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Die Zukunft, 17. Juli, Jahrg. XXVIII, Bd. 110, Nr 42.

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XXVIII. Jahrg. Berlin, den 17. Juli 1920 Nr. 42

ie Slukunft

Herausgeber

Maximilian Harden

INHALT

Der W eg in K l a r h e i t ... 63 Von Schiebern, Geschäftsmoral, T heuerung... 84

Nachdruck verboten

E rsch ein t je d e n S o n n a b e n d

Preis vierteljährlich 22 Mk., das einzelne Heft 2.00 Mk.

BERLIN

V er l a g der Z u k u n f t

Großbeerenstraße 67 1920

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Barmer Bankverein

gegründet

— 1867— M r s , Fischer & Comp.

Hauptsitz in Barmen.

gegründet

— 1867 —

N ied erlassu n gen in: Ahlen, Altena i. W., Andernach, Aurich, Bentheim, Bielefeld, Bocholt, Bonn, Brühl, Bünde,Burgsteinfurt, Castrop, Clewe, Coblenz, Cöln, Coesfeld, Crefeld, Dortmund, Dülmen, Düsseldorf, Duisburg, Emsdetten, Essen, Gevelsberg, M.-Gladbach, Gronau, Gummersbach, Gütersloh, Hagen i. W., Halver, Hamm i. W., Haspe i. W., Hilden, Hoerde, Hohen­

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Kom m andite: von der Heydt-Kersten & Söhne, Elberfeld, Vohwinkel, Unter-Barmen.

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Vermittlung aller bankmäßigen Geschäfte.

Vermögensverwaltung — Steuerberatung.

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Der W eg in Klarheit

K l i n g e r

Die Phantasie th u t wie ein Kind, Das einsam Kränze windet,

Bald lacht u n d plaudert mit dem Wind, Bald einen Schwank erfindet

U nd w underliche M ärchen spinnt, D ann innehält u n d traurig sinnt . . .

ellers m üde Verse sum m en m ir durch den Kopf, da aus einer sächsischen L andschaft der T o d Klingers, des Ra*

dirers,M alers, S teinbildners,gem eldet w ird u n d kühle H än d e so fo rt, weils die Sitte n u n einm al will, ein paar Schollen au f den Sargdeckel w erfen.Schim m ertausdem lässig,vielleicht unter des ju n g sausenden Schwyzerweines N ach w irk u n g hingekritzelten O edich tch en nicht ein ganzes Stück von E rleb niß un d We*

senheit Dessen, der g in g ? D e r zw anzigjährige, hochstäm*

m ige Sohn u n d Enkel eh rbarer leipziger K aufleute reckt den röthlichen K rauskopf tro tzig in die scharfe B erlinerluft, schlägt alten G ö ttern , ältesten gar zu gern ein Schnippchen u n d w indet d e n neusten n u r Kränze, am Liebsten den d er M enge noch un*

geborenen. W ä h n t sich in K in d stro tz g o ttlo s u n d , als Ma*

^terialist u n d K om m unist, höllisch verrucht, stockernsthaft n u r den tiefsten R äthseln d er M enschheit, des Kosm os zu*

gew andt: u n d ist, im Lachen u n d G rü b e ln , in ehrfürchtiger F rom m heit selbst doch ein echtes K ind. E in verspieltes, das a u s einem W eib sh an d sch u h allerlei A ben teu rer, w underliche

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6 4 Die Zukunft

Erotentänze erdüftelt, den O v id besser als sein H err Ma*

gister versteht, vor der Psyche des A p u le ju s andächtig w ird, m it den Sym bolen zweier M y th e n wie m it Steinen aus einem B aukasten um geht. D re ie r K ünste H andgriffe lernt er mei*

stern, m it jedem W in d in dessen b esonderer Sprache plau*

d e m ; altert sacht: u n d b leib t im A llerheiligsten das Kind, bleibt im m er lustig, jeden Schw ank zu belachen. D anach aber klaf*

fen die Pausen, steigen aus schw arzer Einsam keit die W erke.

D es Kindes, das die B ild erbib el d er natürlichen Schöpfungs*

geschichte ersehnt, das den M enschen auf den T h ro n toter G ö tte r setzen u n d aller M enschheit zujauchzen m öchte: V on D eines G eistes G n ad e n u r w ard stets u n d w ird eine W elt.

A u f hohem Felsgebirg, dessen F u ß G ew itterw olken ein*

schieiern, steht ein erzener T h ro n . E in G o tt ließ ihn leer;

kein den an Seele un d Leib Siechen verheißener, Menschen*

leid m itleidender C h riste n g o tt: einer, der in H errlichkeit ge*

haust, im prächtigsten Schm uck des H im m elskönigs über eine W e lt stolzer P rom ethiden geherrscht hat. D ie hätten vor einem schwachen A lten, einem d ü rftig w ohnenden Menschen*

sohn sich nicht scheu w eggekrüm m t; m ajestätischer G lanz n u r, der d ro h en d e Schimm er der M acht hielt sie im Ver*

ließ from m en G ehorsam s.’ D ru m schuf ih r G o tt sich den T h ro n aus unvergänglichem E rz, befah l, aus funkelndem G o ld die A rm lehnen zu schm ieden, u n d stellte das schw ere P ru nk stü ck au f ragenden G ra t, d a ß es w eithin leuchte in alle Lande. D er G o tt schied; vielleicht jagte ihn Ekel, viel»

leicht riß ein ju n g er Em pörer die K rone an sich u n d regirt n u n von neuem Sitz. D e r T h ro n aber steht u n d spottet in.

eherner P racht des W echsels him m lischer H errschaft, d e s schnellen W an d els b lin d er M enschengeschlechter. D en n im*

m er w ird dem aufsteigenden L uftstrom die Sehnsucht foU gen, tro tz W echsel u n d W a n d el im m er ins W olkenreich lan*

gen u n d getröstet erst heim schleichen, w enn sie sicher ist, d a ß der Stuhl des W eltenrichters noch nicht w ankt. M a g K ronos o d er Z eus d ro b en th ro n en , A d o n ai oder Jesus. Zo*

roaster oder das G e b ild neueren W a h n s: d e r'T h ro n giebt die M a ch t, zeigt der In b ru n s t das Z iel; steht er fest und ro stet sein G lanz nicht, dann d arf die M enschheit sich ru h ig

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Der W eg in Klarheit 6 5

zu Schlum m er hinstrecken. Er steht; u n d auf dem Herr*

scherstuh!, den ein G o tt sich schuf, sitzt n u n ein M ensch.

W ie kam er auf solche H ö h e ? Staunend sieht ih n der A dler, der einst dem K roniden diente; m it der Kralle hält er sich am R and der K uppe u n d staunt. D a saß sonst die bärtige Riesengestalt m it den großen, strotzenden G liedern u n d von da trug en den H errn im leuchtenden W agen w eiße Rosse auf seinen W in k durch' den Raum. D a liegt noch des G o ttes G e ­ w and, der onyxfarbige M antel; u n d der Freche, der auf Kro- nions Stuhl stieg, schlang das gew eihte Kleid, als wäre es sein, um die Knie. A u s ru n d en A ugen starrt der Vogel ihn an. Ein hageres M enschenkind, bartlos u n d klein, m it schm a­

len Schultern: u n d wagte sich hier hinauf, wagt, den Platz einzunehm en, den Rheas starker Sohn leer lie ß ? M ählich w ird a^is dem W u n d e rn aber B ew underung. D er Schmäch­

tige erklom m auf d ün n en Sandalen den steilen Pfad, scheute nicht die G ew itterw olken, die Schrecken tantalischen Schick­

sals: u n d sitzt nun, als sei er in der Pracht solchen H im m els­

thrones geboren. D er ganze M ann ein G edanke, ein drän ­ gender W u n sch , ein W ille zu schleierloser E rkenntniß. D er Leib ist straff nach vorn geneigt, die Faust scheint sich, wie um den K ö rper, d en u n gedu ld ig en N ecvenchor in R uhe£zu zw ingen, in die K niescheibe zu graben, jed e Sehne ist in der Ekstase gespannt, das A uge schaut in selbst geschaffene W eiten . So saß der D o n n erer nie. D er em pfand im Be­

fehlen Seligkeit, Seligkeit auch, w enn er, des Befehles ledig, auf zärtliche A b en teuer zog, um M enschenfrauen m it G ö tte r­

kraft zu befruchten. N äh er reckt der A dler den H als. N ein : der Kleine sonn t sich nicht im B ew ußtsein erw orbener M acht, träum t nicht von Liebe, die m it w ärm endem A rm ihn in stillen K lüften um schlang; er gleicht nicht Einem, den das stelze G efü h l beglückt, d aß ihm g elan g , Jovis T h ro n zu erklettern. D es Sitzes achtet er k aum ; u n d gew iß h a t die H a n d nicht der W u n sch geballt, A ndere in das Joch seines W illen s zu beugen. Sich selbst will er beherrschen, die ge*

sam m elte E rkennerkraft v o t störendem A n d ra n g der Ge*

räusche, auch der inneren, schützen, auf d ? ß die Vision nicht ins U ngreifbare entw eiche. Seht ihn: er sieht Euch nicht;

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66 Die Zukunft

d en A d ler nicht, der fast schon bereit scheint, dem W in k eines neuen H errschers zu folgen, nicht die K öpfe himm«

lischer K naben, die aus einer anderen W e lt du rch die Thron*

w an d lugen, das Fingerchen n icht, das a u f d en seltsam en Frem dling deutet. W as d rau ß e n zu schauen wäre, tra t längst tausendm al vor seines G eistes A uge. Er hat genossen, er h a t gelitten; er h at gelebt. Ekel furchte die Züge, der große Ekel Eines, dem der U ebelgeruch des Lebens in die N ü ste rn stieg, un d die hochgeschürzten L ippen schieben sich vor, als w ollten sie jedem W ort, das der Kehle entschlüpfen könn te, die W egstrecke längern, m it zwei fest au f einander gepreß*

ten Balken den A u sg an g sperren. Ein hoher E rnst aber m eistert alles U n lu stg efü hl. H ier oben ist reine Luft, der S chw eißdunst der beim H äu fen von G o ld u n d W ü rd e n , bei A rb eit un d P a a ru n g A echzenden d rin g t nicht h in au f und schw atzende, schm atzende M äu ler verpesten nicht die W eihe*

stu n d e froher E m pfängniß. D ennoch ists au f schroffer H ö h e nicht einsam. D ie Z aubergew alt starken D enkens hat einen ganzen H ofstaat zu leisem Leben erweckt. Rings um den T h ro n regt sicfis in stum m en G estalten. A u f des Erzstuhles R and, ü b er dem blauen O pal, d urch den die N eu g ier der K naben späht, liegen u n d k auern die G eschöpfe einer ruhe*

los k reiß end en Phantasie: begehrendes un d gesättigtes, ernstes u n d heiteres Volk. U n d aus den W ä n d en des T hrones wächst in zarten K onturen das H eer d er V orstellungen heraus, die seit ^.eo nen den W e g der M enschheit m itschritten. D ie T antaliden sind d a , A p hro dite, A dam u n d Eva, der Hei*

land zwischen den Schächern am Kreuz. D as A lles sah er, der oben sinnt. D as Alles ist sein Besitz. D ru m schaut er in W eiten , die er selbst, aus eigener Kraft, sich bevölkert hat. D ru m h o rch t er n u r noch au f das trächtige Schweigen in der Brust, au f die W ehen, die seine Seele rütteln.

U n te r seinen Sohlen sum m t es. Ein G espräch schw irrt auf.

„D as also ist der berühm te Beethoven. H m . . . Ich habe ihn m ir eigentlich anders gedacht. D ieser K linger hat stets sonderbare Schrullen. H u t ab vor seinem G eist; fast zu viel:

ein Bischen T u m b h e it wäre recht nützlich. N u r reicht manch«

mal leider das K önnen nicht. Z u m Beispiel: der Stuhl h ier;

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D er W eg in Klarheit 67 w underschön, höchst kunstvoll, doch er erdrückt m it seiner ehernen W u c h t die G estalt. M u ß te B eethoven, da er schon nackt ist, also nicht realistisch dargestellt w ird, d enn auch gar so küm m erlich sein ? M an w ü n sch t ihn titanisch, m it einem H ero en kö rper, der solchen T h ro n füllt. Jetzt w irkt er auf diesem Sitz wie ein witziges Epigram m au f verstiegene M enschenschw achheit. U n d welcher P run k ! Zw eierlei Mar#

m or, Elphenbein, O ny x , Erz, G o ld , Jaspis, O pale, Achat.

M ichelangelo, D on atello , C ellin i selbst fügten aus gerin*

gerem Stoff unsterbliche W e rk e ; bis a u f Phidias m uß m an zurückgehen, um ähnlichen A u fw an d zu finden. D er K opf u n d die F aust sind g u t; aber das Schaffen des K ünstlers ist doch nicht nu r Q ual, n u r Krampf. U e b e rh a u p t: ist der nackte M an n da ein K ü n stler? W ers nicht w eiß, w ürde den M eister d er T ön e gew iß nicht erkennen. Lehnte w enigstens eine Lyra am T h ro n 1 U m G o ttes willen n u r nicht noch m ehr symbo«

lischen u n d allegorischen Kram! M an erstickt ohnehin schon in Bildung. D e r T h ro n des olym pischen Z eus, ein A dler aus Pyrenäenm arm or, E ngelköpfe, w eiß au f blauem G ru n d , wie bei Luca d e lla R o b b ia.u n d ein G espensterzug von H ellas durchs A ltein sN e u e T e sta m e n t. G em eißelte K ulturgeschichte, die n u r der Z ö g lin g hum anistischer Schulen zu entziffern vermag. A u f den K rücken d er E rin neru n g w urde die H öhe erreicht. M u ß die Last des K lassikererbes denn im m er den Blick der K ünstler lähm en? W ir leben ja nicht in des Pausanias, auch nicht m ehr in W inckelm anns Tagen. U n s spricht nur, was aus dem E m pfinden der Z eit geboren w ard .“

D as sind die N eu sten . Ihnen ist K linger nicht m odern genug, zu sehr bepackt m it den Schätzen alter K ultur. Sie ersehnen, wie so oft die Schwächsten, einen rauhen Barbaren, dem die W e lt anfing, als die letzte Sonne aus dem M orgen«

ro th brach, un d der neue Schönheit schafft, nie zuvor er»

blickte, u n d zu seinem W u n d e rb a u n u r Steine verw endet, die A lltäglichkeit, ohne ins Ferne zu schweifen, auf der Heer*

straße sah. D och die M enschenw elt ist nicht heute frü h erst erw acht. N eb en Q uarz u n d Kiesel trägt der Schoß unserer E rde M arm or u n d Edelgestein. W as in M enschenhirnen lebt, ist nicht tot. U n d nicht vergessen noch verächtlich von uns

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63 Die Zukunft

weisen sollen wir den Schatz, den uns Jah rtau sen d e ließen, sondern aus gew andeltem A uge ihn schätzen, ihn zunächst einm al schauen lernen. D as hat M ax K linger verm ocht; sein W e rk trägt das Prägzeichen der Z e it, in der es entstand.

D e r T h ro n eines G ottes. G erade so gro ß, so überragend m u ß te er sein; denn er ist d er H errschaft nie verw itterndes W ahrzeichen u n d die W u c h t des T h ro n es lehrt uns die Ge*

w alt des G o ttes ahnen, der ihn sich schuf, der ihm n u n ent­

lief un d n u r ein G ew an d zurückließ. U n d gerade so mittel#

w üchsig u n d u ntitanisch m u ß te der M ensch sein, der diesen S tuhl zur R u h statt zu w ählen wagte. D as Z ufallskleid hat er abgestreift, A lles aber, was in ihm w ohnt, brachte er m it au f die H ö h e : G edanken, V orstellungen, die ganze B rut ein­

bildnerischer Kraft. E r wäre nicht, d er er ist, sein sollte, sein m u ß , um in d ü n n er H ö h e n lu ft athm en zu können, wenn ihm nich t A llesleb te, was je d ieM en sch h eit bew egte, je sie inTräu*

me versenkte, ihren Kahn an neue U fer lockte. Er sahTanta»

lid e n .d e n e n T ra n k u n d Speise d icht vor gieriger Lippe schw ebt u n d die dennoch verschm achten, weil der Fluch eines G ottes sie n arrt; sah das Paar, das der D ran g nach E rkenntniß aus d er G u n s t eines finsteren G o ttes t r i e b ; sah, wie aphrodisische L ust dem G lau b en an die läu tern d e K raft des Leidens weichen m uß te. N e u e m it alten G ö ttern im K am pf um die Herr*

schaft. Sterbliche, die sich aufw ärts heben und m it dem Scheitel die Sterne berü h ren m öchten. Sterben am Ende auch G ö tte r? D e r T h ro n ist leer. W as sie schufen, können w ir n ü tz e n ; was sie kleidete, w ärm t unsere Blöße. D och den trägen E m p o rd rin g lin g d u ld et der Sitz nicht. W e r sich da o b en halten will, m uß sein T h ro n re c h t bew eisen. E r hat n ich t D o n n e r noch Blitz, nicht den funk eln den W agen m it w eißem G esp an n u n d seines Fingers W in k spaltet nicht W o lk en b än k e. Er ist schw achen Leibes, kein H e ld des G riech en m ytho s un d kein C olleoni, so ndern ein H irnkultur»

m ensch, in dem der jetzt Lebende den der selben Z one E n t­

stam m ten fühlt. N ich ts h at er als den G edanken, als die B runst des furchtlosen Erkenners. U n d weil sein W ille den E rdenrest b än d ig t, weil er aus W eitem des D en k en s Faden, ohne ihn je a b z u re iß e n , ins W e ite sp in n t, h ält er sich auf solchem

S tuh l, au f dem Felsgebirg ü b er G ew itterw olken.

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D er W eg in Klarheit

B eethoven? So m ag m an ihn nennen. D och der N am e d a rf Phantasie nicht in d en Käfig pferchen. W ir dürfens nicht machen wie G o eth es C hinese, dem Rom nicht gefiel, weil er erw artet hatte, Rom w erde chinesisch aussehen. Beet«

hoven rückte die G renzen d er M enschheit vor u n d löste dem tiefsten Sehnen, der T rau er, dem J u b e l u n d T ro tz ganzer Ge#

schlechter die Z unge. B eethoven stan d in der Schatzkam m er alter u n d neuer K u ltu r u n d keines Barbaren Faust hiebe uns sein Bild aus dem Stein. D e r M an n da oben m ag B eethoven heißen; die Zufallsm ale sch arferD ifferenzirung sin d ih m n ic h t eingebrannt, u n d wer v o r ih n h in tritt, soll nicht Leonores Erwecker u n d den Schöpfer d er N e u n te n Sym phonie suchen.

D u rch Klingers ganze L ebensleistung tö n t die Legende vom M enschen; ihm ist er nachgegangen ins Schweigen der N a tu r, schaudernd in die w üsten, gem einen M etzeleien der Groß*

stadt, still au f p rangende Siegesstraßen u n d in die d u n klen G äßchen, wo lungernde B egierden nach Beute birschen. D es M enschen N o th w ar seine ja u c h er stan d am G rabzw eierW el*

ten, schweifte von christlichen im m er w ieder zu heidnischen V orstellungen zurück, w og ih ren sp irituellen, ihren ästheti*

sehen W e ith u n d füh lte d o ch im m er w ieder, d a ß kein noch so gläubiges Erinnern genügt, um lebendige M enschen zu nähren.

Er reifte; u n d da er allen K ünsten g ebot, samm elte er die K raft u n d setzte den M enschen, setzte den G en ius der Mensch*

heit auf den T h ro n , d en für G ö tte r ein G o tt schm ieden hieß.

W as K ultur war, ist um ihn, d er kostb arste Stoff, der M antel, der G o tth eit eingehüllt hat, d e r A d ler des D onnerers, ein blüh en der Kranz him m lischer K naben, aller erträum te Besitz theolatrischen W ü n sch en s. W a s K u ltu r sein w ird, sieht er, d er von der H ö h e die W e lt anschaut. D e n Stuhl, scharf*

sichtig Blinde, k o n n te P hidias erd en k en ; den schm ächtigen M ann auf dem Stuhl n.ur ein K in d unserer Z eit. N ic h t m it der Eiche oder der Rebe d a rf der M ensch sich vergleichen, noch weniger irgendeiner je m it G ö tte rn sich messen, rief G oethe.

U n d zwischen vergoldeten E rzw änden, rings um ihn O pale, M arm or, O nyx, E lphen b ein , Jaspis, A chat, sitzt nu n ein ha#

gererM ensch, bartlo s u n d klein, m it schm alen Schultern. Er denkt u n d w ill; u n d so lange des W illen s Flamme die G lu th

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70 Die Zukunft

seines D en k en s speist, b rau ch t er nicht zu fürchten, eines neu en W a h n g o ttes G riff k ön n e ihn von dem T h ro n reißen, d e n der G eist aus eigenen Rechtes K raft sich erobert haL So sah ich K lingers G o tt spielenden M enschen, als e r in Berlin „ausg estellt“ w ar: u n d zweifle nun, ob nicht d e s B etrachters A u ge zu schwere G edankenfracht, vom Verstan*

desgepäck des Erw achsenen allzu viel in das W erk einge*

h e im n iß t hab e; ob es nicht n u r das G e b ild eines K in d es is t, das seinen auf G o tth e ith ö h e verstiegenen H eld en m it allem erraffbaren Schm ückgeräth zu putzen trachtete. E ines K indes, d as, freilich, furchtbar viel gelesen u n d aus den Beeten m ancher K u ltu r den D u ft in sich gesogen, m it dür*

stendem Blick die frem de Farbe getrunken hatte. D e r ju n g e K linger, der aus dem b erlin er A telier im Eckhaus der Hohen»

zollern* u n d A ugusta*Straße auf den W asserarm , die Obst*

kähne, das ängstliche G ek rib b el der in M o d e rp ru n k sterben*

d e n G rü n d e rz e it niedersah, fand u n terD eu tsch lan d s lebenden M alern n u r M enzel, nach langem A b sta n d höchstens noch seinen Lehrer G u sso w beachtensw erth; liebte n u r neufranzö*

sische K unst u n d erglühte fü r Frankreichs L iteratur so heiß wie fü r den R ebellengeist d er pariser C om m une. In M ü nch en h a t, w ährend eines halb jäh rig en A ufenthaltes, sein F u ß nicht die P in ak othek b etreten ; h at er zu H au s gezeichnet, radirt,.

F la u b e rt,G o n c o u rt,Z o la , alte u n d neue P hiloso ph en gelesen.

In ihm w ar Etw as von dem lassallischen Ehrgeiz, au f d en G ip fel der „B ild u n g seines J a h rh u n d e rts“ sich zu schw in­

gen. M it g ro ß en K indsaugen träum te oben der breitschaftig,.

fast ein Bischen faunisch G ew ordene; hinab u n d hinauf. D e r vom zierlichsten C u p id o bewachte, vom Rosenregen berieselte W eib sh a n d sch u h , die garstige Flederm aus, die ihn dem von B egierde durchs Fensterglas vorgereckten, blu ten d en Arm im Schnabel w egträgt, der D rach e ü b er,d em Salonaltar zwischen H an d sch u h tap eten , der feuerrothe Flam ingo an dem zuvor nie erschauten Strande, dem P u rp u rro sen entblühen, Pflasterer T o d , der m it dem Leib einer Ju n g frau die Schädel, noch vo n H irn leb en w arm e, in die E rde ram m t, die schwarzen R aubvögel aus T o ten lan d , die im Spital den ans Kreuz ge*

klam m erten N onnen* Schwestern die Siechen entreißen, in

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Der W eg in Klarheit 71

tragb are B eute zerhacken w ollen: all dies w underlich K rause, G raziöse, G rasse w uchs aus M ärchenw eltvorstellung. Kind»

h aft ist die S ucht, heute G riechenlands G ö tte r u n d m orgen das Kreuz v on G o lgath a zu kränzen, k in d h aft der Einfall (aus dem ein schwaches G em älde w ard), in desO ly m p o s B urg den C hristu s vorzuschicken, in H elle vor höchster Schönheit, die jed er Sehnerv schlürfen m üßte, m it Lid u n d H a n d das A u ge zu decken. T h isb e u n d Psyche, Eva u n d Salome, A p ollo u n d E ros, der schwarz starre T h au m atu rg Je su s, dem gichtige G reise u n d zerfallende W e ib e r nachhum peln: A lle tauchten aus K nabenvision. K lingers Z eich enk u nst reifte nie in Voll*»

kom m enheit, seine Farbe lernte nicht singen, seinem M eißel gelang kaum je, das Leben, den A them des M odells völlig getreu nachzuschaffen, m anches W erk des A lternden grüß»

ten w ir frö steln d , m it scheuem R espekt, u n d em pfanden, wie bis ins K örperliche schm erzende E nttäuschung, d aß hier vom schlechtesten W ag n er Etwas, ein Ewig»Sächsisches, auf»

erstand, d a ß Einer sprach, der m ehr fü h len , denken, aus*

drücken, k ö nnen w ollte, als sein K raftquell ohne P um pw erk hergab. H a t er selbst es g eah n t? Ein Schatten lag auf dem röthlich bew aldeten, dem graugesprenkelten K opf; n u r vom schärfsten Blick w ahrnehm b ar, d ü n n wie Spinngefädel vor dem A uge des K indes, „das innehält u n d trau rig sin n t“.

N ic h t R odin sein, die W eltw eite des G o y a nicht m it seinen Schultern ausfüllen, sogar Böcklins Schöpfung n u r m it der R adirnadel nachgestalten k ö n n e n : V erhängniß. D er schweizer peintre*poete, den die N u rm o d ern en , die N ichtsaistechniker heute gräm lich verachten, dem die M enschheit aber die leuch*

tende Farbenskizze neuer M ytho lo gie un d M o rphologie dankt, h at au f einem Bild M alerei u n d D ich tk u n st als Schwestern dargestellt, die aus dem selben Born schöpfen. D as m ußte dem ju ng en K linger gefallen; konnte, all in seiner Feiertags*

banalität, den alten noch trösten. M it N adel, Pinsel, M eißel war er u n d blieb stets D ich ter einer K indsvision. Bis ins Tiefste m usisch gestim m t; doch w eniger Schöpfer, Erw ecker zuvor nie gehörten T ones als e b e n . . . Klinger. A ntike un dU r*

christenthum , die W u n d e r gew issenloser Schönheit u n d die Problem e der Scham, O v id un d Jean Paul, Shakespeare un d

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72 Die Zukunft

Beethoven, der Elixire*H offm ann u n d Shelley, Schubert u n d Brahm s: b u n t klang in ihm, aus ihm die W eise. E rnsthaft u n d nie ohne des redlichen H andw erkers Fleiß hat, er m it A llem , was Phantasie ins O h r raunte, des W in d es Geplau#

d e r ihm zutrug, gespielt, ein echtes Künstler»Kind, bis Läh#

m ung die rechte H an d , seines W o llen s unersetzliche Zange, vernichtete. Bald danach kam , leis, m it sanftem Lächeln, der T o d . A us k ü h len H än d en poltern die Schollen. A us Böck#

lins, des geliebten M eisters, w eißem S trandschloß aber n aht ein Z ug . Schim m elreiter in roth en Röcken. G o lden e Trom*

peten singen ein Lied, vor dem das tiefe, hellgrüne G ras in A n d a c h t sich neigt. W ird M ärchen w ah r? D ie Reiter holen ins luftige Schloß den T räum er, dessen klingende Seele au f G o ttes ehernem T h ro n den M enschen zu schauen ersehnte.

P r ä s i d i u m

D e r V orstand der^ Sozialdem okratischen Partei hat in dem „streng vertraulichelT“ (im vorigen H e ft abgedruckten) R undschreiben vom n eun ten Ju n i der Parteipresse angezeigt, die K abinetsbild u ng w erde h in ausgeschoben,dam itZ eit b leib e .

„in d en nächsten vierzehn T agen die Stim m ung der Arbeiter#

schaft sehr gü nstig fü r uns u n d sehr un günstig gegen die U n ab h än g ig en zu beeinflussen". D ie P artei w ünsche, d a ß die rechts u n d im C en tru m sitzenden Fraktionen die Regir#

un g übernehm en, dam it sie durch A uferlegung der von Spa zu erw artenden schweren Lasten im V olk un b elieb t w erden.

„ W ir haben A lles daran zu setzen, d a ß die R epräsentanten d e r R echtsparteien die V erhandlungen in Spa führen u n d die A n o rd n u n g e n der E ntente au f sich nehm en. D a n n m üssen sie die Entw affnung der A rm ee h erbeiführen, die ihnen diese A rm ee zum schärfsten Feinde m achen w ird.“ K ein Zw eifel also, d aß schwere Lasten u n d A n o rd n u n g en kom m en, d aß die E ntw affnung gefo rd ert w ird (zu deren V ereitelung sozial#

dem okratische Regirer alles E rdenkliche gethan h ab en ); statt des Besinnens aller zu M in d e ru n g d er Lasten, zu M ild eru n g d er A n o rd n u n g en nu tzb aren M ittel aber n u r das Streben, aus d er B edrängniß der R epu b lik u n d ihres V olkes P arteiprofit zu pressen. D er R eichspräsident w ird den A u ftrag zur Ka#

bin etsb ild u n g einem M an n geben, der, wie der M a n d an t

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Der W eg in Klarheit 73

w eiß, nicht ans Z iel kom m en kann. H e rr E b ert w ird, zu V ortheil seiner Partei, die G e b u rt der Regirung, deren M ö g ­ lichkeit u n d N o th w e n d ig k e it er zwei Tage nach der W a h l erkennt, hinauszögern, dam it diese R egirung nu r kurze Z eit zu V orb ereitu n g für Spa habe; er w ird das von der Verfass­

un g in seine H a n d gelegte W erk zeu g benutzen, um „m ehr in negativem als in positivem Sinn die ganze politische Lage in hohem M a ß zu beeinflussen u n d dem R echtsm inisterium bedeutsam e N iederlagen zu bereiten.“ D as will er; doch soll der Parteipresse „streng vertraulich“ m itgetheilt w erden, d a ß er n u r zu diesem Zw eck im A m t bleibe, nicht etw a von dem G efü h l der Pflicht g eb u n d en sei, in einer N o th - stu n d e alles, fernab von Parteiung u n d fraktioneller Selbst­

sucht, zu L ind erung des Volksschicksals Ersinnliche zu th u n . V or dem A ngesicht der N ationalversam m lung hat der Reichs­

präsident den E id geleistet: „Ich schwöre, d a ß ich alle m eine Kräfte dem W o h le des deutschen V olkes w idm en, die V er­

fassung un d die G esetze des Reiches beachten u n d alle m ir obliegen den Pflichten gew issenhaft erfüllen w erde.“ D e r Reichstag kann m it Z w eidrittelm ehrheit b eschließen,vor dem Staatsgerichtshof den R eichspräsidenten anzuklagen, w enn er die Verfassung, der sein E id zugehört, verletzt h at; kann auch das Volk befragen, ob es die A b setzu ng des Präsi­

d enten wolle. „D ie A b leh n u n g der A bsetzun g durch die V olksabstim m ung gilt als neue W a h l u n d hat die A u flö ­ su ng des Reichstages zur Folge.“ (A rtik el 72.) D ie Sozial­

dem okratische Partei b ehauptet, A u flö su n g u n d N eu w ah l zu w ünschen: dürfte also nicht klagen, w enn andere Frak*

tio n e n die V olksabstim m ung ü ber die Frage fo rd erten , o b H e rr E bert nach dem vom V orstand seiner Partei bezeugten W o lle n u n d H and eln noch länger P räsident bleiben dürfe.

Z u dem Beschluß (nach dem der P räsid ent „an der A u s ­ ü b u n g seines A m tes verh in d ert ist“) sind, freilich, ungefähr d re ih u n d e rt Stim m en nöthig. O b die für ein so kleines D ing, wie eine G ru n d frag e politischer Sittlichkeit heute ist, auf- 2u bringen w ären? D eu tsch lan d zahlt für die Fehler eines R eichshauptes jetzt schw er erschw inglichen Sühnpreis. W 'ill es seine Z u k u n ft n u n m it den W esensschw ächen eines er­

w ählten, nich t „angestam m ten“ R eichshauptes belasten? D e r

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74 Die Zukunft

am erikanische H u m o rist M arc T w ain schricb einm al, er ziehe die R ep u blik schon deshalb der M onarchie vor, weil man einem P räsidenten lau t sagen dürfe, d a ß er ein Esel sei. A u f w elcher M oralh öhe eine Partei ihren V orstand sehen will, ist ihre Sache. D a ß den P räsidenten der R ep u b lik das Volk zu w ählen, über das H a n d eln des Präsidenten das V olk zu urth eilen habe, ist eine der w enigen V erfassungvorschriften, die m an nicht w egradiren darf. Stellet Euch das G ekreisch vor, das unser O h r gefüllt hätte, w enn von so unsauberem G ezettel aus dem pariser Elysion K unde gekom m en un d in Frankreich, dennoch, der Status öffentlicher G ew alt unver«

än d ert geblieben wäre. Sind auch „U n a b h ä n g ig e “ abhängig?

O b e r s c h l e s i e n

D ie paar Z eilen, die im vorigen H eft von O berschlesien sprachen, haben, wie ich aus Briefen sehe, M anchen in den G la u b e n verleitet, m ir scheine fast schon gew iß, d a ß diese P rovinz bei P reußen bleibe. D u rchau s nicht. Ich habe ge*

sagt, Polens w ahnw itzige P olitik gestatte w ieder, H offnung zu schöpfen; u n d fügte daran den Satz: „V erbürget volle, u n ­ verlogene A u to nom ie O berschlesiens u n d fraget sein Volk, ob es an A b enteuer polnischer M achtgier lieber das B lut hin«

geb en als frei, nach dem G esetz eigenen W illens, auf dem B oden leben wolle, den dieses Volkes fleißige H ände schufen.“

D a ß dam it nicht die den preußischen Provinzen zugedachte, m it m ünzbarem Recht listig kargende A u to n o m ie gem eint sei, brauchte ich nicht noch einm al zu betonen. Kein G ezeter m acht aus O berschlesien deutsches Land; d aß m ans heute noch, sieben bis acht Jah rh u n d erte nach seiner L ösung von Polen, rein polnisch nennen dürfe, kann selbst der höllisch geschickte H e rr K orfanty nicht bew eisen (der, w ider m ein H offen, sich, vielleicht, weil w arschauer M iß trau e n ihn um«

lauert u n d hetzt, in w üste A gitation h erab läß t u n d in seiner

„G ren zzeitu n g “ gegen alles deutsche W esen so rohe A rtikel veröffentlicht, wie ein M ann seines V erstandes auch nach der schlechten B ehandlung, die er in Berlin erlebt hat, sich nicht erlauben d ürfte). O berschlesien, Land u n d V olk, ist, wie P reußen, ein Eigengebild aus verschiedenen V olkheitstoffen.

B ritenklugheit hat schnell erkannt, d aß „ D e u tsc h “ u n d „Pol«

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D er W eg in Klarheit 15

nisch“ hier politische, n icht nationale Begriffe sind. D as schle*

sische M ineralrevier, wo im vierzehnten J a h rh u n d e rt Eisenerz gefun d en w urde, seit der M itte des achtzehnten Ja h rh u n d e rts K ohlenbergbau getrieben w ird, gilt dem M enschenerm essen als unerschöpflich. Seine K ohlenm enge ist au f vierundneun*

zig M illia rd e n T o n n e n geschätzt w orden. Bis 1914 wars u nter R u ß la n d (D o m b ro w a), O esterreich (O strau*K arw in, Teschen u n d K rakau), D eutschland (O b erschlesien ) vertheilt. O strau ist d en C zechen, D o m b ro w a u n d K rakau den Polen zuge*

fallen, Teschen zwischen den Zw eien streitig u n d auch O b e r1*

Schlesien w ird von den P olen begehrt. D as ist vo n den drei Stücken das w eitaus reichste; hat fü n f Zw ölftel der Gesammt*

kohlenm enge u n d eine kräftige Eisen* u n d Z in k in d u strie.

W äre dem Erdtheil schon die E rk en n tn iß aufgegangen, d aß er den L uxus n ationaler Schranken n u r da n o ch, w o sie un*

entbehrlich sind, sich gestatten dürfe, dann w ürde das ganze Zechen* u n d H ü tten g e b iet in E inheit verw altet. So w eit sind w ir nicht. M ü ß te n aber bedenken, d aß O berschlesiens R ettung für den A u fb a u E uropas noch w ichtiger ist als die E rh altu n g d e rP ro v in z fü rd a sn e u e P re u ß e n . D as a lte h a th ie r eineM uster*

p rob e seines K önnens u n d seiner M ängel g egeben. Dampf* un d E lektrob ahnen , Kanäle, W asserleitu n g , Licht: alles A u ß e n w ar vollkom m en; K attow itz selbst einer ju n gen G ro ß sta d t ähnlich. D as V olk aber hat m an aus dem letzten W in k el der Sym pathie m it D eu tsch lan d geärgert. Seine Sprache sollte aus*

g e ro d e t w erden. A lles Beam tete war frem d; kam aus anderen Provinzen. A us jedem M istbeetchen w urde der P olen h aß ge*

züchtet, aus jed er Schänke h ö h n te dieV erachtung der „W asser*

polak en “ . D e r O berschlesier, fröhlich, launisch, jähzornig*wie ein K ind, auch m it des K indes D ran g nach gerechter Behänd*

lung, des K indes Freude an b u n ten B ild ern , w ar au f seiner eigenen E rde scheel angesehen, fühlte sich im Innersten ge*

d u c k t u n d w urde der E inrichtungen, die das Land ergiebiger m achten, nicht froh. A ls nebenan ein neues Polen entstanden, D eu tsch lan d ,n ach der m ilitärischen N iederlage, m üd und arm hin gesun ken war, fanden die H erren K orfanty u n d D a sz y n sk i (d e r galizische Sozialistenführer) m it ihrem W e rb e ru f „Stim m e für P o len “ üb erall leicht G ehör. Was an der Stim m ung noch zu verderben war, verdarb m it plum per F aust der Kommissar*

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7 6 Die Zukunft

G enosse H örsing. P osen , das K anaan, der N ä h rb o rn fü r m anche K ohlengräberschaar, w ar schon in Polen einverleibt.

D ie Lebenshaltung des O berschlesiers d ü rftiger als je zuvor.

D o c h im m er noch behaglicher als des polnischen A rbeiters.

Richtig, antw orteten D aszynskis W erb er; w enn Ih r aber zu P olen kom m t, w erden wir Sozialdem okraten die stärkste Partei u n d m achen Gesetze, die den K apitalisten A ngstschw eiß er*

pressen; un d Ih r, L andarbeiter u n d K leinbauer, findet bei un s eine A grarreform , die, endlich, E uren L andhunger sät*

tigt. D ie Reform fänden sie zunächst au f dem Papier; kein Sterblicher w eiß, ob u n d w ann was G reifbares draus w ird.

In O berschlesien aber, wo R iesengüter m it schlechter W irth*

schaft u n d allzu breiter Brache doch nach A b th eilu n g g ro ß er Stücke schreien, hat die sozialistisch*dem okratische Regir*

u n g seit dem N o v em ber 18 zu Stillung der proletarischen Sehnsucht nach E igenland nicht einen Finger gerührt. N u r zu begreiflich, d a ß die M einu n g aufkam , die Slachta w erde eher als die preußischen J u n k e r, G rafen , Fürsten in Ver*

zieht zu erw eichen sein. M onate lang lachten die Polen Jeden aus, d er auch n u r m it dem schüchternsten Zw eifel von dem E rg eb niß der A b stim m un g zu reden wagte. Sie w aren (schie*

nen nich t n u r) ihrer Sache ganz gew iß. Sind sies heute n o c h ? N iem an d kann voraussehen, ob am T ag der Volksabstim*

m u ng die R epublik Polen noch leben u nd in welchen Um*

fang sie begrenzt sein wird. G eh ts ih r nicht viel schlechter als jetzt, d a n n k ö nnte deutsche Siegessicherheit auch in O st h e rb e n ttä u sth t w erden. Für einen Staat, der Krieg, gar ge*

gen R uß land , fü h rt, w ürden die In d u striearbeiter nicht stim . m en; doch n u n ist ihn en au f acht Jah re hinaus Freiheit von allem W affendienst v erb ü rg t u n d , Jedem u nter vier A ugen, das Blau vom H im m el versprochen w orden. A n beiden Tau*

enden ziehen Schw ieihände d er Sozialistenparteien, die, in P reu ß en u n d Polen, so dichte W ählerm assen nicht verlieren m öchten. D ie seZ u g k rä fte k ö n n e n einander ausgleichen. A uch das C entrum , das in O berschlesien bequem e Stammsitze hat, w irkt, wo es nich t von polnischen Pfarrern gehem m t w ird, fü r die deutsche Sache. Polens N ationaldem okratische Partei, deren G rü n d e r u n d F ührer d er k lu ge, aller internationalen W eg e k u n dige H err Rom an D m ow ski ist, scheint k ü h l auf

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Der W eg in Klarheit 7 7

d en Streit zu blicken; vielleicht, weil die für Blei« u n d Zink*

h ütten, M etalls u n d G asfab rikatio n taugliche oberschlesische K ohle der aus D om b ro w a u n d Krakau fast eben so rasch vorgezogen w ürd e wie der Backkohle aus O strau. D e r Ver*

such, den Steuerabzug (zehn P rozen t vom L ohn) durchzu*

führen, hat in den letzten W o ch en den. Polen die W erber*

m ühe erleichtert u n d die A rbeiter, ohne U nterschied der h ier politischen Begriffe D eutscher u n d Pole, so heftig erregt, d a ß die Interalliirte K om m ission (deren ernster D ran g nach G erechtigkeit m ir vielfach gerühm t w orden ist) nach bedach*

tigern Z ögern vom Sturm des allgem einen W unsches in die E rk läru n g g enöthigt w urde, a::f diesem besetzten G eb iet k ö n n e die berliner V erordnung nicht ausgeführt w erden. Schön siehts d a nicht aus. A u f beiden Seiten sind die Sitten abscheulich verw ildert. Beam tenschaft u n d Theile der G entry m ißtrauen Jedem , der nicht die allgemach verblichenen Farben des Ost*

m arkenvereines trägt. A uch die Polen to ben ihren alten G ro ll n ich t n u r in V ersam m lungreden u n d Z eitungartikeln aus.

Spionage, Briefschnüffelei, V erhaftungen, Schießerei, Messer*

händel sind A lltagsvergnügen. M o rd e ein Bischen seltener als in der Z eit vor dem Einm arsch der frem den T ru p p e n . W e r nicht arbeiten will, w ird A g itato r; kann vom H an d g eld aus einer der zwei Lagerkassen ein W eilchen behaglich leben.

D a ru n te r leidet die F örderleistung m ehr, als selbst jetzt, in d en bangen T agen der In dustriestockung, nützlich ist. U n d o b es nach dem Plebiszit besser w ürde, das einem Land sechzig, dem anderen vierzig von je h u n d e rt Stim men gäbe, im m erhin also E ntscheidung b räch te? In jedem Fall bliebe eine starke Irred en ta, eine m it dem G ew o rd en en nicht zufriedene, nach

„E rlö su n g " langende Schicht, die W erber* u n d W ü h le rarb e it, deutsche oder polnische: je nach dem Stim m ergebniß, ginge im D ickich t weiter u n d die O berschlesier käm en nicht in R uhe. D ie m öchten w eder Polen noch D eutsche, m öchten n u r O berschlesier sein. D ie G ew äh ru n g gliedstaatlicher Selb*

ständ ig keit hätte ihnen vor einem Ja h r gen üg t; w urde aber von P reußens sozialistischen Regirern, die ihren M achtbereich nich t kleinern w ollten, schroff abgelehnt. O b sie noch heu te genügen w ü rd e ? D ie K enner des Landes u n d seiner M enschen w agen nicht, die Frage stram m zu bejahen. D e r m ühlose, im

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78 Die Zukunft

E rn st nie bestreitbare „Sieg“ in W est» u n d O stp re u ß e n d a rf nicht in T rium pheshoffnung einlullen. In O berschlesien b leibt d as E rg eb niß der A b stim m u n g ung ew iß wie auf der R oulette d e r E n d p u n k t des K ugellaufes. H a t Polen inzw ischen den von den W estm ächten gew ünschten Frieden m it R u ß lan d er­

lan g t u n d soziale V ernu n ft in R egirergew alt gehoben, dann ist uns ungünstiges Plebiszit im m er noch m öglich. W ird , wie im Fall des Elsaß, w ieder m ü ß ig gew artet, bis H asardspiel E ntscheidung b rin g t? Polen, das genug K ohle hat, braucht O berschlesien nicht. D eutsch lan d, das die englische K ohle vorzog, w irds in der S tunde nicht m ehr brauchen, wo am N ied errh ein , an der R uhr so viele Schachte abgeteuft,so viele A i beiterheim e geschaffen sind, d aß in vier Sechsstundenschich*

ten gefördert, o h n e Pause die G ru b e n k ra ft ausgenützt wer*

den kann. Rheinland»W estfalen ist dann stark genug, allein D eu tsch land s K ohlenbedarf zu decken. Bis d a h in ? O h n e Saar*

becken u n d O berschlesien könnte D eu tsch land nicht die vier*

u ndzw anzig M illionen T o n n en Steinkohle liefern, die der W e ste n ihm als Jahresleistu ng abfordert. Frankreich, Bel*

gien, Italien m ü ß te n sich selbst m it O berschlesien verständi*

gen. D as d arf nicht dem E in flu ß deutscher K u ltur gesperrt, nicht, in unachtsam er H an d , als W erk zeu g zum A u fb a u euro*

päischer W irth sch aft entw erthet w erden. E uropa kann Ober*

schlesien niem als,O berschlesien k ann w eder D eu tschland noch d ie slaw ischen N ach b arlän d er entbehren. M itT eschen, das zu ihm g eh ö rt u n d einen K orridor ins arme, von uns bisher n ur m it W o rte n gespeiste O esterreich öffnen kann, vereint, ein Luxem*

b ü rg des O stens, g rö ß er u n d auch, so lange solches Schutz*

g itter noch n ö th ig ist, n eu tralisirt? W e n n den Polen die H o ffn u n g auf den Segen der A b stim m un g schrum pft, wer*

d en sie den O b ersten Rath bitten, die dritte Frage zu stel*

len: ob das oberschlesische V olk seinen eigenen Staat bil*

d e n w olle. D ie, m einen K undige, w ürde von achtzig aus h u n d e rt Stim m en bejaht. W a rte t Ihr auch diese W e n d u n g in unbew ölktem V ertrauen auf G lückszufall, wie den Um*

stürz des W ü rfelb ech ers, a b ? D es Plebiszites Z w eck ist die klare E rk en n tn iß des V olksw illens. D e r kann nützlich n u r w irken, w enn er das Land aus dem schädlichen G ew ü h l na*

tio n a le r Fehde h e b t u n d dessen B odenschätze un d M enschen*

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D er W eg in Klarheit 79

k räfte in den D au erd ien st des G ed ank en s stellt, der, n u r er, d ie P ubertät»D rüse E uropas zu verjüngen, den E rdtheil a u sd en T aum eln beginnender G reisesschw achheit zu erlösen verm ag.

M a g i s t e r i u m

A lles w iederho lt sich n u r im Leben. A uch d er G edanke,

•der h eute retten kann, m orgen retten m u ß , ist nicht (im Ur*

sin n des W o rte s) „ n e u “ . Einm al schon ist er, schon ein*

m al nach einem V ersailler Frieden, au fg eb lü h t u n d d er Bai*

sam seines D u ftes h at eines g ro ß en E rdtheiles L eid gelin«

d e rt, d an n ihn in die K raft zu Selbstheilung gestärkt. A cht Ja h re fast hatten dreizehn am erikanische Staaten, von uner*

träglich gew ordener A u sb e u tu n g u n d V orm undschaft sich z u befreien, gegen E ngland gekäm pft u n d am n eunzehnten A pril 1783 in Versailles die U n terzeich n un g der U rk u n d e

«rzwun&en, die ihre U n ab h än g ig k eit anerkannte. D reizehn A u frec h te ; aber v on langem B lutverlust m att, nach dem Ver*

sickern der G o ld strö m e, Silberbäche au f kaum noch durch«

sc h ü rfte r, gereuteter Erdfläche arm . B lieben sie schwach, J e d e r n u r seinem Sonderw unsch angeseilt, d an n konnte das schwer E rrungene schnell w ieder gefährdet sein; kon nte Bri*

taniens genesene M acht m it fö rd ern d er G u n st u n d Nutzens*

gew ähr aus der Schaar u n d U m w elt dieser verlorenen Kin*

der sich Freundschaft k ö dern . H am ilto n , M adison, M orris lichteten das G estrü p p , G eorge W ashington w urd e ihr ge*

w altiger H elfer, Schritt vo r Schritt w ich die H eerde der Par*

tikularisten , m it jedem M o n d w uchs die Z ahl der Ueber*

läufer: u n d nach vier Ja h re n h itzigen Streites w urde in Phi*

ladelphia das G rundgesetz der V ereinigten Staaten von Ame*

rika verkündet.* D as w ahrt sorgsam die Souverainetät der (n u n fünfzig) E inzelrepubliken, ü b erd ach t alle aber m it einer C en tralreg irun g , deren Beschluß die gem einsam en Angelegen*

heiten, insbesondere W irth schaft, V erkehr, Steuern, Zölle, Land* u n d Seewehr, Reichsfinanzen, M ünzw esen, Staats» u n d V ölkerrecht, £u ord n en hat. M anches ho he Sehnen m u ß te krum m er E ifersu ch t, keifendem M iß trau en geopfert, den Sklavenstaaten des Südens m ehr R ückstand gelassen w erden, als gerechte M enschlichkeit billigen konnte. D o ch ohne den T ag von P hilad elp h ia, ohne V ereinung w ären die Staaten

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8 0 Die Zukunft

niem als gew orden, was sie sind. D ie M enschen ihres N ord*

ostens scheidet T em peram ent, Lebensform , W irthschaftbe*

d ü rfn iß von denen des Südw estens schärfer als den G riechen vom Belgier, den Basken vom K osaken; u n d nie w ird im w eiten G eb iet der U n io n versucht, die U nterschiedsm eik*

m ale zu übertünchen. D reifache L osung gilt: A lle Freiheit dem Einzelstaat; jed e M öglichkeit, alles u nter gleichen Be*

d in g u n g en arbeitende V olk zusam m enzufassen; E inheit d es Planens, H and elns, G estaltens fü r das Reich.

Europas V ölker sind noch nicht in Philadelphia, der S tadt ehrlicher B ruderliebe; sind noch in Spa. W ie F rucht vom Baum der E rk en n tn iß fiel aber in den Saal der Staatsmänner*

tagung das W o rt, n u r internationale G em einschaft könne in*

ternatio nalen M angel ü b erw in d en ; u n d das andere, was hier auch beschlossen, befo hlen w erde: n u r die G esam m theit d er B ergbauer könn e entscheiden, ob, wo, wie die K ohlenförder*

u n g zu steigern sei. Beide W o rte sprach H e rr O tto H u e, d e r als Schlosser u n d K nappe in H ü tte n u n d Bergwerk, auch bei K rupp, gearbeitet, als H and w erk sb u rsch D eu tschlan d durch*

w andert, als R ed ak teur d er B ergarbeiterzeitung W esteu ro p a bereist, zwei M o n ate in einem p reußischen G efän g n iß ver*

bracht, die G eschichte d er deutschen B ergarbeiterbew egung geschrieben h at u n d als sachverständiger G ew erkschaftbe*

am ter n u n in die K onferenz beru fen w urde. D a ß er d o rt m it dem F reim u th eines G roßm achtv ertreters sprechen du rfte u n d was er vo r a u fh o rch en d er E h rfurch t sprach, ist den A rbeiter­

heeren wichtigeres, der G edenkfeier w ürdigeres Ereigniß als ein H a lb d u tz e n d politischer R evolutionen. N ic h t im m er war H e rr H u e des rechten W eges so klar b ew u ß t. G erade ihn hatte d er klügste K ohlenfeldherr in den G lau b en überredet»

d aß D eutschlan ds W irth sc h a ft ohne die lothringische M inette n ich t athm en kö nne u n d das Erzbecken von Briey*Longwy d ru m , wie grim m ig auch Frankreich ächze u n d knirsche, d eutsch w erden müsse. H a t die E n th ü llu n g der Thatsache, d a ß schon im ersten Friedensjahr ein stilles Finanzgeschäft unserem stärksten H ü ttenco n cern au f Jah rzehnte hinaus den E rzb ed arf zu decken verm ochte, auch vom A uge des Berg*

m annes die B inde g elöst? E r sieht die N o th w en d ig k eit der Internationale; aber nich t den A rb eiter als A lleinherrscher

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D er W eg in Klarheit 81 in ihm unterthaner. W e lt. „A lle in Frage kom m enden Fak«

to re n “ m üssen Zusamm enwirken, sagt er, u n d, „in den Berg«

b aucentren“ (n ich t: von den A rb eitern ) w erde der Förder«

um fang ermessen. Seine Rede war sorglich in die (n u r im T o n barschere, in der A bsicht tiefer zielende) des H e rrn Stinnes eingestim m t; u n d die U nabhängigen, die ihn jetzt preisen, kö n n ten ihn, säße ihr M ützlein schief, auf bequem erem G ru n d als beinahe schon gelben A postel der A rbeitgem einschaft in den A b g ru n d verdam m en. W o llte der Begriff n u r die Ge«

m einschaft von U n ternehm er u n d A rb eiter, den Verein ihrer Pflichten und Rechte im Betrieb um fangen, dann griff er nicht w eit genug, reckte sich noch im m er nicht ü ber den Z au n des W unsches, von einer strategisch starken Stellung aus m it T ak tik erk un st, die zu w arten w eiß u n d erst in den günstig«

sten W in d m it G as u n d M inen vorspringt, eiher N a tio n nützliches G u t zu erfechten. D as kann nicht m ehr gelingen.

A uch nicht die vom berliner Botschafter Britaniens m it freund«

lichem Eifer em pfohlene Fördergem einschaft d er vom Frie*

d ensvertrag Berechtigten u n d V erpflichteten, die einsehen m üssen, „ d a ß n u r d er W o h lsta n d jedes Einzelnen den A ller verbü rg e“ . W eish eit von vorgestern. G la u b t L ord A b ern o n , d er nach seiner Soldatenzeit in O rien t u n d O ccident, A frika, H albasien, E uro p a F inanzw unden überpflastert, zuK onstruk«

tio n u n d A b w ickelung g ro ß er G eschäfte m itgew irkt hat, das D e u tsch la n d , au f dem die u ngeheure B ürde der Vertrags«

p flicht liegt, k ö n n e in W o h lsta n d g ed eih en? N ic h t einm al auf einem vo n Z ollgrenzen befreiten E rdth eil; d en n dichter als Z ö lle sperren G eldw erth un tersch ied e die Länder. A u f zwei W egen schien L ichtung erreichbar. D e n einen h at Ruß«

land gew ählt. U m sturz aller R echtsordnung; die H errschaft der von G e b u rt, Rang, Kapital auf M achthügel G ehob en en d urch D ik ta tu r der zuvor G eknechteten ersetzt, deren W ille aus dem M u n d ab b e ru fb a re r F ührer spricht; kein Basalt aus Sintfluthzeit, kein B allast aus dem K auffahrzeug der Bour«

geoisie; alte Slaw engem einde: M ir; jed er zu A rb eitT au g lich e irgendw o im D ien st derG esam m th eit o der vor H u n g ersn o th ; K indern N äh rsto ff u n d W issen, K ranken, K rüppeln, G reisen Fristung schm ucklosen Lebens. Alles w ird neu, fängt, nach dem V olksausdruck, „von vorn an“ . W eil in dem Riesenreich ohne

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82 Die Zukunft

V erkehrsm ittel die In d u strien zu ihren R ohstoffquellen ab*

w andern, veröden, verfallen die Städte, die Stätten mißachte*

ter, dem Schw em m land des Besitzrechtes entsprossener Bür*

g erk u ltu r, u n d Z w ecksiedelungen strecken sich nach allen Seiten w eit ins Innere hier, d o rt an die R änder vor. D u rch Flim m ernebel sehen w ir Fernen den A nfang, hören die ausPri*

vilegium G eschleuderten to b en , die E w ig g e s tr ig e n schelten:

u n d w arten des Versuches F ortgang ab. U eberfall soll ihn hem*

m en; erzw ingt, im m er w ieder, die W affn u ng des A ufbauer*

heeres, E rkaltu n g u n d Stillstand d er kaum angeheizten W irth*

schaftm aschine; w ird in Süd u n d N o rd stets aber abgeschlagen:

den n n u r diese A rm ee, deren In b ru n s t fü r ein H eiligthum käm pft, hat noch S toßkraft u n d D au erw ucht. W ill sie er*

ob ern ,rm it dem Schwert in F rem dland die Furche ziehen, aus der ihre G laubenssaat in H alm e wachsen, d er B olschew ism us in F ru cht reifen k a n n ? Sind die in K lugheit Bew ährten ju st klug genug, nicht k lu g zij sein ? Polens frevler U eb erm u th b o t die G elegenheit, die spröd en W estm ächte, vornan E ngland, ins M au l einerZ an g e zu pressen. „ W o llt Ih r U n term in iru n g Eures F ernorients, Indiens gar u n d Z erq u etsch u n g Polens o der seid Ih r bereit, unsere K o m m unistenrepublik anzuerkennen u n d in H an delsverkehr einzulassen, dessen G ü te r w ir in Gold* u n d P latinw ährung, m it K orn, Fellen, H a n f,O e l, H o lz, K upfer be­

z a h le n ? “ D as ist die Frage, die d er eiserne D ru c k d er Zangen*

Schenkel eindringlicher stellt, als Z u n g e u n d L ippen vermöch*

ten, u n d der die H o ffnu n g eingehakt ist, der H an d el w erde auch d en W ille n u n d das V erm ögen zu A b zah lu n g alter Schuld (an Frankreich und, zu G u n st der E ntente, an D eu tsch lan d ) erkau*

fen. N u r das u n zerstö rb are, unersch öp flich reiche R uß land d u rfte sich a u f diesen W eg erkühn en ; u n d noch ists w eitab von L ichtung. D e r zweite W e g , der lange fü r arm e Leute, schlän*

gelt sich jetzt, m it sandigen B uckeln, durchs P ouhongelände.

„C e n ’est que le prem ier Spa q u i coüte“ : pariser W o rtw itz f billigste Som m ersorte, h ü lst tröstliche W ahrheit. W ird Spa nich t P h ila d e lp h ia , auch n icht d er V o rh o f zum Regirung*

palast geeinter E uro p äerstaaten , so b leib t es Etape au f der S traß e, die in G em einschaft, in politisch * w irts c h a ftlic h e , n ich t n u r ideelle o d er k u rz befristete, m ü nden m uß.

D as wissen die D elegirten noch n ich t; scheint selbst

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