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Die Zukunft, 25. September, Jahrg. XXVIII, Bd. 110, Nr 52.

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(1)

XXVIII. Jahrg. Berlin, den 25. September 1930 Nr. 52

ie ukunfit

Herausgeber

Maximilian Harden

IN H A L T

Seite

Unter dem H e r b stp u n k t...357 Eine Heimkehr. Von Karl V o l l m o e l l e r ... 383 Kriegsgesellschaften... 388

Nachdruck verboten

E rscheint jed en S onnabend

Preis vierteljährlich 22 Mk., das einzelne Heft 2.00 Mk.

BERLIN

V e r l a g der Z u k u n f t

SW47, Großbeerenstraße 67 1920

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k e n n e n su ^artetyorflf

7 IHennen

W ie n e r R e s t a u r a n t S S S t S

Z e n t r u m 4 0 8 6

R R Z I W A N E R

P i l s n e r U r q u e l l = W e l t b e r ü h m t e Küc he

Rennen zu Grnnewald

( U ’n i o n - J ¥ ! u 6 )

Donnerstag, den 30. September, nachminags 1 Uhr

7 k e n n e n

Regina - P alast am Zoo Reeg "&b Amoid

(Kaiser- Wilhelm- Gedächtnis-Kirche) Telephon: Steinplatz 9955

Kurfürstendamm 10 und Kantstraße 167-169

~^und abends: S

Erstes Intern.Kammer-Orchester

Dirigent: O tto H a r tm a n n . Konzertmeister: C .B a r th o ld y . Am Flügels W. L a u te n s c h lä g e r

R e n n e n z u G r u n e w a l d

(Union-Klub)

Freitag, den 1. Oktober, nachmittags 1 Uhr

7 Rennen.

—— D r . H o fffb a u e r's ges. gesch.

Yohimbin -Tabletten

■ R einstes Yohimbin ohne Jeden Zusatz

gegen SchuwSchezustände beiderlei G eschlechts.

O rlginal-Packg. 50 St. 29,50, 100St. 58,—, 200 St. 115,—- L iteratu r versendet g r a t i s

Elefanten - Apotheke, B erlin 414, Leipziger Str. 74 (Dönhoffplatz).

Amt C entrum 7192

(3)

Berlin, den 25. September 1920

Unter dem Herbstpunkt

Z o d i a k a l l i c h t

A uch der A bgeordnete Erzberger h at n u n in einem Buch („E rlebnisse im W eltk rieg “) erzählt, d aß er von 1914 bis 19 Alles richtig vorausgesehen, gedacht u n d gem acht habe.

A lle sahen, dachten, hand elten richtig; was d raus w urde, ist offenbar. In dieser ganzen M itschuldigenliteratur ist nicht Einer so m uthig, von b lend en der Selbstliebe K einer so frei, d aß ih m B ed ü rfn iß w urde, sich irgendeines kleinen Fehlers zu zeihen. D am it ist eigentlich schon Alles gesagt. G anz so langw eilig wie die H au p tw älzer der G a ttu n g ist der Band des H errn E rzberger nicht; frischer, b u nter, vom H au ch nei*

densw erther, aus dem fetten B oden des süddeutschen Ka#

tholizism us erw achsener Z u friedenheit m it der eigenen Leist«»

u n g durchw eht. W ackere Jo urnalistenarbeit. Viel, freilich, schon altbacken; b rin g t D ir,Leser, der Stand in der K undenliste m anchm al noch Fleisch ein, d an n w ird, was ich meine, deut*

licher D ir du rch den häßlich m alenden A u sd ru ck bezeichnet, das M eiste schmecke, als sei es zuvor schon einm al gekaut w o r­

den. D e r Saft ist heraus. A b e r es w ird n ett angerichtet. U n d der K ellner freu t sich seiner B ehendheit, seines unerm üdlichen G etüm m els u n d pfiffigen R u ndkopfes so behäbig in rosigem Speck, d aß m itil;n d e rG a st m unter w ird . M anche schw ankende E rscheinung d ü n k t H e rrn E rzberger „feststehend“ . V on der Fiebertabelle, die seine A genten ihm vom zarischen H o f liefere ten, g lau b t er ablesen zu können, w ann guter Friede zu haben

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3 5 8 Die Zukunft

w ar. Fast alles ü ber N ik o lai u n d dessen Stuerm er G esagte ist g ru nd falsch oder w indschief. W ich tig er, als sie dem Verfasser scheinen, sind drei Stellen des Buches. In K onstantinopel sagt ihm M ark g raf Pallavicini, O esterreich*U ngarns B otschafter:

„ D ie T ü rk e i ist ein durch D eu tsch lan d galvanisirter Leich*

nam .“ D ip lo m aten u n d K aufleute, h ö rt er, sind in ihrem Ur*

th eil ü b e r das naum ännische G eschw ätz von einem alle Kriegs*

op fer b elo h n en d en „ M itteleu ro p a“ ganz einig. „ W e r von d e r deu tsch en Z u k u n ftw irth sch aft B erlin*B agdad spreche u n d hiervon fü r das deutsche V olk einen g ro ß en G ew inn erhoffe, sei ein geradezu gem eingefährlicher P hantast. D ie T ü rk e n nutzen uns im K rieg aus, wie es kaum ein zweites M al in d e r W eltgeschichte gewesen ist. D er stets sinkende K urs unserer M ark bietet den besten Bew eis.“ D e r Franc steht besser. D e r deutsche L andw ehrm ann verliert beim U m w echseln ein D rittel des arm säligen Soldes. D ie R egirerbande schiebt emsig u n d verd ien t an G o ld sp e k u la tio n ungeheure Sum men. D ie Leiter unseresSchatzam tes.unsererR eichsbank haben, seufzend, diese V erbrechen erm öglicht; u n d ihnen V orgesetzte haben, in trau*

tem V erein m it dem d u ften Reichstag, sich Jahre lang in Ver*

herrlichun g dieser G oldv ersch leu d erer erdreistet. H e rr Erz*

berg er w ar im Februar 1916 in K o nstan tino pel; danach erst ist die R egirergaunerei d o rt aber in nackte Scham losigkeit ge*

diehen. U n d jetzt sind die R äuberhau ptleute, die Massen*

m örder, v o r deren kalt glotzendem Blick Z ehntausende des eigenen V olkes v erh u ngert w aren, den russischen Kommu*

nisten zu K am pf gegen die „ A u sb e u te r“ verb ün det. Im Ju li 17 p ran g t der Reichstag in G lorie. A m T ag nach der be*

rü h m ten „F rieden sreso lu tio n“ w erden V ertreter der Fraktionen vom Kaiser em pfangen. D e r schw adronirt zuerst w ieder ü b e r die sechs Söhne, die er „im F eld “ habe. Einem der sechs B ehutsam en h at ein G eschoß den P o po gestreift; w orob er, wie ein zu T o d verw un d eter franzosirter H o fp reu ß e, auf*

schrie: „Es lebe der K önig u n d seine Jäg er!“ D e r selbe Psycho*

pathische h at sich neulich „aus V ersehen“ erschossen, da er,

nach einer heftigen Szene im Schloß D o o rn , doch n u r d urch

eine leichte V erw u n d u n g Papas Z o rn sänftigen u n d , als ein zu

Selbstm ordversuch Fähiger, interessant w erden w ollte. D ie

fü n f äu ßerlich N orm alen hat der alte deutsche G o tt vor der

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U nter dem Herbstpunkt 3 5 9

kleinsten Schramme bew ahrt. W as sprach W ilh elm am zwan»

zigsten J u li 17? „ U n te r der F ü h ru n g meines Sohnes Fritz hat die preußische G ard e den R ussen den dem okratischen Staub aus den W esten geklopft. W o m eine G ard e auftritt, giebts keine D em okratie! In zwei bis drei M o n aten ist Eng*

land erledigt. M eine Offiziere m elden mir, d a ß sie au f h o h e r See ü b erh au p t kein feindliches Schiff m ehr antreffen.“ H e rr F.rzberger rü h m t sich, diesem albernen G eprahl erw idert zu haben, d an n sei doch unverständlich, wie unser A dm iralstab in jedem M o n a t die V ersenkung von m indestens sechshun- d e rttau se n d T o n n en Schiffsraum m elden könne. „ M it un- williger Bew egung w andte m ir d a ra u f der Kaiser den R ücken zu.“ K anzler M ichaelis u n d Vicekanzler Helfferich sind an*

w esend. N aß fo rsch näselts weiter. „ R u m än ien sT reu b ru ch h a t schon die verdiente Strafe. D ie U ntere D o n a u w ird beiT scher- n a w o d a In s Schwarze M eer abgeleitet: dan n sitzt die In te rn a ­ tionale D o naukom m ission in Braila auf dem T rockenen. Sehr gut, d aß derR eichstag einen Frieden des A usgleiches w ünscht.“

(K lam m er des H e rrn E rzberger: „D ie R esolution enthielt ge­

rade dieses von der O b ersten H eeresleitung m it Z äh ig k eit ge­

forderte, recht unklare W o rt nich t.“) „A usgleich is’n ausge­

zeichnetes W o rt. D as h a t D e r da (er zeigt au f den ihn m it C igaretten bedienenden H e rrn H elfferich) erfunden. D e r A u s­

gleich b esteht näm lich darin, d aß w ir den F einden G eld u n d Rohstoffe, Baum w olle, M inette, O ele, w egnehm en, aus ih rer Tasche in unsere stecken. A u sg leich : famoses W o r t ! U ebrigens h at E n g lan d m it A m erika heim lich ein B ü n d n iß geschlossen, um nach dem K rieg m it Jap an abzurechnen. D as aber is schon m it R u ß la n d zum G eg en sto ß verb ü ndet. W e iß ich ganz genau. D ie vollkom m ene N iederlage E nglands giebts dies­

mal noch nicht. K om m t erst. A b er wenns so w eit ist, m ache ich die groß e V erstän dig ung m it Frankreich u n d dan n k o m m t mein Z w eiter P unischer Krieg, in dem ich den ganzen K on ­ tin ent gegen E ngland führe.“ N o c h m ehr eitlen A berw itz in ein paar Sätze zu pressen, wäre kaum m öglich; u n d die ern­

steren „K o n tin en talp o litik er“ m ag es grausen, w enn sie sehen, aus welchem H irn ihre d an n so zärtlich gehegte Schrulle kroch. A b er von den w ürdigen A b g eo rd n eten (ein von den Sozialdem okraten auserw ählter h eiß t E bert) erk ü h n t nicht ein

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3 6 0 D ie Zukunft

Einziger sich in ein W ö rtc h en des W iderspruches. „Sie sahen zu ihrem Schrecken, d a ß der Kaiser n ich t n u r nicht inform irt w ar ü b er D as, was sie w ollten, sondern fühlten sich durch seine W o rte sogar v erh ö h n t.“ D o c h kein Einziger errafft auch n u r d e n M u th zu der unterth än ig en A n d eu tu n g , d aß dieReso*

lu tio n des Reichstages nicht von der A b sicht au f gem einen Bauerfang bestim m t w orden sei. H e rr Scheidem ann, der auch in d asT abaksko llegium zugelassen war, hatte später sogar die Stirn zu der V erk ünd u ng, in dem G erü cht, der Kaiser habe ir»

gend was gegenD em okratie gesagt, sei von W a h rh e it keinFäser*

chen. A ll diese E hrenw erthen w agen h eu te noch, m itzureden;

u n d die belogene, betrogene N a tio n lä ß t sie als „führende M ä n n er“ in Kurs. D e r G edanke, die „F ried ensreso lutio n“

kön n e A nderes aIs„Falle“ sein, hätte diesen K aiser u n d ,leid er, diese H eeresleitung n u r heiter gestim m t. U n d m it ihnen hätten säm m tliche F raktio nen d er R eichstagsm ehrheit fröhlich ge*

wiehert, w enn die W estm ächte dum m genug gewesen wären, au f den K öder zu beißen. W e il sie dem Stunk fern blieben, erscholl dann der alte R uf: „ W ie d e r ist unser redliches An*

g eb o t m it H o h n u n d Spott abgelehnt w ord en !“ D ie süße Sippschaft hökerte ja immer m itE th o s,d em a lte n G o tt u n d der treudeutschen R edlichkeit. A n die dritte Stelle, der Beacht*

u n g g eb üh rt, b rin g t uns das A u to , das, im N o v em ber 18, den Staatssekretär E rzberger zum M arschall Foch fährt. A u f einem zerschossenen B auerhof bei S ain t*Q uentin spricht („ in ä u ß e rst kü h ler H a ltu n g “ u n d „nich t ohne Seitenhieb“ : so schreibt der O rg an isato r deutscher „ P ro p ag a n d a “) Ge*

neral D epenay zu dem K öm m ling: „Sie erhalten das Essen, das in unserer A rm ee jedem G eneral u n d jedem einfachen M an n vorgesetzt w ird .“ Suppe, Salzfleisch, Erbsen. Bei den Franzosen aß also der A rm eeführer wie der „G em eine“ . Er«

in n ert Ih r Euch noch, wie es in deutschen E tapen un d Stäben, gar höheren, zu gin g ? D as öde Fressen, das ewige G esauf.

„A ls V erpflegungbonze m achte ich m ich zuerst überall na*

türlich au f die Suche nach d em B o rch ard t des besetzten O rtes.

M eist wars die Firm a Felix Potin. W as an Sekt, B urgunder, gutem B ordeaux u n d C ognac zu greifen war, m ußte, m it den feinen Konserven, heraus. A u f dem T rockenen waren w ir nir*

g e n d s .U n d imm er konn te ich nach vo rn fahren, um Allem , was

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Unter dem Herbstpunkt 361

zu unserer G esellschaft gehört, eine Pulle Sekt zu stiften.“

H u n d ertm al haben wirs, so oder ähnlich, gehört. D ie M an n ­ schaft, die D örrgem üse („D ra h tv e rh a u “ ) in ihrem N ap f, allen*

falls schlechtes u n d theuer bezahltes Bier im Becher hatte, sah dann die B atterien leerer Flaschen, vom Pom ery#M agnum bis zum B enediktiner»D ickbauch u n d der gelben C hartreuse, sah das G eb irg der Blechbüchsen, aus denen H ü h nchen, Spar#

gel, G eflügellebern, B öhnchen, T rüffeln u n d anderes Leckere in die Küche, ins Kasino gelangt waren. D u rfte am Pfropfen u n d Blech riechen u n d von der O rd o n an z hören, wie hoch es nachts w ieder hergegangen u n d wie verferkelt danach m orgens der Saal gewesen sei. N ic h t Alle haben m itgem acht, Viele aus Ekel sich abgaw andt. D ie aber athm eten d an n in Eiskeller­

luft. A n der F ron t selbst h ieß es: „W ie die Kerls können w ir schließlich doch nicht leben.“ D iese M ein un g vertrat auch G eneral L udendorff in Berlin. D ie „K erls“ m alten m it K reide an die Z äune den Jam m ervers: „G leiche L öhnung, gleiches Essen: un d der Krieg w är’ längst vergessen.“ D u rfte nicht sein. N ie in neuer Z eit w ar irgendw o solcher U nterschied in L ebenshaltung u n d B ehandlung wie zwischen dem jü n gsten L ieutenant u n d dem ältesten L andsturm m ann des deutschen H eeres. Im französischen gabs kein G eschnauz, w eder unver- schäm teU eberh ebu ngn o ch feld w id rig e n D rill;u n d d e rG e n e ra l aß wie der Poilu. W ird nich t schon dad urch A llerlei e rk lärt?

D i e W a g e s c h w e b t

A uch von diesem Buch b leib t der E in druck: W as ge­

w orden ist, m ußte w erden; m it solchem K riegsherrn, solchen Paladinen, M inistern, V olksvertretern w ar ein anderes Ende unm öglich. D e r A u to r? Z ugleich m it seinem B and kam eine hübsche, sorgsam bereitete A usgabe der „R om ane u n d E r­

zählungen“ V oltaires, die dem p otsdam er Verlag K iepenheuer ernstlich zu d anken ist. Im „ C a n d id e “ spricht der (v on Bis­

marck gern citirte) Erzieher P an g lo ß : „ In dieser besten aller m öglichen W elten sind alle Ereignisse fest in einander ver­

kettet. W e n n Sie nicht, w egen Ihrer Liebe zum Fräulein K uni­

gunde, m it d erben T ritte n in den H in tern aus einem w u n d er­

schönen Schloß verjagt w orden, danach nicht in die H ände der

H eiligen In q u isitio n gerathen wären, w enn Sie später nicht

A m erika zu Fuß durchw an dert, dem Baron einen tüchtigen

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3 6 2 Die Zukunft

D egen stich versetzt u n d alle Ihre H am m el aus dem W u n d e r­

land e D o ra d o verloren hätten, d an n w ü rd en Sie jetzt nicht hier gezuckerte C itronenschale u n d Pistazien essen.“ H errn E rzberger beliebte oft, eben so zu schließen. A n O p tim ism us ist selbst der w eltberühm te voltairische H o fm eister ihm nicht voraus. A las, p o o r M atthew 1 Kaiser u n d Kanzler, F ürst B ülow u n d H e rr von M ühlberg, die G enerale H in d e n b u rg undG roe*

n er h aben ihm hohe u n d höchste „V erdienste um s V aterlan d“

bescheinigt, B ran d rothe u n d Bläuliche ihm K om plim ente g e*

drechselt. Er h at imm er geth an ,w as er k o nn te (m eist sogar ein B ischen m ehr), u n d in der engsten Klemm e noch gefragt, ob die Lage denn nicht ganz behaglich sei. H in te r ihm ist ein ge*

schlagenes, fliehendes H eer, ein zerfallendes Reich, ein aus F iebersgluth aufbrüllendes V olk. D as w eiß er; w eiß auch, d aß e s die Feinde wissen. From m , froh, frisch aber spricht er zum M arschall Foch, er „sehe den V orschlägen ü b er H erb eifü h ru n g eines W affenstillstandes entgegen“ . A n tw o rt (an der n u r ein K nabe zw eifeln k o n n te): „V orschläge? Ich habe keine zu m achen.“ Er steckts ein. M an m u ß te doch probiren . V ielleicht gings. So ist er. Stets „guten G la u b e n s“ . W ie auf Fels auf der U eb erzeugu n g, d a ß er, für Propaganda, D iplom atie, Waffen#

stillstand, Reichsfinanz, der T auglichste sei u n d A lles „richtig m ache“ . N ic h t der D üm m ste, d urchaus nicht der Schlimmste.

E r h at sich redlich abgerackert, den einzigen Ju n g e n ver*

loren, zwei Jahre lang sich in R ingkam pf geschunden. W o ist d er D a n k für die V erdienste um s V aterlan d ? V on A llen, die ih n m it Lob gefüttert, um schm eichelt hatten, tra t nicht E in er in N o th z e it fü r ihn ein. D ie allein, wie längst er*

w iesen ist, für den W affenstillstand, fü r diesen, verantwort#

liehe O b erste H eeresleitu n g ließ ih n als S ünden bo ck in die W ü ste stoßen. V on dem H errn , dem w ir das E lend, die Schmach d er Finanzw irthschaft, das schädliche G eschim pf gegen Ruß#

lan d u n d den E n tschlu ß zum h em m u n g lo sen T au ch b o o tk rieg verdanken. V on dem M itschuldigsten. H a b t Ihrs vergessen?

„M itte Juli 1914 hatte ich eine B esp rech u n g mit Dr. H elffe- rich, dem d am aligen D irektor der D eu tsch en B ank in Berlin.

D ie D eu tsch e B ank hatte ein e ab leh n en d e H altu n g gegen ü b er einigen großen T ransaktionen ein gen om m en (B ulgarien und T ü rk ei), an der.en d ie Firm a Krupp aus gesch äftlich en G rü n ­

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Unter dem Herbstpunkt 3 6 3

d en (L ieferung von K riegsm aterial) ein leb h aftes In teresse nahm . A ls einen der G rün de zur R ech tfertigu n g der H a ltu n g d er D eu tsch en B ank n annte mir D r. H elfferich sch ließ lich d en folgen d en . D ie p olitisch e L age ist seh r bedrohlich' g e ­ w o rd en . D ie D eu tsch e Bank m uß auf jed en Fall abw arten, e h e sie sich im A usland w eiter en gagirt. D ie O esterreich er sin d , d ieser T age beim K aiser g ew esen . W ien w ird in ach t T agen ein seh r scharfes, gan z kurz b efristetes U ltim atu m an S erb ien stellen , in d em F orderungen en thalten sin d , w ie B e­

stra fu n g einer Reihe von O ffizieren, A u flö su n g p o litisch er V er­

ein e, Strafu ntersu ch un gen in Serbien durch B eam te d er D o p ­ p elm onarch ie, überh aup t ein e Reihe bestim m ter, sofortiger G e ­ n u g t u u n g e n verlan gt w erd en , an deren falls O esterreich -U n garn an Serbien den Krieg erklärt. Dr. H elfferich fü gte hinzu, d aß sic h 1 d er Kaiser m it E n tsch ied en h eit für d iese s V o rg eh en O ester­

reich -U n g a rn s a u sg esp ro ch en habe. Er habe g e sa g t, d aß er ein en österreich isch -u n garisch en K onflikt m it Serbien als ein e interne A n g e leg e n h eit zw isch en d iesen b eid en Ländern b e­

trachte, in die er keinem anderen Staat ein e E in m isch u n g er­

lau b en w erde. W en n R ußland m obil m ach e, d ann m ach e auch e r m obil. Bei ihm aber b ed eu te M ob ilm ach u n g d en sofortigen Krieg. D iesm al g eb e e s kein Sch w an ken. D ie O esterreich er se ien über d ie se e n tsch lo sse n e H altu n g d es K aisers se h r b e ­ frie d ig t g ew esen . A ls ich Dr. H elfferich d arau fh in sa g te, d ie se

u nh eim liche M itth eilu n g m ach te m ein e o h n e h in starken B e­

fü rch tu n gen ein es W eltk rieges zur völligen G ew iß h eit, erw iderte er, es se h e jed en falls so aus. V ielleich t überlegten sich aber R uß­

land und Frankreich die S ach e d o ch nodh anders. D en Ser­

b en g eh ö re en tsch ied en eine b leib en d e Lektion.

D ie s w ar d ie erste M ittheilung, d ie ich erhielt ü ber d ie B esp rech u n g d e s K aisers "mit d en B u n d esg en o ssen . Ich' k annte D r. H elfferichs b eso n d ers vertrau en svolle B ezieh u n gen zu d en P ersön lich k eiten , d ie ein g e w e ih t sein m ußten, und d ie V er­

läßlichkeit seiner M ittheilung. D esh a lb unterrichtete ich n ach m ein er R ückkehr von Berlin unverzü glich H errn K rupp von B o h le n und H aib ach , d e sse n D irektorium in E ssen ich' d am als a ls M itglied an geh örte; Dr. H elfferich hatte m ir D ie s ü b rigen s ausdrücklich1^ erlaubt. (E s bestand dam als die A b sich t, ihn in d e n Aufsichtrath' der Firm a Krupp zu n eh m e n .) V on B oh len sc h ie n b etroffen, daß D r. H elfferich im B esitze so lch er K ennt­

n isse w ar, m ach te ein e ab fällige B em erkung, daß d ie L eute v on d er R egirun g d och nie ga n z den M und halten k ön n ten , u n d eröffn ete m ir alsdann F o lg en d es. Er sei se lb st beim K aiser

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3 6 4 Die Zukilnft

d ieser T age gew esen . D er Kaiser h ab e auch ihm von der 'B esprechung m it den O esterreichern und deren Ergebniß g e ­ sp ro ch en , jedoch die S ach e als so geh eim b ezeichnet, daß er n ich t einm al g ew a g t h aben w ürde, seinem D irektorium d a­

von M itth eilu n g zu m achen. D a ich aber einm al B esch eid w isse , könne er mir sagen , d ie A n gab en H elfferichs seien rich ­ tig. D ieser sch ein e freilich n och m ehr D eta ils zu w issen als er (B o h len ) selb st. D ie L age sei in der T h at sehr ernst. D er K aiser habe ihm persönlich g esa g t, er w erde so fo rt den K rieg erklären, w en n Rußland m ob il m ache. D iesm a l w erde m an seh en , daß er n ich t um falle. D ie w ied erh olte k aiserliche B e­

ton u n g, in d iesem Fall w erde ihm kein M ensch w ieder U n ­ sc h lü ssig k eit vorw erfen können, habe sogar fast kom isch gew irkt.

G e n a u an dem mir von H elfferich b ezeichn eten T age er­

sch ien d en n auch d as U ltim atu m W ien s an Serbien. Ich w ar zu d ieser Zeit w ied er in Berlin und äußerte m ich g eg e n ü b er H elfferich, daß ich T on und Inhalt d es U ltim atu m s gerad ezu u n geh eu erlich fänd e. D r. H elfferich aber m einte, das klinge nur in d er d eu tsch en U eb er setzu n g so. Er habe d as U ltim a ­ tum in fran zösisch er S prache zu se h e n b ek om m en und d a k önn e m an es k ein esw egs als übertrieben em p fin d en . Bei d ie ­ ser G e leg e n h eit sa g te mir H elfferich auch, daß der Kaiser nur d e s S ch ein es w egen auf die N ord lan d reise g eg a n g en sei, ihr k ein esw eg s die ü bliche A u sd eh n u n g gegeb en habe, son dern sich in jederzeit erreichbarer N ä h e und in ständ iger V erb in d u n g halte. N u n m ü sse m an eb en se h e n , w a s kom m e. H offen tlich 1 h and elten d ie O esterreicher, die auf eine A n n a h m e d es U lti­

m atu m s natürlich n icht rech neten , rasch^ bevor die anderen M ächte Zeit fänd en , sich h inein zu m isch en . D ie D eu tsch e B ank h abe ihre V ork eh ru ngen sch on so getroffen , daß sie auf alle Eventualitäten gerü stet sei. So habe sie d as ein lau fen d e G old n ich t m eh r in den V erkehr zu rü ck gegeben. D a s lasse sich g a n z u n a u ffä llig einrichten und m ach e T a g für T ag seh r b ed eu ­ tende B eträge aus.

A lsb ald nach dem w ien er U ltim atu m an Serbien gab d ie d eu tsch e R egirun g E rklärungen d ah in ab, daß O esterreich -U n - garn auf eig en e F aust g eh a n d e lt habe, o h n e V orw issen D e u ts c h ­ lan ds. Bei dem V ersuch, d iese E rklärungen m it den g esch il­

derten V orgän gen ü berh aup t vereinigen zu w ollen , blieb nur etw a d ie L ösu n g, daß der K aiser sich sch o n festg e le g t hatte, o h n e sein e R egirun g m itw irken zu lassen , und daß bei der B esp rech u n g m it den O esterreichern auf d eu tsch er Seite d a­

von ab geseh en w urde, den W ortlau t d es U ltim atu m s zu ver­

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U nter dem Herbstpunkt 3 6 5

einbaren. D en n d aß d er Inhalt d es U ltim atu m s in D eu tsch ­ land ziem lich gen au bek ann t war, habe ich gezeigt. A uch Herr Krupp von B oh len , m it dem ich ü b e r -d ie s e w en ig sten s der W irk u n g nach lü gnerisch en d eu tsch en E rklärungen sp rach , w ar d avon w en ig erbaut, w eil in einer so sch w erw iegen d en A n g eleg en h eit D eu tsch la n d d o ch keine B lan k ovollm ach t an einen Staat w ie O esterreich -U n garn hätte au sstellen dürfen und e s P flich t der leitenden S taatsm änner g ew esen wäre, so w o h l vom K aiser w ie von d en B u n d esg en o ssen zu verlangen, d aß d ie österreich ischen F ord erun gen und d a s U ltim atum an Ser­

bien ein geh en d disku tirt und festg eleg t w erden und zu gleich d a s g en au e P rogram m d e s w eiteren V orgeh en s überhaupt. A u f w elchem S tan dp un kt m an auch steh e: m an dürfe sich d o ch nicht den O esterreichern in die H än de geb en , sich E ventuali­

täten au ssetzen, d'e m an nicht vorher b erechnet habe, son dern hätte an se in e V erpflichtun gen en tsprechend e B ed in gu n gen knüpfeij m ü ssen . Herr von B oh len h ielt d ie d eu tsch e A b ­ le u g n u n g ein es V orw issen s, falls in ihr ein e Spur von W ah r­

h eit stecke, für einen V erstoß geg en die A n fan gsgrü n d e d ip lo­

m atisch er Staatskunst, und stellte mir in A u ssich t, er w erd e m it Herrn von Jagow , dem dam aligen Staatssekretär d es A u s­

w ärtigen A m tes, der ein b eson d erer Freund von ihm war, in d iesem Sinn reden. A ls Ergebniß d ieser B esp rech u n g th eilte m ir Herr von B ohlen F o lg en d es mit. Herr von Jagow sei ihm g eg e n ü b er fe st d ab ei geb lieb en , daß er an dem W ortlau t d e s U ltim atu m s nicht m itgew irkt habe und daß ein e so lc h e Forde­

ru n g von D eu tsch la n d überh aup t n ich t erhob en w ord en sei.

A u f d en E inw and, D a s sei. d o ch u nbegreiflich, habe Herr von Jagow erw idert, daß er als D ip lo m a t natürlich auch diaran g ed a ch t habe, ein so lc h e s V erlangen zu stellen. D er Kaiser habe sich aber in dem Z eitpunkte, in dem Herr von J a g o w m it d er A n g eleg en h eit b efaß t und h in zu gezogen w urde, sch o n so fe stg eleg t g eh ab t, daß e s für ein V orgeh en nach d ip lo ­ m atisch em Brauch sch o n zu sp ät und n ich ts m ehr zu m ach en g e w e sen sei. D ie S ituation sei so gew esen , daß m an m it Ver- klausu lirun gen gar nicht m ehr h abe kom m en können. S ch ließ ­ lich habe Jagow sich ged ach t, d ie U n ter la ssu n g w erd e auch ein G u tes haben, näm lich d en gu ten Eindruck, den man in P etersb u rg und P aris m it der Erklärung m achen könne, d aß m an an dem U ltim atu m nicht m itgearbeitet habe."

Alles in dieser D arstellu n g W esentliche ist als w ahr er«

wiesen w orden. D e r D arsteller, H e rr D r. M uehlon, w u rd e

von R egirung u n d Reichstag ein „nervös überreizter“ W irr*

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3 66 D ie Zukunft

k ö p f gescholten. U n d H e rr Helfferich, der des U n h eils W erd en so behaglich, m it billigendem Schm unzeln, sah, k onnte ein W eilchen als N atio n alh eld flimm ern. A n ihn, dem die deutsche V erw altung Belgiens u n terstellt war, erinnerte auch eine Mel»

d un g , die vor ein paar T agen d urch E urop as Presse ging. Ein erst im Septem ber eröffnetes b erliner T elephonam t b en u tzt zw anzig K lappenschränke, die aus Belgien gestohlen wor*

den sind. A m tliche U m sch reib u ng : „T h eile belgischer Fern*

sprecheinrichtungen sind, als K riegsbeute, von der Heeres*

Verwaltung fürH eim ath zw eck e ausgeb au t u n d von der Reichs*

telegraphenverw altung dann in der V oraussetzung übernom * m en w orden, d aß eine belgische R ückforderung nicht in Frage kom m e.“ D as K önigreich Belgien, das niem als, auch n u r im A llergeringsten, die Pflicht des neutralisirten Staates verletzt u n d dem D e u tsch la n d , v o n Bismarck u n d M oltke bis zu den H erren vo n Jago w u n d von H eeringen, m it oft erneutem G e lü b d e die A ch tu n g seiner N e u tra litä t beschw oren hat, ist nachts üb erfallen , w ider besseres W issen vom E inbrecher verleum det, vier Jahre lang in K nechtschaft gehalten, aus*

g eplü n d ert, seines Industriegeräthes, seiner m odernsten Ma*

schinen b e ra u b t w orden. D ie N ied ertrach t des Menschen*

gemetzels, der E inkerkerung, M assenverschleppung, Bürger*

kriegsstiftung, der infam e Versuch, m it der H ilfe gedungener V erräther das geschändete Land zu zerstücken, stinkt noch heute zum H im m el u n d scheidet die daran M itschuldigen aus dem Bereich nicht völlig entsittlichter M enschheit. Jetzt, fast zwei Jah re nach dem Ende des Krieges, w ird m it dem gestohlenen G u t ein berliner Fernsprecham t ausgestattet. In civilisirten Ländern pflegt m an G eräth , dessen H e rk u n ft aus D iebstah l erw iesen ist, dem E ig enth ü m er zurückzugeben. V on diesem B rauch d u rfte D eu tsch lan d gerade im V erkehr m it Bel*

gien, dem es so furchtbares U n rech t that, nicht weichen. D as Reichspostm inisterium aber v erkündet, w enn Belgien dieRück*

gäbe o der E ntschädigung fordere, w erde zunächst einm al „fest*

zustellen sein, ob u n d in welchem U m fang belgische A nsprüche berechtigt sin d “ . K riegsbeute: w eiß te? F ü rH e im a th zw ec k e : verstehste? D as U ntern eh m en, eine hoch w ohllöbliche Be*

h örd e, die dem G ru n d sa tz des soliden K aufm annes, d aß der

Preis der W aare im W e rth b eg rü n d et sein m üsse, sich fröh*

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Unter dem Herbstpunkt 3 6 7

lieh entfrem det u n d den allgem einen Z o rn ü ber die traurige U nzulänglichkeit ihrer D ienstleistung n u r durch leise Preß#

beg ün stigun g geschw ichtigt hat, M ores zu lehren, wäre ein nutzloser V ersuch am untauglichen O b jek t. A b e r w ir hö ren m anchm al ja von einem D in g, das sich K abinet nennt. D er V organg ist für die internationale P o litik r ie h t ganz un#

w ichtig. Er gehö rt zu denen, die dem Frem den die Erfüll#

u ng der H öflichk eitpflicht schwer m achen: ernst, ohne Lip#

penbreitung, D en anzublicken, der sagt, au f der sorgsam ge#

reinigten Stätte des alten sei ein neues D eu tschland entstanden.

E k l e i p s i s

In das K apitel ü b er Italien schrieb H err E rzberger den Satz: „A ls ich zu einer n o th w en d ig gew ordenen K onferenz au sfu h r u n d m it einer unversehens aus einem H au s hervor#

brechenden P atrouille zusam m enstieß, schlug der befehlende O ffizier m it seinem blan k en Säbel auf das D ach unseres of#

fenen A u to s ; n u r dem U m stan d , d a ß ich u n d der m ich be#

gleitende D ip lo m a t uns tief bü ckten u n d rasch davonfuhren, verd ank ten wir, d a ß w ir unverletzt blieben u n d m it heiler H a u t davonkam en.“ A us from m em Schauder ringeln sich die Fragen: W o w ölbt sich das D ach eines offenen A u to s ? U eb er welches spannt sichs so tief, d aß ein Säbelhieb, der das „ D a c h “, H o lz oder Segeltuch, trifft, die Insassen irgend#

wie gefährden k a n n ? A ls ein Sym bolon erw ähne ichs; als ein M erkzeichen des Irrthum s, der in Rom den berliner Offi#

ziosus gefangen hielt. Er hatte sich, m it A nderen, um die E rnen n un g des Fürsten B ülow zum Botschafter b e im Q u irin a l bem ü h t u n d w irft dem V orgänger des Fürsten, H e rrn von Flotow , vor, d a ß er, „w ährend der kritischen T age nicht ein#

mal in Rom , sondern in einem bei Rom gelegenen B adeort w eilte“ . In diesem B adeort „w eilte“ (w as im m erhin erwäh#

nensw erth ist) auch der M inister des A usw ärtigen, M archese di San G iu lia n o ; u n d d aß der D eutsche Botschafter sich in dessen N ä h e hielt, fanden die feindlichen D ip lo m aten da#

mals höllisch schlau. H e rr von F lotow hat, wie seine Berichte

erw eisen, das W e rd e n der E ntscheidung klar g e seh e n ; hatte

auch leidliches V ertrauen von H o f u n d R egirung u n d scheint

g ru nd los verdächtigt w orden zu sein. D en noch wars richtig,

in tiefster N o th den Fürsten B ülow um A nnahm e des Postens

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368 Die Zukunft

zu ersuchen. D e r w ar bereit, sein K önnen u n d die Fülle seiner

„röm ischen B eziehungen“ einzusetzen. D o ch W ilhelm hatte h in ter dem R ücken des Einzigen, der ihm , nach Bismarck, ein*

mal, n u r einm al, leider, rauhe W a h rh e it nicht verschwieg, vor vielen Z eugen so unflätig geschim pft, d a ß er sich n u n ein Bis- chen, so w eit er dazu noch K raft hatte, schäm te, den hinterrücks Bespienen in ein Reichsam t zu bitten. U n d H err von Beth- m ann war m it der V o rstellung geängstet w orden, der „H och*

verehrte“ könne zum zw eiten M al aus Rom in die W ilh elm ­ straße um ziehen. A ls m ir gesagt w o rd en w ar, vor einer Stunde habe, endlich, der Kanzler den A u ffo rderbrief an den Fürsten geschrieben, antw ortete ich: „ D a n n m uß m an im A m t ziemlich sicher sein, d aß in Rom nichts m ehr zu m achen ist; L orber w ünschen die Leute dem M an n in F lottbeck doch n icht.“ E inverständn iß. Selbst Erzbergers P angloßgem üth be­

kennt, „ü b er dieses w iderliche Intriguenspiel groß en inneren Ekel em pfunden zu h ab en .“ F ü rst B ülow kann, wie getuschelt w ird, bew eisen, d a ß er schon vor der A b fah rt sich kaum noch der H offnu ng hingab, Italien dem K rieg fern zu halten. H e rr Erzberger aber, der ihm nachgeschickt w orden war, erzählt in behaglicher Breite, wie er bis in die d ritte M ai woche 1915 sich in Rom fü r die deutsche Sache gem üht u n d n u r Oester*

reichs Z au d ern das G elingen vereitelt habe. Schon zwei M onate zuvor aber h atte der anglisirte B aron Sonnino, der N achfolger San G iulian o s, in einem R undschreiben an die d ip lo m ati­

schen V ertreter Italiens den E n tsch lu ß zu E in tritt in den K rieg als u n w id erru flich gezeigt, trotzd em „w ir durch blo ß e V erpflichtung in N e u tra litä t w ahrscheinlich den g rö ß ten T heil unserer nationalen W ü n sch e erfüllt sehen k ö n n ten “ . A lles nach dem M ärzid u s noch V ersuchte m u ß te ertraglos bleiben ; w ar das W e rk einer E m pfindensw irrniß, die in Betriebsam ­ k eit d rän g t, gestern a u f H e rrn Salandra hoffte, heute m it H e rrn G io litti das G eschäft m achen m öchte, m orgen in K ryp­

ten m it Priestern verhandeln w ird u n d u nter dem D ach des offenen A u to s von einem D eg en L ebensgefährdung fürchtet.

Italien brauchte nicht n u r die „E rfü llu n g seiner nationa­

len W ü n sch e “ , deren Pivots von den N am en A d ria u ndW elsch-

tiro l bezeichnet w u rd e n , so n d ern auch die E ntw urzelung

austro» ungarischer G roß m ach t. N ie hätte es des d urch sein

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U nter dem Herbstpunkt 3 6 9

Beharren in N e u tra litä t E rw orbenen sich furchtlos zu freuen verm ocht, w enn Franz Joseph s O esterreich ungeschw ächt, vielleicht, wie 1915 noch in W ie n , B u d ap est, Berlin alle K urzsichtigen hofften, gar gestärkt, der A n g st vor R u ß lan d ledig, als Slaw enbeherrscher u n d deutsche V o rh u t in Südost aus dem V ölkerstreit hervorging. D ieses O esterreich, dessen B lindheit Italer u n d Südslaw en in den E isgurt gleichen H asses einschnüren w ollte, hätte im m er w ieder den Bruch des auf D eutschlands D rängen m it Rom geschlossenen Paktes erstrebt;

u n d wäre, weils ohne den g ro ß en A driahafen nicht leben k o n n te , in solches Streben g en ö th ig t w orden. U m diese M öglichkeit auszuschließen, um steter G efäh rd u n g am Isonzo, im T rento , in A lbanien zu entgehen, ist Italien im K rieg auf die Seite der W estm ächte getreten. D e n ersten D ienst, einen kaum überschätzbaren, hatte es ihnen schon geleistet, als es den Franzosen erlaubte, ihre A lpengrerize zu b loßen u n d alles d o rt M obile zu E ntscheidung der M arneschlacht einzusetzen.

D e n zweiten D ien st leistete ihnen, besonders ihrer Propa*

ganda zu N u tz , H err G io litti, der öffentlich, in der Kam*

mer, bewies, d aß die K nechtung u n d Z erstück un g Serbiens schon 1913 g ep lan t, der w iener E ntsch lu ß also nicht, wie ü ber alle H eerstraß en h in geläutet w u rd e , durch die Er*

m o rd u n g Franz F erdinands bew irkt w orden war. D e r selbe G io litti, der den G reisesw illen dann gegen Italiens Kriegs*

erklärung stem m te, hat in Aix»les*Bains sich nu n m it H e rrn M illerand auf Form eln geeint, denen ein neuer Lenz lateini*

scher B ruderschaft en tb lü h en soll. O b aus der Gärtnerhoff*

nu n g F rucht w ird ? In der „fratellanza latina“ nagte der W u rm , seit Louis N ap o leo n , den der vo n seiner „N ationali*

täten th eo rie“ entfesselte Sturm nationaler Leidenschaft in Sorge geschreckt hatte, 1866 fü r den Papst u n d dessen K irchenstaat die W ehrm ach t Frankreichs ins Feuer warf. A cht Jahre nach dem T ag vo n M agenta, w o M ac M ah o n u n d C an ro b ert ihm un d den ihm v erbün d eten Sardinern den Sieg ü b er Oester*

reich erstritten, schlägt sein H eer bei M entana G aribaldis to llk ü h n e Freischaar u n d verriegelt d e n zum K am pfe fü r die E inu n g aufgestandenen Italern die Pforte Rom s: das T h o r ihres Sehnens. V on T u rin bis nach N eapel ballt sich Zornes*

gew ölk u n d ein G ew itter von Flüchen fegt auf das H a u p t des

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3 7 0 D ie Zukunft

M annes herab, dessen H aup tfeh ler doch, nach dem hübschen W o rt von T hiers, n u r aus steter V erw echselung der W ö rte r T räu m en u n d D en k en kann. D en Italern ist er der E rzfeind;

d a ß er ihnen zu A b sch ü ttelu n g des H ab sb urgerjoch es half, w ard vergessen. Im G ed äch tn iß brennt, d aß er dem P apst Rom erhielt u n d d a ß sein R ouher dem D ran g zu E in u n g aller Italer ein kaltes „N iem als“ entgegenschleuderte. D er D eutsch e Kaiser, der die Franzosen schlägt u n d den Einm arsch der Piem ontesen in Rom erm öglicht, w ird d e rK rö n e r des„risorgi*

m en to “ . V ictor E m anuel bew eint Frankreichs U n g lü ck ; kö n n te a b e r, selbst w enn er w ollte, die V olksstim m ung nicht fü r den K am pfgenossen von M agenta waffnen. U n d Rom ist auf D ynastenschm erz ein breites Pflaster. D em italischenbe»

nach b art sich n u n französischer G roll. U m Ju d a slo h n , kreicht W u th in Paris, h aben sie uns verlassen, ohne deren Beistand h eute noch H ab sb u rg s D o p p elad ler V enetien u n d die Lom»

bard ei in seinen Fängen hielte. D ie D ritte R ep ub lik hat, nicht n u r u nter dem H erzo g von Broglie, R ückfälle in K lerikalism us;

d u ld et K am m erdebatten ü ber d ieW ied erh erstellu n g der weit»

liehen P apstm acht; zeigt deutlich, d aß ih r die diplom atische V ertretung am V atikan w ichtiger als die beim Q u irin al ist.

A ls der Sieg der K irchenfeinde, der R ü ck tritt M ac M ahons, die H errsch aft liberaler V ernu n ftan b eter diese G efahr entfernt hat, schw illt aus gröberem Stoff eine andere. Frankreich be»

setzt, u nter dem M inisterium Ferry, im A p ril 1881 T unesien u n d schließt drei W o chen danach den Bardo» V ertrag, der ihm das P ro tek to rat ü b er dieses Land sichert. So w eit sich, von seiner algerischen K olonie, vorzustrecken, h at ihm, schon in den Tagen des Berliner Kongresses, B ritanien u n d Deutsch*

lan d gestattet. Längst aber begehrt italischer Ehrgeiz Tune»

sien. D e r neunte L ouis h at es den M erin iden nicht abzu*

ringen verm ocht. H ie r ragen, in der O elbaum »M oschee, noch Säulen K arthagos u n d zeugen du rch Jahrtau sende von Rom s E robererm acht. N u r Rom s E rbe d arf hier herrschen. W ie d e r sperrt Frankreich den W e g ? D ie W u th überflackert den alten H a ß gegen O esterreich. F ü r dessen ruhig e H a ltu n g b ü rg t Bismarck. Er w inkt. D e r D re ib u n d w ird m öglich.

D ie franko»italische Feindschaft sprengt die H ü llen . Steht

glitzernd, in bereiftem Stahl, auf der Seealp. C risp i schmie*

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Unter dem 'Herbstpunkt 3 7 1

d e t sich Steigbügel draus. M ancini, D epretis, R obilant wa*

ren höflich; n ützten das m it Roms Enkeln geborene „genie de la ju x tap o sitio n “ u n d h ü teten sich k lug vor V erletzung der em pfindlichen Franzosenw ürde. C rispi ist rauh. Südländer, Rebell, E m porköm m ling; Bismarcks gehorsam ster D iener (sa*

gen sie d rü b en ). Er ballt die Faust, lä ß t Frankreich der Kriegs*

bereitu n g anschuldigen, w ili es durch H and elsk rieg schwä*

chen, zaust, noch in A bessinien, jedem unbequem en Franz*

m ann heftig den Schopf. A bessinien w ird seines Ruhm es G rab.

Italien ernüchtert sich. W a r, was es von 1881 bis 96 be*

geisterte, nich t n u r böser R ausch? N ic h t höchste Z eit, den A lk o h o l aus den G lied ern zu sch ü tteln ? Im W e ste n b e d ro h t uns ja N iem and . Frankreich ist fast so pfaffenfeindlich wie in der Z eit b ran d ro th en Schreckens u n d w ürde jeden Ver*

such zu W ied erau frichtun g des K irchenstaates bekäm pfen.

Rom b jeib t des K önigreichs H a u p tsta d t. D as ist zw ar für Elsaß*Lothringen den D eutschen m ith aftbar; d arf aber nicht hoffen, d aß sie ihm nach T riest, gar nach Bozen den W e g bahnen w erden. A uch nicht in die H errschaft ü b er die Straße von O tran to . D as M ittelm eer w ird nie w ieder „m are n o strum “ ; die den O esterreichern v erb ü n d eten Italer dü rfen aber nicht einm al die A d ria „unser M eer“ nennen. Schlechtes G eschäft.

In W irth sc h a ft u n d Finanz w irds fühlbar. O b en d rein ängstet die deutsche M arin ep olitik . W e n n d er u nstet theaternde Sohn der E ngländerin, den italienische Z eitungschreiber den kleinen N e ro nennen, N e p tu n s D reizack fü r sich fordert, H ohenzollern* W eltherrsch aft als „das Evangelium Seiner Ge*

heiligten P erson “ v erkündet, sich als den A dm iral des At*

lantischen O zeans plakatirt, also, wie ein Schlingel in d ü n n überfrorenen Sum pf, in K rieg gegen Britanien schlittert, d a rf Italien n ich t m it a u f die G leitb ah n . Jedes B ü n dniß, das die offenen K üsten des Königreiches englischem Schiffs*

geschütz aussetzen könnte, m uß, m u ß schleunig gelöst wer*

den. Schleunig? Kluge w arnen. W e n n w irD e u tsc h lan d durch plötzlichen A bfall reizen, läß t es O esterreich, das seine Alpen*

pässe m it großem K ostenaufw and befestigt, gegen uns los un d

h in d e rt Frankreich, uns beizustehen. U n ser Eigenstes,dieK unst

des N eb enein and er, e ila u b t die Pflege zweier „Kom bination

n e n “ . W ir m üssen vom D re ib u n d das G u te nehm en, das er zu

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3 7 2 Die Zukunft

bieten hat, u n d dem Stachelpfad, in d en er verleiten kön nte, d u rch V erständigung m it Frankreich ausbiegen. M archese di R udini, der m it dem russischen M inister G iers den Balkan«

m acht verheißenden Pakt schloß, h a t frü h die T h ü r geöff#

net. Ein zw eiter D re ib u n d , eine R ückversicherung nach bis«

m ärckischem M uster, wäre m öglich. W ie d e r w arnen Schlau*

köpfe. N ich ts überstürzen ; w er w arten kann, hat die W a h l frei u n d die breiteste A ussicht au f G ew in n des Spieles. A uch H e rr Barrere, Frankreichs B otschafter in Rom , ist ja noch gedu ld ig. D e r A b g eo rd n ete Delcasse, der ihn besucht u n d m it Visconti#Venosta die M öglichkeiten einstw eilen wirth*

schaftlicher V erständigung besprochen h a t, w ird im Früh#

ja h r 98 M inister u n d unterzeichnet im N o v em b er den franko#

italischen H andelsvertrag, d essen G ru n dg eb älk in pariser Früh#

stücksgesprächen m it H e rrn Luzzatti gezim m ert w urde. Im nächsten K abinet (Z an ard elli) leitet der Franzosenfreund Pri#

netti das internationale G eschäft. E in Savoyerprinz beg rü ß t, als A dm iral der Italerflotte, in T o u lo n den P räsidenten der Französischen R epublik. D e r d ritte V ictor Em anuel, der durch die E rm o rd u n g seines V aters U m b erto ju n g auf den T h ro n gelangte K önig, nen n t in einem .oft erw ähnten Telegram m Frankreich w ieder „Italien s1 F re u n d “ . U n d 1902, im J a h r der vierten D reib u n d sstiftu n g , erhorcht E u ro p a aus dem Kammer#

d u e tt Delcasse*Prinetti einen neuen A k k o rd . Im Palais Bour#

b o n spricht M inister D elcasse: „ N irg e n d s kö nnen Italiens u n d Frankreichs berechtigte A nsprüche fortan feindlich gegen ein#

ander prallen.“ D ie selbe T o n a rt hallt vom M onte C itorio in die Röm erebene. U n d dam it jed er Zw eifelsschatten zer#

flattere, k ü n d e t am d ritte n Ju litag der französische A ußen#

m inister der Kam mer, dem L and: „ W ir h ab en die Versiehe#

ru n g em pfangen, d aß Italiens d urch B ündnisse bestim m te P olitik niem als, w eder u n m ittelb ar noch indirekt, sich gegen Frankreich richten könne. In keinem Fall w ird sie, in diplo#

m atischer o der du rch internationale V ereinbarung u n d Mi#

litärk o nv en tion en b ed in g ter Form , uns bedrohen. In keinem

Fall u n d in keiner Form k an n Italien das W erkzeu g oder der

H elfer zu A ngriffskrieg gegen unser Land w erden.“ T u n is ist,

endlich, vergessen. D e r W lrth sch aftko n flikt, der Streit um

den V orrang im M ittelm eer friedlich geschlichtet. Im O k to b e r

1903 ist V ictor Em anuel m it seiner Frau in Paris. H e rr L ou bet

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Unter dem Herbstpunkt 3 7 3

erw id ert in Rom den Besuch. D e r D re ib u n d (fü r Bismarck nie m ehr als „eine Bülte au f der E n ten jag d “) ist Schemen.

D eutschlands Einsam keit in A lgesiras ist m öglich gew orden.

W ä h re n d V ictor Em anuel bekränzter G ast in Paris war, zog das R öm ervolk vom Palazzo Farnese, wo es dem französischen G eschäftsträger zugejauchzt hatte, vor das H au s der Austro*

U ngarischen B otschaft u n d m achte seinem G efü h l in den R ufen L uft: „ H o c h T rien t! H o ch T riest! N ie d e r m it Oester«

reich!“ Solche D em onstrationen haben sich d ann so oft wie*

derholt, d aß m an kaum noch davon sprach. T rotzdem galt in Berlin der D re ib u n d als ein gew ichtiger, im G ew icht gar nicht zu m indernder Faktor. N ie habe ich ganz aufzuklären verm ocht, ob unser A usw ärtiges A m t die A bk om m en von 1900 u n d 1902, die den Franzosen M a ro k k o , den Italern T rip o litän ien u n d die K yrenaika sichern sollten, nicht kannte.

H ätte es sie gekannt, dan n wäre das eifernde M ühen, die K onferenz von A lgesiras durchzusetzen, noch unverständ*

licher, als es schon 1906, ehe die franko*italischen V erträge ans Licht kam en, schien. N ach der K onferenz sagte H e rr P rinetti zu einem Interview er: „A ls M inister hatte ich mehr«

mals G elegen heit, im V erkehr m it dem Französischen Bot*

schafter (B arrere) das im D ezem ber 1900 vom M archese Visconti»Venosta Unterzeichnete M ittelm eer*A bkom m en zu bestätigen u n d zu festigen. In h alt u n d Form aber sind auch w ährend m einer M inisterzeit unv eränd ert geblieben.“ D a Visconti»Venosta zum T räger italischer V ollm acht für Alge»

siras ernannt w urde, k o n nte den A usgang des H and els kein Zw eifel um flackern. Italien w ar verpflichtet, für Frankreichs (auch von D eutsch lan d seit 1880 anerkanntes) Recht auf M aro k k o einzutreten; hätte, w enn es der Pflicht fehlte, nach T u n is auch T rip o lis verloren u n d sich in den, wie Erfahr*

u n g uns gelehrt hat, heute nicht m ehr ungefährlichen R u f einer M acht erniedert, der V erträge n u r Papierfetzen sind.

In solche D o p p eld u m m h eit wäre der grün ste Sekretär der C o n su lta nicht gestrauchelt. N o c h jetzt erw ähnen Franzosen m anchm al, d aß V ictor Em anuel schon als K ronprinz von W ilhelm schlecht behandelt, d aß die K önigin Elena am ber*

liner H o f als „das hübsche H irtenm ädchen aus dem Lande der H am m eldiebe“, als „die T ochter der Streichholzverkäu*

ferin aus C etinje“ b esp ö ttelt w urde. So unsauberer Schwatz

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3 7 4 Die Zukunft

h a t in R om (w ie in L ondon, M a d rid , P etersb urg, B ukarest, Sofia, auch in m ancher d eutschen R esidenz) d ss politische G eschäft arg erschw ert; E ntsch eid u n g aber d o rt niem als be*

w irkt. D ie w urde von harten T h atsach en erzw ungen. A ls Italien sich no ch von Frankreich b e d ro h t glaubte, schrieb Stockm ar an V ictoriens Prinz*G em ahl, jed er britische Staats*

m ann m üsse Italien gegen Frankreich stärken. In H aym erles Büch „Italicae res“ steht das T ru tz w o rt, n u r ein O esterreich, das sich selbst dem T o d nah fühle, w erde frem der Forde*

ru n g ein Stück seines B odens räum en. N o c h leb t es; ist u n g ew andelt; der T h ro n fo lg er Franz F erd inand Italiens hitzig*

ster Feind. U n d D eu tsch lan d h a t sich dem Frankreich verbün*

d eten B ritenim perium verfeindet, das Italiens K üste schützen o d e r sperren, bew achen o d er in T rü m m erstätten zerschießen kann. B leibt noch W a h l? G eden k et, Röm er, an die Ja h re nach C rispis toller A b w e n d u n g vom W esten . D u rc h seine H eim ath schleicht N o th , seit er d en Franzosen den H andels*

vertrag k ü n d ig te ; im S taatshaushalt fehlt an allen Ecken das G e ld u n d im Süden siehts aus wie im Siechenspital. „Folge d er A b k e h r vo n der L ateinerbrüderschaft. D e r K necht Bis#

m arcks dü nk elte sich stark: u n d d a ß Italiens D a n k b a rk eit niem als die Z e it seiner Schw achheit ü b erd auern werde, hat, b ald nach dem franko*italischen Krieg gegen O esterreich, T hiers vorausgesagt.“ D o ch der R achegott reckt schon den A rm . Italien h at seinen nächsten H a u p tm a rk t verloren u n d m u ß , um nicht in P apier zu ersticken, sein M etallgeld theuer aus F rankreich zurückkaufen. W e il U m b erto seinem Sohn erla u b t h at, im heiligen M etz eine deutsche Parade zu sehen, straft das französische K apital ihn durch hastige Auswan*

d e ru n g u n d durch w ilde Sturm läufe gegen die fünfprozentige R ente u n d die E isenb ah nb o n d s. Italien verliert eine M illiard e Lire u n d der Finanzm inister Sidney Sonnino m u ß gestehen, da ß im H au sh alt h u n d ertsieb en zeh n M illion en fehlen. D e r H u n g e r, flüstert der V ertreter der Französischen R epu blik am Q u irin al, w ird uns Italien zurückerobern. A us Deutsch*

lan d kom m t H ilfe. N a c h dem B ankenkrach („P an am in o “)

drin g t deutsches K apital u n d deutscher U n tern ehm erm uth

ü b er die A lpen. A ls N egus M enelik bei A d u a das H eer

Baratieris geschlagen hat, ist C rispi von steiler H ö h e gestürzt

w o rd en ; du rch das G eto s der V o lk sw u th: tro tzdem er in

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der K am m er au f M o n te C ito rio eine gefügige M eh rh eit hatte.

R u d in i u n d Visconti*Venosta sp uten sich in die Versöhn«

u n g Frankreichs. Sieben M o n ate nach dem Fall des „Ty«

ran n en “ sind sie m it dem M in ister H a n o ta u x einig. V or dem A b la u f des Jah res 1898 ist auch d er neue Handels«

vertrag fertig. D ie Rente steigt, die V aluta kräftigt sich, alles G eschäft b lü h t au f u n d Italien kan n in kurzer Z eit seine Staatsrente, B ahnobligationen u n d Ind ustrieaktien (im Kurs«

w erth von an d erth alb M illiard en ) aus D eu tsch lan d zurück«

kaufen. D e r A bgeordnete Fiam ingo hat d a rü b er gesagt: „A uch w enn Frankreich nich t unser Recht au f T rip o li anerkannt hätte, w ären w ir, d u rch die deutsche W irth schaftkrisis, ge«

n ö th ig t w orden, uns der R ep u b lik zu nähern. D e r deutsche G eld m ark t w ar zu schm al; unser junges Reich ko n n te Ge«

w erbe u n d H a n d e l n u r ins W eite entw ickeln, w enn Paris w ieder sein B ankier w urde. K ehren w ir jem als in die P olitik d er N adelstiche gegen die Franzosen zurück (w oran freilich n ich t zu denken ist), d an n kostet sie uns H u n d e rte von M illio nen u n d unser W o h ls ta n d w elkt. O h n e einen M an n m obil zu m achen, kann Frankreich uns u n g eheuren Schaden th u n . Italien k önn te den D re ib u n d lösen u n d einsam bleiben, eine der Französischen R ep u blik feindliche P olitik aber nich t lange ü b erleb en.“ D aran hat in D eu tsch lan d k aum Einer gedacht. M it diesem G enossen gingen w ir nach A lgesiras.

U n d staunten, weil er stets gegen uns stim m te. Er konn te nicht an d ers; denn die E rlau b n iß , T rip o litan ien zu erraffen, h atte er ja m it dem V ersprechen bezahlt, Frankreich in Ma«

ro k k o niem als zu hem m en. O ft habe ich, ohne ein Scheit«

w o rt gegen Italien , vor dem G lau b en an die H altb ark eit des D re ib u n d e s gew arnt; schon im O k to b e r 1909 hier ge«

fragt: „ W o llen w ir w arten, bis Italien d en V ertrag zerreißt u n d die Fetzen ü b er d en B renner w irft? “

N ach einem Blick auf O esterreichs G e b irg srü stu n g ge«

gen Italien hätte Bismarck die U n h a ltb a rk eit des Bandes er«

kannt, in das er die Feinde von 1859 u n d 66 üb erred et hatte.

Statt M oral zu predigen u n d Strafe anzudrohen, hätte er ge«

sagt: „ W e r sich fü r den Streitfall so ungeheuren V ortheil sichert, tre ib t den d ad u rch gefährdeten P artner in die Sehn«

sucht nach neuer G enossenschaft.“ Italien kannte die Denk«

schrift, in der Feldm arschall G ra f R adetzky ausspricht: „ D e r

U nter dem Herbstpunkt 3 7 5

26*

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Besitz von Istrien u n d D alm atien m u ß O esterreich w ün- schensw erth m achen, d a ß es in den Besitz von B osnien u n d von B elgrad gelange, um v on d a sich an den Balkan m it dem rechten Flügel anschließen zu k önnen. In dieser Stell*

un g ist der österreichische rechte Flügel H e rr von den Fürsten­

t ü m e r n (M o ld a u u n d W alachei, d er zum K önigreich R u­

m änien vereinten), um w enigstens d ro h en d zu bleiben, so wie vom ganzen O rie n t.“ U ngern nim m t Rom , das Istrien u n d D alm atien zu den auf E rlösung h arrenden Italerprovinzen zählt, schon die A n n ex io n Bosniens h in ; u n d zeiht O ester­

reich, als es d en A rm nach Belgrad reckt, der G leichgew ichts­

stö ru n g u n d des V ertragsbruches. D en k ö n nte es ohne H elfer nich t rächen. D a im A u g u st 1914 aber drei große, drei kleine Europäerm ächte w ider D eu tsch lan d u n d O esterreich-U ngarn ins Feld gerückt sin d , hofft es, m it einem Sprung an das Z iel seiner W ü n sch e zu gelangen. R adetzky rechnete m it dem kleinen Piem ont, nicht m it dem in E inheit erw achsenen Reich, das alle italisch fühlen d en u n d sprechenden M enschen um fassen, die A d ria, beide U fer, beherrschen, zur G estalt­

un g des O rientschicksals m itw irken will. D er italo*österreichi- sche K rieg w ar (w enn je einer) von N o th w en d ig k eit befohlen.

A m dreißigsten A p ril 1913 hatte der M inister San G iu liano an den B otschafter T itto n i tele g ra p h ier „ W e n n der von der lo n d o n er B otschafterreunion zu findende B eschluß O ester- U n g a rn nicht befriedigt, ein gem einsam es austro-italisches H a n d e ln nicht m öglich w ird u n d W ie n ohne unsere Billi­

gu n g gegen M onteneg ro vorgeht, w ird die W a h ru n g u n ­ seres A bkom m ens m it O esterreich u n d die unversehrte E r­

h altu n g des B ündnisses sehr schwierig. U eb er die W a h l des d an n zu w ählenden W eges erbitte ich E urer Excellenz sach­

verständige M ein ung . D a Italien nicht unth ätig scheinen scheinen d ürfte, m ü ß te es, w ährend O esterreich im N o rd e n vorgeht, eine passende Stelle des Südens fü r eine W eile be­

setzen. D ieses H a n d eln m ü ß te ungefähr v o n dem selben G esich tsp u n k t aus b eu rth eilt w erden wie O esterreich*Un- garns gegen uns. Ist solche L ösung nicht erlangbar, dann sehe ich n u r noch eine M öglichkeit: einen Z u stand , der u n ­ sere P o litik in schroffen G egensatz zu der W iens b rin g t.“

H e rr T itto n i antw ortete: „Besetzt O esterreich T heile M o n ­ tenegros, dan n m üssen wir, auch ohne seine Z ustim m ung,

3 7 6 Die Zukunft-

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U nter dem Herbstpunkt 3 7 7

D urazzo u n d V alo nabesetzen.O esterreich*U ngarnhätte dam it zuerst die G renze des G roßm ächtebeschlusses überschritten, fü r eigene R echnung, ohne zw ingende N o th w en d ig k eit, ge*

h an d elt u n d das A dria»G leichgew icht aufgehoben (w ozu ja eine befristete Besetzung genügt). D ie B otschafter Oester«

reichs u n d D eutschlands versuchen jetzt allerlei w erthlose D eu telku nststü ck e an dem klaren W o rtla u t des Siebenten A rtikels im D reib u n dvertrag. D ie w inzigste V erschiebung des austro*italischen G leichgew ichtes w ü rd e aber nicht n u r diesen einen A rtikel, so nd ern den ganzen V ertrag entkräften u n d den D re ib u n d auflösen. W e n n E ure Excellenz m it der gew ohnten K larheit u n d festen K raft diese E rw ägung den A usw ärtigen A em tern in Berlin u n d W ie n em pfehlen, dann w erden sie, nach m einer U eberzeugung, das Streben E urer Excellenz nach einer V ersöhnung der beiden Reichsinter#

essen zu fö rdern trachten. T h äten sie anders, so w ürde von ihren H ä n d e n der D reib u n d v ertrag zerrissen. M eine Ant#

w ort ist das E rgebniß langer U eberleg u n g.“ „ W ie “ , fragte, n u n als Botschafter in Paris, 1916 Signor T itto n i, „k on nte danach u n d nach dem zweimal, im N o v em b er 1912 u n d im A u g u st 1913, von Italien abgew ehrten Versuch, Serbiens M ach t einzuschränken, O esterreich»U ngarn zweifeln, d aß sein U ltim atum u n d seine E in brüche in serbisches Land den D re ib u n d lösen w e rd e n ? “ D e r M ann war, leider, im Recht.

Je d er aus dem südtirolischen W ein p arad ies, O b sted en o der aus A ltitalien H eim keh ren de rü h m t jetzt die Freund*

lichkeit, die den D eu tsch en überall b e g rü ß t h ab e, u n d er«

zählt, m eist in schm atzender W o n n e, dann, wie auffällig un*

beliebt der Franzose d o rt sei. D e r Italer ist zu klug, bis in die unterste Schicht der V olkheit zu fest in A u ß e n k u ltu r g ew ö h n t, um das ranzige G eschim pf ü b er seinen „Eid» und T re u b ru c h “ u n d die Speisekarten, die „V erräthersalat“ u n d

„B an d iten n u d eln “ em pfahlen, D eu tsch en heute noch nach#

zutragen. Er fü h lt auch, d a ß der hitzige V o rsto ß bis auf den B renner, der g rü nw eißroth e A nstrich längst germ anisirten Landes ih n in unheilsam fortzeugenden Streit m it Deutsch«

land zerren k a n n , auf dessen rasche G enesung er rechnet:

u n d streichelt es deshalb gern m it billig kitzelndem W o rt.

F rankreich? Bankier u n d W irth schaftstü tze kanns nicht m ehr

sein; schien m anchm al die 1914 u n d später ihm geleisteten

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3 7 8 Die Zukunft

D ienste vergessen zu h aben u n d den Südslaw en enger als dem Seealpennachbar befreu n det. A u s der in Aix«les*Bains ge*

w u nd enen dicken P ap ierguirlande d uftete n u r ein am Strauch geborenes B lüm lein: das G e lö b n iß , allen südosteuropäischen u n d kleinasiatischen P roblem en in E intracht (gegen E ngland) die L ösung zu suchen. D ie v o n M asaryks K larsicht geschaffene

„P etite E n ten te“ k an n ein B a lk a n b u n d , soll eine slawo*la*

teinische M ach tgrup p e w erden, die bis in das nächste Früh*

ro th kräftiger R ussenpo litik m itreden, m ithandeln d a rf u n d die K iderlens pfiffiger G a stfre u n d Take Jo n e sk u zu rumäni#

scher D oppelassekuranz n utzen m öchte. A lles in Fluß. Alles Provisorium .(A uch,D eutsche, m anche G renzsteinverrückung.) In solcher Z eit F rank reich zu erkälten, wäre eine Dumm*

heit, in die H e rr G io litti nicht stolpert. D ieser A elteste der A lten scheint tiefer als Jü n g e re zu fühlen, d a ß E urop a neu w erden o d er verkalken m u ß. D rin n en u n d d rau ß e n ü b t er, noch behend, die im O ran g en lan d heim ische K unst des Ne*

beneinander. D e n auf nahe, sichtbare Spaltung des Sieger*

concerns H offenden blin zelt er spöttisch zu. A lle V ölker sind, Franzen, D eutsche, R ussen, dem Italer w illkom m en.

P o l a r s t e r n ?

A ls P rovisorum w ill auch R u ß la n d seine W irthschaft«

ein rich tu ng beu rth eilt sehen, die n och imm er, wie H elena be w u n d e rt viel u n d viel gescholten, im V o rd erg ru n d aller Er*

ö rteru n g steht. D e r m u ß die B ahn reingefegt w erden. Des«

h alb scheint m ir nützlich, aus einer V ertheidigungschrift des H e rrn K arl R adek hier ein p aarH au ptstü ck e zu veröffentlichen.

„ D ie M ärchen d er k apitalistisch en P resse d es A u sla n d es, daß d ie ru ssisch e n ationalisirte Industrie in den letzten zw ei Jahren g a r n ich ts hervorgeb racht habe, sind lächerliche U eb er- treibungen. D ie r u ssisch e Industrie bekleid ete eine Z w eim il­

lion en arm ee und versah sie m it W a ffen ; denn e s ist n ich t w ahr, daß unsere A rm ee vom Erbe d es Z arism us lebt. A ber natürlich k onn te d ie P roduktion w ähren d d es groß en Bürgerkrieges, der ein e A n sp a n n u n g aller Kräfte verlangte, n icht d a s N iveau er­

reichen, d a s den In teressen d er V olk sm assen en tsprach . Es w ar eine P rod uk tion, d eren E rzeu gn isse im K am pf vernichtet w urden, eine P roduktion auf K osten d e s gan zen L an des; und d a s E rgebniß zw eijähriger A rbeit in d en Fabriken w ar nur sich t-

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