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Monatshefte der Comenius-Gesellschaft, 15 März 1905, 14. Band, Heft 2

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(1)

Der Bezugspreis beträgt im Buchhandel und bei der Post jä h rlich 10 M ark.

Alle Rechte Vorbehalten.

Monatsschriften der C. G. XIV, Band. Heft 3. j

M o n a t s h e f t e

der

Comenius-Gesellschaft.

Herausgegeben von Ludwig1 Keller.

) V ierzeh n ter J a h rg a n g .

l 1 9 0 5

Zweites Heft.

g --- — ---

Berlin 1905.

W e i d m a n n s c h e B u c h h a n d l u n g .

(2)

Inhalt.

L u d w ig K e lle r, Schillers Stellung in der Entwicklungsgeschichte des Humanismus. Festgabe zum Schillertage 1905 ... 61 D r. J o s e f P e r k m a n n , W ie D , Über Herders Bildungsideal . . . . . 146 B e s p r e c h u n g e n u n d A n z e ig e n ... 150

G ö b e l , G u s t a v , A nfänge der A u fk lä ru n g in A ltbayern. (D r. G. A lbrecht.) — B r u n o D r u s c h k y , W ü rd ig u n g d e r S ch rift des Comenius „S ch o la J ju d u s “. (B ö ttic h e r, H agen.)

B e m e r k u n g e n u n d S t r e i f l i c h t e r ...1 5 3 B esp rech u n g en üb er die V eröffentlichungen d er C. G. — E ine K ritik d er „H isto risch en Z e its c h rift“. — E in neues B uch ü b e r P lato u n d den P latonism us. — D er Nam e „Chem ie“ als G eheim nam e (D ecknam e). — Gewisse Symbole d er „Chem ie“. — L a b o ra to rien d er A lchym isten im 13. Ja h rh u n d e rt. — N ew tons B ed eu tu n g als P hilosoph u n d G ottesgelehrter. — S ch iller u n d die .Romantik. — N ietzsche ü b er S ch iller als den „M oraltrom peter von S äck in g en “. — Stim m en aus den K reisen d er L eo -G esellsch a ft ü b e r die „W eim arer Sippe“.

Ziele und Aufgaben der Comenius-Gesellschaft.

Die C. G. h a t den Zweck, die E ntw icklung der religiös-philosophischen W eltanschauung der abendländischen V ölker zu erforschen und dam it die Geistes - Geschichte zum R ange eines selbständigen W issensgebietes zu erheben.

Die C. G. beabsichtigt insbesondere, die W eltanschauung und die G rundsätze des Comenius und der comenianischen G eistesrichtung, d. h. die G rundsätze der H um anität und des Humanismus und die Geschichte der K ultgesellschaften, die deren T rä g e r w aren und sind, w issenschaftlich zu untersuchen und klarzu stellen .

Die C. G. h a t sich die A ufgabe g e ste llt, in diesem Geiste bildend und erziehend au f das heutige Geschlecht zu w irk en und zugleich eine W issenschaft d er V olkserziehung (S o zia l-P äd ag o g ik ) als selbständigen W issenszw eig zu begründen.

Jahresbeiträge gehen an das Bankhaus Molenaar & Co., Berlin C., St. Wolfgangstrasse.

Die Austrittserklärung muß drei Monate vor Schluß des Kalenderjahrs erfolgen widrigenfalls der B eitrag noch für das folgende J a h r fällig bleibt (§ 4 d. Satzungen).

Satzungen, W erbeschriften und Probehefte versendet auf Anfordern die Geschäfts­

stelle der C.G., Berlin-Charlottenburg, Berlinerstrasse 22.

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XIV. Jahrg. Berlin, den 15. März 1905. Heft II.

Die M onatshefte d e r C. G. erscheinen im Januar, März, Mai, Septbr.

und November. Die M itglieder erhalten die Hefte gegen ihre Jah res­

beiträge. Bezugspreis im B uchhandel u n d bei d e r P o st M. 10,—.

Einzelne Hefte M. 2,—. N achdruck ohne E rlaubnis untersagt.

Schillers Stellung

in der Entwicklungsgeschichte des Humanismus.

Festgabe zum Schillertage 1905.

Von L u d w ig K e lle r .

Verschlossen, verschüchtert, von strenggläubigen Anschauungen erfüllt, erzogen von einem V ater, der die unterwürfige Ehr­

erbietung, wie sie das Z eitalter des Absolutismus gegen alle Höherstehenden forderte, dem Sohn überm ittelt h atte, w ar Friedrich Schiller zu Beginn des Jahres 1773 in die Fürstenschule auf der Solitude eingetreten. Seine für Freundschaft und Liebe so empfängliche Seele verm ißte jeden innigeren Anschluß an gleich­

strebende Genossen und der Verkehr m it den Soldatensöhnen, die der launenhafte F ü rst in seine m ilitärische Pflanzschule gepreßt hatte, schien lediglich geeignet, die bisherigen Ansätze einer ver­

kehrten Erziehung in dem vereinsam ten und verängstigten Jüngling w eiter zu entwickeln und auszubilden. Der junge Schiller h atte frühzeitig den Wunsch g ehegt, sich dem geistlichen Stande zu widmen, und im Hinblick auf diesen Lebensplan h a tte er seit 1769 w iederholt das sog. Landexam en bestanden. Auf dem hier einge­

schlagenen W ege bewegten sich auch in den ersten Jah ren seines A ufenthalts in der Fürstenschule seine Gedanken und Gesinnungen.

M onatshefte d e r C. G. 1906. 5

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Wie in Vorbereitung auf den ihm noch immer vorschwebenden geist­

lichen Beruf v eranstaltete er, so jung er w ar, m it den M itschülern Andachtsübungen und ergoß seine Seele in inbrünstigen Gebeten.

An den H eldengestalten des Alten Testam ents versuchte er zuerst seine poetische G estaltungskraft, und der Beifall, den er hierm it bei seinen Religionslehrern wie bei der Mehrzahl der näheren und entfernteren Verwandten fand, w ar durchaus geeignet, ihn auf diesem Wege zu bestärken. W ir besitzen aus diesen Jah ren eine Aufzeichnung unter dem Titel „M orgengedanken“, die für Schillers dam alige Gemütsverfassung und für seine Religions-A nschauungen kennzeichnend ist. Es heiß t darin u. a. „O ft hüllte b a n g e r Z w e if e l meine Seele in N acht ein, oft ä n g s t i g t e s ic h m e in H e r z , G ott Du w eißt’s, und rang nach him m lischer E rleuchtung von Dir. 0 , da fiel oft ein w ohltätiger S trah l von Dir in die u m n a c h t e t e S e e le ; ich sah den schrecklichen Abgrund vor mir, an dem ich schon schw indelte, und dankte der göttlichen Hand, die mich so w ohltätig zurückzog. Sei noch ferner bei mir, mein G ott und V ater, denn die Tage sind d a, wo die Toren auftreten und sprechen in ihren Herzen: Es ist kein G ott! — Du hast m ich zu t r ü b e n T a g e n auf behalten, mein Schöpfer — zu Tagen, wo der Aberglaube zu meiner Rechten ras’t und der Unglaube zu m einer Linken spottet. . . . Ach, mein G o tt, so erhalte mein Herz in Ruhe, in derjenigen heiligen Stille, in der uns die W ahrheit am liebsten besucht. Die Sonne spiegelt sich nicht in der stürm ischen See, aber aus der ruhigen, spiegelhellen F lu t strah lt sie ihr A ntlitz wieder. So ruhig erschall auch dies Herz, daß es fähig sei, Dich, o G ott, und den Du gesandt hast, Jesum Christum, zu erkennen. — Denn nur dies ist W ahrheit, die das Herz s tä rk t und die Seele erhebt. H a b ’ ic h W a h r h e i t , so h a b ’ i c h J e s u m , h a b ’ ic h J e s u m , so h a b ’ ic h G o t t , h a b ’ ic h G o t t , so h a b ’ ic h a lle s . Sollte ich m ir durch die W eisheit der W elt, die Torheit ist vor Dir, mein G ott, dieses Kleinod, diesen himmel­

erhebenden T rost rauben lassen? N ein, wer die W ahrheit haßt, sei mein F eind, und wer sie m it einfältigem Herzen sag t, den um arm e ich m it B ruderfreuden.“ Die M orgengedanken schließen m it dem E ntschluß, zur Kirche zu gehen, deren Glocken ihn herbeilocken, um sich im B e k e n n t n i s zu b e f e s t i g e n und in der W ahrheit zu stärken.

Du h a st mich zu trüben Tagen aufbehalten, mein Schöpfer — zu Tagen, wo der Aberglaube zu m einer Rechten ra st und der

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Unglaube zu meiner Linken sp o ttet — kann m an es deutlicher zum Ausdruck bringen, wie gew altig in jenen Jahren die geistige^

M ächte der Zeit um den Besitz dieser hochbegabten Seele stritte n ? Die A utorität des Elternhauses und der Lehrer und die allzeit m ächtige Tradition h atten den Jüngling auf die Seite der kirch­

lichen R echtgläubigkeit geführt und die Umgebung, in der er in dem Augenblicke stand, wo er das obige Bekenntnis aufzeichnete, hielt ihn m it starken Banden auf dieser Seite fest. Da geschah das U nerw artete: im Laufe weniger Jah re h a tte der heranreifende Dichter die Fesseln zerrissen und was noch w underbarer war, aus dem zaghaften, geängstigten, dem ütigen Jüngling w ar ein junger Mann von sicherem , offenem und selbstbew ußtem W esen und ein C harakter von unbeugsam er Gesinnung und glühendem Freiheitsr dränge geworden, ein junger Mann, der eine lang zurückgehaltene Entwicklung m it R iesenschritten nachholte, und der in raschem Anlauf eine K larheit und Festigkeit seiner gesam ten Anschauungs­

welt erreichte, die späterhin wohl eine Ergänzung und Vertiefung, keineswegs aber eine Erw eiterung oder U m gestaltung erfahren h at.

Es is t, als ob wir in die ersten entscheidenden Abschnitte der Seelenkäm pfe, die die G eburt des neuen Schiller begleiteten, versetzt w ürden, wenn wir die Selbstbekenntnisse lesen, die er in den „Briefen Julius an R aphael“ hinterlassen h a t.1)

„W as h ast Du aus m ir gemacht, R aphael“ 2), schreibt Schiller- Julius im O ktober eines nicht näher bezeichneten Jahres, das sich aber als das Ja h r 1778 feststellen läß t. „W as ist seit kurzem aus mir geworden! Gefährlicher großer Mensch! . . . Eile zurück, auf den Flügeln der Liebe oder Deine zarte Pflanzung ist dahin.

. . . Die Grundpfeiler Deiner stolzen W eisheit wanken in meinem Gehirne und Herzen, alle die prächtigen P aläste, die Du bautest, stürzen ein und der erdrückte W urm wälzt sich wim m ernd u n ter den R uinen.“

„Selige paradiesische Z eit, da ich noch m it verbundenen Augen durch das Leben taum elte . . . , da mich nur eine politische Zeitung an die W elt, nur die Leichenglocke an die Ewigkeit, nur Geapenstermärchen an eine Rechenschaft nach dem Tode erinnerten,

*) Diese Jugendbriefe hat Schiller in die im Jahre 1786 veröffentlichten

„Philosophischen Briefe“ eingereiht. Es sind Selbstbekenntnisse, die unter dem Eindruck erlebter Dinge und Empfindungen niedergeschrieben sind.

(Sämtliche Werke, hrsg. von Goedeke IV, 31 ff.) Wir kommen darauf zurück.

2) Sämtliche Werke herausgegeben von Goedeke IV, 31 flf.

1905. Schillers Stellung in der Entwicklungsgeschichte des Humanismus. 63

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da ich noch vor einem Teufel bebte und desto herzlicher an der G ottheit hing . . . Du h a st m ir den Glauben gestohlen, der mir Frieden gab . . . Ich sah eine Volksmenge nach der Kirche ström en, ich h örte ihre begeisterte Andacht zu einem biüderlichen G ebet sich vereinigen . . . Deine k alte W eisheit löschte meine B egeisterung . . . Ich war ein Gefangener. Du h ast mich hinaus­

geführt an den T ag, das goldene L i c h t und das unermeßliche F reie haben meine Augen entzückt. Vorhin genügte m ir an dem bescheidenen Ruhm e, ein g uter Sohn meines H auses, ein Freund m einer Freunde, ein nützliches Glied der Gesellschaft zu heißen, D u h a s t m ic h in e in e n B ü r g e r des U n iv e r s u m s v e r ­ w a n d e l t. . . . R aphael schnitt alle Bande der Ü bereinkunft und der Meinung entzwei. Ich fühlte mich ganz frei — denn die V ernunft, sagte m ir R aphael, ist die einzige Monarchie in der G eisterwelt, ich tru g meinen K aiserthron in meinem Gehirne . . . Die ganze Schöpfung ist m ein, denn ich besitze eine unwider- sprechliche Vollmacht, sie ganz zu genießen. Alle G eister — eine Stufe tiefer u n ter dem vollkommensten G eist — sind meine M it­

b r ü d e r , weil wir alle e i n e r Regel gehorchen, e in e m Oberherrn huldigen. Wie erhaben und prächtig klingt diese Verkündigung!

W elcher V orrat für meinen D urst nach Erkenntnis! . . . Der Gefangene w ußte nichts von dem L i c h t e , aber ein Traum der Freiheit schien über ihn wie ein Blitz in der N acht . . . E rsetzt m ir Deine W eisheit, was sie m ir genommen h a t? W enn Du keinen Schlüssel zum Himmel h attest, warum m ußtest Du mich der Erde entführen? Wenn Du voraus w ußtest, daß der W eg zu der W eisheit durch den schrecklichen Abgrund der Zweifel führt, w arum w agtest Du die ruhige Unschuld Deines Julius auf diesen bedenklichen W urf? . . . . Du h a st eine H ütte niedergerissen, die bew ohnt war, und einen prächtigen to ten P a la st au f die Stelle gegründet . .

Die gew altige Umwälzung der gesam ten D enkart, die in diesen ergreifenden W orten geschildert wird, ist für die Geistesgeschichte des Mannes, der sie niederschrieb, von grundlegender Bedeutung geworden. Schon dadurch beansprucht sie die Teilnahme aller derer, die an dem Entw ickelungsgang dieser großen Seele Interesse nehmen. Aber ihre Bedeutung g eh t über den W ert eines interessanten psychologischen Problem s w eit hinaus; denn diese W endung Schillers h a t die gesam te, von seinen Ideen berührte W elt für große ge­

schichtliche Zeiträum e m itbestim m t und mitbeeinflußt. Jene

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W andlung, von der die obigen Bekenntnisse Zeugnis geben, ist dadurch, daß sie sich eben in Schillers Seele vollzog, ein g r u n d - l e g e n d e s E r e i g n i s d e r n e u z e i t l i c h e n G e i s t e s g e s c h i c h t e

g e w o r d e n .

W ir lassen die F rage nach W esen und U rsprung des neuen Gedanken-Systems, das Schiller hier als „ P a l a s t d e r W e is h e i t “ oder als „ d a s g o ld e n e L i c h t “ bezeichnet, das ihn in einen

„ B ü r g e r d e s U n i v e r s u m s “ verw andelt hat, einstweilen auf sich beruhen. W ichtiger und für das Verständnis der entscheidenden W endung notwendig ist zunächst die K larstellung der Frage, welche geistigen K räfte es gewesen sind, u nter deren M itwirkung Schillers Entschließungen sich vorbereitet und vollzogen haben und ob an die Stelle des geschlossenen G edanken-System s der Kirche, das er damals verließ, ein neues geschlossenes System getreten ist, das im stande war, einen selbständig prüfenden G eist wie Schiller dauernd festzuhalten. Um diese F rage zu beantw orten, is t es notw endig, die gesamte geistige Atm osphäre, in der der junge F euergeist heranwuchs, etwas genauer zu betrachten.

Man h a t es sich bisher im allgemeinen sehr bequem gem acht, die W andlung, die etw a in den Jahren 1778 bis 1781 in Schillers D enkart eingetreten ist, zu erklären. Schiller h a t dam als, wie man weiß, Rousseaus Schriften gelesen; er h a t auch aus Shaftesburys, Lockes, Lessings, Herders und Goethes Schriften viel gelernt. Gewiß, diese Schriften haben großen Einfluß geübt, aber Schiller sag t selbst in den obigen Briefen ganz deutlich und k la r, daß nich t irgend welche Bücher, die doch immer nur to te P rediger sind, sondern das l e b e n d i g e W o r t t r e u e r F r e u n d s c h a f t für ihn die Pforten einer neuen Gedanken­

w elt geöffnet hat. Mag dies lebendige W ort auch durch gedruckte W erke u n terstü tzt worden sein, so ist doch gewiß, daß wir Schillers eignes Zeugnis in erster Linie als Richtschnur betrachten müssen.

Man pflegt heute für W esen und E igenart eines Menschen neben seiner N aturanlage in erster Linie das M ilie u , wie mau sa g t, verantw ortlich zu machen. In der T a t ist die Umgebung, in der der Einzelne heranw ächst, die freundlichen und abstoßenden persönlichen Berührungen, in die er tritt, schon deshalb die erste Ursache seiner W esensgestaltung, weil erst durch diese Umgebung die L iteratu r, die der Einzelne liest, an ihn herangebracht zu werden pflegt. Und w as auf die G estaltung der D enkart zutrifft, 1 9 0 5 . Schillers Stellung in der Entwicklungsgeschichte des Humanismus. 65

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das g ilt noch m ehr von der Ausbildung des C harakters; Bücher, auch die geistvollsten, sind es nicht, die eine verschüchterte, unterw ürfige N atur zu einem selbstbew ußten, freiheitsdurstigen Mann umschaffen; sie sind es nich t, die ein verschlossenes und verbittertes Gemüt für Freundschaft und Hingabe erschließen und dam it die edelsten und reinsten K räfte der Seele erst in W ahrheit entbinden.

W enn bei den T aten der Menschen, auch bei den T aten eines Schiller, neben der poetischen oder sonstigen Anlage, lediglich das aus Büchern erlernbare Wissen es w äre, was den Erfolg verb ürgt, wie die B uchgelehrten behaupten, so wäre freilich der Hinweis auf die w ertvollen Bücher von Rousseau, Shaftesbury u. s. w., die Schiller gelesen h a t, vollständig aus­

reichend. Aber nicht das Buchwissen ist es, aus dem die großen T aten sprießen, sondern die G e s in n u n g ist es, die sie schafft;

mögen die Bücher auch gu t dazu sein, kluge Köpfe zu bilden, so genügen sie doch n ich t, um aus kenntnisreichen Gelehrten tapfere M ä n n e r zu m achen, die das Leben zu m eistern im stande sind. Der Schiller, der einst die „M orgenandacht“ niederschrieb, wäre auch durch die besten Bücher niemals der Held der geistigen Befreiungskäm pfe und der Erzieher seines Volkes gew orden, der er tatsächlich geworden ist.

Aus der m ilitärischen Pflanzschule, die der kinderlose Herzog Karl Eugen im Jah re 1770 auf Schloß Solitude errichtet h atte, w ar seit der Zeit, wo unbekannte Erw ägungen den Herzog zur Verschmelzung seiner A nstalt m it der älteren „Academie des a r ts “ und zur Schaffung einer A rt Hochschule u nter dem Namen A k a d e m ie bestim m t h a tte n , ein höchst eigenartiges Gebilde gew orden, eine hohe Schule, die, so groß auch ihre Schwächen und Mängel sein m ochten, doch den Vorteil vor den Universitäten voraus h a tte , daß ihr Lehrkörper wie ihre S tudentenschaft nicht u nter den dam als überall m aßgebenden Einflüssen scholastisch­

philosophischer Überlieferungen stand und daß tro tz des Verbotes staatlich und kirchlich m ißbilligter L iteratu r infolge besonderer Um stände die neuzeitlichen Geistesström ungen hier leichter als an den U niversitäten dauernde Verbreitung fanden.

Dazu h a tte ihre Entstehungsgeschichte der A nstalt einen anderen C harakter gegeben, als ihn die U niversitäten besaßen:

seit dem Jah re 1773, wo die Verschmelzung m it der Akademie

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der Künste eingetreten war, h atten die Lehrer wie die Studierenden der B a u k u n s t , der B i l d h a u e r e i , der M u s ik , der M a le r e i und der T e c h n ik einen neuen G eist in die Akademie gebracht und man braucht nur an die Tatsache zu erinnern, daß junge B ildhauer wie D a n n e c k e r und Musiker wie Z u m s te e g und S t r e i c h e r zum innigsten Verkehrskreise des jungen Mediziners S c h i l l e r gehörten, um sich zu vergegenw ärtigen, was dieses Elem ent der Akademie für Schillers geistige Entw icklung bedeutet hat.

Die bis dahin im Lande vorherrschenden Mächte, näm lich die durch die Landstände vertretene G eistlichkeit und R itterschaft, über­

sahen sehr wohl, was eine ihrem Einfluß entzogene hohe Schule für die geistige Entw icklung bedeuten konnte, und nichts ist kenn­

zeichnender für die in dem aufgeklärten Despotismus einerseits und in dessen oligarchischen Gegnern anderseits herrschenden Tendenzen, daß R itterschaft und P rälaten gerade wegen der herzoglichen Akademie in einen scharfen Konflikt m it der Re­

gierung gerieten. Die Stände erkannten sehr wohl, daß der Herzog sich m it Hilfe dieser Hochschule einen M ilitär- und Beam tenstand erziehen w ollte, der die Ansichten seines Fürsten teilte , und sie haben nicht aufgehört, die Akademie so lange für „verfassungs­

w idrig“ zu erklären, bis sie u nter Karl Eugens schwächeren Nach­

folgern dem Ansturm schließlich erlegen ist.

Der erste Sturm lauf von R itterschaft und P rälaten begann an dem T age, wo die m ilitärische Pflanzschule zur Akademie gem acht worden w ar und die am 17. F ebruar 1773 aufgesetzte Beschwerdeschrift der Landstände richtete sich in erster Linie gegen die k o n f e s s i o n e ll e T o l e r a n z , die der Herzog seiner s i m u l t a n e n und k o n f e s s i o n s l o s e n Akademie gegeben h atte, die, wie m an behauptete, dem W estfälischen F rieden und den herzoglichen Religions-Reversalien widersprachen. Dieser W ider­

stand nahm von Jah r zu Ja h r an H eftigkeit zu und zw ar tra te n die kirchlichen G esichtspunkte immer m ehr in den Vorder­

grund, obwohl m an den K ostenpunkt und die B eeinträchtigung der U niversität Tübingen u. s. w. in gleicher W eise b eto n te1). Es w ar k la r, daß Karl Eugen, wenn er seine Absichten durchsetzen wollte, tätig e Helfer gebrauchte, und es ist interessant zu sehen, wo und wie er diese gefunden h at.

19 0 5 . Schillers Stellung in der Entwicklungsgeschichte des Humanismus. 67

*) Die Aktenstücke s. bei Heinrich Wagner, Geschichte der Hohen Carls- Schule. Würzburg 185611, S. 90 ff.

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Der Herzog h a tte einst, ehe er seit den Anfängen des sieben­

jährigen Krieges Frankreich und O esterreich nahe tr a t, innige Beziehungen zu den Freunden und Gesinnungsgenossen F r i e d r i c h s d e s G r o ß e n besessen. J e tz t entschloß er sich, die unterbrochene Verbindung wieder herzustellen, und der erste S ch ritt auf diesem W ege w ar die durch V erm ittlung seiner vortrefflichen F rau geförderte Aussöhnung m it dem schwer m ißhandelten ehemaligen V ertrauten, dem Obersten P h i l i p p R ie g e r . Er kannte dessen starke Hand und treue A nhänglichkeit und es ist bezeichnend, daß Rieger je tz t den Auftrag erhielt, die Verlegung der hohen Karlsschule nach S tu ttg a rt in die W ege zu leiten. Angesichts der heftig erregten Stim m ung der Stände, die ihren H auptsitz in S tu ttg a rt hatten, hielt am 18. November 1775 der Herzog u nter Begleitung der ledernen S tadtreiter m it seinen 353 Karlsschülern seinen feierlichen E in ritt in die Residenz. E r w ollte den H errn von R itterschaft und P rälaten zeigen, daß er H err im Lande sei und seine Hoch­

schule einrichten könne, wie und wo er es für zweckm äßig halte.

Dieselbe Selbständigkeit bekundete der F ürst in der An­

stellung und Berufung der Professoren, die ihm seine S tände entschieden streitig gem acht hatten. Gerade wegen dieser Be­

rufungen — es handelte sich dam als um die beabsichtigte Anstellung des Prof. B a l t h a s a r H a u g (1731— 1792) — h atten die ersten scharfen Angriffe der Stände im Jah re 1773 stattgefunden.

Eben diese Beziehungen Karl Eugens zu B althasar Haug, dem Schwaben seinen ersten Aufschwung auf dem Gebiete der schönen L iteratur verdankt, kennzeichnen die G esichtspunkte, nach denen der Herzog bei der W ahl seiner M itarbeiter zu ver­

fahren entschlossen war. Einstweilen freilich h ielt es Karl Eugen für k lug, den dam aligen F ührer der „D eutschen Sozietät“ in W ürttem berg — Haug w ar schon seit 1761 M itglied verschiedener

„D eutscher Gesellschaften“ und verw andter O rganisationen im Reiche — der vielen besonders freigeistig schien, nur als F est­

redner und Exam inator an seiner Hochschule zu beschäftigen1), aber schon diese Form der H eranziehung erschien als eine A rt von Program m . Die verschiedenen moralischen und schöngeistigen W ochenschriften, die Haug herausgegeben h a t — in einer der­

selben, dem „Schwäbischen M agazin“ ließ Schiller seine ersten Gedichte drucken — gaben ihm u nter den gleichgesinnten Freunden

x) Seit 1772; Haug ward erst 1776 als Professor förmlich angestellt.

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wertvollen Einfluß und er konnte dadurch zur Heranziehung und Heranbildung w eiterer Kräfte nützliche Dienste leisten.

Der älteste Lehrer der m ilitärischen Pflanzschule, der außer den Unteroffizieren dort U nterricht gab, w ar seit 1770 der Professor A d o lp h F r i e d r i c h H a r p e r . H arper war als Sohn des preußischen K abinetts-M alers Johann H arper im Jah re 1725 zu Berlin geboren, h a tte Reisen nach Frankreich und Italien gem acht und war vom Herzog Karl Eugen im Jah re 1756 nach S tu ttg a rt gezogen und 1761 an der im gleichen Jah re errichteten Academie des arts zum Professor ernannt worden. H arper h a tte , als er nach S tu ttg a rt kam , als nächsten Fachgenossen und M itarbeiter den Maler N ic o la u s G u ib a l (geb. 1725 zu Luneville) angetroffen, der seit 1749 in S tu ttg a rt tä tig w ar, seit 1755 Karl Eugens Schwiegervater, den M arkgrafen F riedrich von B ayreuth auf seinen Auslandsreisen begleitet h a tte und um 1760 beim Herzog Karl in besonderer Gunst stand. Es war natürlich, daß G uibal, der als Professor an der Academie des arts w irkte, nach deren Ver­

schmelzung m it der Pflanzschule ebenfalls an letzterer tä tig war.

Diese beiden erfahrenen Männer zogen nun alsbald eine Reihe von Schülern heran, die nach den Gepflogenheiten der Zeit früh­

zeitig zugleich als Lehrer m itverw andt w urden, und so begegnet uns als nächstältester Dozent an der Pflanzschule nach H arper seit 1771 der im Jah re 1746 geborene S tu ttg a rte r R e i n h a r d F e rd . H e in r. F is c h e r . Die nahen persönlichen Beziehungen H arpers und Guibals zu dem baulustigen Herzog brachten es m it sich, daß sie, seitdem sie als Lehrer an der vom Herzog gegründeten Schule tä tig w aren, auf die Entw icklung der letzteren und auf die Auswahl der Männer, die sie als Kollegen neben sich zu sehen w ünschten, einen großen Einfluß erlangten; jedenfalls ist sicher, daß die Mehrzahl der seit 1772 berufenen Dozenten Gesinnungsgenossen der ersten Professoren waren.

Zu den letzteren gehörte in erster Linie der im Jah re 1772 berufene J a c o b F r i e d r i c h A b e l, der als Lehrer der a lte n Sprachen, der Geschichte, Philosophie und Moral tä tig w ar, und der, indem er die für die C harakter-E ntw icklung der Zöglinge w ichtigsten Fächer v ertrat, lange Jah re hindurch den G eist der Schülerschaft am tiefsten beeinflußt hat.

Friedrich Abel entstam m te einer F am ilie, deren H aupt sich als österreichischer Glaubensflüchtling m it einer H ugenottin in W ürttem berg verheiratet h a tte , und teilte die Abneigungen iy<)5. Schillers Stellung in der Entwicklungsgeschichte des Humanismus. 69

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Heft 2.

dieser verfolgten C hristen gegen ihre Peiniger. Abel erzählt uns selbst, daß er sehr tiefe religiöse Einwirkungen von seiner M utter empfangen habe, „w ährend die Lehrer in Kirche und Schule ihn k a lt ließ en“. Abels Vater w ar O beram tm ann in Vaihingen und w ar durch den Haß, m it dem ihn K reaturen wie M ontm artin und W ittleder beehrten, eine bekannte Persönlichkeit im schwäbischen Lande gew orden; eine große „Verehrung für die Engländer“, d. h.

wohl für die englische Philosophie des Newtonianism us habe der Vater — so erzählt Friedrich selbst — ihm eingeimpft.

Friedrich studierte seit 1768 zu Tübingen — hier w ar er u. a. m it J o h . H. H o c h s t e t t e r (f 1796) nah befreundet — Theologie und Philosophie, ab e r, obwohl überzeugt von der G öttlichkeit des alten und neuen Testam ents — so erzählt er selbst — stim m te er in den daraus gezogenen Schlüssen m ehr m it H u g o G r o t i u s und S e m le r als m it der herrschenden Dogm atik überein, und in der Philosophie zogen ihn L e i b n i z , S u lz e r , M e n d e ls s o h n , A b b t, L e s s i n g und H e r d e r am m eisten an. Eben im Begriff, in G öttingen seine Studien fortzusetzen, erhielt er vom Herzog Karl Eugen die Aufforderung, als Lehrer auf die Solitude zu gehen. Abel w ar dam als 21 J a h r alt.

Die anziehenden und abstoßenden W irkungen, die von der Person des hochbegabten jungen Mannes fast vom ersten Tag an auf die Umgebung, in die er e in tra t, ausgingen, sind zur Kenn­

zeichnung der geistigen Ström ungen an der Akademie sehr ch arak ter istisch.

Von vornherein war die Berufung des .,freidenkenden M agisters“, wie m an ihn n annte, sehr vielen ein Dorn im Auge gewesen. Im Dezember 1774 gab der Professor der Dogm atik K. Fr. H artm ann, der Religionslehrer der Akademie, ein G utachten über Abels L ehrtätig k eit ab, das dahin ging, daß m anche Zöglinge infolge dieser T ätigkeit „im Disputieren und Objizieren über die gehörigen Lim ites gehen und einen pruritum dubitandi verraten, der, wenn er habituell werden sollte, in einen l i b e r t i n i s m u m s e n t i e n d i ausarten k ö n n te“. Diesen starken K räften gelang es gleichwohl vorläufig nich t, dem durch die G unst des Herzogs getragenen Abel A btrag zu t u n ; er erzählt uns selbst, daß er m it ändern Männern aus der Umgebung des Herzogs, auch m it einigen „aufsichtsführenden Offizieren“ fortgesetzt in v e r t r a u t e r Verbindung gestanden habe. Das einzige, was die Gegner erreichten, w ar zunächst nur das Zugeständnis, daß noch ein

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zw eiter Lehrer der Philosophie in der Person des Tübingers Böck seit 1775 Vorlesungen in der obersten Abteilung hielt.

Bald nach Abel wurde noch im Ja h r 1772 der im Jah re 1809 verstorbene R egierungs-Rat J a c o b H e in r ic h R e in w a ld berufen, dann im Jah re 1773 Ph. A. O f f t e r d i n g e r , dann J o h . H e in r.

H o c h s t e t t e r , der H ofrat J a c . F r i e d r . A u t e n r i e t h , der Professor der alten Sprachen F e r d i n a n d D r ü c k (seit 1779), ein M arbacher Kind wie Schiller, der später auch als Dichter bekannt gewordene F r i e d r . A ug. C lem . W e r th e s (geb. 1748), Phil. A.

H o p f, F u c h s , H o ff m a n n und vor allem W ilh e lm P e t e r s e n , den wir noch kennen lernen werden.

Daß diese Männer in ihrer G esam theit der Akademie tro tz der autokratischen und kirchlichen Einflüsse, die nebenher wirksam blieben, ein bestim m tes Gepräge gaben, erhellt aus der Tatsache, daß a l l e genannten Professoren ohne eine einzige Ausnahme M it g li e d e r d e s M a u r e r b u n d e s gewesen sind. Um dies zu ver­

stehen, muß m an die Geschichte dieses Bundes im allgemeinen und insbesondere in W ürttem berg etwas näher ins Auge fassen.

Als Herzog Karl Alexander von W ürttem berg im Jah re 1737 gestorben war, waren sein Erbe und N achfolger K a r l E u g e n (geb. 1728) und dessen Brüder L u d w ig E u g e n und F r i e d r i c h E u g e n noch m inderjährig. Die Prinzen wurden zu ihrer Ausbildung zunächst an den Hof Friedrichs des Großen nach Berlin geschickt und u nter der Einwirkung des in den Vorm undschaftsrat berufenen nachm aligen Ministers Friedrich August von Hardenberg ( f 1768), eines geborenen Mansfelders, der in Halle stu d iert h a tte , w ar K arl Eugen in preußische Dienste eingetreten. Hier h a tte der letztere nebst seinen Brüdern so tiefe Eindrücke von den M ännern und von der G eistesrichtung gewonnen, die ihren organisatorischen M ittelpunkt in der S ozietät der M aurer besaßen, daß alle drei nachm als selbst dem Bunde beigetreten sind.

Die außerordentliche K raft, m it welcher die uralten K ult- genosseüschaften des Humanismus seit der Reorganisation, welche die älteren m aurerischen Sozietäten durch die Schaffung des neuenglischen Systems der „Society of Masons“ erfahren h a tte n , in D eutschland sich Geltung verschafften, t r i t t auch in der Heran­

ziehung dieser drei fähigen deutschen Prinzen wieder an das Licht.

F ü r diese Sozietäten war, nachdem sie im 15. und 16. Ja h r­

hundert, im Z eitalter des Hum anism us, wo die Nachwirkungen 1 9 0 5 . Schillers Stellung in der Entwicklungsgeschichte des Humanismus. 71

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72 Heft 2.

platonischer Vorbilder und jldeen sehr deutlich erkennbar sind, ihre erste große B lütezeit im Abendlande erlebt h a tte n 1), seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts, u n ter Führung Englands, eine neue Glanzepoche angebrochen, und es ist überraschend, zu beobachten, welche A nziehungskraft die innige Verbindung griechischen Schönheitssinnes, griechischer H eiterkeit und reiner Menschlichkeit m it altchristlichen Überzeugungen auf alle besseren Köpfe damals wie früher von dem Augenblicke an ausübte, wo es gelungen war, die R este des alten Baues von dem S chutt und U nkraut, das ihn überzogen h a tte , wieder zu befreien und zu reinigen. )

U nter den Eindrücken seiner Jugendjahre und u n ter den Einwirkungen der Ideenkreise des fürstlichen Absolutism us, den er um sich sah, h a tte sich in der Seele des begabten, aber stark ­ sinnlichen und launenhaften Karl Eugen frühzeitig eine eigentüm liche Verbindung von Anwandlungen der H u m a n i t ä t und T y r a n n e i , die bald wertvolle F rüchte aufgeklärter R egierungskunst, bald em pörende W illkür-A kte zeitigte, entw ickelt — eine Verbindung, die durch ihren unberechenbaren Wechsel keinerlei dauernde Sym pathie für den hum anen Despoten und despotischen Menschen­

freund aufkom m en ließ.

Zunächst nahm das R egim ent des jungen F ü rsten seit 1744 einen verheißungsvollen Anfang. Die Männer, die die Regierung führten, insbesondere H a r d e n b e r g , B i lf i n g e r und Z e c h erwarben sich das Vertrauen des Landes, und Karl Eugen bekundete durch seine im Jah re 1748 erfolgte Verheiratung m it der Tochter des M arkgrafen Friedrich von B randenburg-B ayreuth, daß er in den eingeschlagenen W egen bleiben wollte. Mit begreiflicher Eifersucht h a tte n die durch das Anwachsen des preußischen Einflusses und den Ausgang der ersten schlesischen Kriege ohnedies beunruhigten katholischen G roßm ächte, besonders Frankreich und Österreich, die H altung des jungen katholischen Herzogs beo bachtet und ihre Agenten entfalteten am Hofe eine lebhafte T ätigkeit. Um das J a h r 1756 w ar das durch den Ausbruch des Kriegs doppelt wichtige Ziel erreicht: Karl Eugen verließ die preußische F ahn e, G raf

1) V gl. K e lle r, d ie rö m isch e A k ad em ie u n d d ie a ltc h n s tlic h e n Katakomben Berlin 1901.

2) Näheres über diese Entwickelungen bei Ludwig Keller, Graf Albrecht Wolfgang von Schaumburg-Lippe und [die Anfänge des Maurerbundes etc.

Berlin 1901.

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1905. Schillers Stellung in der Entwicklungsgeschichte des Humanismus. 7.3 M ontm artin tr a t an die Spitze der Geschäfte und der Herzog nahm als Verbündeter Frankreichs und Österreichs an dem Kriege wider Preußen teil.

W ir wissen nicht, in welchen Jahren die drei württem bergischen Prinzen dem Beispiele Friedrichs des Großen und des M arkgrafen Friedrich von B randenburg-B ayreuth gefolgt sind und sich dem M aurerbunde angeschlossen haben; bekannt ist nu r, daß K a rl E u g e n im Jah re 1774 Großm eister w a r1), daß L u d w ig E u g e n dem Bunde die erheblichsten Dienste erwiesen hat, auch maurerische R eden, die er bei deren Arbeiten gehalten h atte, in den Jahren 1784 und 1785 durch den Druck bekannt geworden sind, und daß F r i e d r i c h E u g e n (geb. 1732), der erst S ta tth a lte r der G rafschaft M ömpelgard, dann seit 1792 königlich preußischer S ta tth a lte r von Ansbach und B ayreuth und schließlich seit 1795 Herzog von W ürttem berg w ar, seine drei Söhne dem Bunde zu­

geführt h a t: die W ürttem bergischen Prinzen F r i e d r i c h W ilh e lm K a r l (geb. 1754), der seinem Vater 1797 in der Regierung folgte, L u d w ig F r i e d r i c h A le x a n d e r (geb. 1756) und E u g e n F r i e d r i c h H e in r ic h (geb. 1758) waren Freim aurer. Davon w ar der letztere im Jah re 1778 in einer Feldloge zu S tu ttg a rt, der vorletzte am 9. Jan u ar 1776 in einer Loge zu Berlin aufgenommen w orden.8)

Es ist hier nicht der O rt, im einzelnen auf die Geschichte des Bundes in W ürttem berg näher einzugehen. W ir müssen nur betonen, daß derselbe in seinen beiden dam als vorhandenen, sich vielfach befehdenden, aber doch innerlich verwandten Ström ungen, m neuenglischen und französisch-stuartschen Großlogen-System, ie sich nam entlich durch das Fehlen oder Vorhandensein der sog. Hochgrade unterschieden8), in festen Organisationen und erbänden in W ürttem berg vertreten war. Um ein Bild von seiner damaligen Bedeutung zu geben, wollen w ir einige der in 20 ^ Eingabe der Loge „Zu den drei Cedem“ in Stuttgart vom v ‘J^uSust 1774 an den „Durchlauchtigsten Großmeister“ (unterzeichnet von

ledesel, Göhrung, Stockmayer und Hartmann), worin des „Hochwürdigsten 75° “E sters und Gnädigsten Herzogs“ bisherige Sorgfalt für „den Flor und

16 ^ na^lnie des Ordens“ dankbar „verehrt* wird.

) Näheres bei (F. L. Schröder), Materialien zur Geschichte der Frei- IV, 185 und Allgemeines Handbuch der Freimaurerei. 3. Auflage, onter Württemberg.

ihre T ^ ä^eres ü^er diese beiden Großlogen-Systeme, ihre Entstehung und W 'a en<^enzen s- bei Keller, die Tempelherrn und die Freimaurer. Berlin,

v eiümannsche Buchhandlung, 1905.

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den M itglieder-Listen und in sonstigen leider heute noch sehr lückenhaften Quellen erscheinenden Fam ilien nam haft machen.

Da w aren vor allem die Nachkommen der einst infolge der Glaubens-Verfolgungen anderer Länder nach W ürttem berg ge­

kommenen Fam ilien, die A b e l1), W o lz o g e n , S to c k m a y e r , K e r n e r , H o f f m a n n , W e c k e r lin , H o s e r u. a., die sich um die Blüte der älteren und neueren Sozietäten bem üht haben.

Die Zusam m enhänge, die zwischen den älteren und den neueren Kultgesellschaften des H um anism us, den A k a d e m ie n und den L o g e n vorhanden waren, spiegeln sich in der Geschichte dieser F am ilien, besonders aber in den Schicksalen der Freiherrn v o n W o lz o g e n deutlich wieder. Hans P aul von W olzogen w ar im Jah re 1628 als R eform ierter aus Österreich verbannt worden und als F ürstlich-B ayreuthischer R at gestorben. Joh. Ludwig, F reiherr von Wolzogen (1 6 0 0 — 1681), dessen M utter Freiin Sophie von D ietrichstein2) w ar, war Freund und Bruder von L e i b n i z , A n d r e a e , C o m e n iu s 3), H a r t l i e b , J o a c h i m J u n g i u s u. a. Hans Christoph von Wolzogen h a tte als M inister des Herzogs von Sachsen-W eißenfels im Jah re 1684 das G ut B a u e r b a c h erworben und sein Nachkomme w ar der Sachs.

Geh. L egationsrat F reiherr E r n s t L u d w ig v o n W o lz o g e n , der m it H enriette, einer geborenen Marschall von Ostheim , der Freundin und Beschützerin Schillers, verheiratet war.

Ferner gehörten zur Brüderschaft, wie sie dam als in S tu ttg a rt bestand, die Verwandten jener H a r d e n b e r g 4), B i l f i n g e r 5) und Z e c h 6), die seit 1744 den jungen Herzog beraten hatten, sodann

*) Ein F r ie d r ic h A bel, zweifellos ein Verwandter unseres Friedrich Abel, war bereits am 9. Dezember 1755 zu Frankfurt dem Maurerbunde in der Loge zur Einigkeit beigetreten.

2) Die Dietrichsteins spielen in der Geschichte der Sozietät des Palm- baums eine Rolle.

8) Zwanzig Briefe Wolzogens an Comenius s. bei Patera, Briefwechsel des Comenius. Prag 1892. — Näheres über ihn in den MCG, 1895, S. 136u. 174.

4) Ein Johann Ernst von Hardenberg war bereits am 12. Oktober 1745 Mitglied der Loge „Zur Einigkeit“ in Frankfurt a. M. geworden. Unser Friedr. Aug. von Hardenberg (geb. 1700) war seit 1728 mit Maria Anna El. von Gemmingen verheiratet. Karl Aug. von Gemmingen (geb. 1716) war Freimaurer.

6) Karl Friedr. Bilfinger war Mitglied der Loge „Zu den drei Cedem“

in Stuttgart.

6) Joh. Karl Eberh. Zech war Mitglied der Loge „Zu den drei Cedem“

in Stuttgart.

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1905. Schillers Stellung in der Entwicklungsgeschichte des Humanismus! 7 5 die Nachkommen und Verwandten jenes G e o r g R. W e c k e r lin , der als Freund von M artin Opitz und des ganzen oben genannten W olzogenschen Kreises in der Sozietäts-Bew egung des 17. J a h r­

hunderts bekannt geworden i s t 1); ferner die Familien B ü h l e r 2), C o t t a , v o n O e t i n g e r , M o s e r 3), v o n B e r l i c h i n g e n , P f a f f , H o c h s t e t t e r 4), S c h m id , S c h i c k a r d t , Graf v o n S p o n e c k , H a r t m a n n 6), G r o ß 6), S e u b e r t 7), K a p f f 8), A u t e n r i e t h , v o n B o c k , v o n T a u b e n h e i m , v o n R i e d e s e l , S e y f f e r , D e r t i n g e r , v o n M o s h e im 9), R h e i n w a l d 10), H o s e r 11), v o n R o ß k a m p f 12), H e u g e lin , W i e d e n m a n n , F a b e r , K a z n e r , B r e y e r , P h il. F r ie d r . v o n R i e g e r , E l s ä s s e r 13), W e n g , R u o f f , F e u e r l i n , W e i c k e r s r e u t h e r und viele andere.

Außer den in der erw ähnten L iste von 1777 erscheinenden Mitgliedern gab es aber noch zahlreiche andere angesehene Brüder, die zu den übrigen in W ürttem berg vorhandenen gleichartigen Organisationen gehörten und die teils in S tu ttg a rt und Ludwigsburg, teils außerhalb ihren W ohnsitz h a tte n , doch m it der Maßgabe, daß sie von Zeit zu Zeit an den S tu ttg a rte r Versam m lungen teil- nahmen. So gehörten zu dem K apitel in S tu ttg a rt u. a. H e r i b e r t , B a r o n v o n D a lb e r g , Finanzpräsident in Mannheim, K a r l D i e t z , Professor der Medizin in Tübingen, F r i e d r i c h G r a f v o n C o l o n n a , C a r l E l s ä s s e r , Professor in Erlangen, J o h . H o p f e n g ä r t n e r , Leibmedikus in S tu ttg a rt, F r a n z B a r o n v o n D i t f u r t h , C a r l

J) Monatshefte der Comenius - Gesellschaft (M CG) 1895, S. 174 f.

а) Alfred Christoph und Friedr. Gottlob Bühler waren im Jahre 1777 Freimaurer.

3) Wolfg. Jac. Moser, Geheimer Rat in Stuttgart.

4) Joh. A. A. Hochstetter, Reg.-Rat in Stuttgart.

•*) Joh. Georg Hartmann, Rentkammerrat, bekleidete 1777 ein wichtiges Amt in der rektifizierten Loge. Christian Friedrich Hartmann zu Marbach war ebenfalls Mitglied.

б) Joh. Ad. Groß, Oberlandes-Bauinspektor, ebenfalls Beamter der Loge.

7) Joh. Wilh. Seubert, im Jahre 1777 Hofgerichts-Assessor, geb. 1740, war zweiter Vorsteher der Loge.

8) Sixtus Jac. Kapff, Professor in Tübingen.

9) Gottl. Chr. von Mosheim, Großbritannischer Leg.-Rat in Stuttgart.

10) Jac. Heinr. Rheinwald, Lic. der Rechte in Stuttgart, geb. im Jahre 1749.

u ) Conrad Friedr. Hoser, Hofgerichts-Advokat in Stuttgart.

w) Georg Heinr. von R., S-Meiningischer Geheimer Rat, geb. 1720, Bürgermeister von Heilbronn.

13) Gottlieb Friedrich Elsässer, Rentkammer - Sekretär und später

p P5 . on8rat, geb. 1737, war erster Sekretär der Loge und Karl Elsässer, ro • 111 Erlangen, war Mitglied.

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Heft 2.

W u n d t, K onsistorial-R at in Heidelberg, H e in r ic h v o n H e id e n , Badischer H ofrat und A l b e r t B a r o n v o n S e c k e n d o r f f 1), Fr. von F a l c k e , der m it G e r s t e n b e r g , Y o s s , B ü r g e r u. A. zu dem Kreise des Hainbundes in G öttingen gehört h a tte und dam als kurfürstlich-hannoverscher K anzlei-A uditeur in Hannover war, und viele andere.

Obwohl die m aurerischen Verbände sich ihren Grundsätzen gem äß durchaus in der Stille hielten und als solche nie in die öffentlichen Dinge eingriffen, so w ar ihre Existenz doch selbst­

verständlich den in den Landständen organisierten R ittern und P rälaten ein Dorn im Auge und wie sie den sim ultanen C harakter der Karlsschule auf Grund der Bestimm ungen des W est­

fälischen Friedens bekäm pft h a tte n , so suchte man dasselbe F riedens-Instrum ent und dessen Schützer, das Reichsregiment, wider den F ü rsten-G roßm eister und die Logen in Bewegung zu setzen. Tatsächlich erging im Jah re 1773 ein Beschluß der zu­

ständigen obersten Reichs-Instanz, wodurch die Existenz von Logen auf Grund des Artikels VIII des W estfälischen Friedens verboten und zunächst die Loge in Regensburg als aufgehoben erk lärt ward.

D a tra te n dann aber die starken Kräfte, über die die Brüder­

schaft dam als bereits verfügte, in T ätigkeit. Kein geringerer, als der bekannteste deutsche S taatsrechtslehrer, den das alte Reich besessen h a t, J o h a n n J a c o b M o s e r (1701 — 1785), der von dem Herzog von W ürttem berg kurz vorher wieder zu Gnaden an­

genommen worden war, derselbe Moser, dessen Gesinnung weder die L andstände noch die Kirche anzweifeln konnten, erstattete ein im Jah re 1776 der Öffentlichkeit übergebenes R echtsgutachten, worin die Unverbindlichkeit des obigen Reichsbeschlusses, der jeder rechtlichen U nterlage entbehre, dargetan w ard.2)

Von da an nahm die Zahl wie die geistige Bedeutung der M itglieder erheblich zu, und es m achte weit und breit tiefen Eindruck, als Karl Eugens beide begabten Neffen in den Jah ren 1776 und 1778 den Anschluß vollzogen. Auch die Anwesenheit Kaiser Josephs II. und seines Gesandten Grafen Kinsky in S tu ttg art, die sich beide den Brüdern ganz offen und absichtlich näherten, nebst den Erregungen, die sich daran knüpften, m ußten die Begeisterung in hohem Grade steigern.

J) F. L. Schröder, Materialien zur Geschichte der Freymaurerey. IY, 254 ff.

2) Näheres in den Monatsheften der C. G. (MCG), Bd. X (1901), S 46 f.

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Es war ganz natürlich, daß diese Begeisterung auch in den P f l a n z s c h u l e n und in den A u ß e n o r g a n i s a t i o n e n , die die Brüder von jeher an den hohen Schulen und auch an der Akademie zu S tu ttg a rt besaßen, unter den empfänglichen Gemütern einer ideal gerichteten Jugend m ächtig wiederhallte.

Welch gew altige Anziehungskraft die W eltanschauung des H um anism us, die unter den wechselnden Namen des P l a t o n i s m u s , des N e u p l a to n i s m u s , der M y s tik usw. seit uralten Zeiten die w eitesten Kreise beherrscht h a tte , auch in der damaligen Zeit auf die Gemüter ausübte, das h atte seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts das Beispiel L e s s i n g s , H e r d e r s und G o e th e s augenfällig dargetan. Obwohl die W irkungen, die von der Seite dieser W eltanschauung und der uralten K ultform en, in denen sie sich ein äußeres Gewand und eine O rganisation von internationaler Bedeutung geschaffen h atte, auf Männer wie Herder und Goethe ausgegangen sind, heute nur von Schwachköpfen oder Heuchlern b estritten werden, so erfordert doch heute in den Kreisen der sog. W issenschaft der gute Ton.

eine geringschätzige Beurteilung dieser Organisationen zur Schau zu tragen.

Die feste Geschlossenheit, aber auch die stolze Abgeschlossen­

heit, die der Bund seinen Verächtern wie seinen Gegnern gegen­

über von jeher an den Tag gelegt h a t, und die Tatsache, daß keinerlei abschätziges Urteil und keine Verleumdung seine gew altige Ausbreitung aufgehalten h a t, erklärt ja einiger­

maßen den W iderwillen, der sich je nach dem C harakter der betreffenden Forscher bald in M itleid, bald in Haß Luft m acht, aber eben dieser W iderwillen m acht die B eurteiler meist für die tatsächlichen und wahren Zusammenhänge der Dinge blind.

So erklärt es sich, daß die E n t w i c k l u n g s g e s c h i c h t e S c h i l l e r s ähnlich wie diejenige sehr vieler anderer großer Männer von verw andter Geistesrichtung in ihren auffallenden W andlungen bisher nicht genügend verstanden worden ist, und daß die Schul­

w issenschaft über der maßlosen Überschätzung gelehrter Lektüre, die ja allerdings für alles Schulwissen das m aßgebende Förderungs­

m ittel is t, die starken Antriebe und Beeinflussungen, die von anderen Seiten ausgegangen sind, übersehen hat.

Junge Leute von Selbständigkeit und C harakter pflegen stets die nachhaltigsten und w irksam sten Anregungen aus dem innigen Verkehr m it begabten Altersgenossen zu nehmen und das

M onatshefte d er C. G. 1906. c

190 5 . Schillers Stellung in der Entwicklungsgeschichte des Humanismus. 77

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Heft 2.

Wesen der F r e u n d s c h a f t beruht bei den meisten Jünglingen auf dem A ustausch der Ansichten, die die Herzen am m eisten bewegen.

Mit R echt ist neuerdings die Tatsache b eto nt w orden1), daß Schillers kam eradschaftliche Beziehungen in S tu ttg a rt w eiter ausgedehnt waren, als jem als in seinem späteren Leben, und wir können hinzufügen, daß sie auch inniger w aren, als sie, von wenigen Ausnahmen abgesehen, je später von ihm geschlossen worden sind; niemals pflegt sich das Herz den gleichgestim m ten und verw andten Seelen, wenn sich solche finden, rückhaltloser zu öffnen, als in jenen Jünglingsjahren, wie sie Schiller auf der Karlsschule durchlebt hat. Dam it soll nicht gesagt se in , daß Schiller in den engen V erhältnissen der kleinen w ürttem bergischen Residenz die M öglichkeit gehabt h ä tte , die W elt und die Gesellschaft kennen zu lern en ; dazu bot die Fürstenschule keinerlei Gelegenheit, aber wohl wurde sie allm ählich ein Sam m elpunkt von jungen strebsam en Söhnen der besten Fam ilien, nicht bloß aus Schw aben, sondern aus der Schweiz, wo die Herzoge von W ürttem berg als Herren von Mömpelgard Hoheitsrechte und eine zweite Residenz besaßen, aus F rankreich, Italien, Dänem ark, Polen und selbst aus Rußland. D arunter waren Angehörige aller christlichen Bekenntnisse, besonders natürlich viele K atholiken und neben den schwäbischen L utheranern zahlreiche schweizer Reformierte, sowie M itglieder verschiedener Stände und Gesellschafts- Klassen.

U nter der reiferen akademischen Jugend der hohen Karls­

schule waren natürlich alle die verschiedenen Richtungen und Anschauungen vertreten , die die E ltern der hier studierenden Söhne trennten oder verbanden. Die Akademie w ar nicht bloß in dem Sinne des Herzogs eine Pflanzschule für Armee und V erw altung, sondern auch alle herrschenden P arteigruppen des Landes suchten die A nstalt in ihrem Sinne zur Pflanzschule für den eigenen Nachwuchs zu machen. So gab es z. B. an der Akademie einen in sich geschlossenen Kreis von jungen L euten, der in der Anhänglichkeit an den kirchlich überlieferten Glauben das einende Band fand, ein Kreis, den die Kameraden spöttisch „P ietisten“

nannten. In der Zeit, wo von dem jungen Schiller das W ort eines Mitschülers in Umlauf w ar: „ist gewiß ein g u t e r C h r i s t ,

*) J. M in o r, Schiller. Sein Leben und seine Werke. Berlin 1890,1, 99.

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aber nicht gar reinlich“, erw arteten die älteren K am eraden, daß Schiller sich diesem Kreise anschließen werde. Es ist bezeichnend für Schillers damaliges kühles Verhältnis z u W i l h e l m P e t e r s e n , dem nachmaligen nächsten Freunde, daß dieser es w ar, der das unfreundliche W ort in Umlauf gesetzt hatte. Aber Petersens E rw artung ging nicht in Erfüllung: Schiller fand Anschluß an einen anderen Kreis, eben denjenigen, dessen geistiger F ührer dam als Petersen selbst war.

W ilhelm Petersen w ar der im Jah re 1758 geborene Sohn des auf der Insel Alsen geborenen, später als Kgl. dänischer Legations­

prediger in Paris und zuletzt als Pfalz-Zw eibrückischer Hof­

prediger in Bergzabern tätigen Georg Petersen. W ilhelm w ar

„auf Fürschreiben des Herzogs von Zweibrücken“ im Jah re 1773 auf die Akademie gekom m en, um die Rechte zu studieren, und es h a tte sich gefügt, daß er gerade in die „A bteilung“ ein tra t (1774), der auch Schiller angehörte. Anfangs stießen sich die verschieden gerichteten jungen Leute stark ab , allmählich aber führte die nahe persönliche B erührung und die beiderseitige Neigung zu schöngeistiger Beschäftigung eine enge Freundschaft herbei — eine F reundschaft, die durch die gemeinsame Verehrung für F r i e d r i c h A b e l, den geschätzten Lehrer, befestigt und von letzterem begünstigt wurde.

Der Kreis erw eiterte sich durch den Z u tritt G e o rg S c h a r f f e n - s t e i n s (1760— 1817) und F r i e d r i c h H a u g s (1761— 1829), des Sohnes B althasar Haugs, den wir oben als Mitglied und geistigen Führer der „ D e u ts c h e n S o z i e t ä t e n “ in Schwaben kennen gelernt haben, und es bildete sich eine „ p o e t i s c h e A s s o z i a t i o n “, die von den Außenstehenden als G e h e im b u n d bezeichnet wurde oder ein D i c h t e r b u n d , der durch die scharfe Abschließung von den übrigen M itschülern, die nicht zur „A ssoziation“ gehörten, deren lebhaftes Mißfallen erregte, und einem gewissen Masson zu einer Spottschrift gegen das geheime Treiben Veranlassung g a b .1) Außer Friedrich Haug kennen wir als Mitglieder des Dichter­

bundes noch den im Jahre 1760 in Ludwigsburg geborenen F r i e d r . W ilh. vo n H o v e n 2) und den um fünf Jah re jüngeren

*) Boas, a. 0. I, 147

2) Wir besitzen einen für Hovens Gesinnung charakteristischen Ausspruch:

Sjte^e nun am Rande des Grabes, aber ich fürchte den Tod nicht. Was nach dem Tod aus mir werden wird, weiß ich nicht, das aber weiß ich, daß woi v!n J j tler F o rm d e r E x is te n z dem g ro ß e n G anzen a n g e h ö re ,

«*«» “as Werk der höchsten Macht, Weisheit und Güte ist.“ Boas, Schillers Jugendjahre, I, 131.

1905. Schillers Stellung in der Entwicklungsgeschichte des Humanismus. 79

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