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Glückauf, Jg. 50, No. 12

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GLÜCKAUF

Berg- und Hüttenmännische Zeitschrift

Nr. 12 21. März 1914 5 0 . Jahrg.

Mikrogefüge und Kolloidnatur der Kohle, der Kohlengesteine und anderer Gesteine.

Von D r. H . W i n t e r , L e h re r a n d er B ergschule u n d L eite r deS berggcw crkschaftlichen L a b o rato riu m s zu B ochum . H ierzu die T afeln 1 u n d 2.

Das Z eitalter der Verwendung der Steinkohle, die die eigentliche Grundlage der häutigen wirtschaftlichen Entwicklung bildet, h at seit einigen Jahren zweifellos einen gewissen A bschnitt erreicht. Aus der zunächst zum Zwecke der Gaserzeugung für die Beleuchtung von Straße und H aus vorgenommenen Verkokung der Kohle ist eine gewaltige Industrie von Leuchtgas und Koks entstanden, die sich m it der erfolgreichen Gewinnung und V erarbeitung der in den Gasen enthaltenen Neben­

produkte zu einer vorher nicht geahnten Höhe en t­

wickelt hat.

Die stets wachsende Teufe der Schächte und die dam it verbundenen höbern Kosten der Forderung, ferner die Erwägung, daß die bekannten Kohlenvorräte über kurz oder la n g . erschöpft sein werden, lassen das Be­

streben einer möglichst wirtschaftlichen Verwertung der in der Kohle ruhenden K räfte begreiflich erscheinen.

Die Technik h at dam it bereits den Anfang gemacht, wobei auf die ganz außerordentlichen F ortschritte im letzten Jah rzeh n t bei der Gewinnung der Nebenprodukte, die Verwertung von minderwertigen Brennstoffen in Gaserzeugern und ähnlichen Anlagen sowie die b e­

merkenswerten Erfolge bei der Verbrennung von Teer und Teerölen in den Feuerungen von Dampfkesseln und bei der Verwendung in Dieselmotoren hingewiesen sei.

Auch die W issenschaft h at sich in den D ienst dieser Aufgabe g estellt; besonders soll das auf großzügiger Grundlage angelegte Mülheimer K aiser-W ilhelm -Institut für Kohleforschung durch wissenschaftliche Arbeiten, die auf dem Gebiete der Chemie liegen, der w irtschaft­

lichen Verwertung der Kohle Vorschub leisten1. Dieser Gedanke kann desto besser ausgeführt werden, je voll­

ständiger unsere Kenntnisse von dem Bildungsstoff und von dem innern Aufbau der Kohle sind.

Die E ntstehung der Steinkohle ist, wie m an heute als sicher annehmen kann, in überwiegendem Maße an O rt und Stelle aus Landpflanzen, vornehmlich aus Bäum en von Farnen, Schachtelhalmen, Bärlappen und Palm fam en vor sich gegangen. Zur Aufklärung der Vor­

gänge bei der Kohlebildung h at der jüngst verstorbene Landesgeologe Professor Dr. H. P o t o n i é zumal durch Vergleich m it der Bildung rezenter Brennstoffe erheblich beigetragen. Nach ihm ist der Inkohlungsvorgang, den die Glanzkohle durchgem acht hat, dem Vertorfungs-

1 v g l . G l ü c k a u f 1912, S . 1872 ff.

Vorgang ähnlich, der sich in Mooren an Moorpflanzen beobachten' läßt. E r ist wesentlich verschieden von dem Bitum inierungsvorgang, der die Kannelkohle und ihre Verwandten gebildet h at und der m it der F au l­

schlammbildung der Seen und W atten verglichen werden kann.

Über die eigentliche N atu r der Kohle ist noch nicht allzuviel bek an nt; m an weiß, daß die wesentlichen B estandteile der eigentlichen Steinkohle, also abgesehen vom hygroskopischen W asser, den Aschenbestandteilen und den mechanisch eingeschlossenen Gasen, die der pflanzlichen und z. T. tierischen Stoffe sind, aus denen sie hervorgingen, also Kohlenstoff, W asserstoff, Sauer­

stoff, Stickstoff und Schwefel. Die alte Auffassung, daß die Steinkohle als ein Gemenge von reinem Kohlen­

stoff m it noch nicht näher bekannten organischen Verbindungen zu betrachten sei, ist längst als falsch verlassen worden; m an nim m t heute an, daß die Kohle überhaupt keinen freien Kohlenstoff enthält.

B a l t z e r 1 gab seiner im Sinne der organischen Chemie vertretenen Anschauung folgende Fassung: »Die Kohlen sind Gemenge komplizierter Kohlenstoffverbindungen.

L etztere bilden eine genetische und vielleicht eine homologe Reihe. Das Kohlenstoffgerüst dieser Ver­

bindungen ist ein kompliziertes. Die einzige Analogie dafür bildet die aromatische Reihe der organischen

Verbindungen«.

Nach M u c k 2 ist der W asserstoff in der Steinkohle in verschiedener Bindung en thalten ; z. T. sind die W asserstoffatome unm ittelbar, z. T. durch Ver­

m ittlung des Sauerstoffs an Kohlenstoff gebunden.

Mucks für 2 K ohlenarten aufgestellte S trukturform eln sollen nicht deren wirkliche Zusam m ensetzung wieder­

geben, sondern nur zeigen, in welcher Weise diese u n ter Annahme der kleinsten Atom zahl in dem Sinne gedacht werden kann,' wie es die Anschauung von der A tom ­ verkettung in aromatischen Verbindungen verlangt.

Die Formeln tragen auch den von R i c h t e r s 3 erm ittelten Tatsachen Rechnung, daß der organische verfügbare Wasserstoff der leichter oxydierbare ist und daß die Oxydation des Kohlenstoffs zumal bei niedriger Tem­

p eratu r ihre Grenze erreicht. Nach F. F i s c h e r 4 hängt

1 a. X l u e k : G r u u d z ü g e u n d Z i e l e d e r S t e l n k o h l e n - C h e m i e . 1881 S. IM.

2 n. a. 0 . S, 103.

J 1. M u c k , a. a. O. S . 111.

i C hem ische T e c h n o lo g ie der B ren n zto ife .

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die Veränderung des Gewichtes der Steinkohle hei der V erw itterung von der A rt und den M engenverhält­

nissen ihrer verschiedenen Gemengteile ab.

Kohlen, die rasch Sauerstoff aufnehm en, sollen größere Mengen für Sauerstoff ungesättigter Verbin­

dungen en th alten; je nach den gegenseitigen Mengen­

verhältnissen der gesättigten und ungesättigten Ver­

bindungen würde dann eine Kohle beim Lagern an der L u ft an Gewicht zunehmen, unvei'ändert bleiben oder an Gewicht verlieren.

Von besonderer W ichtigkeit ist die Beobachtung von B e d s o n 1, daß Gaskolile m it 64 — 66% K oksaus­

bringen 3 5 - 2 4 % Lösliches an Pyridin abgibt, während er bei B enutzung anderer Lösungsm ittel, wie Benzol, Chloroform, Phenol usw., höchstens 4% Lösliches A us­

ziehen konnte. Auch durch Schmelzen m it Natron oder K alih ydrat oder ändern Schm elzm itteln h at man versucht, K larheit über die Zusamm ensetzung der Kohie zu erlangen. Diese Versuche sind neuerdings von D o n a th und B r ä u n l i c h 2 wieder aufgenommen worden.

In jüngster Zeit hat man Versuche angestellt, die Stein­

kohle bei niedrigem T em peraturen zu verkoken. Be­

sonders verdient die Arbeit von P ic t e t und B o u v i e r s über die Destillation der Steinkohle u n ter verm indertem D ruck weitgehendes Interesse, denn sie führte zu dem Ergebnis, daß die gewöhnlichen Erzeugnisse der Verkokung ihrer H auptm enge nach keine unm ittel­

baren Erzeugnisse der trocknen Destillation darstellen.

Es liegt auf der H and, daß die mikroskopische Untersuchung der Kohle zur Aufklärung ihrer Zu­

sam m ensetzung nicht vernachlässigt wurde, und T h i e l 4 h at vor kurzem über die Art und die Ergebnisse älterer und jüngerer Forschungen auf diesem Gebiete ausführ­

lich berichtet. Bei der mikroskopischen U ntersuchung der Kohle im auffallenden L icht6 h a tte ich u nter anderrn außer den E rhaltungszuständen parenchym atischer und prosenchym atischer Zellen ein eigenartiges Gewebe von rundlichen Mikrozellen beobachtet, die sowohl im Torf, als auch in Braunkohlen sowie in jungern und altern Steinkohlen Vorkommen. Ferner h a tte ich eingehend erläutert, daß dieses Gewebe m it der Kolloidnatur der betreffenden K örper in Beziehung steht. Diese An­

nahm e ist durch neuere Untersuchungen vollauf be­

stä tig t worden. M. E. ist dieses bei der B eobachtung der Kohle im auffallenden L icht erkennbare Gefüge nichts anderes als das Gefüge des Gels und die Kohle, sowohl Sapropelit als auch H um it, ein fester kolloider Stoff, was aus ihrem optischen Verhalten, der A rt ihrer Bildung und ihrem sonstigen Verhalten hervor­

geht. Als besonders bew eiskräftig für die Kolloid­

erkenntnis der Sapropelite möchte ich noch ihre Zähigkeit anführen, die bisweilen so groß ist, daß sich diese Kohle n u r schwer pulvern läßt, eine Folge der Adhäsionswirkung der Kohle, die dazu führt, daß sich nicht nur die einzelnen Teilchen u n ter sich fest ver­

binden, sondern wie beim Zem ent, der nach R o h l a n d 6

1 J o u r n a l o f Gns L ig h tin c and W a ter S u p p ly irtOS, S . 627.

- C h c i n i k e r - Z e i t u u g 1912. S. 373 ff.

3 B e r ic h te d. D eu tsch . Chera. G e se lls c h a ft 1913; G lü ck a u f 1914, S. 147.

4 G lü ckauf 1914, S . 83 ff.

5 G lü ck a u f 1913, S. 1406 ff.

6 U n r ic h tig k e ite n ü b er d en E ise n b e to n in p h y sik a lisc h -c h e m isc h e r und k o llo id -c h e m is c h e r H in sich t, Z tsch r. d. V’ er. d eu tsc h . Ing. 1913, S. 1026.

ebenfalls K olloidnatur besitzt, auch an Frem dkörpern festhaften. Dieser Forscher weist auch darauf hin, daß kolloiden Stoffen ganz allgemein plastische Eigenschaften zukommen, was auch für die Zwischen­

glieder der Kohlewerdung, besonders für die Sapro­

pelite zutrifft. Daß die Kohlen vorübergehend plastisch gewesen sind, wird wohl kaum ernstlich in Frage gestellt, ist vielm ehr beim Gagat durch das Vorkommen von Geröll und Belenm itbrocken inm itten dieser Kohle unm ittelbar bewiesen. Bei den von m ir untersuchten Jetstü cken aus Holzmaden fand ich einen Gerölleinschluß beim Zerschlagen eines ganz einheitlich aussehenden Stückes, in dem das Holzgefiige noch erhalten war.

A udi durch den Vergleich m it jüngern Bildungen erhält dieser P u n k t Beweiskraft. G o th a n erw ähnt 2 L agerstätten (Teltowkanal und Ziegelei bei Lübars), aus denen Erlen- und B irkenstäm m e nach langem Lagern u n ter Fäulnisbedingungen ans Tageslicht geholt wurden und sich durch ihre W eichheit und Form barkeit auszeichneten, so daß sie wie der plastische Ton selbst m it einem stum pfen Spaten leicht durchstochen werden konnten. Ähnlich w ar nach einer M itteilung K u k u k s das Verhalten einiger bei der Em scherregulierung aus­

gegrabener Baum stäm m e.

Von den Hum usstoffen sei der Dopplerit angeführt, der im Liegenden von Torfmooren Irlands und der Schweiz v o rk o m m t; er bildet im bergfeuchten Zu­

stand eine sehr wasserreiche, geschmeidige und elastische Masse, die trocken m attschw arz aussieht, starken Glas­

glanz zeigt und muscheligen Bruch aufweist. Nach P o to n i e 1 »kommen solche Doppleritkohlen in allen kohleführenden Form ationen vor; sie sehen wie der D opplerit sehr schön homogen aus«.

Was die plastische Beschaffenheit der fossilen Sapro­

pelite anb etrifft, so sei daran erinnert, daß der aus dem P lankton entstandene Faulschlam m nach seiner Be­

deckung m it der Zeit festgallertig und dann Saprokoll genannt wird. P o to n ie erw ähnt auch, daß reinere Faulschlam m gesteine, sogar der T ertiärform ation, »noch einen m ehr oder m inder zu dem gallertigen hinneigenden Zustand bew ahrt haben«. Die plastische Eigenschaft gewisser Ilu m ite und Sapropelite spricht also für die Kolloidnatur der Kohle. Neuerdings sind solche feste kolloide Lösungen auch in Legierungen besonders von Eisen-Kohlenstoff nachgewiesen worden.

Die Ähnlichkeit m ancher Steinkohlenbilder m it dem Gefüge gewisser Eisenkohlenstofflegierungen ist so groß, daß man annehm en könnte, m etallographische Bilder des System s Eisen-K ohlenstoff vor sich zu haben. Ganz besonders fiel mir dies bei der U ntersuchung von Sapro- peliten auf, deren Mikrogefüge dem Aussehen des Sor­

bits, einer Zwischenstufe zwischen M artensit und Perlit, sehr nahe kom m t. Das sorbitische Gefüge ist für den hartgezogenen Stahldraht- kennzeichnend, und in einer frühem A rbeit2 habe ich es in einer Reihe von Bildern wiedergegeben. Bei Berücksichtigung der, N a tu r des Sorbits ist die Tatsache, daß zwei so verschiedene Stoffe wie S tah ld rah t und Kohle dasselbe Gefüge auf­

1 D ie E n ts te h u n g der S te in k o h le 1910, S. 63.

- Ü ber d en E influß der V e rz in k u n g a u f d ie F e s t ig k e it d e s F ö rd er­

seild r a h ts, G lü c k a u f 1910, S. 90 fl*.

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21.

M ärz 1011

G l ü c k a u f 447 weisen, weniger überraschend. So v e rtritt C. B e n e d i c k s 1

die Ansicht, daß der T roostit eine kolloide, stark zer­

streuende Stufe zwischen der wahren festen Lösung und dem Koagulum, dem Perlit, sei. Der Sorbit, dessen Gefüge so sehr an das der Sapropelite erinnert, sei ein Troostit, bei dem teilweise ein Gerinnen stattgefunden habe,

■oder m it ändern W orten, ein Perlit, der sich noch nicht vollständig ausgeschieden hat. Von dem Gefüge des hartgezogenen S tahldrahts sagt der Forscher2: »Die zähesten Sehnen der Technik, die Stahldrahtseile, sind wie die Sehnen des menschlichen Körpers kolloide ' Gebilde«.

Durch den U m stand, daß das Mikrogefüge der un­

zweifelhaft kolloiden Sapropelite dem des Sorbits und Troostits sehr nahe kom m t, gew innt Benedicks Kolloid­

theorie des Sorbits und Troostits sehr an W ahrschein­

lichkeit.

Das von m ir in jüngern wie in altern Kohlen nach­

gewiesene Mikrogefüge muß dem nach als das W ahr­

zeichen und Erkennungsm ittel des Gels im auffallenden Licht angesprochen werden, eine Annahme, die durch die U ntersuchung des Tischlerleims (colla) vollauf be­

stä tig t wird. Abb. 1 auf Tafel l 3 gibt bei 65facher Ver­

größerung das Aussehen eines von einer Leim tafel ab­

gebrochenen Stückes ohne weitere B earbeitung im auf­

fallenden Licht wieder. Man erkennt leicht, daß das Gewebe der rundlichen Mikrozellen durch die ganze Masse vorhanden ist. D a der Leim das Urbild der kolloiden K örper darstellt, so ist durch diesen Befund d er Übereinstim m ung des Mikrogefüges von Kohle und Leim bewiesen, daß die Kohle K olloidnatur besitzt.

Kristalle zeigen bei der B eobachtung im auffallenden L icht ein anderes V erhalten. Im Gegensatz zu den am orphen und kolloiden Stoffen ist ein kristallinischer Körper »ein Stoff, dessen Eigenschaften m it der R ichtung im Stück gesetzm äßig veränderlich sind«'1. Infolge dieser Richtungsverschiedenheit bildet sich z. B. die äußere G estalt des K ristalls aus, u. zw. desto gleich­

mäßiger, je ungestörter durch äußere Einflüsse ein Stoff in den festen Z ustand übergeht. Nach L i n c k 8 wird die K ristallisation durch einen Keim eingeleitet, »der vor d er Umgebung durch größere, durch Summierung entstandene, anziehende K räfte (Kristallisationskräfte) ausgezeichnet ist«. Die richtende K raft des Keimes bewirkt, daß sich die Moleküle nach ihm hin bewegen und ihn durch parallele Anlagerung vergrößern. Die parallele Anlagerung ist in Abb. 2 gut zu erkennen;

sie gibt bei ßfacher Vergrößerung die Fläche eines Alauns in der Nähe einer Oktaederecke im auffallenden Licht wieder. Die durch die ganze Masse erfolgte Aus­

richtung nach dem gleichseitigen Dreieck ist deutlich sich tb ar; beim Anlegen eines W inkelmessers kann die

Größe der W inkel leicht bestim m t werden.

Auch die Löslichkeit eines K ristalls ist nicht nach allen R ichtungen hin gleich, was sich nam entlich bei

1 F e s te k o llo id e S y s te m e in der M eta llo g ra p h ie, Z tsch r. f. C hem ie u. In d u str ie der K o llo id e 1910, S . 290 ff.

2 v g l. G lü ck a u f 1912, S . 170.

3 B e i der W 'iedergabe s ä m tlic h e r A b b ild u n g en i s t e in e V er- k l lin er u n g a u f S/6 der u r sp r ü n g lic h e n Größe vo rg en o m m en w orden, so daß d ie a n g e g e b e n e V e rg r ö ß e r u n g s te ts en tsp r e ch en d u m g er c ch n e t

•werden muß.

* O s t w a l d : G ru n d lin ien der C hem ie, 1912, S. IM.

1 Srun driß d er K r ista llo g r a p h ie , 1908, S . 3.

kurzer Behandlung einer Kristallfläche m it einem Lösungsm ittel bem erkbar m acht, indem die sogenannten Ätzfiguren entstehen. Abb. 3 gibt bei 65facher Ver­

größerung die eben beschriebene Alaunfläche wieder, die durch Abspritzen m it wenig destilliertem Wasser geätzt worden ist. Auf dem Bilde sind die Ätzfiguren gut zu erkennen; sie heben sich von, einer parallel­

streifigen Grundfläche ab und liegen gerichtet. Auch hier ist die Größe der W inkel leicht zu messen.

¡Chemische Erscheinungen, z. B. die Verwitterung, lassen sich bei der B etrachtung des Kristalls im auf­

fallenden Licht leicht nachweisen. In Abb. 4 ist bei llO facher Vergrößerung eine Alaunfläche im Ver­

w itterungszustande wiedergegeben. Dadurch, daß an einzelnen Stellen Kristallwasser verdunstete, wurde ihre F arb e gegenüber den. nicht verw itterten Stellen geändert und dam it das Gefüge der Oberfläche sichtbar. T rotz­

dem im allgemeinen auf dem Bilde die Verwitterung über die ganze Fläche gleichartig erscheint, ist doch eine Dreieckausrichtung nicht zu verkennen.

E s wird Sache des Mineralogen sein, festzustellen, wie weit die U ntersuchung von Ätzfiguren im auf­

fallenden Licht zur Bestim m ung der Sym m etrie von K ristallen und zur Berechnung ihrer Form en dienen kann.

Beim Vergleich der Bilder von Kristallen m it denen von Kohle t r itt der große Unterschied zwischen beiden klar hervor; vor allem ist bei den Kristallen von den rundlichen Mikrozellen, die für den trocknen Leim und fü r die Kohle kennzeichnend sind, nichts zu sehen, und diese dürfen dem nach als das Mikrogefüge des Gels im auffallenden Licht b etra ch tet werden. Die Kolloidnatur der Kohle scheint mir dem nach bewiesen zu sein, und bei B enützung des auffallenden Lichts kann die An- oder Abwesenheit dieses Gewebes von rund­

lichen Mikrozellen in Gesteinen einen A nhalt gewähren, ob das Mineral nicht, ganz oder teilweise Kolloidnatur besitzt.

Sehr nahe liegt natürlich der Gedanke, zunächst einmal zu prüfen, wie sich die Begleiter der Kohle im produktiven K arbon u n ter den angegebenen Bedingungen verhalten. Die die Kohlenflöze trennenden Ablagerungen sind entw eder Sandsteine, die au f sandige Absätze, oder Schiefertone, die auf feine Schlam m absätze schließen lassen, oder Zwischenstufen der beiden1.

Abb. 5 gibt bei ,'ifacher ^Vergrößerung das Aussehen eines kohligen Sandsteins aus dem produktiven Stein­

kohlengebirge des Ruhrbezirks wieder. Die Sandstein­

platte, der das Stück entstam m t, zeigte auf der Ober­

fläche die Abdrücke von Lepidodendron und w ar überall von Kohlenäderchen durchzogen. Bei 65facher Ver­

größerung (s. Abb. 6) des geschliffenen und polierten, aber nicht geätzten Schnittes erken nt m an in dem durch die M itte gehenden schwarzen Streifen das für Kohle kennzeichnende Kolloidgewebe. Bei genauer B eobachtung gew ahrt m an, daß die Quarzkörner des Sandes von den oft erw ähnten rundlichen Mikrozellen umgeben sind. Dieser Befund liefert m. E. den Beweis dafür, daß bei der Bildung des Sandsteins Kolloide

i T o u l a : D ie 9 te in k o h le n , ih re E ig e n sc h a fte n , V orkom m en , E n t­

s te h u n g u n d n a tio n a l-ö k o n o m isc h e B ed eu tu n g , 1888, S. 149.,

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hervorragend dadurch m itw irkten, daß sie die Bindung der einzelnen K örner übernahm en. D urch Ätzen m it F lußsäure konnten diese rundlichen Mikrozellen gelöst werden, ein Zeichen dafür, daß das B indem ittel Kiesel­

säure war. N ach C r e d n e r 1 besitzen die Sandsteine der karbonischen Form ation »bald gröberes, bald feineres Korn, gewöhnlich eine weiße, graue oder gelbliche F ärbung und m eist ein kieseliges und toniges Binde­

mittel«.

Ich m öchte besonders hervorheben, daß Kieselsäure und Ton gerade zu den am besten bekannten anorga­

nischen Kolloiden gehören, die in der N a tu r überall Vorkommen.

Die Kieselsäure wird in gewaltigen Mengen bei der Verwitterung der Silikate durch die Kohlensäure der L uft u n ter M itwirkung des W assers oder durch seine Spaltungsenergie als gallertartige Kieselsäure abgespalten und gelangt m it dem W asser in die Sandablagerungen, um hier die B indung der einzelnen Sandkörner zu übernehmen. Das Meer selbst liefert fortw ährend ge­

waltige Mengen von Kieselsäure im Sol- oder H ydrogel­

zustand, d a die Kieselalgen (Diatomeen), Strahltierchen (Radiolarien), Schwämme (Silikoschwämme) und an ­ dere fast ausschließlich aus Kieselsäure bestehen.

W enn m an ferner daran denkt, daß die Kolloide durch plastische Beschaffenheit und Bindefähigkeit ausgezeichnet sind, besonders aber, daß diese wichtige Eigenschaft der Kolloidstoffe in dem Eisenbeton m it so gutem Erfolge ben u tzt wird, so kann auch nicht daran gezweifelt werden, daß bei der Bindung des Sandes in vielen Fällen kolloidale Kieselsäure und auch kolloidales A lum inium hydroxyd beteiligt waren.

Übrigens vermögen Tonerde und Kieselsäure zu sog.

»gemengten Gelen« zusam m enzutreten, die in der N atu r häufig Vorkommen. Nach S tr e m m e 2 zeigen diese

»Allophantone« im Verhältnis der Tonerde zur Kiesel­

säure ein Schwanken zwischen 1 : 0,31 und 1 : 5,32.

Sie sind entw eder erdig oder glasartig, ungefärbt oder durch Eisen gelb oder grün, durch K upfer blau usw.

getönt. Nach den U ntersuchungen Strem m es sind sie optisch isotrop oder zeigen Spannungsdoppelbrechung und erscheinen in jeder Beziehung den von ihm künstlich dargestellten Gelen gleichartig. Sie werden als Absätze in Hohlräum en, als Tropfsteine in Gruben, eingelagert in Schiefer und in Kohlen gefunden. Abb. 7 auf Tafel 2 gibt bei 65facher Vergrößerung das Aussehen eines solchen Allophantones ungeätzt bei der B eobachtung im auffallenden Licht wieder. Es handelt sich um ein B ergem ittel aus dem Ruhrbezirk, vorwiegend aus Kiesel­

säure, Tonerde und K ohlenäderchcn bestehend. Man er­

kennt leicht, daß das Mikrogefüge dieses B ergemittels dem des oben erw ähnten K ohlensandsteins sehr nahe kom m t.

Abb. 8 zeigt bei 3facher Vergrößerung das Aussehen eines Schliffes von Kohlenschiefer aus dem Hangenden eines Flözes aus dem Ruhrsteinkohlengebirge; das Stück ist, wie sich leicht erkennen läß t, von einem Kohlenäderchen durchsetzt. Bei 65facher Vergrößerung (s. Abb. 9) stellte sich heraus, daß der Schiefer voll­

ständig aus den rundlichen die K olloidnatur kenn­

zeichnenden Mikrozellen aufgebaut war. D er dunkle

1 E le m e n te der G eo lo g ie, 1891, S- 44=6, 2 A u s der N atur, 1909/10, S. 493.

Streifen in der M itte stellt die in Schiefer eingebettete Kohle dar. Die für die K olloidnatur der Sapropelite angeführten P u n k te gelten ohne weiteres auch für den Kohlenschiefer, dessen Bildungsweise und Stoffe gleich­

artig sind. Beim Überwiegen der organischen Sedim ente h at sich M attkohle gebildet, beim Überwiegen von Kieselsäure, Alum inium hydroxyd und E isenhydroxyd jedoch Kohlenschiefer. Auch in seiner reinsten Form , dem Kaolin, stellt der Ton einen Kolloidkörper d ar, dessen plastische Eigenschaften erst durch das Faulen entstehen, indem er in B erührung m it W asser kolloides Silizium- und Alum inium hydroxyd bildet.

Eine Reihe von Kalkgesteinen aus dem Deckgebirge im R uhrbezirk zeigte bei der U ntersuchung im auffallen­

den Licht ebenfalls das Gefüge des Kolloidstoffes im Gelzustande. Ich darf daher wohl annehm en, daß bei der Bildung des K alksteins Kolloide m itgew irkt haben, die vielleicht für alle Sedim entärgesteine kennzeichnend sind.

Aus den Ergebnissen der U ntersuchung dieser Ge­

steine geht hervor, wie ungemein anwendungsfähig das auffallende Licht im Dienste der Mineralogie, Mineral­

chemie und Geologie ist, was noch durch ein w eiteres Beispiel näher begründet werden soll.

Die Belem niten, vom Volke als Teufelsfinger oder Donnerkeile bezeichnet, sind bekanntlich als K alkaus­

scheidungen innerhalb des Mantels von je tz t aus­

gestorbenen Tintenfischen der Ju ra- und K reidezeit aufzufassen. Sie laufen u n ten in eine Spitze aus, w ährend das obere E nde abgestum pft ist und die Alveolarhöhle träg t. Diese m eist spitzkegelförmige Vertiefung findet m an oft vollständig von festem Gestein erfüllt, und man kann wohl ohne weiteres annehm en, daß diese Gesteine n u r im flüssigen oder gallertartigen Zustande ein­

gedrungen und dann e rh ärtet sind. Die bei Saßnitz auf Rügen vorkommenden Belemniten sind zahlreich von Feuerstein und die den Kreideablagerungen W estfalens entstam m enden m it K alk erfüllt. Nach S c h l ü t e r s 1 Erfahrungen über die räumliche E rstreckung der Kreide­

ablagerungen in W estfalen kom m t in ihnen entw eder nu r Belemnites m ucronata oder Belem nites qua- d ra ta vor.

Abb. 10 zeigt bei 3facher Vergrößerung einen Längs­

schnitt (entlang der Ventralfurche) von Belemnites m ucro­

n a ta aus der Kreide W estfalens. Die dunkle R and partie läß t deutlich die radialstrahlige Zusam m ensetzung des M antels aus rechtwinklig auf der Längsachse stehenden K alkfasem erkennen, die weiße Kreideerfüllung der Alveolarhöhle h eb t sich scharf davon ab. Bei 65facher Vergrößerung des Innern (s. Abb. 11) sieht m an das kennzeichnende Gelgefüge an den rundlichen Mikro­

zellen. Entsprechend sieht das Makrobild des Längs­

schnitts von Belemnites m ucronata von Saßnitz aus, nu r ist der Farbunterschied zwischen M antel und Mineral- anfüllung gering, da diese aus Feuerstein besteht. Abb. 12 stellt bei 65facher Vergrößerung das Gefüge des Feuer­

steins im Innern d a r; es ist das Mikrogefüge der festen Kolloidstoffe. Der Beweis, daß diese M ineralerfüllungen im Sol- oder H ydrogelzustande erfolgt sind, ist m it

i V o r k o m m e n v o n B el. q iia d r a ta und B el. m u cro n a ta in d en K r e id eb ild u n g en in W e stfa le n , Z tsch r d. D e u ts c h . G eol. G es. 1800, S. 367.

(5)

21. März 1914 G lü c k a u f diesem Befund erbracht. Auch andere Feuersteine aus

der norddeutschen Tiefebene lassen bei der Beobachtung im auffallenden Licht an einigermaßen ebenen Flächen ohne weitere Vorbereitung dieses Gefüge erkennen, ein Zeichen dafür, daß sie aus Kolloidstoffen entstanden sind.

Das neue Verfahren der U ntersuchung von Kohle und ändern Mineralien im auffallenden Licht ist ohne Zweifel geeignet, zur Klärung m ancher noch schwebender Fragen beizutragen, zumal wenn es m it chemischen Analysen H and in H and geht und auch mikroskopische Prüfungen im durchfallenden Licht, also an D ünn­

schliffen, so weit es möglich ist', herangezogen werden.

E s ist anzunehmen, daß Mineralogen, Mineralchemiker und Geologen vom auffallenden Licht Gebrauch machen werden, wenn sie erst einmal gesehen haben, wie vorteil­

haft die Anwendung dieses Verfahrens bei mikrosko­

pischen U ntersuchungen von undurchsichtigen und durchsichtigen Mineralien ist.

Ob die Praxis irgendwelchen N utzen von der Kolloid­

erkenntnis der Kohle haben wird, ist zweifelhaft. Denn einerseits h a t man durch trockne Destillation, durch Lösen und Schmelzen m it allen möglichen M itteln die Kohle zu entschleiern versucht, so daß nicht allzuviel

Versuchsmöglichkeiten übrigbleiben. Anderseits ist die Kolloidchemie noch jung und bring t von Tag zu Tag zahlreiche überraschende Aufklärungen. D aher ist der Gedanke nicht ganz von der H and zu weisen, daß sich dabei auch nutzbringende E rkenntnisse für die w irt­

schaftliche A usnutzung der Kohle ergeben werden.

Z u s a m m e n f a s s u n g .

Um eine möglichst w irtschaftliche Ausnutzung der in der Kohle ruhenden K räfte zu erreichen, ist es wünschenswert, zu den eingehendsten Kenntnissen über ihre N a tu r und ihren Aufbau zu gelangen. Nach ihrem optischen und sonstigen Verhalten sowie nach der A rt ihrer Bildung besitzen sowohl die H um us- als auch die Sapropelkohle Kolloidnatur, die auch den Kohlen­

gesteinen (Kohlensandstein, Kohlenschiefer und Kohlen­

kalk) . und vielen Sedim entärgesteinen eigen ist.

Die U ntersuchung von Kohle und ändern Gesteinen im auffallenden Licht ist großer Anwendbarkeit fähig;

sie dürfte von hervorragender B edeutung werden, wenn sie die Beobachtungen an Dünnschliffen ergänzt und von chemischen U ntersuchungen begleitet wird.

Der Einfluß des Abbaues auf die Tagesoberfläclie.

Von D r.-In g . A. E c k a r d t , Zw ickau.

Das Bestreben, m it einiger Genauigkeit zu be­

stimmen, an welcher Stelle und in welchem Maße sich die Wirkungen eines unterirdischen Abbaues an der Oberfläche geltend machen, h at zur Aufstellung einer Anzahl von Theorien geführt, die teils allgemein gültige, teils u n ter Berücksichtigung der besondern Eigenart der in Frage kommenden G esteinarten auf­

gestellte Richtlinien für die Vorhersage angeben wollen.

Nach den altern Arbeiten von G o n o t, S p a r r e , R z ih a , J i c i n s k y u. a. sind im besondern H a u ß e 1 und in neuester Zeit T h i r i a r t 2 und G o ld r e ic h 3 mit solchen Theorien hervorgetreten. Diesen allen ist gemeinsam, daß sie von der F ortpflanzung des Bruches und Bruchraum es nach oben ausgehen und ein in der H auptsache vom Böschungswinkel der Gesteine ab­

hängiges N achrutschen der seitlichen Begrenzungen des Bruches annehmen.

Bei der W ichtigkeit, die diesen E rörterungen nicht n ur für den Bergbau, sondern auch für die Öffent­

lichkeit innewohnt, dürfte es angebracht sein, einen Überblick über die in z. T. umfangreichen Abhand­

lungen niedergelegten Anschauungen selbst zu geben, und dam it eine Prüfung der Grundlagen zu verbinden, auf denen die Schlußfolgerungen erwachsen sind;

diese würde aber wiederum ohne Eingehen auf das W esentliche der Theorie selbst im allgemeinen un­

verständlich sein.

1 V o n d em N ie d c rg c k e n d es G ebirges b eim K o h len b erg b a u u n d den d a m it z u sa m m en h ä n g en d en H oden- und G eb ä u d esen k u n g en , Z. r. d.

B erg - H ü tte n - u. S a lln en w . 1907, S. 32-1 ff.'

2 L es a ffa isse m e n ts du sol p ro d u its par l ’e x p lo ita tio n h ou illière, A n n . d. m in es d. B elg iq u e 1912, S . 3 ff.

» D ie T h eo rie der B o d en sen k u n g en in K o h len g eb icten , B erlin , 1913.

Aus verschiedenen Gründen empfiehlt es sich, bei der Besprechung von der zeitlichen Reihenfolge der Veröffentlichungen abzusehen.

D ie T h e o r ie T h i r i a r t s .

T h i r i a r t geht von dem sog. » G e se tz d e r T a n ­ g en te« aus, das von B a n n e u x aufgestellt, aber nicht veröffentlicht worden ist. Dieses Gesetz wurde aus dem Verhalten eines schräg liegenden und an beiden Enden eingespannten Balkens bei eintretendem Bruch en t­

wickelt und auf das Fortschreiten des Bruches im Gebirge übertragen, das als eine Folge derartiger über­

einanderliegender Balken gedacht wurde.

Der u n te r dem W inkel a (s. Abb. 1) gegen die Wage­

rechte geneigte Balken ist beiderseitig eingespannt und gleichmäßig belastet. Die G esam tbelastung pl zerlegt

i D ie A bb. 1 -3 sin d d e r A r b e it v o n T h i r i a r t e n tn o m m e n ; v g l d ie A bb. 6, 7 n n d 10 a. a. O.

(6)

sich in eine N orm alkraft p l-c o s a und eine Achsial­

kraft pl • sin a, von denen lediglich die zuerst genannte eine Biegungsbeanspruchung hervorruft. Die Abszissen­

achse bildet die neutrale Achse und der in ihr senkrecht über dem A uflagerpunkt B

liegende P unkt A den N ull­

punkt eines Koordinaten­

system s. D er Auflager­

druck im P unkte A wird in eine m it der O rdinaten- achse zusam m enfallende Kom ­ ponente R und eine in der R ichtung der Abszissenachse, also achsial wirkende Kom­

ponente zerlegt, die vernachlässigt werden kann. A ußer­

dem ist im N ullpunkt noch das E inspannm om ent m wirksam.

In einem Schnitt S (s. Abb. 2) an einer beliebigen Stelle des B alkens m uß das Moment

M = R x - px cos a • - y + m

sein. Durch ein- bzw. zweimalige Integration dieser M omentengleichung ergeben sich in bekannter Weise die Gleichungen für den W inkel, den die elastische Linie m it der Abszissenachse bildet, und für die Größe der Durchbiegung. U nter der Voraussetzung, daß der Balken in A (und A J eingespannt ist (s. Abb. 1), muß hier sowohl der W inkel als auch die Größe der D urch­

biegung N ull sein, und es ergibt sich hieraus, daß R = pl cos a

und m = - pl2 cos a

ist. Der gefährliche

2 12

Q uerschnitt liegt im P u n k te A bzw. A j, so daß der Bruch nicht an den Auflagerstellen B und B l eintritt, sondern an den P unkten S und Sj (s. Abb. 3). Diese P unkte sind von den Auflagestellen um den W ert y , h tg a en tfernt, wobei h die Höhe des B alkens ist.

Abb. 3.

E rfolgt nun der B ruch einer Reihe aufeinander­

liegender Balken, so m uß er beim Fortschreiten nach oben ste ts um die Größe y2 h tg a w eiter nach der B erg­

seite vorrücken, und die obere seitliche Begrenzung

der einzelnen brechenden B alken liegt auf einer Linie, die um den W inkel # gegen die Senkrechte auf die Schichtebene nach der R ichtung des A nsteigens ab ­ weicht. F ü r diesen W inkel gilt allgem ein:

tg & = % tg a.

Ist dem nach in einer geneigten L ag e rstätte zwischen den P un kten A und B (s. Abb. 3) Abbau getrieben worden und der Bruch des Dachgebirges eingetreten, so kann man den P un kt, an dem die W irkungen an der Ober­

fläche eintreten, dadurch bestim m en, daß m an von den P unkten A und B aus die Norm alen auf die Schichtebene zieht und daran den W inkel ■& nach der ansteigenden Seite aufträg t. Der S chnittpunkt des freien Schenkels m it der Oberfläche gibt die S telle an, wo der Bruch zutage t r i t t un d Gebäude am m eisten gefährdet sind; dabei ist ganz gleichgültig, welche Festigkeits­

eigenschaften die zu Bruch gehenden Gesteinschichten besitzen. D er W inkel y, gemessen gegen die Wage­

rechte, von der Größe y = 90° + # - a ist der B ruch­

winkel im ursprünglichen Sinne des W ortes. Bei geringer Neigung der Schichten (bis etw a 25°) ver­

halten sich die W inkel wie ihre Tangenten, und man kann = y2 a setzen, so daß der Bruchwinkel

y = 9 0 ° - - ^ wird. Dieses Ergebnis stim m t m it den An­

nahm en J i c i n s k y s überein, auf die sp äter zurück­

zukommen ist.

T hiriart b a u t . dieses Gesetz der T angente weiter aus und nim m t an, daß die Seitenstöße des Bruches in diesen selbst infolge ihres eigenen Gewichtes wie das Erdreich in Erdw erken nachdringen; er untersucht infolgedessen die zu erw artende Bewegung nach dem Verfahren des P r i s m a s d e s g r ö ß t e n E r d d r u c k s und erhält Beziehungen in Abhängigkeit von der E r­

streckung des ersten Bruchs, also auch vom Fallw inkel der L ag erstätte und vom Böschungswinkel der Gebirgs- schichten, wobei nicht der sog. natürliche, sondern ein besonderer, den U m ständen entsprechender Böschungs­

winkel gem eint ist. Innerhalb des von den B ruch­

winkeln eingeschlossenen Teils der Oberfläche sinkt diese gleichmäßig ein, um sich von d a bis zum S chnitt­

pu nkt des N a c h b r u c h w in k e l s m it der Oberfläche, an dem die Senkung N ull ist, allm ählich abzuböschen.

Liegt über dem Steinkohlengebirge noch jüngeres Deckgebirge, so pflanzt sich, wenn es wagerecht ab­

gelagert ist, der H auptbruch senkrecht nach oben fort, während der Nachbruch u n ter dem W inkel 90° + wobei

q

den natürlichen Böschungswinkel bedeutet, nach oben verläuft. Am S chnittpunkt dieses W inkels m it der Oberfläche ist wiederum die Senkung Null.

Einen Beweis für diese letzten Anschauungen findet T hiriart darin, daß sich an der Oberfläche über den A bbaurändern häufig annähernd senkrechte Spalten bilden, und daß im besondern in einem Falle bei einer Bedeckung des Abbaues m it n u r 40 - 50 m Dachgebirge, in der H auptsache T ertiär, die Senkung u n m ittelb ar m it dem A bbaurand mitlief.

Im übrigen h at T h iriart seine Änschauung diirch- iie

Beobachtung von Gebäudeschäden, die übereinstim m end

(7)

21. März 1914 G lü c k a u f 451 m it dem Abbau vorrückten, b estätig t gefunden. Der

Abstand ließ sich nach dem eigentlichen Bruchwinkel berechnen. D as Gesetz der Normalen (G onot) ist nu r ein Sonderfall des Gesetzes der Tangente. Die Einflüsse des Bergbaues zeigten sich an Gebäuden durchschnitt­

lich ein Ja h r später, nachdem sich der Abbau entfernt h atte, u n d waren nach ungefähr drei Jahren nicht m ehr wahrnehmbar. Sie trate n im Anfang am heftigsten auf, um bald wieder nachzulassen. D arüber, ob die wirkliche AuscleShnüng des Senkungsgebiets m it seiner Theorie ' überein stim m t, sagt T hiriart nichts; er scheint fort­

laufende Nivellements, nicht zur Verfügung gehabt zu haben.

Weil u n ter den Äuße­

rungen des Abbaues an der Oberfläche praktisch [ die an Gebäuden 'auf­

tretenden Schäden ypn i größter W ichtigkeitsind; ' h ä tte die Entw icklung von B a n n e u x eine her­

vorragende B edeutung, da nach ihr der B ruch­

winkel, durch den sich

’ der A bstand eintreten­

der Bergschäden vom Abbau bestim m t, ein­

deutig und von der Eigenart des Gebirges unabhängig festgelegt wird. Allein die Ableitung dieses Satzes ist keineswegs einwandfrei. Sie berücksichtigt die besondern Verhältnisse der Einspannung des Balkens überhaupt nicht, sondern würde für jeden beliebigen P un kt gelten, in dem man Einspannung voraussetzt. Im u n te r­

suchten F all zerlegen sich,nun aber die als Einspannung wirkenden K räfte an der Begrenzung des Balkens in normal und achsial wirkende K räfte (s. Abb. 4). Z. B.

ergibt sich am u n tern E nde ein neues Moment, das nicht

■ nur das Lastm om ent nicht aufhebt, sondern es sogar vergrößert. Wie leicht einzusehen ist, ist es unmöglich, daß in den P unkten A bzw. A 1 die elastische Linie m it der Abszissenachse zusam m enfällt, und deshalb kann die Einspannung nicht in der vorausgesetzten Weise erfolgt sein. U nter der von B anneux gem achten Voraus­

setzung, daß bei den m ächtigen Gebirgsschichten die gleiche B etrachtungsw eise zulässig ist wie beim ein­

fachen gebogenen Balken, läßt sich vielm ehr ohne weiteres nachweisen, daß die Einspannung lediglich in einem N orm alschnitt erfolgen kann und der Bruch an diesem Einspannschnitt erfolgen muß. Von dieser Annahme dürfte a u c h ,G o n o t ausgegangen sein, dessen Gesetz der Norm alen hierdurch | bestätig t w ü rd f.

Dem Satz von B anneux liegt eine zweifellos richtige Beobachtung zugrunde, daß nämlich der Bruch die Neigung besitzt, sich nach dem Ansteigen der Schichten hinzuziehen. Ich habe hierfür eine andere E rk lärun g darin gefunden1, daß die sich im Gebirge ausbildenden S tützlin ien, beim Auftreffen auf geneigt liegende Schichten infolge einer K räftezerlegung am obern Stoß des Bruches ein Hineinschieben in den B ruchraum

begünstigen, am u n tern Stoß erschweren, während weiter infolge der Form der Stützlinien (bei wagerechter Oberfläche) die H öchstbelastung näher am obern als am un tern Stoß liegen muß. Aus dieser B etrachtungs­

weise geht aber zugleich hervor, daß neben der Mächtig­

keit und den Festigkeitseigenschaften des B alkens auch die Mächtigkeit und E igenart des Dachgebirges von Einfluß auf die B elastung und das Ergebnis sind, so daß eine d erart allgemeine Lösung, wie sie B anneux und vor ihm Gonot gegeben haben, ausgeschlossen ist.

Die Grundlage der Entw icklung T h iriarts ist somit nicht haltbar. Seine weitern Ausführungen über den Nachbruch sind in den weiter zu betrachtenden Ab­

handlungen eingehender dargestellt und sollen dort besprochen werden.

D ie T h e o r ie G o ld r e ic h s .

In seiner Dienststellung als V orstands-Stellvertreter der k. k. B ahnerhaltungs-Sektion in O strau-O derfurt h a tte G o ld r e ic h ausgiebig Gelegenheit, die W irkungen des Bergbaues an der Oberfläche kennen zu lernen; und aus dem W unsche, diese W irkungen möglichst im voraus berechnen un d berücksichtigen zu können, empfing er die Anregung, die Beziehungen zwischen Abbau und Senkung an der Oberfläche zu untersuchen und klarzustellen. In seinem B uch1 ist eine größere Anzahl von Senkungsfällen dargestellt worden; solche Veröffentlichungen sind stets auf das dankbarste zu begrüßen, zum al sie in vielen Fällen aus naheliegenden Gründen nicht möglich sind. Aus diesen Beobachtungen h at Goldreich die Anregungen zu seiner B etrachtungs­

weise erhalten, die zunächst in m öglichster Kürze dargelegt werden soll.

Das Steinkohlengebirge im O strauer Bezirk ist vor­

wiegend aus Schiefertonen un d Sandsteinen zusam m en­

gesetzt, in denen Flöze .verschiedenster M ächtigkeit verteilt sind; die aufgeführten Senkungsfälle beziehen sich auf den Abbau von Flözen m it einer Mächtigkeit von 0,65 - 4 m bei söhliger oder n u r schwach geneigter Lage. Die jüngern Schichten über dem Steinkohlen­

gebirge, von Goldreich nach O strauer Brauch u n ter dem Sammelnamen T ertiär zusamm engefaßt, sind söhlig ab­

gelagert und bestehen in der H auptsache aus Tegel von verschiedenster, teils großer, teils geringer Festigkeit, dem teilweise schwimmende Schichten un ter- oder übergelagert sind. Das Steinkohlengebirge s te h t m anch­

m al zutage an, m eist ist es von m ächtigen Schichten des T ertiärs überdeckt; seine Oberfläche ist durch Erosion in der m annigfachsten und tiefgehendsten A rt ausgewaschen.

Der Vorgang der A npassung des Gebirges an den erfolgten Abbau ist im Steinkohlengebirge und im T ertiär grundsätzlich verschieden und spielt sich n a tu r­

gemäß zuerst im Steinkohlengebirge ab.

Über dem Abbau t r itt zunächst ein B ruch des H angenden ein, der sich nach oben immer w eiter fort­

setzt. H ier findet eine seitliche A btrennung des herab­

stürzenden und -sinkenden H angenden s ta tt, die sich an der Oberfläche als B ruchspalte zeigen kann, und die im besondern für Beschädigungen an der Oberfläche

1 v g l. E c k a r d t : D ie m ech a n isch en E in w ir k u n g en 'h ie s A b b a u es

a u f d a s v e r h a lte n d e s G ebirges, G lü ck a u f 1913, S . 356. 1 D ie T h e o r ie d er B o d en sen k u n g en in K o h len g eb ieten , B erlin , 1913.

(8)

verantw ortlich zu machen ist. Die E ntfernung der B ruchstelle vom Abbau wird durch den B r u c h ­ w i n k e l bedingt, der nach den E rfahrungen im O strauer Bezirk und nach J i c i n s k y s Vorgang durch die Form el ß - 9 0 ° - - ^ - bestim m t wird, wobei ß der Bruch- winkel, a der Fallw inkel des Flözes ist, vorausgesetzt, daß a < 45° ist, wie es bei den m itgeteilten Fällen immer zutrifft. Im Streichen dagegen erfolgt der Abriß lotrecht ü ber dem A bbaurand.

Ganz klar ist allerdings die Stellungnahm e Goldreichs in diesem wichtigen P unkte nicht; denn teils spricht er sich gegen die Annahm e von B ruchspalten aus — aller­

dings nicht im Gebiet der eigentlichen Bruchwinkel, sondern an den R ändern der Senkung überhaupt — , teils sind seine Ausführungen n u r u n ter der Voraus­

setzung verständlich, daß an den B ruchrichtungen w irk­

lich ein Abreißen der sinkenden Teile stattfin d et.

Bei schwachen Flözen oder gutem Versatz und __£

biegungsfähigem H an­

genden kann der Bruch verm ieden werden und an die Stelle des Bruches eine D urchbiegung tre­

ten. Geht das Stein­

kohlengebirge zutage aus, oder ist es n u r von einer schwachen T ertiär­

schicht bedeckt, so tr itt ein H inrutschen der Seitenstöße nach den

B ruchspalten (Bruch- A bb. 5.

richtungen) oder bei

wenig m ächtigen Flözen nach den D urchbiegungs.

richtungen ein.

Ganz anders g estaltet sich der Vorgang, wenn m ächtige T ertiärschichten das Steinkohlengebirge ü b er­

lagern. In Abb. 5 bedeuten die Linien A C un d B D die B ruchrichtungen im Steinkohlengebirge, die u n te r dem Bruchwinkel ß gegen die W agerechte geneigt sind.

Das Kohlengebirge-ward aber hier durch die sich ein­

pressenden tertiären Massen v erhindert, seitlich nach­

zurutschen, und senkt sich vielm ehr zwischen den B ruchrichtungen gleichmäßig nieder. Auch wenn ursprünglich n u r D urchbiegung bestand, m uß trotzdem das Abreißen an den Bruch richtungen stattfin d en , da sonst eine vollständige Ausfüllung des durch den Abbau gebildeten Hohlraumes, besonders an den stehen­

gebliebenen K ohlenstoßen, nicht möglich ist.

In den B ruchrichtungen tr itt also auf jeden F all Abriß und Spaltenbildung ein. Da, wo diese Spalten auf die Untergrenze des T ertiärs treffen, setzen sie sich in ihm fort, aber da das T ertiä r söhlig gelagert ist, in lotrechten Linien (C E und DF). Der M ittelblock des T ertiärs C D F E sinkt innerhalb dieser Grenzen gleich­

falls nieder. D er bis dahin von ihm gegen die B ruch­

linien CE und D F ausgeübte D ruck kom m t in W egfall, u nd es beginnt ein N achrutschen der äußern T ertiä r­

m asse etwa innerhalb der Linien CG un d DH, wobei

die P u n k te G und H die Grenzen angeben, an denen die Senkung Null b eträgt. Diese P u nk te sind die S chnitt­

punkte des freien Schenkels des G r e n z w i n k e l s y m it der Oberfläche.

Zur E rklärung dieses Vorgangs dient wie bei T h i r i a r t die Theorie vom E rdprism a des größten Drucks in der von R e b h a n n gegebenen Form, die folgenden In h a lt h a t :

Aus einze nen Körnchen bestehende E rd a rten lagern sich im allgemeinen u n te r dem natürlichen Böschungs­

winkel längs der Linie A E ab (s. Abb. 6). Sehr oft aber setzen sie dem seitlichen Ver­

schieben einen Abscher­

widerstand entgegen, dessen U rsache das Aneinander­

haften der K örnchen, die Kohäsion, ist, und m it dessen Hilfe es möglich ist, gewisse E rd a rten u n te r einem weitaus

steilem als dem natürlichen Böschungswinkel zu er­

halten. Auf die E rhaltu ng der Kohäsion kann aber bei Erdw erken nicht gerechnet werden, vielm ehr wird durch Regen, F rost u. dgl. allm ählich oder plötzlich ein Abtragen bis zum natürlichen Böschungswinkel s ta tt­

finden. Soll deshalb die steilere oder senkrechte Böschung erhalten bleiben, so m uß eine Stützw and errichtet werden.

Um deren S tärke zu berechnen, erm ittelt m an die Fläche, längs der ohne das Vorhandensein der S tü tz­

wand das A brutschen des Erdkörpers droht, die Gleit­

ebene oder Ebene der gefährlichen Böschung (Linie A B ).

Oberhalb dieser Fläche liegt das Prism a des größten E rddrucks, das die Stützw and infolge seines Gewichtes umzuwerfen sucht. Dieser gefährlichste Augenblick wird eintreten, wenn die Kohäsion der Erdm asse verschwunden ist. Bei der Berechnung der gefährlichen Böschung wird deshalb vorausgesetzt, daß in der Erdm asse ein Zu­

sam m enhaften überhaupt nicht ein tritt. Nach R ebhann gilt nun bei lotrechter Stützw and der Satz, daß die gefährliche Böschungsebene u n ter dem W inkel 4 5 °+ —- gegen die W agerechte geneigt ist. Das Erdreich u n te r­

halb A B wird jedoch nicht etw a in R uhe bleiben, sondern das A brutschen wird n u r hier beginnen, aber erst in der natürlichen Böschung H E beendet sein, da eben die Voraussetzung der gefährlichen Böschung das Fehlen jeglicher Kohäsion ist.

Mit solchen Stützw änden vergleicht Goldreich den M ittelblock C D F E (s. Abb. 5) des T ertiärs. D er D ruck dieses Blocks auf die seitlichen Begrenzungen hö rt m it dem Augenblick auf, wo er sich im Absinken befindet, die seitlichen Massen m üssen nachstürzen.

Jedoch d arf m an sich das nicht so vorstellen, als ob der M ittelblock plötzlich in seiner ganzen H öhe abreißen und niederstürzen würde, vielm ehr geht die Senkung ganz langsam von u n ten nach oben vor sich.

Die g e f ä h r l i c h e B ö s c h u n g , als von der Größe der

Kohäsion unabhängig, stellt die M indestgrenze, die

(9)

21. März 1914 Gl ü ck a u f 453 natürliche Böschung die Höchstgrenze des seitlichen

Nachrutschens dar; innerhalb beider müssen deshalb die Grenzen des Senkungsgebiets über Tage liegen, bei größerer Kohäsion näher an der gefährlichen Böschung, bei geringer näher an der natürlichen Böschung.

Jedenfalls ist es die W e ite d e s S e n k u n g s g e b i e t e s ganz allein von der N atur des T ertiärs, nicht aber von der N atur des Steinkohlengebirges oder der Mächtigkeit des abgebauten Flözes abhängig. K ennt m an deshalb den W ert des natürlichen Böschungswinkels, so kann man aus ihm die gefährliche Böschung und dam it ferner berechnen, in welcher E ntfernung vom Abbau eine Senkung noch eintreten kann. Diese muß z. B. bei einem natürlichen Böschungswinkel von 45° innerhalb dieses W inkels und des W inkels von 67 (A0 ihr Ende finden. Der W inkel y ist deshalb Grenzwinkel genannt worden.

Das Absinken des M ittelblocks und das Nach- i rutschen der Stöße finden in unm ittelbarem Zusam m en­

hang sta tt. In dem Augenblick, wo die Bewegung des Mittelblocks zur R uhe kommt, entsteht ein seitlicher Druck auf die noch im A brutschen begriffenen Seiten­

wände. Dieser Druck entfesselt den sog. p a s s iv e n E r d d r u c k , d. h. das Bestreben, Teile des seitlichen Erdreichs in die Höhe zu schieben. E s bildet sich eine zweite gefährliche Böschung aus, die u n te r der Voraus­

setzung des W egfalls der Kohäsion u n ter dem W inkel 4 5 ° - |- gegen die W agerechte geneigt ist. J e größer der natürliche Böschungswinkel

q

ist, desto weiter wird diese W irkung reichen. Ih re Folge ist eine Hebung der Oberfläche außerhalb des Gebietes des ersterw ähnten aktiven Erddrucks, und diese F e r n W irk u n g wird desto eher eintreten, je größer die ursprüngliche Senkung, d. i. die Flözm ächtigkeit im Abbau war, da in diesem F all im Augenblick der Beendigung des Sinkens das Bestreben nachzurutschen und demzufolge der seitliche Druck am größten sind.

Im Steinkohlengebirge tritt während des Ver­

brechens der Schichten eine R a u m v e r m e h r u n g ein, wodurch die Größe der Senkung an der Oberfläche verm indert wird. Wo eine Durchbiegung der Schichten ohne Bruch stattfan d , und im T ertiär überhaupt, fehlt die Auflockerung und muß der Raum der Senkung über Tage die gleiche Größe aufweisen wie der abgebaute

Raum.

Die F o r m , d e r S e n k u n g s m u l d e ist unregelm äßig und zeigt gebrochene Linien, wenn das Steinkohlen­

gebirge zutage ausgeht oder nur von einer dünnen Tertiärschicht überdeckt ist. Wo jedoch eine m ächtige T ertiärüberlagerung vorhanden ist, bildet sich eine immer wiederkehrende Form der Senkungsmulde m it allmählichem Ausgleich und größter Tiefe in der M itte des Senkungsgebietes aus (s. Abb. 7), deren Fläche sich

1 s

annähernd als die eines Dreiecks zu -fr- erm itteln läßt.

Spielt sich die Senkung ohne Raum verm ehrung ab, so m uß die Senkung an der Oberfläche dem abgebauten

1 s 1

Raum gleich sein und L = m l und s = 2 m — gelten.

Z ¿2

Innerhalb des Steinkohlengebirges tr itt die R a u m ­ v e r m e h r u n g dergestalt ein, daß eine Schicht von 1 m als Bruchgestein die Höhe i + v m einnim mt. Aus der Höhe t, in der M itte des Abbaues in der Fallrichtung und lediglich im Steinkohlengebirge gemessen, wird die Höhe t + v t . An der Grenzfläche zwischen Stein­

kohlengebirge und T ertiär ist die Senkung gleichmäßig sv und es m uß ljst = 1 m - ljVt g e lte n ; da ferner im T ertiär eine weitere R aum verm ehrung nicht eintritt, m uß zugleich

——- = Sili = ml - v t lj und s = 2 i i* ! m - v t 'j

2 W ll /

sein. U nter der Voraussetzung hier Bruchrichtungen nach Jicinsky ist 1 , - 1 , so daß siciGdie Formel zu s = 2 -j— (m - vt) vereinfacht.

‘i

Diese Form el gilt allgemein nur für einen in der F allrichtung des Flözes durch die M itte der Senkungs­

m ulde geführten Schnitt und ergibt die größtmögliche Senkung (Senkungsm aß); m it ihrer Hilfe kann man die Raum verm ehrungszahl erm itteln. Bei größerer Aus­

dehnung der Senkungsmulde jedoch t r itt u n ter Um­

ständen in der M itte der Mulde eine ungerechte Fläche gleichmäßiger Senkung ein, deren Berechnung en t­

sprechend abzuändern ist.

W ird ein Schnitt

durch die Mulde gelegt, _________ ^ _ der nicht durch [.d ie—— t--- ~ --- n?- M itte des Abbaues geht * v

oder von der Fallrich­

tung abweicht, so- wird der Grenzwinkel y nicht erhalten, die Verbim dungslinien C G und D H (s. Abb. 5) bilden viel­

m ehr m it den Wage­

rechten W inkel, die Goldreich E n d w i n k e l nennt und die kleiner als die Grenzwünkel sein müssen.

Goldreich lehnt die Annahme, daß es sich bei der Senkung der Gebirgsschichten um einen der D u rc h - <

b ie g u n g einer P la tte oder, im Schnitt, eines Balkens ähnlichen Vorgang handeln könne, ab. Denn in diesem j Falle könne sich die Senkung nicht über den A bbaurand hinaus erstrecken, d a sonst die außerhalb des Abbau­

randes liegenden gesunkenen Teile in die U nterlage eingedrückt werden m üßten. Selbst wenn, wie bei schwachen Flözen, ursprünglich eine Schichtendurch­

biegung eingetreten ist, m üßte weiter nach oben zu ein Bruchriß vorhanden sein, um das N achrutschen der seitlichen Massen und das Ubergreifen der Senkung über den A bbaurand zu ermöglichen. W eiter spreche dagegen die Raum verm ehrung im Steinkohlengebirge, die bei reiner Durchbiegung nicht eintreten könne, und das Vorhandensein von Bruchrissen an der Oberfläche.

Daß weiter ein g r u n d s ä t z l i c h e r U n t e r s c h i e d zwischen dem V erhalten des T ertiärs und des Steinkohlen­

gebirges besteht, wird zunächst dam it begründet, daß

(10)

bei einem bestim m ten Senkungsfall1, wo der Abbau ziemlich unm ittelbar u n te r dem T ertiär stattgefunden hat, das T ertiä r ohne erhebliche R aum verm ehrung nachgesunken ist. Auf einen solchen U nterschied weist ferner die augenfällige Verschiedenheit der Form der Senkungsm ulde hin, ausgeglichene Form bei m ächtiger T ertiärdecke und unregelm äßige Form bei anstehendem oder wenig überdecktem Steinkohlengebirge.

Hierzu möge folgendes bem erkt werden:

Es widerspricht zweifellos der üblichen Vorstellung, die m an sich von dem V erhalten einer Folge gebogener Balken m acht, daß sich m it zunehm ender Höhe über dem untersten Balken die E inspannstellen immer m ehr nach außen verschieben. E s ist aber sicher nicht ein­

leuchtender, daß es nach einmal ohne Bruch erfolgter Durchbiegung, die ja Goldreich bei schwachen Flözen zugibt, erst des in gewisser Höhe darüber erfolgenden B ruches bedarf, um das seitliche Zu wandern zu ver- , anlassen. Auch Goldreich ist es nicht entgangen, und 1 er erklärt auch, allerdings ohne nähere E rläuterung, am E nde seines Buches, daß bei anstehendem Kohlen­

gebirge an Stelle der B ruchrichtungen die Durchbiegungs­

richtungen trete n können. W ürde aber über schwachen Flözen der Bruch und m it ihm das N achrutschen erst weiter oberhalb des Abbaues beginnen, so d ü rfte das Senkungsgebiet in diesem F all n u r eine geringere Fläche einnehmen als nach dem Abbau m ächtiger Flöze; die R i c h t u n g s w i n k e l e, d. h. die von der Wage­

rechten und der Verbindungslinie zwischen dem Ab­

baurand und dem N ullpunkt der Senkung gebildeten W inkel m üßten größer sein, was aber auch nach den Beobachtungen Goldreichs nicht zutrifft.

Ich habe an anderer S telle2 darauf hingewiesen, daß die A n n a h m e g e b o g e n e r B a l k e n eine zureichende E rklärung für die A usbreitung des Senkungsgebietes an der Oberfläche gibt, indem durch das Zusam m en­

wirken von Auflagerdrücken und Zugspannungen im j Balken an den Einspannstellen eine allmähliche Ver-

| Schwächung des Q uerschnitts und in deren Folge eine I Zurückverlegung der E inspannstelle vom Abbau fort

; zusammen m it einer V erbreiterung des Senkungsgebiets eintreten kann. H ieraus ergab sich dann weiter die Folgerung, daß gerade bei schwachen Flözen ein weiteres Umsichgreifen der Senkung erfolgen kann als bei m äch­

tigen zu B ruch gebauten. Auch im Falle der Biegung muß infolge der Schubbeanspruchungen eine R aum ­ verm ehrung eintreten, die desto größer wird, je starrer u nd je weniger plastisch das Gestein ist und je größer die Biegungs- und Schubbeanspruchungen waren. Dem Prim ärbruch h a tte ich nur eine verhältnism äßig u n ter­

geordnete Rolle zugewiesen. Das A uftreten von B r u c h ­ r i s s e n an der Oberfläche kann zwar bei geringer Ü ber­

lagerung eine unm ittelbare Begleiterscheinung des Bruches sein, und die Spalten haben dann Zusam m en­

hang m it dem entstandenen Hohlraum . Meist aber haben die Spalten keine Verbindung m it dem Bruch- raum , wie sich besonders dort nachweisen läßt, wo das Kohlengebirge u n ter wasserreichen Schichten ansteht.

Ein Bergbau wäre in solchen Fällen m eist unmöglich,

1 8. G o l d r e i c h , a. a. 0 . A b b . 53, S. 96.

2 v g l, G lü ck a u f i9 l3 , S. 353 ff.

wenn das Nachsinken der Oberfläche die Zertrüm m erung der u n tern Schichten zur Voraussetzung h ätte. Auch die von Goldreich beobachteten Spalten an d er O strawitza-Brücke können keinen Zusam m enhang m it den G rubenbauen besessen haben, d a ja an ihnen ein Einbruch des Flußw assers h ä tte erfolgen müssen“, der gewiß nicht übersehen worden wäre, H i l l e g a a r t 1 berichtet über das Sinken des W asserstandes im Schwä- nenteich in Zwickau u n d nim m t als Ursache Spalten­

bildung im U ntergrund a n ; aber in den darunterliegenden Grubenbauen ist von einem W asserzufluß nicht d as geringste zu bem erken gewesen, und diese Beobachtung ist um so sicherer, als die in Frage kom m ende G rube überhaupt keine W asserhaltung besaß und eine solche erst später für Zwecke des Spülversatzes beschaffen m ußte.

Die E ntsteh u n g von Spalten, die sich nach der Tiefe zu verlieren, ist vielm ehr ein wichtiger Beweis für die Annahm e, daß hier Z u g b e a n s p r u c h u n g e n infolge von B ie g u n g vorliegen, und Goldreich selbst bringt einen i weitern wichtigen U m stand vor, daß näm lich durch diese Risse keine Störung im regelmäßigen Verlauf der Senkung herbeigeführt wird und deshalb ein Abrutschen längs dieser Linien nicht stattgefunden haben kann.

Auch an den von H illegaart2 beschriebenen Erdrissen ist ein A brutschen ausgeschlossen, d a sie m itten zwischen zwei Senkungsgebieten un d in einem überhaupt nicht gesenkten Teil liegen.

Die R aum verm ehrung des Gebirgskörpers ist desto geringer, je geringer die Durchbiegung, wie beim Abbau schwacher Flöze, und je plastischer das Gestein ist.

Der Schluß Goldreichs, daß sich wegen der geringen im T ertiä r beobachteten R aum verm ehrung der Vor­

gang hier anders abspielen müsse als im Steinkohlen­

gebirge, ist deshalb unberechtigt.

Den wesentlichsten G rund gegen die Annahm e einer elastischen Senkung erblickt jedoch Goldreich in der ver­

schiedenen Ausbildung der Senkungsmulde, der unregel­

mäßig gebrochenen Form über Steinkohlengebirge u n d der allm ählich verlaufenden Form über T ertiär. W arum er diese zu letzt genannte Form als »parabolisch« be­

zeichnet, ist nicht recht ersichtlich, da die stets scharf ausgesprochenen W endepunkte an den Senkungs­

rändern m it diesem Begriff unvereinbar sind.]

Auch wenn m an eine Schicht als tragenden B alken i auffaßt, ist durchaus noch nicht gesagt, daß sie auch der B eanspruchung gewachsen sein m uß; vielm ehr kann es sehr wohl Vorkommen, daß m it der allm ählichen Zunahm e der Senkung der Augenblick erscheint, wo ein B ersten ein tritt. In den von Goldreich m itgeteilten Fällen stoßen ferner teilweise die Schichten des Stein­

kohlengebirges und T ertiärs infolge von Diskordanz und Erosion über dem Abbau aneinander, so daß an solchen Stellen ein W iderstand gegen Zug nicht geleistet, die Durchbiegungslinie unterbrochen wird und zwischen den niedersinkenden Schichten des Steinkohlengebirges auf der einen und des T ertiärs auf der ändern Seite Zwischen­

räum e entstehen k ö n n en ; teilweise handelt es sich um

1 U n te r su ch u n g e n üb er den E in flu ß d es B er g b a u es a u f d ie E rd ­ o b e r flä c h e im Z w ick a u e r S te in k o h le n r e v ie r , Z. f. V e r m e s su n g s w e s e n 1910, S. 557 ff.

2 a. a. O. S. 562.

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