Technik und Wirtschaft
H e r a u s g e b e r : D r . - I n g . O t t o B r e d t und Dr. G e o r g F r e i t a g / V D I - V e r l a g G m bH , B e r l i n - N W 7
28. Jahrgang 1
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s s- Heft
I Wirtschaftsdynamik
I Von Dr.-Ing. OTTO BREDT VDI, Berlin
Das Jahr 1934 hat fü r die E ntw icklung der deut
schen W irtsch a ft eine entscheidende W ende ge
bracht, die die meisten von uns in ihrer vollen B e
deutung noch nicht zu ermessen vermögen. Noch erscheint zwar die zu kü n ftig e R ichtung nicht überall deutlich und klar. Doch der entscheidende Wende
p u n k t ist bereits überwunden und damit das Stück W eg in der Bahn, wo die zu künftige Richtung manchmal fraglich erschien.
Neben der M acht der Tatsachen war es der W ille zum Fortschritt wnd A u fstieg und damit die von jeher tie f in unserem Volke ivurzelnde lebendige K r a ft, die nach innen und außen die A r t und Weise der W ende bestimmte und — bewußt oder unbe
w u ß t — die E rstarkung und B efreiung der Volks- w irtschaft im gesunden W echsel von A u ftrieb und Ausgleich zur Losung erhob.
Z w ar schoß, als vor mehr als Jahresfrist der W ille des deutschen Volkes überall den Boden aufriß, um in seine Furchen den K eim fü r die E rnte der Z u k u n ft zu legen, a/uch in der W irtsch a ft so manches Sinnen und Trachten jählings empor, was sich nicht oder noch nicht in die wirklichen Notwendigkeiten der Gegenwart fügte. Das aber ist imm er so, wenn im H erbst oder F rühjahr der Boden bricht, und wird von den gesunden K rä fte n des Lebens, sind sie nur stark genug, im L ebenskam pf überwunden.
F ü r denjenigen aber, der nicht nur Ziele zu setzen und zu verfolgen, sondern auch E rkenntnis zu schaffen und zielbewußt zu verwenden hat, ist der Gang der Ereignisse im letzten Jahre eine wertvolle P rü fu n g gewesen, ob und inwieweit nicht nur sein S innen und Trachten, sondern auch seine M ittel und W ege im L aufe der Dinge den K a m p f um Sein oder N ichtsein bestehen. Möge das neue Jahr uns allen darin zum W ohl unseres Volkes die Bestätigung bringen!
1. D ynam ik des Lebens
Als w ir vor mehr als drei J a h r e n 1) dam it begannen, unse
ren Lesern Sinn und Wesen der „W irtschaftsdynam ik“
näherzubringen, w aren w ir uns von vornherein darüber klar, daß mit dem Begriff oder g a r W orte allein noch nichts anzufangen ist. Denn wie so viele der W orte w ird auch dieses Gebilde heute nur zu oft als m it Vorliebe ge
brauchte Redensart oder als Schlagwort fü r mannigfache Zwecke verwendet und auch als Begriff findet es sich, selbst bei sorgfältiger Fassung, je nach der Einstellung derer, die den Begriff bilden oder verwenden, in sehr unterschied
lichen A barten vor.
H inzu kam , daß m an zwar das Leben m it W orten zu fassen und verständlich zu machen vermag, falls m an nicht den Sinn des Lebens oder des W orts vergewaltigt. Nicht aber kann m an dam it bereits eine k l a r e u n d e i n d e u t i g e V o r s t e l l u n g v o n d e n Z u s a m m e n h ä n g e n u n d W e c h s e l w i r k u n g e n d e s L e b e n s schaffen und dam it die Voraussetzungen dafür, das Leben aus dem Leben heraus zu erkennen und im Sinne der Ziel
verfolgung und Lebenskultur zu beherrschen. Eine solche
M V g l . , , K a p i t a l w i r t s c h a f t u n d U n t e r n e h m e n , e i n G e b o t d e r S t u n d e " . T e c h n . u . W i r t s c l i . 1931 H e f t 12 S e i t e 285 ff.
F orderung ist aber leichter gestellt als erfüllt. D enn die Schaffung einer solchen V orstellung verlangt nicht nur, daß man Sinn und Wesen des Lebens versteht und er
kennt, wobei dann noch fraglich bleibt, ob und inwieweit man sie nur zu verstehen oder zu erkennen vermeint. Sie verlangt darüber hinaus die E rkenntnis und Beherrschung von S i n n u n d G e s e t z d e s W i r k e n s d e r l e b e n d i g e n K r ä f t e in dem ihnen gegebenen inneren und äußeren W irkungsfeld und damit der au f dem Boden der Tatsachen wirkenden Macht, die fü r die Entw icklung jedes Lebensgebietes, auch der W irtschaft entscheidend ist.
E in jeder, der f ü r sich oder andere eine derartige V or
stellung zu schaffen versucht, ist gezwungen, sieh dabei allen Beiwerks zu entledigen, das das Leben in seinen mannigfachen A barten vielfach erst lebenswert macht.
Denn andernfalls würde die zu schaffende V orstellung in der Fülle des Lebens ersticken. Notwendig ist daher, daß man sich — wie übrigens bei allen Vorstellungen, die der
artigen Zwecken zu dienen haben, z. B. in der Physik, Chemie oder Biologie -—- au f die H erausarbeitung des W esentlichen beschränkt, ohne dabei allerdings hernach die unendliche M annigfaltigkeit des Lebens zu vergessen.
A ber schließlich ist das au f allen W issensgebieten so und au f dem neu zu Gestaltenden überdies auch noch nicht einmal schwer zu beachten, weil d a s L e b e n z w a r e i n u n e>n d l i c h e s u n d e w i g e s S p i e l d e r A b a r t e n k e n n t , n i c h t a b e r e i n s o l c h e s d e r g r o ß e n L e b e n s g e s e t z e . Die E rkenntnis allein ist schon wichtig genug. Denn sie verm ag bereits auch dem Fernerstehenden die Bedeutung einer jeden „D ynam ik“ zu zeigen 2).
Im Rahmen dieser A rbeit steht nicht der Raum zur V er
fügung, um eine solche Lehre von der D ynam ik des Lebens (Biodynamik) zu entwickeln. Von ihr ist die „ W irt
schaftsdynam ik“ nur ein Teil, wenngleich derjenige, in dem sich das W irken der K rä fte deutlich verfolgen läßt.
N ur das eine sei seiner Bedeutung wegen hier nochmals erw äh n t:
J e d e D y n a m i k d e s L e b e n s ( B i o d y n a m i k ) u n d d a m i t a u c h d i e W i r t s c h a f t s d y n a m i k i s t n i c h t s a n d e r e s a l s d i e L e h r e v o n d e m W i r k e n d e r a n b e s t i m m t e L e b e n s t r ä g e r g e b u n d e n e n l e b e n d i g e n K r ä f t e i n i h r e m i n n e r e n u n d ä u ß e r e n W i r k u n g s f e l d u n d , d a m i t d e n Z u s a m m e n h ä n g e n u n d W e c h s e l w i r k u n g e n d e s L e b e n s .
Z ur Schaffung der h ierfür benötigten V orstellung aber kommt es sowohl au f die jeweiligen Lebensträger als auch au f die Zusammenhänge und W echselwirkungen in ihrem inneren und äußeren W irkungsfeld an und dam it au f den Inbegriff des Sinnes und der Gesetze des Lebens. H a t man a b e r'e rst einmal — zwar ist der W eg bis dahin noch weit
— mit einer solchen Vorstellung ein brauchbares W erkzeug der E rkenntnis und Beherrschung der Lebensgesetze ge-
2 ) V g l. . . W i r t s c h a f t u n d W i s s e n s c h a f t “ . T e c h n . u . W i r t s c h . 1933 H e f t-8 S e i t e 225 f f .
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schaffen, dann liegt dam it fü r den gestaltenden und führen
den Menschen auch das W erkzeug zur Zielverfolgung und Lebenskultur in dem unendlichen und ewigen Spiel der A rten und Geschlechterfolgen verwendungsbereit.
2. W irtsch aftsku ltu r und W irtsch aftsd yn am ik V on jeher ist es die A u f g a b e d e r W i r t s c h a f t ge
wesen, die materiellen Voraussetzungen zur Verw irklichung menschlicher Lebensziele zu schaffen, mögen diese nun selbst wiederum m ateriell oder ideell sein. E rs t dadurch erhält das B e d a r f s d e c k u n g s p r i n z i p fü r die E ntw icklung der W irtsch aft Richtung und ß i n n : B edarfs
weckung in R ichtung au f das lebendige Ziel, B edarfs
deckung im Sinne seiner praktischen Verwirklichung.
I n alten Zeiten schuf sich ein jeder, so gut es ging, die m ateriellen Voraussetzungen f ü r sein Lebensziel und seinen Lebensstand selbst. Im V erlauf der Jah rh u n d erte aber t r a t hierin eine g r u n d l e g e n d e Ä n d e r u n g ein. Die W irtsch aft der neueren und insbesondere der neuesten Zeit fü h rte m ehr und m ehr zur Notwendigkeit eines W irt
sc h a fte rs im Verband. Das ist bekannt und daher hier nicht nochmals eingehender zu erörtern. E benfalls bekannt, wenn auch weniger beachtet und vor allem nicht immer genügend gew ürdigt aber ist, daß der eigentliche A nlaß hierzu nicht etwa, wie vielfach behauptet, in den M itteln und V erfahren oder Form en und W egen des W irtschaftens und dam it in Technik und O rganisation zu suchen ist, sondern in dem W illen des Menschen, seine Lebensziele und seinen Lebensstand zu verbreitern und zu erhöhen.
Die in jedem Menschen lebende T r i e b k r a f t zum Da
sein und A ufstieg im Leben ist es daher, welche z u r N o t w e n d i g k e i t e i n e s W i r t s c h a f t e n s i m V e r b ä n d e g efü h rt hat.
B ereits in früheren Zeiten hatte sich der einzelne Mensch an seiner Stelle und zu seinem Teil irgendwie au f der einen Seite an der E rstellung des Gemeinschaftserzeug
nisses (S ozialprodukt) zu beteiligen, dam it er au f der ändern Seite aus dem hieraus erworbenen „R echtsanspruch“
(F o rd eru n g als Gegenwert des A nteils am Sozialertrag) sieh die m ateriellen V oraussetzungen f ü r die V erfolgung seiner Lebensziele und die E ntw icklung seines Lebens
standes im G em einschaftsverband zu verschaffen vermochte.
I n den patriarchalischen Form en und W egen der W irt
schaft wickelte sich dieser V organg in verhältnism äßig einfacher W eise ab. Mit dem Augenblicke aber, wo im Zuge der oben erw ähnten Entw icklung sich „H a u s“ und
„F am ilienverband“ und dam it der M utterboden jedes Lebensziels und jedes Lebensstands von dem „B etrieb“
und „W irtschaftsverband“ und dam it den Quellen der materiellen V oraussetzungen zu lösen begannen, tr a t zwar im V orgänge selbst keine grundsätzliche V eränderung ein.
Seine Abwicklung aber w urde dadurch erheblich verästelt und in der Übersicht wie in der D urchführung in steigen
dem M aße erschwert. K am es doch nunm ehr d a ra u f an, a u f d e r e i n e n S e i t e die Setzung und V erfolgung menschlicher Lebensziele bzw. die Sicherung und Entw ick
lung des menschlichen Lebensstandes und dam it die V e r w e n d u n g v o n S o z i a l e r t r a g u n d S o z i a l p r o d u k t i m H a u s u n d F a m i l i e n v e r b a n d a u f gesunde Weise im Sinne des A ufstiegs zu pflegen. A u f d e r ä n d e r n S e i t e aber w ar i m B e t r i e b u n d W i r t s c h a f t s v e r b a n d d i e E r s t e l l u n g v o n S o z i a l p r o d u k t u n d S o z i a l e r t r a g so zu be
treiben, daß dadurch die m ateriellen V oraussetzungen fü r die V erw irklichung menschlicher Lebensziele und fü r die Entw icklung des menschlichen Lebensstandes geschaffen
werden konnten. Oder mit ändern W orten, die V erw en
dungsmöglichkeit von Sozialprodukt und S ozialertrag im H au s und F'amilienverband w ar ebenso wie ihre Be- schaffungsmögliehkeit im Betrieb und W i r t s c h a f t s v e r b a n d an zwei V oraussetzungen gebunden, nämlich daß es jedem einzelnen Lebensträger wie der Gesamtheit des Gemein
schaftsverbandes im V erlauf der Entw icklung gelang, H aus und Betrieb durch eine entsprechende V erbesserung des A ufw andsdienstes und L eistungsertrags nicht n u r den n o t w e n d i g e n A u f t r i e b zu geben, sondern sie auch im Sinne der V erw irklichung von Lebensziel und Lebens
stand zum g e s u n d e n A u s g l e i c h zu b rin g e n 3).
Den n o t w e n d i g e n A u f t r i e b hat der Menschheit und insbesondere unserm Volk das so oft m it U nrecht geschmähte freie Spiel der K rä fte des 19. Ja h rh u n d e rts gebracht. Den g e s u n d e n A u s g l e i c h aber h at das 20. Ja h rh u n d e rt zu schaffen. Zweifelsohne h at das erste D rittel unseres Ja h rh u n d e rts noch nicht zur endgültigen Lösung dieser gew altigen A ufgabe gefü h rt. Ebenso zwei
felsohne aber h at es uns, gerade in den f ü r uns schwer
sten Zeiten der beiden letzten Jahrzehnte, m it Riesen
schritten einer solchen Lösung nähergebracht. D as zweite D rittel des 20. Ja h rh u n d e rts m uß die praktischen V oraus
setzungen f ü r einen solchen gesunden Ausgleich schaffen.
D as verm ag es aber nicht, wenn es den Sinn des Aus
gleichs vor allem in einer U nterbindung des A u ftrieb s er
blickt. Denn das würde praktisch nichts anderes bedeuten, als die lebendigen K rä fte des F o rtsc h ritts und A ufstiegs im Gemeinsehaftsverband zu ersticken. E s kommt d ara u f an, nicht in die V orzeit des 19. Ja h rh u n d e rts zurückzuver
fallen. N u r w e n n e s g e l i n g t , a l l e K r ä f t e d e s V o l k e s z u m n o t w e n d i g e n A u f t r i e b f r e i z u e n t f a l t e n u n d s i e d a b e i d o c h z u m g e s u n d e n A u s g l e i c h h a r m o n i s c h z u b i n d e n , w i r d d i e w e l t g e s c h i c h t l i c h e A u f g a b e d e s 20. J a h r h u n d e r t s a u f a l l e n G e b i e t e n d e s L e b e n s g e l ö s t .
R i c h t u n g - u n d m a ß g e b e n d hierbei aber w ird in jedem einzelnen F all der jeweilige L e b e n s s t a n d und das jeweilige L e b e n s z i e l sein, m ag n u r der einzelne Mensch oder sein G em einschaftsverband, ein Volk oder ein E rdteil sich seine R ichtung und M aßstäbe suchen. I m B r e n n p u n k t e a b e r s t e h t s t e t s d e r i m V e r b ä n d e s e i n e r G e m e i n s c h a f t l e b e n d e u n d w i r k e n d e M e n s c h und dam it nicht n u r der leben
dige T räger jedes menschlichen Ziels, sondern auch der K äm p fe r um seine zukünftige V erw irklichung. Je mehr hierbei ein Volk sich selbst und dem Felde seiner B etäti
gung abzuringen versteht, um so m ehr dient es wechsel
seitig sich selbst, sofern es n u r den G rad der K rä fte beanspruchung nicht ü berspannt und die W irk u n g von L eistung und D ienst au f sich selbst und seine Umgebung beachtet.
3. A u ftrieb und Ausgleich d e r leb en d ig en K rä fte E s ist ein s c h w e r w i e g e n d e r M a n g e l d e r m e i s t e n n e u e r e n W i r t s c h a f t s t h e o r i e n , daß sie das W irken der lebendigen K rä fte a u f dem Felde der W irtsch a ft so gu t wie ausschließlich in der W e r t b e w e g u n g (Menge und P re is) des M arktes oder im W i r t s c h a f t s e r f o l g (A ufw and und E rtra g ) des Betriebes und nicht in dem gesamten, sieh zwar ständig verändernden, trotzdem aber in der V eränderung d yna
misch gebundenen L e b e n s z u s t a n d von W irk u n g s
träg e r und W irkungsfeld des Gem einschaftsverbandes
3) V g l . „ W i r t s c h a f t s k u l t u r “ . T e c h n . u . W i r t s c h . 1 934 H e f t 1 S e i t e 1 f f.
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a) Vor Beginn des Ausgleichs im b) V orBeginn d es A usgleichs im Markt ohne A usw eis des Verlusts Markt mit Ausw eis des Verluste
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c) Nachteilweisem Ausgleich im Markt mit Ausw eis des Verlusts
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d) Nach vollständigem Ausgleich im Markt mit A u sw e isd e s Verlusts E r l ä u t e r u n g : D i e in d e r A b b . g e w ä h l t e D u r s t e l l u n g s a r t i s t i n T e c h n . u . W i r t s c h . 1934 H e f t 12 S . 367 l i n k e S p a l t e e r l ä u t e r t . D i e s c h w a r z e n E c k f e l d e r i n d e n R e c h t e c k e n d e r o b e r e n R e i h e s t e l l e n S a c h w e r t e , d i e w e i ß e n G e l d w e r t e , d i e s c h r a f f i e r t e n D e c k u n g s u n t e r s c h i e d e d a r . D i e E c k f e l d e r o b e n l i n k s b e d e u t e n , . F o r d e r u n g e n “ , d i e o b e n r e c h t s , , V e r p f l i c h t u n g e n “ , d i e u n t e n l i n k s „ V o r r ä t e “ , d i e u n t e n r e c h t s „ E i g e n k a p i t a l “ .
D i e A b b . l a g i b t d i e t a t s ä c h l i c h e L a g e im S t a n d e d e r W e r t b i l d u n g n u r u n v o l lk o m m e n w i e d e r , d a n a c h d e n G r u n d g e s e t z e n d e r w i r t s c h a f t l i c h e n W e r t b i l d u n g (v g l. D e z e m b e r h e f t 1934, S . 368) j e d e r V e r l u s t a l s , w e n n a u c h n i c h t z u m K r e i s d e r V e r w e n d e r (V ) g e l a n g t e r , s o n d e r n in d e r S t u f e n f o l g e d e r E r s t e l l e r ( E ) s t e c k e n g e b l i e b e n e r T e i l d e r S o z i a l p r o d u k t s a n z u s e h e n i s t . W i c h t i g in d e n A b b . b — d i s t , d a ß d i e im M a r k t e i n e n A u s g l e i c h s u c h e n d e T r i e b k r a f t im V e r l a u f e d e s d a r g e s t e l l t e n A u s g l e i c h s v o r g a n g e s w ä c h s t .
suchen und sehen. Denn schließlich ist es weder die Be
wegung noch der E rfo lg allein, der die zukünftige E n t
wicklung entscheidet, sondern der gesamte dynamische Zustand der W irkungsträger im W irkungsfeld und seine V eränderung im Gemeinschaftsverband.
Zwar ist auch die bisherige W irtschaftslehre nicht achtlos an den mehr oder weniger umwälzenden S t r u k t u r w a n d l u n g e n d e r W i r t s c h a f t vorübergegangen.
Ih re Feststellung und E rgründung aber ist im wesentlichen nur Aufgabe und Gegenstand der W i r t s c h a f t s g e s c h i c h t e gewesen, ohne daß die eigentliche W i r t s c h a f t s t h e o r i e die gerade in den S trukturw andlun
gen deutlich zutage tretenden dynamischen Zustands- und insbesondere Spannungsveränderungen und dam it eine oftm als bereits in der Entstehung entscheidende W irkungs
a rt der lebendigen K rä fte in ihre meist vom Q u a n t i : t ä t s - o d e r R e n t a b i l i t ä t s g e d a n k e n beherrschte Vorstellungsw elt grundsätzlich einzugliedern vermochte.
D er G r u n d f ü r d i e s e n o f f e n s i c h t l i c h e n M a n g e l ist vor allerü darin zu suchen, daß man — wie au f so manchem ändern, zunächst von der alten geistes
wissenschaftlichen R ichtung beherrschten Wissensgebiete
— auch hier so gu t wie durchweg von den gewellten oder tatsächlichen Ergebnissen und dam it der g e w o 111 e n o d e r t a t s ä c h l i c h e n W i r k u n g d e s W i r t s c h a f t e n s selber ausging, a n s t a t t — wie dies in der neueren naturw issenschaftlichen R ichtung geschieht — vor allem au f das e i g e n t l i c h e W i r k e n d e r l e b e n d i g e n K r ä f t e in dem jeweils zu behandelnden inneren und äußeren W irkungsfeld und damit au f das Wesen und W erden der eigentlichen W irkungsträger im Gem einschaftsverband in bezug au f Voraussetzungen, Zustand und Folgen zu achten.
Die w e l t g e s c h i c h t l i c h e B e d e u t u n g des zuvor nu r gestreiften Mangels in der G rundeinstellung der bis
herigen Geisteswissenschaften, die auch hier vom „Ab
strak tu m “ und nicht vom „L ebensträger“ ausging, sowie ihres hierdurch bedingten Arbeitsansatzes au f allen Lebens- gebieten ist heute erst wenigen voll zum Bewußtsein gekom
men, ganz zu schweigen davon, daß etwa in der G rund
einstellung oder dem A rbeitsansatz bereits eine Beseitigung des Mangels erkennbar wäre. Denn au f die B e s e i t i g u n g d e s M a n g e l s u n d n i c h t a u f d i e V e r n i c h t u n g o d e r M i ß a c h t u n g d e s b i s h e r i n v i e l e n G e s c h l e c h t e r f o l g e n e r a r b e i t e t e n E r k e n n t n i s g u t e s kommt es an, will man die neue E rkenntnis von den Zusam menhängen und W echselwir
kungen des Lebens schaffen.
F ü r die F o r s c h u n g u n d L e h r e k o m m e n d e r Z e i t e n erwächst daraus eine große und in ihrer Be
deutung nicht zu unterschätzende A u f g a b e u n d P f l i c h t , hier zunächst einmal K larheit und E rkenntnis au f breiterer Grundlage zu gewinnen, sodann aber auch das praktisch brauchbare W erkzeug fü r die N utzanwen
dung der neuen E rkenntnis und die Neueinstellung im eigentlichen A rbeitsansatz zu schaffen. M it unserer Z eit
schrift haben wir uns nunmehr seit Jah ren in den Dienst dieser großen A ufgabe gestellt und uns tro tz gelegent
licher M ißdeutung dabei von unserem f ü r ihre Behandlung einmal als richtig erkannten Wege nicht abbringen lassen, wenngleich wir uns au f das eigentliche Wissensgebiet von Technik und W irtschaft beschränken müssen.
Es fehlt hier der Platz, um nochmals näher au f die von uns geforderte Neueinstellung der W issenschaft einzugehen und hierbei insbesondere nochmals die G rundlagen der W irtschaftsdynam ik zu behandeln. N ur die B e d e u t u n g d e s A u f t r i e b s u n d A u s g l e i c h s d e r l e b e n d i g e n K r ä f t e innerhalb eines bestimmten W irkungsfeldes und eines begrenzten Lebensraums sei hier kurz an H and eines Beispiels näher berührt, weil sie als- R ichtung und M aßstab zur Zeit f ü r d i e p r a k t i s c h e W i r t s c h a f t s p o l i t i k aller Völker, ganz besonders aber unseres Volkes v o n e n t s c h e i d e n d e r W i c h t i g k e i t sind. Das B e i s p i e l selbst lehnt sich eng an die zuletzt in der „W irtschaftsdynam ik“ behandelten Fälle an. In bezug au f die Einzelheiten wird daher a u f die diesbezüglichen A usführungen in den betreffenden H eften des 27. Jahrganges unserer Z eitschrift verwiesen.
B ereits frü h e r wurde erwähnt, daß die l e b e n d i g e K r a f t e i n e s V o l k e s i m A u f t r i e b gleichzeitig mit dem Sozialprodukt auch den Sozialertrag schafft. Aus dem A nfall des letzteren, verteilt a u f die unm ittelbar oder m ittelbar an der Schaffung des Sozialproduktes Beteilig
ten ergeben sich nicht nur die jeweiligen Ausmaße des Lohns fü r die hierbei in A nspruch genommenen Leistungen, sondern gleichzeitig auch die Grenzen fü r den E rw erb des anderseits beanspruchten Anteils am gesamten Sozialpro
dukt, während dieses selbst wiederum die eigentlichen Möglichkeiten in der Bedarfsdeckung und dam it V erw irk
lichung von Lebensziel und Lebensstand eines Volkes be
stim m t (Abb. 1). Gelingt es in einer solchen Folgenkette, den Sozialertrag und das Sozialprodukt in gesunder und wirkungsvoller A rt und Weise ganz zum A u s g l e i c h zu bringen, so w ird dam it gleichzeitig in der eigentlichen W ertbildung eines Volkes (K apitalw irtsch aft) auch der h ö c h s t e G r a d w i r k l i c h e r W i r t s c h a f f l i e h -
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k e i t erreicht. D er V organg selbst sei im nachfolgenden noch einmal kurz wiedergegeben.
Von einer bestimm ten W irtsehaftskette bzw. den in ihrem Verbände unm ittelbar oder m ittelbar wirkenden K rä fte n wird ein bestimmtes Erzeugnis dem K reis der Verwender zur V erfügung gestellt und als Gegenwert eine bestimmte F o r d e r u n g a u f e i n e n A n t e i l a m G e s a m t w e r t d e s v o r h a n d e n e n o d e r z u k ü n f t i g e n S o z i a l p r o d u k t e s a l s „ A n t e i l a m S o z i a l e r t r a g e“ erworben. Im „Geldwerte“ (geltenden W erte) endgültig festgelegt w ird die erworbene F orderung aller
dings in der Regel erst dann, wenn bzw. insoweit der eigentliche V erw ender das betreffende Erzeugnis in bezug a u f A rt, Menge, Güte und P reis an einen bestimmten P latz übernim mt. T ritt in der Zwischenzeit in irgend
einem Gliede der W irtschaftskette nämlich ein tatsächlicher A usfall (V erlust) ein, so stellt sich die Dynamik der W irtsch aft in irgendeiner Weise a u f den deckenden Aus
gleich ein, und zwar solange als die W ertbeziehung Sozial
e rtra g zu Sozialprodukt nicht im Gleichgewicht ist. A uf die Einzelheiten wird noch in späteren Arbeiten eingegan
gen werden. I n jedem F alle aber wird im eigentlichen Bereitstellungsvorgang einschließlich der eigentlichen Ü ber
nahme des Sozialprodukts durch den K reis der Verwender stets n u r eine F orderung und dam it ein „G eldw ert“ , nicht aber ein tatsächliches Gut und dam it ein „Sachw ert“ e r
worben (vgl. Techn. u. W irtsch. H e ft 10/1934, S. 306 ff.).
V erw irklicht und dam it z u m w i r k l i c h e n W e r t w i r d d i e F o r d e r u n g , d. h. also der anteilige Sozialertrag, aber erst dann, wenn bzw. insoweit daraus ein Anteil am insgesamt verfügbaren Sozialprodukt (Sach- kap ital) oder mit ändern W orten ein „G ut“ erworben worden ist, wobei zunächst offen bleiben kann, w ann das betreffende Gut im Gemeinsehaftsverband bereitgestellt wird. F ü r den endgültigen Ausgleich ist allerdings der Ausgleich des in demselben Zeitabschnitt entstandenen S ozialertrags und Sozialproduktes entscheidend. Auch h ier
a u f w ird noch in späteren A rbeiten zurückzukommen sein.
E in jedes Gut — das ist wichtig —• kann sowohl unm ittel
bar, als auch m ittelbar in F orm von R echtstiteln erworben werden, ohne daß die Ausgleiehsmöglichkeit dadurch ge
fäh rd et wird. N ur m uß der E rw erb das E i g e n t u m s r e c h t a n e i n e m G u t u n d n i c h t n u r e i n e u n m i t t e l b a r e o d e r m i t t e l b a r e F o r d e r u n g a u f eine zukünftige L eistung oder dgl. begründen. Denn in letzterem F alle handelt es sich stets n u r um einen z u s ä t z l i c h e n K r e d i t , d. h. also um die verwegge- nommene „G eldschöpfung“ dessen, was in der Z ukunft einmal durch die G üterbereitstellung und den Gütererwerb seinen Ausgleich finden muß. Denn „Geld“ ist in seiner heute so gu t wie ausschließlich vorkommenden Form im Grunde genommen nichts anderes als eine F orderung au f einen entsprechenden, in der W erteinheit der W ährung ausgedrückten A nteil am verfügbaren Sozialprodukt und dam it am stets sich erneuernden S aehkapital eines Volkes.
Das ist w ichtig und wird bei der K reditpolitik, in Sonder
heit bei der Begebung von langfristigen Anleihen (F orde
ru n g en !) n u r zu häufig vergessen.
Je d e r z u s ä t z l i c h e K r e d i t s c h a f f t daher zwar vorübergehend zusätzliches „Geld“ und dadurch im A ugen
blick von der Seite des G ütertausches her d i e M ö g l i c h k e i t e i n e r W i r t s c h a f t s b e l e b u n g . In ihre in A nspruch genommenen Grenzen aber müssen die l e b e n d i g e n K r ä f t e d e s V o l k e s durch S chaf
fung eines zusätzlichen S ozialertrags und Sozialproduktes
erst im A uftrieb h i n e i n w a c h s e n k ö n n e n , um > ■11 V oraussetzungen fü r einen gesunden A u s g le ic h d(>r
„fo rm al“ vorweggenommenen „W ertschöpfung“ , wenn auch nicht den Ausgleich selber, zu s c h a f f e n . Denn m W irklichkeit vollzieht sich die S c h ö p f u n g s g e s c h i c h t e d e s w i r t s c h a f t l i c h e n W e r t s nicht in dem „G eldschöpfungsakte“ form al-konstruktiver V er
pflichtungen, sondern erst mit dem Gutsehaffungs- und Gut- iibertragungsakte im A uftrieb und Ausgleich der lebendigen K rä fte, deren natürlicher E ntw icklungsgang von sich aus mit der An- und E n tsp an n u n g auch eine natürliche K re ditbildung und G eldschöpfung b ringt (vgl. Techn. u.
W irtseh. H e ft 9/1934, S. 270 ff.).
Dam it aber erhält die alte, in der Q u a n t i t ä t s t h e o r i e verankerte „G ut-G eld“ -Beziehung ebenso wie der in der bisherigen R e n t a b i l i t ä t s t h e o r i e zum Ausdruck kommende Glaube der Menschheit an F o rt
schritt und A ufstieg a u f dem W ege eines im A u ftrieb und Ausgleich „tatsächlich“ erzielten E rfolgs einen n e u e n b i o d y n a m i s c h e n S i n n .
Dem G u t als A usdruck des v erfügbaren Sozialprodukts und dam it des immer aufs neue erstehenden Sachkapitals eines Volkes tr itt das G e l d nicht mehr n u r als das Ge
schöpf irgendeiner natürlichen oder künstlichen K re d it
bildung gegenüber, sondern als Gegenwert des noch offenen und zum Ausgleich mit dem v erfügbaren Sozialprodukt drängenden Sozialertrags. D er aber und dam it das Geld sind nichts anderes als F o r d e r u n g e n , die der Lei
stende au f G rund seiner Leistung an das verfügbare Sozialprodukt oder m it ändern W orten das imm er wieder aufs neue sich bildende S aehkapital eines Volkes zu stellen und der Erw erbende durch die Inanspruchnahm e (A n
nahm e!) des Dienstes als „G eldw ert“ an erkannt hat.
D er aus dem Glauben an F o rtsc h ritt und A ufstieg erwachsende W i l l e z u m W i r t s c h a f t s e r f o l g und dam it zur Besehaffungsmöglichkeit der materiellen Voraussetzungen, die zur V erw irklichung jedes mensch
lichen Zieles benötigt werden, aber bezweckt nunm ehr nicht etwa schlechthin die Erzielung eines Unternehm ergew inns, sondern die E rstark u n g und Entw icklung des gesamten W irkungsbereichs, in dem sich die eigentliche W ertbildung (K a p ita lw irtseh a ft), alle Teile belebend und fö rd ern d ohne Ü berspannung und unter W ahrung der eigenen Belange, aber u nter E insatz und E n tfa ltu n g aller verfügbaren K rä fte und M ittel vollzieht.
Im Rahmen einer solchen W ertbildung kennzeichnet der U m s c h l a g (U m satzleistung) nach oben und unten nicht nur A usm aß und G rad der eigenen Leistung, sondern auch A usm aß und G rad des der Gesam theit und sich selbst erwiesenen Dienstes. Die A n s p a n n u n g w eist nach oben und unten die Grenzen, in denen sich die lebendigen K rä fte — ohne G efahr der E rschlaffung (nach unten) oder Ü bertreibung (nach oben) — entwickeln. D er E r f o l g aber wird, wenn n u r ebenfalls bew ußt nach oben und unten in die rechten Grenzen g efa ß t, zum M aßstab dessen, was der W irtschaftende selbst im V erbände seiner Gemeinschaft und seiner B etätigung schafft. I m G e s a m t v e r b a n d a b e r i s t j e d e W i r t s c h a f t n u r i n d e n Z u s a m m e n h ä n g e n u n d W e c h s e l w i r k u n g e n a l l e r d r e i F a k t o r e n z u w e r t e n . E s w ird A ufgabe der „W irtschaftsdynam ik“ sein, die hierzu notwendigen M ittel und W ege der E rk e n n tn is und Beherrschung der lebendigen K rä fte in den Zusam m en
hängen und W echselwirkungen ihres G em einschaftsverban
des zu finden. [2301]
1
I Harmonische
Wirtschaftsgestaltung
Von Dipl.-Ing. HANS TSCHIRNER VDI, Berlin-Südende
Die M ängel des alten W irtschaftssystem s, die in der W eltw irtschaftskrise offenbar wurden, ließen in den. am schwersten von der K rise betroffenen L än
dern den Gedanken entstehen, eine neue bessere W irtschaftsordnung aufzubauen. Dieses Ziel wird in D eutschland, das sehr schwer unter der Krise zu leiden hatte, besonders ernsthaft verfolgt. Da die als notwendig erkannte Änderung des W irtsch a fts
system s ohne empfindliche Störung des W irtschafts
kreislaufs durchgeführt werden m uß, da ferner die Arbeitslosenfrage eine vordringliche Lösung erfor
derte, und da endlich der ohnehin durch die N eu
ordnung der w eltw irtschaftlichen Beziehungen sch weren E rschütterungen ausgesetzte W irtsch a fts
organismus nicht noch neuen Belastungen durch einschneidende Änderungen ausgesetzt werden du rfte, konnte bisher nur m it allgemeinen R ich t
linien wie „Führergedanke“, „Gemeinnutz geht vor E igennutz“ der Grund zti einer neuen W irtschafts
ordnung gelegt werden. Nachdem jedoch die größ
ten Schäden, die der deutsche W irtschaftsorganism us durch die K rise erlitten hatte, überwunden sind, tr itt je tz t die Frage schärfer in den Vordergrund, wie im einzelnen die W irtsch a ft neu gestaltet wer
den so l l .
A llgem eine G esichtspunkte
fü r eine neue W irtschaftsgestaltung
Bei der neuen W irtsehaftsgestaltung m uß eine weit
gehende H erabsetzung der K risenanfälligkeit des W irt
schaftsorganism us als R ichtpunkt dienen. Dazu ist der Gedanke aufzugeben, daß vom freien Spiel der K räfte, welche den A blauf des W irtschaftsgeschehens beein
flussen, ein gesunder Ausgleich erw artet werden kann.
Diese K rä fte sind soweit zu fesseln und in solche Rich
tung zu lenken, daß sie nicht mehr den Interessen der Gesamtheit entgegenzuwirken vermögen. Dazu ist ferner nötig, vorausschauend die künftigen Bedürfnisse der menschlichen Gemeinschaft zu erkennen, und wenn E reig
nisse eintreten, die V eränderungen des W irtschaftsgefüges zur Folge haben müssen, rechtzeitig neuen B edarf zu wecken und den V erbrauch zu lenken, um Erschütterungen zu vermeiden und eine möglichst große W irtschaftsinten
sität dauernd aufrecht zu erhalten, die allein einen allge
meinen W ohlstand herbeizuführen vermag. Durch eine derartige D äm pfung der Schwankungen zwischen E rzeu
gung und V erbrauch w ird f ü r einen großen Teil der Ar- beitnehm ersehaft die Existenzunsicherheit beseitigt. Durch eine der Leistung entsprechende V erteilung des Einkom mens, durch eine W irtschaftsordnung, die bei allen not
wendigen Bindungen aufstrebenden K rä fte n die Mög
lichkeit des Schaffens gewährleistet, u. dgl. sind in der W irtsch aft wohlabgewogene, harmonische Verhältnisse zu schaffen, welche alle Volksteile zufriedenstellen und die G efahr sozialer Spannungen soweit wie irgend möglich herabsetzen.
Das wilde W achstum der W irtschaft unter dem vergange
nen sog. liberalen-kapitalistischen W irtschaftssystem , wo jeder W irtschaftszw eig sich ungehemmt ohne Rücksicht a u f das Ganze ausbreiten konnte, solange n u r günstige R entabilitätsaussichten eine ausreichende K apitalzufuhr sicherstellten, muß durch eine neue W irtschaftsordnung so geziigelt werden, daß jeder fü r den organischen A u f
bau der V olksw irtschaft unentbehrliche W irtschaftszw eig
genügend Raum und günstige Entw icklungsverhältnisse findet. Solange die w irtschaftliche Entw icklung dank der vielen neuen Bedürfnisse, welche infolge der M echanisie
rung der Erzeugung Befriedigung finden konnten, stü r
misch aufw ärts ging, wurden die Mängel des n u r au f Ge
winnstreben aufgebauten W irtschaftssystem es überdeckt durch immer neu entstehende A rbeits- und V erdienst
möglichkeiten. F ern er w urden durch die soziale Gesetz
gebung und durch Interessentenzusammenschlüsse dem Gewinnstreben des einzelnen gewisse Grenzen gezogen.
Die Notwendigkeit einer planm äßigen W irtschaftsgestal
tung ergab sich, als die verheerenden A usw iikungen der letzten K rise den unorganischen A ufbau der W irtschaft deutlich werden ließen. Einzelne W irtschaftszweige hatten ihre K ap a zität zu sehr ausgeweitet, andere, insbesondere die Landw irtschaft, waren verkümm ert, die E ntgelte fü r die verschiedenen A rten w irtschaftlicher B etätigung sta n den in einem unharmonischen V erhältnis zueinander, die V erteilung der Bevölkerung au f S tadt und Land hatte durch die Zusammenballung in den Industriezentren eine unerwünschte Entw icklung genommen, die Steigerung der Macht des F inanzkapitals hatte diesem einen überm äßigen Einfluß au f die F ührung der Industrieunternehm ungen verschafft, die Entw icklung von Großbetrieben zum Scha
den von M ittel- und Kleinbetrieben begünstigt und dam it die E rhaltung eines schöpferischen, verantw ortungsfreu
digen Unternehm ertum s in F rage gestellt.
Verteilung der Bevölkerung,
der A rbeitsgelegenheiten und d er Einkom m en Von den zur Beseitigung der zutage tretenden Mängel notwendigen M aßnahm en ist ein Teil bereits eingeleitet.
Durch verstärkte F örderung der landw irtschaftlichen Sied
lung sucht m an die zu dünn besiedelten Räume a u f
zufüllen und brachliegenden A rbeitskräften eine Besehäf- tigungsmöglichkeit zu erschließen. W enn sich auch die Ansiedlung des Industriearbeiters au f dem Lande als wenig aussichtsreich herausgestellt hat, so ist doch zu hoffen, daß die Nachkommenschaft der Industriebevölke
rung durch die E inrichtung der Landhilfe und des A r
beitsdienstes wieder Gefallen an Leben und Beschäftigung auf dem Lande findet und so eine E ntlastung des stä d ti
schen Arbeitsm arktes herbeigeführt wird. W ie stark die Abwanderung vom Lande in die Industriezentren gewesen ist, zeigt Zahlentafel 1.
Z a h le n ta fe l 1 . V e r t e i l u n g d e r B e v ö l k e r u n g a u f S t a d t un d L a nd
Von der Gesamtbevölkerung wohnten in Gemeinden
mit weniger mit 2000
im Jahre als 2000 Ein und mehr
wohnern Einwohnern
o/o o/o
1 8 7 1 61 3 6
1 8 9 0 53 47
1 9 1 0 40 60
1 9 3 0 33 67
Das Wachsen der G roßstädte w ird daraus ersichtlich, daß im Jah re 1871 etwa 5 % der Bevölkerung, dagegen im Ja h re 1933: 30 % in G roßstädten m it mehr als 100 000 Einwohnern ansässig waren. D er Zustrom vom Lande zu den Industriezentren ist durch Zuzugverbote und durch die Bemühungen zur W iederherstellung der R entabilität der landw irtschaftlichen E rzeugung abgedäm mt worden.
So h at sich durch die agrarpolitischen M aßnahm en der letzten Zeit das Preisverhältnis zwischen Industrie- und Agrarerzeugnissen fü r die L andw irtschaft günstiger ge
5
staltet. Es ist von 72 im J a n u a r 1933 au f 81 im J a n u a r 1934 gestiegen.
Der landw irtschaftlichen Siedlung sind durch den be
schränkten V o rra t siedlungsfähigen Gebietes Grenzen ge
setzt. Die Siedlerstellen dürfen ein gewisses Größenmaß, das je nach K lim a und Bodenbeschaffenheit verschieden ist, nicht unterschreiten, um dem Siedler einen auskömm
lichen U n terhalt zu gewährleisten. Das Ziel harmonischer W irtschaftsgestaltung wird nicht erreicht, wenn ein Teil der Bevölkerung tro tz intensiver A rbeitsleistung nur das Allernotwendigste zum Leben zu erwerben vermag. Des
wegen besteht die Notwendigkeit, dem Kleinsiedler und seinen Fam ilienangehörigen die Gelegenheit zu gewerb
licher Nebenbeschäftigung zu geben, dam it jede Familie einen möglichst großen A nteil dessen, was die Gesamt
w irtschaft zu erzeugen vermag, f ü r sich in A nspruch nehmen kann. Dieses Ziel erfo rd ert einen neuen In d u strieverteilungsplan, der auch den Bewohnern bisher industriearm er Gegenden Gelegenheit zu gewerblicher B etätigung gibt.
Der A ufbau des industriellen E rzeugungsapparates ist im wesentlichen erst im L aufe der letzten 60 Ja h re erfolgt.
Das starke Anwachsen von Industrie, H andel und V er
kehr in diesem Zeitraum h at zu umwälzenden w irtsch aft
lichen V eränderungen und zu einer erheblichen Verschie
bung der industriellen S tandorte geführt. Die Industrien w anderten dorthin bzw. siedelten sieh dort an, wo vor
handene Bodenschätze, gute Absatzbedingungen, günstige V erkehrslage, geeignete zur V erfügung stehende A rbeits
k rä fte besonders vorteilhafte Produktionsbedingungen schufen. H ieraus ergaben sich bedeutende V eränderungen der frü h eren Siedlungsstruktur. E s bildeten sich in ein
zelnen Gebieten dichtbesiedelte Industrieprovinzen, wäh
rend andere Gebietsteile durch A bw anderung nach den Industriezentren entvölkert wurden. D aher zeigt das W irtschaftsgefüge heute recht erhebliche regionale U n ter
schiede. D er ganze K üstenstreifen und S üdbayern sind, abgesehen von den G roßstädten und H afengebieten, reine A grargebiete m it geringer Gewerbetätigkeit. Im Gegen
satz dazu sind das Land Sachsen und das Ruhrgebiet, fern er das oberschlesische Industriegebiet, Groß-Berlin und andere G roßstädte reine Industriegebiete m it n u r geringfügiger L andw irtschaft. Die übrigen Gebiete haben gem ischtw irtschaftlichen C harakter, teils überwiegt die Industrie, teils die L andw irtschaft. Die vorwiegend in
dustriellen Gebiete bilden einen zusammenhängenden, halbkreisförm igen S tre ifen ; dies sind die Rheinprovinz, W estfalen, die Regierungsbezirke H annover, Hildesheim, E rfu rt, Land Braunschweig und Thüringen. Die vor
wiegend agrarischen Gebiete bilden zwei voneinander ge
trennte G ruppen, einmal W ürttem berg, Baden, N ord
bayern und Hessen-Nassau, zum ändern Brandenburg, Regierungsbezirk M agdeburg, A nhalt und Schlesien.
Die A nhäufung der In dustrie in gewissen Gebietsteilen w ird aus den Ergebnissen der Betriebszählung ersichtlich.
Im Ja h re 1925 w ar in den Industriegebieten Rheinland, W estfalen, Berlin, Sachsen fast die H ä lfte aller in I n dustrie und H andw erk tätigen P ersonen ansässig. Im Lande Sachsen w aren fa st zwei D rittel der erw erbstätigen Bevölkerung in In d u strie und H andw erk beschäftigt, in W estfalen und Thüringen 50 % , in der Rheinprovinz und in Berlin 45 % . Das V erhältnis von landw irtschaftlicher und gewerblicher Beschäftigung ist von großem E influß a u f die Bevölkerungsdichte der betreffenden Gebietsteile.
N ach der V olkszählung vom 16. Ju n i 1933 kam en au f
1 km2 in den agrarischen Gebieten: M ecklenburg 50, P o m m ern und O stpreußen je 63 Einw ohner, dagegen in den Industriegebieten: W estfalen 249, R heinland 318 und Sachsen 347 Einwohner.
W ährend der K rise hat sieh gezeigt, daß diejenigen Ge
biete, in denen neben einer hochentwickelten In d u strie sich noch eine leistungsfähige L andw irtschaft erhalten hat, und in denen die V erbundenheit des In d u striea rb e i
ters m it der Scholle durch Eigenheim und Landbesitz er
halten geblieben ist, weit weniger u nter der A rbeitslosig
keit und ihren Folgen zu leiden hatten als diejenigen, in denen die L andw irtschaft verküm m ert und eine entw ur
zelte In d u striearbeiterschaft v erp ro letarisie rt war. Die A nhäufung der In dustrie in gewissen Gebieten h at dem
nach einen unharmonischen Z ustand herbeigeführt, der diese Gebiete besonders k risenanfällig macht. Es entsteht somit die A ufgabe, eine U m gruppierung der In d u strie in der Richtung vorzunehmen, daß ein Ausgleich zwischen industrieüberfüllten und industriearm en R äum en erfolgt.
Diese Aufgabe ist weit schwieriger zu lösen als die der landw irtschaftlichen Siedlung. D er Zweck der In d u strie
umsiedlung w ürde nicht erreicht werden, wenn m an an der einen .Stelle die F abriken ab reiß t und an einer ändern wieder aufbaut. M it der F ab rik m uß auch die Belegschaft umgesiedelt werden, da. sonst die G efahr besteht, daß an der alten Stelle die A rbeiter erwerbslos werden und an der neuen die A rbeitskräfte fehlen. F ü r den umzusiedelnden A rbeiterstam m müssen neue U nterkunftsm öglichkeiten ge
schaffen werden. I n der N ähe der neu zu errichtenden F ab rik m üßten also Ländereien zur A nlage von In d u striearbeitersiedlungen m it reichlicher L andzuteilung fü r eine landw irtschaftliche N ebenbeschäftigung bereitgestellt werden.
Nicht jeder Industriezw eig ist fü r eine Um siedlung geeig
net. Viele Industrien sind bei der W ahl ihres Standortes an solche Gegenden gebunden, wo die von ihnen verarbei
teten Rohstoffe günstig gewonnen oder bezogen werden können, wie z. B. der Bergbau, die E isenindustrie, die H olzindustrie, die Ind u strien der Steine und E rden, die Zellstoffindustrie. In ändern In dustrien, wie in der che
mischen und elektrotechnischen haben sich Riesenbetriebe entwickelt, da sieh diese B etriebsform f ü r derartige U n ter
nehmungen als besonders günstig erwiesen hat. E ine Um
siedlung w ürde in diesem F alle ungeheure K osten ver
ursachen. W ieder andere In d u strien haben sich in ihren H auptabsatzgebieten niedergelassen, wie d e r Textil-, P ap ie r- und Druckm aschinenbau in Sachsen. Auch solche Industrien wird m an nicht umsiedeln, solange sich nicht grundlegende Änderungen der A bsatzbedingungen er
geben. In solchen F ällen, wo sich eine A n h äufung der Indu strien an gewissen P u n k ten nicht verm eiden läßt, w ird die S tadtrandsiedlung das gegebene M ittel sein, um die Existenzsicherheit der A rbeitnehm erschaft zu erhöhen.
Am besten zur Um siedlung werden sich solche Industrien eignen, bei denen M assengütertransporte nicht in F rage kommen, der F rachtkostenanteil also verhältnism äßig ge
ring ist, deren Erzeugnisse dagegen ein hohes M aß mensch
licher A rb e itsk ra ft und handw erklicher Geschicklichkeit erfordern. Das trifft au f einen großen Teil der F e rtig w arenindustrie zu. U nter diesen w ären besonders zu nennen: Die T extilindustrie, die Eisen- und M etallw aren
industrien, insbesondere die H erstellung von H aus- und K üchengeräten, die H olzw arenindustrie und das Schnitz
stoffgewerbe, die P apierverarbeitungsindustrie, Teile der feinm echanischen, optischen und chemischen Industrie.
Man könnte z. B. daran denken, einen Teil der Leder
industrie nach der N ordm ark zu verpflanzen, wo der L ederanfall besonders groß ist, oder der Belegschaft der Spielw aren- und M usikinstrum entenindustrie aus ihrer Not zu helfen durch Umsiedlung in Gegenden, wo ihr durch reichlichere Landzuteilung Gelegenheit zu landw irtschaft
lichem Nebenerwerb gegeben werden kann. V oraussetzung fü r die Umsiedlung wäre vor allem, daß sich an dem neuen Ort eine gute V erkehrslage und günstige A bsatz
bedingungen vorfinden. Die Erzeugnisse der umgesiedel
ten Industrien m üßten in erster Linie zur Deckung der Bedürfnisse des neuen Heim atgebietes dienen.
Aus einer D urchprüfung der Ergebnisse der G üter
verkehrsstatistiken lassen sich Einblicke gewinnen über die w irtschaftlichen Beziehungen der einzelnen Gebiete zueinander. H ieraus w ird ersichtlich, f ü r welche W aren
gattungen die einzelnen Gebiete a u f den Bezug von aus
w ärts angewiesen sind, und fü r welche sich daher durch eine V erlegung der E rzeugungsstätten Frachtkosten vorteile ergeben würden, wobei anderseits aber auch höhere Kosten fü r den Bezug der Rohstoffe Berücksichtigung finden m üß
ten. D urch den Bau der Reichsautobahnen wird eine Verschiebung der Fraehtkostenverhältnisse herbeigeführt werden. Dieses neue Verkehrsnetz wird daher großen Einfluß au f die Entscheidungen über die Standortsw ahl der Ind u strien gewinnen und w ird bei der A ufstellung eines neuen Industrieverteilungsplanes besondere Berück
sichtigung finden müssen.
Ganz neue Gesichtspunkte und Möglichkeiten fü r die Industrieum siedlung ergeben sich aus den notwendigen Umstellungen, welche die deutsche W irtschaft vornehmen muß, um die E rzeugung der durch den Mangel an Devisen veränderten Rohstofflage anzupassen. Diese neue Lage wird sich auch au f die A rt der landw irtschaftlichen E r zeugung auswirken, da je tzt ein Teil der bisher vornebm- lichlieh aus dem Auslande bezogenen Rohstoffe landw irt
schaftlicher H erk u n ft, wie G espinstfasern, Ölfrüchte, eiweißhaltige F u tterm ittel u. dgl., vom Inlande aufgebracht werden muß. Diese V erlagerung der Bezugsquellen f ü r Rohstoffe, welche aus der Landw irtschaft gewonnen wer
den, fü h rt fü r die solche Rohstoffe verarbeitenden In d u strien zu einschneidenden V eränderungen der Rohstoff
bezugsbedingungen. W a r bisher fü r die Standortsw ahl die Lage an den nach dem Auslande führenden H a u p t
verkehrswegen ausschlaggebend, so wird jetzt die N ieder
lassung inm itten der H aupterzeugungsgebiete des Inlandes zur Notwendigkeit. Mag vielleicht auch in dem einen oder ändern F alle die E rw eiterung bereits bestehender Betriebe privatw irtschaftlich vorteilhafter erscheinen, so müssen doch bei der Neuordnung der W irtschaft die volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten den entscheidenden Ausschlag geben.
Auch bei der übrigen erforderlich gewordenen Umstellung der industriellen F ertig u n g infolge der Loslösung von der ausländischen Rohstoffgrundlage müssen nationalw irt- sehaftliche Gesichtspunkte im V ordergründe stehen. So
weit es sich um die intensive A usbeutung der Boden
schätze handelt, ist der S tandort der aufbereitenden In d u strien Im allgemeinen durch den F u n d o rt eindeutig be
stimmt. Soweit es sich jedoch um eine Steigerung der heimischen Rohstofferzeugung durch -die Ausnutzung neuer V erfahren zur H erstellung von Ersatzstoffen han
delt, ist die F ra g e sehr ernsthaft zu prüfen, wieweit die E rrich tu n g neuer E rzeugungsstätten in den P lan zu einer gleichm äßigeren V erteilung der Industrie über das ganze
Reichsgebiet eingegliedert werden kann. Die private Initiative braucht zur D urchführung des gew altigen Um
stellungswerkes F örderung und Schutz von seiten des Staates, da ihre durch Inflation und W irtschaftskrise ge
schwächte K ra ft sonst dieser Aufgabe nicht gewachsen ist. Durch kredit- und handelspolitische Maßnahmen müssen ih r die Mittel zur D urchführung der erforderlichen Investitionen und die Sicherheit gegeben werden, daß nicht nach kurzer Zeit die neu errichteten Anlagen durch ungehemmte W iedereinführung der ausländischen Roh
stoffe wertlos werden. W eit m ehr als frü h e r m uß der S taat in dieser Zeit umwälzender W irtschaftsvorgänge die w irtschaftliche Entw icklung überwachen, lenken und regeln, da, wie die Entw icklung in der vergangenen Epoche gezeigt hat, das liberal-kapitalistische W irtsch afts
system nicht eine harmonische W irtschaftsgestaltung her
beizuführen vermag. So notwendig privater U nterneh
mungsgeist ist, um die akut gewordene Rohstoffkrise schnell zu überwinden, so wichtig ist anderseits die A u f
gabe des Staates, d afü r zu sorgen, daß die w irtschaft
liche Entw icklung sich in solchen Bahnen vollzieht, daß ein lebenskräftiger W irtschaftsorganism us entsteht.
Entsprechend der stark voneinander abweichenden w irt
schaftlichen Entwicklung der einzelnen Gebiete ist auch die Einkomm ensverteilung innerhalb des deutschen Reichs
gebietes recht uneinheitlich. Das S tatistische Reichsamt h at aus einer Reihe von Einzelstatistiken das Volks
einkommen errechnet. W enn auch die gefundenen Zahlen nur mit einigen Vorbehalten verwendet werden können, so geben sie doch ein angenähertes Bild vom W ohlstands
niveau und bei einem Vergleich m it der Vorkriegszeit von der W ohlstandsentw icklung der einzelnen Gebiete.
Z a h le n ta fe l 2.
V o l k s e i n k o m m e n je K o p f d e r B e v ö l k e r u n g
G e b i e t In M bzw. RM In % des
Reichsdurchschnitts
1913* 1928 1913* 1928
O s t p r e u ß e n ... 4 8 6 8 1 4 6 3 ,4 6 8 ,7 B erlin -B ra n d en b u rg 1 0 5 8 1 5 6 6 1 3 8 ,1 1 3 2 ,2 P o m m e r n ... 5 7 6 9 2 1 7 5 ,2 7 7 ,7 S c h l e s i e n ... 6 0 3 9 9 3 7 8 ,7 8 3 ,8 P ro v in z S a c h se n . . . . 7 0 0 1 1 5 5 9 1 ,4 9 7 ,5 S c h le sw ig -H o lste in . . . 7 6 3 1 1 6 4 9 9 ,6 9 8 ,2 H a n n o v e r ... 6 9 7 1 0 6 9 9 1 ,0 9 0 ,2 W e s t f a l e n ... 7 3 5 1 0 8 0 9 6 ,0 9 1 ,1 H e s s e n - N a s s a u ... 8 9 9 1 2 2 6 1 1 7 ,4 1 0 3 ,5
R h ein p ro v in z . . . 8 3 2 1 2 1 8 1 0 8 ,6 1 0 2 ,8
B a y e r n ... 6 2 9 1 0 4 1 82,1 8 7 ,8 S a ch sen ... 8 9 7 1 4 2 3 1 1 7 ,1 1 2 0 ,1
W ü rttem b erg . . . . 6 7 2 1 1 8 3 8 7 ,7 9 9 ,8
B a d en ... 7 1 0 1 1 3 5 9 2 ,7 9 5 ,8 T h ü rin g en ... t 1 0 9 5 t 9 2 ,4 H e s s e n ... 6 4 2 1 1 5 8 8 3 ,8 9 7 ,7 H a m b u r g ... 1 3 1 3 1 7 5 4 1 7 1 .4 1 4 8 ,0 D e u tsc h e s R eich . . 7 6 6 1 1 8 5 1 0 0 ,0 1 0 0 ,0
* Jetziges Gebiet f Nicht festzustellen
Aus der regionalen Verteilung des Volkseinkommens lassen sich Schlüsse ziehen au f den W irtschaftserfolg der Gebietsteile und au f ihre Konsum fähigkeit. So ist das Bild von der V erteilung des Volkseinkommens ein S pie
gelbild des gesamten W irtschaftsaufbaues.
Zahlentafel 2 zeigt, daß vor allem in den Gebieten, in denen Industrie und L andw irtschaft in einem harm oni
schen V erhältnis zueinander stehen, der W ohlstand sich gehoben hat. W enn die Zahlen der rein industriellen Ge
biete höhere W erte aufweisen, so ist dabei zu berück
7
sichtigen, daß sie eine sinkende Tendenz haben, daß im Ja h re 1928 die K o n ju n k tu r ihren H öhepunkt erreichte, und daß gerade diese Gebiete während der K rise die größte A rbeitslosigkeit und dam it auch den schärfsten Rückgang des Volkseinkommens au f wiesen. In ihnen unterliegt daher das Volkseinkommen entsprechend der K o n ju n k tu r
entwicklung heftigen Schwankungen, w ährend es in ge
m ischtw irtschaftlichen Bezirken eine weit größere S tabi
litä t zeigt. Die A uswirkung der K rise au f die A rbeits
losigkeit in den einzelnen Bezirken zeigt Zahlentafel 3.
Z a h le n ta fe l 3 . Z a h l d e r ö f f e n t l i c h e H i l f e in A n s p r u c h n e h m e n d e n E r w e r b s l o s e n
(U n te rstü tzu n g aus d e r A rb e its lo s e n v e rs ic h e ru n g , K risen- und W o h lfa h rts fü rs o rg e ) je 1000 E in w o h n e r im Jan uar 1932
A rb eitsa m tsb ezirk O s t p r e u ß e n ... 50
„ S c h l e s i e n ... 90
„ B r a n d e n b u r g ... 106
„ P o m m e r n ... 64
„ N ord m a r k ... 87
„ N i e d e r s a c h s e n ... 77
W e s t f a l e n ...88
„ R h e i n l a n d ...89
„ H e s s e n ... 79
„ M itte ld e u ts c h la n d ...87
„ S a c h s e n ...119
„ B a y e r n ...63
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R e i c h s d u r c h s c h n i t t ...83 Besonders hoch ist die Zahl der U nterstützten in Berlin- B randenburg und Sachsen. Da die Arbeitsam tsbezirke verhältnism äßig groß sind und zum Teil Gebietsabsehnitte verschiedenartiger w irtschaftlicher S tru k tu r umfassen, treten die K ontraste nicht so scharf hervor. So werden die Ergebnisse der N ordm ark durch die starke A rbeits
losigkeit in H am burg beeinflußt, diejenigen Schlesiens durch das obersehlesisehe Industriegebiet, während die A rbeitslosigkeit im rheinisch-westfälischen Industriegebiet durch die V erteilung au f Rheinland und W estfalen nicht so stark in Erscheinung tritt. Eine erhebliche Abweichung zeigt Südwestdeutschland, das trotz um fangreicher I n dustrialisierung ebenso günstige Arbeitslosenziffern zeigt wie die rein agrarischen Gebiete. H ieraus wird die K risenfestigkeit der südwestdeutschen W irtschaftsverfas
sung ersichtlich.
E ntsprechend dem niedrigen W ert des durchschnittlichen Volkseinkommens in den reinen A grargebieten ist auch die V erteilung der Steuerpflichtigen und des Einkom mens a u f die Einkom m enstufen eine wesentlich andere als in rein industriellen Gebieten und im Reichsdurchschnitt
(Zahlentafel 4).
Z a h le n ta fe l 4 . E i n k o m m e n s c h i c h t u n g im J a h r e 1 9 2 8
Einkommenstufen
Pflichtige ( Einkommen
in % der Gesamtsumme Ost
preußen Sach
sen Deut
sches Reich
Ost
preußen Sach
sen Deut.
sches Reich
b is 1 2 0 0 RM 76,2 55,0 57,8 51,2 26,3 29,1
ü b e r 1 2 0 0 b is 3 0 0 0 RM 17,7 34,9 30,8 21,8 35,3 32,6
„ 3 0 0 0 „ 5 0 0 0 „ 3,7 6,2 6,4 10,8 13,1 14,0
„ 5 0 0 0 „ 8 0 0 0 „ 1,6 2,4 2,5 7,6 8,1 8,9
* 8 0 0 0 „ 12000 „ 0,5 0,7 0,8 3,4 4,1 4,5
über 1 2 0 0 0 RM 0,3 0,8 0,7 5,2 13,1 10,9
Mehr als drei V iertel der Pflichtigen und mehr als die H ä lfte des Gesamteinkommens entfällt demnach in O st
p reußen au f die unterste Einkomm enstufe. Die Einkom mensverhältnisse und die K onsum fähigkeit sind demnach in agrarischen Gebieten wesentlich schlechter als in I n
d u s t r ie g e b ie t e n u n d im R e ie h s d u r c h s c h n itt. Z u m T e il i*
d ie se E r s c h e in u n g a u f d ie u n g ü n s t ig e E n t w ic k lu n g d er P r e is b e z ie h u n g z w is c h e n A g r a r - u n d I n d u s t r ie e r z e u g n is s e n z u r ü c k z u fü h r e n . W ie j e d o c h d ie r e g io n a le E i n k o m m e n s v e r te ilu n g v o m J a h r e 1913 z e ig t , h a tt e n a u ch d a m a ls t r o tz b e s s e r a u s g e g lic h e n e r P r e i s Verhältnisse d ie A g r a r b e z ir k e e in r e c h t n ie d r ig e s W o h ls t a n d s n iv e a u . Es ergibt sich somit fü r die reinen Industriebezirke eine große K risenanfälligkeit und fü r die reinen A grarbezirke eine ungünstige Einkom m ensgestaltung. Als günstigste W irtschaftsverfassung ist die der gem ischtw irtschaft
lichen Bezirke anzusprechen und u nter diesen wieder die südwestdeutsche. Die Ursache fü r diese V erhältnisse ist darin zu sehen, daß in den gem ischtw irtschaftlichen Be
zirken und besonders in Südwestdeutschland den Bewoh
nern ein H öchstm aß von Erw erbsm öglichkeiten geboten wird. Den Industriearbeiterfam ilien ist Gelegenheit zu land
w irtschaftlicher, den L andw irtsfam ilien zu gewerblicher N ebenbeschäftigung gegeben. W as der Indu striearb eiter zum L ebensunterhalt braucht, erzeugt er zum Teil selbst.
E r kann daher einen weit g rößeren Teil seines gewerblichen Einkommens fü r nicht unbedingt lebensnotwendige Be
dürfnisse ausgeben als der n u r a u f seinen Lohn ange
wiesene Industriearbeiter. Der L andw irt anderseits, der allein oder mit seiner Fam ilie in der In d u strie einen Neben
verdienst findet, h at gleichfalls m ehr M ittel f ü r den A n
k au f von Industrieerzeugnissen zur V erfügung als der Landw irt, der n u r au f den E rtra g seines Bodens ange
wiesen ist. In K risenzeiten erleichtert eigener Grundbesitz den Übergang zur K urzarbeit (Südw estdeutschland wies während der K rise den höchsten A nteil K u rzarb eiter auf) und e rsp a rt ihm die Inanspruchnahm e öffentlicher H ilfe.
Die südwestdeutsche W irtschaftsverfassung h at durch ihre Bewährung w ährend der K rise ihre E ignung erwiesen, als V orbild f ü r die U m gestaltung der W irtschaftsverhältnisse in ändern Gebieten zu dienen. Sie kann jedoch n u r allge
meine Richtlinien fü r diese N eugestaltung geben, denn Klim a und Bodenbeschaffenheit, vorhandene Bodenschätze und Energiequellen, Verkehrslage, E igenarten und über
lieferte F ertigkeiten der Bevölkerung üben einen großen Einfluß au f die W irtschaftsgestaltung aus. Neben der guten Mischung industrieller und landw irtschaftlicher B eschäftigung sind vorbildliche E igentüm lichkeiten der südwestdeutschen W irtsch a ft die lockere W ohnweise der Bevölkerung und die Streulage der In d u strie, das F est
halten der Industriebevölkerung an eigenem Grundbesitz und die V ielfältigkeit der landw irtschaftlichen und indu
striellen Erzeugung, welche m annigfache Erw erbsm öglich
keiten schafft und Ausgleichsgelegenheiten bei schlechter Lage einzelner Erwerbzweige enthält. U nter allen deut
schen W irtschaftsgebieten kommt die süd westdeutsche W irtschaft dem Ideal einer harm onischen W irtsch a fts
gestaltung am nächsten.
D er w irts c h a fte n d e M ensch in d er neuen W irtschaftsordnung
D urch den L eitsatz „G em einnutz geht vor E igen n u tz“ ist der w irtschaftlichen B etätigung eine neue R ichtung ge
wiesen worden. D er E igennutz soll nicht m ehr allein oder ausschlaggebend das H andeln des w irtschaftenden M en
schen bestimmen. N u r d ie je n ig e n L e is tu n g e n w er d e n a ls w e r tv o ll e r a c h te t, d ie g e e ig n e t sin d , au ch d as W ohl d er G e sa m th eit zu fö rd ern . Jede w irtschaftliche Tätigkeit, die ihren Nutzen aus der Schädigung anderer zieht, ist verwerflich. Der Satz „Gem einnutz geht vor E ig en