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Zeitschrift für Kirchengeschichte, 1898, Bd. 19, H. 3.

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J

Ausgegeben den 1. Oktober 1898.

V

Z E I T S C H R I F T

FÜR

K I R C H E N G E S C H I C H T E .

hhrausgugebkn von

B. T H E O D O R B R I E G E R ,

o a n i '. N T L . T R O K R SSO R P E R K I R C H E X O E R C IIIC H T E A N D F R U N IV E R S IT Ä T L E IP Z IG ,

UND

P r o f . L tc. B E R N H A R D B E S S ,

Z U R Z E IT H C L FK A R H E 1T F.R A N D E R KC.L. U N IV K R S IT Ä T S R in i.lO T H F .K ZU O Ö T T IN O E N .

XIX. Band, 3. Heft.

GOTIIA.

FRIEDRICH ANDREAS PERTHES.

1 8 9 8 .

K____________________ r

Auf raffen und Manuskripte werden erbeten an die

Adresse des zweiten Iferansyebers.

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(3)

Greorgios Gemistos Plethon.

Von

D . D r. Johannes Dräseke,

Professor am Matthias Claudius-Gymnasium zu Wandsbeck.

D afs das W ied erau fleb en des klassischen A ltertum s in Italie n eine w esentliche V o rb ed in g u n g fü r die deutsche R e­

form ation w ar; dafs derselben insbesondere die liebevoll un d b egeistert eindringende B eschäftigung m it den im M ittelalter vergessenen oder m eist n u r inhaltlich gew ürdigten W erk en d er röm ischen und griechischen K lassiker gerad e von Seiten d e r D eutschen in ihrem K am pfe gegen die V erw eltlichung d er röm ischen K irc h e , die V erunstaltung ih re r L e h re , das vielfach schandbare L eben und die U nw issenheit d er G eist­

lichen die w irksam sten W affen geliefert hat, das sind W a h r­

heiten, die je d ann u n d w ann ins G edächtnis zu rufen d u rc h ­ aus n ich t überflüssig oder unzeitgem äfs ist. D e r allgem eine geistige un d ästhetische G ehalt des A ltertum s w ar im M ittel­

a lte r verloren gegangen. M änner wie P e tra rc a (gest. 1374) u n d sein Schüler Boccaccio (gest. 1375) liefsen das klassische A ltertu m in n euer G estalt w ieder a u f leben. M an sah je tz t n ich t m ehr a u f den In h a lt der Schriftsteller allein, die F o rm ­ schönheit un d von geläutertstem K unstgeschm ack zeugende V ollendung ih re r W e rk e w aren es, a u f die je tz t das H a u p t­

g ew icht gelegt w urde. D u rch P e tra rc a , der a u f zahlreichen Reisen in I ta lie n , d e r Schw eiz u n d den N iederlanden den S p u ren des A ltertu m s unerm üdlich n achzugehen, die v e r­

schollenen R este desselben w ieder aufzufinden sich bem ühte und dem es u. a. g e la n g , S eneca, Q uintilians u n d Ciceros

Z eitschr. f. K -G. XIX, 3.

23

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2 6 6

rhetorische Schriften aus dem staubigen D u n k el d er B iblio­

th e k e n w ieder ans L ic h t zu ziehen, w ard zum erstenm ale d er B egriff d e r w eltlichen K u n st un d D ic h tu n g w ieder zu E h re n g ebracht. B occaccio, d er die erste griechische M y­

thologie schrieb, h a t Italien w ieder d a ra n gew öhnt, sich lieber in die heitere griechische G ötterw elt zu versetzen, als in die toten, geistlosen S pitzfindigkeiten des scholastischen D ogm as sich zu vertiefen. D e r einseitig gefafste B egriff des k a th o ­ lischen P rieste rtu m s tritt je tz t in den H in te rg ru n d v o r dem d er M enschheit, u n d zw ar diese a u sg erü stet gedacht m it dem schönen E rb e , das G ott ih r an V erstan d , E d elm u t u n d B e­

geisterung g eg eb en , freilich a b e r auch behaftet m it allen jen en Schw ächen, wie L eich tfertig k eit, E ite lk eit u n d R uhm ­

sucht, a n denen w ir besonders italienische H um anisten k ra n ­ k en sehen. A b e r das A ltertum füllte doch einm al w ieder in seiner ganzen H errlic h k eit den G esichtskreis aller d e re r a u s , die n ach höherer G eistesbildung trachteten. U n d so tr a t an die Stelle d er m ittelalterlich en , an so viele w issen­

schaftlich u n h altb are L eh ren u n d M einungen g ek n ü p ften W eltan sch au u n g der G ru n d satz des gesunden M enschenver­

standes, das grundsätzliche G ew ichtlegen a u f edle, zu vollem E b en m afs des W issens u n d K önnens gebildete M enschlich­

keit, d e r w ahre H um anism us.

Z u d e r begeisterten H ingabe an die G eisteserzeugnisse d er A lten k a m n u n ab e r fü r die italienischen H um anisten noch ein an derer, ih r S treb en b edeutend beeinflussender u n d lebhaft befeuernder G e d a n k e , d er an das V aterland. Sie fühlten sich als un m ittelb are N achkom m en der alten Römer.

D eren B ildung in sich aufzunehm en un d in derselben k las­

sischen F o rm wie je n e den K in d ern ih rer Z e it, im B u n d e m it dem , w as diese ihnen N eues bot, zu verm itteln, w a r Ziel u n d Z w eck ih re r rastlosen, vielgeschäftigen T hätigkeit. E in M ann wie L au ren tiu s V a lla , d er in seiner m it R echt be­

rü h m ten , a b e r erst d u rch U lrich von H u tten 1 1517 z u r G el­

tu n g g ebrachten Schrift „ V o n d er falschen u n d erlogenen

1) H u t t e n gab das Werk mit einer beifsenden, an den Papst ge­

richteten Vorrede heraus. Auch in seinem „ V a d i s c u s “ vom Jahre

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2 6 7

S chenkung K o n sta n tin s“ (D e falsa et em entita doDatione Constantini) vom J a h re 1440 zuerst L ic h t in je n e s geistliche M ythengew irr b rach te und in d er richtigen A h n u n g davon, wie eine gesunde geschichtliche B eurteilungskunst zu v er­

fahren habe, dem päpstlichen M achtgebäude k ü h n die G ru n d ­ lagen entzog, e rk lä rt offen, aus L iebe zum V aterlan d e seinen B eru f als H um anist zu erfüllen. U n d d er als G eschichts­

schreiber u n d klassischer Ü b ersetzer des H erodianos gefeierte A ngelus Politianus „ fü h rt in ähnlicher W eise als G ru n d seiner

1520 (Übersetzung von Dr. O t t o S t ä c k e l , Berlin 1869, S. 14) kommt er auf die Sache zu sprechen und äufsert dort: „D afs das Ganze nichts ist als ein Betrug, der aus päpstlicher Habsucht hervorging, dafür zeugt, dafs wenn die damaligen Pfaffen gewesen wären, wie die heutigen, sie sich nichts hätten entziehen lassen. . . . Wahr ist, dafs niemals ein Papst auch nur in den Besitz eines Vierteils der Lande gekommen, die ihnen nach ihrer Behauptung Konstantin geschenkt haben soll; aber ganz von dem ändern zu geschweigen, sogar der Stadt Rom haben sie erst mehrere Jahrhunderte nach dem Tode jenes Kaisers sich zu be­

mächtigen gewagt, während sie dieselbe vorher keineswegs inne gehabt.

Also spät erst folgte dieser uralten (wie sie sprechen) Schenkung die Besitznahme auch nur des winzigsten Teils derselben. Hätten sie aber zu irgendeiner Zeit auf dieselbe aus freien Stücken verzichtet, würden sie sich darüber nicht von den Königen und Fürsten haben Brief und Siegel ausstellen lassen? Haben sie nun das Privilegium Konstantins so sorgfältig aufbewahrt, wer will dann glauben, dafs sie dies Zeugnis ihrer Grofsmut so wenig in Acht genommen? Schwänke das alles! Dafs ich sage, was ich meine, so hat sich’s mit der Geburt dieses Privi­

legiums also verhalten: Als einmal ein habsüchtiger Papst, sei’s wer es wolle, bei günstiger Gelegenheit einen Teil Italiens an sich gerafft hatte, behagte ihm der erlangte Vorteil ganz aufserordentlich, und wie die Hab­

sucht unersättlich ist, machte er dabei nicht Halt, sondern nahm sich vor, weiter um sich zu greifen. Die Zeiten waren günstig, der Aber­

glaube stand in voller Blüte und nährte die Hoffnung auf weiteren Ge­

winnst, wenn man die Einfalt des Volkes und die Trägheit der Fürsten nur benutzen wollte. So begann ein Papst, sein Gebiet zu erweitern.

Seine Nachfolger schritten auf diesem Wege weiter, das Rauben, was einer sich erkühnt, ward zur Gewohnheit, bis zuletzt ein sehr durch­

triebener Papst, der meinte, der Kirche einen grofsen Dienst zu leisten, wenn er diesen Anmafsungen einen Rechtsgrund gäbe, auf ein alt Stück Pergament oder das er vorher hatte im Staube liegen und sich mit Schimmel überziehen lassen, dieses göttliche Edikt geschrieben hat, un­

zweifelhaft viele Jahrhunderte nach Konstantin.“

2 3 *

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B eschäftigung m it röm ischen Schriftstellern an, dafs diese sich , de m ajoribus nostris* wohl verdient gem acht h ätten un d folgerichtig m it vollem B ü rg errec h t w ieder in ihre alte H ei­

m a t zu kom m en trac h teten “ *. A nders stand es m it den m it­

streb en d en G riechen, die schon lange v o r dem F alle K o n ­ stantinopels — d er erste M anuel C hrysoloras, seit 1397 — im m er zahlreicher sich in Italien einstellten un d hier ihre S p rach e lehrten u n d ihres V olkes G eisteserzeugnisse den A b en d län d ern , Italien ern u n d D eutschen auslegten. Sie h a t­

ten keine H eim at m e h r, die allm ähliche Ü berflutung ihres V aterlan d es d u rch die T ü rk e n hinderte sie a u f geistigem W a h lp la tz .für H e rd un d A lta r zu käm pfen. Sie w aren m eist arm e F lü c h tlin g e , die des A bendlandes G astfreu n d ­ schaft in A n sp ru ch nahm en. E s b e d a rf hier nicht d er A us­

fü hrung, m it w elchem E rn ste gerad e die deutschen H u m a ­ nisten, an G rü n d lich k eit u n d Tiefe der B ildung ihren itali­

enischen u n d griechischen L e h re rn g a r bald überlegen — es seien n u r M änner wie A gricola, Wressel, H egius, B usch, E rasm u s, R euchlin, M elanchthon g e n an n t — , die neue G eistes­

bild u n g in den D ien st d er christlichen B ildung u n d W issen­

schaft stellten. U n d d a d u rch unterschieden sie sich w esent­

lich von den italienischen H um anisten. W ä h re n d diese, d u rch das blendende Beispiel ih rer V orfahren verführt, in G esinnung, H a ltu n g un d S itte heidnischem WTesen zuneigten u n d zum C hristentum in bew ufsten G egensatz tra te n , nahm en die D eutschen die neue B ildung zw ar m it gleicher B egeisterung w ie je n e auf, blieben ab er im H erzen gute Christen. U n d das gilt auch im wesentlichen von der M ehrzahl d er G riechen.

N u r einer aus ih re r M itte, d er letzte selbständige N eupla- to n ik e r un d fü r das A b endland der gefeierte E rn e u e re r des P latonism us, ein M ann, in w elchem die gesam te B ildung des griechischen A ltertum s sich noch einm al vereinigt zeigt, w an d te sich von dem v äterlichen G lauben d er griechischen K irch e in sta rre r Ü b erzeugung zum hellenischen H eidentum zu rü ck , G e o r g i o s G e m i s t o s P l e t h o n .

1) J a c o b M ä h l y , Angelus Politianus. Ein Kulturbild aus der

Renaissance (Leipzig, Teubner, 1864), S. 3.

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D ieser M ann ab e r wollte m ehr sein als blofser E rk lä re r u n d A usleger Platons, auch in Italien, wo w ir ihn z u r Z eit d er F lo ren tin e r K irchen Versammlung 1439 in dieser R ich tu n g th ä tig sehen. E r w ollte R eform ator seines V olkes w erden, wollte eine staatliche und religiöse E rn e u e ru n g seines V a te r­

landes herbeiführen. D afs er im Sinne und in N achahm ung P lato n s diesen V ersuch a u f altheidnischer G rundlage u n te r­

nahm u n d gleichwohl in den religiösen A ngelegenheiten des byzantinischen Reiches, den K irchenvereinigungsbestrebungen des fünfzehnten Ja h rh u n d e rts eine h ervorragende Rolle spielte, führte ihn zum Zw iespalt m it sich selbst un d seinen Z eit­

genossen. U nd dieser b rach te sein W e rk zum Scheitern.

D asselbe m ufste scheitern, ebenso wie d er gleichartige V er­

such des K aisers J u lia n u s , weil P lethon in seiner blinden B egeisterung für das A ltertum die B edingungen fü r die D u rc h fü h ru n g seiner G ed an k en völlig unterschätzte un d v e r­

k a n n te u n d die furch tb aren Z eichen d er Z eit nicht zu deu­

ten verstand.

D ie reform atorischen B estrebungen P lethons hier schil­

d ern zu wollen, hiefse E ulen n ach A then tragen. A bgesehen von dem älteren trefflichen W e rk e von W . G a f s , G e n n a - d i u s u n d P l e t h o , A r i s t o t e l i s m u s u n d P l a t o n i s m u s i n d e r g r i e c h i s c h e n K i r c h e (B reslau 1844), h a t beson­

ders F r i t z S c h u l t z e in einer von ihm g ep lan ten , leider unvollendet gebliebenen „ G eschichte der Philosophie der R en aissan ceu, in einem e rste n , K uno F isch er gew idm eten B ande ( J e n a , M aukes V erlag , 1874) „ G e o r g i o s G e - m i s t o s P l e t h o n u n d s e i n e r e f o r m a t o r i s c h e n B e ­ s t r e b u n g e n u so eingehend und gründlich behandelt, dafs jed es W o rt w eiter ü b er diese F ra g e vom Ü bel sein w ürde.

W ohl a b e r dürfte es lehrreich sein, Plethons Stellung zu den seine Z eit bew egenden theologischen F ra g e n ein wenig genauer kennen zu lernen, um so m ehr, als ein naheliegen­

d er V ergleich m it unserem R eform ator D. M artin L u th e r

dessen W e rt u n d B edeutung uns einm al w ieder von an d e rer

Seite zum Bewufstsein bringen w ird. Alle hierfür nötigen

Q uellenschriften, die Reste von P lethons H a u p tw e rk , sowie

an d ere Schriften von ih m , seinen F re u n d e n un d G egnern

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liegen uns vo r in einer ausgezeichneten V eröffentlichung des französischen Philologen C. A l e x a n d r e in P a ris, der alles vo n an deren u n d ihm E n td e c k te im J a h re 1858 h erausgab u n te r dem T ite l: I I ^ H O Q X O Z N O M Q N 2 Y r r P A G > H 2 T ^ 4 H Q Z O M E N ^i. P l e t h o n . T r a i t e d e s l o i s , ou re- cueil des fragm ents, en p artie inedits, de cet o u v ra g e ; tex te re v u su r les m anuscrits, pr^cede d ’une notice historique et critique, et augm entö d ’un choix de pieces justificatives, la p lu p a rt inedites, p a r C. A l e x a n d r e , m em bre de l’In stitu t, A cadem ie des Inscriptions et Beiles - L e ttr e s ; trad u ctio n p a r A. P e l l i s s i e r , agrege de philosophie, professeur de logique a u College de Sainte-B arbe. P a r is , L ib rairie de F irm in D id o t freres.

D a s äufsere L eb en Plethons ist, von dem schon erw äh n ­ ten F lo re n tin e r A ufenthalt abgesehen, fast ein Ja h rh u n d e rt la n g in solcher Stille im Peloponnes zu S p a rta , oder Misi- th r a , wie dies dam als hiefs, v erlau fen , dafs es sich k au m v erlohnt, d a rü b e r viel zu reden.

P lethon, um 1355 in K onstantinopel geboren u n d aus angesehener Fam ilie stam m end, h atte schon in seiner Ju g e n d das E len d d er a u f seinem V aterlande lastenden Z eitum stände k ennen gelernt. D as C hristentum seiner Z eit w ar e rsta rrt u n d v erk n ö ch ert u n d bildete keine lebenschaffende M acht m eh r in seinem Volke. So sehen w ir den ernsten Jü n g lin g b ereits m it d er F ra g e besch ä ftig t, wie dem V aterlan d e zu helfen, wie es zu retten sei, u n d frühzeitig h a t sich ihm, a n ­ gesichts d er trostlosen staatlichen und religiösen Z ustände des byzantinischen Reiches die E rn e u e ru n g d er E in rich tu n g en u n d religiösen A nschauungen des A ltertum s als das einzige M ittel dazu ergeben. Als K aiser Jo h a n n es V. Paläologos 1370 jene abenteuerliche Reise in das A b endland u n te r­

n a h m , a u f d e r er Hilfe un d Schutz gegen die türk isch e

Ü b erflu tu n g des Reiches z a suchen ging, w a r K onstantinopel

schon in tiefem Verfalle. Um so m e h r hoben sich du rch

S ultan M urats U n terstü tz u n g von K u n st u n d W issenschaft

d ie beiden dam als schon tü rk isch en H au p tstäd te, in E u ro p a

A drianopel, in Asien B rusa. W ir finden P le th o n , den

tra u rig e n Z u stän d en d er V a te rsta d t entronnen, um 1380 in

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GEORGIOS GEMISTOS PLETHON. 2 7 1 B ru sa, wie sein sp äterer G egner G ennadios beh au p tet, um den bei Hofe sehr einflufsreichen J u d e n Elissäos zu hören, d er P olytheist gew esen sei. O b P lethon d u rch ihn m it Z oroasters L eh ren b ek a n n t w u rd e , wissen w ir n ic h t, ab e r das eine läfst sich verm uten, dafs, falls P lethon dam als schon dem C hristentum feindliche A nschauungen h eg te, er durch Elissäos d arin b e stä rk t w urde, wo nicht, so k onnte er hier in B ru sa a u f das leichteste dazu kom m en. D as beklagens­

w erte G eschick seines L ehrers, d e r — es ist nicht ganz k la r, aus w elcher U rsache — den F eu erto d starb, veranlafste P leth o n um 1393 den osm anischen H o f zu verlassen. E r g ing a b e r nicht nach B yzanz z u rü c k , das gerade seit 1393 eine zehnjährige B elagerung von Seiten d er T ü rk e n zu b e­

stehen hatte, sondern w andte sich nach dem Peloponnes, wo e r als L e h re r in S p a rta (M isithra) seinen W ohnsitz nahm u n d d o rt bis zu seinem T ode blieb. I n diese Z eit fallt eine Reihe von noch nicht selbständigen Schriften, zum eist A us­

zügen aus den W e rk e n d er Alten. Selbständiger erscheint eine geographische Schrift ü b er Thessalien un d ein k a le n ­ darisches W e rk , in w elchem w ir höchst w ahrscheinlich schon ein K apitel aus P lethons sp äter noch besonders zu erw ähnen­

dem H au p tw erk e, den „ G esetzen “ ( Nofxoi oder No/ucov o vy- yqacpifj) zu erkennen haben. D ie elenden Z ustände des L a n ­ des, die sittliche V erw orfenheit des Volks, u n te r dem er leben m ufste, d e r trostlose staatliche V erfall mufsten einen m it der G eschichte seines V olkes so v e rtrau te n M ann wie P lethon d ringend bew egen, a u f Abhilfe zu sinnen. D e r Peloponnes, im A nfänge des 13. Ja h rh u n d e rts von fränkischen R ittern erobert, u n te r M ichael V III. Paläologos zum gröfsten Teile w iedergew onnen u n d seit 1262 du rch byzantinische S ta tt­

h a lter verw altet, w ar 1388 von K aiser Johan n es V. seinem Sohne T heodoros zu L ehen gegeben w orden. D ie Z ustände u n te r seiner R egierung w aren geradezu u n h altb ar. E rsc h ü t­

te rn d u n d b etrü b en d zugleich ist die S ch ild eru n g , die d er gleichzeitige M azaris in dem seiner „ H a d e s fa h rt“ an gehäng­

ten Briefe davon entw irft 1. T heodoros w a r a b e r nicht etw a

1) A. E l l i s s e n , Analekteu der mittel- und neugriechischen Litte-

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besser als seine Unterthanen. Als 1 3 9 6 die Osmanen zum erstenmale durch die Thermopylen in Hellas einbrachen und.

1 3 9 7 im Peloponnes erschienen, floh er, nachdem er den zur Verteidigung wie geschaffenen Isthmos ohne Schwertstreich preisgegeben hatte, schimpflich aus dem Lande und wollte dieses nunm ehr an die Johanniter verkaufen, ein Versuch, dem sich allein Sparta, wahrscheinlich durch des Philosophen thatkräftiges Eingreifen dazu bestim m t, kühn widersetzte.

In dieser traurigen Zeit gewannen Plethons G edanken zur Neugestaltung der Verhältnisse Gestalt und Leben. Die Zeit schien ihm ganz besonders dazu günstig. An die Stelle des 1 4 0 7 gestorbenen, unfähigen Theodoros w ar dessen gleich­

namiger Neffe getreten, der Sohn seines B ruders Manuel ( 1 3 9 1 — 1 4 2 5 ) , welcher Johannes IV. Paläologos auf dem kaiserlichen Thron gefolgt war. D azu kam en die friedlichen Verhältnisse, in denen das Reich damals zu Sultan Moham­

med I. stand, der, einzig au f Abwehr der ihm drohenden furchtbaren Tartarengefahr bedacht, unter Abschlufs eines Freundschaftsbündnisses, Kaiser M anuel II. Thessalien und den Peloponnes sowie auch eine Reihe befestigter Plätze am Schwarzen Meere und an der Propontis überlassen hatte.

Jetzt forderte Plethon nachdrücklich den durch den Os- maneneinfall als dringend nötig erwiesenen Bau der über den Isthmos zu ziehenden Mauer. A ber die M auer allein konnte den H auptübelständen nicht abhelfen; es bedurfte vor allem

ratur, 4. Teil, Abtl. I, S. 238 ff. Genauer lautet der Titel dieser zeit- und besonders sittengeschichtlich aufserordentlich wichtigen Schrift:

Mci'Cuni iv AWov. Was den Verfasser betrifft, so glaubte noch E l l i s s e n (a. a. 0 . S. 27) die Frage unentschieden lassen zu müssen, „ob der sonst nirgends genannte Name Mazaris oder Ma- zari sein wahrer, oder nur ein fingierter Name s e i“. Auch für F r i t z S c h u l t z e (a. a. 0 . S. 34), dessen zuvor genanntem Werke ich im Folgenden einige wichtige Belegstellen in deutscher Übersetzung ent­

nommen habe, war „der unbekannte Verfasser des satyrischen Toten­

gesprächs Mazaris“ nur ein Zeitgenosse, dessen Schilderungen durch

die Geschichte bestätigt werden. In einem sehr lehrreichen Aufsatz

über „Mazaris und seine W erke“ (Byz. Zeitschr. V, S. 63— 73) hat

Spyr. P. L a m b r o s dagegen bewiesen, dafs Mazaris „der wirkliche,

nicht ein erdichteter Name des Autors“ ist.

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einer sittlichen Neugeburt. Die christliche Religion, das hatte ihm die bisherige E rfahrung bewiesen, w ar dazu nicht im­

stande gewesen. E s galt zur R ettung des Vaterlandes eine andere Religion zur Geltung zu bringen. Und dam it schlofs sich nun Plethon an die grofsen Reformatoren des Altertums, Pythagoras und Platon an. W as Platon zum Heile des Staats gethan und ersonnen, dafür tritt auch Plethon be­

geistert ein. E r ist, wie ich zuvor schon bemerkte, der letzte grofse Neuplatoniker, und sein grofses zusammenfassendes W erk, die bereits genannten „G esetze“ (NöfAiov GvyyQctcprj), das uns freilich nur aus umfangreicheren Bruchstücken be­

kannt ist, legt dafür Zeugnis ab. Dafs die H auptgedanken dieses bedeutenden W erkes schon um 3 415 in Plethon ge­

reift waren und zum Teil bereits in der dort gewählten Fassung ihm feststanden, geht aus den beiden Denkschriften

„ U b e r d i e A n g e l e g e n h e i t e n i m P e l o p o n n e s “ hervor, welche Plethon in diesem Jah re an Kaiser Manuel II. und seinen Sohn Theodoros richtete. D er Inhalt beider ist im wesentlichen derselbe, beide enthalten in kurzen Zügen die sittlichen und religiösen Gedanken der späteren Hauptschrift.

Den Inhalt der geistvollen, in klassischem Griechisch ge­

schriebenen Schriften im einzelnen zu verfolgen, würde zu weit führen l. Plethon fordert, in Anlehnung und Ausfüh­

rung einzelner Gedanken Platons in dessen „ S ta a t“ und

„G esetzen“, eine gründliche Neugestaltung aller Verhältnisse, er verlangt ein wirkliches Volksheer statt der elenden, ehr­

vergessenen Mietlinge, Bewachung des Isthmos, sachgemäfse Aufbringung der Steuern und gerechte Verteilung derselben u. s. w. A ber auch seine r e l i g i ö s e n B e s t r e b u n g e n u n d A n s i c h t e n treten hier bereits deutlich hervor. W enn er in der zweiten Schrift, an Theodoros, im 15. Kapitel (a. a. O. S. 73/74) von der W ichtigkeit der religiösen Ü ber­

zeugungen der Landeseinwohner für das W ohl des Staates und von den drei wesentlichsten hier in B etracht su ziehen­

1) Ygl. A. E l l i s s e n s schöne Ausgabe und Übersetzung der bei­

den Schriften in der zweiten Abteilung des vierten Teiles der genannten

Analekten (Leipzig, 0 . Wigand, 1860), S. 41—84.

(12)

2 7 4

den Irrtüm ern handelt, und im 16. Kapitel (a. a. O. S. 74/75) die heilsamen W irkungen der richtigen Erkenntnis in gött­

lichen Dingen und die verderblichen Folgen der entgegen­

gesetzten Irrtü m er mittelst ihres Einflusses auf die Sittlich­

keit erörtert: so bewegt er sich dam it in religiösen W a h r­

heiten, die allgemeinerer A nerkennung sicher sein konnten.

Anders geartet sind seine Ausführungen in der ersten, an K aiser Manuel Paläologos gerichteten Denkschrift. „ W a s die Leute betrifft“, so erklärt Plethon hier im 15. K apitel (a. a. O. S. 5 0 ff. bezw. S. 9 5 ff), „d ie ihr L eben, wie sie sagen, in geistlichen Betrachtungen hinbringen (

r o lg

S i

( p i l o - a o (f£ iv f-isv cpaoyiovoi,

der alte klassische A usdruck für mön­

chische Beschäftigung) und die unter diesem Vorwande auf einen richtigen Anteil am Staatsgute Anspruch m achen, so kom m t ihnen meines Erachtens nichts davon zu. Sie mögen das Ihrige ungeschmälert geniefsen und von den Steuern für das Gemeinwesen frei bleiben, aber ebenso wenig aus dem öffentlichen Schatze etwas empfangen, wie ich es wenig­

stens für billig und ihrer Lebensart angemessen halte. Dafs solche Leute an dem Niefsbrauch des Staatsvermögens teil haben sollten, will weder für die Em pfänger, noch für die, welche ihnen das Recht daran zubilligen, sich schicken. Die­

jenigen, welchen der E rtra g der Staatsabgaben zugute kommt, empfangen dam it den Lohn der Bemühungen, denen sie als W ächter des Gemeinwohls für die öffentliche Sicherheit sich unterziehen. Jene geistlich beschaulichen Leute aber (wie oben

r o v g d e quX ooocpelv 7io io v fj.tv o v g )

leisten nichts für das Gemeinwesen, indem für den öffentlichen Gottesdienst andere P riester verordnet sind; vielmehr halten sie laut ihrer eigenen Angabe sich von jeder ändern Beschäftigung fern, um sich n u r der Gottesverehrung für sich selbst und der Sorge für ihr Seelenheil zu widmen. W enn nun die einen den Lohn der Verdienste um das Gemeinwohl mit unstatthafter Be­

rufung auf ihre Tugendbestrebungen in Anspruch nehmen,

die ändern aber ihnen denselben zum Nachteil derer, welchen

er wirklich gebührte, zuerkennen, so kann dies doch wohl

niemand für billig halten, als wer selbst von gewaltigem

Aberglauben, einer dritten A rt von Gottlosigkeit, befangen

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2 7 5 ist, vermöge dessen er sich einbildet, dafs solche über Ge­

bühr ausgeteilte Gaben Gott wohlgefällig seien. (16) Eine solche Ansicht scheint mir selbst mit den Lehren derer, die zuerst jene beschauliche Lebensweise einführten, nicht über­

einzustimmen; nach ihren Grundsätzen sollte vielmehr ein jed er nach K räften arbeiten, um so möglichst seinen Lebens­

unterhalt zu gewinnen, mitnichten aber auf Erpressungen sich angewiesen halten. Es kann nicht fehlen, dafs es übel um das Gemeinwesen steht, wenn bei der Bereitwilligkeit zu solchen ungehörigen Ausgaben auf der einen Seite, ander­

seits Ansprüche au f derartige Verleihungen aus dem öffent­

lichen Schatze von Menschen erhoben w erden, die nichts dafür leisten, die n ur den S taat schädigen und sich selbst em müfsiges, drohnenartiges Leben bereiten, ohne auch nur die geringste Scham darüber zu empfinden (dgy^v %ai *ri- cpn\vd)dri ° (f > 'LOlv ctvTÖig y.axao/.EvaCovTag, x a i ovd* a io x v v o - /.levovg b e i z<£ r o v rcg d y^ ia to g ccig x q Q )“

D as war ein Schlag gegen das M ö n c h t u m im byzan­

tinischen .Reiche, und zw ar ein so unerhörter und einzig­

artiger, dafs jed er andre Byzantiner um solcher Aufserungen willen für immer mundtot gem acht, seiner Freiheit oder seines Vaterlandes beraubt worden wäre. E l l i s s e n freilich meint (a. a. 0 . S. 142, Anm. 19), es scheine „P lethon selbst unter dem aufgeklärten Teile des Klerus nicht durchaus an Beistimmung gefehlt zu haben.“ „Schw erlich würde sonst“, folgert er, „nachdem er sich Öffentlich zu solchen Ansichten bekan nt, das Oberhaupt der orthodoxen K irche, der P a tri­

arch Joseph II. (wie Syropulos, Hist, concil. Florent. V II, 8, p. 197, erzählt) seine W eisheit und seinen W ahrheitseifer in so verbindlichen W orten anerkannt und nach seinem Tode sogar ein Mönch, Gregorios, sich zu seinem Lobredner (s. Alexandre, p. 387—403) berufen gefühlt haben.“ Die angeführten Gründe erscheinen m ir nicht stichhaltig. Gre­

gorios gehörte dem vertrautesten Freundeskreise Plethons an und teilte, trotzdem er Mönch war, die heidnischen A n­

sichten seines Meisters, die er, wie die von der Seelenwan­

derung und der Unsterblichkeit, in fast wörtlicher Ü berein­

stim m ung mit Plethons Ausführungen in den „G esetzen “

(14)

2 7 6

in seiner Gedächtnisrede zur Darstellung bringt 1. Der Pa­

triarch Joseph aber konnte infolge der religiös - politischen Haltung Plethons, auf die wir noch zu sprechen kommen, gar nicht anders, als dessen Weisheit und Eifer anerkennen.

Nein, der Grund für die Möglichkeit unbeanstandeten Aus­

sprechens nach byzantinischen Begriffen so ketzerischer An­

sichten über das Mönchtum lag einzig und allein in dem hohen, allgemeinen Ansehen, das Plethon als eine sittlich in jeder Hinsicht makellose Persönlichkeit, als gefeierter Lehrer und als wegen seiner Milde und Weisheit berühmter Rich­

ter 2 — ein Amt, dessen er bis zu seinem Tode waltete — beim ganzen Volke und besonders am kaiserlichen Hofe ge- nofs. Und letzterer ist der allein ausschlaggebende. Der kaiserlichen Huld hat er sich Zeit seines Lebens zu erfreuen gehabt. Schon 1445 durfte er Kaiser Manuel II. und seinem Sohne die beiden Denkschriften widmen. Und zwölf Jahre später wurde er, wie drei von Pasquale Placido 1862 aus dem Archive zu Neapel ans Licht gezogene byzantinische Urkunden beweisen, vom kaiserlichen Hause mit einigen wert­

vollen Besitzungen nebst allen daran haftenden Gerechtsamen, sogar mit dem Recht der Vererbung an seine Söhne, be­

lehnt, eine Gnadenerweisung, die Kaiser Johannes VIII.

(1425— 1448) bei seiner Anwesenheit im Peloponnes 1428 durch eine Goldbulle feierlich bestätigte.

1) V g l. G r e g o r i o s bei A l e x a n d r e , A ppend. X I X , S. 4 0 0 'A v u - X o y o v o v v 'i y t i v t p a o l v x rX . m it P le th o n s N ö fx o i S . 2 4 2 ; S. 4 0 2 o w ff y a Q ov$* i a r i v a n X ß g x tX. m it N o y .o i b. 2 42.

2) G r e g o r i o s a. a . 0 . S. 3 9 6 : T o v [ i t v o v v A v o i / u d / o v n a l S t i ( f a a i v 'A Q ia r d S r } v rrj tGj v (föocov tcnCarij S ia v o fA y [ ity iG T o v l n \ d i x a i o - a v vrj n ttQ a n ä o i r o ig ' ’E X X rja iv a v a $ r fo a a & a i xX io g . O v ro g (T ov% a n a % , a>on£Q I x e t v o g , <UAa n ü a i S i a ßCov v t y w v r a d i x c a a , noXXoj x a x u v o v v n fQ tjo e r o ig n ä a i v . "Og y e x a i n g o a T u r y g a v a y a v d g I n l % o 6 vo v a v / v ö v r & v n a T Q to w v x a i x o tv & v v ö tu w v , i n l rrj ä x f t X t u i rOHv UXXcüv n o X X a x ig diXcycjQei x a i r ß v o l x e t w v , ü X ä r w v i x a v ro vT (p n tid - ö fx fv o g . . . 1 Og v n d (fiXav&QQjnCag o v Slq>xei S ia iT r jifi, nQ O G rarrjg ä>v x a i r a v r a r o v r ß v ‘EXXrfvcov fis y C ß r o v d ix a a r r jQ io v , aXXa x o iv q i n Q o a rttT ri x a i x rjtfe fto v i, in ix o v Q (p r e x a i n a r q l , iQ a ß o rjd -tla g a S i x o v p i v o i g Ö Q iy o v n , x ^ Q a ig I n a g x o v v T i n o X X a x ig , I v S t i a i v I m x a i Q o v v T i , n i i ö i v i£rjg I x r ß v i v o v r t a v

(</Ll V V O V T l.

(15)

Plethons V orschläge zu r N eugestaltung d er D inge im Peloponnes k a m e n zu spät, wie der aberm alige, ach t J a h re sp äter erfolgende E in b ru c h d er O sm anen m it fu rch tb are r A nschaulichkeit bewies. Z eit u n d M enschen w aren unfähig, des Philosophen tiefdurchdachte und an sich durchaus nicht u n d u rch fü h rb are G ed an k en zu fassen un d in die W irk lic h ­ k e it um zusetzen. Seine D enkschriften haben d aher die w ider­

sprechendste B eurteilung erfahren. W äh ren d E l l i s s e n (a. a. O. S. 2 5 ) in ihnen „ d a s m it k larem Bewufstsein aufs P ra k tisc h e gerichtete S treb en eines k räftig en und kühnen, v o r keinen K onsequenzen zurücksch reck en d en G eistes“ sah,

„ d e r zudem u n d zw ar gerad e bei seinen g ew agtesten, a n ­ scheinend u n au sfü h rb arsten T h e se n , in d er Theorie a u f die noch heute in höchster G eltung stehende A u to ritä t eines der gefeiertsten W eisen des hellenischen A ltertum s sich berufen k o n n te “ : so erschien P lethon den älteren B eurteilern, F a l l - m e r a y e r ( 1 8 3 6 ) u n d F i n l a y ( 1 8 5 1 ) , die beide noch nichts von dem engen Z usam m enhange w ufsten, in welchem die D en k sch riften m it P lethons H a u p tw e rk , d er — erst 1 8 5 8 veröffentlichten — „G esetzesau fzeich n u n g “ (Ndfxtov ovyyqcKprj) stehen, als „ e in e m erk w ü rd ig e P erson, weil er zu jen en M än­

n ern g eh ö rt, die ih re r schw er erw orbenen B ücherw eisheit au ch eine p raktische A nw endung zu N utz und F rom m en ih re r M itb ü rg er zu geben suchen “, als „ ein gelehrter S ch w är­

m er, d er seine Z eit ebenso w enig als die M enschen ü b erh au p t b e g riff“ 1. F a l l m e r a y e r h a t gleichwohl schon aus den k u rzen A ndeutungen d er D enkschriften die tieferen, beson­

d ers dem C hristentum feindlichen G ru n d g ed an k en Plethons ric h tig herausgefühlt un d dieser seiner A uffassung vortreff­

lichen A u sd ru ck gegeben. „ W ill m an ü b rig e n s“, sagt er a. a. O. S. 3 1 7 , „ P le th o n s R estaurationslehre im G eiste seines

1) So F a l l m e r a y e r in seiner „Geschichte von Morea“ II, S. 300.

F i n l a y sagt in seiner „History of Greece“, p. 282 ganz ähnlich: A

political moralist of the time, Gemistos Plethon, with the boldness, that

characterises speculative politicians, proposed schemes for the regenera-

tion of the people as daringly opposed to existing rights, and as im-

practicable in their execution, as the wildest projects of any modern

socialist.

(16)

2 7 8

eigenen Ja h rh u n d e rts un d nach d er innersten G rund- u n d L ebensidee des byzantinischen S taates prüfen, so w ird das antibyzantinische und sohin a n t i c h r i s t l i c h e derselben deutlich hervorleuchten. Im tausen d jäh rig en byzantinischen Reiche, diesem neuen Rom u n d Jeru salem , h a t sich d er G ottes­

staat, dessen G eschichtschreiber u n d G esetzgeber St. A ugustin w a r, zum erstenm al in d er W e lt v erw irk lich t u n d zugleich vollen Beweis gem acht, dafs ein allgem eines W eltreich C hristi n ach dem theologischen Sinne n u r dogm atisch u n d in den F o rm en au sfü h rb ar, ein G ottesreich lebendiger T u g en d u n d allgem ein befru ch ten d er G erechtigkeit ab e r hienieden ebenso u n e rreich b ar ist als im w eltlich-klassischen Sinne die R e p u ­ blik. In der byzantinischen Staatsidee w are n C hristus u n d d er Im p e ra to r in eins verschm olzen, das sichtbare H a u p t eines W eltreiches, eines him m lischen, eines goldenen Reiches d e r M itte, dessen F eld h e rre n nicht m it irdischen W affen u n d Söldnern fo ch ten , sondern m it H ilfe des k a i s e r l i c h e n S e g e n s , kaiserlicher M irakel un d G laubensdefinitionen, gegen die in scythischen und saracenischen L eibern heranziehenden G eister d er Hölle zu F eld e zogen. D ie S pringfedern dieses R eiches sowie die H eilm ittel z u r W ied erh erstellu n g und B e­

festigung d er T eile desselben lagen in d er gegenseitigen L ieb e und Ü bereinstim m ung zw ischen C hristus u n d dem theolo­

gischen Im p e ra to r a u f dem T h ro n e zu B yzanz. D ieser B e­

griff w ar so lebendig ausgeprägt, dafs u n te r K onstantin P o- g onatus im 7. J a h rh u n d e rt die byzantinische A rm ee einen K aiser in drei P erso n en forderte, um d er him m lischen D re i­

einigkeit gleichsam eine irdische, von e i n e m W illen beseelte D re ik aise r - T rin itä t entgegenzustellen. G em istus a b e r will dieses geistliche R eich säcularisieren un d ist u n te r allen byzantinischen G elehrten d er erste und einzige A b t r ü n n i g e , d e r zw eite Ju lia n d er him m lischen S taatsth eo rie; er ist A n ti­

christ d u rch den neuen G ru n d sa tz , w elchen e r seiner poli­

tischen H eilm ittellehre u n te rle g t, dafs näm lich W o h l u n d W e h e d e r S t a a t e n n u r v o n d e r G e s e t z g e b u n g , d. i. von d e r richtigen E in sich t u n d dem k räftig en W illen d e r M enschen abhängig sei."

U m f ü r P l e t h o n s V e r h a l t e n i n d e n t h e o l o g i s c h ­

(17)

GEORGIOS GEMISTOS PLETHON.

p o l i t i s c h e n F r a g e n s e i n e r Z e i t das rechte L ich t des V erständnisses zu g ew in n en , b e d arf es n u r des H inw eises a u f e i n e T h atsach e, deren völlige K larstellung w ir F r i t z S c h u l t z e verd an k en . D erselbe h a t nachgew iesen, wie der engere K reis d er v e rtrau te n S ch ü ler, d er sich um P lethon in S p a rta sam m elte, zu einer A rt B und vereinigt w ar. D as G esetzbuch dieses B undes w a r die „G esetzesaufzeichnung“

{Nof.uov avyyqacprj), je n e H au p tsch rift Plethons, welche nach seinem eigenen A u sd ru ck seine „ D o g m e n “ enthielt, w orin er, wie G regorios sich a u sd rü c k t 1, „ d e n schlechten W e g “, d. h. das C hristentum verw arf, gegen welches P lethon dort w iederholt sich feindlich w endet. U n d diese Schrift lag d a ­ m als bereits vor, wie viele w örtliche B enutzungen von P le­

thons Schülern beweisen. J a Georgios Scholarios, d er 1428 den K aiser a u f seiner Reise in den Peloponnes begleitete, e rk lä rt ausdrücklich, dafs ihm dam als glaubw ürdige M änner das V orhandensein des W e rk es bezeugten, und dafs er selbst aus zahlreichen offenbaren Beweisen zuerst im Peloponnes, d an n sp äter in Italien dasselbe bem erkte 2.

A us dieser T hatsache e rk lä re n sich alle V erw ickelungen un d Z w eideutigkeiten in Plethons weiterem , besonders öffent­

lichem L eben. E r wollte eine neue Religion g rü n d e n , e r w ufste, dafs er bei seiner U m gestaltung u n d N euordnung aller D inge m it allem Bestehenden in W id ersp ru ch u n d Z w ist geriet, hatte a b e r n ich t den sittlichen M u t, den V ertretern d er alten O rd n u n g freim ütig un d offen entgegenzutreten u n d fü r seine Ü berzeugung den K am p f aufzunehm en. D enn als K aise r Jo h an n e s V I I I ., d er nach dem Tode des freundlich

1) G r e g o r i o s a. a. 0 . S. 398:

x a l roTg a lQ o v fjiiv o is ö S ö v Q aarrjv i-r e /ie v IniG T rjfxrig, x t\v S t x a l (pavXrjv o v a a v IvC ovg [ i l v X a v & ä v o v G a v a X r^& idTaT a x a l o o fp u tr a T a ifje X t-y tja s, TiXävrjs o x t nXeCGTTjg t o t( ö v ä v - d-Q(ü7i(ov y t v o g anrfXXui-e.

2) G e n n a d i o s in seinem Briefe an den Exarchen Joseph, bei A l e x a n d r e , Append. XIX, S. 412/413:

’E x e l v o g r o l w v ö n o l o g 7 ] v , i x n o X X o ß S r jX o e r ^ f i l v l y e y o v f i , x a l o r t ro io v t o ß i ß X C o v I v n X e C o a t % Q o v o ig

a v y y t y g a i f m g , n o X X ß v T£ l i r \ y o v f i l v m > a ^ lta v 7iiG TE veo& ai, x a l rj/xQv n o X X a ig x a l (paveQ aig a n o S t i & G i v I v n tX o n o v v T q a w [ x tv tiqQt o v, e h ' i v

’iTttXU t x c (T id r j(f UT(üv.

(18)

2 8 0

gesinnten S ultans M oham m ed II. (1421) d u rch dessen N ach ­ folger M urad infolge seiner unklugen, diesem gegenüber be­

obachteten P o litik in die schw ierigste Z w angslage versetzt w a r u n d d aru m zunächst F rie d e n um je d e n P reis gesucht h atte, d ann aber, um die H ilfe des A bendlandes zu gew innen, dem G ed an k en des K onzils u n d d er K irchenvereinigung gegen den R a t seines V aters M anuel n äh er getreten w ar, 1428, wie schon erw ähnt, im Peloponnes erschien und nu n P lethon, den hochberühm ten W eisen von S p a rta um R at in dieser schw ierigen F ra g e a n g in g , antw ortete dieser (nach S yropulos a. a. O. S. 1 5 5 ): „ E in e Reise nach Italien halte ich d u rch au s n ich t fü r zw eckm äfsig, noch glaube ich, dafs fü r uns ein N utzen d a rau s erw achsen w ird. F in d e t sie ab e r doch statt, so m üfste m an die Sache sehr überlegen u n d die P u n k te ausfindig m ach en , die w ir zu unserem N utzen for­

d ern u n d verlangen m üfsten. D as w erden j a d ann auch die schon th u n , welche die S ache später b eraten w erden. Ic h will n u r das, w as m ir gerade einiällt, erw ähnen: W e n n ih r die Reise an tretet, so w erd et ih r bei eu rer A n k u n ft d o rt n u r in sehr gerin g er A nzahl je n e n gegenüber stehen, deren Z ahl sehr grofs sein w ird. W e n n ih r n u n ohne V orb ed ach t dem K onzil beiw ohnt, so w erden euch jen e in ih rer G esam theit ins Schlepptau n ehm en, u n d ih r seid d an n nicht zu einem K onzil, sondern zu einer V eru rteilu n g hingekom m en. D es­

halb m ufs zuerst d a ra u f gedrungen w erden, dafs nicht nach d e r Z ah l d er K öpfe gestim m t w erd e, sondern dafs die eine P a rte i ebenso viel Stim m en h a t wie die andere, sei auch die eine noch so grofs u n d die andere noch so klein. U n ter dieser B edingung allein d ü rft ih r das K onzil eröffnen lassen.“

D as ist eine e l e n d e A n t w o r t . Sie tadelte einm al das ganze U n tern e h m en , anderseits g ab sie dem K aiser einen R a t, dessen tü c k isc h en , hinterlistigen E n d zw e ck dieser frei­

lich nicht ahnte. N icht a u f das W ohl des Reiches u n d d er

griechischen K irc h e k a m es P leth o n a n , sondern a u f die

D u rch fü h ru n g u n d V erb reitu n g seiner Religion. M ochten

beide K irchen in unseligem Z w iespalt sich schw ächen un d

z e rrü tte n , um so eher schien sich ihm die M ö g l i c h k e i t

z u r E i n f ü h r u n g s e i n e s n e u e n H e i d e n t u m s zu bie-

(19)

GEORGIOS GEMISTOS PLETHON. 2 8 1 te n . D a s a b e r g e r a d e w a g t e e r n i c h t o f f e n a u s z u ­ s p r e c h e n . W ie schw ächlich u n d u n w ü rd ig ist schon hier P lethons H a ltu n g ! Sie erin n ert lebhaft an die d er h u m a ­ nistischen Schöngeister des A bendlandes. D eren geistreicher Spott w ar gleichfalls au fse rstän d e, die röm ische P rie ste r­

herrschaft zu stü rz e n , sie w aren in je d e r H in sich t dazu zu feige. Z u F ü h re rn ihres V olkes im E n tsch eid u n g sk am p f ta u g te n sie n ic h t, solange sie n icht ü b er eine hochm ütige V erac h tu n g d e r Pfaffen un d a lle r, welche nicht zu ih rer F a h n e schw oren, hinauskam en. W arn en d es Beispiel hierfür ist E r a s m u s , dem trotz seines verdienstlichen K am pfes gegen die U nw issenheit u n d T h o rh eit der G eistlichen (s. ’E y- xü)f.nov lAtogiag, laus stultitiaej die sittliche K ra ft abging, der besseren Ü b erzeugung nachzuleben, d er es gern än d ern über- liefs, ein M ärty rertu m zu suchen, u n d im F alle eines Auf­

ru h rs „ fa s t P e tru m in seinem F alle n a c h a h m e n “ zu m üssen -erklärte. W ie anders d erjen ig e, d er m it seinem trotzigen

„ I c h h a b ’s g e w a g t! l< den B ann je n e r K reise brach, U l r i c h v o n H u t t e n , dem ab er doch erst ein gröfserer H eld den W e g gewiesen, D . M a r t i n L u t h e r ! P lethon verheim licht au s M enschenfurcht seine Ü b erzeu g u n g , L u th e r, d er m it seinen m annhaften Thesen gegen, den schändlichen M ifsbrauch des A blasses d er röm ischen K irche 1 5 1 7 den F eh d e h a n d ­ schuh hingew orfen, tritt zu W orm s 1521 den höchsten geist­

lichen und w eltlichen M achthabern seiner Z eit k ü h n m it der A n tw o rt ohne H ö rn er un d Zähne entgegen, um des Gewissens w illen entschlossen, keinen F in g e r b re it von d er W ah rh eit des E vangelium s zu weichen, u n d ob die W e lt voll Teufel w ä r’!

D e r D oppelzüngigkeit je n e r A n t w o r t P l e t h o n s en t­

sp rach d ann auch zehn J a h re später sein V e r h a l t e n a u f d e m K o n z i l z u F l o r e n z , wohin er als kaiserlicher R at im Gefolge des K aisers m itgenom m en w ar. Von den V er­

h andlungen des K o n zils, das im J a h re 1 4 3 9 die K irc h e n ­ vereinigung n u r in den A kten, n icht in W irk lich k eit brachte, ist es nicht n ö tig , an diesem O rte noch einm al 1 zu reden.

1) Ich verweise auf m e i n e Aufsätze „Markos Eugenikos und Kar­

dinal Bessarion“ in der Neuen kirchl. Zeitschr. V, 1002—1020, „Jo-

Z eitschr. f. K.-G . XIX, 3.

24

(20)

2 8 2

P leth o n gehörte dem engeren A usschufs an u n d stand als sta rre r D o g m a tik e r a u f M arkos’ von E phesus Seite, d er be­

k a n n tlich als H a u p tw o rtfü h re r d er G riechen ein erb itte rte r G egner d er K ircheneinigung w ar. E r beteiligte sich w enig an den V erhandlungen. N u r bei G elegenheit d er seit A lters viel um strittenen F ra g e vom A usgang des h. Geistes griff er persönlich un d zw ar m it E rfo lg ein. E r wies die B e­

h a u p tu n g d er R öm er z u rü ck , dafs d e r Z usatz im G laubens­

b ek en n tn is (filioque) schon in u ralten K o n zilsak ten , insbe­

sondere denen des siebenten (zw eiten N icänischen) vom J a h re 787 sich fin d e, indem er z u r B eschäm ung d er redlich G e­

sinnten, selbst u n te r den R öm ern, den Beweis d er F älsc h u n g je n e r H an d sch rift erbrachte, welche den Z usatz (ex

r o v tzcl- t q ö s y.cci r o v v io v iyi7toQ£v6/.i£vov

) enthielt. D en K aiser u n d den P a tria rc h e n m ahnte er zu r V orsicht un d stä rk te den letzteren insbesondere du rch die — von Syropulos (V II, 8.

S. 197/198) uns überlieferte — A n tw o rt: „ K e in e r von uns d a rf ü b e r die P u n k te schw ankend sein, w elche unsere K irche lehrt. D en n w ir haben diese L eh re erstens von unserem H e rrn Jesu s C hristus selbst, d ann auch von dem Apostel, un d das w aren stets die G rundsteine unseres G laubens.

D azu bew eisen sie alle unsere L eh rer. D a nun unsere L e h re r a u f je n e n G rundsteinen stehen un d in k ein er W eise von ihnen ab w eich en , diese G rundsteine ab e r die allersichersten sind, so d a rf k ein er einen Zweifel in das setzen, w as je n e sagen.

I s t ab e r je m a n d in diesem P u n k te zweifelhaft, so weifs ich nicht, w orin er dann noch seinen G lauben zeigen will. J a , n ich t einm al unsere G egner bezweifeln d a s, w as unsere K irch e b eh au p tet u n d lehrt. D enn sie geben selbst zu, dafs unsere L eh re schön u n d sehr w a h r is t; u n d sie suchen m it G ew alt zu zeigen, dafs ihre D ogm en m it den unsrigen ü b e r­

einstim m en. D a h e r d a rf k e in e r aus unserer K irche ü b er u n sern G lauben ins S chw anken g e r a te n ; unsere G egner w ü r­

d en sonst dasselbe thun. G egen den G lauben je n e r a b e r

seph Bryennios“ ebendaselbst VII, 208—228, „Zu Georgios Scholarios“

in der Byz. Zeitschr. IV, 561—580 und ebendort V, 572—585 „Zum

Kircheneinigungsversuch des Jahres 1439“.

(21)

GEORGIOS GEMISTOS PLETHON. 2 8 3 m ufs m an Zweifel erheben, und das m it R echt, weil er jed es Beweises erm a n g elt, stim m t er doch m it dem unsrigen g ar n ich t überein.“ W ie heuchlerisch u n d unehrlich erscheint uns hier w ieder P le th o n ! W ä h re n d e r dem K aiser und dem P a tria rc h e n sich als den eifrigsten un d überzeugungstreusten V erfechter des väterlichen G laubens zu erkennen giebt, w irk t er gleichzeitig im lebendigen G espräch m it den Röm ern, Geistlichen wie W eltlichen, fü r seine Sache, trä g t zum Ä rg e r seiner L a n d sleu te, denen d er v ertra u te re U m gang m it den L a tein ern verboten w ar, an d er T afel des geistreichen K a r­

dinals C esarini die L eh ren P lato n s vor, flöfst in flam m ender R ede, wo n u r im m er sich ihm G elegenheit bietet, Begeiste­

ru n g fü r die griechischen M usen, insbesondere fü r den g ött­

lichen P lato n ein, von d er w ir schon h u n d e rt J a h re früher P e tra rc a d u rch d ru n g en sehen, un d die je n e ersten L e h re r des G riechischen u n d A usleger d er schriftstellerischen H in ­ terlassenschaft ihres V olkes in Ita lie n , B a rla a m , L eontios P ilato s u n d P lethons eigener Schüler M anuel C hrysoloras ( f 1 4 1 5 ) m it E ifer gew eckt und gepflegt hatten. D ie von P lethon — d er übrigens je tz t erst sta tt seines ursprünglichen N am ens G em istos diesen gleichbedeutenden u n d an P lato n erin n ern d en N am en annahm — g eschürte B egeisterung fü r P lato n ergriff im m er w eitere K reise, sie führte Cosmo von M edici z u r S tiftung der A kadem ie in Florenz. M ilstrauisch b lick te schon dam als G eorgios Scholarios, d er gelehrte k aiser­

liche R ic h te r, Plethons späterer G e g n e r, dessen E in ig u n g s­

form el dieser, freilich aus an deren — oben angedeuteten — G rü n d en als M arkos un d d er K aiser verw arf, a u f die M än­

ner, m it w elchen P leth o n in F lorenz verkehrte. „ W e r diese P lethonschw ärm er s in d “ , sagt er in seiner späteren S treit­

schrift gegen P leth o n \ „w issen w ir w ohl; viele haben sie d o rt im V e rk e h r m it P lethon gesehen. Von d er Philosophie v erstehen sie so viel, wie P leth o n von d er T a n z k u n st“ 2. —

1) S c h o l a r i o s ’ Äufserungen wörtlich in Gemistos Plethons Schrift JI

qos

rag ( Ga f s und S c h u l t z e rovg) v n l p ’AQiaroT&ovg recoQytov

tov

^ xoXaQlov avTilf/ipeig bei G a f s a. a. 0. S. 55 und 56.

2) Vgl. m e i n e n Aufsatz „Zu Georgios Scholarios“ in der Byz.

Zeitschr. IV, 564.

2 4 *

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„ S o m ufsten auch diese M ä n n e r“ , entgegnet ihm P leth o n ,

„w e lch e doch in je d e r A rt d er W eisheit beschlagener u n d vo n schärferem V erstän d e sind als du, u n te r dem N eide lei­

den, den d u gegen m ich hegst . . . M it wem von den weisen M än n ern im A ben d lan d e h ast du denn ab er v e rk e h rt? Alle, die m it uns d o rt gewesen sind, wissen ja , dafs du ihre G e­

sellschaft gem ieden hast. W eshalb, ist ganz k la r : d am it es näm lich n ich t an den T a g käm e, dafs d u viel u nbedeutender bist, als du zu scheinen w ünschest. D u bist also m it keinem von ihnen zusam m en gew esen; un d h ättest du auch einige zufällig getroffen, so w ärest du doch kein m afsgebender R ich­

te r ü b er ihre W eisheit gewesen. Ich ab e r bin m it ihnen im V e rk e h r gewesen u n d weifs, wie es m it ih rer W eisheit steht.“

E s w ü rd e fü r unsere Z w ecke hier zu w eit führen, w enn ic h das heidnische T reib e n an dieser d u rch den E delsinn je n e s k u n st- u n d w issenschaftsbegeisterten F ü rsten geschaffenen P flan zstätte d er platonischen Philosophie eingehender schil­

d e rn wollte. N u r an die in je n e n T ag en zu F lo ren z gethane Ä ufserung P leth o n s möge e rin n e rt w e rd en : D e r gesam te E r d ­ kreis w erde in w enigen J a h re n einm ütig eine un d dieselbe Religion annehm en, zw ar nicht die C hristi oder M oham m eds, sondern eine, die von dem altgriechischen H eidentum n u r w enig verschieden sei. Schon dam als begann die W e is­

sag u n g in F lo ren z sich w u n d e rb a r zu erfüllen. D ie F o r t­

schritte, die das H eidentum in M ännern wie M arsilius F ic i­

nu s *, H ugo B encius, P om ponius L ä tu s offenbar m achte, tr u ­

1) Den oben angedeuteten Gegensatz, Versinken in heidnisches Wesen bei den Italienern, treues Festhalten am Christentum bei den Deutschen, sehen wir z. B. in Marsilius Ficinus und seinem Schüler R e u c h l i n verkörpert. Letzterer gehörte dem Kreise der Florentiner Platoniker an und war zugleich Schüler von Plethons durch seine schwungvolle Gedächtnisrede auf seinen Meister (bei A l e x a n d r e , Append. XIII, S. 375—386) und seine lateinische Übersetzung des auf Wunsch Sultan Mohammeds von Gennadios vorgelegten Glaubensbekennt­

nisses (vgl. O t t o , Des Patriarchen Gennadios von Konstantinopel Kon­

fession [Wien 1864], S. 6. 11. 19) wohlbekannten Schüler H i e r o n y -

m o s C h a r i t o n y m o s oder G e o r g i o s H e r m o n y m o s v o n S p a r t a

(nach Allatius, Hodius, Wharton und Alexandre bezeichnen beide Namen

eine und dieselbe Person), der nach der Zerstörung Konstantinopels ins

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GEORGIOS GEMISTOS PLETHON. 2 8 5 gen w esentlich dazu b e i, P lethons a u f die V erw irk lich u n g seiner P län e gerichtete Hoffnungen u n d E rw a rtu n g e n a u f das höchste zu erregen.

A uch von P lethons in diese Zeit oder in den dam aligen K reis seiner G ed an k en fallenden S chriften un d dem m it Scholarios seit je n e n T ag e n um die B edeutung und rechte W ü rd ig u n g d er beiden grofsen Philosophen P lato n u n d A ri­

stoteles gefü h rten S treite soll hier n icht g ered et w erden.

D ieser k am erst eigentlich nach P lethons T ode zwischen G ennadios un d P lethons S chülern zum A ustrag. D ie K on­

zilsverhandlungen w aren inzw ischen im wesentlichen fru ch t­

los verlaufen. D ie G riechen w aren in die H eim at zurück- gekehrt, P leth o n m it seinem dem E in ig u n g sw erk e d urchaus abgeneigten D espoten D em etrios nach S p a rta , wo er n u n ­ m ehr w ieder friedlich seines R ichteram tes waltete. J e tz t schrieb er je n e heftige S chrift gegen den fü r A ristoteles ein­

tretenden G ennadios (Scholarios), die zum G lü ck vom K aiser, dem er sie zuvor eingesandt, z urückgehalten w urde, so dafs bei L ebzeiten Plethons zwischen den beiden grofsen M ännern äufserlich w enigstens ein freundliches V erhältnis bestand.

D a s geht auch noch aus dem Schreiben des Scholarios h er­

vor, das dieser a u f Anlafs der um 1448 von P leth o n v e r­

öffentlichten Schrift „ U b e r d e n A u s g a n g d e s h. G e i ­ s t e s “ an diesen richtete. . A u f diese Schrift m üssen w ir noch ein w enig genauer eingehen, sie ist das letzte G lied in der Reihe derjenigen T hatsachen, welche für die D oppelzüngig­

k e it u n d sittliche Schw äche P lethons Z eugnis ablegen.

W ie sehr Scholarios’ M ifstrauen gegen Plethon g erecht­

fertig t w a r, zeigt besonders diese Schrift. In keinem seiner frü h er b e k a n n t gew ordenen W e rk e tritt des V erfassers H ei­

dentum so k la r und deutlich zutage wie hier. H atte er bis­

h er n icht den M ut g e h a b t, sein seit langen J a h re n fertiges u n d in diesen letzten peloponnesischen Z eiten wohl im m er

Abendland übersiedelte und als Lehrer des Griechischen in Paris wirkte.

Durch R eu ch l i n s Vermittelung ist somit auch P h i l i p p M e l a n c h -

t h o n in weiterem Sinne Schüler Plethons und diesem daher um des

von ihm ausgehenden Stromes philosophischer Belehrung willen auch

die deutsche Reformation zu Danke verpflichtet.

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noch w eiter verbessertes u n d gefeiltes H au p tw erk , die „ G e ­ setzesaufzeichnung“ (Nof-itov ovyyQacprj) zu veröffentlichen, so w aren ihm hier A ufserungen en tsch lü p ft, die von seinen Zeitgenossen sofort als heidnische e rk a n n t u n d bezeichnet w urden. M an w ufste ihm ob dieses E in tre te n s fü r den G lau ­ ben d er K irch e m it R echt k einen D an k .

„ D a s W e r k “, so etw a b eg in n t P lethon 1 — es kom m t n a tü rlich hier n u r a u f die für diesen bezeichnenden W e n ­ dungen an, n icht a u f das, was sich, wie in unzähligen gleich­

a rtig en S ch riften , so auch bei ihm sich findet — , „ welches zu G unsten des lateinischen D ogm as erschienen ist (es h an ­ delt sich um irgendeine dieselbe F ra g e behandelnde Schrift B essarions), bedient sich in seiner B ew eisführung eines Satzes, w elcher d er hellenischen Theologie ganz besonders w ert, d er K irch e ab e r durch au s feindlich is t, dafs näm lich, wo die K räfte verschieden sin d , auch die S ubstanzen verschieden sind . . . . N atürlicherw eise ist dieser Satz d er K irche d u rch ­ aus feindlich. D en n die hellenische Theologie stellt a n die Spitze des Alls einen einzigen höchsten G ott, eine unteilbare E in h e it; diesem sp rich t sie d an n m ehrere K in d e r zu, die in dem V erhältnis der U b er- un d U n te ro rd n u n g zu einander ste h e n ; un d deren jed em sie einen besonderen gröfseren oder k leineren T eil des Alls u n te ro rd n e t; von denen sie indes k einen dem V ater gleich oder auch n u r ähnlich sein läfst.

D enn sie läfst alle von v erschiedener und viel g erin g erer S ubstanz und G öttlichkeit sein. A bgesehen davon aber, dafs sie dieselben — K in d e r jen es G ottes u n d selbst G ötter nennt, n e n n t sie sie zugleich au ch W e rk e desselben Gottes, d a sie n ic h t w ill, dafs m an in jen em G otte die E rschaffung von d er Z eugung unterscheide, ebenso w enig wie das W ollen von seiner N atu r, oder k u rz gesagt, die T h ätig k eit von seinem W esen (o v k ä ^ io v o a etzL ye Tod Q eov yevvrjoewg d rifjiovQ ylav dicnLQiveiv, o t i /.irjds ßovXrjOiv (pvoewq, dXtoq de e ln e lv , (xr^d o v a la g iv e g y e ia v ). D ie hellenische Theologie läfst ab er des-

1) Die Schrift, zum erstenmal 1698 in Jassy veröffentlicht, findet

sich bei A l e x a n d r e , Append. VII, S. 300— 311, vgl. dessen Notice

preliminaire, p. XXVIII ff.

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GEORGIOS GEMISTOS PLETHON. 287

lia lb die K in d e r des höchsten G ottes von verschiedenem u n d zw ar geringerem W esen u n d G öttlichkeit sein, weil sie sich a u f keinen an deren als gerade a u f diesen Satz stützt, dafs, wo die K räfte verschieden sin d , auch die S ubstanzen v er­

schieden sind ((hg &v a l dvvdfxsig öiacpogoi,

vm

I a v iä Sv d'rj za lg ovalaig didcpoQa), indem sie den gröfsten U n te r­

schied findet zw ischen d er K ra ft des d u rch sich selbst Seienden un d d er K raft des d u rch anderes Seienden. D ie K irche nim m t ab e r offenbar diesen Satz nicht a n , denn sonst w ü rd e sie nicht den Sohn dem V ater gleichsetzen u. s. w .“

D as ist keine christliche B ew eisführung m e h r , sondern eine heidnische. Im w eiteren V e rlau f seiner E rö rteru n g en stützt er sich, oder g iebt es w enigstens vor, a u f die G ru n d ­ sätze d er kirchlichen T heologie, wie er sie im G egensatz z u r hellenischen oder heidnischen nennt. V on letzterer spricht e r selbst zw ar n ich t m eh r; a b e r b rich t seine V orliebe für sie n ich t fast aus je d em W o rt in d e r angeführten Stelle h e r­

v o r? Jst es n icht augenscheinlich, dafs seine sogenannte hellenische Theologie du rch au s nicht die d er A lten, sondern n u r seine eigene is t? U nd sollte in dieser H insicht noch irgendein Zweifel vorhanden sein, er w ürde bald verschw in­

d e n , w enn w ir dieselbe Stelle m it den betreffenden A us­

führungen d er „ G esetze “ vergleichen wollten. W ir w ürden in ih r nichts w eiter als einen kurzgefafsten E n tw u rf seines philosophischen L ehrgebäudes erkennen. „ A u s d er Z u v e r­

sicht a b e r “, b em erk t F r i t z S c h u l t z e (a. a. O. S. 100) sehr ric h tig , „ m i t d er Plethon hier seine Theologie schon d e r kirchlichen n icht blofs als ebenbürtig, vielm ehr als ü b e r­

legen entgegenstellt, insofern er die K irche n ich t einm al jen en G ru n d satz alles D e n k e n s, den d er K a u salitä t, an erkennen läfst, k a n n m an schliefsen, wie hoch P lethons H offnungen a u f V erw irklichung seiner P län e in den letzten Ja h re n gestiegen sein m ochten.“

G ennadios hielt es fü r seine Pflicht, Plethon, d er sich so

w enig Z w an g auferlegte, seine dem C hristentum feindliche

G esinnung zu v erb e rg e n , entgegenzutreten. E r th a t es in

einem an ihn gerichteten Briefe, dessen einziger F e h le r seine

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2 8 8

L ä n g e i s t , einem M eisterstücke red n erisch er G ew andtheit K D es Schreibers L ag e w a r unzw eifelhaft eine heikle. Z u gleicher Z e it m ufste er P leth o n lo b en , die gu te Sache v e r­

teidigt, u n d ta d e ln , sie schlecht verteid ig t zu haben. E r m ufste ihn w egen seiner R echtgläubigkeit beglückw ünschen und ihn m erk en lasse n , dafs m an n icht d a ra n g lau b e; er m ufste ih n als einen gefährlichen M ann schonen u n d gleich­

zeitig ihn ein sch ü ch tern du rch die A ndeutung, dafs m an ihn e rk a n n t habe u n d b e reit sei, ihm die M aske vom G esicht zu reifsen, k u rz e r m ufste schonende R ücksichten d er H öf­

lich k eit w alten lassen und den äufseren Schein einer engeren V erb in d u n g w ahren, die noch vorhanden, ab er dem B ruche schon rech t nahe w ar. D e r E in g an g k a n n eine V orstellung von den B eziehungen geben, die dam als noch zw ischen den beiden M än n ern bestanden. Scholarios sc h reib t: „ I c h habe, bester u n d w eisester d er F re u n d e , den B rief e rh a lte n , in w elchem du m ir versicherst, dafs d u m ich lie b st, dafs du m ir n ich t zürnest, noch aus G roll etw as gegen m ich u n te r­

nehm est ; dafs d u ab e r dem durchlauchtigen K aiser ein B uch zu g esan d t h ab est, welches gegen m eine S chutzschrift für A ristoteles gerichtet sei. Z ugleich ab er erschien von d ir eine Schrift gegen das lateinische D ogm a (ß iß llo v xL aov x a r a

^daxivcov xfjg ö ö ^ g etpalvexo), u n d d a du derselben gegen m ich g a r n icht E rw ä h n u n g tliust, so h a t es doch w ieder den A nschein, als grolltest du m ir ( 0 $ nqog fftiäg ye ov f.i£f.ivi]- (.uvog, £itr/£ig a i /.ai ^ v l o r x i , S. 313) . . . A uch w ider deinen W illen ist ab er diese Schrift v o r allem in m eine H ä n d e ge­

kom m en. W a s die S chrift a b e r anbetrifft, von d er du sagst, d u h a b est sie hergeschickt, u n d ich k önne sie hier (in B yzanz), w enn ich w o llte, in E m p fan g n eh m en , so h a t sie m ir d e r K aiser nicht g e g eb e n , weil e r , wie ich behaupten m öchte, m e h r um deinen R u f besorgt ist als du selbst (eroft '/.ai xfjg ofjg So^rjg [AähXov, cog av l'ytoys (pal'qv, y,rjd6f.t£vog) . . . V iel­

leicht w ird m an sie m ir eines T ages auch ohne m ein B itten geben, sei es, um m ir einen G efallen zu th u n , sei e s , u m

1) A l e x a n d r e , Append. IX , S. 313—369: Ilgdg

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