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Die Zukunft, 24. Juli, Jahrg. XXVIII, Bd. 110, Nr 43.

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(1)

XXVIII. Jahrg. Berlin, den 24. Juli 1930 Nr. 43

ie ukunft

Herausgeber

Maximilian Harden

IN H A L T

Seit*

Der erste Versuch . ... 93

Nachdruck verboten

E rsch ein t je d e n S o n n a b en d

Preis vierteljährlich

22

Mk., das einzelne Heft

2,00

Mk.

BERLIN

Ver la g der Z u k u n f t

G roßbeerenstraße 67 1920

(2)

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Regina -Palast am Zoo Reeg'&Amoid

(Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche) Telephon: Steinplatz 9955

Kurfiirstendamm 10 und Kantstrafie 167-169

und abends:

Erstes Intern. Kammer-Orchester

Dirigent: O t t o H a r t m a n n . Konzertmeister: C. H a r i ' i o l d y . Am r / i t v n : \ X ' . L < i u i e n s r h l < i g e r

Zur mandelsicheren Anlose

biete ich die von m ir fest übernom m ene

47» % Anleihe des

Bremischen Staats v. 1919

zum V orzugskurse von 9 8 ^ °;0 an. Zinslauf A p r i l -

O ktober. Sichergestellt durch G esam tverm ö^en und Steuerkrafl Bremens. Erhältlich in A bschnitten von

M. 10000 M. 5000 M. 3000 M. 2000

S o f o r t i n e n d g ü l t i g e n S t ü c k e n l i e f e r b a r . T ilg u n g m it 172°/° zuzüglich ersparter Zinsen vom jahre 1930 ab. An den B e rlin e r und B r e m e r B ö r s e n

bereits o ffiziell notiert. S o n d e r b e d i n g u n g e n t i i r Bank en, Bankiers, Sparkassen, K r e d it g e n o ss e n s c h a f te n usw.

Otto Markiewicz

Bankgeschäft für Kommunal- und Staatsanleihen

Berlin NW. 7, Unter den Linden 77

Telegr.: Siegm arius. Fernspr.: Zentrum 925, 9153,9154, 5088

OEHI-nuBEn-HDTH

B E R L I N W

Bestes

zur Pflege d e rJ J ä h n c ,

(3)

Berlin, den 24. Juli 1920

D er erste Versuch

S a l d o v o r t r a g

ach dem W o rtla u t des Versailler Vertrages d urfte spä*

^ testens am letzten M ärztag des Jah res 1920 das „ n u r zu E rhaltung der O rd n u n g au f deutschem Boden u n d zu G renzpolizei bestim m te H eer aller deutschen Staaten nicht m ehr als h u n d erttau sen d M ann um fassen“ (A rtik el 160); lange zuvor schon w aren die im V ertrag bezeichneten W affen u n d K riegsgeräthe auszuliefern. In Spa sind die Fristen verlängert, ist der E n d p u n k t der H eereskleinerung auf den letzten De«

zem bertag dieses Jahres gelegt w orden. N ach den A rtikeln 228 bis 30 durften die V erb ü n deten u n d V e rb u n d e n en M ä c h te die A uslieferung aller von ihnen der V erletzung gütig en K riegsbrauches B eschuldigten sam m t den zu A u fh e llu n g des T hatb estan des nothw endigen U rk u n d e n u n d A u sk ü n ften for*

dem . A u f dieses Recht ist fürs Erste verzichtet, U n tersu ch u n g un d U rtheil dem D eutschen R eichsgericht zugew iesen u n d dessen Erm ittelungorganen der unm ittelbare V erkehr m it den bürgerlichen u n d m ilitärisch en G erichtsb eh ö rden der Vertagst partner erm öglicht w orden. A rtik el 244 A nlage 5, schreibt vor, d aß in den nächsten Jah ren D eu tsch lan d an Frankreich, Belgien, Italien insgesam m t jährlich ungefähr einundvierzig M illionen T o n n en K ohle zu dem in D eutschlan d gezahlten Preis liefere. In Spa ist der Preis beträchtlich erh öh t u n d die zu liefernde K ohlenm enge um m ehr als zwei Fünftel,

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auf ungefähr vierundzw anzig M illio n en T onnen, herabgesetzt w orden. &In allen drei Fällen hatte die deutsche R egirung die übernom m ene Pflicht noch nicht erfüllt. Entw affnung u n d E ntlassung der T ru p p e n w u rd e verzaudert, zu V erfolgung d er au f die Liste der K riegsgesetzbrecher G eschriebenen in fü n f M on aten ,kein sichtbarer Schritt g e th a n , vo n der zu*

gesagten K ohlenm enge n u r ein T heil geliefert (an der in den ersten vier Jahresm onaten fälligen fehlten schon m ehr als dreieinhalb M illio nen T o n n e n ). T ro tzd em sind die in Spa beschlossenen G lättu n g en d er V ertragshärten nicht] etw a durch D ro h u n g o d e r.U e b erred u n g erlangt, sondern, vor dem Be*

■ginn der K onferenz, von dem freien W ille n der W estm ächte an g ek ü ndet w orden, die von dem W u n sch geleitet waren, in ein klares, nirgends n och m iß deu tb ares, beiden P artnern erträgliches V erhältniß zu D eu tsch lan d den W e g zu bahnen.

K ein einziger der Beschlüsse, auch n u r der V orschläge von Spa schärft irgendeine K ante des vor dreizehn M on aten in Versailles unterschriebenen V ertrages. (V on D em , was der B rite Penalties, der Franzose Sanctions, der D eu tsch e Straf*

d ro h u n g nennt, w ird später zu reden sein.) M acht, w er un<

verw ischbare W a h rh e it m it schm ierigem G um m i wegzu*

radiren sucht, sich um sein V aterland v e rd ien t? K ann dem deutschen V olk N u tz e n daraus w erden, d a ß noch jetzt, wie vom J u li 14 bis in den N o v em b er 18 alltäglich, ihm gesagt w ird, seines Staatsgeschäftes Leiter seien die E delsten, Wei*

sesten, im R echtsgefühl Festesten aller Sterblichen, ringsum aber laure tückische G ie r, in N e id h ö h le n n u r der W ille zu niederträchtigem M iß b ra u c h gew issenloser Augenblicks*

m ach t? Z u altem w ürde neues U n h eil gehäuft. D ie unbe*

quem e Pflicht, den L andsm ann tadeln, den F rem dlin g ver*

theidigen,fauch w ohl einm al lo b en zu m üssen, d arf, in allem erbärm lichen D enunziantengeheul, den Publizisten von heute nicht m uthloser finden, als sie den in Rom gefangenen, in Scipios Kreis eingelassenen P eloponnesier P oly bio s fand, von dessen G eschichtschreibung der messerscharfe, dem G riechen nicht h old e M om m sen nach heftigem Rüffeln, gesagt h a t :

„ W ie "W a h rh eit u n d W a h rh a ftig k eit m ehr ist als alle Z ier u i\d Z ierlichkeit, so ist vielleicht kein Schriftsteller des Alter*

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thum es zu nennen, dem w ir so viele ernstliche B elehrung verdanken wie ihm . D ie B ücher des P olybios sind wie die Sonne au f diesem G eb iet; wo sie anfangen, da heben sich die N ebelschleier, u n d w o sie e n d en , ‘b eg in n t eine neue, w o m öglich, noch lästigere D äm m erung.“ D es G eschehenden V erschleierung ist gefährlicher als des h in ter uns V ollendeten.

T o p o g r a m m o p h o n

D ie W ic h tig k e it d er Sache, m it d er D eu tschlan d, um K o p f u n d B rust frei zu haben, m orgen zu E nde kom m en m u ß , befiehlt, zunächst einm al in das G elän de d er streitigen H a u p tfra g e n zu rückzublicken,, h in auszuhorchen. D a auch d e r oberschlesische Z w ist, zuerst von noch täppischer H a n d , d an n behutsam er, in Spa b e rü h rt w ord en ist, sei hier eine aus dem O streich der K ohle an m ich gelangte Z uschrift ver*

öffentlicht, die das* im d ritten Ju lih e ft ü b e r das Them a Ge*

sagte b estätigt u n d im Einzelnen sach k u n dig ergänzt.

„D er Friedensvertrag von Versailles befaßt sich auch mit der Regelung des politischen Schicksals des Landes O b er­

schlesien. Von dem preußischen Theilgebiete dieses Landes wird ein Theil (das H ultschiner Ländchen) der Czechoslowakei zugesprochen, ein anderer Theil (die Kreise Neiße, G rottkau, Falkenberg und die Hälfte von N eustadt) beim: Deutschfein Reich belassen, im Restgebiet soll die Bevölkerung durch Volks­

abstim m ung in jeder Gemeinde zeigen, ob sie den Anschluß an Polen oder an D eutschland wünscht. Im: österreichischen Antheil des Landes Oberschlesien soll in einer gleichgearteten Volksabstimmung die Bevölkerung sich für den Anschluß an Polen oder die Czechoslowakei entschließen. Das oberschlesi­

sche Volk in seiner übefwiegenden M ehrheit fordert die Selb­

ständigkeit und Untheilbarkeit seines Landes und die W ieder­

vereinung mit den von ihm seit über 150 Jahren getrennten B rüdern in Oesterreich-Schlesien.

Als beste Lösung der oberschlesischen Frage erweist sich die N eutralisirung Oberschlesiens, und zwar möglichst im Ver­

band mit dem teschener Land. Diese N eutralisirung ist be­

gründet durch die Einheitlichkeit der Bevölkerung O b er­

schlesiens. Das oberschlesische Volk ist ein durch Jahrhunderte lange Kultur-, Arbeit- und Lebensgemeinschaft fest verbunde­

nes und eigenblütiges Einheitvolk slawo-germanischer B lut­

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m ischung von fast drei Millionen Seelen, wovon über 600 000 auf den österreichischen Antheil entfallen. Die M uttersprache der G esam m tbevölkerung ist zu knapp drei Fünfteln polnisch, und zwar im oberschlesischen Dialekt, und zu m ehr als zwei Fünfteln deutsch, zum geringeren Theil mährisch und czechisch.

:Als U m gangssprache wird das Deutsche fast allgemein ver­

standen. G anz Oberschlesien, auch der Theil mit deutscher und m ährischer M uttersprache, bekennt sich mit geringen Aus­

nahm en zur römisch-katholischen Religion. Die Geschichte er­

weist das oberschlesische Volk als ein Einheitvolk; sie ist eine tausendjährige Geschichte der Knechtschaft und des vergeb­

lichen Strebens nach Freiheit. Die Knechtschaft beginnt 999 mit der gewaltsamen U nterw erfung Oberschlesiens durch Polen.

1163 erlangte es durch Verm ittejung des Deutschen Kaisers Friedrich Barbarossa in einem Familienzwist des polnischen H errscherhauses unter den Piasten die Freiheit und Selbständig­

keit zurück. Um' 1300 aber gerieth es wieder in Abhängigkeit, und zwar zunächst in böhmische, 1497 in ungarische und 1526 in habsburgische. Schon 1421, auf dem Fürstentag zu Breslau, hatten die oberschlesischen Fürsten versucht, die Selbständig­

keit Oberschlesiens zu proklam iren und wiederherzustellen.

In feierlicher Form verkündete dann 1531 der letzte Piast im sogenannten Hanus-Privilegium die Untheilbarkeit der H erzog­

t ü m e r O ppeln-Ratibor und damit den Gedanken eines ein­

heitlichen und selbständigen Oberschlesiens. D er erste habs- burger Ferdinand hob die Sonderstellung O berschlesiens auf;

es w urde einer d er vier schlesischen Kreise. 1763 kam der Theil nördlich der O ppa, O lsa und Weichsel unter preußische

Herrschaft, der südliche blieb den H absburgern.

Die N eutralisirung Oberschlesiens wird ferner durch die geographische und geologische Beschaffenheit des Landes em p­

fohlen. Oberschlesien ist das Thal der oberen Oder, eingebettet zwischen den Gebirgszügen der Sudeten und Beskiden und dem wasserarmen Hochland des polnischen Jura. Es ist das G ebiet des zweitgrößten deutschen, mit dem ostschlesischen, galizischen und kongreßpolnischen Beckenantheil sogar des größten europäischen Steinkohlenvorkommens, das schon in der ersten Teufenstufe 114 Milliarden Tonnen abbauw ürdiger KJohle faßt. Oberschlesiens Erde birgt die für die W irthschaft nothwendigen Rohstoffe, vor Allem Kohle, Eisen- und Zink­

erze, Kalk, Cement, Ziegeleierde. Die W älder versorgen die W irthschaft fast vollständig mit Holz, abgesehen vom G ru b e n ­

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holz, das Oberschlesien aber auch etwa zu einem Drittel selbst liefern kann. Die L a n d w irtsc h a ft deckt den Bedarf an B rot­

getreide fast vollständig und selbst den unverhältnism äßig hohen Bedarf (insbesondere der Bergarbeiter) an Fleisch und t i e r i ­ schen Fetten zum größten Theil. Auch die Arbeiterschaft rekru- tirt sich fast ausschließlich aus dem eigenen Lande. Deshalb muß eine Theilung Oberschlesiens nachdrücklich abgelehnt werden. Sie würde nicht nur die W eiterentwickelung der ober­

schlesischen Industrie verhindern, sondern sogar einen unge­

heuren Rückgang bewirken.

Aber auch jede andere B eantw ortung der oberschlesischen Frage, deren Folge die Zerreißung der wirthschaftlichen Be­

ziehungen Oberschlesiens wäre, wird zum N iedergang der W irth­

schaft führen. Das D eutsche Reich gew ährte Oberschlesien die Entwickelung- und Absatzmöglichkeiten. Es verschaffte dem Rückgrat der oberschlesischen Industrie die K onkurrenz­

möglichkeit, nämlich der oberschlesischen Kohle den größten Theil ihres Absatzes neben der besseren westfälischen und englischen Kohle und dem oberschlesischen Eisen neben dem westfälischen und englischen billigeren Eisen. Dies w urde er­

reicht durch die zu G unsten Oberschlesiens vom Deutschen Reich betriebene Eisenbahntarifpolitik. Vor Allem aber w urde die Konkurrenzmöglichkeit durch die privaten deutschen W irth- schaftverbände verbürgt, in denen zwar Westfalen herrschte, die aber trotzdem die oberschlesische Industrie schützten.

Deutschland sicherte der Provinz alle Ergebnisse seiner W issen­

schaft und Technik und alle ihm unentbehrlichen Fabrikate, insbesondere Maschinen und E rs a tz te ile . Die deutschen Liefe­

ranten sind für uns unersetzlich. Oberschlesien hätte im Ver­

bände mit O esterreich-U ngarn oder mit Rußland nie seine jetzige Bliithe erreicht. Diese Staaten waren nicht einmal im Stande, das dombrowaer, das galizische und das teschener Revier so zu entw ickeln/daß alle drei zusammen, geschweige denn eins allein von ihnen, auch n ur annähernd die Bedeutung»

des oberschlesischen Reviers erlangten.

Im Fall seiner Einverleibung in das neugeschaffene Polen­

reich1 m uß Oberschlesien verelenden, denn es wird dann für seine Erzeugnisse weder den n o tw e n d ig e n deutschen Schutz noch die Absatzmöglichkeit im Deutschen Reich behalten. Für diesen verlorenen Absatz kann weder Polen noch das andere C entral­

europa Ersatz schaffen. Es ist nicht anzunehm en, daß diese Gebiete in Zukunft wesentlich m ehr als in der Vergangenheit,

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nämlich etwa ein Viertel der oberschlesischen Kohlenproduktion, aufnehm en können. W ahrscheinlich wird uns schon im näch­

sten Jahr der Kohlenabsatz in einem U m fang fehlen wie nie zuvor. Oberschlesien b raucht also das D eutsche Reich, w enn seine W irthschaft und damit sein Volk nicht verelenden soll, während d as Deutsche Reich auf Oberschlesien nicht unbedingt an ­ gewiesen ist. Oberschlesien kann ohne Polen blühen und sich weiter entwickeln, aber niemals dauernd in Polen ausreichende Absatzgebiete erobern, die für die verlorenen Ersatz bieten.

Dagegen kann Polen ohne Oberschlesien bestehen und sich entwickeln, weil D om brow a und Galizien (auch ohne Teschen) viel m ehr leisten, als Polen aufnehm en kann. Das w ürde durch die unausbleiblichen schweren W irthschaftkrisen dieser Reviere direkt gefährdet, .die einander die schärfste K onkurrenz machen w ü rd en ; insbesondere w ürden das dom brow aer und das galizi- sche Revier der oberschlesischen Konkurrenz ziemlich o h n ­ mächtig ausgeliefert sein. Auch w ürde der Gegensatz zwischen Polen und der Czechoslowakei noch vertieft. Die C zecho­

slowakei ist von der oberschlesischen Flammkohle abhängig.

W enn Oberschlesien seine B edeutung behalten und zur A btrag ung der Kriegsschulden mitwirken soll, dann muß es auch seine kulturellen und w irtsch aftlich en Beziehungen b e­

halten. Das kann im Fall der A btrennung vom Deutschen Reich nur geschehen durch die N eutralisirung Oberschlesiens, und zwar lam Sichersten im Verein mit dem teschener Lande."

D ie in Spa ausgesprochene F o rd eru n g, einen T heil der oberschlesischen K ohle in jed em Fall d em jD eu tsch en Reich zu sichern, bew eist, d a ß die R egirung m it der M öglichkeit uns u ngünstigen Stim m ergebnisses zu rech nen beginnt. Die«

ses E rg ebniß soll (nach A rtikel 88, §§ 4 u n d 5 der A nlage)

„gem eindew eise, nach d er M eh rh eit in jed e r G em einde, fest«

gestellt“ u n d an d en Bericht d a rü b e r d en V orschlag einer deutsch*polnischen G renzlinie g ek n ü p ft w erd en, der „den W illen d er B ew ohner eben so wie die geographische u n d w irts c h a ftlic h e Lage d er O rtschaften berü cksich tigt“ . Ge«

rade die G em einden der K ohlenbezirke k ö n n ten au f die Frage des A rtikels 88 an tw o rten ; „ W ir w ollen w eder zu P reu ß en no ch zu Polen gehören, sondern, in G em einschaft m it Teschen, einen selbständigen, neutralen, w irthschaftlich u n d k u lturell D eu tsch lan d u n d O esterreich b efreun d eten Staat b ild en .“ U n d die W estm ächte w ären du rch den Friedens vertrag, der ihren

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Beschluß nicht fest an das Stim m ergebniß bindet, an d er Er*

füllun g solchen W unsches nicht gehindert. Professor Keynes billigt das inVersailles über O berschlesien Beschlossene, möch*

te aber vor der A bstim m un g vo n den V erb ün deten hören, d a ß auch ihnen die „ w irts c h a ftlic h e Lage“ die Z uw eisung der K ohlenbezirke an D eutsch lan d zu fordern scheine, w enn nicht der V olksw ille deutlich A nderes begehre. M ich dünken all diese nationalen A bgren zu n gen n u r P rovisorien, E tapen au f dem d u rch u n h a ltb a re B alkanisirung fü h renden W e g in V ereinigte W irth sch aftstaaten , deren innere Souverainetät*

grenzen u n d deren überdachende C entralm acht von W irth*

schafterVernunft bestim m t w erden. O berschlesien nicht län*

ger Z ankapfel, nicht von der A g itatio n des in der Stimm*

zettelschlacht besiegten V olkes u n terw ü h lt u n d stetiger A rb e it entfrem det, dem deutschen B edarf offen, u n ter m oderner Ver*

w altun g ein zu A u fb a u E uropas taugliches W erkzeu g: da wäre das erste Ziel. D as zw eite: V erw altungeinheit für das ganze schlesische Zechen* u n d H ü tten g e b iet (D o m brow a, O strau»K arw in, Teschen, K rakau u n d das preußische Ober*

schlesien). D as d ritte: ein nicht von privater E rw erbgier ge*

leitetes europäisches K ohlensydikat, das außer diesen Bezirken die W estd eu tsch lan d s, B elgiens, Frankreichs u n d Englands, w enn das n ich t insular b leib en w ill,u m faß t u n d den A rbeitern den ihnen g eb ühren den T h eil der Leitung u n d des Ertrages ü b erläß t. Solche w eit greifende Planw irthschaft kön nte För*

deru ng , A b ru f, W ag o n stellu n g , T arife so geschm eidig dem Be*

d ü rfn iß anpassen, d aß selbst an T agen hoher Industriekon«

ju n k tu r K ohlenm angel n ich t lästig w ürde. D er A berglaube an die „nation alistischen V ariatio nen “ der H erren Paderew ski u n d D m ow ski hat die W e ltric h te r von V ersailles, die kaum ahnten, w o M arien w erd er liege, in die Lächerlichkeit einer A b stim m u n g verleitet, die n u r die fast lückenlose D eutschheit des von ihr aus der R uhe gescheuchten G ebietes erwiesen hat.

D iesm al w ird V orsicht w alten. Schon ist vielen O berschlesiern G ew iß h eit, d aß ihr H erzensw unsch erfüllt w ird, w enn von je h u n d e rt Stim m en am T ag des Plebiszites siebenzig oder achtzig die S elbständigkeit u n d N eu tralisiru n g fordern. U n d verbü rg t die berliner R egirung nicht schleunig eine Bodenbe»

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sitzreform , die den L andh u ng er des K leinbauers u n d A rbeiters sättigt, d an n w ird sie schlim m , vielleicht, von der Z ah l der Stim m zettel ü b errasch t,, die auch in ländlichen G em einden das V erlangen nach Selbständigkeit bekennen.

N ach d en B erichten ist in Spa ü b er die besetzten west«

deutsch en G eb iete u n d ü b e r deren B eschw erde nicht ge«

sprochen w orden. Eine Frau, die einen in D eutsch land s Ko*

lonialgeschichte bekann ten N am en trä g t, schrieb m ir über das leidige K apitel der Sexualvergehen:

„Sehr geehrter Herr Harden, besondere Genugthuung haben mir Ihre Worte über die ,schwarze Schmach' bereitet. Um so mehr, als ich dieser Tage Gelegenheit hatte, eine Dame aus Ludwigshafen zu sprechen, die zu ähnlichen Resultaten wie Sie gekommen ist. Sie war der Meinung, daß viele, sehr viele Frauen durch ihr Entgegen­

kommen die Schwarzen dauernd reizen. Eine besondere Rolle spielt, wie es scheint, dabei die Chocolade. Die Frauen lassen sich von den Schwarzen gar zu gern mit Chocolade beschenken. Die stellen dann die Bedingung: ,Für ein Kilo Chocolad ein Kilometer Promenad.' Auf der Promenad ereignet sich dann meist, was nachher ,Unglück' heißt. Wer kann sich darüber wundern, daß die Schwarzen für ihr Geschenk eine Gegenleistung fordern? Als Frau möchte ich aber Ihren Betrachtungen Einiges hinzufügen, dessen Beherzigung ich un­

seren weiblichen Hoch- und Tiefpatriotinnen empfehle; deon die Re­

vision aller moralischen Entrüstungstürme bei uns ist dringende Vor­

aussetzung für die Revision von Versailles. Ich möchte, um Mißver­

ständnissen vorzubeugen, betonen, daß ich natürlich jedes an Frauen und Kindern von Besatzungtruppen begangene Verbrechen so schroff wie irgen d w er verurtheile. Doch die von heute nicht mehr als alle analogen Vorgänge, die sich im Krieg in den besetzten Gebieten ereigneten. Die moralische Entrüstung über solche Vorgänge steht der Nation schlecht, deren Frauen während des Krieges und seitdem sich nie zu gemeinsamer Kundgebung gegen das- Verbrechen aufgerafft haben, das an den zehntausend Frauen und Mädchen von Lille begangen wurde. Trotz­

dem es sich hier um eine Anordnung von höchster militärischer Stelle handelte, während die ,schwarze Schmach4 aus Einzelfällen besteht, die unabhängig von der militärischen Leitung sind.

Und nach ganz anderer Richtung noch sollte die ,schwarze Schmach' unseren Frauen zu denken geben. Gab es nicht für Afrika Jahrzehnte lang eine ,weiße Schmach'? Diese Betrachtung könnte in Zukunft erziehlich wirken. Waren die schwarzen Frauen nicht allzu oft nur Freiwild für alle vom Tropenkoller geplagten deutschen

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Männer? Da wohl allgemein bekannt sein dürfte, daß die afrikanischen Rassen eine Prostitution nicht kannten, bis sie von den weißen Män­

nern dort eingeführt wurde, braucht kaum betont zu werden, daß von den Weibern einfach die Hingebung erzwungen wurde. Ist der ,Europakoller* der schwarzen Soldaten nicht eben so begreiflich wie der »Tropenkoller4 der weißen? Alle Schuld rächt sich auf Erden.“

C hocolade, K atzenzungen sogar, Lille, A frik a: Alles, ver- ehrte Frau, durchaus richtig u n d hörens w erth. Ich bleibe auch überzeugt, d a ß m anches arm e D in g , dem d er bronzene K riegsm ann gar nich t sehr lange zuzureden brauchte, nach«

her, aus Scham, w eil A lle so lau t d rü b e r schmälen, aus A ngst vor den du n k len Folgen G ew altth at behau p tet, die ih r G e ­ wissen n ich t beschw ören k önn te u n d die physiologisch schwer bew eisbar wäre. U eberzeugt, d a ß die Z ah l d er „Fälle“ nicht viel kleiner w ürde, wenn w eiße Franzosen die vielfach allzu zärtlich u m w orbenen Soldaten vom Senegal u n d aus M a- ro k k o in der W a c h t am R hein ablösten. D ieses W acht*

recht m u ß eben D en en zurückgegeben w erden, die N a tu r dazu verpflichtet hat. W e iß , B raun, Schwarz: erst m it den frem den T ru p p e n w ird der Streitstoff verschw inden. D ie D auerb esetzun g h in d ert die V ölkerversöhnung; u n d weil sie, auch nach der H erabsetzu n g der K ostensum m e, D eu tsch ­ lands H a u sh a lt arg belastet, ist zu b edauern, d a ß sie auf der K onferenz n icht besprochen w urde.

Z u B elichtung des k olonialen Besitzstreites b o t das Z w ölftagew erk kaum G elegenheit. Im m erhin gehört in die­

sen Z usam m enhang der G egenstand, um dessen D arstellung der folgende B rief eines D e u tsch -A frik a n e rs m ich bittet.

„Sie wissen, daß wir in Ostafrika versucht haben, unsere Kolonie und unser Eigenthum' nach Kräften gegen die Eng­

länder zu vertheidigen. Die kleine Truppe unter Lettow kam' im April, die große Mehrzahl der in Gefangenschaft oder in Lazareten zurückgelassenen Civilisten erst im November 1919 nach Deutschland zurück. Neunzig von Hundert kamen mit englischen Entlassunganzügen und einem kleinen Bündel; all ihre Habe, alles in zehn, manchmal zwanzig harten Jahnen!

Erarbeitete war in der Kolonie geblieben. Auch1 tragen Viele noch die Keime von Malaria und anderen Tropenkrankheiten in sich. Noch ist, natürlich, Niemand entschädigt worden.

Die Militärlöhnungen,, die allgemein nicht abgehoben worden,

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sondern als Depot bei der Schutztruppe geblieben wareji, wuchsen zu beträchtlichen Summen, da jede Gelegenheit, Geld auszugeben, fehlte. Abrechnung und Auszahlung zu erhalten, war bis jetzt unmöglich. Noch schlimmer: der Fiskus be­

hauptet, daß er nach dem Gesetz von 1892 nicht für Schulden der Landesfisci in den einzelnen Schutzgebieten hafte, und weigert sich, zum Beispiel, die Zinsen für die von den Soll­

daten dem Reich' als Kriegsdepot zu vier Prozent gezeichneten Löhnungen auszuzahlen. Von dieser Weigerung hörten wir erst bei der gerichtlichen Verhandlung; auf unsere Eingaben hat das Kolonialamt entweder gar nicht oder nach vier bis»

sechs Monaten geantwortet. Das Leben in der alten Heimath ist theuer; Viele haben Familie, sind nach langjähriger Ab­

wesenheit ohne Fühlung mit Verwandten, stehen allein. Was aus unseren Pflanzungen und anderem Eigenthum geworden ist, wissen wir nicht. Wjr warten mit Ungeduld auf die Mög­

lichkeit, unsere Thätigkeit draußen wieder aufzunehmen, weiter- zubauen an dem Werk, das uns Lebensaufgabe wurde. Aber wir sind ^ein kleines Häuflein, zerstreut im Lande, krank und ohne die Mittel, unserer Sache Beachtung, Publizität zu ver­

schaffen. Gegen die Versuche, uns nach Südamerika abzu­

schieben, wehren wir uns. Wir haben .gerade in Ostafrika1 so ehrliche, so tüchtige Arbeit geleistet, daß Vernunft die»

Engländer bestimmen müßte, uns die Rückkehr zu Aufbau und Besitz zu gestatten. Uebrigens sollte unsere Reg’irun^l auch1 daran denken, den schwarzen Trägern und Askaris den rückständigen Sold, anderen Eingeborenen das für NaturaU lieferungen noch geschuldete Geld auszuzahlen und das Ver­

trauen der Schwarzen nicht zu enttäuschen. Wir haben die Erfahrung gemacht, daß sie dankbarer sind als Weiße." <

D ie selben M enschen, die u n ter den Sam m elnam en der

„schw arzen Schm ach“ g eprangert w e rd en ? Viel w ildere; der M au re u n d Senegam bier ist edleren Blutes u n d der Civi*

lisation näher als d er N e g e r des O stens. W e r aber hätte Lust, die Satire, die sich zwischen zwei Beschw erden ein#

klem m t, lachend auszuspreiten, w ährend tüchtige M änner n icht n u r des A rbeitertrages, so ndern auch jed er Möglich*

k e it b e ra u b t sind, ihre K räfte nützlich zu regen?

In d en K onferenzsaal w u rde kein Pressem ann eingelassen.

D a ß u n d w ie, tro tz d em , ü b er den V e rla u f‘der Sitzungen b erichtet w urde, sollen ein paar P röbchen erweisen.

(13)

„Man darf sagen, daß zur Zeit die Aussichten anscheinend größer sind als die keineswegs unbeträchtlichen Schwierigkeiten.

Diese bestehen in der noch ungenügenden gegenseitigen Kennt- niß der politischen Ausdrucksweise; man hat nicht gleich den richtigen Ton gefunden. Geßlers große Rede verfehlte ihre Wirkung ganz. Sie enthielt zu viel Allgemeinheiten und zu wenig Gegenvorschläge. Fehrenbachs feierliche Beschwörung der Alliirten wirkte deplacirt und unglaubwürdig. Auf der an­

deren Seite hat die rauhe und offenbar bewußt rauhe Form Lloyd Georges nicht zur Milderung der Gegensätze beigetra­

gen. Man erkennt die englische Taktik am Besten an der That- saclie, daß nach dem heftigen öffentlichen Auftreten des Mi­

nisters sogleich am selben Abend General Malcolm in Civil die Deutsche Delegation besuchte, und zwar im Gegensatz zu der sonst bisher von beiden Seiten geübten Zurückhaltung. Diese Zurückhaltung hat sich auch in der gestrigen Sitzung ge­

zeigt, erfuhr aber eine gewisse gesellschaftliche Abschwächung, als in einer Sitzungpause die Theilnehiner an den Verhandlun­

gen gemeinsam Thee tranken und sich über wichtige Dinge in freundschaftlicher Form unterhielten. Allerdings nur, so weit sie schon vorher mit einander bekannt waren. Neue Anknüpfun­

gen sind bisher noch nicht gesucht worden. Dieses steife Ver- hältniß ist ein weiteres Hinderniß für den günstigen und grad­

linigen Fortgang der Verhandlungen. Es ist schlechterdings un­

möglich, daß in einer knapp bemessenen Anzahl gemeinsamer Sitzungen die schyierigen Fragen geklärt werden, um' die es sich handelt, und die gegenseitigen Mißverständnisse und G e­

fühle des Mißtrauens beseitigt werden. Es würde nöthig sein und es ist zu hoffen, daß man auch dahin kommen wird, neben den öffentlichen Sitzungen zwanglosere Besprechungen einzu­

schalten. Zwei wichtige und werthvolle positive Momente sind nicht außer Acht zu lassen. Das eine besteht in dem offen­

sichtlich vorhandenen Willen auf alliirter Seite, diese Konfe­

renz, wenn irgend möglich, nicht mit einem negativen Ergeb- niß schließen oder gar scheitern zu lassen. Es sei hier mit allem Nachdruck festgestellt, daß diese Stimmung ganz beson­

ders in französischen Regirungskreisen vorhanden ist, und es ist zu hoffen, daß sie sich während der wirtschaftlichen und finanziellen Verhandlungen praktisch erweisen wird. Es ist be­

kannt, daß bei den militärischen Verhandlungen als Wortführer der Alliirten Lloyd George auftritt, und zwar, wie schön ge­

sagt, in einer nicht gerade freundlichen Weise. Der Wortführer

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der Entente bei den Wirthschaftfragen wird Millerand sein.

Es ist zu hoffen, daß diese Auswahl dem Fortgang der Dinge günstig sein wird." (Vossische Zeitung.)

„Zum ersten Mal hat heute Millerand den Vorsitz über­

nommen. Zum ersten Mal hört man einen Franzosen in offi­

zieller Verhandlung mit einem Deutschen. Die Atmosphäre än­

dert sich mit einem Schlag. Ein schwarzer Tag. Die Kohlen­

frage wird verhandelt. Zuerst spricht Staatssekretär Bergmann.

Er betont den guten Willen Deutschlands, zugleich aber auch die Schwierigkeiten, mit denen Deutschland zu kämpfen ge­

habt habe. Er erinnerte, daß die Förderung sich neuerdings sehr erheblich gesteigert habe. Er schloß mit der Hoffnung, daß die Verhandlungen zu einem Abkommen führen würden.

Hierauf Millerand. Er spricht formaler, parlamentarischer als Lloyd George. Er spricht als Advokat, wenn nicht als Staats­

anwalt. Er habe mit großem Interesse zugehört. Der von Bergmann erwähnte Vertrag existire aber schon. Es sei der Vertrag von Versailles. Deutschland habe seine Lieferungen eigenmächtig vermindert. Dabei sei die Lage Frankreichs in den Kohlenfragen schlimmer als die der Deutschen. Er sei nicht hier, um Sentimentalitäten vorzubringen, aber er erinnere an die unnöthigen Zerstörungen in den französischen Berg­

werken beim deutschen Rückzug. Dann stellte Millerand die alliirten Forderungen. Sie sind ungeheuerlich. Gefordert wird die Priorität der vorgeschriebenen Lieferungen an Frankreich vor denen an die deutschen Abnehmer. Ferner eine von der Wiedergutmachung-Kommission einzusetzende Kontrolstelle in Berlin, jederzeitige Vorlegung eines Planes über die Vertheilungt der deutschen Kohlenlieferungen; zuletzt Bestrafungsklauseln.

Etwaige Strafen werden verhängt durch die Wiedergutmachung- Kommissionen. De La Croix schlägt nun eine kurze Unter­

brechung vor zur Beschlußfassung durch die Deutschen. Si­

mons lehnt Das ab. Die Delegirten müssen die Sachverständi­

gen hören. Es kommt nun eine Rede Millerands von be­

trächtlicher Länge, die reiner Hohn ist, auch wenn sie ganz überaus höflich stilisirt ist. Es solle jede Form der Courtoisie gewahrt werden. Alle Begründungen werde man entgegen­

nehmen, jedoch müsse die Deutsche Delegation bis morgen' die Forderungen annehmen. Es handle sich um eine gemein­

same, nicht nur die Alliirten, sondern auch Deutschland an­

gehende Frage, die auch zu seinem Nutzen gelöst werden müsse. Solche verbindlichen Sachen hat Lloyd George nie ge­

(15)

sagt. Trotzdem hat Millerand in wenigen Stunden das Niveau sehr gefährlich gesenkt. In seiner Rede fiel auf, daß er ins­

besondere darauf hinwies, daß Deutschland keine Kohlen­

lieferung ins neutrale Ausland machen dürfe, bevor es seinen Verpflichtungen den Alliirten gegenüber nachgekommen sei.

Millerand besprach besonders das mit den Kohlenlieferungen verbundene Kreditabkommen mit Holland. Auch’ Frankreich hätte, wenn es darum angegangen worden wäre, Deutschland jeden Kredit gegeben. Die ganze Rede bedeutet Diktat. Alle seine Sätze bedeuten nur, daß morgen eine Entscheidung fallen muß. Heute mittag, ein paar Stunden ein gewisses Aufathmen; schon wieder Krise. Die Delegation geht einen schweren Weg. Er muß zu Ende gegangen werden. Aber nie­

mals hätte der Vertrag von Versailles unterzeichnet werden dürfen. Es ist zu betonen, daß die Deutschen gegen die Drohklausel des bis morgen zu unterzeichnenden Protokols einen Protest eingelegt haben. Damit ist der deutsche Stand­

punkt völlig gewahrt." (Berliner Tageblatt.)

„Sehr interessant ist eine Bemerkung, die Millerand in der gestrigen Sitzung gemacht hat. Er erklärte nämlich, wenn

Deutschland mit seinem Anleihebedarf, statt nach Holland, nach Paris gekommen wäre, so würde auch Frankreich bereit gewesen sein, ihm die nothwendige Summe gegen Erhöhung der Kohlenlieferung zu verschaffen. Alles in Allem ist der Vor-»

gang für den ganzen Verlauf der Konferenz von großer Be­

deutung. Es steht nun endgiltig fest, welche Art des Vor­

gehens die Alliirten von dieser Konferenz erwartet haben. Sie haben gewünscht und wünschen noch jetzt, daß Deutschland aus eigener Initiative einen konkreten Vorschlag für die Rege­

lung von Verhandlungen machen soll. Man ist bereit, ejnen solchen Vorschlag, auch wenn er in den Einzelheiten und Be­

dürfnissen den Wünschen der Alliirten nicht entspricht, zu einer Basis von Verhandlungen zu machen. So würde man in der Kohlenfrage mit Holland über das ziffernmäßige Mate­

rial verhandelt haben, man würde dann, wenn eine Einigung erzielt worden wäre, die Kon trolmaßnahmen ganz anders vor­

geschlagen haben, als Dies jetzt der Fall ist." (Vossische.);

„Die Rede des Ministers Simons hat, wie ich höre, in alliirten Kreisen, jedenfalls auf französischer Seite, einen außer­

ordentlich günstigen Eindruck gemacht. In der Sitzung selbst hat sowohl Lloyd George wie Millerand die Rede mit großem Interesse verfolgt und Millerand hat in kurzen, aber mit großer

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Freundlichkeit betonten Worten gesagt, daß einzelne Ausfüh­

rungen des Ministers Anregungen geradezu vorweg genommen hätten, die die französische Delegation zu machen beabsichtigt hätte. Uebrigens war, wie schon erwähnt, die ganze Sitzung!

auch vor der Rede Simons’ auf einen bedeutend freundlicheren Ton gestimmt als die Vormittagssitzung. Nachdem Millerand in gewissen Einzelheiten gegen Simons polemisirt hatte, führte er mit großer Wärme aus, es sei keineswegs die Absicht der Alliirten, Deutschland zu bestrafen. Vielmehr wünschen sie, daß die deutsche Wirthschaft bald wieder auf ihre einstige Höhe zurückkehren möge, unter der einen Voraussetzung, daß Deutschland sich nicht seinen Verpflichtungen entziehe. Ins­

besondere sei es sein lebhafter Wunsch,- daß die Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland sich so friedlich wie nur möglich gestalten möchten." (Vossische Zeitung.)

,,Es wurde schon wiederholt darauf hingewiesen, daß die deutsche Taktik in der Wiederherstellungfrage, lediglich eine Formel zur Beratliung vorzulegen, aber konkrete Vorschläge, besonders in der Finanzfrage, mit großer Zurückhaltung zu machen, richtig war. Ich habe von einer ,Pferdekur' ge­

sprochen, die nothwendig war, um die Konferenz auf den1 Boden der Thatsachen zu bringen. Die Alliirten konnten nur Zweierlei darauf thun. Diktiren, was sie in Boulogne und Brüssel be­

schlossen hatten, oder vernünftige Verhandlungen der Sachver­

ständigen beginnen lassen zur Vorbereitung von Beschlüssen, die dann von Politikern in den Rahmen der allgemeinen Po­

litik eingefügt werden können. Das war das einzige Mittel, um zu einem wirklich durchführbaren Ergebniß dieser großen Verständigungskonferenz Europas zu kommen. Der Oberste Rath hat Das tatsächlich eingesehen. Das stand gestern morgen nach der Besprechung des führenden deutschen Staatsmannes mit Millerand fest. Es wird nicht mehr, wie zu Anfang der Konferenz, mit uns verhandelt und ohne uns beschlossen. Die gegenwärtige Methode schließt Das aus. Natürlich ist das Uebergewicht der siegreichen Alliirten in diesen Verhandlungen enorm, aber es kann bei der jetzigen Methode nicht über uns hinweggegangen werden, wie seit anderthalb Jahren. Nun ist abzuwarten, was sachlich geleistet werden wird. Man braucht sich nicht zu verhehlen, welch ungeheure Schwierigkeiten noch bevorstehen, bis der deutsche Standpunkt sich wirklich im1 Bewußtsein der Alliirten durchsetzen wird. Der Anfang dazu ist entschieden hier gemacht. Die Sachverständigen, die sich

(17)

in Spa aufhalten, gehören zu den besten Männern Deutsch­

lands auf ihren Gebieten. Man darf mit Vertrauen auf Das, was jetzt kommen wird, blicken." (Berliner Tageblatt.)

„Die Initiative zu der heute stattgefundenen Unterredung zwischen Lloyd George und Simons war wechselseitig. Die Mittheilung von beiden Seiten, daß eine solche Unterredung erwünscht sei, kreuzte sich. Nachdem heute nachmittag die Unterredung zwischen Lloyd George und Simons etwa eine Stunde gedauert hatte, kehrte Simons nach der Villa Sorbier zurück. Etwas nach Fünf Uhr erschien der Reichskanzler mit Simons und dem Leiter der Rechtsabtheilung im Auswärtigen Amt in der Villa Annette et Lubin. Der große Speisesaal wurde geräumt und die Kaffeetische wurden zu einem großen Be-' rathungtisch zusammengestellt. Es fand dann eine sehr leb­

hafte Besprechung der Delegirten statt, an der sämmtliche Koh­

lensachverständigen theilnahmen. Man bemerkte, daß haupt­

sächlich Dernburg, Professor Bonn, Stinnes, Minister Simons und Melchior sprachen. Während der Verhandlungen bildeten sich zeitweise Gruppen zu Einzelbesprechungen. Wiedfeld zog sich mit Stinnes zu einer Besprechung in eine Ecke zurück.

Nach sechs Uhr war die Besprechung beendet. Eine Einigung ist noch nicht erzielt . . . Es wird erwartet, daß im Lauf der Nacht oder morgen früh die Entscheidung seitens der Deutschen Delegation fallen wird. Die Alliirten haben bis morgen elf Uhr Klarheit gefordert. Es liegt also eine Mittheilung vor, die eine Entscheidung fordert. Man nennt sowas Ultimatum. Diese Mit­

theilung ist von der gleichen Drohung begleitet, die auch1 bei der Unterschrift für die militärischen Forderungen verlangt wurde. Also Ruhrgebiet. Das ist jetzt die Situation. Sie ist hochpolitischer Natur. Alle Fragen der Zukunft Deutschlands stehen auf dem Spiel. Die heutige gemeinsame Sitzung der deutschen Delegation mit den Sachverständigen war außer- ' ordentlich lebhaft. Stinnes schlug eine schärfere Tonart an.

Die Mehrheit der Sachverständigen war aber für Fortsetzung der Verhandlungen. Simons, der mehrfach einsprang, behielt sich das Urtheil vor. Die Stadt ist voller Gerüchte. In Folge der außerordentlichen Spannung hüten die Delegationen ihre Geheimnisse. Zutreffend ist aber, daß der von viel Hoffnungen begleitete Besuch Simons' bei Lloyd George keine wesentliche Entspannung gebracht hat. Der äußere Anblick der Situation ist widerspruchsvoll." (Berliner Tageblatt.)

„Als Simons mit den beiden deutschen Herren Lloyd George

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um Mitternacht verließ, sandte der englische Ministerpräsident sogleich1 einen dringenden Boten zu Millerand. Diese That- sache wurde sogleich in Spa bekannt, verbreitete sich wie ein Lauffeuer und hatte in der unerträglich gewordenen Span­

nung eine beinahe explosive Wirkung. Die Stimmung, die an diesem Tag von Wechsel zu Wechsel stürzte, morgens noch rosenroth, nachmittags pessimistisch, spät abends schon schwarz­

in Schwarz und völlig hoffnunglos geworden war, schlug aber­

mals um in grenzenlosen Optimismus. Alle Welt erklärte, nun sei die Konferenz über den Berg. Die vollkommen überreizten Nerven aller Konferenzteilnehmer sind aber ein ganz unge­

eignetes Urtheilsbarometer geworden. Der Optimismus ist eben so verfrüht." (B. Z. am Mittag.)

„Lloyd George hatte Simons mündlich das bevorstehende Ultimatum und seinen voraussichtlichen Inhalt einschließlich des Punktes der Nahrunglieferungen mitgfeteilt, auf den die Deut­

schen in ihren Vorschlägen Bezug nehmen mußten, wenn über­

haupt der Abbruch noch vermieden werden sollte. Um sechs Uhr begann die Sitzung der Alliirten, die den Beschluß, gegebenen Falls einzumarschiren, faßte. Dieser Beschluß ist ein Skandal ohnegleichen. Europa braucht Ruhe. Simons hatte im Gespräch mit Lloyd George Klarheit darüber erlangt, wo ein Ausweg zu suchen wäre. Sollte die Deutsche Delegation überhaupt einen Ausweg suchen? Ueber diese Frage wurde in der Gesammtsitzung der Deutschen Delegation entschieden.

In ihr liegt der Schwerpunkt des ganzen deutschen Verhal­

tens seither. In dieser drei bis vier Stunden langen Srtzung wurde Alles zusammengefaßt, was die Delegation sich zu sagen hatte. Wir wissen nicht, ob Simons den Standpunkt Stinnes: es aufs Aeußerste ankom'men zu lassen, unterstützt hat. Ich sprach mit Simons in der Nacht. Er macht den Ein­

druck eines Mannes, der noch im Kampf mit seinen wider­

streitenden Ueberlegungen stand. Die Mehrheit der Versamm­

lung war für weiteres Verhandeln. Die Alliirten sollen d is Ernährung des vergewaltigten Deutschland, nicht nur des Ruhr­

gebietes, wie oft mißverständlich gemeint wird, auf festere Grundlagen stellen. Aber was mit uns geschieht,' ist tief beschämend für unser nationales Dasein. Dennoch muß man den Thatsachen ins Gesicht sehen. Die Kohlenleute, die sich zum Theil widersetzt haben und noch widersetzen, unter­

schätzen die Entschlossenheit des Gegners. Das Ruhrgebiet würde von dem Rest Deutschlands abgeschlossen. Es ist mög-.

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lieh, dat) die entrüsteten Bergarbeiter die Gruben zerstören.

Was wird dann aus der deutschen Inustrie? Der letzte Rest nicht nur unserer Selbstverfügung, sondern auch unseres wirth- schaftlicheji Lebens wäre in Gefahr. Das sind die allerletzten Gesichtspunkte. Unter gänzlich verschiedenen Umständen äh­

nelt die Lage in diesen Tagen der vom Ende Juli 1914. Es' ist die Frage des Präventivkrieges, die in anderer Form h'ier wieder aufersteht. Soll man eine ungeheure Gefahr bekämpfen, indem man sie bewußt herbeiführt? Oder das Aeußerste ver­

suchen, um sie abzuwenden? ,DamokIes', hat in der gestrigen Unterhaltung ein kluger Mann gesagt, ,,wäre ein Narr gewesen, wenn er den Faden durchgeschnitten’ hätte, an dem' 4a s- Schwert hing.' Sicherlich hängt das Schwert auch weiter über uns. Eins der Resultate von Spa ist diese Gewißheit. An Frankreichs Absichten ist nicht zu zweifeln. Daß Lloyd George in Spa nicht über besänftigende R atschläge ihnen gegenüber liinausgegangen ist, ist sicher. Die Erschöpfung ist allgemein.

Die Frage ist nun, ob überhaupt die Wiedergutmachungfrage verhandelt werden soll oder nicht. Das Problem ist ungeheuer umfangreich und voller Fragen. Trotz aller Erpressungtaktik, die mit Süßigkeiten abwechselt, hat die Rohlensache vier Tage in Anspruch genommen, bevor sie in das jetzige Stadium .ge­

treten is t . . . Es giebt sehr ernsthafte Leute, die sagen, daß.

Stinnes die Besetzung des Ruhrgebiets gewollt habe; er habe ein prachtvolles Reich der Kohle zwischen Normandie, Lothrin­

gen und der Ems schaffen wollen und darin das Rheinland als autonomes, blühendes Industrieland voll ungeheurer Reich- thumer. Die rheinische Industrie hätte in Kohlen geschwom­

men. Um das östliche Preußen und das südöstliche und süd­

liche Deutschland hätte Stinnes, für den es keine politischen Grenzen gebe, sich nicht gekümmert. Berlin wäre abgestorben.

Ich glaube nicht, daß Stinnes wirklich solche Dinge wünscht.

Hier in Spa ist tatsächlich um die Einheit des Reiches g e­

kämpft worden. Sie war in Gefahr, wie nie zuvor. Wäre Herr Stinnes nicht hier gewesen, so hätte sich mehr durchsetzen lassen. Nach dem Friedensvertrag müssen wir 3fy\/2 Mil­

lionen Tonnen liefern. Jetzt sind es 24 Millionen Tonnen-.

Wir können Das leisten durch Sparsamkeit und Arbeitleistung.

Deutschlands Hoffnung ist seine Arbeit. Sie kann geleistet werden, denn wir werden Nahrungmittel erhalten. Durch das vielumstrittene Darlehen aus unse en Kohlenlieferungen, das wir nun erhalten, bekommen wir für ein halbes Jahr bis 11/4 Mil­

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liarde Goldmark, und zwar, wie Lloyd George erklärt hat, zu besseren Bedingungen, als sonst möglich gewesen wäre.

Das muß zur Gesundung beitragen." (Berliner Tageblatt.) Die W ah l dieser Proben (n u r aus Z eitungen, die sich selbst der D em okratie zuzählen u n d den W u n sch nach Völker*

V ersöhnung bekenn en) w ar nicht etw a von der A bsicht auf V erh ö h nun g des G eschriebenen u n d der Schreiber, ihrer Bil*

der u n d M etap h ern ,W id ersp rü ch e u n d Purzelbäum e bestim m t.

Je d e r H an d g riff k o n n te dazu W irksam eres finden. D ie Be*

richte sprechen für öder gegen sich selbst u n d bed ürfen vor dem U rth eil V erständiger keiner G losse. W ie d e rh o lt sei, d a ß niem als in w ährender Sitzung irgendein Pressem ann den K onferenzsaal betreten durfte. D enn o ch lasen w ir, w ann H e rrL lo y d G e o rg e sich geräuspert, ob H err M illerand m unter oder zornig auf der T ischplatte getrom m elt habe. „Ja, unsere W irth sch aft ist n u r klein u n d doch will sie versehen sein.“

A u f der Vorzimmer* u n d H o fjag d nach dem E rlebnißschein gehts, wie in G retchens H au sh alt, nicht im m er m uthig zu.

U n d mir ist w eder die neue M ode, die von hastig Birschen*

den, h in u n d her Flitzenden in so g ro ß er Sache zugleich m it dem Bericht auch das F ertigfabrikat der politischen Mei*

nun g, „die P o litik unseres B lattes", bezieht, noch die Er*

sprießlichkeit theurer Telegram m e ü b er jed e n Zw eifel er*

haben, die m elden, d a ß ein Z ufallsm inister von einem Besuch

„d ire k t in seine Villa zu rückgekehrt sei, wo den ihn Er*

w artenden der ü b er seinen Z ü g en lagernde E rnst auffiel."

T ro tzdem m orgens, m ittags, abends dicker Q ualm aus dem Kessel stieg, von neuer Krisis, H offnungstrahlen, plötzlich w ieder pechschw arzem H im m el, S ied epu n kten,k aum noch er*

träglicher S p an n u n g , d ro hen dem Reichszerfall, scham loser E rpressung, frechem D ik ta t u n d allerlei A ehnlichem gefabelt w u rd e , gabs in der H eim ath nich t die allerkleinste „Sen*

sation". V on O bstpreis, W ettren n g ew in n, von der M ord*

m anie eines A ngeklagten, u n d der Schw ierigkeit einer Bade*

reise w u rd e geredet. („S chon Berlin* G u b e n , zwei Stunden,, kostet E rster Klasse fast achtzig M ark ; sind auch n u r Ab*

geordnete u n d so was d rin " ) ganz selten n u r klang ein W id e rh a ll von Spa in Stadt* u n d S traß en b ah n en , D ielen

(21)

und Som m ergärten. Viel Lärm um n ich ts? D ie M acher Oeffent*

licher M ein u n g hätten G ru n d , der Frage nachzudenken. A u f der ersten Seite schaufelten sie tle r von ruchlosen Schurken b ed ro h ten W irth sch aft D eu tsch lan ds das G ra b ; au f der letz*

ten stand, die Börse sei fest, hier B etriebsw eitung, d o rt Ka*

p italserh öh u ng zu buchen. V orn lockerten Erpresser das Gru*

benholz aus unseren Bergw erken; h inten las m an: „Kurs*

Steigerung, vom M ontan m ark t ausgehend.“ W ärs nicht besser gewesen, die hoh en Telegram m spesen zu sparen, den Betrag an feine A rb eit ju n g er W o rtk ü n stle r u n d P ublizisten zu wen*

den u n d uns n ur m it den Speisen von der T afel der Reuter, H avas, W o lff & C o. zu b ew irth en ? M anches W ichtig e drang, tro tz dem A ufw and, nicht zu uns. Beispiel: der Brief, den die H erren G rab sk i, Polens M inisterpräsident, u n d Benes, A usw ärtiger M inister der C zechoslow akischen R epublik, in Spa schrieben, um dem R ath der V ier anzuzeigen, d aß ihre R egirungen auf die V olksabstim m ung in Teschen, Spis, Ora*

wa verzichten. „ W ir sind überzeugt, d aß der O berste Rath, im G eist billiger G erechtigkeit, die w ahren Interessen der zwei Schw esternationen w ürdigen w ird, u n d sehen in der Gemein*

schaft unserer U n terschrift den A u sg an gspu n kt zu einem neu*

en V erh ältn iß herzlicher Freundschaft zwischen Polen u n d der C zechoslow akei.“ D ie einander gestern noch unzärtlich kratz*

ten u n d den Streit um T eschen ins U ng eheu re auf bliesen. D ie illu m inirteV ersö h nun g war die Folge des deutschen Versuches, am P o u h o n nebenbei das oberschlesische Problem zu lösen, u n d der schnell fo rtw irkenden Z e rrü ttu n g des polnischen Staatsgefüges, die, ü b er das K abinet hinw eg, den Präsidenten u n d G eneralissim us P sild u d sk i bed ro h t. D ie M o bilisirung der bisher freigegebenen A rb eiter erzw ingt den Stillstand vie*

ler Fabriken, die m it M unition* u n d T ru p p en nachschu b über*

b ü rd eten E isenbahnen liefern nicht m ehr die zulängliche Nähr*

stoffm enge in die Städte, H u n g e rsn o th ,M a n g e l an unentbehr*

licher W aare un d der G rim m ü b er die (vorauszusehende, hier sofort nach dem P oleneinbruch in d ie U k ra in a vorausgesagte) N iederlage: über N a c h t kanns den zu breit aufgedunsenen Staat in B ürgerkrieg u n d A narchie reißen. Polnische Flücht*

linge tragen das Bild trostlos nackten Elends durch die von Sta*

(22)

rosten verw alteten Kreise W estp reu ß en s, des W o je w o d ztw o Pom orskie, au f dessenF eldern eine ungem ein reiche E rnte steht.

D em L a n d w irth w erden fü r d e n C en tn er R oggen sechzig M ark gezahlt; so viel, wie er fü r den C en tn er K ohle, ohne Fracht, zahlen m uß. Ein Paar Stiefel k ostet m indestens vierzehn*

h u n d ert, ein H errenshlip s vier», ein Taschenm esser sechs«

h u n d e rt M ark. D ie Salzration ist für K o pf u n d M o n a t auf ein H a lb p fu n d herabgesetzt, K u n std ü n g er u n d Seife kaum in der kleinsten M enge noch erlangbar; fast jed er Laden kahl ausverkauft, das deutsche, geschäftskundige Personal entlassen oder freiw illig nach D eu tsch lan d abgew andert. D e n Land«»

arbeitern w ird geschm eichelt, achtstündige A rbeitzeit un d T ag lo h n von w enigstens d reiß ig M ark zugesagt, amtlich em pfohlen, m it G u tsfu h rw e rk zur Z eich nu ng von Kriegs*

anleihe (in der Erntezeit) nach der S tadt zu fahren un d Sensen u n d Forken m itzubringen. Bei den Tarifverhand*

lungen in D irschau rieth ihn en der R egirungvertreter, den erh ö h ten L ohn, w enn ihn d er G utsb esitzer weigere, „sich m it K n üpp eln zu h o len.“ N ich ts erinnert an B ürgerrecht u n d V erfassung. Starosten u n d G endarm erie sind allm ächtig u n d verbreiten a u f offenem M a rk t u n d in jed e r Schänke die M är: „ A n allem U n g lü ck sin d n u r D eu tsche u n d Ju d en sch u ld .“ U m jed e n Preis (u n d der einer Lüge ist billig) soll die W u th von den B ehörden au f D eutsche u n d Jud en abgelenkt, beiden V ölkern durch die Pogrom stim m ung der M u th zu vernünftigem W id e rsta n d genom m en w erden.

Längst sehnen selbst Polen, die der A u ferstehung ihres Vater*

landes zugejauchzt hatten, die gute Z eit deutscher Verw ah tu n g zurück. In Teschen u n d U m kreis hätte dieses Polen nicht m ehr „m oralische E rob eru n gen “ gem acht als, wie das Juliplebiszit erwies, in Ost* u n d W e stp re u ß e n ; in Schaaren hätten seine eigenen Söhne gegen die unfähig b rutale Regi«

rerei der W arschauer gestim m t. H e rrn G ra b sk i kann der V erzichtbrief nicht schw er gew orden sein. D er O b erste Rath (C h in d a, L loyd G eorge, M illerand, Sforza) h a t noch am sei*

ben T ag geantw ortet, die pariser B otschafterkonferenz solle die Parteien hö ren u n d so schnell wie m öglich d an n den Spruch des R athes verkünden. A u s G rü n d e n , die ich zuvor an d eu tete, ist diese A nzeige auch für D eu tsch lan d w ichtig,

(23)

das sich n icht in die G ew iß h eit wiegen darf, die H au p tstü ck e O berschlesiens zu behalten. D iese Bezirke m u ß die topo*

graphische K arte der Konferenz von Spa m itum fassen.

D o d e c a m e r o n e

W e n n die V ier (A m erika war selbst d u rch die M itwir*

ku n g Japan s nicht aus dem Z elt achillischen G rolles zu locken) nicht so viel anderes G eschäft, m it dem neuen Ruß*

land u n d dessen R andstaaten, dem italo * yugoslaw ischen A driazw ist, dem w irren B ündel islamischer V ölker, zu er*

ledigen geh abt hätten, wäre der träge Paß g an g der H aupt*

Verhandlung noch ärgerlicher em p fu n d en worden. N ach der zw eiten Sitzung schrieb ein H o llän d er, der V erlauf sei für die D eutschen so peinlich gewesen, d aß sie noch am W agenschlag ganz bestürzt u n d verlegen aussahen. „O ffenbar w aren sie gar nicht vorbereitet gewesen. H e rr G eß ler, w ohl noch' u n ter dem E indruck seiner übereiligen Reise, soll sehr lange, aber d urchaus nich t k lar gesprochen u n d die von L loyd G eorge im m er w ieder erbetenen Einzelangaben nicht geliefert^haben. M inister Sim ons that, m anchm al nicht ohne G eschicklichkeit, das ihm M ögliche, um die unangenehm e W irk u n g dieser R ede zu verw ischen. A b e r die Sache kam nicht vorw ärts; u n d den H au ptfeh ler m achte H err Fehren*

bach m it einer langen, sorglich vorbereiteten Rede, die in die A ugenblickslage zw ar nirgends paßte, von der er aber die tiefste W irk u n g erhofft zu h aben scheint. Es w ar eine typische R eichstagsrede, au f sentim entale R egungen der H ö re r berechnet, obend rein in dem bekannten weiner*

liehen T o n Fehrenbachs vorgetragen, u n d sollte ausdrücken, d aß er als ehrlicher M a n n , der b a ld , vielleicht, vor den Ewigen R ichter hin treten m üsse, sich nich t in unerfüllbare Pflicht entschließen könne. D ie T hatsache, d aß jed e r Satz zweimal, ins Englische u n d Französische, übersetzt w erden m ußte, vertiefte’ noch d en ü blen E indruck. N ach dem Schluß sagte L loyd G eorge, die E rw artu n g sachlicher A n g ab en sei vollkom m en enttäuscht w orden, u n d b at die D eutschen, zu bedenken, d aß die Z e it der D eleg iiten k o stb ar u n d nicht an nutzlose R eden zu vergeuden sei. Er blieb sachlich, war im A nfang d urchaus w ohlw ollend, gab den D eutschen aber

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