Z e i t s c h r i f t
fü r den
Physikalischen und Chemischen Unterricht.
L. Jahrgang. 1937. Fünftes Heft.
Über Ionenstrahlen.
Von Gerhard C. Schmidt in M ünster.
Die Tatsache, daß in der Nähe von feuchtem, sich oxydiere nd en Phosphor die L u ft zu einem L e ite r w ird , w urde im Jahre 1855 von Ma t t e u c c i entdeckt. Spätere Versuche zeigten, daß die L e itfä h ig k e it auf hört, w enn die O x y d a tio n des Phosphors v e rh in d e rt w ird , z. B. dadurch, daß m an Leuchtgas, S tickstoff, W asserdam pf usw.
gegen den Phosphor bläst. T ro tz v ie le r Versuche is t der bei der Entstehung der L e itfä h ig k e it in B etracht kom m ende V o rg a n g im einzelnen n ic h t b e ka n n t; es e rk lä rt sich dies 1. daraus, daß bei der O xyd atio n des Phosphors verschiedene chemische Stoffe sich bilden, und es noch n ic h t gelungen is t festzustellen, ob die E le k triz itä ts trä g e r bei d er O x y d a tio n des reinen Phosphors zu einem niederen O x y d entstehen, o de r ob ein niederes O x y d a tio n s p ro d u k t beim H öh ero xydiere n h ie rfü r v e ra n tw o rtlic h is t, und 2. daraus, daß die E le k triz itä ts trä g e r sich an die Phosphor-Sauerstoff-N ebel anlag ern , so daß m an bisher n ic h t hat entscheiden können, ob p rim ä r E le ktron en o de r Ionen entstehen.
Bei m einen A rb e ite n über diesen V o rg a n g legte ich m ir die Frage vo r, ob n ic h t auch reine Däm pfe L e ite r der E le k triz itä t sein könnten. Es w a r m ir bewußt, daß nach den Anschauungen d er ä lteren P h y s ik e r Gase und Däm pfe u nte r der G lü h te m p e ra tu r Iso lato re n fü r die E le k triz itä t seien. A m schärfsten w a r diese A n sich t von Hit t o e f (1883) ausgesprochen worden, der auch durch eingehende Versuche nach
gewiesen hatte, daß z. B. Q u ecksilbe rda m p f ein vo llko m m e n e r N ic h tle ite r is t und daß d ie entgegengesetzte A n sich t von He k w ig (1880) n u r von fe h le rh a ft angestellten V e r
suchen h errü hrte . A b e r auf G rund d er inzw ischen v e rö ffe ntlich ten Versuche von El s t e b und Ge i t e l ließ sich wenigstens fü r die atmosphärische L u ft diese Auffassung n ic h t m ehr a u fre ch te rh a lte n ; zw eifellos besitzt sie stets eine, w enn auch geringe L e itfä h ig k e it. Es erschien daher m öglich, daß auch andere Gase und D äm pfe sich ä h n lic h ve rh alte n würden.
Es ergab sich (1907), daß die D äm pfe des Q uecksilbers, fe rn e r der Q uecksilber-, Z in n -, Antim onhalogensalze, des A rse niks, Jods usw. und a lle r untersuchten organischen Substanzen Iso la to re n , dagegen die Däm pfe der le ich tflü ch tig e n Halogensalze des Cadmiums, Z inks, Am m onium s, Eisens und A lu m in iu m s selbst bei v e rh ä ltn ism ä ß ig n ie d rig e n Tem peraturen gute L e ite r d er E le k triz itä t sind. Da, w ie die Versuche zeigten, d ie T em p eratu r einen großen E influß auf die L e itfä h ig k e it hat, so erschien es m öglich, daß bei einigen der oben erw ähnten isolierenden D äm pfen bei höherer T em p eratu r eine L e itfä h ig k e it auftreten w ürde. A b er trotzdem die T e m p e ra tu r auf 400° gesteigert w urde, blieben die D äm pfe N ic h tle ite r.
D ie Versuchsanordnung w a r sehr einfach (siehe F ig . 1). A u f das offene Ende e in e r ungefähr 30 cm langen, 2,5 bis 3 cm weiten, unten zugeschmelzten Glas- oder Q uarzröhre w ar ein T -S tü ck g e k itte t m it einem am seitlichen Schenkel angeschmelzten Glashahn. In die beiden anderen Schenkel w a r eine G lasröhre C m it eingeschmelztem 1 m m starken P la tin d ra h t B so e in g e k itte t, daß sie ung efä h r 20 cm in die w eite Röhre konzentrisch h in e in ra g te ; der P la tin d ra h t selbst w a r am unteren Ende a u f eine Länge von 5 cm fr e i und bildete so eine Sonde. In dem R ohr befand sich noch ein groß er P la tin z y lin d e r R , w elcher die Sonde konzentrisch um gab und m it H ilfe eines dünnen,
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178 Ge r h a r d C. Sc h m i d t: Üb e r Io n e n s t r a h l e n. Zeitschrift für den physikalischen Fünfzigster Jahrgang.
seitw ärts aus der Röhre herausragenden P la tin d ra h ts m it der E rde bzw. m it der Spannung verbunden w a r; der Z y lin d e r diente als ele ktrosta tisch er Schutz, w enn e r m it der Erde verbunden w ar. T is t ein seitw ärts befindliches Therm oelem ent.
N achdem die Röhre an der L u ftp u m p e g u t g etrockn e t w ar, w u rd e sie in einem
ZurErde Spannung
elektrischen Ofen e rh itz t; die Sonde w urde m it dem E le ktrosko p verbunden, welches m it e in er T rockensäule auf 250 V o lt geladen w erden konnte. Bis 400° w a r der A b fa ll m in im a l. Nach dieser E ichung der leeren Röhre w urde n nach E n tfe rn u n g des T -S tücks 1 bis 2 g der zu p rüfenden Substanz in die Röhre e in g e fü llt, das T -S tü c k w ied er a ufg ekittet, dann die Röhre ausgepum pt und der A b fa ll des Elektroskops bei verschiedenen Tem peraturen v e rfo lg t.
F ü r die q ua n tita tiv e n Versuche w urde die A n o rd n u n g insofern geändert, als die Spannung an den äußeren P la tin z y lin d e r B dauernd gelegt w urde . D ie Sonde w a r je tz t m it einem geeichten geerdeten : zur DoLEZALEKschen E le k tro m e te r verbunden, und nach A ufhebung des Ptimpe Erdgcjllüssei s w u rde der Ausschlag des E lektom eters in n e rh a lb 1 M i
nute beobachtet. D er Ausschlag w a r ein Maß fü r die Strom stärke, deren G rößenordnung 1 0-12 bis IO“ 14 A m p betrug.
Die q u a n tita tiv e n Versuche (1911) ergaben zunächst auß erordent
lic h voneinander abweichende Resultate. D ie L e itfä h ig k e it änderte sich stets sehr s ta rk m it der Zeit, im allgem einen nahm sie anfangs zu, erreichte nach einer gewissen Z e it ein M axim um , um d a ra u f zu fa lle n. O ft tr a t der ansteigende A st d er K u rv e n ic h t auf, v ie lm e h r fie l die L e itfä h ig k e it dauernd. Selbst w enn die Versuche in genau der gleichen W eise ausgeführt w urden, und ein und dasselbe P rä p a ra t untersucht w urde, w aren die K u rv e n der F o rm und G rößenordnung nach ganz verschieden. Das eine M al w a r d er Strom größer, w enn eine _j-- Spannung an den P la tin z y lin d e r gelegt w urde, das nächste M al w a r es um gekehrt. P rä pa ra te verschiedener H e rk u n ft u n te r
schieden sich ebenfalls in q u a n tita tiv e r H in s ic h t s ta rk voneinander.
Es g a lt zunächst, die U rsache fü r das A u ftre te n der L e itfä h ig k e it und ihre zeitliche Ä n d e ru n g zu finden. Da alle Salze, welche 0
Fig. 1. Gerät zur Untersuchung der elektrischen L e it
fähigkeit von Dämpfen;
1. Ausführung.
die L e itfä h ig k e it zeigten, sich bei hohen T e m p eratu ren zersetzen, glaubte ic h anfangs, daß ähnlich w ie bei m anchen chemischen Prozessen, z. B. bei d er E n tw ic k lu n g von W asserstoff aus Säuren, die Gase geladen sind, auch h ie r die chemische Zersetzung die E le k triz itä ts trä g e r liefe re . W ä re dies d er F a ll gewesen, so hätte die zeitliche Ä n d e ru n g bei hohen T em p eratu ren v ie l s tä rk e r sein müssen als b ei tiefen. Dadurch, daß im ersteren F a lle der D ru c k (Stickstoffatm osphäre) entsprechend größ er g ew äh lt w urde, konnte e rre ich t werden, daß die S tro m stärken bei hohen und tie fen T em pe
ra tu re n u ng efä h r gleich w aren. D er V e rla u f d er K u rv e n w a r aber in beiden F ällen analog. D a m it w a r m eine Annahm e h in fä llig . Desgleichen konnte nachgewiesen werden, daß W asserdam pf und Sauerstoff (diese beschleunigen die Zersetzung) keinen E influß auf die zeitliche Ä n d e ru n g der L e itfä h ig k e it hatten. D a m it w a r es ebenfalls u nw ahrscheinlich gew orden, daß eine chemische Um setzung die E le k triz itä ts trä g e r liefe re . E ine ra d io a k tiv e Substanz, die beim E rh itz e n a llm ä h lic h herausdestillierte, w od urch das P rä p a ra t an dieser ve ra rm te , w a r auch n ic h t vo ih an de n .
U m einen A n h a lts p u n k t über die Größe der Zersetzung zu erhalten, w u id e n (1923) die D am pfdrücke der Halogensalze des Q uecksilbers, Z in ks und Cadmiums gemessen.
Es w urde erw artet, daß, w enn die Zersetzung b e trä c h tlic h wäre, auch keine re k a p i
tu lie rb a re n W e rte fü r den D a m p fd ru c k erhalten w erden w ürden. Es ergaben sich fü r Q uecksilberchlorid, dessen D äm pfe die E le k triz itä t n ic h t leiten, und fü r C adm ium jodid, dessen D am pf ein g ute r L e ite r ist, stets re k a p itu lie rb a re W erte, trotzdem die Versuche s ta rk v a riie rt w urden und bei C dJ2 die T e m p e ra tu r sogar bis 450° gesteigert w urde.
und chemischen Unterricht.
1937. H eft 5. Ge r h a r d C. Sc h m i d t: Üb e r Io n e n s t r a h l e n. 179
Bei den L eitfähigkeitsm essungen betrugen die T em peraturen höchstens 350°. Beim C adm ium brom id nahm dagegen der D a m p fd ru ck m it der D auer der E rh itz u n g zu, ein Beweis, daß dieses Salz sich zersetzt. Dasselbe w a r der F a ll bei CdCl2, Z nC l2, Z n B r2, Z n J 2. N un ve rh alte n sich alle diese Substanzen in bezug auf die Größen
o rdnung der Ströme und die zeitliche Ä n d e ru n g der L e itfä h ig k e it ung efä h r gleich, also das sich n ic h t zersetzende CdJ2 w ie die sich zersetzenden C dB r2 usw. Es kann daher die chemische U m setzung n ich t die Ursache der L e itfä h ig k e it der Däm pfe sein.
U m aber vo n der Zersetzung u nabhängig zu sein, habe ich die m aß
gebenden Versuche fa st ausschließlich m it C dJ2 in einer S tic k s to ff
atmosphäre ausgeführt.
V on den viele n h ie rh e r gehörigen Versuchen erw ähne ich n u r noch einen; es w urde bei C dJ2 die T em p eratu r bis über den Schm elz
p u n k t gesteigert und dabei g le ic h z e itig die L e itfä h ig k e it im flüssigen und d am p ffö rm ig e n Zustand gemessen. Es ergab sich: W ährend die L e itfä h ig k e it im flüssigen Zustande sich n ic h t m it der Z eit änderte, nahm die L e itfä h ig k e it in dem über der F lü s s ig k e it stehenden D am pf m it der Z eit anfangs schnell zu, erreichte ein M axim um , um d arau f zu fallen.
D ieser Versuch s p rich t zugunsten der A u ffa ssun g , daß w ir es bei der L e itfä h ig k e it im D am pf m it e in e r V o lum io n isa tio n zu tun haben. T atsäch lich w a r bereits Sh e a b d (1913) auf G rund e in er großen A n za h l von Versuchen zu demselben Ergebnis gekom m en; nach seiner A uffassung z e rfä llt d er D am pf in -j- - und — Ionen. A b e r seine V e r
suche w aren ebenso w ie der obige n ic h t absolut beweisend, da in seinen Versuchsapparaten neben dem D am pf (und bei dem obigen Versuch neben der F lü s s ig k e it und dem Dam pf) stets festes Salz zugegen w a r
U m die Frage e n d g ü ltig zu entscheiden, w urde eine neue V e r
suchsanordnung (F ig . 2) ausgearbeitet, die sich hauptsächlich von der vorhergehenden dadurch unterschied, daß n u r die eine E le ktrod e
Fig. 2. 2. Ausfüh
rung des in Fig. 1 dargestellten
Geräts.
e rh itz t w urde. D er A p p a ra t bestand aus einem G lasrohr von unge
fä h r 15 cm Länge m it einem zur Pumpe führenden seitlichen engeren Rohr. A n das Glas schmiegte sich eng an ein D rahtnetz A aus N ickel, das z u r Erde abgeleitet w a r und zum elektrostatischen Schutz diente’
D urch die eine Ö ffnung oben g in g ein g u t is o lie rte r, m it dem E le k tro m e te r verbundener D raht, w elcher m it einem in der M itte des G lasrohrs befindlichen k le in e n P la tin z y lin d e r B B verbunden w ar. D urch die m ittle re Ö ffnu ng g in g ein d ic k e r K u p fe rd ra h t d er m it einem dünnen P la tin d ra h t ve rb un de n w a r und w ie d e r in einen dicken K u p fe r
d ra h t endete, dessen Ende in Q uecksilber ta uchte; letzteres konnte d urch einen ein- geschmelzten P la tin s tift m it der B atterie verbunden w erden. In fo lg e des Gewichts des unteren, fr e i hängenden K u p fe rd ra h ts b lieb d er P la tin d ra h t auch bei höherer T e m p e ra tu r gespannt; er w urde durch eine is o lie rt stehende B a tte rie e rh itzt. G le ich zeitig w urde durch eine zw eite B a tte rie + - oder - - S p a n n u n g an den P la tin d ra h t gelegt und dann von Z eit zu Z eit die S trom stärke am E le k tro m e te r abgelesen. Solange k e in Salz auf dem g u t g erein ig te n P la tin d ra h t sich befand, ko nn te m an die T e m p e ra tu r sehr hoch — bis zu r R o tg lu t — steigern, ohne daß ein Strom nachzuweisen w a r E rst bei W e iß g lu t w aren die Ströme beträch tliche r, und nun w urde n sowohl + - wie - - I o n e n bzw. E le ktron en ausgesandt. D a ra u f w urde d er D ra h t aus dem G la sro hr e n tfe rn t und etwas Salz in m ög lich st gleichm äß iger Schicht d a ra u f gebracht.
Es ergab sich je tz t ein von den früheren Ergebnissen ganz abweichendes R esultat:
B ei den Halogensalzen des Cd, Zn, Fe, A l tr a t n u r bei + -La d u n g des D rahtes eine L e itfä h ig k e it auf, bei -— L a d u n g des D rahtes w a r bis zu sehr hohen T em peraturen keine Spur von L e itfä h ig k e it zu beobachten. H ieraus e rg ib t sich zw ingend, daß 1 n ur
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180 Ge r h a r d C. Sc h m i d t: Ub e r Io n e n s t r a h l e n. Zeitschrift fü r den physikalischen Fünfzigster Jahrgang.
die festen Salze E le k triz itä ts trä g e r, und zw ar ausschließlich positive aussenden, und daß 2. n u r eine O berflächenionisation des festen Salzes und keine V olum ionisation des Dampfes a u ftritt. Denn w äre auch n u r eine Spur einer V o lum ion isa tio n des Dampfes vorhanden, so hätte m an auch bei n e g a tive r L a d u n g des D rahtes eine L e itfä h ig k e it beobachten müssen. Es ergab sich w e ite r, daß die Em ission unabhängig von der chemischen N a tu r der U nterlage w ar, denn N ic k e l- oder sogar G lasdrähte gaben d ie selben Resultate w ie ein P la tin d ra h t. Ebenso konnte je tz t auch in a lle r Schärfe nach
gewiesen werden, daß ein chemischer Um satz n ic h t die E le k triz itä ts trä g e i lie fe rt. Zu dem Zwecke w urde die Em ission von Z nC l2 untersucht bei G egenw art von W asser
d am pf, das sich bei höherer T em p eratu r m it dem Z nC l2 nach der G leichung Z nC l2 + H 20 = ZnO + 2 H C l umsetzt, und in einem auf das sorgfältigste getrockneten R ohr m it einem Z nC i2-P räparat, das durch längeres E rh itze n im äußersten Vakuum von jeder Spur F e u c h tig k e it b e fre it w ar. Die Resultate w aren in beiden F ällen die gleichen.
Auch m it dieser Versuchsanordnung zeigte sich der bereits frü h e r beobachtete z e itlich e E in flu ß ; die E m issionskurven nahmen v ie lfa c h anfangs m it der Z eit zu, erreichten ein M axim um , um d a ra u f langsam zu fa lle n ; in anderen F ä lle n sank die K u rv e dauernd. Die von verschiedenen F irm e n bezogenen Salze v e rh ie lte n sich in dieser H in s ic h t verschieden. Das von M erck und K ahlb au m gelieferte C d J 2 gab nut- fallende K u rv e n , das von de H aen bezogene, in Lösung auf den D ra h t gebracht, gab bei 340° eine anfangs s ta rk steigende K u rv e ; nach 40 M inuten w a r das M axim um erreicht, und d a ra u f fa n d ein langsames F a lle n statt. Dasselbe P räparat, durch S u bli
m ation auf den D ra h t gebracht, ergab bereits bei der n ie drige re n T em p eratu r 315°
eine ebenso große Emission, die fo rtd a u e rn d w ährend der E rh itz u n g (Dauer 100 M in.) anstieg. A ls das Salz zw eim al durch U m k ris ta llis ie re n g e re in ig t w ar, tr a t n u r ein kleines M axim um bereits nach 10 M in. auf, d a ra u f fie l die K u rv e langsam . A ls das P rä p a ra t v ie rm a l auf das so rg fältig ste u m k ris ta llis ie rt w ar, w a r die Em issionskurve ausschließlich fa lle nd . O ffenbar rü h rte das Steigen von V e ru n re in ig u n g e n her. T a t
sächlich konnte m an den E m issionskurven durch Zusätze leich t eine andere F orm geben; z. B. w urde die K u rv e , welche bei dem s o rg fä ltig g ereinigten C d J 2 stets eine fa lle nd e w ar, durch Spuren von Z n J 2 in eine anfangs steigende und d a ra u f fallende v e rw a n d e lt. W ie sich aus allen h ie rh e r gehörigen Versuchen ergab, w a r die fallende K u rv e die n o rm a le ; das Steigen der K u rv e rü h rte stets von V e ru n re in ig u n g e n her, die sich aber im m e r auf chemischem W ege aus den P räparaten entfernen ließen, wonach die K u rv e in eine fallende ü be rg ing . S elbstverständlich w urden von je tz t an a lle P rä pa ra te auf das so rg fältig ste gerein ig t.
Die Größe der S trom stärke h ängt som it von dem A u g e n b lic k ab, in welchem m an beobachtet. Auch die Vorgeschichte is t von ausschlaggebender Bedeutung. H a t m an bis zu r Konstanz der Em ission beobachtet, steigert d a ra u f die T em p eratu r und k e h rt w ied er zu r anfänglichen zu rü ck, so is t die Em ission eine klein ere.
Auch die T e m p e ra tu r ü b t einen E influß auf die F o rm der K u rv e aus; in der Nähe des Schm elzpunkts und über den Schm elzpunkt hinaus is t die S trom stärke unab
h än gig von der Zeit, ein Beweis d afü r, daß die Ursache fü r die zeitlichen und v o r geschichtlichen Ä nderungen der Em ission in dem f e s t e n Salz lie g t. Das entgegen
gesetzte, m it A n o rd n u n g I erhaltene Resultat, bei dem auch über den Schm elzpunkt eine fallende K u rv e erhalten w urde (s. S. 179), e rk lä rt sich daraus, daß das Salz s u b lim ie rte und sich an den k ä lte re n T e ile n des Rohres als festes Salz nie de rschlug ; n u r das letztere b e w irk te die zeitliche Ä n de run g.
Es w urde n nun (1924) eine große A n zah l le ic h t flü c h tig e r Salze untersucht, und z w a r die Halogensalze des Zn, Cd, T h und A g , fe rn e r FeC l3, A1F1S, A1C13, M gC l2, C aF l2, N H 4J , N H 4B r, P b C r0 4, C uJ2 zwischen 250° bis 400°. Bei N aC l, K C l, L iC l, CsCl, K B r, L iB r, N aJ, K J , KF1 mußte die T em p eratu r gesteigert w erden auf 450°
und chemischen Unterricht.
1937. H eft 5. Ge r h a r d C. Sc h m i d t : Üb e r Io n e n s t e a h l e n. 181
bis 500°, um eine Em ission zu erhalten. Stets w urden n u r + - Ladungen abgegeben.
B le ic h lo rid , B le ib rom id, B le ijo d id und B a riu m c h lo rid e m ittie rte n dagegen in reinem Zustand ausschließlich negative T rä g e r. Daß die Em ission n ic h t auf die H alo ge n salze beschränkt ist, geht daraus h ervor, daß (N H 4)N 0 3, B a (N 0 3)2 usw. ebenfalls + e m ittierten, jedoch zersetzen sich diese Salze so schnell, daß längere Messungsreihen n ic h t ausgeführt w erden konnten.
M it steigender E M K wächst die S trom stärke anfangs g e ra d lin ig , d a ra u f fo lg t S ättigung und schließlich w ie d e r Zunahme der S trom stärke info lg e von Stoßionisation.
H ie ra u f werde ich später zurückkom m en.
Es w urde w e ite r festgestellt, bei w elcher E M K die Em ission beg in nt; bei niederen T em peraturen w urde + 0 ,1 V o lt gemessen.
Behufs A u fh e llu n g des V organgs der Em ission w a r es von g rö ß ter W ic h tig k e it,
— zu bestimmen. Zu dem Zwecke w urde ein S tra h l erzeugt, indem das Salz in dem m
unteren T e il eines engen Glasröhrchens e rh itz t w urde. D urch eine angelegte Spannung von 2 bis 8 V o lt w urden dann die Ladungen zu einer gegenüberstehenden Sonde getrieben, wo sie m it H ilfe eines E lektrom eters gemessen w urden. In de m m an dann re c h tw in k lig zu dem S tra hl ein M agnetfeld w irk e n ließ, w urde e r abgebogen und fie l auf eine seitlich angebrachte Sonde. Aus der Spannung und d er A b le n k u n g im M agnetfelde konnte dann in beka nn te r Weise - e- und das V e rh ä ltn is der Masse m des tra n s p o rtie rte n Ions
m zu der des H -Ion s mh bestim m t werden. Säm tliche Versuche w u r
den im H ochvakuum ausgeführt.
Aus diesen Messungen geht h e rvo r, daß d ie a n g e f ü h r t e n S a l z e p o s i t i v e I o n e n s t r a h l e n a u s s e n d e n , und daß diese aus M etallionen bestehen, die eine bzw.
zw ei E lem entarladungen m it sich führen.
Es d ü rfte je tz t schon ange
b ra c h t s e in , die vie le n Einzeltatsachen e in h e itlic h zusammenzufassen und zu e r
klä re n .
W ie im vorhergehenden g eze ig t, senden die meisten untersuchten Salze n u r + - Ionen, einzelne w ie PbCl2 und B aC l2 em ittie re n n u r negative Ionen. Daraus, daß + - bzw. -— Ionen ausgesandt w urden, selbst bei der Spannung N u ll, geht hervor, daß diese Ionen bei diesen Em issionstem peraturen in dem Salz enthalten sein müssen.
Is t dies aber der F a ll, so muß die L e itu n g des Salzes eine e le ktro lytisch e sein, und w ir kom m en so zu einem einfachen K rite riu m , ob e le ktro lytisch e L e itfä h ig k e it v o rlie g t:
S a t z I. D iejenigen e inheitlichen festen oder flüssigen Stoffe, welche + - oder
— Ionen oder beide d ire k t aussenden, leite n bei dieser T em p eratu r e le k tro ly tis c h . Selbstverständlich müssen die Stoffe e in h e itlic h sein und d ürfen keine V e run
reinig un ge n enthalten. P la tin sendet z. B. b ei R o tg lu t + - Ionen aus und bei W e iß glut + - u n d ---- Ionen, aber diese verschw inden beim anhaltenden Glühen und rü h re n daher sicher von anhaftenden Salzen bzw. von o k k lu d ie rte n Gasen her. Die Ionen müssen auch d ire k t aus dem Stoffe stam m en; w enn z. B. ein S toff E lektronen aussendet und diese sich d a ra u f an umgebende M oleküle (L u ft, W asserdam pf, D am pfm oleküle des erhitzten Stoffes usw.) anlagern, so entstehen ebenfalls Ionen, aber dieser V o rg a n g hat m it dem h ie r beschriebenen nichts zu tun. Die T e m p e ra tu r muß n a tü rlic h auch b e rü ck
s ic h tig t werden, denn ein S toff kann bei hohen T e m p eratu ren e le k tro ly tis c h und bei tiefen Tem peraturen m etallisch leiten.
Substanz V olt e m
m
mH M ittel Äquivalent
gewicht CdJ2 . . .
,, . . .
2 '4 176.3165,7 5457,3 1 56,6 56,2CdCL i 8 168 56,6
2 166,4 57,1 57,1 56,2
CuJ3 . . .
» . . . 2
8 305 291
31,1
32,7
j
31,9 31,8ZnCl2 . . . 2 2
293 293
32.4
32.4
J
32,4 32,7P bB r, . . . 2 87,6 108,4 108,4 103,6 CaPl2 . . . 2 463,6 20,5 20,5 20,04
182 Ge r h a r d C . Sc h m i d t : Üb e r Io n e n s t r a h l e n. Zeitec^ V t a t p ? D;T flh S M 1SChen
Den oben aufgestellten Satz I m öchte ich d urch Beispiele e rlä u te rn und zeigen, daß er durch das e xperim entelle M a te ria l b estätigt w ird . W ie Tu b a n d t und seine Schüler bewiesen, leite n die S ilber-, T h a lliu m - und Bleihalogensalze e le k tro ly tis c h , selbst bei Tem peraturen w e it u nte r ih re n Schm elzpunkten. Dasselbe hat Ha b e b fü r BaC l2 nachgewiesen, fü r welches w e it u nte r dem Schm elzpunkte das FABADAYsche Gesetz g ilt. W ie oben nachgewiesen, senden diese Stoffe + - bzw. -— - Ionen aus.
W e ite r e rg ib t sich:
S a t z I I . D iejenigen einheitlichen festen (oder flüssigen) Stoffe, welche bei einer bestim m ten T em p eratu r E le ktron en aussenden, leiten bei dieser T e m p e ra tu r m etallisch.
Beispiele h ie rfü r haben w ir in den hocherhitzten M etallen und in den nach We h n e l t
w irksam en O xyden wie BaO, CaO, CdO usw., die b e ka n n tlich bei höheren T em peraturen E le ktron en e m ittie re n und m etallisch leiten.
W ie oben erw ähnt, senden die m eisten Salze n u r -j-- Ionen aus, Pb.J2, P b B r2, PbC l2 und BaC l2 dagegen -— Ionen. Es erhebt sich die Frage, ob diese Tatsache m it einer anderen in Zusam menhang steht. H ie rü b e r g ib t A u s k u n ft:
S a t z I I I . D iejenigen Salze, bei denen im festen Zustande n u r die -(--Io n e n bzw.
n u r die •— - Ionen w andern, senden ausschließlich bei dieser T e m p e ra tu r - j - -Ionen bzw.
— Ionen aus. Ü b e rw ie g t bei der E le k tro ly s e die W a n de ru ng sge sch w in digke it des einen Ions, so w erden überw iegend die schneller w andernden Ionen bei dieser T em p eratu r e m ittie rt.
Dieser Satz läßt sich an dem experim entellen M ate ria l beweisen. W ie Tttbaxdt
gezeigt hat, w an de rt bei der E le k tro ly s e von A g C l, A g B r, A g J, T hC l, T liB r, T h J aus
schließlich das -¡--Io n ; diese Salze e m ittie re n n u r M eta ll-, also -¡--Ion en . Beim PbC l2, P b B r2, P bJ2 und B aC l2 w a n de rt ausschließlich d a s ---Ion, und ebenso w ird n u r dieses e m ittie rt.
Es erhebt sich je tz t d ie F ra g e : W a ru m w andern in den meisten F ä lle n n u r die -(--Ion en , und w arum w erden dann ausschließlich die - f- I o n e n e m ittie rt? U m dies zu e rk lä re n , gehen w ir am besten von einem besonderen F a ll aus, n äm lich vom C dJ2, da dieses Salz sich n ic h t zersetzt und h ie r die V erhältnisse bei der E le k tro ly s e der w äß rige n Lösungen von Hit t o b e v ö llig k la rg e le g t w orden sind. B e kan n tlich enthalten die ve rdünnten w äß rigen Lösungen dieses Salzes M olekeln von der Zusammensetzung Cd3J 6, die sich nach dem Schema spalten: Cd+ und Cd2J^. In ko nze ntrierte n Lösungen haben w ir noch größere A ggregate, w ie Cd4J 8, Cd5J 10 usw., die sich spalten in Cd+
und Cd3Jg ; Cd+ und Cd4J j 0 usw. V on diesen beiden Ionen w an de rt bei der E le k tro ly s e fast ausschließlich das le ic h te r bew egliche Cd+-Ion, das andere steht beinahe s till.
W ir haben bei der E le k tro ly s e des festen Salzes das Analoge. Is t tro tz der großen dissoziierenden K r a ft des Wassers die Tendenz zu r K o m p le x b ild u n g beim CdJ2 so groß, daß sich M olekularaggregate bilden, so muß dies erst rech t im geschmolzenen Zustande d er F a ll sein, und w ir haben also im geschmolzenen Zustand A g gre ga te (CdJ2)n , die in Cd+ und C dn.x J 2n zerfallen, von denen fast ausschließlich das C d-Ion wegen seiner v ie l größeren B e w e g lic h k e it w andert. Das geschmolzene C dJ2 v e rh ä lt sich aber in bezug auf Aussendung von Ionen w ie das feste Salz bei hohen T em peraturen. Also haben w ir in dem erhitzten, festen Salz M oleku larag g re ga te , die genau nach demselben Schema w ie in Lösung zerfallen, d. h. es entsteht ein leichtes C d-Ion, das wegen seiner großen B e w eg lich keit auch le ic h t e m ittie rt w ird , und das schwer bew egliche negative Cdn_ xJ 2n-Ion, das erst bei v ie l höherer T em peratur, bei der es w e ite r z e rfa lle n ist, ausgesandt w ird .
Bei den Z in k - und B arium salzen sind in w ä ß rig e r L ösung ebenfalls A ggregate nachgewiesen w o rd e n ; die V erhältnisse liegen h ie r also analog w ie bei den Cd-Salzen.
D e r Schluß, daß bei a lle n Salzen, welche n u r - f - bzw. n u r ---Ionen aussenden, sich M o leku larag g re ga te b ild e n , lie g t auf der H and.
und chemischen Unterricht.
1937. H eft 5. Ge r h a r d C. Sc h m i d t: Üb e r Io n e n s t r a h l e n. 183
Bei PbC l2 w erden bei n ic h t zu hoher T em p eratu r a u s s c h lie ß lic h ---Ionen (w a h r
scheinlich C hlorionen) e m ittie rt. V ie lle ic h t z e rfä llt es in PbCl+ und in CI“ ; w ahrscheinlich bilden sich auch h ie r A g gre ga te (PbCl2)n , die in Pbn C lfn_ J und CI- zerfallen.
Die h ie r gegebene Auffassung hat Berührungspunkte m it der von Tu b a n d t, der, um die Erscheinungen bei d er E le ktro lyse der festen Salze zu e rkläre n, ebenfalls dem einen Io n eine bevorzugte Stellung einräum t, ohne aber einen G rund h ie rfü r anzugeben.
Es erhebt sich die Frage, ob m eine V o rstellun g n ic h t zu F a ll gebracht w ird durch denselben Einw and, welchen M. Le Bl a n c und Kr o g e r gegen die TuBANDTsche A u f
fassung erhoben haben (1924): die Annahme, die dem einen Io n eine bevorzugte Stellung einräum t, fin de t keine Stütze durch die röntgenographischen Aufnahm en. A b e r letztere sind stets bei niederen T em peraturen ausgeführt worden, b ei denen die Salze n ic h t leiten und keine Ionen em ittieren. Bei hohen Tem peraturen z e rfä llt der K r is ta ll in M olekularaggregate, die eventuell in Ionen dissoziieren. Je höher die T em p eratu r ist, um so s tä rke r is t der Z e rfa ll, und indem sich aus jedem M o le ku la ra g g re g a t zw ei Ionen bilden, n im m t die L e itfä h ig k e it und E m ission sfäh igke it s ta rk zu. T atsäch lich n im m t die Aussendung von Io n e n m it steigender T e m p e ra tu r nach einer e -F u n k tio n zu.
D a m it also Ionen e m ittie rt werden, muß das K r is ta llg itte r sich locke rn und zu z e rfa lle n beginnen. Es w erden also die Salze, welche einen n ie d rig e n Schm elzpunkt besitzen, besonders le ic h t Ionen em ittieren. Dies w ird d urch das experim entelle M a te ria l b e s tä tig t; C dC l2 z. B. sendet bereits u nte r 200° Ionen aus, N aC l dagegen bis etwa 400° n ic h t; die Em ission is t dagegen bei 600° stark, und es w erden n u r
-(--Io n e n ausgesandt; von 900° an w erden auch — Ionen e m ittie rt.
Es w urde eben auseinandergesetzt, daß n u r dann Ionen e m ittie rt werden, w enn das K r is ta llg itte r g elocke rt ist. A lle in genügt diese B edingung n ic h t; es muß n a tü rlic h das Salz außerdem noch d isso ziie rt sein. S rC l4 is t bei gew öhnlicher T em p eratu r eine F lü s s ig k e it, das K r is ta llg itte r is t also ze rs tö rt; aber es is t ein Iso lato r, und dem gemäß sendet es keine Ionen aus. Kondensiertes H C l is t ein N ic h tle ite r, und ent
sprechend le ite t sein D am pf auch n icht.
A ls H auptergebnis dieser B etrachtungen is t anzusehen der N achw eis, daß ein vo llko m m en er P a rallelism u s besteht zwischen den E rscheinungen, welche bei der E le k tro ly s e a u ftre te n und der E m ission sfäh igke it fü r Ionen.
Dieser Parallelism us g ib t uns auch eine E rk lä ru n g fü r die zeitliche Ä nde run g d er Em ission. V on Sm e k a l und von He v e s y is t eine Theorie der E le ktro lyse von festen Salzen e n tw ic k e lt worden. Danach h a t m an eine r e v e r s i b l e G itte rau flocke ru n g : die therm ische G itte ra u flo c k e ru n g , auf welche die m it E rhöhung der T em p eratu r erfolgende Zunahme d er L e itfä h ig k e it d er festen Io n e n le ite r zu rü ckzufü h re n ist, reve rsib el d a ru m , w e il sie bei T e m p e ra tu re rn ie d rig u n g w ie d e r ve rsch w in de t, und eine i r r e v e r s i b l e , die von G itte rp o re n und Frem deinschlüssen h e rrü h rt. A lle Versuche übe r die ze itlich e Ä n d e ru n g der Em ission bei den Io ne nstra hle n haben nun ergeben, daß auch h ie r die Aussendung aus einem irre v e rs ib le n V o rga ng , d er schnell m it der Z eit a b n im m t, oder anfangs steigt und d a ra u f nach Ü be rsch reitu ng des M axim um s abnim m t, und einem reve rsib le n besteht. Es lie g t nahe, anzunehmen, daß fü r den ersten die F re m d k ö rp e r v e ra n tw o rtlic h sind u n d fü r den zw eiten die therm ische D issoziation die Ursache ist. Die Frem deinschlüsse lo c k e rn das G efüge, und dam it n im m t die Z ahl der Ionen zu. W enn beim E rh itze n diese Frem deinschlüsse ent
weichen und das G itte r seine n orm ale G estalt annim m t, geht die D issoziation z u rü c k ; schließlich bleiben n u r die info lg e therm ischer G itte ra u flo c k e ru n g gebildeten Ionen ü b rig .
Meine nachfolgenden A rb e ite n und die m eine r Schüler Bir k e n b e r g (1929), Ka h r a (1929), Ko e t h e r (1927), Ze n t g r a f (1929), Fr o h b e r g (1930), Bö l l in g (1932), Wa l z (1934) und Me n t r u p (1935) hatten den Z w e c k , die h ie r aufgestellte T heorie eingehend zu p rü fe n und im einzelnen auszubauen, fe rn e r den E ffe k t zu verstärken und nach verschiedenen R ichtungen w e ite r zu durchforschen.
184 Ge r h a r d G. Sc h m i d t: Üb e r Io n e n s t r a h l e n. Zeitschrift für den physikalischen Fünfzigster Jahrgang.
Ic h beginne m it Versuchen, welche den Z w eck hatten, den irre v e rs ib le n V o rg a n g bei der Em ission aufzuklären. Reinstes C dJ2 w urde in w ä ß rig e r Lösung auf den P la tin d ra h t in Versuchsanordnung I I gebracht und bei ko nsta nter T em p eratu r e rh itz t;
die Em ission nahm, w ie stets, ab. W ä h re nd des Pallens der K u rv e w urde die -f-S p a n n u n g ( + 2 V o lt) durch eine negative von 2 V o lt ersetzt und dadurch die Em ission der Cd-Ionen v e rh in d e rt. D ieser W echsel der Spannung w urde in gewissen Z e itin te rv a lle n ö fte r w ied erho lt. Es zeigte sich, daß die E m issionskurve stetig ab
n ah m , also unabhängig d a vo n , ob eine p ositive oder negative Spannung angelegt w ar, ein Beweis dafür, daß eine in fo lg e des Entw eichens der -(--Io n e n im m e r s tä rk e r werdende n eg ative L a d u n g der Oberfläche des Salzes n ic h t die Ursache des Pallens w a r. A uch eine P o larisatio n der E le ktrod e, die bei der E le k tro ly s e von w äß rigen Lösungen v ie lfa c h eine Abnahm e des Stroms h e rv o rru ft, w a r n ic h t die Ursache fü r das zeitliche K le in e rw e rd e n der Em ission. U m diese Erscheinung a ufzuklären, w urde eine große A n zah l w e ite re r Versuche gemacht. Das in Lösung auf den P la tin d ra h t gebrachte C dJ2 w urde bis zu r Konstanz der Em ission e rh itz t und d a ra u f durch U nterbrechung des H eizstrom s a bgekühlt. W u rd e dann die T em p eratu r auf die u rsp rü ng lich e gesteigert, so e rh ie lt m an w ie d e r den u rsprünglichen konstanten W e rt der Em ission. D ie Salze behielten ih re n konstanten E n d w e rt im V a ku u m unbegrenzt lange. B rin g t man aber das C dJ2 nach dem A b kü h le n m it g ew öh nlich er L u ft zu sam m en, dann n im m t die Em ission s ta rk zu (bei m einen Versuchen um das D re i- bis V ie rfach e) und fä llt d arauf, w ie bei dem u rs p rü n g lic h auf den D ra h t gebrachten Salz. T ro cke n e r S tickstoff, Sauerstoff, Kohlensäure usw. b e w irk e n diese S teigerung n ic h t; W asserdam pf w a r dagegen s ta rk w irk s a m . Ebenso v e rh ie lt sich PbC l2, das im gelösten Zustand auf den D ra h t g eb ra cht w ar.
A nders v e rh ie lt sich C dJ2, das bei G egenw art vo n gew öhnlicher L u ft auf den P la tin d ra h t s u b lim ie rt w a r. Es reg enerierte sich auch im V a k u u m , d. h. es zeigte w ieder einen hohen E m issionsw ert, w enn m an das bis zum konstanten E n d w e rt erhitzte Salz einige Z eit im V a ku u m bei g ew öh nlich er T e m p e ra tu r stehen ließ. W urde das C a d m iu m jo did dagegen im V a kuu m auf den D ra h t s u b lim ie rt, so regenerierte es sich im V a ku u m n ich t und v e rh ie lt sich genau w ie das in Lösung auf den D ra h t ge
brachte. Das gleiche V e rha lten w ie sublim iertes C dJ2 zeigte sublim iertes T h a lliu m c h lo rü r.
S ilb e rc h lo rid , in geschmolzenem Zustand auf den P la tin d ra h t gebracht, regene
rie rte sich dagegen n icht, auch n ic h t in W asserdam pf.
Diese Versuche sind nach d er Theorie le ic h t zu e rk lä re n . Sauerstoff, S tic k s to ff und Kohlensäure w erden von den Salzen n u r o be rflä chlich a dso rb iert und entweichen im V akuum oder bei gelindem E rhitzen. W asserdam pf w ird dagegen von den in W asser löslichen Salzen chemisch gebunden und b ild e t dadurch L o c k e rs te lle n , an denen die Ionen le ic h t entweichen. Beim E rh itze n v e rd a m p ft dieses gebundene W asser a llm ä h lic h ; die Zahl der L o cke rste lle n n im m t ab und d a m it die Emission, bis schließlich nach H ina ustre ib en alles Wassers n u r die reve rsib le Em ission ü b rig b le ib t. Bei A g C l dagegen, das sich in W asser n ic h t lö s t, w ird W asserdam pf n u r von der Oberfläche lose a d s o rb ie rt; er ka nn daher keine R egeneration h erv o rru fe n .
W ie bereits erw ähnt, k a n n m an durch Zusätze von Z in k jo d id , Jo d usw. zu CdJ»
die E m issionskurve d e ra rt ändern, daß sie anfangs ste ig t, um nachher zu fa lle n.
Auch dies e rk lä rt sich ungezw ungen. Indem diese le ic h t flü chtig en Substanzen beim E rh itze n aus dem In n e rn in die Oberfläche d iffu n d ie re n , erzeugen sie d o rt neue L o c k e rs te lle n , und daher ka nn die Em ission gegebenenfalls steigen. W erden sie a llm ä h lic h d urch E rh itzen e n tfe rn t, so n im m t ih r E in fluß a b , und die K u rv e fä llt.
Es is t je tz t auch k la r , daß fü r die F o rm d er Em issionskurve und die Größe d e r S trom stärke die Vorgeschichte, z. B. w enn das Salz vo rh e r auf eine höhere T em pe
ra tu r e rh itz t w orden is t, vo n groß er Bedeutung ist. Jede M a n ip u la tio n , welche die Zahl der L ocke rste llen ändert, ä nd ert auch die Em ission.
und chemischen Unterricht.
1937. H eft 5. Ge r h a r d C. Sc h m i d t: Üb e r Io n e n s t r a h l e n. 185
D urch n ic h t flüchtige Zusätze ka n n m an dagegen in m anchen F ä lle n die Em ission herabsetzen. M ischt m an z. B. feines C ad m iu m p ulve r in das C dJ2, so is t die Em ission k le in e r als ohne diesen Zusatz. Je tzt k a n n das C d-Ion seine L a d u n g an dieses grobe M e ta llp u lv e r abgeben, das wegen seiner Größe und wegen des geringen D am pfdrucks des m etallischen Cadmiums schwer verdam pft.
Es b le ib t je tz t noch ü b rig , den F a ll der su blim ie rte n Salze zu e rkläre n. W enn man das Salz durch S u blim atio n in L u ft auf den H e iz d ra h t b rin g t, so e n th ä lt es ungeheuere Mengen an F re m d k ö rp e rn (L u ft und W asserm oleküle). Diese suchen besonders im V a kuu m aus dem Salze zu entweichen und an die Oberfläche zu ge
langen. Bei der lockeren S tru k tu r des su blim ie rte n Salzes, das n ic h t n u r Poren, sondern lange S törungskanäle enth ält, w ird die D iffu ssio n v e rh ä ltn is m ä ß ig le ic h t v o n statten gehen. E in solches Salz w ird sich also im V a ku u m oder in B e rüh ru ng m it trockenen Gasen erholen. Sublim ieren w ir dagegen das Salz im V a k u u m , so w ird die Zahl der F re m d k ö rp e r ve rh ä ltn ism ä ß ig k le in sein. D ie Z ahl der aus dem In n e rn an die Oberfläche d iffu n d ie re n d e n F re m d k ö rp e r w ird som it auch k le in sein, d. h.
das Salz re g e n e rie rt sich n ich t, w ie es auch die Versuche zeigen.
D ie scheinbar so v e rw ic k e lte n Erscheinungen lassen sich som it auf eine G ru n d ursache, n äm lich die B ild u n g von L o c k e rio n e n , zu rü ckfü h re n und beweisen die R ic h tig k e it d er Theorie Sm e k a l s, nach der die Eigenschaften d er K ris ta lle sta rk durch eingeschlossene F re m d k ö rp e r beinfluß t werden.
F ü r die Em ission is t n u r die Oberfläche des Salzes m aßgebend, fü r die L e it
fä h ig k e it des festen Salzes dagegen das Innere. E in genauer P arallelism us zwischen beiden Erscheinungen is t daher n ic h t zu erw arten. D ie Em ission änd ert sich vielfa ch enorm m it der Zeit. So beobachtete ich z. B. beim A g C l die E m ission 1240, die nach 4 M inuten auf 9 sank, w ährend die L e itfä h ig k e it des festen Salzes fast konstant blieb. W enn der größere bzw. g eringere G ehalt an Frem deinschlüssen das G itte r so enorm verändert, daß die Em ission sich in ein paa r M inuten um das Tausendfache ve rä nd ert, und die G egenw art der F re m d k ö rp e r fü r die Zahl der Ionen v e ra n tw o rtlic h is t, so müßte sich dies auch bei d er L e itfä h ig k e it des festen Salzes nachweisen lassen. Da dies n ic h t der F a ll ist, muß die W irk u n g d er Frem deinschlüsse auf die O berfläche, die a lle in fü r die Em ission in F ra g e k o m m t, eine andere sein als im In ne rn . Daß die K o n z e n tra tio n der Frem deinschlüsse auf der Oberfläche sich in so k u rz e r Z e it um das Tausendfache ä n d e rt, is t u nw ahrscheinlich. Ic h habe m ir die folgende V o rs te llu n g g ebildet. Rings um den F re m d k ö rp e r sind die M oleküle gelockert, und diese senden Ionen aus, w enn der F re m d k ö rp e r sich auf der Oberfläche befindet.
Dieser V o rg a n g dau ert so la n g e , bis a lle in der Oberfläche um den F re m d k ö rp e r liegenden Ionen e m ittie rt sind. Aus dem In n e rn d rin g e n w egen d er g eringen D iffu s io n die F re m d k ö rp e r n u r ganz langsam nach, und dasselbe g ilt fü r die Ionen d ort. Die L e itfä h ig k e it b le ib t also im In n e rn nahezu konstant. W enn 1 M olekül des F re m d körpers, z. B. ein H 20 -M o le k ü l, eine große A n za h l S alzm oleküle lo c k e rt, so könnte die Zahl der e m ittie rten Ionen s ta rk abnehmen, w enn die K o n z e n tra tio n des F re m d kö rp e rs n u r w en ig k le in e r w ird .
Man k a n n sich auch noch eine andere V o rs te llu n g b ild e n . Die um die L o c k e r
stelle auf der Oberfläche liegenden S alzm oleküle senden Ionen aus; dadurch w erden w eitere N achbarm oleküle g e lo c k e rt, die nun ebenfalls e m ittie re n , und so schreitet dieser V o rg a n g re la is a rtig w e ite r, bis er an der K ris ta llg re n z e sein Ende e rfä h rt.
(Das auf dem H e iz d ra h t befindliche Salz besteht aus einer U nzahl E in z e lk ris ta lle .) Daß tatsächlich der A u flo cke ru n g sg ra d von ausschlaggebender Bedeutung fü r die Em ission is t, geht w e ite r h e rv o r aus d er V e rg le ic h u n g d er A u flo c k e ru n g der Salze und der T em peratur, bei d er die Em ission b e g in nt. E in genaues Maß fü r die A u flo c k e ru n g haben w ir n icht, und ebensowenig wissen w ir , w ie diese von d er T em p eratu r abhängt. A ls erstes rohes Maß der A u flo c k e ru n g hat He v e s y den L e it-
186 Ge r h a r d C . Sc h m i d t: Üb e r Io n e n s t r a h l e n. Zeitschrift für den physikalischen Fünfzigster Jahrgang.
lockerungsAuf
grad
Beginn der Emission
Grad
CsCl. . . 500
K C l. . . 9000 500 NaCl . . 3000 500
N a J. . . — 450
T1C1. . . 160 410 T IB r . . 130 400 T U . . . 95 390
AgCl . . 34 370
A gBr . . 5 360
Ag J . . . 0,9 360
fä h ig k e its s p ru n g beim E rs ta rre n angenom m en; er setzt also die A u flo c k e ru n g a = ^ lüssig , wo 1 die L e itfä h ig k e it bedeutet, unbeküm m ert um verschiedene T e m p e ra tu r
lage d er Schm elzpunkte, verschiedene Z ä h ig k e it d er Schmelzen usw. He v e s y w eist nach, daß die A u flocke run gsten de nz des K ris ta lls um so größ er ist, je klein ere A rb e it e rfo rd e rlic h is t, um die den K r is ta ll aufbauenden Ionen in den ungeladenen A tom zustand überzuführen. C hlor hat eine große E le k tro a ffin itä t, K a liu m eine große Tendenz, in den Ionenzustand überzugehen; das G itte r, das aus K+ und Cl~ a u f
gebaut is t, hat entsprechend eine sehr kle in e Auflockerungstendenz. Im festen K a liu m c h lo rid stehen dem Platzwechsel der Ionen sehr starke K rä fte entgegen, das K a liu m c h lo rid hat entsprechend auch b ei hohen Tem peraturen einen großen W id e r
stand, d er am Schm elzpunkte noch fast 10 000 m al so groß is t w ie im geschmolzenen Zustand. Ersetzen w ir das K + d urch Na+, durch Th+ oder g a r durch Ag+, so wächst der A u flo c k e ru n g s g ra d im m e r m ehr. Dieselbe W irk u n g hat das Ersetzen des C hlorions durch ein Brorn- bzw. Jodion. He v e s y g ib t nebenstehende Tabelle.
Es lie g t nun der Gedanke nahe, daß die Em ission der Ionen bei einer um so n ie d rig e re n T em p eratu r e r
fo lg t, je größ er der A u flo c k e ru n g s g ra d ist. Die Tabelle ze ig t tatsächlich diesen Parallelism us.
V ie l sicherer is t der P arallelism us zwischen der Em ission und der L e itfä h ig k e it im flüssigen Zustand. Von He v e s y is t d a ra u f hingew iesen w orden, daß alle reinen Io n e n g itte r eine Schmelze von übereinstim m endem L e itve rm ö g e n zwischen etwa 0,5 und 5 Ohm 1 cm 1 liefe rn . Z eig t eine Schmelze eine w esentlich k le in e re L e itfä h ig k e it, so n im m t ei an, daß n u r ein B ru c h te il der Atom e bzw. M oleküle als Ionen in der Schmelze und auch schon v o rh e r im G itte r vorhanden ist. So schließt He v e s y, daß in den nebenstehenden G itte rn n u r der angegebene B ru c h te il als Ionen vorhanden ist.
F ü h rt m an in den über der Schmelze befindlichen D am pf eine m it einem geladenen E le ktro sko p verbundene Sonde (even
tu e ll u n te r H in z u fü g u n g einer K a p a zitä t), so v e rlie rt dasselbe in CdCl2 sofort seine L a d u n g ; etwas langsam er e rfo lg t die Abnahm e in Z n C l2, sehr langsam in H g C l2;
SbCl3 u n d AsC13 sind dagegen Isolatoren. Es g ilt so m it: Die Io ne nza h l im D am pf bei verschiedenen Salzen is t d er Ionenzahl der entsprechenden Schmelze p ro p o rtio n a l.
In der Schmelze befinden sich M oleküle und Ionen und ebenso im D a m p f; is t die Zahl der Ionen in der Schmelze groß, dann is t ih re Z ahl in der d am p ffö rm ig e n Phase ebenfalls groß und um gekehrt.
U m die E le k triz itä ts trä g e r noch besser zu c h a ra k te ris ie re n , v o r allem zu ent
scheiden, ob sie le ic h t K o m plexe bzw. Cluster, d. h. A n lag erun g en von frem den Gasen bilden, w u rd e n ih re B e w eg lich keite n bestim m t nach der RuTHEBEOBDschen W echsel
strom m ethode. Es ergaben sich fü r die Ionen Cd und A g B e w eg lich keite n von etwa 1 cm in der Sekunde bei 760 m m D ru c k . Sie stehen daher in der M itte zwischen den langsamen, sogenannten LANGEVnsr-Ionen von d er B e w e g lic h k e it 10 -b is 10 3 cm/sec und den schnellen Ionen von der B e w e g lich ke it 10~2 bis 10 3 cm/sec. Die Bew eg
lic h k e ite n nehmen m it der T e m p e ra tu r s ta rk zu ; G egenw art von F e u c h tig k e it setzt sie herab, was sehr w ahrscheinlich vo n der A n la g e ru n g vo n H 20 an das Io n h e rrü h rt.
S teigerung der W echselzahl b e w irk t eine V e rgröß e ru ng der B e w eglichkeit. Diese Tatsachen sprechen zugunsten der C lustertheorie; bei höherer T em p eratu r ze rfa lle n die Cluster, und bei größ erer W echselzahl haben die Ionen n ic h t die Z e it, größere A g gregate zu b ild en . Es is t aber auch m ö g lic h , daß die P o la ris a tio n des Salzes h ie rb e i eine R olle s p ie lt, indem die in dem Salz langsam w an dernden, schweren CdCl2 . . . io - 1
ZnCL . . . 10-2 H g c i; . . . 10-3 SbCl3 . . . IO" 4 AsC13 . . . 10-5
und chemischen Unterricht.
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negativen Ionen auf der Oberfläche Z urückbleiben und den A u s tritt d er positiven h in de rn. Daß tatsächlich eine P o larisatio n der Oberfläche durch V e rarm u ng an p o s itiv e n Ionen erzw ungen w erden kann, bew eist fo lge nd er Versuch vo n Ze n t g r a f. Die Em ission von A g C l w urde bei 365° bei p — 5 • 10-4 m m m it 2 V o lt bis zur Konstanz v e rfo lg t; d arau f w urde n - f 800 V o lt angelegt, w od urch die Strom stärke zunahm. Nach einer gewissen Z eit w urde n w ie d e r -f- 2 V o lt an den H e izd ra h t geschaltet.
D ie S trom stärke w a r je tz t N u ll, und erst nach 10 M inuten hatte sich das Salz so w eit e rh olt, daß die S trom stärke g le ich d er u rs p rü n g lic h m it 2 V o lt erhaltenen w a r. O ffen
b a r w a r d urch die angelegte große Spannung die O berfläche an Ionen verarm t.
V o n Ze n t g r a f w urde der E influß der E M K auf die S trom stärke bei den v e r schiedensten D ru cken und T em p eratu ren gemessen. Die S trom stärke steigt anfangs g e ra d lin ig , d a ra u f t r i t t S ä ttigung a u f, und schließlich leuchtende E n tla d u n g infolge S toßionisation. D ie S ä ttig un g t r i t t bei niederen D ru c k e n bei sehr kle in e n Spannungen a u f, m it wachsendem D ru c k muß die Spannung gesteigert w erden. Beispielsweise beobachtet m an an A g C l bei p = 1 • IO“ 4 m m S ä ttig un g bereits bei 2 V o lt, bei p = 1 mm bei 4 V o lt, bei p = 10 m m bei 60 V o lt, bei p = 1 0 0 m m bei etwa 200 V o lt. Die S ättigung is t bei n ie d e re r T em p eratu r v ie l ausgeprägter als bei hoher und t r it t auch bei k le in e re n Spannungen a u f; sie is t besonders g u t ausgeprägt bei den Salzen, die einen k le in e n D a m p fd ru c k haben. D er B eginn der Em ission h än gt vom D ru c k ab:
bei niederen D ru cken tre te n die ersten Ionen bei k le in e re n Spannungen aus als bei hohen. Die leuchtende E n tla d u n g t r i t t bei säm tlichen Salzen bei einem D ru c k von 1 m m bei 300 bis 400 V o lt, bei einem D ru c k vo n 10 m m bei 600 bis 800, bei 100 mm bei 1600 bis 2000 V o lt auf. Die Erscheinungen sind also analog denen, die schon b e k a n n t sind, z. B. fü r d ie leuchtende E n tla d u n g in der L u ft.
Die A rb e ite n von Ka h r a, Bö l l in g, Wa l z und Me n t r u p w urde n unternom m en, um die S trom stärke zu steigern. A lle Versuche, dies durch Steigerung d er irre v e rs ib le n V orgänge zu erreichen, hatten keinen nennensw erten E rfo lg . Nach dem vorhergehenden fin d e t n u r eine + - b z w .---E m ission statt, w enn a lle in das + - b z w . ---Io n bei der E le k tro ly s e des festen Salzes w andert. Außerdem zeigen die Versuche, daß die Em ission sehr s ta rk m it der T e m p e ra tu r zu nim m t. W enn m an also Salze fände, bei denen etwa d a s ---Io n bis zu sehr hohen T em p eratu ren beständig w a r, so w a r zu erw arten, daß durch S teigerung der T em p eratu r eine starke E m ission von e in he itlich e n + - Ionen e rz ie lt w erden w ürde. Von diesem G esichtspunkt aus rich te ten w ir unsere A u fm e rksa m k e it auf die Gläser, b ei denen b e k a n n tlic h bis zu hohen T em peraturen n u r das + - I o n w an de rt. D ie Em ission nahm bei allen untersuchten P räparaten m it der Z eit zu und erreichte erst nach lä n g e re r Z eit (1 bis 4 Stunden) das z e itlic h k o nsta nt bleibende M axim um . Es rü h rte dieses Steigen von einem chemischen oder p hysikalischen Prozeß her- deutlich w a r zu erkennen, w ie das Glas sich a llm ä h lic h veränderte. W a r die Konstanz der Em ission e rreich t, so w a r sie auch bei niederen T em p eratu ren k o n s ta n t;
d er der höheren T em p eratu r entsprechende irre v e rs ib le Prozeß w a r also beendet, und die Em ission rü h rte je tz t n u r noch von der reve rsib le n, therm ischen A u flo c k e ru n g her.
D urch Steigerung der T em p eratu r ließen sich v e rh ä ltn is m ä ß ig große Em issionen erzielen, z. B. vo n einem dünnen Glas von 2 cm Länge bis zu 10~8 A m p bei 900° C. Bei noch höheren T em peraturen w a r es sogar m öglich, Ströme bis IO-7 zu erhalten, jedoch traten dann auch schon m e rk lic h negative Ausschläge auf, ein Beweis d a fü r, daß je tz t andere v e rw ic k e lte re , chemische Prozesse im Glase v o r sich gehen. Bei höheren Tem peraturen bis 1600°C hat Mu r a w k in (1931) G läser u nte rsu ch t; er konnte sogar die einzelnen e m ittie rte n Ionen K a , Na, Mg, Ca usw. im M assenspektrographen feststellen. Da die im H an d e l vorkom m enden G läser stets m ehrere M etalle e nth alte n , sind auch die Em issionen n ic h t e in he itlich . Bö l l in g hat e inheitliche B o rgläse r h erge ste llt und genauer untersucht. D ie Em issionen w aren aber n u r k le in . Wa l z und Me n t r u p haben das Ziel, große S trom stärken zu erhalten, dadurch erreicht, daß sie die Oberfläche des em ittierenden
188 Ma x Sc h m i d t: Un t e r s u c h u n g e n m i t d e m Ko l b e n p r o b e rg e r ä t. Zeitschrift für den physikalischen Fünfzigster Jahrgang.
Salzes sta rk ve rgröß erten. Zu dem Zwecke brachten sie in einen unten geschlossenen Z y lin d e r Z (Fig. 3) aus dünnw andigem N ickelble ch B ündel von dünnen N ickeldrä hte n.
Das Ganze w urde in eine Lösung von C dJ2 getaucht; nach dem T ro ckn en w a r die ganze Oberfläche, die etwa 3000 cm 2 betrug, m it festen C dJ2 bedeckt. U be r den Z y lin d e r w urde eine N ic k e lp la tte g u t befestigt, die in der M itte eine klein e Ö ffnung hatte. D er Z y lin d e r w urde in ein unten geschlossenes G lasrohr gebracht, das eva
k u ie rt und e rh itz t w urde. Oberhalb der Ö ffnung des Z y lin d e rs befand sich eine kleine, m it dem G alvanom eter verbundene Sonde P. W u rde nun eine -¡--S pannung an den Z y lin d e r gelegt, so tr a t aus seiner oberen Ö ffnung ein fe in e r A n od e nstra hl heraus, dessen S trom stärke z. B. bei 400° und 1 ■ 1(T2 m m D ru c k und 90 V o lt Spannung fast 10~6 Am p betrug.
Diese S trom stärken lassen sich noch b e lie b ig steigern, z. B. durch V e r
doppeln der Länge der D rähte, durch W a h l von noch dünneren D rähten und andere M anipulationen, d urch welche die Oberfläche ve rg rö ß ert w ird . D er genauen U ntersuchung dieser Ionenstrahlen im Massenspektro- graphen und der Messung ih re r p hysikalische n Konstanten d ü rfte n h ie r
nach keine u nü be rw ind liche n S c h w ie rig keite n m ehr entgegenstehen.
Zum Schluß sei noch auf den Zusammenhang zwischen den h ie r beschriebenen Ionenstrahlen und den von Ge h e c k e und Re ic h e n h e im
1906 entdeckten Anodenstrahlen hingewiesen. A llg e m e in bekannt d ürfte der von diesen Forschern beschriebene V orlesungsapparat sein, in welchem durch eine hohe Spannung ein leuchtender Anodenstrahl, der bei L ith iu m sa lze n zu sehen ist, erzeugt w ird . H ie r is t es die hohe Spannung, welche die im festen Salz befindlichen L ith iu m io n e n h eraustreibt. G leich
z e itig verdam pfen in fo lg e der bei der E n tla d u n g auftretenden W ärm e L ith iu m s a lz m oleküle, die d urch den Ionenstoß zum Leuchten e rre g t w erden. D ie Ge h r c k e- REiCHENHEiMschen Anodenstrahlen sind Ionenstrahlen bei großen Spannungen.
4 /
Fig.3.
V er suchsanord - nung zur Steige
rung der Strom
stärke durch Oberf lächenver -
größerung des emittierenden
Salzes.
besonders gi
Untersuchungen m it dem Kolbenprobergerät.
Von Max Schmidt in Hamburg.
Es is t heute n ötig er als je, jeden jungen Deutschen in denjenigen B e ru f und an die Stelle zu bringen, w ohin er seiner Begabung nach gehört und wo er etwas leisten kann. U nd gerade auf chemischem Gebiet is t die H e ra n b ild u n g eines schöpferisch fähigen Nachwuchses von v ie lle ic h t ausschlaggebender Bedeutung fü r die W o h lfa h rt unseres Volkes. Begabung fü r Chemie aber entdeckt m an n ic h t durch einfache M it
te ilu n g und gedächtnism äßige E in p rä g u n g von Tatsachen, auch n ic h t durch V o rfü h ru n g glänzender q u a lita tiv e r E xperim ente ■— d a fü r hat zunächst je d e r Interesse — , sondern erst bei der m ühevollen E in fü h ru n g in die Grundgesetze an der H and q u a n tita tiv e r Versuche.
U m die A u sarb eitu ng solcher Versuche haben sich seit A. W . Ho f m a n n und Fr i e d e. C. G. Mü l l e r alle hervorragenden M eth od iker der chemischen W issenschaft bemüht. N ichtsdestow eniger haben w ir davon noch zu w enig. Die E ig e n a rt des U n te r
richtsbetriebes b rin g t es näm lich m it sich, daß n u r solche Versuche geeignet sind, welche schnell und sicher auszuführen sind, und daß insbesondere das H auptm eßgerät, die Waage, wenigstens im D em on stratio nsu n terrich t so g u t w ie ausfällt. W enn also der C hem ielehrer — w ie jeder naturw issenschaftliche M eth od iker — den seit Co m e n iu s
anerkannten G rundsatz in der Theorie bejaht, nichts ohne experim entellen Beweis zu bring e n, da es im vorbereitenden U n te rric h t der Schule n u r w en ig auf V e rm ittlu n g von Kenntnissen, w e it m ehr dagegen auf Verständnis und E in sich t ankom m t, so is t e r doch in der P ra xis gezwungen, diesen G rundsatz oftm als zu vernachlässigen.
Anw eisungen zu q u a n tita tiv e n Versuchen w erden demnach im m e r erw ünscht sein.
und chemischen Unterricht.
1937. H eft 5. Max Sc h m i d t: Un t e r s u c h u n g e n m i t d e m Ko l b e np r obe r gkr ä t. 189
W enn nun die W aage als M eßgerät m öglichst zu verm eiden ist, so bieten sich u n te r den q u a n tita tiv e n Versuchen v o r allem die gasvolum etrischen als geeignet dar, und zw ar besonders zur E in fü h ru n g in die Grundgesetze der Chemie. Denn Versuche m it festen und flüssigen Stoffen führen, auch wenn sie m aßanalytisch ausgeführt werden, im m e r n u r zur B estätigung der Gesetze von Pr o u s t u nd Da l t o n, hingegen die Gas
analyse außerdem zum Gesetz von Ga y Lussac und zur AvoGADROschen Kegel. W e ite r e rg ib t sich als F o lg e ru n g die Zusammensetzung der M olekeln der elementaren Gase aus zw ei Atom en, der B e g riff des M olekulargew ichts und -Volumens und die Beziehung zwischen M oleku large w icht und Gasdichte. Genau so is t ja auch der historische V e rla u f d er Forschung gewesen, und die Zeit, welche diese Entdeckungen e rforderten, beweist am besten die von A n fä ng ern im L e h rb e ru f o ft unterschätzte S c h w ie rig k e it der metho
dischen E in fü h ru n g . Neben den experim entellen V orzügen bieten gasanalytische V e r
suche noch den w eiteren V o rte il, daß der Schüler schnell m it der E ig e n a rt w ic h tig e r Gase und Gasgemische v e rtra u t w ird . W asserstoff, Sauerstoff, S tickstoff, Chlor, K o h le n o x y d und -d io x y d , Kohlenwasserstoffe, A m m on ia k, C hlorw asserstoff u nd die Gasgemische w ie L u ft und A te m lu ft, Generator- und Wassergas, Rauchgase und Leuchtgas sind Stoffe, die n ic h t n u r der z u k ü n ftig e C hem iker kennenlernen muß.
Bei der kaum zu hoch einzuschätzenden methodischen Bedeutung der G asvolu
m etrie fü r den einführenden U n te rric h t is t es erstaunlich und bedauerlich, daß in den U n ive rsitä tsle h rku rse n o ffe nb ar sehr w en ig W e rt auf die Gasanalyse gelegt w ird und insbesondere die L eh ra m tskan did ate n in der Regel k e in e rle i Schulung in dieser H in sicht genossen haben, w ährend sie m it q u a lita tiv e n Analysen geradezu ü b e rfü tte rt w urden, die sie in ih re r späteren L e h rtä tig k e it niem als gebrauchen. Diese V ernach
lässigung is t um so w en ige r zu verstehen, als die Gasanalyse heute — m an denke n u r an Luftuntersuchungen im Interesse der A bw ehr, zu hygienischen Zwecken (Schutz
räum e, ü b e rfü llte Versam m lungs- und Arbeitsräum e), an Rauchgasprüfungen u. a. — an Bedeutung ungem ein gewonnen hat. Die Ursache der U nb elieb th eit von Gasanalysen lie g t anscheinend in der U nvo llko m m e nh eit und unbequemen H andhabung der dazu benutzten Geräte, die seit He m p e l, Bu n t e, Lu n g e und Or s a t kaum , wenigstens n ich t grundlegend, verbessert w orden sind. Man pfleg t nun d ort, wo laufende Untersuchungen dieser A r t in größ erer Zahl auszuführen sind, die etwas la n g w ie rig e und eintönige A rb e it eingearbeiteten H ilfs k rä fte n zu überlassen und fin de t sich so m it dem Zustand ab, in der Annahme, daß die Geräte ja nun w oh l d u rc h k o n s tru ie rt und Verbesserungen kaum zu erw arte n seien. F ü r den S ch ulu nterrich t sind gasanalytische Methoden in s besondere von Ris c h b ie t h empfohlen worden. In seinem B ü chle in: „Q u a n tita tiv e chemische Versuche“ beschreibt er eine ganze Reihe m ethodisch w ic h tig e r Versuche dieser A rt. Es hat indessen n ic h t den Anschein, als wenn sie, von w enigen abgesehen, v ie l E in g a n g in die U n te rric h ts p ra x is gefunden hätten, w ie sie auch n u r zum geringen T e il Aufnahm e in die in Schulen w e it ve rb re itete „T e c h n ik “ von Do e r m e r-Fr a n c k
gefunden haben. Auch dies hat o ffenbar seinen G rund in den offenkundigen, w enn auch von den K r itik e r n niem als k la r ausgesprochenen M ängeln a lle r dieser Geräte, w ie auch in d er Tatsache, daß zu r erfo lgreich en A u sfü h ru n g der Versuche w ährend des U n te rric h ts doch eine längere E in a rb e itu n g und n ic h t gew öhnliche experim entelle G e schicklichke it gehört. Auch die E in fü h ru n g w e ite re r Gasmeßgeräte, w ie der Mü l l e r- schen Gasmeßglocken, hat an diesem Zustande n ic h t v ie l geändert.
U m die B ra u c h b a rk e it bzw. V erbesserungsm öglichkeit der vorhandenen Geräte zu beurteilen, is t es nötig, sich die A r t der d a m it auszuführenden Versuche zu vergegen
w ärtige n . Es handelt sich stets um die Messung des Volum ens vo n Gasen oder Gas
gemischen v o r und nach ih re r chemischen E in w irk u n g auf andere Gase, deren Volum en v o rh e r ebenfalls m eßbar sein muß, fe rn e r auf F lüssigke ite n und auf feste Stoffe. Die beiden ersten G ruppen von R eaktionen sind hauptsächlich diejenigen, welche m an als V erbrennungs- und Absorptionsanalysen bezeichnet. U n te r den Versuchen der d ritte n A r t befinden sich ebenfalls viele m ethodisch w e rtv o lle . Auch solche Reaktionen, bei