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Technik und Wirtschaft : Monatsschrift des Vereines Deutscher Ingenieure, Jg. 23, H. 9

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TECHNIK UND WIRTSCHAFT

M O N ATSC H R IFT DES VEREINES DEUTSCHER INGENIEURE // VDI-VERLAG GMBH / BERLIN N W 7

SEPTEMBER

1930 23

. JAH RG ./H EFT

9

Das Erfinderrecht

und die Interessen der Allgemeinheit

V on P a te n ta n w a lt D ipl.-Ing. L. Weber, Köln

Erfindungen fö rd ern nicht nur den E rfinder, sondern auch die allgem eine Gewerbsam keit. Die G esetzgebung m u ß dah er den E rfin der veranlassen, d ie E rfindung d er A llgem einheit preiszugeben.

Sie kann d ies n u r durch einen K om prom iß, d er gegen die P reisgabe d er E rfindung dem E rfinder ein ausschließliches B enutzungsrecht gew ährt, dabei aber die entgegenstehenden allgem einen Interessen durch zeitliche und begriffliche Beschränkung des Ausschlußrechtes, einen A u sü bu n gszw an g und andre B edingungen nach M öglichkeit berücksichtigt. D ieser K om prom iß m u ß so abgew ogen sein, d a ß d e r A n reiz fü r den E rfin der ausreicht, an derseits d e r durch die Preisgabe d e r E rfindung fü r d ie A llgem ein h eit erzielte Vorteil den m it dem Ausschlußrecht verbundenen Nachteil überw iegt. In

d e r deutschen G esetzgebung sin d diese B edingungen im wesentlichen richtig erfüllt.

H at ein E rfinder eine E rfindung gem acht, so e n t­

stehen in ihm Interessen und W ünsche, die vor allem in dem W unsche gipfeln, d as von ihm geschaffene G eistes­

g u t ohne jede E insch rän k u n g und B edingung allein au s­

nutzen und v erw erten zu d ü rfen u n d alle änd ern von der B enutzung seiner E rfindung ausschließen zu können.

Diese W ünsche rich tet der E rfin d er als A n g eh ö rig er der A llgem einheit an die V e rtre tu n g dieser A llgem einheit, den Staat. N un h a t ab er nicht n u r d e r E rfinder, sondern auch die A llgem einheit an d e r E rfin d u n g ein In teresse; diese Interessen b erü h ren sich und kom m en sich en tg eg en in­

sofern, als die A llgem einheit dem E rfinder etw as bieten muß, um ihn zur B ekanntgabe seiner E rfin d u n g zu b e ­ w egen und dadurch die allgem eine G ew erbsam keit zu fö rd ern ; sie stehen sich feindlich g e g en ü b er insofern, als jedes A usschlußrecht, jed er E ingriff in das freie Spiel der K räfte den allgem einen Interessen w iderspricht. D er S taat kann also nicht allen W ünschen des E rfinders, eines Einzel­

m itgliedes d er G esellschaft nachgeben, sondern er kann nur u n te r A usnutzung der teilw eisen Ü bereinstim m ung zw ischen den In teressen des E rfinders und d e r A llgem ein­

heit in dem W id erstreit dieser Interessen eine K om prom iß­

lösung suchen.

Das Ausschlußrecht und seine Hauptschranken Bei d er Schaffung dieses K om prom isses kann sich der S taat nun m eh r o d er w en ig er auf die eine o d er die an d ere Seite neigen x). D as erste englische P a te n tg e se tz aus dem Jahre 1623 b e tra c h te t die V erleihung eines A usschluß­

rechtes an den E rfinder als eine B elohnung für geleistete geistige A rbeit. Es spekuliert auf den E igennutz des Erfinders durch die G ew äh ru n g einer B elohnung u n d stellt den E goism us so in d en D ienst d es nationalen A llgem ein­

w ohls, daß d er E rfinder zur B elehrung der N ation b e ­ w ogen w ird und dadurch die allgem eine G ew erbsam keit fördert. Auf a n d erer G ru n d lag e b e ru h t die zw eite H a u p t­

quelle der P a te n tg e se tz g e b u n g , d as französische G esetz vom 7. 1. 1791. N ach d er A uffassung dieses G esetzes zählt das R echt des E rfinders zu den allgem einen M en­

schenrechten; es w ird deshalb von R echts w egen dem Erfinder ein A nspruch auf die ausschließliche N utzu n g der E rfindung zugesprochen. Beide G edanken b erü h rten

sich jedoch schon in diesen beiden ersten G esetzen: b e ­ sonders das französische G esetz b au t das auf den allge­

meinen M enschenrechten beruhende E rfin d errech t auch nicht w eiter aus, als m it den allgem einen Interessen v er­

einbar ist. Beispielsweise w iderspricht seiner B egründung des E rfinderrechtes die zeitlich beschränkte D auer und die E ntsteh u n g des Rechts durch einen S taatsakt.

D er von d er englischen G esetzg eb u n g schon so früh erkannte Satz, daß die Interessen des E rfinders teilw eise erfüllbar sind unter gleichzeitiger F ö rd eru n g d e r allg e­

m einen Interessen, ist nicht im m er anerk an n t w orden. Die nationalökonom ische W issenschaft h a t sich u n te r V er­

kennung dieses Satzes lange Z eit, noch in den 70 er Jahren des v origen Ja h rh u n d erts, g eg en jeden E rfinderschutz ablehnend v e rh a lte n 2). Die Freihandelsschule verkannte, daß die F ö rd eru n g des E rfinders das einzige M ittel ist, diesen zur A uslieferung seiner E rfindung zu veranlassen und so den E goism us dem volksw irtschaftlichen K reis­

lauf nutzbar zu m achen. E rst m it dem A ufkom m en d er historischen Schule Gustav Schmollers g elan g te d as P a te n t­

w esen voll zur A nerkennung.

Die A llgem einheit m uß im eigenen Interesse dem E rfinder einen A nreiz zur P reisg ab e seiner E r­

findung geben, um dann die E rfindung der allge­

m einen W irtschaft n u tzb ar m achen zu können. Sie m uß diesen A nreiz so gestalten, daß er für den E rfinder au s­

reicht, anderseits aber den a n g estreb ten Zw eck, die allge­

meine Z u gänglichm achung der E rfindung, nicht illuso­

risch m acht. Am nächsten läg e vielleicht eine geldliche Belohnung. Dem ste h t jedoch en tg eg e n , daß der W ert einer E rfindung sich fast im m er e rst im Laufe d e r Z eit zeigt und dann als feste Summ e kaum ausdriickbar, v o r­

her aber auch nicht annähernd schätzbar ist. Es kom m t daher nur ein W eg in F rag e, d e r den E rfinder das Risiko des W ertes d er E rfindung selb st tra g e n lä ß t u nd ihn gleichzeitig zur W eiterentw icklung d er m eist zunächst noch rohen und u n ausgebildeten E rfindung an sp o rn t, n äm ­ lich die G ew äh ru n g eines A lleinbenutzungsrechtes. D ieses A lleinbenutzungsrecht bild et jedoch eine bedeutsam e D u rchbrechung der allgem einen G ew erbefreiheit. Eine Ü berspannung des E rfindungschutzes w ürde den freien W ettb ew erb ungebührlich einengen und so w eit m ehr

ü V e rg l. h ie r z u : L a n g in „ T e c h n ik un d K u ltu r “ 19 3 0 /5 7 ; H e n s e i ,

„ B e g r e n z u n g d e s R e c h ts an te c h n is c h e n S c h ö p f u n g e n “ 1927. 2) V e rg l. H ä b e r l e i n, „ E r fin d e rr e c h t u n d V o lk s w irts c h a f t“ , 1913, S. 24.

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2 3 4

- W eber: Das E rfin d e rre c h t und d ie In teressen d e r A llg em ein heit T E C H N I K U N D W I R T S C H A F T

Schaden als N utzen stiften . A ufgabe d e r G ese tz g e b u n g ist es d ah er, beides g e g e n e in a n d e r w eise abzuw ägen.

D arau s erg e b e n sich eine R eihe im allgem einen In­

teresse g e b o te n e r Schranken für das A u sschlußrecht: Die w esen tlich ste ist die zeitliche B eschränktheit d es Rechtes.

Ein d a u e rn d e s o d e r zu lan g e w äh ren d es A usschlußrecht w ü rd e den von d e r A llgem einheit a n g e stre b te n Zw eck, die B efru ch tu n g d e r V olksw irtschaft, v ereiteln. Bei rich tig er F e stse tz u n g d ieser zeitlichen B eschränkung w ird d e r S taat erreichen, daß die Z e it ein erseits au sreich t, u m dem E r­

fin d er einen ihm g e n ü g e n d e n V orteil zu verschaffen, daß sie an d erseits n ich t w esentlich lä n g e r ist, als d ie A llgem ein­

h eit g eb rau ch t, um von dem E rfin d er zu lern en u n d über den W e rt und die B ed eu tu n g d e r E rfin d u n g ein sicheres U rteil zu erhalten. Die ach tz eh n jäh rig e D au er des d e u t­

schen P a te n te s (§ 7 P. G .) d ü rfte b eid en G esich tsp u n k ten g e re c h t w erden.

Die n ä ch stw ich tig ste S chranke d e s E rfin d u n g ssch u tzes ist die B indung d e r R ech tsv erleih u n g an einen s ta a t­

lichen A kt. D ie A n w artsch aft auf die V erleihung d e s A us­

schlußrechtes e n tste h t zw ar m it d e r E rfin d u n g sta t, d as R echt selbst jed o ch m uß im In teresse d e r A llgem einheit, d e r allgem einen R ech tssich erh eit an einen staatlichen Akt g ek n ü p ft sein. D ieser U n tersch ied zum U rh e b e rre c h t des K ünstlers ist in d er W esen v ersch ied en h eit zw ischen K u n st­

w erk und E rfin d u n g b e g rü n d e t: D er Schutz eines te c h ­ nischen G ed an k en s o d e r einer technischen V orstellung b e ­ sch rän k t die G e w erb efreih eit w esentlich s tä rk e r als d er Schutz ein er k o n k reten , m it Sicherheit auf eine b estim m te P e rso n zu rü ck fü h rb aren k ü n stlerisch en G estaltu n g . Jed er erfinderisch T ä tig e m uß G eleg en h eit h aben, sich ü b e r die b esteh en d en A usschlußrechte u n te rric h te n zu können, w enn er nicht G efah r laufen will, zw ecklos seine A rbeit, seine Z eit un d sein G eld für die A usbildung ein er einem a n ­ d eren b e re its gesch ü tzten E rfin d u n g zu v erg eu d en .

Auch d e r vom S ta a t auf d en E rfin d er auszuübende Z w an g , die E rfin d u n g zu offen b aren , d e r ja fü r den S taat d e r H auptzw eck fü r die V erleihung ein es A usschlußrechtes ist, m acht die B indung d e r R echtsverleihung an einen staatlichen A kt, d e r die O ffe n b a ru n g zur V o rau ssetzu n g h at, n o tw en d ig . D a d e r S ta a t d e n W ünschen des E r­

finders n u r so w eit nachkom m en kann, als dies m it den allgem einen In teressen im E inklang steh t, kann er n u r den E rfin d er b elohnen, d e r seine E rfin d u n g o ffen b art.

N ach dem deu tsch en P a te n tg e se tz tr itt fe rn e r die W irk u n g des P a te n te s in so w eit nich t ein, als d ie E rfin d u n g nach B estim m ung d e r R eich sreg ieru n g fü r d a s H e e r o d er fü r die F lo tte o d e r so n st im In teresse d e r öffentlichen W o h lfah rt b e n u tz t w erd en soll. A llerdings h at dan n d er E rfin d er A nspruch auf eine E n tsc h ä d ig u n g (§ 5,2 P. G .).

A uch im In te re sse des in tern atio n alen V erkehrs ist eine B esch rän k u n g v o rg eseh en in sofern, als die W irk u n g des P a te n te s sich n ich t au f E in rich tu n g en an F ah rzeu g en erstreck t, die n u r v o rü b e rg e h e n d in d as Inland g elan g e n (§ 5,3 P. G.).

Der Schutz des Ersterfinders

D ies le g t auch fü r d en S ta a t den G edanken nahe, das A usschlußrecht an einer E rfin d u n g , d ie m eh rere E rfinder u n a b h ä n g ig v o n ein an d e r g em ac h t h aben, d em jen ig en E r­

fin d er zu verleihen, d e r seine E rfin d u n g z u e rs t d e r All­

g em ein h eit p re isg ib t, d e r also die A llgem einheit zu erst belehrt. U n ein g esch rän k ten S chutz d es E rste rfin d e rs d e r­

a rt, daß d a s A u ssch lu ß rech t u n te r allen U m stän d en für ihn re s e rv ie rt w ird , w e ist auch die erfin d erfreu n d lich ste G e se tz g e b u n g nich t auf, da dies den allgem einen In te r­

essen allzusehr w id ersp rech en w ürde. Die G e se tz g e b u n g kann dem E rste rfin d e r w ohl erm öglichen, sich g e g e n die V erleihung des A usschlußrechtes an d en E rsto ffe n b a re r zu w eh ren un d dieses R echt für sich zu b ean sp ru ch en , sie m uß ihn jedoch d an n g eg e n die A n erk en n u n g seines A nspruches verpflichten, nun sein erseits die E rfin d u n g zu o ffen b aren , da n u r so die A llgem einheit zu ihrem R echt kom m t.

N im m t d e r S ta a t so d en ersten E rfin d e r dem E rs t­

o ffen b arer g e g e n ü b e r in Schutz, so w ird er do ch auf jeden Fall n u r d an n zu g u n ste n d es E rfin d ers tä tig w erden, w enn dieser d a s T ä tig w e rd e n des S taates w ünscht, sich also m eld et und seine A nsprüche g e lten d m acht. D ieses T ä tig w e rd e n des E rfin d ers setzen auch alle ausländischen G esetze v oraus, die dem W o rtla u t nach den E rste rfin d e r schützen (z. B. A m erika, E ngland). D er S ta a t h a t kein In teresse d aran , dem E rsto ffe n b a re r, d e r ja tatsächlich durch die O ffen b aru n g die A llgem einheit b e re ic h e rt hat, das A usschlußrecht an d e r E rfin d u n g zu v erw e ig e rn u nd es dem E rfin d er zu verleihen, w enn d ie se r o ffen b ar auf die V erleihung keinen W ert le g t o d er sie s o g a r nicht w ünscht.

Ist die G e se tz g e b u n g w e n ig e r erfin d erfreu n d lich , so kann sie sich auch auf d en S ta n d p u n k t stellen, daß d er E rfin d er sich se lb st d en V erlu st d es A u ssch lu ß rech tes, auf das er an sich den erste n A nspruch h a t, zuzuschreiben hat, w enn er m it d e r O ffe n b a ru n g solange z ö g e rt, bis ihm ein N ach erfin d er d a m it zuvorkom m t. Im m erhin w ird sie auch dann, obgleich sie nich t dem E rfin d er, so n d e rn dem E rsto ffen b arer das A u ssch lu ß rech t verleih t, irg en d w elch e S chutzbestim m ungen z u g u n sten des E rste rfin d e rs, d e r m it d e r B eanspruchung d es R echts g e z ö g e rt u n d d adurch seinen A nspruch v e rw irk t h at, v o rseh en , etw a indem sie den E rste rfin d e r u n b e d in g t o d e r u n te r g ew issen B edin­

g u n g en von d er W irk u n g d e s A u ssch lu ß rech tes ausnim m t.

N atürlich kann fü r den S ta a t eine S chranke im Schutze des E rsterfin d ers z u g u n sten des E rsto ffe n b a re rs n u r dann b estehen, w enn d e r E rsto ffe n b a re r n ich t seine K enntnis d er E rfin d u n g vom E rfin d er auf u n re c h tm ä ß ig e W eise ableitet, o d er w enn d e r E rsto ffe n b a re r zw ar die K ennt­

nis d e r E rfin d u n g rech tsm ä ß ig e rw o rb e n hat, a b e r durch die O ffe n b a ru n g eine S chw eigepflicht g e g e n ü b e r dem E rfinder verletzt. F ü r die F ö rd e ru n g d e r allgem einen G ew erb sam k eit w ären an sich auch diese d er O ffen ­ b aru n g zu g ru n d e lieg en d en U m stän d e g le ic h g ü ltig ; die In teressen der A llgem einheit m ü ssen jed o ch in d e ra rtig e n Fällen h in ter h ö h eren allgem einrechtlichen G esich tsp u n k ten zu rü ck treten , die dem E rfin d er ebenso zur Seite stehen wie beispielsw eise dem in seinem E ig e n tu m sre c h t verletzten E igentüm er. Alle G e se tz g e b u n g e n d e r W elt, selb st d ie ­ jenigen, die im ü b rig e n den E rfin d u n g ssch u tz n u r vom S tan d p u n k t d e r n atio n alen W irtsch a ft aus b etrach ten , schützen den E rfin d er g eg e n d e ra rtig e E in g riffe un d stellen ihm R echtsm ittel zur V e rfü g u n g , seinen A nspruch auf das A u sschlußrecht g e g e n ü b e r dem O ffe n b a re r m it E rfolg g elten d zu m achen.

D as d eutsche P a te n tg e s e tz g e h t auch in d ieser F ra g e einen g esu n d en M ittelw eg . Es sch ü tzt nicht den E rst­

erfin d er, so n d ern den E rsto ffe n b a re r, a b e r n u r d an n , w enn er seine K enntnis nicht u n b e re c h tig t von einem E rfin d er ab leitet (§ 3 P. G.).

Der Schutz des Vorbenutzers

In Fällen, w o die E rfin d u n g b e re its v o r ih re r A nm el­

d u n g durch den E rfin d er o d e r g e g eb en en falls d u rch den E rstan m eld er w irtschaftliche W e rte e rz e u g te , h a t die

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2 3 . J a h r g . / H e f t 9 S E P T E M B E R 1 9 3 0

W eber: Das E rfin d e rre c h t und die Interessen d er A llg em ein heit

A llgem einheit ein Interesse daran, diese W erte vor der Z e rstö ru n g durch das A usschlußrecht zu bew ahren. Dies kann d er S ta a t dadurch erreichen, daß er alle diejenigen, die die E rfindung bereits vor ih rer A nm eldung b en u tzt hatten , insofern von d e r W irk u n g des A usschlußrechtes ausnim m t, als ihnen die W eiterb en u tzu n g im R ahm en der früheren B enutzung nicht v erb o ten w erden kann. Diese B eschränkung des A usschlußrechtes gleicht gleichzeitig eine H ärte g e g e n ü b e r dem E rsterfin d er aus, w enn der S taat das A usschlußrecht dem ersten A nm elder ohne P rü ­ fung der E rfinderschaft verleiht. Sofern also in diesem Falle d er E rsterfin d er durch V erzö g eru n g der A nm el­

d u n g das R echt selb st nicht erhält, könnte er w en ig sten s die E rfindung w eiter benutzen. Auch ein an d erer G e­

danke m acht die B erechtigung einer d erartig en B eschrän­

kung des A usschlußrechts klar: D er E rfinder erh ält als L ehrer der A llgem einheit eine B elohnung durch das A us­

schlußrecht, um ihn zu d er B elehrung anzureizen. Diese B elohnung erscheint nu r in so w eit g e rech tfertig t, als durch die O ffen b aru n g die A llgem einheit noch b eleh rt w ird.

G egenüber denjenigen P ersonen, die für ihren W irtsch afts­

b etrieb die B elehrung nicht m ehr n ö tig haben, erscheint also das A usschlußrecht nicht g e re c h tfe rtig t3). D em ­ entsprechend g e w ä h rt das deutsche G esetz denjenigen, die die E rfin d u n g b ereits vor ih rer A nm eldung benutzt oder zu b en u tze n b eg o n n en h atten , ein V o rb en u tzu n g s­

recht ( § 5 P. G.).

Der Begriff der schutzfähigen Erfindung Auch in d e r F ra g e , w as als E rfindung zu schützen ist, sind der G e setzg eb u n g durch die allgem einen Interessen Schranken g eb o ten . Von den ü b erau s zahlreichen V er­

suchen, den B egriff „E rfin d u n g “ zu definieren, sei nur die kurze D efinition Osterrieths an g efü h rt: „D ie E rfindung ist eine technische S chöpfung m it e ig e n a rtig e r W irkung“ . Sow ohl der Begriff d e r „S chöpfung“ als auch der Begriff der „ e ig e n artig en W irk u n g “ bed arf im allgem einen In­

teresse einer E inschränkung und präzisen F estleg u n g . Auch derjenige, d e r eine län g st bekannte Sache ohne die bei ändern schon vorh an d en e K enntnis aus eigener K raft schafft, ist Schöpfer. E r b eleh rt a b e r nicht die N ation und b efru ch tet so nicht die allgem eine W irtschaft. W ürde der S ta a t auch diesem E rfinder ein A usschlußrecht g e ­ w ähren, so w ü rd e er den allgem einen Interessen erheblich schaden, weil er technischen A llgem einbesitz der All­

gem einheit zu g u n sten eines einzelnen w ieder nehm en w ürde. D er S taat kann also ein A usschlußrecht n u r an

„neuen“ E rfindungen gew ähren. D er Begriff „ n eu “ läßt nun allerdings die verschiedensten A uffassungen zu; es sind zeitliche, räum liche und begriffliche B eschränkungen m öglich. H ier m uß die G e setzg eb u n g durch eine Fiktion volle K larheit schaffen. Im deutschen P a ten tg esetz gilt als nicht neu, w as in öffentlichen D ruckschriften der letzten 100 Jah re beschrieben ist o d er im Inland offen­

kundig b en u tzt w u rd e (§ 2 P. G.).

Auch bezüglich d er „E rfin d u n g sh ö h e“, also des Be­

griffes d er „eig e n a rtig e n W irk u n g “ erscheint im allge­

m einen In teresse eine E inschränkung in der V erleihung von A usschlußrechten geb o ten . W ürde jed er kleinste technische S chritt auf verhältnism äßig lange Z eit für einen einzelnen reserv iert, so w äre dies zw eifellos keine F ö r­

d eru n g , sondern eine erhebliche B eschränkung der W eiter­

entw icklung d er allgem einen W irtschaft. Z ahlreiche tech ­ nische F o rtsc h ritte ergeben sich für den F achm ann bei

3) D a m m e - L u t t e r , „ D a s d e u ts c h e P a t e n t r e c h t “ , 1925, S. 417.

d er A rbeit auf einem bestim m ten G ebiete d e r T echnik von selbst. Die O ffen b aru n g dieser Schritte ist keine b e­

lo h nungsw ürdige B elehrung d er A llgem einheit, sondern sie w ar bestim m t von irg en d ein er Seite zu erw arten .

Um H ärten zu verm eiden, kann d er S taat auch die D auer der zu verleihenden A usschlußrechte nach der E rfindungshöhe staffeln, indem er fü r g ro ß e E rfindungen ein A usschlußrecht von län g erer D auer ge\v;ährt als für die kleinen technischen N euerungen. Die deutsche G esetz­

g eb u n g h a t diesen W eg beschritten und fü r die kleinen E rfindungen m it g e rin g e re r E rfindungshöhe das G e ­ brau ch sm u sterg esetz geschaffen.

B estim m te G ruppen von E rfindungen können kaum o d er ü b erh au p t nicht a n g ew en d et w erden, ohne die All­

gem einheit zu schädigen. Es sind dies zunächst die E r­

findungen, deren A nw endung den g u ten Sitten od er den G esetzen zuw iderlaufen w ürden. H andlungen, die den G esetzen und g u ten Sitten zuw iderlaufen, sind durch die allgem eine G e setzg eb u n g u n tersag t. S elbstverständlich kann dann der S taat nicht in einer S o n d erg esetzg eb u n g auf d erartig e H andlungen ein er einzelnen P erso n ein A usschlußrecht gew ähren. T eilw eise, in schw ächerem M aße, k?nn dies auch für andere G ru p p en von E rfindungen zutreffen, beispielsw eise von E rfindungen, die sich auf N ahrungsm ittel, auf A rzneim ittel oder auf V erfahren zur B ehandlung d es m enschlichen K örpers beziehen. O b A us­

schlußrechte an d erartig en E rfindungen den g u ten Sitten w idersprechen, ist ein e sehr b estritten e F ra g e , die w ed er eindeutig b ejah t noch ein d eu tig vern ein t w erden kann.

Das deutsche G esetz nim m t N ahrungs-, G enuß- und A rzneim ittel vom P aten tsch u tz aus (§ 1 P. G.).

Der Ausübungszwang

Die A llgem einheit ist auch sehr daran interessiert, ob und wie der E rfinder seine E rfindung benutzt. D er H auptzw eck der V erleihung des A usschlußrechtes w ird schon durch die O ffen b aru n g der E rfin d u n g erreicht.

A nderseits ist die B elehrung der A llgem einheit durch die O ffen b aru n g allein in den m eisten Fällen sehr m an g el­

haft, da fa st jede E rfindung bis zur E n tfaltu n g ihres vollen W ertes noch ein e län g ere praktische E ntw icklung durchzum achen hat. D urch die V erleihung eines A us­

schlußrechtes w ird nicht ausschließlich die O ffen b aru n g a n g estreb t, sondern auch eine w eitere praktische Be­

lehrung durch d en E rfinder. D er E rfinder soll seine E r­

findung praktisch ausführen, d am it sich die A llgem einheit ü b er den w irklichen W ert d er E rfindung ein klares Bild m achen kann. Die G e setzg eb u n g kann zu diesem Zw eck die V erleihung des R echtes au ß er von d e r O ffen b aru n g auch noch von d er praktischen A usführung d e r E rfindung ab h än g ig m achen, dem E rfinder also einen A u sü b u n g s­

zw ang auferlegen. Im deutschen P a te n tg e se tz ist dieser A usübungszw ang n u r sehr beschränkt. Die N ichtausübung allein ist unschädlich. N u r dann kann d as P a te n t zurück­

genom m en w erden, w enn die E rfin d u n g ausschließ­

lich oder hauptsächlich im A usland au sg e fü h rt w ird (§ 11, 2 P .O .).

V erzichtet die G e setzg eb u n g d arau f, dem E rfinder einen A usübungszw ang aufzuerlegen, so m uß sie jedoch anderseits verhüten, daß der E rfinder m ittels seines A us­

schlußrechtes die A usführung der E rfin d u n g ü b e rh a u p t b o y k o ttiert oder sie nur in einem M aße zuläßt, das dem B edarf der A llgem einheit nicht entspricht. Um diesen M iß­

brauch des A usschlußrechtes zu verm eiden, m uß sich d e r S taat bei der V erleihung des R echtes V orbehalten, u n ter

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E ig n et sich d e r In g e n ie u r fü r den V e rtrie b ? T E C H N I K U N D W I R T S C H A F T

g ew issen B ed in g u n g en den E rfin d er zu r Z u la ssu n g d er B en u tzu n g durch an d e re zu zw ingen. D iesem Z w eck d ie n t im d e u tsc h e n R echt die Z w an g slizen zk lag e, die d en P a te n tin h a b e r zu r Z u la ssu n g d e r B en u tzu n g durch d en K läg er zw in g t, w en n d as öffentliche In te re sse dies erfo rd e rt (§ 11,1 P. G .).

Die Erfinderehre

Am w e n ig ste n w ird d as allgem eine In teresse durch die W ünsche des E rfin d ers bezüglich d e r E rfin d ereh re b e ­ rü h rt. D urch d e n Schutz d e r E rfin d ereh re w ird die A llge­

m ein h eit in k ein er W eise g esch äd ig t. N u r in Sonderfällen steh en diesen W ünschen d ie In teressen a n d e re r A n­

g e h ö rig e r d er A llgem einheit e n tg e g e n , die d e r S ta a t auch zu b erü ck sich tig en h at. D ies g ilt b eso n d ers fü r den Fall d e r A n g estellten erfin d u n g . H ie r kom m t in vielen Fällen d e r A nspruch auf B elohnung fü r die B ereich eru n g der A llgem einheit durch die S chaffung, O ffe n b a ru n g u nd E n t­

w icklung d e r E rfin d u n g m ehr dem B etrieb sh errn zu, d er alle V o rb e d in g u n g e n fü r die E rfin d u n g schafft, die E r­

fah ru n g e n u n d M ittel d es B etriebes sow ie sein K apital zu r V erfü g u n g stellt u n d d en A n g estellten fü r seine T ä tig ­ keit b ezahlt, als dem E rfin d er, d er im R ahm en der T ä tig ­ keit, fü r die er b ezah lt w ird , vielleicht n u r den letzten Stein zu r V ollendung d e r E rfin d u n g ein fü g t. In diesen Fällen ist eigentlich auch d e r A nspruch d es E rfinders

auf die E rfin d ereh re zw eifelhaft, w eil er ja oh n e d en B etrieb die E rfin d u n g niem als g em ac h t hab en w ürde.

Im m erhin k ö n n te m an d er A nsicht sein, d a ß tro tz d e m auch h ier d er W unsch d es E rfin d ers auf A n erk en n u n g d er E rfin d ereh re erfü llb a r w äre, w eil ja d e r B etrieb als sol­

cher auf die E rfin d ereh re, die n u r einer n atü rlich en P erso n zukom m en kann, keinen A nspruch erh eb en kann. Es dürfen jedoch die S chw ierigkeiten nicht ü b erseh en w erden, die eine d e ra rtig e R eg elu n g m it sich b rin g e n w ürde. W ie o ft is t es in B etrieben, w o viele M enschen H an d in H and arb eiten , unklar, w er d er eigentliche E rfin d er ist, ob d er w e isu n g g eb en d e D irektor, d e r leitende O b e rin g e n ie u r, der technisch N eues h in zu b rin g en d e K o n stru k te u r o d er der die p rak tisch b e ste L ö su n g findende W erk m eister. S elbst­

v erständlich w ird je d e r aus v e rstän d lich er E itelkeit und m it R ücksicht auf die d a m it v erb u n d e n e n V erm ö g en s­

vorteile die E hre bean sp ru ch en , so d a ß h ä u fig e S tre itig ­ keiten zw ischen den A n g estellten u n te re in a n d e r und zw ischen den A ngestellten u n d dem U n te rn e h m e r u n v e r­

m eidlich sind i ).

Im deu tsch en G esetz is t d ie E rfin d e re h re nicht g e ­ reg elt. Es is t d o rt n u r die M öglichkeit d e r E rfin d er­

b e n en n u n g geschaffen durch die B ek an n tm ach u n g vom 15. 2. 22. E inen A nspruch au f diese E rfin d e re h re h a t d er an g estellte E rfin d er b ish er nicht. [723]

4) V e r g l . : S z y j a , „ D a s R e c h t d e s E r f i n d e r s “ , 1913, S. 21.

Eignet sich der Ingenieur für den Vertrieb?

D ie F ra g e , ob m an akadem isch g eb ild ete T echniker als R e ise v e rtre te r fü r den V ertrieb von M aschinen, A p p araten u n d technischen E rzeu g n issen aller A rt anstellen soll, w ird v ersch ied en beu rteilt, je nachdem , w elche E rfah ru n g en eine b estim m te U n te rn e h m u n g d am it g em ach t h a t. D och w u rd e die F ra g e , ab g eseh en von gelegentlichen psycho- technischen V ersuchen zur P rü fu n g d er E ig n u n g von S tellensuchenden fü r den V e rtre te rb e ru f in D eutschland noch kaum jem als öffentlich e rö rte rt.

In A m erika w id m et sich ein g rö ß e re r Teil d er fertig e n C o llege-S tudenten, d eren A usbildungsziele allerdings nicht g a n z gleich den en d er S tu d en ten an u n seren technischen H ochschulen sind, dem G eschäftsleben. D aru m h a t m an d o r t auch die F ra g e ih re r E ig n u n g u n d B ew äh ru n g darin in m anchen Z eitsch riften e ifrig b esprochen. So v erlan g t E. R. Buckalew fo lg en d e E ig en sch aften von einem A ka­

dem iker, d e r sich dem V ertrieb w idm en w ill: A npassung an d a s rasche T em p o im G eschäftsleben, F äh ig k eit, rasch, g e n a u in A n p assu n g an die jew eilig en U m stän d e zu arb eiten , H ilfsquellen zu ersp äh en u n d heranzuziehen. Er m uß In itiativ e besitzen, die M u tte rsp ra c h e tadellos b e ­ h errsch en , die g estellte A u fg ab e zäh v erfo lg en , B ehaup­

tu n g e n n u r seh r v o rsic h tig aufstellen, m it d er B ürotechnik u n d -O rganisation v e rtra u t sein, d ie m öglichen G esell­

sch aftsfo rm en von kaufm ännischen U n tern eh m u n g en kennen, fe rn e r d ie V erfah ren d e s V ertrieb s u n d der m echanischen V erv ielfältig u n g von D ruckw erken, um die T ä tig k e it d e r W e rb e a b te ilu n g v erste h e n zu können.

D ie E rfa h ru n g e n m it V ertrie b sin g e n ie u re n w erden w ohl n ic h t n u r nach d e r P ersö n lich k eit d es A ngestellten, so n d e rn auch n ach d e r B eso n d erh eit des G esch äftszw eig es schw anken. N ä h e re s d a rü b e r te ilt d e r P erso n alch ef der G um m iw aren fab rik G o o d rich , H. M. Baker, m it. Die S tellu n g su ch en d en w erd en aus 11 C olleges sehr so rg fä ltig au sg e w ä h lt. D urch E rk u n d ig u n g en b ei ih ren P ro fe sso re n

und B eurteilung von V erläßlichkeit, g e is tig e r R egsam keit, Initiative, k örperlicher E ig n u n g , g u tem Ä ußeren und A uf­

tre te n der B ew erb er su ch t m an sich bei d e r A ufnahm e ein Bild von ihren Z u k u n ftsau ssich ten im V ertrieb zu m achen. D ie P e rso n a la b te ilu n g lä ß t sich d ab ei n ich t vom ersten , zufälligen E indruck leiten, so n d ern lä d t d e n Be­

w e rb e r zu m e h reren U n te rre d u n g e n ein.

T ro tz dieser V orsicht bei d e r A usw ahl sch ein t m an doch einige E n ttäu sch u n g en e rleb t zu h aben. D en B ew er­

bern w ird am m eisten zum V o rw u rf g e m a c h t d e r M angel an E ntschlußfähigkeit, an Initiative. Sie tre te n oft ins G eschäftsleben m it dem A nspruch, d aß ein v ierjäh rig es H ochschulstudium sie bald in leiten d e S tellu n g en b rin g en w erde, ab er d e r lange A u fen th alt in V o rlesu n g ssälen h at sie in völlige g eistig e A b h ä n g ig k e it von ihren P ro fesso ren , in U n selb stän d ig k eit g eb ra c h t, so d a ß ih n en jede A n g riffs­

lust fehlt. D ah er d a u e rt es seh r lan g e, bis m an sie zum A bstreifen dieses M in d erw ertig k eitsk o m p lex es b rin g t. Es is t w o h l ein Irrtu m , anzunehm en, daß d e r D u rc h sc h n itts­

stu d e n t seine F äh ig k eiten ü b e rs c h ä tz t u nd zu viel S elbst­

v e rtra u e n besitzt, im G eg en teil, es w ird vielleicht an den H ochschulen die eigene P ersö n lich k eit zu seh r u n terd rü ck t.

Auch is t d er S tu d en t, d e r sich sein H o ch sch u lstu d iu m durch bezahlte A rb eit selb st v erd ien en m ußte, nich t oh n e w eiteres vorzuziehen, eb en so w e n ig d e r aus reichem H au s sta m ­ m ende, am besten h a t sich die m ittle re Linie bewräh rt.

D ieser A nsicht vom M angel d er E n tsch lu ß fäh ig k eit b ei H och sch u lab so lv en ten t r it t allerd in g s d e r P ressech ef d e r U n iv e rsitä t S yracus e n tg e g e n , d e n n er b e h a u p te t, daß die M e h rh e it d e r G ra d u ie rte n von 600 C o lleg es u nd U n i­

v e rsitä te n ins G esch äftsleb en e in tre te u n d d o r t sich e r­

folgreich b eh au p te . D arum h alten auch d ie g ro ß e n U n te rn e h m u n g e n d a u ern d an d en S chulen U m sch au nach g ee ig n e te n A ngestellten. W en n S tu d e n te n an S elb stu n ter- o d e r -Ü berschätzung leiden, d a n n sei dies ein p e rsö n lich e r C h arak te rfeh ler, d e r m it d e r H ochschule nichts zu tu n habe. D r. H. B erlitzer. [763]

(5)

2 3 . J a h r g . / H e f t 9 S E P T E M B E R 1 9 3 0

Prion: B örsenko n ju n ktu r

Börsenkonjunktur

Von Prof. Dr. W. Prion, Berlin Der Rückgang d es B örsengeschäftes ist nicht nur a u f tech­

nische Ursachen oder stru ktu relle W andlungen zurückzu­

führen. Die Vorgänge an d e r B ö rse stehen in engem Zusam m enhang m it d er Entwicklung am K apitalm arkt, d er wirtschaftlichen Lage überhaupt. D iese Zusam m enhänge werden in den folgen den A usführungen dargestellt. — Die zukünftige Entw icklung d e r B örsenkurse w ird a u ß er von den genannten Faktoren auch von d er w eltw irtschaftlichen Ge­

staltung und von d e r B auw irtschaft entscheidend beeinflußt.

1

. Börsendämmerung

Die Z eiten liegen noch nicht allzuw eit zurück, w o das In teresse fü r die Börse seh r g ro ß w ar. D amals stiegen die Kurse, jed erm an n beteiligte sich an der Spe­

kulation, viele heim sten G ew inne ein und glaubten, daß sie die K unst, an d er Börse G eld zu verdienen, in vollem U m fang beh errsch ten . D am als — so s a g te m an — ging die K o n ju n k tu r nach o b en ; es w ar eben ein Leichtes, auch au s d e r K u rssteig eru n g N utzen zu ziehen. Nun sind die K urse gesunken, die K urssenkung hält schon eine ganze W eile an — und es sieh t nicht so aus, als ob sie ü b erh au p t w ied er au fhören w ollte — und nie­

mand will so re c h t etw as von d e r Börse m ehr w issen.

Die m eisten E ffektenbesitzer haben an ihren Effekten g roße V erluste erlitten ; nur w enige sind in d er Lage gew esen, sich rechtzeitig aus dem B örsengeschäft zurück­

zuziehen. D ie L ektüre des K urszettels, die früher vor S pannung nicht e rw a rte t w erden konnte, m acht heute keinen Spaß m ehr. Die Z eitu n g en haben überdies gro ß e M ühe, m it im m er neuen Ü berschriften ihren Lesern die w iederum ein g etreten en K u rsrückgänge m it schonenden und um schreibenden W orten klar zu machen.

F ra g t m an nach den G ründen für diese Entw icklung der B örsenkonjunktur, so kann man davon eine ganze Reihe h ö re n : so z. B. die A ktiengesellschaften geben nicht gen ü g en d D ividende; das Sparkapital w ird zu sehr besteuert, es hält sich vom A ktienm arkt zurück und flieht ins A usland; durch den Z usam m enschluß von Banken gehen der Börse die A u fträg e verloren, sie w erden innerhalb d er Banken ausgeglichen. M an spricht von einer Überfülle von M aklern, zugleich von einer G e­

schäftsleere an der Börse, und zahlreich sind die V or­

schläge, die darau f abzielen, die Börse w ied er zu einem leistungsfähigen O rg a n d e r V olksw irtschaft zu m achen, das soll h e iß e n : daß endlich einm al w ieder die K urse steigen und das G eschäft sich belebt. E insichtigere bem erken jedoch, daß die V o rg än g e an d e r Börse im engsten Z usam m enhang m it d er E ntw icklung des K apitalm arktes stehen, ja schließlich nichts anderes sind als das S piegel­

bild u n serer gesam ten w irtschaftlichen Lage.

2

. Was ist Börsenkonjunktur?

Wie ste h t es denn eigentlich mit d e r B örsenkonjunk­

tu r? W ir w issen, daß w ir u n ter K onjunktur schlechthin die W irtschaftslage verstehen, wie sie sich jew eils aus der P ro d u k tio n , dem A ngebot von W aren und dem V erbrauch, der N achfrage nach W aren ergibt. H ierbei kann das G leichgew icht g e stö rt sein durch eine Ü ber­

e rz eu g u n g an W aren, die nicht ab g e se tz t w erden können, durch einen M angel an K aufkraft, d er v erhindert, daß die W aren g ek au ft w erden können. Es ist bekannt,

daß man in dieser S tö ru n g der G leichgew ichtslage einen W echsel zu erkennen versucht, d er das A uf und A b der K onjunktur zu einem R hythm us m acht. M an spricht von einer H ochkonjunktur, w enn die P ro d u k tio n zu­

nim m t, die W aren bei steigenden P reisen ab g esetzt w erden, die Löhne steigen und die allgem eine V erso r­

g u n g der M enschen m it dem N otw endigen besser w ird.

Die frühzeitige Erkenntnis von der M öglichkeit des E in­

tritts einer solchen H o chkonjunktur hat die Spekulation schon vorher veranlaßt, Aktien an der Börse zu kaufen, w eil sie annim m t, daß die zu erw arten d e g ü n stig e W irt­

schaftslage den U nternehm ungen en tsprechende G ew inne b rin g t, und daß dem zufolge auch auf die A ktien höhere D ividenden v erteilt w erden. D ieser v o rausschauenden T ä tig k e it der Spekulation ist es zuzuschreiben, daß die Börse — wie man sa g t — die g u te W irtschaftskonjunk­

tur eskom ptiert, d. h. daß sich die K u rssteig eru n g an der Börse früher vollzieht, als sich im W irtschaftsleben die K onjunktur durchsetzt oder m it ändern W o rten : die K urse eilen d er W irtschaftskonjunktur voraus. Bei dieser E ntw icklung ist aber noch ein U m stand von B edeutung, das ist das V erhalten des G eld- und K apitalm arktes.

H ier kann so g ar die entscheidende V oraussetzung fü r die jew eilige W eiterentw icklung sow ohl der in d u ­ striellen als auch d er B örsenkonjunktur liegen. Die je ­ w eilige Lage des G eld- und K apitalm arktes zu erkennen, die besonderen G ründe zu finden, die zu d ieser Lage g efü h rt haben, die Z u sam m enhänge zu erfassen, die sich zw ischen der jew eiligen Lage des G eld- und K apital­

m arktes und der industriellen und B örsenkonjunktur e r­

geben, die K enntnis von diesen D ingen ist a u ß e ro rd e n t­

lich w ertvoll fü r die F rag e, w ie m an die W eiteren t­

w icklung d er K onjunktur ü b erh au p t einschätzen soll.

3

. Die Börse in der Hochkonjunktur Z u n äch st: W elche S tellung nim m t d er G eld- u nd K apitalm arkt beim V orliegen der H ochkonjunktur ein?

W ir tun g ut, von diesem Z u stan d d er W irtsch a ft au szu ­ gehen, um n achher b esser sehen zu können, w ie die D inge heute, in d e r Z e it d er D epression liegen. Die Z usam m enhänge sind die fo lg en d en : Die verm eintlich günstigen A ussichten für eine aufsteigende W irtsch a fts­

k o n junktur h a t das B örsengeschäft belebt, die K urse steigen und flüssiges G eldkapital findet A nlage in diesen A ktienkäufen. Auch die G eldkapitalien, die g ew o h n h eits­

m äßig in fest verzinslichen Papieren A nlage finden, w e r­

den des K ursgew innes w egen in A ktien an g eleg t. Die festverzinslichen Papiere w erden vernachlässigt, ihre K urse (sinken. U nd so e n tsteh t an d er Börse das typische Bild: schon vor Beginn d er industriellen K onjunktur Steigen der A ktienkurse, Sinken der K urse für fe s t­

verzinsliche Papiere.

Inzw ischen reift die industrielle K onjunktur heran, d er B eschäftigungsgrad der B etriebe nim m t zu, die g e ­ s te ig e rte N achfrage fü h rt zu einer S teig eru n g d e r P reise, diese reizt dazu, die E rzeu g u n g zu steig ern , die Be­

trieb e zu erw eitern u n d neue B etriebe ins Leben zu rufen. U nd nun kom m t das E ntscheidende: w enn diese E rw eite ru n g d er B etriebe ü b er die M enge des v o rh a n ­ denen K apitals h inausgeht, dann m uß d e r K redit h e r­

(6)

P rio n : B ö rs e n k o n ju n k tu r tec h n i k u n d

W I R T S C H A F T

halten. U nd das ist m eist die R egel: D ie Banken g e ­ w äh ren je tz t den U n te rn e h m u n g e n den K redit, m it dem die V erm eh ru n g der G ü te re rz e u g u n g d u rc h g e fü h rt w ird.

D iese U m leg u n g der K re d itg e w ä h ru n g an die W irtsch a ft e n g t die F äh ig k eit d e r B anken, g leichzeitig auch noch K redite an die Börse zu g ew äh ren , in. m ehr o d er m in d er g ro ß em M aße ein. Alle v e rfü g b aren K reditquellen, zu­

letzt die N oten b an k , bei uns die R eichsbank, w erd en in A nspruch genom m en, die Z inssätze am G eld m ark t steig en m it d e r F o lg e, daß die K urse d er festverzinslichen P a ­ piere w eiter sinken, daß nu n ab er auch bald d e r A u g en ­ blick g ekom m en ist, w o das B ö rsen g esch äft e in g ee n g t w ird, weil die v e rfü g b a re n G eldkapitalien knapp w erden.

W enn sich je tz t überdies noch h e ra u sg e ste llt h at, daß die K urse zu hoch g e k le tte rt sind, o d er die g eg eb en en K redite g e k ü n d ig t w erd en m üssen, dan n ist d e r B ö rsen ­ krach d a: die K rise b eg in n t.

Auch hier sieh t m an w ieder, daß z u e rs t die B ö rsen ­ k o n ju n k tu r um schlägt. Am G eld m ark t w erd en indes w ei­

te re A nsprüche von Seiten der In d u strie gestellt, die ja e rs t dabei ist, die H o c h k o n ju n k tu r durch die E r­

w e ite ru n g ih rer B etriebe voll auszuschöpfen. D och in d ieser A u ssch ö p fu n g lieg t der erste Keim zum U m schlag d er K o n ju n k tu r auch hier. Die A usd eh n u n g d e r P ro d u k ­ tion kann näm lich üb er das rich tig e M aß hin au sg eh en , w en n die Banken ü b e r das v erfü g b a re K apital hinaus neues K apital durch K red itsch ö p fu n g zur V erfü g u n g g estellt haben. Je tz t kann von zw ei Seiten eine E r­

sc h ü tte ru n g k o m m e n : en tw ed er fin d et die v erm eh rte W aren m en g e keinen A bsatz m ehr, o d er es tr itt eine erhebliche V e rte u e ru n g der K redite, vielleicht auch eine K ü n d ig u n g d e r K redite ein, die zu einer E in sch rän ­ k u n g d e r ü b er das zulässige M aß g e stie g e n e n P ro d u k ­ tion fü h rt. D am it ist auch die K rise der In d u strie­

k o n ju n k tu r geg eb en .

M an h a t diese Z u sam m en h än g e bekanntlich durch d a s Bild von den B arom etern der drei M ärkte v e ra n ­ schaulicht. D ieses Bild b esag t, daß in dem W echsel von A ufschw ung, K rise u n d N ie d e rg a n g sich folgende R eihen­

fo lg e im m er w ied er erkennen und feststellen läß t:

Z u e rs t re a g ie rt d er E ffek ten m ark t bei dem B eginn einer K o n ju n k tu r, es fo lg t der W aren m ark t und schließ­

lich g re ift die B ew eg u n g auf den G eld- und K apital­

m a rk t ü b er,

o d er m it än d ern W o rten : z u erst steig en die K urse, d a n n die W aren p reise und endlich die Z inssätze des G eld m ark tes.

E n tsp rech en d ist es in der K rise: zu e rst d er Z u ­ sam m en b ru ch d er K urse, der R üükgang d e r E ffekten- preise, dann das Sinken d er W aren p reise und schließ­

lich das Sinken d er Z inssätze.

4

. Die Börse in der Depression

W ir w enden uns n u n m e h r dem G eg en stü ck d e r H o ch ­ k o n ju n k tu r, dem A b stieg und d e r D ep ressio n zu: W ie sieh t die B ö rsen lag e aus, w en n das W irtsch aftsleb en d a r­

n ie d e rlie g t? W ir w ollen von den E rfah ru n g en frü h e re r Z eiten au sg eh en u nd im A nschluß d aran die F ra g e stellen, ob die g e g e n w ä rtig e L age m it den frü h eren E r­

fah ru n g e n ü b erein stim m t, also auch die gleiche W e ite r­

e n tw ick lu n g w ie frü h e r zu e rw a rte n is t?

A us den frü h eren E rfa h ru n g e n stellen w ir folg en d es fe s t: N ach dem Z u sam m en b ru ch d er industriellen K on­

ju n k tu r h ä lt d e r R ü ck g an g d er A ktienkurse w e ite r an, d as B ö rsen g esch äft in A ktien sch ru m p ft zusam m en. Die

G rü n d e sind leicht zu erk en n en : weil sich die G e w in n ­ aussichten der U n tern eh m u n g en v e rrin g e rn , ste h t ein R ückgang der D ividenden in A ussicht, fü r die A ktien e rg ib t sich ein g e rin g e re r K ursw ert, ln d e r d a rn ie d e r­

liegenden W irtsch a ft w ird w en ig er K apital g eb rau ch t, am G eld m ark t sam m eln sich die b esch äftig u n g slo se n G eld ­ kapitalien a n ; die Z inssätze am G eld- und K apitalm arkt gehen zurück. Im Z u sam m en h an g hierm it w erd en auch die Z inssätze für G u th ab en bei den B anken, die Z inssätze für Scheckkonten und D epositen h e ra b g e s e tz t: es b esteh t ein A nreiz, die festverzinslichen W e rtp ap iere zu erw erben.

Ihre K urse b eg in n en zu steig en , d. h. ab er nichts anderes als daß auch ihre R ente sinkt, die sich d er S en k u n g der Z inssätze am G eld m ark t an p aß t.

So die E rfah ru n g en frü h e re r E ntw icklungen. U nd h e u te ? W ir m üssen feststellen, daß diese E rfah ru n g en auch der h eu tig en Lage durch au s e n tsp re c h e n : seit Jah r und T a g der R ück g an g d e r A ktienkurse — A ktienindex von 141,15 auf 122,18 — R ückgang der K red itg ew äh ru n g bei den B anken, in sb eso n d ere bei d er R eichsbank — W echsel- und Scheckbestand von 2,5 M rd. RM auf 1.5 M rd. RM — H era b se tz u n g des D isk o n tsatzes von 7.5 auf 4 vH , R ückgang d e r Z inssätze am offenen G eld­

m ark t von 9 bis 10 vH auf 4 bis 5 vH und nicht zuletzt S teig eru n g d er K urse d er festverzinslichen W erte (K ursindex von 85,17 auf 88,02). A lso es sind — so b e ­ tra c h te t — alle M erkm ale der w irtsch aftlich en D epression auch in d er B ö rsen k o n ju n k tu r e rk e n n b a r: N ied rig e A ktien­

kurse, n iedrige Z in ssätze und Steigen d er K urse fü r fe s t­

verzinsliche P apiere.

5

. Die zukünftige Entwicklung

W ir kom m en zum Schluß und fra g e n : w elche Schlüsse sind aus dieser Lage auf die zukünftige G e sta ltu n g d er B ö rsen k o n ju n k tu r zu zieh e n ? Z u n äch st w ollen w ir auch w ied er feststellen, w ie sich d er B örsenverlauf nach den früheren E rfah ru n g en stellt.

D er A n gelpunkt fü r die W eiteren tw ick lu n g der K on­

ju n k tu r lag — das ist w ohl zu b eachten — w ie d e r in den E inflüssen, die vom G eld- und K ap italm ark t ausgingen.

D er n iedrige Z inssatz verfeh lte auf die D au er seine W ir­

k ung nicht. W eil die Spekulation dies aus frü h eren E r­

fah ru n g en w u ß te, b e g in n en bald die K äufe in A ktien in d er H o ffn u n g auf eine N eu b eleb u n g d e r W irtschaft.

D iese kam vom B aum arkt. D er n ied rig e Z in ssatz m achte die F o rtfü h ru n g alter und n eu er B auvorhaben ren tab el:

die B au tätig k eit b eg an n , un d die W irtsch a ft sp ü rte bald die R ückw irkung, ln d e r In d u strie h a tte die d a rn ie d e r­

liegende K o n ju n k tu r zur A u ssch altu n g u n re n ta b le r Be­

trieb e, zur V erb esseru n g d e r b esteh en d en B etriebe g e ­ führt, die A u fträg e vom B aum arkt b rin g e n n e u e s L eben:

die W irtsch a ft ist — w ie m an h eu te so schön s a g t — a n g ek u rb elt. Inzw ischen ist ab e r die B ö rsen k o n ju n k tu r, die diesen E reig n issen vorauseilen w ill, im schönsten G ange, d. h. die A ktien steig en , u n d die K urse d er fe s t­

verzinslichen W erte g eh en zurück, w eil das K apital für die Ind u strie un d die B örse g e b ra u c h t w ird.

W enn w ir ab er n ä h e r zusehen, dann erg eb en sich doch b em erk en sw erte U n tersch ied e zw ischen d er Lage von heute und frü h er. Z u n ä c h st: die ü b e rra sc h e n d schnell v o r sich g e g a n g e n e S enkung d e r Z in ssätze is t nicht n u r die F olge d er deu tsch en W irtsch a ftslag e, so n d ern in viel­

leicht noch stärk erem M aße die F o lg e d er g esam ten Lage der W eltw irtsch aft. Infolge einer rie sig e n Ü b ererzeu ­ g u n g , in sb eso n d ere von R ohstoffen, ist ü b erall eine A b satzsto ck u n g ein g etreten , drücken b e sc h ä ftig u n g slo se

(7)

2 3 . J a h r g . / H e J t 9 S E P T E M B E R 1 9 3 0 ,

G eldkapitalien auf den Z inssatz. S odann: von dieser E ntw icklung ist in e rste r Linie d er G eldm arkt betroffen w o rd en , nicht d er K apitalm arkt, d. h. d e r M ark t für la n g ­ fristig e G eldkapitalien. H ier sind die Z inssätze an allen Plätzen d er W elt noch ziemlich hoch. Bei uns lieg t die U rsache darin, daß d e r K apitalm arkt — m an denke an den Baum arkt, an die öffentliche H an d — noch seh r g ro ß ist, und daß die G elder, die an den G eld m ark t ström en, nicht ohne w eiteres fü r die A nlage am K apitalm arkt g e ­ eig n et sind. D aß auch bei uns K apitalien fü r den K apital­

m arkt vorhanden sind, d as zeig t das Steigen d e r K urse d er festverzinslichen W ertp ap iere. Insbesondere stark ist ja d e r A bsatz d e r P fan d b riefe in d er letzten Z eit g e ­ w esen. F e rn e r: die R ückw irkung auf den B aum arkt lieg t h eu te anders als früher. Die Z insverbilligung, die, wie g ezeigt, fü r lan g fristig en K redit noch seh r schw ach ist, w ürde auch bei g rö ß erem A usm aß n u r langsam au f eine B esserung d e r B au tätig k eit einw irken, da heute das Bauen in stärk erem M aße auch von änd ern F ak to ren a b ­ h än g ig ist, das sind die h öheren B aukosten und die v er­

rin g erte K aufkraft d e r B evölkerung. U nd endlich: auch auf die In d u strietätig k eit kann heute die Z insverbilligung nur im besch rän k ten M aße einw irken. W ohl kom m t die H erab setzu n g d e r Z inssätze all den U n tern eh m u n g en zu­

g ute, die m it erheblichen M en g en F rem dkapital arbeiten.

Aber die A n re g u n g auf die U n tern eh m u n g slu st, die T e n ­ denz zur S teig eru n g der W irtsch a ftstätig k eit, zur E r­

w eiteru n g d e r B etriebe ist deshalb nicht so stark, weil

2 3 9

ja die B etriebe h eu te m eist schon eine g rö ß e re L eistu n g s­

fäh ig k eit haben, als d e r N achfrage ih rer P ro d u k tio n e n t­

spricht.

W ir sehen also, daß heute noch die U m stän d e andere sind als in früheren D epressionszeiten. Die Ü b ertrag u n g frü h erer E rfah ru n g en auf die h eu tig en V erhältnisse ist nicht einfach m öglich. H inzu kom m t schließlich noch die U nsicherheit in d e r G estaltu n g der w eltw irtschaftlichen K onjunktur, bei d er m an annehm en m uß, daß es sich m eh r um strukturelle Ä nderungen als übliche K onjunkturen h a n ­ deln w ird, kom m t die U nsicherheit d er finanziellen und politischen E ntw icklung im eignen Lande, sodaß als letzter und w ich tig ster F ak to r eben diese U nsicherheit in R echnung g estellt w erd en m uß, w enn m an die B örsen­

entw icklung abschätzen will. U nsicherheit b e d e u te t ab er auch, daß sie selbst u n sich er ist, soll heißen, daß es nich t unm öglich ist, daß ihre E xistenz selb st unsicher ist, es ungew iß ist, w ie lange sie andauert, daß sie eines T a g e s auch plötzlich verschw unden sein kann. D iese U n sich er­

heit heute in R echnung stellen, ist Spekulation. W enn Spekulation eine einfache R echenaufgabe w äre, w äre die A usnutzung d er B örsenkonjunktur ein K inderspiel. W er heute so oder so handelt, der spekuliert im w ahren Sinne des W ortes. M an kann W ertp ap iere kaufen, w enn m an bald od er ü b erh au p t eine bessere W irtsch aftslag e erw artet, m an kann verkaufen, w enn man an eine w eitere o d e r anhaltende V erschlechterung d en k t — od er m an kann nichts tun, d. h.

ab w arten, bis es zu sp ä t ist. [742]

B ecker: Eine Analyse d er industriellen B auunternehm ung

Eine Analyse der

industriellen Bauunternehmung

Von F. Becker, Berlin

Der Einfluß der Eisenbetonbauweise

auf die Industrialisierung der Bauunternehmungen.1)

D ie in du strielle U nternehm ungsform und B etriebsw eise im B augew erbe verdanken ihren U rsprung dem Z u sam m en w irken kaufm ännischen G eistes und w issenschaftlicher Ingenieurarbeit. Von beson­

derem E influß a u f d ie betriebsw irtschaftliche Entwicklung w a r und ist dabei die Eisenbetonbauweise.

D ie ausschließlich a u f E isenbeton spezialisierten Bauunternehm ungen stellen aber hinsichtlich B e­

trieb sg rö ß e, K apitalu m fan g, A n w en du n g von Maschinen und dergl. durchaus nicht die in du striell höchstentwickelten U nternehm ungen des B augew erbes dar, man m u ß vielm ehr diese R olle den

„kom binierten“ Bauunternehm ungen zuerkennen, die m eh r oder w eniger B auw erke aller A rt aus­

führen und in denen d e r E influß d es E isenbetons sich auch a u f den übrigen B aubetrieb auswirkt.

Von den in A n b etrach t der h eu tig en W o h n u n g sn o t leider noch viel zu seltenen erfolgreichen V ersuchen g ro ß e r B auunternehm ungen ab g eseh en , w elche die Technik des W o h n u n g sb au es nicht n u r in Einzelheiten, sondern w irklich von G ru n d aus rationalisieren wollen, sieht diese ü b e r­

lieferte Bautechnik in u n srer Z eit nicht viel anders aus als vor Jah rh u n d erten . W ohl hat bald nach dem Fall der Z unftschranken im Jah re 1869 kaufm ännischer U n te r­

neh m u n g sg eist auch im B augew erbe U n ternehm ungen von beträchtlichem U m fang (vgl. Abb. 1, Die E ntw icklung des B augew erbes) und b each ten sw erten L eistungen e n t­

stehen lassen, a b e r durch ihn allein h ä tte n die g ew altigen A ufgaben nicht erfüllt w erden können, w elche die A us­

b reitu n g des V erkehrs un d d e r A ufschw ung d e r Industrie dem B auw esen in im m er g rö ß erem U m fang stellten.

N eben den K a u f m a n n m ußte eb en b ü rtig der w issenschaftlich gebildete I n g e n i e u r als tech-

nischer L eiter tre te n , und beide m ußten sich bei d er betriebsw irtschaftlichen O rg an isatio n d er U n tern eh m u n g b egegnen, um den T yp d er industriellen B au­

un tern eh m u n g zu schaffen, der heute neben den hoch- entw ickelten U nternehm ungen a n d re r Industriezw eige

beschäftigte Personen

J25000

-mooo

75000

200000-

750000

t) A u s e in e r d e r T e c h n is c h e n H o c h s c h u le „ F r id e r ic ia n a “ z u K a rls ru h e v o r g e le g te n D i s s e r ta tio n s s c h r if t „ D ie I n d u s tr ia lis ie r u n g im E is e n b e to n b a u “ . R e f e re n t P r o f. D r. ju r. D r. r e r . p o l. E. W e h r l e , K o r r e fe r e n t P r o f. D r.-In g . E . P r o b s t .

50000

o Betriebe

mbeschäftigte Personen

-50000

- 25000

7875 1882 1895 1907 1925

Abb. 1. D ie E ntw icklung des d eu tsch e n B a u g e w e rb e s

(8)

B e c k er: E ine Analyse d e r in d u striellen B auu n tern eh m u ng T E C H N I K U N D W I R T S C H A F T

seinen P latz b eh au p te n kann. U rsp rü n g lich h a t sich diese B auindustrie fa s t ausschließlich m it d er E rric h tu n g von In g en ieu rb au w erk en w ie Brücken, H allen, W asserb au ten , T iefb a u ten u. dgl. b efaß t, u nd diese U n tern eh m u n g en w aren fast im m er auf eines dieser G eb iete un d m eist auch auf eine b estim m te B auw eise spezialisiert. D ie E ntw ick­

lu n g h a t a b e r m it d e r K o n zen tratio n d e r B etriebe eine im m er stä rk e re Z u sam m en fassu n g aller d ieser Z w eige m it sich g eb ra c h t, d ie sich g e g e n se itig b e fru ch tet haben.

Die sachlich u n b e g rü n d e te n A b g ren zu n g en in n erh alb des B au g ew erb es sind gefallen, u nd h eu te b eg in n en w ir die seg en sreich en W irk u n g en d e r In g en ieu rtech n ik s o g a r im W o h n u n g sb a u zu spüren.

D afü r h a t sich freilich eine n eu e G renze im m er stärk er a u s g e p rä g t: W ir können die S tahlbaufirm en h e u te nicht m e h r zu r eigentlichen B auindustrie rechnen. Ih re E r­

zeu g n isse sind selb stv erstän d lich B auw erke wie alle ändern

— eisern e F abrikhallen sind allerd in g s, da sie m itu n ter von ihrem A u fstellu n g so rt a n einen ä n d ern , b elieb ig w eit en tfern ten v e rse tz t w erd en können, zu ein er reg elrech ten M ark tw are g ew o rd en , w as z. B. bei einem M assivbau u n d e n k b a r w ä re — , ab e r ihre A rb eitsb ed in g u n g e n w eisen nich t m eh r die ty p isch en M erkm ale des B au g ew erb es auf, so n d e rn stim m en im w esentlichen etw a m it denen des G ro ß m asch in en b au es überein. E ine B etonbrücke e n tste h t am jew eiligen B estim m u n g so rt aus dem form losen R oh­

stoff, w äh ren d fü r eine eisern e B rücke die einzelnen T eile in d er W e rk s tä tte fe rtig b e a rb e ite t u n d h ier m itu n te r ganze B rü ck en träg er p ro b ew eise zu sam m en g esetzt w erden, so daß am A u fstellu n g so rt n u r noch M o n tag earb eiten zu verrichten sind, also nich t an d ers als z. B. beim Bau ein er g ro ß e n K raftm aschine. D iese A b g ren zu n g w ird auch durch die am tliche d eu tsch e S tatistik b e stä tig t, die d e n S tahlbau von je h e r zum „M aschinen-, A pparate- und F a h rz e u g b a u “ zählt, u nd die S tah lb au in d u strie selb st h a t sich im „R eichs­

v e rb an d der D eutschen In d u strie“ gem einsam m it dem ihr auch innerlich v erw an d ten D am pfkessel- u nd A p p a ra te ­ bau o rg a n isie rt. Ähnlich w ie im S tahlbau liegen die Ar- beits- un d A b satzb ed in g u n g en in d e r n euzeitlichen H olz­

b au in d u strie.

N eben d e r S tahlbauw eise v erd an k en w ir der In g e n ie u r­

w isse n sc h a ft noch eine andre, jü n g e re B auw eise, den E isen b eto n , d er ebenfalls eine G ru n d la g e fü r die E ntw ick­

lu n g in d u strieller G ro ß b e trie b e g eliefert hat. Im G e g e n ­ sa tz zum S tahlbau ist a b e r d er E isen b eto n b au ein Z w eig des eigentlichen B au g ew erb es m it seinen typischen Be­

d in g u n g e n geblieben. D ie V erb in d u n g von technisch- w issen sch aftlich er u n d k aufm ännischer A rb eit h a t dennoch den E isen b eto n b au ü b e r die a lth e rg e b ra c h te n G renzen des B auhandw erks h in a u s g e fü h rt und d e r neuzeitlichen in d u striellen U n te rn e h m u n g auch im B augew erbe P latz verschafft. Es is t nicht zu viel b e h a u p te t, w enn m an die Ü bernahm e von E ise n b e to n b a u te n un d d ie zum g ro ß en T eil sich h ierau s e rg e b e n d e B etrieb sk o m b in atio n d er B au­

u n tern e h m u n g e n g erad ezu als M aß stab ih rer industriellen O rg a n is a tio n b e trach tet.

Begriff und Wesen

der industriellen Bauunternehmung D i e B e t o n - u n d E i s e n b e t o n b a u w e i s e i s t h e u t e G e m e i n g u t d e s g e s a m t e n B a u ­ g e w e r b e s . Sie h a t den T ä tig k e itsb e re ic h d e r B au­

u n te rn e h m u n g e n s o g a r no ch ü b e r den ü b erlieferten U m ­ fa n g d es H och- u n d T iefb a u es h in au s e rw e ite rt, ihnen u. a., u m n u r ein B eispiel zu nen n en , den B erg b au e r ­ schlossen. S elbst kleine B au g esch äfte u n d H a n d w e rk s­

m eister führen h eu te im R ahm en ih re r B au a u fträ g e u n ­ bedenklich selb stän d ig einfache E ise n b eto n arb eiten aus, u nd die B ehörden hab en zum T eil d ie s e r T a tsa c h e schon seit lan g en Ja h re n R echnung g e tra g e n u n d an m anchen O rte n die A rt d ie s e r A rbeiten s o g a r g en a u festgelegj;.

Bei einer D arstellu n g des E influsses d e r E ise n b e to n b a u ­ w eise auf die In d u strialisieru n g des B au g ew erb es können ab er diese K lein u n tern eh m u n g en u n d H an d w erk sb etrieb e, obw o h l sie nach d er Zahl d e r gew erblichen N ied erlassu n g en w ie d er B eschäftigten im deu tsch en B au g ew erb e h eu te noch die erste Stelle einnehm en, nicht m itg erech n et w e r­

den. D ie von d e ra rtig e n B etrieben a u sg e fü h rte n E isen ­ b eto n arb eiten sind eben R eg elau sfü h ru n g en , zu d eren E n t­

w urf keine b eso n d ere In g e n ie u ra rb e it zu leisten ist, die also u n te r keinen U m stän d en als In g e n ie u rb a u te n zu b e ­ tra c h te n sind. D am it hab en w ir b e re its d as entscheidende K riterium fü r diejenigen U n te rn e h m u n g e n g e fu n d en , die als m eh r o d e r w en ig er spezialisierte E ise n b e to n b a u u n te r­

neh m u n g en , d. h. als industrielle B a u u n tern e h m u n g en zu b e tra c h te n sin d : d e r U m fang, in dem sie In g e n ie u rb a u te n in E isen b eto n ausführen.

Die au ß ero rd en tlich vielfältige V erw en d u n g sm ö g lich ­ keit des E isen b eto n s b rin g t es m it sich, daß diese U n te r­

n eh m u n g en nicht o h n e w eite re s m it H ilfe ein e r a m t­

lichen o d e r p riv aten S tatistik e rfa ß t w erd en können. Die System atik d e r letzten am tlichen B etrieb szäh lu n g vom Ja h re 1925 e n th ält in d er G ru p p e „B au u n te rn e h m u n g e n und B auhandw erk“ folgende G e w e rb e a rte n :

a) B au u n tern eh m u n g en und B au sto ffin d u strie, b) H och-, E isen b eto n - u n d T iefb au ,

c) H o ch b au (M aurerei un d Z im m erei), d) Z im m erei (so w eit nicht u n te r c), e) B eton- u n d E isen b eto n b au ,

f) T iefbau.

Die erste n beiden G e w e rb e a rte n u m fassen „k o m b i­

n ierte B etriebe“ . D er B egriff „ B a u u n te rn e h m u n g und B a u sto ffin d u strie“ schließt zum m indesten die A u sfü h ru n g von B etonbauten nicht aus. D er „H och-, E isen b eto n - un d T ie fb a u “ u m faß t, w ie w ir s p ä te r seh en w erd en , d en g rö ß te n T eil d e r im v o rlieg en d en R ahm en d arzu stellen d en U n tern eh m u n g en . U n te r „ H o c h b a u “ u n d „Z im m erei“ sind, wie d er N achw eis ü b e r die B e trie b sg rö ß e n zeigt, zum w eitau s ü b erw ieg en d en T eil die h andw erklichen B aube­

trieb e erfaßt. D er B egriff „B eto n - u n d E ise n b e to n b a u “ scheint zunächst ein d eu tig zu sein. Im sy stem atisch en G e ­ w erb everzeichnis 2) sind fü r d iese G e w e rb e a rt 23 v e r­

schiedene B enennungen en th alten , von d en en n u r w en ig e eine au sg esp ro ch en e S pezialisieru n g v e rm u ten lassen, w ie U n tern eh m u n g fü r B eto n sp ritzarb eiten , B au von G e tre id e ­ silos o d e r von K ohlensilos, L e ich tb eto n b au 1, Z e m e n tfu ß ­ b o d en b au , w äh re n d 12 den B etrieb n u r g an z allgem ein kennzeichnen, w ie z. B. B au g esch äft fü r B eton- un d E isen ­ b eton, B eto n b au g esellsch aft, E ise n b e to n b a u u n te rn e h m u n g . D iese U n tern eh m u n g en ü b ern eh m en die G e sa m ta u sfü h ru n g von B auw erken und fü h ren zw eifellos a u ß e r B eto n arb e iten auch die ü b rig e n am B auw erk v o rk o m m en d en B au arb eiten , z. B. die zur G rü n d u n g n ö tig e n E rd a rb e ite n , d ie zu r A u s­

fach u n g von E isen b eto n -G esch o ß b au ten erfo rd erlich en M au rerarb eiten u. dgl. aus. B ezeichnungen vollends w ie B eto n g esch ä ft (S traß en b au ), lassen Z w eifel e n tste h e n , ob es h e u te ü b e rh a u p t noch viele „ re in e “ B eton- u n d E isen ­ b e to n b a u u n te rn e h m u n g e n g ib t, die n ic h t in irg e n d e in e r W eise m it „ H o c h b a u “- o d e r „ T ie fb a u “ -B etrieb en ko m b i­

n iert sind. U n te r den nich t w e n ig e r als 64 B e trie b sb e ­

2) D ie g e w e r b lic h e n N ie d e rla s s u n g e n im D e u ts c h e n R e ic h ( ö rtlic h e B e t r i e b s ­ e in h e ite n ) . S t a ti s t i k d e s D e u ts c h e n R e ic h e s , B a n d 4 1 3 , I. S. 122.

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