören). D as allein aber hat die Kraft, kann an jedem T ag die 'W ucht ballen, die des W ahnw itzes A u sw irk u n g hin«

dert. D ie K ulturform des Industrialism us, des stärksten aller bisher gesehenen W eltu m w an d ler u n d Bereicherungm ittel, hat, w o sie herrscht, den A rbeiterheeren unbrechbare Ge«

w alt über des Landes Schicksal gegeben. Je tz t erst w irds offenbar. D as E rlebniß des Krieges („ W e n n w ir n un , jedes M illionenheer, G eschütz u n d G ew ehr u m d re h ten ? “) hat die E rk en n tn iß beschleunigt. U n d wie flink auch die W ind un g, wie heftig das Sträuben der b lin d noch im Besitzrecht W oh«

nenden sei: keine R ettung w ink t als aus dem heilig tapferen Versuch, W esen u n d Begriff, Leid u n d Schmach des Proleta«

riates aus unserer G egenw art in E rin n eru n g zurückzudrängen, wo es „historisch w ird “ . M anchem däm m erts. A us dem Brief eines altpreußischen E delm annes schreibe ich ein paarSätze ab.

„ W ir G ro ß g ru n d b esitzer, die Tage lang auf eigenem B oden einherstreifen können, m üssen versuchen, uns in das G e fü h l D essen zu versetzen, der, sobald er irgendw o vom öffentlichen W e g abbiegt, eine Polizeistrafe verw irkt. W en n U nsereins um«

zieht, stelle er sich die G ed an k en D essen vor, der diese berg«

hoch m it Betten, W äscheschränken, H au srath aller A rt be«

packten M öbelw agen sieht u n d selbst, weil ihm d asN othdürf*

tigste unerschw inglich ist, die schon ü b er den Krieg hinaus verschobene H eirath im m er noch nicht schließen kann. U n d w elcher T rie b regt sich in dem A rbeitlosen, w enn er von K apitalisten hö rt, die d urch geschicktes Spiel m it M ansfelder K uxen in einer W oche m ehr erraffen, als ihm die engste Sparsam keit von d er W iege bis zur Bahre schaffen k ö n n te?

N u r nach solchen geistigen Exercitien w erden die heute Be«

sitzenden den Pfad in neue R echtsordnung finden. N o ch aber hat unsere herrschende Schicht kein A uge, kein O h r;

noch stürm t sie b lin d w ü th ig gegen alle anders D en ken den vor u n d ächtet m it dem grim m igsten Fluch D en, der, weil er bisher die E ntw ickelung richtiger als der H aufe sah, auch die N o th w e n d ig k e it des K om m enden nu n zu v erkünden

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w agt.“ D e r B eschluß völligen, jäh en Verzichtes auf das W esent*

liehe kapitalistischer W irth sch aft, die für die E ntw ickelung ge­

w erblicher u n d händlerischer T echnik u n d fü r schnelle W ohl*

stan d sb reitu n g so viel gethan hat, ist unw ahrscheinlich; wäre w ohl auch, wie d er m oskauer V ersuch lehrt, unklug. Im K lassenkam pf aber giebts keinenFrieden, nicht einm al Waffen«

stillstand als den von durch au s anderer M enschenauslese, von A b b ru c h m orscher K lassenschranken bew irkten. D ie D ik tatu r des Kapitals, die n icht von den Form alrechten einer Schein*

dem okratie, die n u r v on dem w uchtig w achsenden Einheit*

b ew u ßtsein aller ohne A u sn u tzu n g von Frem dkraft Arbeiten*

den gem ildert w ird, m u ß der m indestens zunächst rauheren D ik ta tu r des Proletariates w eichen, w enn nicht zuvor noch die G em einschaft das P roletariat in sich trin k t, in sich versickern läßt, das U n k ra u t des w irthschaftlichen Individualism us aus*

jä te t u n d , im G eist neuer Stoa („ N u n q u a m privatum esse sapientem “), Je d en in M itverantw ortlichkeit für Alle, auch N achlebende, pflichtet, Keinem erlaubt, n u r für sich u n d allen«

falls noch die B rut bis zum A ufstieg der Sintfluth T ru h e u n d Speicher zu füllen. D ie „ W e ltre v o lu tio n “ b eg inn t nicht, wenn au f T rafalgar Square geschossen w ird. W ir sind m itten drin.

Z u rü ck zu France u n d Frankreich. D a ß Einer d o rt öffent*

lieh so reden d a rf wie der alte A natole, nicht gevehm t und angespien w ird, ringsum geehrte Z ier des V aterlandes un d M itg lied der A kadem ie bleibt, ist im m erhin ein gutes Zeichen.

Seid Ih r sicher, d a ß ers im siegreichen D eutschland dürfte, un*

gefährdet aussprechen könnte, wie m enschheitw idrig schlecht A lles von den R egirern gem acht w orden u n d n u r von der proletarischen Internationale noch H ilfe zu hoffen sei? N ach 1871 m ißfiel der W e lt an dem D eutschen das, so zu sagen, physiognom isch w ahrnehm bare B ew ußtsein feuchtkalter All?

Überlegenheit, das ü ber den E rdball getragene „Sedanlächeln“

(nach dem A u sd ru ck des N orw egers K jelland, eines kräftig k lu g en Erzählertalentes). U n d D eutsch lan d , das in dem Ein*

u ngskrieg nicht ernstlich gelitten hatte, w ar auch zuvor nie ge*

lie b t w orden. Frankreich fast im m er, fast überall (n u r, bis 1914, nicht in E n glan d ); niem als so in n ig ,so e in m ü th ig w ie in d e rZ e it seines heroischen Leidens. D a wars das H ätschelkind zweier

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Im Schaum der Fluth 2 4 3

W elten. „L ’univers sous ton charm e“ . D as war einmal. D e r M arneblick ärgert m ehr als das Sedanlächeln. Ist die douce France, die au f das unübersetzbare W o rt „generosite“ stolz war u n d ihre Kriege selbst in Spitzenm anchettes führte, aus»

gestorben u n d kein N achw uchs m ehr vom Stamm derB ayard, M ontaigne, H en ri Q uatre, C yrano, H u g o , Lam artine, des entrunzelten, aller Feierlichkeit entkleideten G am betta, der rabelaisisch lachen k o n n te? H a t Brennus*Clem enceau, der preußischste aller Franzosen (u n d drum der einzige, den un*

sere Ludendorffs rühm en), der liebensw ürdigsten N a tio n die Laune v e rd o rb e n ? So einsam, wie France, der Schreibkünstler, der des V aterlandes N am en anzunehm en gew agt hat, w ähnt, ist sie nicht; fände gegen A ngriff m orgen w ieder G efährten.

M orgen noch. W a h r aber ist, was d urch Ja h rh u n d e rte hin unw ahrscheinlich klang: Frankreich ist unbeliebt. W ie ein Q uengler, der sich in neuen Z u stan d nicht schicken w ill u n d , den alten, ungefähr den vo n anno T ilsit, w iederherzustellen, den Pelion au f den O ssa thü rm en m öchte. Frankreich unbe*

liebt, das E xperim entirland der M enschheitgeschichte „reak*

tio n ä r“ , E uropas C hina, doch ohne dessen asiatisch gebun*

dene, aus Fesseln noch lächelnde Seele: D as w ar bis heute nicht. U n d dürfte nicht dauern. Frankreich h at G ru n d zu G ram , hat das Recht, S ühn u n g hier, Beistand d o rt zu fo rd e rn ; w eder G ru n d noch Recht, in m ürrischem A rg w o h n sein Ant*

litz häßlich zu furchen, in V erb len du n g sich von der W irk*

lichkeit unseres Tages abzuw enden. U eb er einem K apitel M ontaignes steht der T itel: „D e l ’incom m odite de la gran*

d e u r“ . So unbequem , stö h n t der Franzos, wie unsere w ar nie du rch Sieg errungene G rö ß e. U nerträg lich w ird sie, w enn das D enk gefäß sich n ich t m it neuem In h alt füllt. In P olitik, W irthschaft, Ideologie Frankreichs sieht es aus wie in dem Spielplan der pariser T heater. G o u n o d s Faust, M assenets W erther, Puccinis Tosca, G elehrte Frauen, G eigenm acher von C rem ona, C o u rrier von Lyon, C o u rrier des Zars, H o te l zum Freihafen, F reund Fritz, H ü tten b esitzer: dritte A ugustw oche 1920; D irek to r G em ier gilt als verw egen, weil er dem Kol*

legen R einh ardt, sp ät, den Arena* O ed ip u s u n d den (au s Jap an ins S um urunland im p ortirten ) B lum enw eg nachm acht.

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In Psychologie w aren die Franzosen im m er vornan. Je tz t m uthen sie allen V ölkern zu, die G esam m teinrichtung der Erde, m indestens unseres E rdtheiles so zu fügen, d aß d reißig M illion en Franzosen u nter allen U m stän d en gegen sechzig M illion en D eutsche gesichert seien. D as ist nicht zu er*

langen. D a ra u f lä ß t kein selbständiges V olk sich ein. Dar*

aus kann n u r M ißbehagensgem einschaft w erden, durch deren W ip fe l der G lau b e w eht, d a ß „ohne Frankreich Alles in leid»

liehe O rd n u n g zu b ringen w äre“ . Jedes Land soll, statt m it G e ist u n d W irth sch aft das U niversu m gew andelter Pflichten u n d Rechte als ein Pfeiler zu stützen, als ein Stein in die M auer gem örtelt w erden, die deutschen V o rsto ß auffinge.

K ann die W ah rn eh m u n g , d aß die Fülle der Freundschaften verstäubt, Frankreich ü b errasch en? M it ernstester Sorge sehe ich, wie bei uns, überall, von W o ch e zu W o ch e der Fran»

zosenhaß, der ein J a h rh u n d e rt lang nirgends zu spüren war, anschw illt. A uch in der A rbeiterschaft. A us einer Schänke biegt ein T ru p p französischer Soldaten in die Tauentzien*

straße u n d hänselt ein d o rt birschendes M ädel. D as ver*

schm äht Knäuelgeschäfte, ru ft ein unverständliches Schimpf*

w ort, streckt den H im m elblauen die Z u n ge heraus u n d stol- zirt, m it schlenkerndem K urzrock u n d Florw aden, weiter.

R ingsum ist A lles entzückt. A u f der S traßenbahn spendet die um den Fahrer gedrängte E h rb ark eit Beifall. „So E iner“

h ätte m ans nicht zugetraüt. E in M au rer h e b t die Faust:

„ M it den Kerls w ird noch mal abgerechnet!“ A u f Schritt u n d T ritt ist A ehnliches zu m erken. M anches erklärt die H etze.

W as, m it n u r B linden un sichtbarer T endenz, aus O st und W e st je d e n A b e n d „b erich tet“ w ird. D ie A lltagsillum inirung der „schw arzen Schm ach“ . (W e il ich gegen w üste Ueber*

treib u n g gesprochen habe, b in ich auch verpflichtet, zu wieder*

holen, d a ß em pörende Einzelfälle, sogar K nabenm ißbrauch u n d G reisin nen sch ändu n g, erw iesen sind.) D ie H au p tursache des G rolles aber ist die lange D a u e r der F rem dbesatzung u n d die E inb ürgerun g derU eberw ach un g ausschü sse m it ihrer M ilitärm annschaft. D ie erträgt kein civilisirtes, selbstbew uß*

tes V olk. H a t Frankreich vergessen, w ie tief es vor fünfzig Jahren aufathm ete, als der letzte deutsche Soldat abm arschirt

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Im Schaum der Fluth 245 war, mit welcher Inbrunst damals die „liberation du terri- toire“ gefeiert w urde? W ill es in der reizbarer gewordenen W elt sich einen Totfeind aufziehen? Unsere Regirer sehen nicht, daß aus der Besatzungdauer die ärgste G efährdung künftigen Friedens droht; und wollen drum diese Frage „ver- tagen“. Mich zwingt Ueberzeugung, die von jedem Erleb*

niß fester wird, zu stets erneutem W iderspruch. Kohle, Ent=

Schädigung, V erp fän du n g des Saarbeckens (das den aller«

größten Theil seiner Kohle ja selbst verbraucht oder an E ls a ß / Lothringen abgegeben, höchstens drei M illionen Tonnen nach Altdeutschland geschickt h a t) : über Alles wird die Verstän- digung erleichtert, wenn die Fremdbesatzung aufhört, die, obendrein, ein großes Stück des von uns den Franzosen ge­

schuldeten Geldes verschlingt. Für die Erlösung aus einem Z u ­ stand, der das besiegte Volk nöthigt, in jeder Stunde über sei­

nen Boden den Sieger in Waffen schreiten zu sehen, würde ich als Reghrer jeden erschwinglichen Preis zahlen. U n d D eutsch­

lands wäre zugleich Europas Erlösung. H andelt Frankreich etwa weise, wenn es sie hindert und gegen jede Regung hell blickender Vernunft sich sträubt? D urch den Vorschlag, alle fremden T ruppen und Kommissionen von deutscher Erde zurückzuziehen und die Vertragsausführung mit modernerem, minder gefährlichem W erkzeug zu sichern, könnte es die murrenden Bundesgenossen über N acht beschämen. U nd dürfte, erst dann, seines Martyrsieges sich sorgenlos freuen.

E n g la n d s S e e s o rg e

„N ach Lloyds Berichten wird in den nächsten elf M onaten die W elttonnage um 7,721,000Tonnen steigen. D er Vergleich der Juniendziffern aus den Jahren 1914 und 1920 ergiebt, daß heute, bei 53.905,000 Tonnen, 8,501,000 mehr vorhanden sind. G rund der Erhöhung: die amerikanische Handelsflotte ist um 10,379,000 Tonnen gewachsen. England hat 781,000 weniger, Japan 1,288,000, Frankreich 1,041,000, Italien 188,000 Tonnen mehr. D eutschland stand vor sechs Jahren, mit 5,135,000, dicht hinter England; seine Handelsflotte ist von 4,716,000 auf 419,000 herabgegangen und steht heute am untersten Ende der Tabelle. Im letzten Jah r hat England sein Tonnendefizit (2,547,000) um 1,776,000 gemindert; in

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der selben Zeit ist die Ozean»Handelsflotte der Vereinigten Staaten von 2,663,000 auf 12,406,000 Tonnen gewachsen. Vor sechs Jahrengebot England über 41,6 Prozent der W elttonnage;

heute sinds nur noch 33,6. Amerika ist von 4,7 auf 24 Pro*

zent gelangt. D ie Kriegszeit hat (wenn man nur Stahlschiffe zählt) Amerikas Handelsflotte um 8,837,000 Tonnen vermehrt;

die Englands um 2,920,000, Deutschlands um 6,103,000, die anderer Länder um 3,330,000, die ganze W elttonnage um

12,353,000 und, nach Zuzählung der amerikanischen Neu«

bauten, um 3,516,OOOTonnenStahldampfer vermindert. O hne den Krieg hätte, nach vernünftiger Schätzung der Bauthätig»

keit, England heute 3 M illionen Tonnen Stahldampfer mehr;

die H öhe dieses Defizites kann D en nicht überraschen, der die langwierige G efährdung englischer Passagier« und Post«

dampfer und die Schwierigkeit schnellen Ersatzes bedenkt.

D as neue Bauprogramm will im W esentlichen für Frachtraum sorgen. Vor dem Krieg hatte der Kohlenexport des Ver»

einigten Königreiches nur mit kurzen Fahrten zu rechnen.

Jetzt wird Kohle von Australien nach Europa gebracht. Das sind zwölftausend Meilen. U nd eben so lange Strecken sind von den Vereinigten Staaten und Südafrika aus zu durch«

messen. So lange Transportwege, wie, zum Beispiel, für Kohle und Zucker heute zu durchfahren sind, kamen früher für M assengüter seltener in Betracht; dadurch ist die Lage ver«

ändert; und man m uß versuchen, durch die Frachtpreise auf ein gesundes Verhältniß von Tonnenergänzung und Nach»

frage hinzuwirken. Im Allgemeinen ist während des letzten Jahres die Frachtrate gesunken. D ie Zeit ungeheurer, durch den Ausnahmezustand des Krieges bedingter Rhedergewinne wird kaum “wiederkehren. Die für England wichtigste Ver»

änderung ist, daß da, wo, dicht hinter ihm, 1914 Deutsch»

land mit 5,135,000 Tonnen stand, jetzt Amerika mit mehr als doppelt so großer Handelsflotte steht. Die Jones»Akte fordert für die Vereinigten Staaten eine Handelsmarine, ,die dem größten Theil seiner H andelsaufgaben genügt1. D ie ganze Handelsschiffahrt soll später in den Privatbesitz und unter die Leitung amerikanischer Bürger kommen. Amerika wird, um die in Gefahrzeit mit ungemein hohen Kosten er«

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Im Schaum der Fluth 2 4 7

bauten D ampfer gut zu verzinsen, in größerem Umfang als zuvor für seine Produkte Absatz suchen; und England be­

schwört die Amerikaner, die Lösung dieser Probleme in freund- schaftlicher Arbeitgemeinschaft zu erstreben.“ (Times.)

N a ti o n a lb o ls c h e w i s m u s

„Sie streifen in einem d e r letzten Hefte die ,w u n d erlich d u n k le L ehre' vom N ationalbolschew ism us. Es ist B rauch ß e - w orden, Ihnen iBekenner-Briefe zu schreiben. G e sta tte n Sie auch m ir, einem V ertreter d e r als nationalkom im unistisch bezeichneten R ichtung, einige Zeilen schreiben zu dürfen. M it dem W o rt N ational-B olschew ism us w urde zu erst von Karl R adek ein von den H am b u rg ern D r. H einrich L au fen b erg un d Fritz W olffheim in d e r d eu tsch en A rb eitersch aft p ro p a g irte r G edanke belegt;

Die P resse d e r Rechten, die sich m ehrfach m it dem neuen Begriff beschäftigte, h a t en tw ed er die von den G en an n ten e n t­

wickelten G edan k en m iß v erstan d en o d e r von den konfusen A b­

sichten bestim m ter p riv a te r Zirkel ih res L agers gesprochen, w enn sie b eh au p tete, d e r N ational-B olschew ism us habe das' Ziel, ein bolschew isirtes D eu tsc h la n d in d ie A rm e R ußlands zu werfen, um m it einer deu tsch -ru ssisc h en R othen A rm ee am Rhein den versailler V e rtra g und noch einiges A ndere zu zer­

brechen. L au fen b erg u n d W olffheim , die W o rtfü h rer, Beide entschiedene V ertreter d e r au f revolutionärem ' W eg e zu e rric h ­ tenden G em einw irthschaft, B eide w egen ih re r B ekäm pfung d es B urgfriedens im K rieg ins G efängnis gesteckt, Jen e r noch kürz­

lich h o ch g ee h rt d u rch eine d e u tsc h n atio n ale Interpellation, d ie von d er R eichsregirung den H o ch v erra th sp ro ze ß gegen ihn fo r­

derte, haben d en N ational-B olschew ism us d e u tsc h n a tio n a le r V orstellung abgelehnt. ,Es ist festzustellen, d aß d e r B olschew is­

m us d ie P a rte ih e rrsc h a ft d e r Bolschew iki b ed eu tet un d d aß w ir fü r D eu tsc h lan d g ru n d sätz lich die H e rrsch aft einer P artei a b ­ lehnen und bekäm pfen. F ü r u n s ist d e r K om m unism us die O rg an isatio n des ganzen Volkes nach den G ru n d sätzen u n d B edürfnissen seiner w erk th ätig en Schichten zum Zw eck d e r D u rc h fü h ru n g d er G em ein w irth sch aft nach B eseitigung d e r kapitalistischen W irth sch aftfo rm . D ieser K orhrntinism us ist in­

sow eit national, als er eine geschlossene V olksorganisation zu schaffen berufen ist u n d sow ohl in d en rev o lu tio n ären wie in den konstruktiven T endenzen in d e r G eschichte des L andes w u r­

zelt. D ieser ,n ationale K om m u n ism u s' w ird iin allen L än d ern geschlossene kom m unistische V o lk s w irts c h a fte n schaffen, d ie

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2 4 8

sich föderalistisch zur W eltkom m une vereinigen. Er schließt in sich alle revolutionären nationalen u n d alle proletarisch inter­

n atio n alen Tendenzen e in .' (H a m b u rg e r K om m unistische A r­

beiterzeitung vom vierzehnten A u g u st 1920.) W as diese poli­

tische B ew egung in ihrem Ziel von den Zielen d e r offiziellen Politik d er sozialistischen P arteien unterscheidet, ist also die F öderation freier N atio n en in nerhalb einer au f revolutionärem ! W eg anzustreb en d en kom m unistischen W elt-W irthschaft-E inheit.

Sie fo rm u lirt se h r b estim m t den A n sp ru ch d e r proletarischen V olks-A utonom ie, h ält sich die H än d e frei geg en ü b er jenen A bsichten der im m o sk au er P arteifa h rw asser segelnden D ritten Internationale, die nach ih re r M einung a u f die S chaffung r u s ­ sisch er G lacis zw ischen W eichsel u n d Rhein abzielen, w endet sich gegen die w irre V o rstellu n g von einer In tern atio n ale als einem allgem einen Völker- un d M enschheit-B rei, b e to n t d ie W irth sch aft-In tern a tio n a le und h ält den K om m unism us n ich t fü r d a s Privileg einer Klasse, so n d ern fü r die N o th w en d ig k eit d e r V olkseinheit. In d e r H e rv o rh e b u n g d es Begriffes d e r V olkseinheit ab e r greift d er N atio n al-K o m m u n ism u s die b ü rg e r­

liche F ro n t an einer ihrer em pfindlichsten Stellen an. Er be­

reitet A n g r if f e vor, die u n ter U m stän d en zur schw eren E r­

sch ü tte ru n g dieser F ro n t fü h ren können. W ir erheben gegen die bürgerliche K lasse m it H artn äck ig k eit die Anklage, d a ß sie niem als n ational gew esen ist, daß . sie vielm ehr die T o t­

feindin der freien N atio n ist. K apitalism us zerreißt d a s Volk, d as eine E inheit sein sollte, in K lassen, G ru p p e n u n d Schichten eines w üsten System s u nterschiedlicher L ebenshaltung. W er sich fü r die kapitalistische W irthscjhaftweiise einsetzt, m uß n o th w en d ig fü r K lassen sch ich tu n g sein, m uß n o th w en d ig d er H in tertreib er d er V olkseinheit, d e r Feind d e r N atio n sein.

O h n e G em ein w irth sch aft keine freie N ation. D er K om m unis­

m us e rs t schafft die V olkseinheit, indem er die G lieder des Volkes, jedes einzelne Individuum an seinem Platz, in eine O rg an isatio n G esellsch aft e rh a lte n d e r A rbeit ein sp an n t, an deren E rtra g Alle gleichen A nteil haben sollen. D er B ürger ist d e r a n tin atio n ale M ensch. Er h a t uns ins U nglück ge­

stürzt. E r w ird w eiter die W elt in B lut und T h rän en baden.

M it dieser D e u tu n g d es nationalen M om entes gelangen wir zu d e r (in d e r proletarischen B ew egung zu lange vernachlässigten) A n­

sc h a u u n g vom W esen d er S taates, die sich im A nfang d e r B ew egung d u rch Lassalle skizzirt findet. Ist die U rsach e d e r K lassenscheidung und d am it sie se lb st beseitigt, d an n erscheint

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Im Schaum der Huth 2 4 9

d e r S taat n ich t m ehr als die d e r Vol'ksieinheit und ih re r Freiheit hinderliche und schädliche E inrichtung, ersch ein t nicht m eh r als eine einzige A u sb eu tu n g fu n k tio n des K apitals, so n ­ dern als die o rg a n isirte M acht d e r neuen klassenlosen G esell­

schaft, die sich als O rg an isatio n m it dem In h a lt und den G ru n d lag en d er neuen G esellschaft deckt. L assalle sag t: ,D er einzige A usw eg fü r die A rb eiter kann n u r d u rc h die S p h äre g ehen, innerhalb deren sie noch als M enschen gelten, also d u rch den Staat, d u rc h einen solchen aber, d e r sich' Dies zu seiner A ufgabe m achen w ird, w as a u f die L änge d e r Z eit unverm eidlich ist. D a h e r d e r instinktive, aber, g ren zen lo se H aß der liberalen B ourgeoisie gegen den S taatsb eg riff selb st in jeder seiner E rsch ein u n g en .' W ir lehnen es ab, uns als P artei zu organisiren. W ir sehen in den P arteien O rg a n isa tio n ­ form en, wie sie d e r E ig en art u n d d en Zwecken d es B ü rg erth u m s im politischen K am pf en tsp rech en . D a w ir den K om m unism us fü r die O rg an isatio n des ganzen Volkes un d seine W irth sc h a ft fü r die L ebensfunktion d es V olksganzen halten, können wir unsere 2iele im P arteigew ühl des T ages n u r erreichen, w enn die B ew egung von vorn herein au f T on u n d Form en einer V olksbew egung ein g estellt w ird. Ich w ollte n u r über einige P u n k te d er theoretischen G ru n d lag e d e r Bew egung, die in d e r P resse en tw ed er totgeschw iegen o d e r verzerrt w iedergegeben w erden, sch reib en ; d e r V ersuch, die politische Behandlung!

konkreter F ragen anzudeuten, hätte den R ahm en dieses Briefes ü b erschritten. F r i e d r i c h W e n d e l . "

Diese D eutung des M odewortes ist vernünftig, also er­

freulich. H err W endel m uß aber wissen, daß in M oskau die Herren Lenin und Radek, in Berlin sowohl der tapfere Kom­

m unist Franz Pfemfert wie der Vortrab der Kommunistischen Centrale, K A P D und Spartakusbund, in dem N ationalbol­

schewismus ein Gewächs aus ganz anderer W urzel sehen.

O f f iz ie r u n d G e m e in e r

Dem H auptm ann, der vor vierzehn Tagen hier sprach, antwortet Einer, der vier Jahre im Feld ganz vorn stand:

„Sie stellen die V erfehlungen einzelner O ffiziere und die zahlreichen D iebereien der M annschaften auf eine Stufe. D arf m an D a s? Ein Offizier, b e so n d e rs d er aktive, ist für seinen B eruf erzogen w orden, e r s te h t an sich tb a rer Stelle, die A ugen d e r Leute sind auf ihn gerichtet, er h a t B efehlsgew alt und

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V orrechte. Er w ird natürlich keine R egenm äntel und K on­

servendosen stehlen'. D as h atte er auch g a r nicht nöthig. Er bekam m indestens d re ih u n d e rt, d er G em eine höchstens fünfzehn M ark im M onat. W ie ab er w irkte es au f die M annschaft, w enn solcher O ffizier einen erheblichen Teil der L iebesgaben für sich behielt, w enn sich ein a n d erer O ffizier fü r seine d rei­

h u n d e rt H ü h n e r den Reis aus d e r M annschaftküche sackweise kom m en ließ o d e r w enn e r m ii seinem Z ah lm eister zusam m en eine K aniine hielt, die ein V erm ögen e in b rac h te? Ein solcher Fall rich tet m ehr U nheil an, als zw anzig an stän d ig e Offiziere w iedergutm achen können. W enn Zwei das Selbe tun, ists n ich t im m er d a s Selbe. Von L euten, die, o hne R ücksicht auf ihre m oralische V erfassung, n u r nach ärztlichem G u tach ten in d a s H eer ein g ereih t und vom K rieg v erro h t w orden si'nd, isi n icht d a s Selbe zu fo rd ern wie von dem w ohlerzogenen Offizier, d er au s g u te r Fam ilie sta m m t und eine P ro b ezeit d u rch m ach en m ußte, bevor e r w ü rd ig befunden w urde, seinem K önig den Eid zu leisten. "Hier sollen n icht etw a b e so n d e rs g ra sse Fälle h erv o rg esu ch t w erden, die, wie ich annehme!, A u sn ah m en w aren, w enn auch nach m einer persönlichen E r­

fa h ru n g leider nicht allzu seltene; ich will n u r an D inge e r­

innern, die, weil allgem ein übliph, nicht w eiter auffielen, all­

m ählich ab er einen se h r trüben Einfluß a u f die Stimmung:

hatten. Sie sind, H err H aupcm ann, gew iß viel öfter als ich in K asinos und U n terstän d e n d e r O ffiziere gew esen. H aben Sie sich einm al klargem acht, w o h er die schönen Spiegel stam m ten, die K orbsessel, Sofas, D ecken, Bilder an den W ä n ­ d e n ? G lau b en Sie, d a ß D ies, Alles, ehrlich gekaufte Sachen w aren o d er res derelictae, die m an aus bren n en d en Schlössern g e re ttet h atte? N ach m einen E rfah ru n g en tru g es sich an d ers zu. D er Offizier hatte d a s B edürfniß nach M öbeln, nach einer etw as .kultivirteren' A u ssta ttu n g , wie es ja auch verständlich

ist. E r äu ßerte seinen W u n sch dem W ach tm eister oder Feld­

webel. D er g ie b t .ihn als Befehl w eiter an ein j>aar h a n d ­ feste Jungen. D iese kennen ,m anch verborgenen S chatz', greifen zu u n d laden auf. M an n e n n t es ,nequiriren'. W ir kennen vielleicht den feinen U nterschied zw ischen requiriren und stehlen. D er einfache M ann stellt n u r fest, daß es sich in beiden Fällen um eine m e h r o d e r m in d er energische E igenthum s- ü b e rtra g u n g handelt, fin d et sie ungem ein praktisch und m erkt sichs fü r Fälle, die ihm noch n ä h er an die H a u t gehen. Ein an d erer V organg. F ür die O ffizierküche w ar B utter beschafft

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Im Schaum der Fluth 251 w orden, und zw ar so viel, d aß ein Thieil fre ih ä n d ig verkauft w erden konnte. P reis: fü r O ffiziere 1,50, fü r M annschaften 3 M ark. Es w ar noch die Zeit, in d e r m an die A u to rität d er V orgesetzten nicht besser w ahren zu können glaubte als d u rch die konsequente Z w eitheilung: fü r Offiziere, fü r M annschaften.

N ich t n u r die L atrinen erfreu ten sich dieser E in rich tu n g ; auch die Bäder, auch die E ßgeschirre, auch die B ordelle erinnerten d ara n , d aß es bis zur letzten N o th d u rft zweierlei Arten von M enschen gebe. In N oy o n w u rd e befohlen, d aß die M an n ­ schaften sich um N eun in ihren Q u artieren einzufinden h aben.

Es w a r näm lich u n an g en eh m .aufgefallen, d aß Offiziere a u f d e r P ro m en ad e m it jungen D am en von Leuten gesehen w orden w aren, allen voran d e r R egim entskom m andeur selbst, d e r sp ä te r die Folgen seiner abendlichen S pazirgänge auf einem längeren U rlau b zu kuriren s u c h t e . . . V orbei ist vorbei. M an ist froh, nichts m eh r d a m it zu th u n zu haben, u n d will endlich seine R uhe genießen. A ber w enn der V ersuch untern o m m en werden"

sollte, b ew ußt o d e r a u s U n kenntniß die D inge auf den Kopf zu stellen, d an n stehe auch ich' auf dem P lan, nach meinen, persönlichen E rfah ru n g en d arzulegen, wie sü n d :h'aft m it dem prachtvollen M enschenstoff des d eu tsch en Soldaten g e ä st w orden ist. N ich t ein M ensch au s einer an d eren Kaste d u rfte d e r Offizier sein, sondern p rim u s inter pares, d e r die Ehre, an d er Spitze seiner K am eraden zu stehen, m it noch g rö ß e re r O pferw illigkeit, m it dem V erzicht au f alle V orrechte sich1 e r­

w erben m ußte. Ich stehe n ich t an, auf G ru n d m einer vier­

ein h alb jäh rig en E rfah ru n g en zu b eh a u p te n , d aß bei völliger B ew ußtheit der V eran tw o rtu n g jedes F ü h rers niem als die E n t­

frem d u n g und der B ruch zw ischen O ffizieren u n d M ann­

schaften en tsta n d e n w ären, die letzten E ndes die R evolution e rst erm ö g lich t haben. P a u l H a a g . "

P r ü g e ls tr a f e

In der Lütt witzdämmerung, am dreiundzwanzigsten März*

abend, w urde dem Bankbeamten H esterberg an der Ecke der berliner Chaussee* und Invalidenstraße von dem Führer einer Sicherheitwehrpatrouile H alt geboten und der Ausweis ab*

verlangt. D er Führer behauptete, H esterberg sei erst nach dem dritten A nruf stehen geblieben, setzte ihm die Dienstpistole auf die Brust, ließ ihn dann weiter gehen, schlug ihn aber von hinten in den Rücken, erklärte ihn für verhaftet und

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ließ ihn in die Kaiser Wilhelm»Akademie, auf die Polizei­

wache, bringen. Unterwegs erhielt der Sistirte Stöße und Fußtritte. D a ihm die Arme festgehalten wurden, konnte er beim Betreten der W achtstube nicht den H u t abnehmen. D er wurde ihm vom K opf geschlagen; der H äftling aufgefordert, stramm zu stehen; vor seinem Auge ein M itverhafteter mit einem breiten Koppelriemen auf den halb entkleideten K ör­

per geschlagen, bis er das Bewußtsein verlor; der Zuschauer von dem W achthabenden gefragt, ob er nicht wisse, daß bei der Sicherheitpolizei die Prügelstrafe eingeführt sei, und nach der Verneinung angeschrien: „N a, dann passen Sie mal auf!“

D er Streifzugführer meldete nun, Hesterberg habe erst dem dritten A nruf gehorcht, auf die Frage nach seinem Ausweis

„Ausflüchte gemacht“, schlug dem Bankbeamten, der diese A ngaben ruhig bestritt, mit der Faust ins Gesicht und brüllte:

„W as? Ich hätte Sie nur einmal angerufen? W ollen Sie Das noch einmal sagen?“ Hesterberg schwieg und erwartete, daß ihn der W achthabende schützen werde. D er aber befahl, dem Verhafteten „D reißig aufzuzählen“. M antel herunter, über einen Schemel gelegt und M inuten lang von mehreren Sicher­

heitwehrmännern mit Koppelgurten geschlagen. Danach sagte der W achthabende: „D en Kerl möchte ich noch schwimmen lassen!“ Des H errn W unsch ist Befehl. Zehn M inuten lang m uß Hesterberg draußen die Treppe hinauf und herunter laufen; weil der Lahmgeschlagene nicht schnell genug springt, erhält er von dem Streifzugführer Ohrfeigen und Fußtritte, D utzende; dann wird er entlassen. Am nächsten Tag be­

scheinigt der A rzt unförmige Geschwulst, Entzündung, blaue H autfärbung, blutrothe Striemen; die Geh- und Sitzbeschwer­

den werden noch Tage lang dauern. In der sechsten W oche antwortet der zu Sühnung angerufene Polizeipräsident:

Berlin, den elften Mai 1920.

D er Polizeipräsident.

Sicherheitpolizei.

Ju stizab teilu n g T gb.-N r. 4200/20.

A uf Ihre B eschw erde vom zw anzigsten M ärz 1920 ca. über die B eh an d lu n g d es B ankbeam ten H e sterb erg auf d er W ache in d er K aiser-W ilhelm s-A kadem ie theile ich Ihn^n mit, daß d ie

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Im Schaum der h'Iuth 2 5 3

E rm ittelungen ergeben haben, d a ß H err H esterb erg n achts um Viertel Zw ölf e tw a die Ecke Invaliden- u n d C h au sse estraß e passiren w ollte, trotzdem d e r V erkehr in nerhalb d e r Sperrlinie zw ischen neun U h r a b e n d s u n d fü n f U h r m o rg en s verboten w ar. A us diesem G ru n d e w aren die S treifm annschaften be­

rechtigt, H errn H e sterb erg an zu ru fen un d anzuhalten. T rotz fünfm aligem A nruf sta n d H e ste rb e rg e rst, als d e r Beam te seinen K arabiner zum Schuß, fertig m achte. Als e r nach seinen P er­

sonalien ge frag t w urde, m a ch te e r A usflüchte un d versuchte die B eam ten in A u sü b u n g ihres D ien stes lächerlich zu m achen.

D a ra u f w u rd e er zur W a ch e zw angsgestellt. H ier m achte er d e r gesam m ten W a c h m an n sch aft ä u ß e rst la u t heftige V orw ürfe ü b er seine angeblich zu U n re c h t erfolgte Festnahm e. In A n­

b e tra c h t d er erreg ten Z eiten u n d d e r exponirten Stellung, w elche d ie P osten an d e r C h aussee-Invalidenstraße-E cke hatten, w o sie jeden A ugenblick m it einem U eberfall rechnen m ußten, w ar es ihre Pflicht, g rü n d lich d u rchzugreifen und jedes Ver­

gehen zu ajin d en . D aru m hatte d er W ach th ab en d e, nachdem ihm d e r S ach v erh alt e rk lä rt w ar u n d e r d en H esterb erg auch:

w egen seines V erhaltens auf d e r W ache zurechtgew iesen hatte, befohlen, ihm ach t bis zehn H iebe m it einem Leibriem en auf d a s G e s iß zu verabfolgen un d ihn idanm zu en tlassen . Z,u( dieser M aßnahm e w a r d e r W a c h th a b en d e berechtigt, nach einem Be­

fehl des dam aligen A b sch n itts-K o m m an d eu rs (O b erst R ein­

hardt.) d e r R eichsw ehrbrigade XV, d e r die Sicherheitpolizei*

d o rt un terstellt w ar. In diesem Befehl w ird bei leichteren V er­

gehen u n d D um m enjungenstneichen zur V erm eidung u n n ö th ig er H ärten eine g eh ö rig e T ra c h t Prügel angeordnet.

Die Beam ten w u rd en d a ra u f hingew iesen, von einem d e r­

artigen V erfahren in Z u k u n ft A b stan d zu nehm en. Es w u rd e das E rforderliche gegen sie disziplinarisch von m ir veranlaßt.

g'ez. U n te rsc h rift: K om m andeur G . 2 1 ./5.

Die Klage gegen den vom Innenministerium vertretenen Preußischen Fiskus wird erweisen, ob die Angaben der Be«

schuldigten richtig sind. Einerlei. Ein Bankbeamter, der von einem Besuch in der Chausseestraße nach H aus, in die Luisen«

straße, gehen will utid nicht weiß, auch nicht zu wissen braucht, daß der Befehl irgendeines bramsigen H äuptlings die Invalidenstraße sperrt, wird verhaftet, auf die W ache ge*

schleppt, unterwegs m ißhandelt, angebrüllt, auf Befehl des

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Die Zukunft

W achthabenden über den Schemel gelegt und w undgeprü­

gelt. O b man menschenähnliche W esen, die solchem Schand- befehl gehorchen, bedauern oder verachten will, ist Geschmack­

sache. Das Polizeipräsidium, dessen Chef, versteht sich, ein Sozialdemokrat ist, bequem t sich nach sechs W ochen in das spottbillige Zugeständniß, daß „von einem derartigen Ver­

fahren in Z ukunft A bstand zu nehmen sei“ ; wagt aber die Behauptung, das Verfahren sei „berechtigt“ gewesen. D enn O berst Reinhardt habe, „zu Vermeidung unnöthiger H ärten“ , die Prügelstrafe wieder eingeführt. D a gegen diesen O berst Reinhardt, den (sammt dem ihm Vorgesetzten H errn N oske) Hauptverantwortlichen für die Erm ordung von neunund­

zwanzig unschuldigen M atrosen, nie auch nur ein U nter­

suchungverfahren eingeleitet worden ist, wird ihm noch jetzt nichts geschehen. A u f die Anzeige hat das zuständige Kriegs­

gericht in zwei M onaten noch kein W o rt des Bescheides von sich gegeben. D a dem Gesindel, das im Frühjahr Juden und Russen ohne den winzigsten G run d in ein Gefangenenlager verschleppt und gepeinigt hat, nicht ein Härchen gekrümmt worden ist, wird auch der schamlose Streich gegen H errnHester- berg vielleicht ungesühnt bleiben. Kalchas weiß, warum. Seit Jahrzehnten darf D eutschland sich rühmen, die erbärmlichste Strafrechtspflege aller civilisirten Länder zu haben und Justiz­

schmach zu dulden, die anderswo die Steine in A ufruhr risse.

W er jetzt noch von Recht redet, wird ausgelacht. H errN oske ist O berpräsident von Hannover, Herr Ernst Polizeipräsident von Breslau, H err W eißm ann Staatskommissar für öffentliche O rdnungjdie H erren H elphand, Sklarz, Strauß sind Beglücker der Menschheit, und wenn die Unabhängigen nicht vorM os- kaus Bann und Radeks Flitzbogen Angst kriegen, erleben wir schließlich noch den Hirsch, Ottom ars Liebling, als Bürger*

meister von G roß-Berlin. N ichts regt sich um uns her. Keiner wirft, angeekelt von einem Staats wesen, das M örder, Gauner, Schieber, Spieler, Rechtsbrecher aller A rt in Glanz thronen läßt, den Kram hin. Ich bin auch nicht gewiß, daß H err W erm uth lieber ginge als neben einem H errn Hirsch säße.

So leben wir. D er schlichte Fall Hesterberg aber sollte selbst den stumpfsten Bourgeois aufrütteln. Tat«Twam*Asil W as

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Im Schaum der Fluth 2 5 5 dem jungen Bankbeamten angethan worden ist, kann mor*

gen D ir, Deinem Söhnchen, Deiner Tochter geschehen. Viel*

leicht, Burjoi (so nennt der Russe den „Bourgeois“), erprterst D u mit Deinesgleichen mal die Frage, w ann, endlich, in diesem schönen Lande ein Reichspräsident gewählt wird, der nach dem Rechten sieht, dem Recht überall A chtung er­

zwingt und dem Kollegen H orthy die M öglichkeit nimmt, lästigen Kritikern lächelnd das Bild Deutschlands zu zeigen.

F ü r s t e n b e r g

H err Karl Fürstenberg, Senior»Geschäftsinhaber der Ber­

liner Handels*Gesellschaft, ist siebenzig Jahre alt geworden.

N u r ein Bankdirektor: meide, o Römer, die N ähe der pech­

schwarzen Seele! W er sich hochmodern dünkelt, den Ka­

pitalismus in Todeskampf, die Sozialisirung auf dem Marsch sieht, hat sich gewiß an einer Variante des horatischen Niger- WorteS gelabt und w üthend das Blatt zerknüllt, das „mal wieder einen gerissenen Profitmacher feiert“. W as standdrin?

Ungefähr, denke ich mir, was jedesmal drin steht, wenn Einer, Arzt, General, Bildhauer, Koofmich, Sanskritforscher, Sieben­

zig geworden ist. Zierde des Berufes, von allgemeiner Verehr­

ung umringt, kein Sonnenfleckchen, jugendlich rüstig, langer Lebensabend; und so. In unserem Fall wird wohl noch der

„weithin berühmte H um or“, der „witzige K opf“ des Jubilars allerlei Schmackliches abbekommen haben, das ihm durch»

aus gebührt. W ir wollen im Menschlichen bleiben. Ich bin nicht zu U rtheil über die berufliche Lebensleistung des Bank­

mannes Fürstenberg berufen, über die ich von Enthusiasten viel, nicht ganz selten auch Hämisches gehört habe. A us ernster G efahr hat der in Danzig Geborene, den der alte Gerson Bleichroeder, Bismarcks Bankier, ungern aus einer Vertrauens»

Stellung scheiden sah, die Berliner Handels-Gesellschaft durch allen W andel der Zeit in den Dauerzustand kernfester G e­

sundheit geleitet, in dem sie Krieg, Niederlage, O rdnung­

umsturz nicht nur zu überdauern, sondern in den besten Status ihres Seins zu gelangen vermochte. Das ist nicht wenig;

und Caroli Feinde selbst sagen seit Jahrzehnten: „D ie H an ­ delsgesellschaft ist Fürstenberg; mochten noch so tüchtige Leute um ihn sein: alles Entscheidende kam von ihm und

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2 5 6

kein A nderer hat eine Bank so in der H and wie er seine.“

M ancher schalt ihn halsstarrig, zieh ihn der Sucht, aus der Reihe zu springen, „Alles anders zu machen“, und rechnet ihm heute noch ein D utzend erwiesener Fehlernach. Ich nehme sie als erwiesen an. Et alors? Dieser herrliche Eigensinn giebt dem M ann das Gesicht. W ärs Einer aus der vollen Schachtel:

wozu just ihn betrachten? H ier ist ein Mensch mit seinem W id ersp ru ch ; auch Einer, der für Deutschland was geschaffen hat. D rum wollen wir unsfreuen,daß er ist,und w ünschen,daß er lange aufrecht bleibe. Vor Jahren, nach der düsseldorfer G eneralversam m lungder „H ibernia“,die ergegenden preußi*

sehen Fiskus schirmte, schrieb ich: „Aus runden Augen, w ie ein uralter, furchtbar kluger Fabelpapagei, blickt erauf das Ge*

tümmel herab und preßt, unter dem noch nicht ergrauten Bart, die Zähne zusammen, dam it von den unzähligen W itzen, d ie sein rasch und lustig assoziirender G eist gebiert, nicht etwa zu Unrechter Zeit einer auf die Lippe gelange. In den Pausen erleichtert er sich. H at für Jeden, der ihn wichtig dünkt, ein angenehmes W o rt, eine blühende G uirlande, schwich*

tigt hier, stim ulirt dort, löscht mit behutsamem Finger glim*

mende Dochte, ist, je nach Bedarf, Stratege und Vermittler, Kyniker und bon enfantjund läßt in jeder G ruppe mindestens eine Leuchtkugel steigen, der Alles lachend nachstaunt. Eine bewunderswerthe Vitalität und eine Gewandtheit, die in keiner Fährniß versagt.“ So ist, genau noch so, der offizielle Für*

stenberg. M it beiden Füßen auf der Erde kapitalistischer W irthschaft (ich glaube nicht, daß er eine andere sich im Ernst vorstellen kann); aber meilenweit von Protzerei und A usbeuterdrang. Jude, „der ganz nur Jude scheinen möchte“

(wie der schlechtere Geschäftsmann N athan aus Jerusalem ):

und in die deutsche Heim ath doch so innig verliebt, so blind vernarrt, daß er nicht eine M inute lang an ihrer Genesung­

zweifelt und die Sehnsucht nach Zion wohl noch unbegreif*

licher, unvernünftiger findet als die nach einer Kommunisten*

gesellschaft.DieStunden fruchtbarer Geschäfte sind verloschen.

D iesen aber einen großen Finanzplan darstellen, mit dem W ortw eikzeug konstruiren zu hören, ist Dem selbst, dessen Laienverstand mühsam auf Zinnen, in Keller folgt, noch je tz t ein die Kunstsphäre des Empfindens streifender G enuß. D a

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Im Schaum der Fluth 25 7

ist, auf dem Berufsgebiet, wohl sein persönlichster Reiz: der im W esen ganz schlichte, gar nicht „kom plizirte“ Mann, der nie den Kenner oder Maecenas gespielt, nie Titel oder an­

deren Fassadenschmuck begehrt, alles Oeffentliche, wo ers irgend konnte, gemieden hat, ist nicht Handwerker, nicht feierlich gespreizter Bankbureaukrat, weder Routier noch Faiseur, sondern, auf seine A lt, Künstler (das lateinische artifex paß t noch besser). W as ihm gelang, dankt er seiner Finanzphantasie; was ihm in die H and wuchs, hatte diese H and, nach dem Rath seines unbeirrbar eigensinnigen Kopfes, selbst gesät. U nd der U rfeierlichste nimmt sein Geschäft so heilig ernst wie je ein um Kunstschöpfung biünstig Rin*

gender. Ist ganz und gar, was die Althansen einen ehrbaren Kaufmann nannten. Unversöhnlich Jedem, der mit fremdem G eld leichtfertig gelüdert hat. Spöttisch vor allen Theorie*

Spinnern, Rezeptausschreiern, W eltbeglückern aus den Be*

zirken der W irthschaft, „wo mans doch machen könnte, rieh t nur zu sagen brauchte“ ; selbst aber, wieder auf seine beson*

dere W eise, „innerlich voll Figur“ . W ährend, im letzten Jahr*

fünft, aus der Finanz* und Industrieschicht einG ekribbel, mit Denkschriften, Gutachten, Rathschlägen, Zeitungartikeln, Bü*

chelchen, nach vorn, in Aemter oder wenigstens ans Licht, in den Beifallsbereich drängte, blieb er still im D unkel. „W enn ich meinen Kram so gut in O rdnung bringe, daß ich mit ruhigem Gewissen einesTages einem Jüngeren Platz machen kann, ists immerhinEtwas; unter dieDenkschriftsteller tauge ich nicht.“

D raußen unkten liebe Kollegen: „W as ist denn mit Fürsten*

berg? M an h ö rtja niemehr von ihm. W ohl altgew orden.“ Jün*

ger als mancher Vierziger. Auch nicht fern von Beschäftigung mit dem großen Gegenstände deutscher W irthschaft von heute und morgen. N u r von N atu r aus Praktiker und ohne den Ehrgeiz, aus dem Gläschen, das seinem D urst genügt, die auf hellem M arkt umschlungenenM illionen trinken zu sehen. Ar*

tifex und N aturbursch, der das W andern, de ndeutschen W ald, Bayerns Berge, die N ordsee und Bismarck (seinen) liebt und bis zum letzten W ank lieben wird. „Fürstenberg intime“ wirkt jünger als der offizielle. H at den Charme (und, ein Bischen, denK opf sammt dem Bäuchlein) desK ingE dw ard.N ie müde, nie mürrisch; stets „fit“. Ein gütiger, im würdigsten W ortsinn

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Oie Zukunft

freundlicher Mensch, der sich ohne Innenzwang in G efühl und Sprache des M ühsäligen finden kann, in seinem Macht»

bereich U nrecht nicht dulden möchte und in Freudenberei*

tung seine beste Freude, leis, in Schlückchen, genießt. U nser Freund Ballin sagte mal: „Carlos ist der Einzige, bei dem ich ganz sicher bin, daß er in den Himmel komm t; es wäre ja eine enorme Dummheit, für dieses Lokal sich einen Men»

sehen entgehen zu lassen, der solches Behagen um sich ver<

breitet.“ Trotz seinem von tausend Flügelworten himmelan, bis an den Sonnenwagen des Ruhmes, gehobenen W itz? D er kann stechen wie eine geärgerte W espe; kitzelt meist aber nur und läßt, auch wo er gekratzt hat, kein G ift in der winzigen H autw unde. Die Fähigkeit flinkster Assoziation einander ferner V orstellungreihen; blitzschnelle E rtastungder Schwäche und Lächerlichkeit von M enschen und allzu menschlichem Streben; die freundlichste Stimme formt unter dem lächeln*

den Auge, das dem O pfer herzig zuzunicken scheint, aus blanken W orten ein kleines Geschmeide. O hne die A ufm erk­

samkeit rufende Vorbereitung, ohne A pplauspause; „ohne alle A pparate“, nach dem A usdruck der Salonzauberer, die drauf reisen. Zwei Beispiele. „Ihre Kollegen haben, fast alle, sogar weniger verdienstvolle,Titel; ist denn gar nicht möglich, auch für Sie einmalEtwas zu th u n ? “ „D och.Excellenz; nur, fürchte ich, selbst m it ihrem Einfluß können Sie mir das Einzige, was mich glücklich machen würde, den Konsistorialrath, nicht verschaffen.“ Ein Erhabener spricht: „Sie sollen ja der klügste Bankdirektor von Berlin sein!“ (So sprach ein Erhabener.)

„D as habe ich den Leuten so lange eingeredet, bis sies glaub»

ten; daß mirs gelang, spricht für das gute Herz der A nderen.“

So knattert es, sprudelt, zischt; und der W irker ist niemals ,,en representation“, nie in Verdacht, hinter dem Rücken der H örer seine W itzmaschine zu ölen. Er ist ohne N eid, stets willig zu Bew underung des Könners (wie andächtig hat er den in Beschränkung meisterlicher Schöpfer Emil Rathenau geliebt!), stets, freilich, auch, den Phraseur und Mächler zu pritschen. W itzige Köpfe werden leicht grämlich, wenn Kon*

kurrenz ihnen ins Gehege bricht. Dieser freut sich des Scherzes, wetzt an jedem gern G eist und Schnabel. Von unten auf bebt dann der kurze, in ansehnlichem Polster doch elegante

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besondere sie verpflichtet, Rüstungen vorzunehmen nach den Plänen der Hauptmächte (Artikel VIII), Grenzen fremder Staaten zu schützen auf Befehl der Hauptmächte

schätzen die Entschlossenheit des Gegners. Das Ruhrgebiet würde von dem Rest Deutschlands abgeschlossen.. lieh, dat) die entrüsteten Bergarbeiter die Gruben

Die Entwaffnung müssen wir ehrlich durchführen und nicht neue Hinterthi^ren zimmern. Die Offiziere, die noch immer von Revanche träumen, mögen sich sagen lassen, daß im

Wenn wir auch die Entscheidung über die künftige Taktik dem am Sonntag zusamm entretenden Parteiausschuß und der künftigen Reichstagsfraktion überlassen wollen, so

Vor die Regirung sollen die w irtsch a ftlic h en Stände nicht als Bittende, sondern als Bestimmende 'treten: sie muß unsere Re­. girung

reichen Deutschland ein Sozialist wenige W ochen nach dem1 endgiltigen Friedensschluß, inmitten tobender Erregung über die Kriegsgräuel der besiegten Nation, den

bauscht und bläht, bis er Schwulstfalten wirft, in die der Tape- zirer sachthäßlicheModernitätstopfenkann.WelcheWunderhof- krüppel sind aus dem Tannhäus er, dem Holländer,

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