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Monatshefte der Comenius-Gesellschaft, 15 November 1905, 14. Band, Heft 5

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Der Bezugspreis beträgt im Buchhandel und bei der Post jä h rlich 10 Mark.

Alle Rechte Vorbehalten.

Monatsschriften der C.G. XIV. Band. Heft 9. |

M o n a t s h e f t e

d er

Comenius - Gesellschaft.

Herausgegeben von Ludwig Keller.

V ierzeh n ter Jah rgan g.

1 9 0 5 F ü n fte s H eft.

--- * - < ♦ > - . ---

Berlin 1905.

W e i d m a n n s c h e B u c h h a n d l u n g .

(2)

Inhalt.

S e ite

D r. Heinrich Romundt, Dresden-Blasewitz, Ü ber Darstellung und V olks­

tüm lichkeit von K ants V e rn u n f tk ritik ...261 Ludwig Keller, Die Anfänge der Tempelherrn in Deutschland und die

Stellungnahme Friedrichs des G r o ß e n ...270 Lic. E. F uchs, Gießen, Vom W erden dreier Denker. Eine Selbstanzeige 288 Zum Verständnis von Schillers „Lied an die Freude“ ... 292 Besprechungen und A n z e i g e n ... .... 295

H a n e S c h u l z , S c h ü le r a n d d e r H e r z o g v o n A u g u s te n b u r g i n B r ie f e n ( P a u l H o h lf e ld ) . — V e r la g s - K a ta lo g v o n E u g e n D i e d e r i c h B , J e n a 1004 ( G . A .). — E r n s t F r i e d r i c h s , G e s c h ic h te d e r e in s tig e n M a u r e r e i i n B u ß l a n d , B e r lin 1904 (G . S .). — J a h r b ü c h e r d e r K ö n ig lic h e n A k a d e m ie g e m e in n ü tz ig e r W i s s e n s c h a f te n z u E r f u r t , X X X . H e f t (G . A .). — D e r B r ie f w e c h s e l K a r l C h r i s t i a n F r i e d r i c h K r a u s e s , h e r a u s g e g e b e n v o n P a u l H o h lf e ld u n d A u g u s t W ü n s c h e , L e ip z ig 1903 (G . A .) . — K a r l V o ß l e r , D ie p h ilo s o p h is c h e n G r u n d ­ la g e n z u m „ s ü ß e n n e u e n S t i l “ d e s G u id o G u in ic e lli, G u id o C a v a lc a n ti u n d D a n te A lig h ie r i, H e id e lb e r g 1904.

Bemerkungen und S treiflich ter... 303

D a s L e b e n a ls K u n s tw e r k . — Ü b e r d ie V e r n ic h tu n g d e r g e s c h ic h tlic h e n S p u r e n v e r f o lg te r O r g a n is a tio n e n . — J u s t i n s A u ffa s su n g v o m C h r is te n tu m . — D ie W o r te „ C h r i s t e n tu m “,

„ I d e a l i s m u s “ u n d „ H u m a n is m u s “. — D ie W o r t e „ W e i s h e i t “ u n d „ G la u b e “ b e i C o m e n iu s. — M ü n z h ä u s e r, G a r te n h ä u s e r u . s. w. a ls V e r s a m m lu n g s r ä u m e d e r v e r b o te n e n K u ltg e n o s s e n - s c h a f te n . — D ie S o c ie ty o f F r i e n d s u n d d ie S o c ie ty o f M aso n s. — Z u r N a tu r g e s c h ic h te d e r S e k te n . — G o e th e , G io rd a n o B r u n o u n d d ie A lle in s le h r e d e s H u m a n is m u s . — D ie L e h r e v o m A ll u n d d ie S y m b o lik d e r S o z ie tä te n . — D ie S y m b o lik d e r T i te lk u p f e r im 17. u n d 18. J a h r ­ h u n d e r t . — D e r d e u ts c h e N e u h u m a n is m u s d e s 18. J a h r h u n d e r t s u n d d ie K la s s ik e r d e r a n t ik e n W e lt. — D e c k n a m e n u n d D e c k o r g a n is a tio n e n . — L a n d s m a n n s c h a f te n u n d s tu d e n tis c h e O rd e n im 18. J a h r h u n d e r t.

E rw id eru n g... 308

Ziele und Aufgaben der Comenius-Gesellschaft.

Die C. G. h a t den Zweck, die E ntw icklung der religiös-philosophischen W eltanschauung der abendländischen V ölker zn erforschen nnd dam it die Geistes- G eschichte zum R ange eines selbständigen W issensgebietes zu erheben.

Die C. G. beabsichtigt insbesondere, die W eltanschauung nnd die G rundsätze des Comenius und der comenianischen G eistesrichtung, d. h. die G rundsätze der H um anität und des Humanismus und die Geschichte der K ultgesellschaften, die deren T rä g e r w are n und sind, w issenschaftlich zu untersuchen und k larzu stellen .

Die C. G. h a t sich die A ufgabe g e ste llt, in diesem Geiste bildend und erziehend a u f das heutige Geschlecht zu w irk e n und zugleich eine W issenschaft d er V olkserziehung (S o z ia l-P ä d a g o g ik ) als selbständigen W issenszw eig zu

begründen. ___________

Jahresbeiträge gehen an das Bankhaus Molenaar & Co., Berlin C., St. Wolfgangstrasse.

Die Austrittserklärung muß drei Monate vor Schluß des K alenderjahrs erfolgen widrigenfalls der B eitrag noch für das folgende J a h r fällig bleibt (§ 4 d. Satzungen).

Satzungen, W erbeschriften und Probehefte versendet auf A nfordern die Geschäfts'

stelle der C. G., Berlin - Charlottenburg, Berlinerstrasse 22.

(3)

UV. Jahrg. Berlin, den 15. November 1905. Heft V.

D ie M o n a tsh efte d er C. G. er sc h e in e n im Januar, M ärz, Mai, S ep tb r.

u n d N o v em b er. D ie M itglied er e rh a lten d ie H efte g eg en ih re Ja h res­

b eiträge. B e z u g sp r e is im B u ch h a n d el u n d b e i d er P o s t M. 10,—.

E in z e ln e H efte M. 2,—. N ach d ru ck o h n e E rla u b n is u n tersagt.

Über Darstellung und Volkstümlichkeit von Kants Vernunftkritik.

Von

Dr. H e in r ic h R o m u n d t in Dresden-Blasewitz.

1. Der hundertjährige Todestag Kants h a t zum 12. F ebruar 1904 eine große Anzahl von Festreden und Zeitungsfestartikeln hervor­

gerufen, in denen der Versuch gem acht w urde, das W erk des Königsberger Philosophen einem größeren Kreise nahe zu bringen.

Dabei dürfte sich schon manchem der Hörer und Leser selbst die Empfindung von einem gewissen Mißverhältnis aufgedrängt haben zwischen dem alten Ruhme Kants, sowie den neuen hochpreisenden W orten für ih n, und andererseits dem nur schwachen Eindruck von der Bedeutung des Werkes und des Mannes, den die gebotenen Darlegungen zu bewirken vermochten. Der Kenner und Freund von K ants großem Unternehmen aber wird hierdurch m it Not­

w endigkeit veranlaßt, darüber nachzudenken, wie diesem wirkliche Volkstüm lichkeit, Verbreitung und ausgedehnte W irksam keit verschafft werden können.

Seltsamerweise ist über diese wichtige F rage, von Kant selber in seinen Schriften und in dem kürzlich in drei Bänden von der preußischen Akademie der W issenschaften in großer Vollständigkeit veröffentlichten Briefwechsel abgesehen, in der

M onatshefte der C. G. 1905. 18

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262 Rom undt, Heft 5.

L iteratu r sehr weniges anzutreffen, am wenigsten in der neueren seit dem W iederaufleben des K antstudium s in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. In den ersten acht Bänden der Zeitschrift „K an tstu d ien “ z. B., die doch der Sache K ants, für welche jene F rage gewiß nicht unerheblich ist, dienen soll, dürfte schwerlich auch nur ein W ort darüber angetroffen werden.

2. Daß das Gesuchte nicht leicht zu erlangen sein wird, erhellt schon aus den W orten K ants in der Vorrede zur 2. Auflage seines grundlegenden W erkes, der K ritik der reinen Vernunft, von 1787 über diese: „die kann n ie m a l s populär w erd en“. Dieser S atz bew eist, daß deren Urheber selber sich klar bew ußt war, wenn auch ein Unternehm en, das jeden Menschen an g eh t, so doch dessen natürlicherw eise unpopulären Anfangsteil in Angriff genommen zu haben. Zur Beruhigung für die Bewahrer und Pfleger dieser grundlegenden Arbeit selbst jedoch fügt der Philosoph sofort hinzu: „ h a t aber auch nicht nö tig, es zu sein, w eil, so wenig dem Volke die fein gesponnenen Argumente f ü r nützliche W ahrheiten in den Kopf wollen, ebensowenig kommen ihm auch die ebenso subtilen Einwürfe dagegen jem als in den S inn“. In beide g erät nur „die Schule, sowie jeder sich zur S pekulation erhebende Mensch“.

H iernach dürfen wir K ants Gedanken etwa so formulieren:

Durch das von ihm geschaffene W erk der V ernunftkritik und auf

Grund dieses sei ein unbeschränkter Kam pf der Geister für und

w ider in höchsten Fragen und Angelegenheiten der M enschheit

möglich und auch ohne Bedenken auf hohen Schulen, Universitäten,

zu entfesseln. Dem w eiteren Publikum ab er, als welches der

M ittel sowohl an Zeit und Muße wie an sonstiger Ausrüstung zu

einer gehörigen Führung des Prozesses en tb ehre, seien eben

deshalb S treitigkeiten, z. B. über F reiheit des W illens und des

von diesem abhängigen Tuns und Lassens, möglichst fern zu

halten. Die G esam theit solle darum nicht leer ausgehen. Sie

sei aber auf den großen Gewinn zu verweisen, der aus jenem

W etteifer und guten G eisteskam pf in und zwischen den

verschiedenen F ak u ltäten der U niversität für künftig bessere

zweckgemäßere Benutzung vorhandener gu ter M ittel populärer

A rt zu erhoffen ist. Z. B. würden Kirchen danach in Zukunft

von Überlieferungen aus alter Zeit einen fruchtbareren öffentlichen

Gebrauch machen, als K ant in der Vergangenheit und Gegenwart

anzutreffen meinte, eine für Volk und S ta a t auf der ganzen Erde

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sehr wichtige Sache. Zu solchem Gewinn g ib t aber der Um stand A ussicht, daß K ant jenen Geisteskampf durch die V ernunftkritik im allgemeinen der Entscheidung fähig gem acht zu haben sich bew ußt sein durfte.

Der V ernunftkritiker erhoffte also zw ar auf Grund seines W erkes Förderung des Lebens überall, oben und un ten, in engeren und w eitesten Kreisen, aber überall nach den dafür jedes Mal vorhandenen M itteln oder, m it anderen W o rten, der N atur entsprechend, innerhalb der jeweiligen V erhältnisse, das heißt:

in der Schule als einen belebenden S treit, in der W elt aber als eine durch dessen Ergebnisse belebte friedlich w etteifernde fruchtbare Tätigkeit.

3. Auf diese Weise mochte unser Philosoph für die U niversität in Bezug auf höchste Fragen und Angelegenheiten der Völker und der M enschheit eine Verbesserung ihrer L eh rtätig keit und W irksam keit und in Folge davon auch gegen früher unendliche Steigerung und immer zunehmende Befestigung ihres Ansehens und Einflusses hoffen. Von diesem allem ist nun aber mindestens zunächst und besonders in Deutschland und nicht am wenigsten, ja vorzüglich gerade infolge der Auffassung und B enutzung der V ernunftkritik, die jedoch K ant weder gew ollt noch verschuldet hat, das völlige Gegenteil eingetreten.

So indessen m ußte es kom m en, wenn das Kantische W erk, was zwar bei dessen D unkelheit und Schw ierigkeit kaum zu erw arten w ar, wohl ein rasches allgemeines Aufsehen erregte, dieser unerw artete Erfolg aber in ungehöriger Weise nur benutzt w urde, um den uralten Zank und S treit der gem ein-natürlichen Menschenvernunft m it sich selbst, der von jeher in der Philosophie zu Hause und nur zuletzt wegen seiner Hoffnungslosigkeit gänzlich erlahm t und fast erstorben w ar, a ls s o l c h e n neu zu beleben.

Denn dann w ar vielmehr das E intreten dessen zu befürchten, was der V ernunftkritiker ebenfalls 1787 im F ortgange des angeführten Satzes als den von jeher herrschenden gemeinen Zustand andeutet. Dies ist aber ein „Skandal, der über kurz oder lang selbst dem Volk aus den S treitigkeiten aufstoßen muß, in welche sich M etaphysiker — und als solche endlich auch wohl Geistliche — ohne K ritik unausbleiblich verw ickeln“.

Kurz: es gab nach K ant wiederum einen bösen S treit ohne Ende und ohne Hoffnung in der deutschen Philosophie, ja einen solchen, wie er zuvor noch nie erlebt w ar und aus dem wir hier 1905. D arstellung und V olkstüm lichkeit von K ants V ernunftkritik. 2 6 3

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2 6 4 Romundt, Heft 5.

nu r anführen wollen, daß gegen einen m enschenvergötternden Idealism us, der sich selbst zuletzt „ a b s o lu t“ n an nte, in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts sich ein ebenso schranken­

loser „hanebüchener“ M aterialismus erhob. Hanebüchen nennt ihn Kuno Fischer in der Vorrede zu seinem Buche über Hegel 1901, vielleicht m it Anspielung auf den Namen des Verfassers von

„K raft und S to ff“ (1855), Ludwig Büchner, und w undert sich höchlich über dessen Aufkommen nach K ants V ernunftkritik.

W ir jedoch vermögen nach einem Fichteschen Idealism us, der die W elt allein aus dem bloßen leeren Menschenhirn abzuleiten sich herausnahm , uns darüber als über einen unvermeidlichen Gegenschlag nicht eben sehr zu wundern.

Und so auch nicht über das, was der Geschichtschreiber R. Haym nach der achtundvierziger Zeit in dem Buche „Hegel und seine Z e it“ , Berlin 1857, berichtet, daß das Reich der Philosophie, die K ant durch eine unerbittlich strenge Prüfung ihres Werkzeugs auf einen besseren Weg für immer und eine H eerstraße gebracht zu haben meinen durfte, sich im Zustande vollkommener Herrenlosigkeit befinde, „im Zustande der Auflösung und Z errü ttu n g “. Dieser Zustand aber dauert an bis auf diese S tunde und wird ohne gründliche W iederaufnahm e der Arbeit, die K ant von 1781 bis 1793 geleistet h a t, auch schwerlich ein anderer besserer werden.

4. Solches Schicksal legt den Gedanken m öglichster Ablösung der V ernunftkritik von den U niversitäten, die sich für deren Pflege zunächst so schlecht bew ährt haben, nahe: das m acht aber den Versuch notw endig einer Erleichterung von deren erster Form der D arstellung, die nach ihres Verfassers eigenem G eständnis von Grund aus unpopulär ist. Denn durch solche leichtere D arstellung allein könnte jenes W erk von den spekulativen Philosophen der hohen Schulen unabhängig gem acht werden, die K ant 1787 noch vertrauensvoll als ausschließliche „Depositäre einer dem Publikum ohne dessen WTissen nützlichen W issenschaft“, näm lich der von ihm begründeten V ernunftkritik, ansah.

Die gleichsam innere M öglichkeit einer zugänglicheren gem einverständlichen Form aber scheint schon aus dem Inhalt und Gegenstand des W erkes zu folgen. F ür dessen tiefe Volks­

tüm lichkeit spricht z. B. auch folgende Stelle in dem kürzlich

veröffentlichten Brief eines G eschäftsm annes, Johann Plücker in

Elberfeld, an K ant vom 5. Jan u a r 1796: „Auffallender habe ich

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nie etwas als dero Schriften gefunden. — Neues haben Sie meinem Dünken nach mir nichts gesagt, weil es in m ir lag, aber dasjenige geordnet, w as, ich weiß nicht wie, alles in mir, m öcht ich sagen, konfus durcheinander la g .“ W orauf der Philosoph ganz gegen seine Gewohnheit noch in demselben Monat antw ortete: „D aß ich gleichsam nur die Hebamme Ihrer Gedanken war und alles, wie Sie sagen, schon längst, obwohl noch nicht geordnet, in Ihnen lag, das ist eben die rechte und einzige Art, zur gründlichen und hellen Erkenntnis zu gelangen.“

Aber steh t solchen Versuchen der Erleichterung nicht der von uns angeführte Satz von 1787 über die Unmöglichkeit der P o pu larität der Vernunftkritik schroff und ausschließend entgegen?

Vielleicht doch nicht ganz so, wie es zunächst freilich den Anschein hat.

5. Zwar was der Philosoph in einem erst kürzlich datierten Brief von 1779 an seinen Schüler Marcus Herz schrieb, deutet wohl wesentlich nur auf eine von uns bereits erw ähnte populäre W irksam keit der V ernunftkritik von m ittelbarer Art hin. W ir meinen die Äußerung, er sinne seit einiger Zeit in gewissen müßigen Stunden auf die Grundsätze der P o p u larität — vor­

nehmlich in der Philosophie und glaube, „aus diesem Gesichts­

punkt nicht allein eine andere Auswahl, sondern auch eine ganz, andere Ordnung bestimmen zu können, als sie die schulgerechte Methode, die doch immer das F u n d a m e n t bleibt, erfo rd ert“.

Aber was er zwei Jah re später nach dem 11. Mai 1781 an Herz schreibt, daß er tro tz der bleibenden Schw ierigkeit von K ritik der Vernunft, der r Metaphysik von der M etaphysik“, gleichwohl einen Plan in Gedanken habe, „nach welchem sie auch P o pularität bekommen kann, die aber im Anfänge, da der Grund aufzuräumen war, übel angebracht sein w ürde“, das scheint sogar auf eine neue, allen zugängliche Fassung des grundlegenden W erkes selbst hinzuweisen. Nur h a t K ant auch hier festgehalten und so stets als Nächstes und Unerläßliches, das auch im m erfort gepflegt werden müsse und für dessen Pflege er 1787 wiederum zwischen Verteidigung des Ganzen und Aufhellung von Einzel­

heiten unterscheiden w ollte, die V ernunftkritik in ihrer ganzen

höchsten Strenge. Er drückt dies in dem Briefe von 1781 so

aus: „D er Schule m uß z u e r s t ihr R echt w iderfahren, hernach

kann man auch dahin sehen, daß m an der W e lt zu gefallen

1905. D arstellung und V olkstüm lichkeit von K ants V ernunftkritik. 265

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266 Romundt, Heft 5.

lebe.“ Die Nachw elt wird noch einmal unserem Philosophen für diese U nerbittlichkeit danken.

Aus dem nun, was wir von ihm aus dem Jah re 1779 über die notwendig große Verschiedenheit der schul- und der w elt­

gerechten Methode anführten, geht zwingend hervor, daß K ant bloße A bplattungen seiner grundlegenden Arbeit, die in den drei K ritiken enthalten is t, nim merm ehr schon als volkstümliche Darstellungen kritischer Philosophie durfte gelten lassen. Es ist aber leider nichts anderes als solche A bplattung von Fichte an bis zu unseren Zeitgenossen, den N eukantianern, hin dem weiteren Publikum beschert worden. Kein W under auch, daß dieses sich wenig dam it befreundet hat.

Auf eine zugänglichere weltgefälligere G estaltung der V ernunftkritik selbst h a t ihr Verfasser erst nach Vollendung von deren erstem schwierigsten Teil 1781 und wohl nur in der er­

w ähnten Briefstelle hingewiesen. Es wäre aber nicht unmöglich und auch nicht unerhört, daß der Urheber eines W erkes Möglich­

keiten einer anderen — hier einer volkstüm licheren — Fassung, die in diesem liegen und freilich von ihm selbst hineingelegt sind, trotzdem noch nicht hinlänglich gew ürdigt hat. D arauf werden w ir am Schluß zurückkommen.

6. Zu allen den genannten Bestrebungen, die auf Verbesserung der D arstellung seines W erkes und dam it auf dessen populärere W irksam keit gerichtet w aren, fühlte nun aber K ant sich selbst w eit weniger berufen als zu der sicheren Grundlegung, die er von 1781 bis 1790 hin wirklich geschaffen hat. Und dies tro tz der von ihm in seiner vorkritischen Zeit gelieferten m ehrfachen Beweise eines leichteren ansprechenden Vortrags und obwohl er noch 1783 sich zu sagen g etra u te, daß er bei einigem Verzicht auf die von ihm immer m ehr obenan gestellte Gründlichkeit seinem „Vortrage P op u larität wohl h ä tte geben k ö n n en “.

Dem Gefühl der Schwäche in dieser Hinsicht h a t der Philosoph

öfter Ausdruck verliehen. Dieses ließ ihn , wenn es ihn auch

nicht in der G ewißheit des schließlichen Sieges und danach

stetigen Fortdauerns seiner Lehre w ankend m achte, doch daran

zweifeln, daß er selber derjenige sein werde, der bereits den Sieg

durchsetze. E r könne, fügt er an der betreffenden Stelle seines

Nachlasses hinzu, verschiedene Fälle anführen, „wo nicht die

Urheber der Verbesserung, sondern späterhin diejenigen, die nach

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langem W iderspruch es wiederum neu fanden, solche auf die Bahn zu bringen, sie in Gang gebracht h a b e n “.

Das nächste Schicksal sollte nun freilich ein ganz anderes sein, näm lich sogar eine unverhofft schnelle günstige Aufnahme seiner Arbeit in der W elt; ja wir dürfen sie angesichts der N atur und Schw ierigkeit des Geschaffenen ohne Bedenken eine allzu rasche nennen und zw ar wegen der großen Gefahr, daß durch diesen Erfolg Unberufene zur M itarbeit angelockt würden. Diese m ochten zw ar m it dem W erke K ants und auf dessen K redit hin ihr eigenes Glück und eine glänzende Karriere in der W elt machen.

Sie konnten jenem selbst aber leicht das von seinem Urheber von vorn herein gefürchtete Geschick nun nachträglich durch ihre Unzulänglichkeit und Verballhornung noch immer allzubald und für eine nur um so längere Zeitdauer bereiten, indem sie jenes schwer Verständliche und wenig Zugängliche m it in das Grab hineinzogen, das sie sich selber durch ihre Unbedachtsam keit gruben.

7. W ir haben bei den letzten W orten das Verderben im Sinne, das unter den Jüngern und Helfern, nach denen K ant hoffend aussah, seiner Schöpfung vor allem ein Mann b ereitete, der in den Grenzen seiner zw ar sehr einseitigen Begabung von rednerischer A rt ihr immerhin h ätte nützen können: J. G. Fichte. Dieser Mann gew öhnte dadurch, daß er sich m it K ants Tat in einem zuvor kaum erhörten Grade identifizierte, und durch eine eifer­

volle B eredsam keit für die übernommene Sache der W elt für mehrere Generationen an, von einer K ant-Fichteschen Philosophie zu reden, als wenn diese Namen wie die siamesischen Zwillinge nicht ohne einander sein könnten. Da aber sein Eifer für sein eigenes kleines Ich sehr viel größer war als seine Hingebung an das von ihm ergriffene große W erk, wie auch als seine Kenntnis und sein Verständnis von diesem, veranlaßte er noch dessen Schöpfer selber am Ende seines Lebens (1799), auf Fichte das italienische Sprichwort anzuwenden: „G ott bew ahre uns nur vor unseren Freunden; vor unseren Feinden wollen wir uns wrohl selbst in Acht nehm en.“

Und dieser Ausruf war berechtigt. Denn das einzige, was K ants Sache durch Fichtes R hetorik gewann, war größere Gemein­

verständlichkeit, ein ohne entsprechende Gründlichkeit sehr zweifel­

hafter Gewinn, der von K ant sicherlich nicht geschätzt wurde und den wir in unserer Zeit der täglichen Überschwemmung m it

1905. D arstellung und V olkstüm lichkeit von K ants V ernunftkritik. 267

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268 Romundt, Heft 5.

seichter P op u larität auch nicht geneigt sein w e rd e n , hoch an­

zuschlagen.

Den Beweis des Mangels an Gründlichkeit bei Fichte h at Verfasser dieses in der Schrift „Kants W iderlegung des Idealismus.

Ein Lebenszeichen der V ernunftkritik zu ihres Urhebers hundert­

jährigem T odestag“. Gotha, E. F. Thienemann 1904 (24 Seiten) zu geben versucht, w orauf zu verweisen hier g e sta tte t sei.

D ort sieht m an, daß und wie ein tiefer Idealism us, der gründliche Naturforschung nicht aus-, sondern einschließt, von F ichte in einen seichten, einseitigen und ausschließenden, den K ant schon zehn Jahre vor F ichte w iderlegt h a tte , verkehrt worden ist, und auch, daß die spätere deutsche Philosophie, die unter Ausschließung von Kant als bloßem Vorläufer von ihren M itläufern gern die „klassische“ genannt w urde, tro tz alles leidenschaftlichen Aufbäumens gegen Fichte zumal in dem talentvollen, aber wenig kritischen Schelling, von ihm nicht wieder h a t loskommen können. Deshalb ist auch sie, von K ant 1787 in Fichte m it w iderlegt, sam t diesem in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zugrunde gegangen.

8 . Das m utige D ichterw ort im Vorspiel von Goethes F au st:

„Das Echte bleibt der N achwelt unverloren“ sollte sich aber auch an dem W erke K ants bewähren. Denn dieses stand nach dem elenden Sturze seiner Nachfolger und zw ar nun ohne diesen

„klassischen“ Anhang in den sechziger Jah ren aus dem Grabe, in dem es zunächst m it diesem verschwunden w ar, wieder auf.

Nach den abschreckenden Erfahrungen m it den nachkantischen R hetoren und Sophisten aber werden wir uns nicht stark über die Abneigung wundern, bloß ü b e r K ant zu hören und nicht ihn selber. So entstand denn eine richtige „K antphilologie“, deren zum großen Teil wenig genießbare Produkte freilich sich des Beifalls von K ant schwerlich erfreut hätten . E r sprach am Schluß seiner Preisschrift von 1791 über die F ortsch ritte der M etaphysik davon, daß die Vereinigung der Versuche und Urteile verschiedener

„K ünstler“ — nicht aber Pfuscher — nötig sei, um den Bau der M etaphysik „als ewig und unw andelbar zustande zu bringen“.

Auf K ünstler weisen leider meistens auch nicht die Bemühungen

um größere Popularisierung der kritischen Philosophie zurück,

die bei dem W iedererwachen der Aufm erksam keit w eiterer Kreise

nicht ausbleiben konnten, die aber als bloße A bplattungen des

K antischen Buchstabens, wenn auch in einem von Fichte etw as

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abweichenden S til, die Beachtung des Unterschiedes von Schul- und W eltbedürfnis, den K ant schon 1779 Herz gegenüber so weise betonte, allzusehr vermissen lassen.

Bei dem W iederaufleben der Y ernunftkritik in den sechziger Jah ren tru g sich aber etw as M erkwürdiges zu: es tr a t je tz t ein bis dahin fast übersehenes Moment von Kants kritischer Philosophie, dessen Beachtung Fichte schon wegen seiner sehr einseitigen Individualität ferne lag , m it elem entarer Gewalt in den Vorder­

grund: näm lich gemeine Erfahrung und N atur, und zw ar als entscheidender letzter Prüfstein für alle Annahmen theoretischer Art.

Am Ende von A bschnitt 5 nun haben wir auf unseren jetzigen Schluß in dem Sinne vorausgewiesen, daß wir m einen, es könne verm ittelst rechter Benutzung dieses neuen B estandteils der Yernunft­

k ritik , der jederm ann leicht zugänglich ist, die Form von deren Darstellung völlig erneuert und dem Kantischen W erke selbst, wenn auch nicht die allerbreiteste, so doch eine edle Volkstümlich­

keit höherer Art m ehr und m ehr verschafft werden.

In dieser R ichtung h a t Sich der Verfasser dieses Aufsatzes seit seiner Schrift im Jah re 1881 „ A n tä u s . Neuer Aufbau der Lehre K ants über Seele, F reiheit und G o tt“ in verschiedenartigen Anläufen, zuletzt von 1900 bis 1905, bem üht, ohne daß in einer Zeit geistigen Katzenjam m ers und gedrückter Bankbruchstim m ung, in der sich kaum der Mut zu dürftigster Kantphilologie fand und die leider noch immer andauert, eine allgemeinere B eachtung solcher Bem ühungen sofort zu erw arten war.

Andere Bestrebungen um Herstellung größerer Gemein­

verständlichkeit, V olkstüm lichkeit und W irksam keit der kritischen Philosophie, die m ehr im Sinne Kants in seinem Briefe an Herz von 1779 sind, würden ja durch die von uns befürw ortete Arbeit, die auf deren Grundlage selbst gerichtet ist, nicht ausgeschlossen sein.

1905. Darstellung und Volkstümlichkeit von Kants Vernunftkritik. 269

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270 Heft 5.

Die Anfänge der Tempelherrn in Deutschland und die Stellungnahme Friedrichs des Grossen.

Von L u d w ig K e lle r .

W ir haben früher an dieser Stelle die Anfänge der neueren Tem pelherrn in Frankreich im 18. Jahrhun dert eingehend behandelt *) und u. a. folgende Tatsachen bewiesen:

1. In Frankreich wie in anderen Ländern sind um dieselbe Zeit, wo die marianischen Kongregationen entstanden sind, unter verwandten Formen und zu gleichen Zwecken Kongregationen der höheren Gesellschaftsklassen ins Leben gerufen worden, die man r e k t i f i z i e r t e R itte r o r d e n nannte. Die Zeichen und Formen — es fallen darunter die Einrichtung der „ u n b e k a n n te n O b e re n “ , die E r b lic h k e it des Großmeisteramts und das Amt des „ G r o ß k a n z le rs “ auf — entsprechen denen der sogenannten dritten Orden (Tertiarier) der katholischen Kirche. Angesehenes Mitglied dieser Orden war der Gouverneur des Prinzen K a rl E d w a rd aus dem Hause S tu a r t, der schottische Konvertit A n d re a s M ic h a e l R am say , der mit den S t u a r t s einerseits und mit den leitenden Staatsmännern Frankreichs andererseits in sehr vertraulichen Beziehungen gestanden hat, zumal seit der Zeit, wo sich ein enges Bündnis dieser beiden Mächte und ein scharfer Gegensatz zu England entwickelt hatte, d. h. seit dem Beginn der dreißiger Jahre des 18. Jahrhunderts.

2. Seit der Mitte der dreißiger Jahre treten zu Paris zwei Logen und alsbald auch eine Großloge in das Licht der Geschichte, an deren Spitze die katholischen Parteigänger der Stuarts M a c le a n e und D e r w e n tw a te r stehen, und innerhalb deren R a m sa y ein hohes Amt bekleidete. Zahlreiche Mitglieder der rektifizierten Orden (Tertiarier) und Angehörige der französischen Hofgesellschaft haben sich alsbald diesen Logen angeschlossen Die Großloge von England hat diese Logen nicht anerkannt.

3. Innerhalb dieser Logen tauchen sehr bald nach ihrer Begründung Versuche auf, eine R e fo rm der Freimaurerei durchzuführen.

R am say selbst hat in einer Logenrede auf die T e m p e lh e r r n verwiesen. Er hat dann in einer gedruckten Rede den Ursprung der Freimaurerei auf die Kreuzzüge zurückgeführt und die Kreuz­

fahrer „als unsere Vorfahren“ bezeichnet, die mit Schwert und Kelle den B au d es T e m p e ls angefangen haben.

*) K e lle r , die Tempelherrn und die Freimaurer in den M CG 1904, S. 161 ff., auch in den Vorträgen und Aufsätzen aus der C. G. XIII, 31 (Berlin, Weidmannsche Buchhandlung 1904) in Sonder-Ausgabe erschienen.

Preis M. 1,50. *

(13)

1905. Keller, Die Anfänge der Tempelherrn in Deutschland. 271 4. Alsbald nach dem Massenbeitritt der katholischen Ordensritter taucht

in Frankreich in o r g a n is c h e r V e rb in d u n g m it d e r n eu en G ro ß lo g e einOrden auf, der die gleiche Symbolik, die gleichen Formen und Amtsbezeichnungen usw. wie der Orden des heiligen Lazarus aufweist und der in allen Punkten — auch darin, daß Fürsten die Novizengrade nicht zu durchlaufen brauchen und ohne Zeremonien aufgenommen werden können — den rektifizierten Ritterorden gleich ist. Dieser neue Orden heißt der „hohe Orden des heiligen Tempels“.

5. Großmeister dieses neuen Ordens, in dessen Novizengraden m a u r e ­ r is c h e F o rm e n , S y m b o le und N am en zur Anwendung kommen, war lange Zeit hindurch der Prätendent K a r l E d w a rd aus dem Hause Stuart, und G ro ß k a n z le r — so nennt er sich selbst — war dessen ehemaliger Gouverneur A n d re a s M ich ael R am say.

6. An der Durchführung der „Reform“ — so nennt R am say selbst die Neubildungen — d. h. an der Einführung der Ritterbräuche als Teil der Freimaurerei und an der damit verbundenen E in fü h ru n g k a th o lis c h e r G e b rä u c h e ist R am say stark beteiligt gewesen.

E r hat sich ö f f e n tlic h als Anwalt der Freimaurerei, d. h. einer von seiner Kirche mit dem Banne belegten Verbindung, gegeben, in v e r tr a u lic h e m Briefwechsel mit dem Kardinal F le u r y aber erklärt, daß der Orden eine für die katholische Kirche höchst nützliche Einrichtung sein werde.

F ü r die Zusammenhänge der Dinge und der wirkenden Kräfte ist es sehr bezeichnend, daß die frühesten außerfranzösischen Spuren des „hohen Ordens vom h. Tem pel“ uns in Toscana und zwar zu F l o r e n z begegnen1), in demselben Florenz, wo der P räten d en t Karl Edward aus dem Hause S tu a rt Residenz hielt und wo zahlreiche Freunde und Anhänger des ehedem selbst in Florenz tätigen Ramsay lebten und wirkten. Außer in Paris und in Lothringen, wo zu Luneville im Jah re 1738 eine große Ver­

sam m lung der freimaurerischen O rdens-R itter stattgefunden h a t, begegnet uns der Orden zunächst in Florenz; eben Lothringen, das damals noch nicht formell zu Frankreich gehörte, war für die S tuarts gleichsam die Basis, von wo aus sie die W iedergewinnung der Königskrone von England m ilitärisch und politisch vorbereiteten.

Angesichts des Umstandes, daß die Verbindungen, die das Haus S tu a rt in Deutschland besaß, keineswegs so eng waren, wie seine französischen und italienischen Beziehungen, würde der Orden hier vielleicht von geringerem Einflüsse geblieben sein, wenn nicht das K u r h a u s S a c h s e n für die Interessen der Tem pelherrn

K e lle r, die italienischen Akademien und die Anfänge des Maurer­

bundes in den romanischen und den nordischen Ländern. Vorträge und Auf­

sätze aus der C. G. 1905, 5. *

(14)

272 Keller, Heft 5.

wirksam in die Schranken getreten w äre, dasselbe Haus W ettin, dessen Mitglied, der M a r s c h a l l v o n S a c h s e n , im Jah re 1738 der M itbewerber Clermonts bei der Großm eisterwahl der Tempel­

herrn gewesen war.

Die Beziehungen, die das Haus Kursachsen seit dem im Jah re 1712 heimlich erfolgten Ü bertritt Augusts des S tarken und seit der Erwerbung der polnischen Königskrone m it den Gesam tinteressen der katholischen Kirche verbanden, waren tro tz gelegentlicher Schwankungen sehr enge.

Einer der natürlichen Söhne Augusts des Starken, der u nter dem Namen des Grafen R u t o w s k y (geb. 1702) b ekannt geworden ist, h atte fast bis zu seinem M annesalter in P aris gelebt und war seit 1740 Kom m andant der königlichen Leibgarde in Dresden geworden. Es ist wohl kein Zufall, daß, ebenso wie einst in Paris ein hoher Offizier der königlichen Leibwache Großm eister des frei- m aurerischen R itter-O rdens wurde, so jetzt auch der Sohn König Augusts und K om m andant der Leibgarde in Dresden das gleiche Amt erhielt. Rutowskys R uf w ar nicht der beste und sowohl der bekannte Ausspruch Friedrichs des Großen über ihn: „die Kanaille h a t uns alles abgestohlen“, wie ähnliche Bemerkungen des englischen Gesandten in Dresden, Sir Charles W illiams, beweisen, wessen man sich auf preußisch-englischer Seite von diesem Manne versah.

Es sollte sich zeigen, daß Graf Rutowsky nicht bloß Arm ee-Einrichtungen u. s. w. dem großen Könige abstahl, sondern daß er nach dem Vorbilde Friedrichs, der im Jah re 1740 für Preußen eine Großloge gestiftet h a tte , auch für Sachsen etwas Ähnliches erstrebte.

Die e n g l i s c h e L e h r a r t h a tte zu Dresden ebenso wie in anderen Gegenden frühzeitig Fuß gefaßt. Gleichzeitig aber w aren unter Förderung sehr einflußreicher Kreise diesen englischen Logen die „rektifizierten Logen“ — so nannten sie sich selbst — an die Snite getreten und es verdient B eachtung, daß einige Bräuche, die sonst nur bei den ritterlichen T ertiariem der römischen Kirche und deren Novizen, nicht aber in Logen englischer L eh rart nachw eisbar sind, zuerst in Dresden auf­

ta u ch e n .1)

1) Bei den Bitter-Tertiariern erfolgte die Erteilung des Bruder-Namens bereits bei der Einkleidung der Novizen; dieselbe Erscheinung findet sich in den „h. Orden des h. Tempels“ und deren Novizen, nämlich bei den

„rektifizierten“ Freimaurern in Sachsen; sie muß schon in Paris üblich

gewesen sein. ,

(15)

Als nun am 22. Juli 1741 die Dresdener Freim aurer zur F eier des Johannisfestes versammelt waren und gerade bei der Tafel saßen, verkündete Graf Vitzthum von E ckstädt, daß der G raf Friedrich August R utow sky, der eine Enkelin des Ober- kam m erherrn von Vitzthum zur F rau h atte, ihn erm ächtigt habe, zu verkünden, daß er, o b w o h l e r es b i s h e r v e r h e i m l i c h t h a b e , Maurer sei und geneigt wäre, die W ürde des Großmeisters anzunehm en, wenn seine W ahl sofort erfolge. Die Versammlung vollzog die W ahl durch Zuruf, und bereits am folgenden Tage ward ihm das D ekret überreicht. Indem Rutowsky den R itter d’Elbee, Chevalier de la Loge, zu seinem V ertreter ernannte, war die neue ‘maurerische Oberbehörde, die neue Logen errichten konnte, konstituiert.

So leicht und rasch dieser Erfolg aber erzielt worden war, so heftig w aren die Kämpfe und die Erschütterungen, die alsbald innerhalb der neuen Großloge entstanden.1) Überall fand der neue Großm eister W iderstand und eine S paltung folgte auf die andere. Durch das ganze folgende Jahrzeh nt ziehen sich die wachsenden S treitigkeiten hin und das Ergebnis w ar, daß am 22. August 1749 die Dresdener Loge zu den drei Schw ertern ihre A rbeiten schloß und daß R utow sky, der schließlich ein Großm eister ohne Tochterlogen war, s e in A m t n i e d e r l e g t e . Der Versuch, die Freim aurer auf diesem Wege unter die Leitung des Befehlshabers der Leibwache zu bringen, m ußte als gescheitert gelten.

Genau um dieselbe Zeit, wo Graf Rutowsky sein Amt nieder­

le g te , tau ch t der Name eines neuen Großmeisters auf, nämlich der Name des R e i c h s f r e i h e r r n K a r l G o t t h e l f v o n H u n d , Erb- herr auf Lipse etc. in der Oberlausitz, der am 11. Septem ber 1722 geboren war und später königlich polnischer Geheimer R at wurde.

Karl von Hund stam m te aus einer kursächsischen Familie von Ehre, Ansehen und Vermögen und der junge Herr selbst war ein Mann von den besten Anlagen.

x) Wir besitzen einen Brief des Br. von Vieth an den neuen Großmeister vom 2. Juni 1742 und die Antwort des letzteren vom 22. dess. Monats. In Punkt 8 der Forderungen der Brüder der neuen Großloge heißt es: „die Loge zu den drei goldenen Schwertern protestiert gegen alle Beratschlagungen, Vor­

schläge, Wahlen u. s.w., die b e i d er T a f e l vorgen o m m en w e rd e n “.

Rutowsky errichtete aus seinen treuesten Anhängern eine besondere Loge in Dresden, unter deren Beamten auch ein „Bruder Küchenmeister“ und ein

„Bruder Mundschänk“ erscheinen; die Protokolle bestätigen, daß in der Loge sehr viel getrunken wurde. Es war klar, wohin solche „Reformen“

zielten; das Wesen der alten Kultgesellschaften wurde planmäßig untergraben.

1905. Die Anfänge der Tempelherrn in Deutschland. 27 3

(16)

274 Keller, Heft 5.

Seine Studienreisen h atten Hund im Jah re 1741 nach P aris gefüh rt, wo er in der Kolonie kursächsischer Landsleute, die im Marschall von Sachsen ihr vornehmstes Mitglied besaßen, ver­

k eh rte; m an w eiß, daß eben in diesen Kreisen dam als viel von den „rektifizierten Logen“ die Rede war.

Im H erbst 1741 versam m elten sich in F rankfurt a. M. zur Kaiserwahl die Diplom aten aller L änder, und es ist sehr kenn­

zeichnend für die politische Bedeutung, die man von seiten Kur­

sachsens und seiner Verbündeten der Sozietät, deren Mitglied F r i e d r i c h d e r G ro ß e einige Jah re früher geworden war, beilegte, daß der kursächsische Geheime R a t G r a f v o n S c h ö n b o r n während des Reichstages in F rankfurt eine Loge errichtete, deren Mitglieder u nter anderen die Prinzen Georg und Friedrich von H essen-D arm stadt und Prinz August von Baden wurden. In dieser Loge, die auch politische Freunde Preußens heranzuziehen suchte — m an hoffte auf diesem Wege nützliche Kenntnisse zu gewinnen — w ard am 18. O ktober 1741 der junge F reiherr von Hund auf­

genom m en.1) Im Sommer 1742 ging Hund nach Holland und England und von da aberm als nach Paris.

W ir wissen aus den Tagebuch-A ufzeichnungen des gleich­

zeitig m it Hund in P aris weilenden Anton von Geusau, m it welchem Eifer die katholische P ropaganda dam als u nter den jungen P ro testan ten von Adel in P aris arbeitete.

Besondere Mühe gab sich um die Bekehrung beider Herren der aus der Geschichte der Tem pelherrn w ohlbekannte A n d re w M ic h a e l R a m s a y ; dieser aber — und das ist das Merkwürdige — beschränkte sich nicht auf diese Bekehrungs-Versuche, sondern er m achte den jungen Sachsen von Adel auch „das Anerbieten, daß er als G r o ß k a n z l e r d e r f r a n z ö s i s c h e n F r e i m a u r e r sie u n ter die­

selben aufnehmen wolle, weil er sie für recht würdige M itglieder h a lte .“2) Da dies Anerbieten v o r den sp äter einsetzenden Bekehrungs-Versuchen erfolgte, so m uß Ramsay der Meinung gewesen sein, daß der E in tritt in diejenige Loge, deren Kanzler er w ar, als Vorstufe für den E in tritt in die katholische Kirche Dienste leisten werde.

!) Heinrich Lachmann, Geschichte und Gebräuche u. s. w., Braun­

schweig 1866, S. 16.

2) So nach Geusaus eigenen Worten bei Büsching, Beyträge zur Lebens­

geschichte denkwürdiger Personen. Halle 1785 II, 147.

(17)

Die Versuche, welche diese beiden jungen Deutschen „auf eine gute A rt von sich ablehnten“, waren keineswegs überall er­

folglos und es ist T atsache, daß andere junge Herren von Adel z u e r s t in die französischen Logen und dann in den Schoß der Kirche geführt wurden. Ramsay führte sich m it besonderer Vor­

liebe bei P rotestanten als Freim aurer ein, er fand auch als solcher dort leichteren Eingang wie als O rdens-R itter des h. Lazarus, da diese als S treiter für den katholischen Glauben bekannt waren.

Zu den protestantischen D eutschen, die erst Freim aurer und dann heimlich K onvertiten w urden, gehörten in jenen Jahren K a r l v o n H u n d und dann später der F reiherr v o n S t a r c k , den w ir noch kennen lernen werden.

Der junge Hund — er w ar damals etw a 20 Jah re a lt — erfreute sich der besonderen Teilnahm e seiner Freunde. Eben in den M onaten, wo er seinen Glauben abschwor — wir wissen nur, daß es 1743 geschah, den M onat kennen wir nicht — ward er auch zum Stuhlm eister einer Loge (Loge etrangere nannte sie sich) von jungen Ausländern in P aris befördert und er half bei der Begründung einer weiteren Loge zu Versailles m it seinen reichen M itteln tatk rä ftig mit.

Es waren dies die Jah re, wo die gesam te katholische W elt auf die W iedergewinnung der Krone Englands durch die S tuarts hoffte, und nach der Ankunft des Prätendenten Karl Edward in Paris, die etw a im Jan u a r oder Februar 1744 erfolgte, war eben diese S tadt das H auptquartier der gesamten A ktionspartei. Der erste Feldzug, den König Ludwig XV. für die S tuarts unternahm — die französische Armee ward von Moritz von Sachsen geführt — begann bekanntlich im Jah re 1744.

W enn nun Hund, den wir als wahrheitsliebenden und ehren­

haften Mann kennen, selbst erzählt, daß er im Jah re 1743 in P aris „vom Lord Kilmarnok, einem Offizier der blauen schottischen G arde, der nachmals enthauptet w urde, in Gegenwart des Lord Clifford, der bei der Ceremonie priorisierte“, in den „Inneren O rd en“ , d. h. in den R itterorden aufgenommen worden sei, so werden diese Angaben dadurch b estätig t, daß Hund ein in Chiffern geschriebenes P aten t besaß, das die U nterschrift des auch sonst bekannten zweiten Sekretärs des Prinzen Karl Edward, nämlich des Mr. Andrew Lumsden (Lumisden) trä g t.1) Durch dieses 19 0 5 . Die Anfänge der Tempelherrn in Deutschland. 2 7 5

1) Das Patent ist abgedruckt bei Schröder, Materialien II, 28 f.

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2 7 6 Keller, Heft 5.

P a te n t w ard Hund zum „Heerm eister der VII. Provinz“ — Hund selbst nennt sie die „Provinz D eutschland“ — ernannt.

Von dieser Zeit an stand Hund, wie urkundlich feststeht, m it den P ersonen, die dem Prätendenten nahe standen, wie z. B.

m it der Fam ilie der Montgomery, in regelm äßiger Verbindung und zahlte nach P aris große Teile seines Vermögens. Als im Jahre 1750 ein schottischer Offizier O’K e e f, der bei Culloden für K arl Edward gefochten h atte, als B eauftragter des Ordensmeisters die VII. Provinz bereiste, beehrte er auch den H errn von Hund auf dessen Schlosse Unwürde m it seinem Besuche. Es war die Zeit, wo Graf Rutowsky das G roßm eisteram t von Sachsen niederlegte und Hund neben seiner Heerm eisterwürde auch die G roßm eisterschaft in Sachsen überkam.

S eit dieser Zeit beginnen die Bemühungen des neuen Groß­

m eisters auch in Deutschland und zw ar zunächst in Kursachsen, den R ittern des heiligen Tempels die Leitung der „simplen Frei­

m au rer“ — wie m an in den Kreisen der R itter zu sagen pflegte

— in die Hände zu spielen, B em ühungen, die wohl kaum den tatsächlich erzielten Erfolg gehabt haben w ürden, wenn Hund nicht die kräftige U nterstützung Kursachsens und der einfluß­

reichen Familie v o n S c h ö n b e r g (Schöm berg) gefunden h ätte.

Nach Ausweis der uns erhaltenen „Regula et S ta tu ta Sanctissimi O rdinis“ und der „Leges conscriptae, quae adhibent ad ejusdem VII. P rovinciam “ standen im Jahre 1754 an der Spitze des „hoch­

heiligen Ordens vom Tempel zu Jerusalem “ neben Hund als H eerm eister der königl. polnische P räfek t der Oberlausitz W o lf C h r i s t i a n F r e i h e r r v o n S c h ö n b e r g und der königl.

polnische L eutnant J o h . G e o r g v o n S c h m id . Außerdem ab erg ab es ein leitendes Mitglied, nämlich den Grafen H e i n r i c h A d o lp h v o n S c h ö n b e r g , H auskom tur von Meißen, der kursächsischer Konferenz-M inister und W irkl. Geheimer R at w ar und dem Hofe sehr nahe stand, und dessen Bruder (geb. 1726) französischer G eneralleutnant war.

Hund begann dam it, daß er zunächst einige königlich polnische Offiziere, welche, wie Hund selbst, M itglieder seiner Loge in Unwürde w aren, in aller Stille in den „Innern O rden“

aufnahm ; es w ar nicht schw er, diesen Offizieren — es waren

darunter zwei leibliche Brüder namens Schmid — die Aufnahme

in eine hochadlige R ittergesellschaft als hohe Gunsterweisung

erscheinen zu lassen.

(19)

1 9 0 5 . Die Anfänge der Tempelherrn in Deutschland. 277 Alsbald ging Hund einen S chritt w eiter, indem er eine Ver­

sammlung — m an nannte das einen Konvent — berief, der festere Normen schaffte. Es sind einige A ktenstücke dieses Konvents, insbesondere die „Proponenda“ vom F ebruar 1754 erhalten1), die wichtige Aufschlüsse über die „Tem pelherrn“ enthalten.

Zunächst geht daraus hervor, daß die letztvorhergegangene Konferenz des Ordens — Ja h r und Tag dieser Konferenz fehlen — in D r e s d e n abgehalten, und daß daselbst wichtige Beschlüsse gefaßt worden waren. Über die O rganisation, wie sie damals war, ergeben die Akten folgendes: an der Spitze stand der „Oberste Großm eister aller Tem pelherrn“, dem ein „großer B a t“ zur Seite stan d; der Sitz des letzteren w ar damals London; die bezüglichen Namen fehlen. An der Spitze der VII. Provinz (Deutschland) stand als Heerm eister von Hund, der zugleich die W ürde eines

„G roßvisitators des Ordens“ besaß. Nach ihm folgten 1. der Prior, 2. der S ubprior, 3. der O rdens-K anzler; der P rior w ar damals zugleich Ordens-Marschall. Dem H eerm eister stand ein Provinzial- K apitel zur Seite, dem ein „D ecanus“ präsidierte, der zugleich

„V isitator perpetuus Provincialis“ und „Provisor Dom orum “ war.

Es gab in dem „hohen Orden des heiligen Tempels zu Jerusalem “ ebenso wie im Lazarus-Orden P r äb e n d e n , damals in der VII. Provinz m indestens neun, deren Einkünfte an verdiente R itter verteilt wurden. Der hohe Orden besaß eine feste O r d e n s - R e g e l.

Innerhalb des Ordens gab es G roß-K om ture, H auskom ture, R itter und Novizen. An der Spitze der „ N o v iz e n “ stand nach § 15 der Proponenda ein „ L o g e n m e i s t e r “. Der Prior von Schönberg erhielt nach dem Beschluß des Konvents den Auftrag, ein „Ceremoniell festzusetzen, nach welchem m an Novizen in der Regel inskribieren könnte, auch zu determ inieren, wie man denselben eröffnen könne, d a ß s ie a u ß e r ih r e m O b e r m e i s te r O b e re h ä t t e n , auch was ihnen von der inneren Verfassung des Ordens für Gedanken beigebracht werden sollen“.

In der Sprache des Ordens hießen die „Logenm eister“, wie aus anderen Stellen der Proponenda erhellt, H a u s k o m t u r e , und demgemäß die Logen „Hauskommenden“. Die Proposition fordert in § 9, daß in Sachen der Errichtung solcher Hauskommenden auf Grund eines Generalplans resolviert werde. Auf Grund einer im § 24 der Proposition aufgestellten Forderung verfaßte der P rior von Schönberg ein Ceremoniell, nach welchem die Logen

x) Schröder, Materialien I, 203 ff.

M onatshefte d er C. G. 1906. 19

(20)

278 Keller, Heft 5.

der Freim aurer, die unter den H auskom turen stehen , in Zukunft zu konstituieren wären. Auch verlangte die P roposition, daß ein „ordentlich P a te n t“ ausgefertigt werden solle, „welches man den Freym aurern zeigen kö nne“.

In den dem § 24 vorangehenden und m it ihm zusammen­

hängenden Paragraphen werden in der Proposition folgende Forderungen aufgestellt:

§ 22 .

„N icht weniger ist ein R egulatif zu treffen, auf was W eise und in wie w eit Leute u n ter dem ehemals gebräuchlichen Namen der L a y e n b r ü d e r zu recipiren, welche ohne strik te Obedienz und innere Gemeinschaft m it dem Orden s e lb e m g l e i c h w o h l a C o n s il i i s u n d n ü t z l i c h s e in s o l l e n . “

§ 23.

W ird zu erwägen sein, ob und auf was Art denen um den Orden sich verdient gem achten R ittern eine Erkenntlichkeit zur Belohnung sowohl als auch zur Aufmunterung Zuwachsen, auch ob d e n e n L a y e n b r ü d e r n g l e ic h e V o r t h e il e h i e r i n n e n z u ­ g e s t a n d e n w e r d e n k ö n n e n . “

Die Novizen, die unter Leitung der Logenm eister standen, w aren , bis sie Profeß getan h atten und in den Orden auf­

genommen worden w aren, L a i e n b r ü d e r des heiligen Ordens.

Es ward den beim Konvent versam melten R ittern ausdrücklich ans Herz gelegt und ihnen empfohlen, in a l l e n L o g e n B e k a n n t ­ s c h a f t e n a n z u k n ü p f e n , u m d e n O r d e n z u v e r g r ö ß e r n . Logen oder einzelne F reim aurer der „laten O bservanz“ — so nannten die R itter-F reim au rer die übrigen L ehrarten — welche sich unter dem Einfluß des hohen Ordens vom h. Tempel und auf dessen Versprechungen hin bereit erklärten, sich „rektifizieren“

zu lassen, m ußten eine „Obedienz-Akte“ unterzeichnen, durch welche sie der f r ü h e r e n M a u r e r e i e n t s a g t e n u n d d e n u n b e ­ k a n n t e n O b e r e n d e s O rd e n s u n b e d i n g t e n G e h o r s a m v e r ­ s p r a c h e n .

W ar dies geschehen, so h atten alle „rektifizierten“ Freim aurer die M öglichkeit, bis zur. höchsten Stufe der strik ten Observanz vorzudringen, d. h. in den Grad der „Equites professi“ aufge­

nommen zu werden. Bei der Ablegung des Professes wurde der

Aufzunehmende m it einem weißen Mantel bekleidet und das Kreuz

w ard ihm zum Kusse vorgehalten. Dann w ard ihm die „F orm a

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professionis m ilitum tem pli reform ati ordinis strictae observantiae“

vorgelesen, welche also lau tete: „Ich schwöre dem Allmächtigen G ott, d e r h e i l i g e n J u n g f r a u M a r ia , d em h e i l i g e n B e r n h a r d , a l l e n H e il i g e n und Dir, Herr, mein ganzes Leben lang die vom h. B ernhard von Clairvaux den Tem pelrittern gegebene und durch den P ap st Honorius II. b estätigte Regel zu beobachten, in allen A rtikeln, insow eit sie auf den heutigen Stand des Ordens anw endbar und nicht dispensiert sind, lebend in Gehorsam , ohne Eigentum im Orden und in geistiger Keuschheit.“ Sobald dieses Gelübde abgelegt war, wurde die Aufnahme vollzogen.

Karl von Hund hielt es für richtig, die Tatsache zu ver­

heim lichen, daß er bereits 1743 den Glauben seiner Väter abgeschworen h a tte — die Tatsache ist erst 1769 öffentlich be­

kan n t geworden — , aber um dieselbe Zeit, wo er auf seinem Schloß Unwürde Räume für die Arbeiten seiner dortigen Loge zur Ver­

fügung stellte, ließ er ebendort eine Kapelle für katholische K ult­

handlungen bauen, in der ein gew eihter A ltar w ar; er um gab sich m it einer Dienerschaft, die ebenfalls katholisch w ar oder in der Stille geworden war, und hielt für seine Andachten einen Ordensgeistlichen auf seinem Schlosse. Und Hunds Neigungen übertrugen sich in dieser Beziehung auch auf die neuen M itglieder, die dem Orden beitraten. W ir besitzen einen Brief des „Chevalier Schm id“ vom 17./25. O ktober 1755, in dem sich u. a. folgendes m erkwürdige Bekenntnis findet: „Sollte ich darin irren, sagt Schmid, wenn ich (die Gesinnung eines Ordensbruders) als Spuren des ersten Eindrucks einer Religion erkläre, die sich für unser System besser schickt, als die Religion, zu der wir uns bekennen?

D em K a t h o l i k e n i s t d e r G e is t d e s O rd e n s g l e i c h s a m a n g e b o r e n ; von Kindheit an wird ihm der Begriff des Gehorsams in der Sprache des Ordens eingeprägt, die ihm Gewohnheit und Religion in einem ehrwürdigen Lichte erscheinen la ss e n ; sein Glaube legt ihm verschiedene Gelübde auf und m acht sie ihm w ert, darum ist er bereitwillig, jede Verpflichtung zu erfüllen, deren Heiligkeit ihm erwiesen w ird.“

U nter diesen Umständen ist es nicht zu verwundern, daß die Ü bertritte der Ordensbrüder zum Katholizismus sich fortgesetzt m ehrten, wie denn z. B. auch der älteste Sohn und E rbe des Feldzeugmeisters E r n s t D i e t r i c h v o n M a r s c h a l l , G raf E rn st Aug. Friedrich, Herr auf Pauscha bei Merseburg (ebenfalls Ordens­

m itglied und Maurer) seinen protestantischen Glauben verließ, 1905. Die Anfänge der Tempelherrn in Deutschland. 2 7 9

19

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280 Keller, Heft 5.

während sein jüngerer B ruder, der im Jah re 1749 geborene und am 29. Januar 1824 verstorbene Graf August Dietrich, der den R itternam en a Thymalo fü h rte, evangelisch blieb. Heftige Spaltungen und Käm pfe, ebenso in den einzelnen Fam ilien wie im Orden und in den einzelnen Logen waren die Folge und ein starkes gegenseitiges M ißtrauen und gegenseitige Beargwöhnung gew annen die Oberhand.

Trotz allem aber w aren die K räfte, die hinter dem Orden standen, stark genug, um ihm eine e r h e b l i c h e A u s b r e i t u n g in ganz Deutschland zu ermöglichen.

Vor allem waren und blieben die S taatsm änner Kursachsens eifrig bem üht, das Vertrauen der deutschen Logen zu gewinnen und auf dem W ege der „höheren Orden“ die Leitung der „simplen F reim aurer“ in ganz Deutschland in die Hand zu bekommen. Selbst in B e r l i n wurden frühzeitig erfolgreiche Versuche gem acht und der erste Anwalt des neuen Systems war hier der G raf E r n s t C h r i s t o p h v o n M a n te u f f e l.

ManteufFel (geb. 1676) w ar lange in Holland, Frankreich, Kopen­

hagen und Rom gewesen und w ar, nachdem er als sächsisch­

polnischer G esandter in Berlin (1711 — 1716) die P olitik des preußischen Hofs studiert h a tte , im Jah re 1716 kursächsischer K abinetts - Minister geworden. Als solcher im Jah re 1730 ver­

abschiedet, siedelte er einige Jah re später aberm als, angeblich als P rivatm ann und Freund der W issenschaften, tatsächlich aber als geheim er A gent, nach Berlin über. Ähnlich wie Ramsay suchte und fand Manteuffel Fühlung m it den V ertretern der Aufklärung und es gelang dem klugen und wissenschaftlich gebildeten Manne, das Vertrauen F r i e d r . A ug. W o lffs und anderer Gelehrten zu gewinnen, die bei dem freigeistigen K r o n p r i n z e n v o n P r e u ß e n in Ansehen standen, und nachdem der Anschluß Friedrichs des Großen an den Maurerbund den Eingeweihten bekannt geworden war, begründete Manteuffel, der sich schon früher als P rotekto r und Mäcen ähnlicher Sozietäten b etätig t h a tte , eine Sozietät, die auf ihrem Abzeichen die Inschrift tru g : „ L a C o n f r e r i e d e s F r a n c s - M a 9 o n s D a s Abzeichen dieser „Francs-M a 9 ons“ w ar dasselbe, das in der alten F lorentiner „Sozietät zur M aurerkelle“ üblich w ar und das in allen Sozietäten rom anischen Ursprungs, die sich damals englischen Vorbildern anpaßten, seit der zw eiten H älfte der dreißiger Jah re des 18. Jahrhund erts au ftauch t.1) Auf die

*) Vergl. K e lle r, Die italienischen Akademien u. s. w. Berlin 1905.

(23)

Zusam m enhänge der Manteuffelsehen Gründung m it den auf dem Florentiner System aufgebauten S tuartlogen und den R itter- Tertiariern w eist die Aussage Manteuffels hin, der im Jahre 1739 an den Grafen B rühl nach Dresden schreibt, der Zweck der neuen Sozietät sei, „ d ’e c l a i r e r t o u t e s s o r t e s d e s v e r i t e s u t i l e s “, d. h. es war der Zweck, m ittelst einer geheimen Organisation in die Staatsgeheim nisse anderer Länder einzudringen und zunächst in Berlin das Vertrauen des „Freim aurers“ Friedrich, Kronprinzen von Preußen, zu erschleichen.

Derselbe Manteuffel, der seine S ozietät heimlich „La Confrerie des F ran c s-M a 9 ons“ nannte, nahm gleichzeitig jede Gelegenheit wahr, um diejenigen G elehrten, deren Freund er zu sein vorgab, g e g e n die Freim aurer englischen Systems einzunehmen. Seinen Schützling Gottsched m achte er zw ar gegen die Freim aurer scharf, riet ihm aber die P rotektion der Gesellschaft Jesu zu suchen.1)

Manteuffel h a tte seit vielen Jahren die Gewohnheit, zweien Herren zu dienen — Friedrich der Große verwies ihn, nachdem er ihn als Spion und Agenten seiner Feinde entlarvt h atte, m it Schimpf und Schande aus seinen Landen — und er setzte dieses Doppelspiel, auch als es in Berlin zu Ende war, noch in Thüringen fort, wohin er sich begeben h atte. Zu derselben Zeit, wo er an den Philosophen Wolff schrieb, daß er von den Geheimnissen der Freim aurer nichts wisse und nichts wissen wolle, unterstü tzte er zu Jen a einen gewissen Müller, einen Baron von Medern (Vater einer Herzogin von Kurland) und dessen Hofmeister Gonnerus im tiefsten Geheimnis bei der Gründung einer Stuartloge, d ie d a n n d e r S it z u n d d ie S t ü t z e d e s B e t r ü g e r s J o h n s o n g e w o r d e n i s t . 2)

W ährend die S taatsm änner Sachsens in dieser Art die „Frei­

m aurerei“ förderten, blieb das regierende Haus selbst dem Orden fern und obwohl M änner, wie der Kommandant der Leibwache Graf Rutowsky und der Minister von Schönberg3), als leitende F aktoren starke G arantien boten, so erhielt sich im Königshause selbst ein großes M ißtrauen, und es wird zuverlässig berichtet, daß die Königin — es ist M aria Josepha, die Tochter Kaiser

1) Danzel, Gottsched S. 20 f. — Gottscheds und besonders Frau Gottscheds heftiger Widerwille gegen die Freimaurer ist bekannt.

2) Schröder, Materialien zur Geschichte der Freimaurerei I, 145.

3) Ob der s. Z. berühmte Schriftsteller der Gesellschaft Jesu Matthias von Schönberg (f 1792) ein Verwandter des Ministers war, habe ich nicht feststellen können.

1 9 0 5 . Die Anfänge der Tempelherrn in Deutschland. 281

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282 Keller, Heft 5.

Joseph I. gem eint — im Jahre 1755 an der Hoftafel ihrer A nti­

pathie Ausdruck gab und eine s c h ä r f e r e B e a u f s i c h t i g u n g f o r d e r t e . 1) Eine solche Beaufsichtigung ließ sich am unauffälligsten und w irksam sten durchführen, wenn Prinzen von Königlichem Geblüt O rdens-M itglieder wurden und zuverlässigen Personen ihrer Um­

gebung den gleichen S chritt anrieten. So sehen w ir, daß der streng katholische K onvertit Friedrich August II. von Sachsen- P olen seinem dritten Sohn, dem im Jah re 1733 geborenen nach­

m aligen Herzog K a r l C h r i s t i a n J o s e p h v o n K u r l a n d , der in m organatischer Ehe m it Franziska von C oronin-K rasinska ver­

h eira tet war, gestattete, u nter dem Namen Eques a Coronis Ordens- Mitglied zu werden.

Diesem Beispiele des Herzogs von Kurland folgten m ehrere Prinzen des M e c k le n b u r g is c h e n H a u s e s , näm lich Karl Ludwig Friedrich (geb. 1741) und dessen Brüder E rnst G. Albrecht (geb. 1742) und Georg A ugust (1748), sowie einige m it dem mecklenburgischen H ause verwandte Prinzen von D a r m s t a d t und v o n B r a u n s c h w e ig , kurz, gerade solche Häuser, die als p o l i t i s c h e V e r b ü n d e te K u r ­ s a c h s e n s dessen Anregungen und dessen Führung zu folgen gew ohnt w aren und zu Preußen in einem politischen Gegensatz standen.

Nach solchen Erfolgen glaubten die leitenden Kräfte, d. h. die unbekannten Oberen oder die S. J. (Suprem i Incogniti) noch einen w eiteren S chritt vorw ärts tu n zu können.

Um das J a h r 1760 begann ein n e u e s S y s te m in verschiedenen L ändern Fuß zu fassen, das in seinen Form en und in seiner L ehrart dem „O rden des heiligen T em pels“ sehr verw andt war, dessen Verteidiger aber behaupteten, daß nicht die R itter, sondern sie selbst im Besitze d er höchsten O rdens-Geheim nisse seien, und die hierauf den Anspruch auf die Oberleitung des R itterordens gründeten. Die frühesten Spuren dieses Systems, dessen Anhänger sich selbst als F r a t r e s C l e r i c i O r d i n i s T e m p l a r i o r u m , d. h. als P riester-B rüder des Ordens der Tem pelherrn bezeichneten, führen nach P aris zurück. Sein geschicktester Anwalt und Verteidiger in Deutschland war J. H. F r e i h e r r v o n S t a r c k ,

*) Die Königin sagte etwa, sie höre, daß die Versammlungein der

Freimaurer nicht mehr bloß: in Schmausereien beständen; sie beobachte,

daß junge Leut$, seitdem sie Freimaurer seien, andere .Lebensgewohnheiten

angenommen hätten; daraus gehe hervor, daß es sich doch um ernstere

Dinge handele, und m an m üsse ein e s c h ä r f e r e .A u fsic h t e in t r e t e n

la sse n .

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1905. Die Anfänge der Tempelherrn in Deutschland. 28 3 der im Jah re 1741 als Sohn des mecklenburgischen Predigers S tarck zu Schwerin geboren war.

Nachdem er im Jahre 1761 zu Göttingen in einer französischen Militärloge Maurer geworden w ar, setzte er die Beziehungen zu angesehenen Mitgliedern des Ordens fort, ging zunächst nach P etersburg und dann im Jah re 1765 nach P aris, wo er an der Königlichen Bibliothek als Interpret der orientalischen Hand­

schriften eine Stellung erhielt. Hier schwor er am 8 . F ebruar 1766 in der Kirche St. Sulpice in Gegenwart der Abbes Joubert, de Bausset und Chazal de la Morandie lau t Eintragung in die noch vorhandenen Kirchenbücher seinen protestantischen Glauben ab, kehrte dann in seine mecklenburgische H eim at zurück und errichtete, indem er seinen Ü bertritt geheim hielt, m it Hilfe protestantischer Freunde eine Loge nach dem System der „Observance stric te “, d. h. eine Tem pelherrn-Loge. Er h a tte also in dem Orden damals bereits die Stellung eines Hauskom turs und Novizenmeisters erworben. S tarck stand schon damals in so wertvollen Verbindungen, daß er, nachdem er 1768 noch einmal in Petersburg gewesen w ar, innerhalb des Tem pler-O rdens mit Erfolg sich als Besitzer höherer Geheimnisse bezeichnen und den Anspruch auf eine leitende Stellung erheben konnte. Das wahre und höchste Ge­

heimnis des Ordens, sagte Starck, habe sich nicht bei den R itter­

orden, sondern innerhalb der „ F r a t r e s C l e r i c i “ oder der

„P riester-B rüder“ erhalten.

Starcks Kenntnisse in den orientalischen Sprachen verschafften ihm einen R uf an die theologische F a k u ltä t der U niversität Königsberg; hier bew ährte er sich so, daß er, o b w o h l h e i m l ic h n a c h w ie v o r K a t h o l i k und F reim aurer, 1770 die Stelle des zw eiten Hofpredigers und 1773 die des Oberhofpredigers erhielt.

Im Jah re 1777 gab S tarck aus unbekannten Gründen alle seine Königsberger Ämter auf, ward aber durch unbekannte Einflüsse 1781 nach D arm stadt berufen, wo er, obwohl bis zu seinem Tode heimlich katholisch, im Jahre 1816 als K onsistorial-P räsident gestorben ist.

Der rektifizierte TempelherrnoTden der Starckschen L ehrart

gedieh anfänglich unter den Händen eines so geschickten Mannes

vortrefflich. S tarck w ußte den schwierigen Kampf sowohl nach

der Seite der englischen L ehrart wie nach der der bisherigen

Tem pler m it großem Geschick zu führen; den ersteren bot er

Schach, indem er die Sympathien aller gläubigen Christen auf seine

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