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erade stehe ich am Bullauge meiner K abine und schaue auf das in der Morgensonne glänzende, große Meer, schaue, was es Neues und was es für W etter gibt, wie ein kleiner Rentner, der sonst keine Sorgen hat. A n der hereinströmenden K ühle merkt man, daß w ir uns langsam in den W inter der nörd­

lichen H albkugel hinauf arbeiten; morgen vielleicht schon wird man den weißen A nzug m it den W inter­

sachen vertauschen dürfen, aber heut strahlt der Tag noch einmal wie je in den Tropen.

Der Sonnenaufgang, den ich sonst täglich zu beob­

achten pflege, ist verschlafen, die Uhr zeigt fast sieben.

Die K üste Afrikas, die dort drüben liegt, ist auch schon verschwunden.

Ja, gestern, denke ich träum end und noch ganz verschlafen, da war ein großer T a g ! Umschlossen von den W orten A frik a und D akar! . . . Aber heute? — W as wird es heute schon Neues geben ?

N ic h ts! — D raußen wieder nur Himmel und Wasser, das grünliche W asser dieser Gegenden, nach dem K ap Verde seinen Nam en zu haben scheint, immer derselbe meist leere H orizont; ein auftauchendes Schiff ist jedesmal fast Sensation, ganze Gruppen von

Passa-167

gieren stehen an D eck und reichen die Ferngläser reih­

um. — D azu das „Leben an B ord “ , dieselben, bisher übrigens recht guten Mahlzeiten, seit gestern „b e­

reichert“ um einen K opfsalat aus D akar, dem die Tropensonne die Zähigkeit von Stroh und den Ge­

schmack von Roßkastanien verliehen hat, und diesel­

ben U nterhaltungen m it denselben Deuten den lieben langen Tag. Der reiche Portugiese aus Lissabon hat mir mindestens schon fünfm al von der deutschen Dame erzählt, die besser Portugiesisch sprach als die Portu­

giesen selbst und darum Universitätsprofessorin wurde

— wahrscheinlich war er mal schrecklich verhebt in sie. — Gegen 6 Uhr abends, wenn die Sonne schräg hinter Backbord ins Meer taucht, dann dasselbe täg­

liche Bordspiel mit dem deutschen Artisten und dem polnischen Komm issär; der Pole w irft die Gummi­

scheiben immer am besten in die numerierten Felder des H olzbretts, dann kommen abwechselnd der Artist und ich. — N icht einmal ein interessanter Bordklatsch gedeiht auf diesem vertrackten Kasten, es sind ja auch gar keine Damen da, über die es sich lohnte zu klatschen, denn die wenigen vorhandenen erreichen ein Gesam talter von gut iooo Jahren, und die beiden einzigen weiblichen Wesen, die in einem interessante­

ren A lter standen, jene beiden Tänzerinnen, die wir in Pernambuko an Bord bekamen, sind in D akar aus­

gestiegen, und die trieben es sehr eindeutig — übrigens habe ich noch immer nicht den Mut besessen zu fragen, wie hoch ihre Tarife waren . . .

D as heißt man also Seefahren, und das geht nun wieder volle vier T age so, frühestens am Freitag können wir in Casablanca s e in lieber Himmel, was für Entfernungen, beinahe erschreckend! E in Ge­

fühl von Eangeweile beschleicht mich, von Reise­

müdigkeit.

Aber wie immer, wenn m an gar nichts erwartet und gänzlich ahnungslos ist, passiert etwas.

Plötzlich läß t ein E tw as mich aufhorchen. W as ist ? Stoppt die Maschine ?

Gleich darauf tram peln schwere Matrosenstiefel schnell das untere Promenadendeck über mir entlang, der K apitän, dessen Stim m e über das ganze Schiff weg zu hören ist, ruft etwas Französisches, das ich nicht verstehen kann — ich beuge mich ganz w eit zur Luke hinaus, zu sehen ist nichts, nur das Wasser drunten quirlt immer langsamer an der Bordwand entlang.

W ir halten ? M itten auf dem O zean? W as ist das?

W as geht vor ?

A u f den Schiffen, die den tropischen A tlan tik kreuzen, spricht m an noch viel vom U ntergang der

„Prinzipessa M afalda“ , drüben vor Bahia, und nicht weniger von dem erst ein paar W ochen zurückhegen­

den der „V estris“ , vor der nordamerikanischen Küste.

Ich muß an den Morgen denken, da unser braver, aber altmodischer Dam pfer plötzlich so starke Schlagseite hatte, weil in der N ach t die Kohlenbunker ungleich­

m äßig geleert worden waren.

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Also schnell in den Bademantel hinein und an D e c k ! Als ich droben bin, bemerke ich, daß ich das Fernglas in der H and halte.

D as D eck ist leer, hier und da huscht jem and von der Schiffsbesatzung um die Ecken.

„M ann über B ord !“ sagt da plötzlich irgendwer in irgendeiner Sprache. W ahrhaftig! Steuerbord achtern ist die W ache schon dam it beschäftigt, ein B oot ins Wasser zu lassen. E s geht etwas nervös dabei zu.

Ich suche mit dem Glas. D ie Spur des Dampfers, der einen scharfen Bogen beschrieben hat, zeichnet sich deutlich im W asser ab, sonst ist nichts zu sehen.

W arum sie keine Rauchentw ickler ausgeworfen haben mögen, um die Unfallstelle zu markieren — es sind doch genug an Bord ?

Die Deute hinten klettern an einer Strickleiter ins B oot hinunter, stoßen ab, nehmen Richtung. Man sieht, daß sie ihrer Sache vollkom m en sicher sind.

W elch Glück für den Mann übrigens, daß das Meer so ruhig ist. W ie lange werden sie brauchen, um ihn herauszuziehen ? W ird er so lange schwimmen können ? D a komm t auch schon unser ältlicher, behäbiger Schiffsarzt angestiefelt, sichtlich auf alles vorbereitet.

Brav. Auch Passagiere erscheinen nach und nach, mit fragenden und ungewaschenen Gesichtern. Die Decks füllen sich. W ir warten.

„E in Seemann ist es“ , wissen die Stewards, die auch herumstehen. D as B oot drüben sucht das W asser kreuz und quer ab, rudert Kreis um Kreis, entfernt sich

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langsam immer mehr. Die Minuten, die jetzt so kostbar sind und doppelt uneinbringlich, verrinnen, eine nach der ändern, ziehen vorbei, zu Ew igkeiten zerdehnt — und vergeblich, erfolglos. W ir, die wir untätig dabei­

stehen müssen, fiebern vor Ungeduld. „ E s wird einem ganz schlecht vor lauter W arten“ , sagt die dicke Frau des deutschen A rtisten in ihrer naiven Weise. Jetzt entdecke ich m it dem Glas, nahe beim Boot, einen R ettungsring auf dem W asser — er ist leer.

Der spanische Assistenzarzt komm t herzu: „N ein, es ist keiner von der Besatzung, sondern ein Spanier aus der dritten K lasse; vorn am B ug geschah es, ein Matrose, der das Promenadendeck aufwusch, sah den Mann am Schiff entlang treiben und schlug Alarm ; er schwamm nicht, rief auch nicht um Hilfe, sondern lag bewegungslos auf dem R ücken.“

A u f einmal wissen alle etwas von dem Verunglück­

ten, Ausrufe des Mitleids schwirren reichlich.

„E in so junger Mensch! E rst 36 Jahre war er a lt!“

„U nd ganz arm, ohne Geld, und lungenkrank noch dazu!“

„Sam m eln wir für ihn ?“

„N ein, er w ar nicht so a rm ; er hat einem Eandsmann xoo Peseten zur Aufbewahrung übergeben, erst vo r­

gestern . . .“

„A b er etw as geistesgestört scheint er gewesen zu sein; er soll die ganzen N ächte auf dem H interdeck in einer H ängem atte gelegen und geweint haben . . .“

„Nervenzusam m enbruch

„A ch wo, Liebeskum m er! Seine F rau ist ihm in San- tos mit einem ändern durchgebrannt, deshalb fuhr er wieder nach H aus . .

„Merkwürdig, immer die W eiber . .

A lle debattieren über die Frage: Selbstmord oder Unglücksfall.

„W enn es schon ein Selbstmordversuch gewesen sein soll: warum sprang er dann nicht in der N ach t über Bord, hinten bei seiner H ängem atte, sondern ausge­

rechnet am hellen Morgen, vorn, wo es unbedingt sofort bem erkt werden m ußte ?“ fragt ein ganz Skeptischer.

„ J a , da stim m t was nicht. Vielleicht ta t er es von vornherein in der Absicht, gleich wieder aufgefischt zu werden.“

E in anderer: „U n d der ungetreuen, aber geliebten Frau gegenüber ist er dann der M ärtyrer, der durch des Schicksals wundervolle Fügung doch m it dem Leben davonkam . . . Wenn das keinen Eindruck auf die Aus­

reißerin m a c h t. . .“

Und ein Ungeduldiger sagt: „A b er hoffentlich finden sie ihn nun bald, ehe es zu spät ist.“

Beklommenes Schweigen. Minutenlang. Alles schaut zum B oot hinüber.

„E s werden doch keine H aie in der Nähe sein?“ fragt jemand grundlos und nur, um etwas zu sagen.

„N ein, hier gibt es gar keine“ , versichert einer aufs Geratewohl und von Sachkenntnis offenbar nicht weiter getrübt. — „U nd außerdem “ , weiß ein D ritter zu berich­

ten, „greift der H ai nie einen lebenden Menschen an, 172

nichts, was sich noch bew egt.“ Und er nennt denNamen irgendeines europäischen Professors, der sich erboten hat, diese Theorie zu beweisen und soundso lange in einem W asser zu baden, in dem es H aie gibt.

W ir warten weiter. D ie Gespräche sind wieder ver­

siegt. Irgendwer h at eine U hr dabei und schaut nach der Zeit. D reiviertel a c h t!!

Ja, dann lebt er wohl kaum mehr, der arme Kerl. D a bringen sie auch schon seine Sachen aus dem Zwischen­

deck nach der Zahlmeisterei, wenig ist es, sehr wenig;

ein Sack, ein Bündel K leider . . .

„A ber die Deiche werden sie doch wohl wenigstens imstande sein zu b ergen?“

Man scheint auch das auf gegeben zu haben. D as Boot drüben wendet, nimmt K u rs auf den Dampfer. Die Wellen, die unsern schwerbeladenen ioooo-Tonner um keinen Zentim eter zu heben vermögen, machen der Nußschale merklich zu schaffen. Uebhaft tanzend ar­

beitet sie sich näher, da plötzlich eine Bewegung unter den gleichm äßig rudernden Deuten, einige drehen sich um, schauen nach vorn, der Offizier am Steuer erhebt sich sogar einen Augenblick, — und gleich darauf strebt das Boot, m it voller K ra ft gerudert, hinter dem H eck des Dam pfers vorbei auf die Backbordseite:

„S ie haben ihn gesehen! . . . E n dlich !“

N un ist das B oot drüben, m an denkt, es wird halten, aber es fäh rt wieder suchend und ziellos im Kreise. Bei uns drängt alles nach drüben, reckt die Hälse, hebt die Gläser, will suchen helfen.

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A ber der erfahrene Schiffsarzt, der ganz oben bei der Funkerkabine gestanden hat, komm t herab und schüt­

telt den K opf:

„O nein, — was die im B oot gesehen haben, war nicht der Spanier, wie sie glaubten, sondern — der Rücken eines auftauchenden Haifisches.

Und der K apitän bestätigt es, von der Komm ando­

brücke herab:

„E in ungewöhnlich großer H ai, etw a sieben Meter war er la n g !!“

Sein volles Gesicht m it dem englischen Schnurrbart verschwindet wieder, wir starren noch hinauf, um einen Schatten blasser geworden.

D as Rettungsboot fährt noch ein wenig hin und her, m it sichtlich ersterbendem Eifer, komm t dann längsseits.

Die Deute klettern ermüdet an Bord, winden es hoch.

Alle Augen und alle Gläser richten sich noch einmal nach draußen, über das Wasser.

Deer liegt der A tlantik, eine scharf begrenzte Scheibe unter einem wolkenlosen Himmel, leicht wogend im Passat.

„W o mögen wir denn wohl sein ?“ fragt jemand mit etwas ratlosem B lick sich abwendend von dieser grün­

lichen Unendlichkeit.

Die Antw ort, die kurz darauf von einem gebracht wurde, der über gute Beziehungen zur Kommando­

brücke verfügte, war merkwürdig:

„F a s t genau auf dem Schnittpunkt des 17. Grads westlicher Dänge mit dem 17. Grad nördlicher Breite!“

„U n d wir haben den 17. D ezem ber!“ platzte ich ver­

blüfft heraus. W ir sehen uns an, von etwas Unheim­

lichem berührt, und alle gehen davon m it Gesichtern, als wüßten sie nicht recht, was sie nun noch sagen oder tun sollen, als werde dieser Moment ihr ganzes Ueben hindurch dauern.

Irgendwer will, auf dem Hinterdeck, im Augenblick des Alarm s, einen furchtbaren Schrei gehört haben, dicht hinter dem Schiff. W as mag sich dort im Wasser abgespielt haben, über den 2000 Metern Tiefe ? Nur die M ütze des Unglücklichen hat m an gefunden, und die leeren Rettungsringe, sonst nichts, gar nichts . . .

Der H ai, — der H a i . . .

Die Schrauben setzen an und beginnen wieder zu mahlen, wie seit W ochen schon. —

A ls ich in meine K abine hinunterkomme, um mich endlich anzuziehen, läß t der eine der französischen Unteroffiziere, die in D akar an Bord gekommen sind, bereits wieder eine amerikanische J azzplatte auf seinem Grammophon lau fe n ; der ganze Gang, an den offenen Kabinentüren vorbei, ist erfüllt von den fröhlich plärrenden Negersynkopen.

Gem ütsroheit ? — Keineswegs. — E r hat das gelbe Fieber gehabt, der Mann, sein ausgehöhltes Gesicht ist von einem schauerlich bläulichen W eiß, ein Wunder, daß er davonkam , — „und wer dann noch lebt, der

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jauchzt und darf sich seines Lebens freun“ , zitiere ich mir einen Vers von H ofm an n sth al. . . Man soll ihm sein Grammophonspiel gönnen.

W ir ändern sind nicht so entschlossen wie dieser, der schon weiß, was Sterben ist. W ir reden stunden­

lang über den F all hin und her, nur jene brasilianisch­

portugiesische Familie, die in Pernambuko eingestiegen ist, V ater, M utter und zwei kleine Kinder, nimmt an nichts teil, wie unfähig zu allen menschlichen Regun­

gen. Die junge Frau liegt meist, m it Fieber, hinge­

streckt in der halb offenen K abine; der etw a 30jährige Mann, lang, hager, salopp bekleidet m it Pantoffeln und einem mißfarbenen P yjam a, an jeder H and eins von den ebenso nachlässig angetanen Kindern haltend, be­

wegt sich ruhelos und wankend, von einer schatten­

haften Stille und Schweigsamkeit wie eingemauert, im Schiff umher, meist in der schlechten D uft unter Deck.

Alle haben, zu ihrer furchteinflößenden Apathie, eine Gesichtsfarbe wie vergilbtes Zeitungspapier, die Kinder zudem noch grauenhaft ausgestorbene, leere und tief­

liegende Augen, niemand w agt zu fragen, in welcher Gegend Am erikas sie vom Tropenklima derart zuge­

richtet worden sind. B rst, als es an der marokkanischen K üste kühler wurde, lebten die vier ein wenig auf, wobei sich zeigte, daß der V ater seinen Kindern — darin allen südamerikanischen V ätern sehr ähnlich — nichts, aber auch gar nichts verweigern konnte: der etwa vierjährige Junge kam eines M ittags auf die Idee, die Nachtischzigarette des V aters zu Ende rauchen zu

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wollen, — und er bekam sie, nicht nur dies eine Mal, sondern des öfteren!

A ber an jenem Tage hatte der V ater sich die allge­

meine Sym pathie durch seine Affenliebe noch nicht verscherzt, und so nimmt es niemand übel, daß er in seiner gespensterhaften A rt stumm vorbeigleitet an der D ebatte darüber, wie es geschehen konnte, daß man von dem Verunglückten so gar nichts mehr gefunden hat, ob es vielleicht nicht nur einer, sondern mehrere H aie waren. W om öglich folgten sie dem Schiff schon seit Tagen ? Deise schaudert man bei dem Gedanken, was alles unter der W asseroberfläche, deren Deere einen immer förmlich angähnt, sein W esen treibt. —

Endlich aber, nach Stunden, sind alle wieder in ihren A lltag zurückgeglitten, der Schreck des Debendigen vor der Jähheit des Sterbens ist nicht mehr, die Sache ist zur banalen Sensation zerquatscht, sozusagen reif für die Zeitung, und der spanische Assistent schreibt ein langes Protokoll für seine Behörden in Vigo, mit einer H andschrift, deren Rasselosigkeit in gar keinem Verhältnis steht zu seinem so gut geschnittenen Schä­

del. E r vergißt weder den Nam en des Seemanns, der zuerst A larm schlug, noch die Zahl der Deute, mit denen das R ettungsboot bem annt war, und all der K latsch, der sich in der dritten K lasse wegen des sonderbaren Benehmens des Spaniers gebildet hatte, wird von ihm wie auf Stecknadeln aufgespießt. D ann liest er sein E lab orat feierlich überall vor mit dem Stolz eines D ich ­ ters auf sein W erk.

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Das Mitanhören, und es gar noch, der leidigen H öf­

lichkeit halber, für gut befinden müssen, ist bitter, — nein, es ist einfach deprimierend, mehr noch, als der F all selbst. O heiliger Bürokratius, denke ich mir, das heißt wahrhaftig das lebendige Geschehen in steinerne Knöpfe ausmünzen und sie wie Murmeln durcheinander­

werfen, oder eine Drahtpuppe daraus machen, die vor Steifheit nicht stehen kann! D as heißt des Menschen B lu t und Schicksal, seinen W illen und seine Verzweif­

lung durch eine papierene K arikatur verhöhnen, durch die Spottgeburt von Sätzen und Feststellungen, deren jede unantastbar richtig und eben dadurch völlig falsch ist! Aber es scheint doch keine N ation, keine Mensch­

heit, kein Zeitalter zu geben, das dem Stum pfsinn der

„Protokolle“ zu entgehen vermag, und man beschuldigt unsere deutschen Beam ten daheim zu U nrecht als alleinige A ttentäter gegen den Sinn des Lebens. Mit der ersten Verewigung eines Seienden, eines Geschehe­

nen durch geschriebene Zeichen warst du da, unsterb­

licher Bürokratius . . . Der K oran verbot die Bilder,

— warum kam kein Religionsstifter auf den Gedanken, das — Schreiben zu verbieten ? —

Diesen Abend fällt das Bordspiel glücklicherweise aus, die beiden ändern sind doch noch nicht so weit er­

holt, daß sie daran gedacht hätten; also kann ich um­

herwandern und meinen Gedanken nachhängen. Am besten gefallen mir heut unsere Polopferde auf dem V orderdeck, die aus ihren Verschlagen herausschauend am Heu zupfen, als gäbe es keine Ozeane und keine

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Haie auf der W elt, sondern nur Pferde und H eu und allenfalls noch Polo.

Der eine der Pferdewärter, der jüngste, ein Bursch mit rotem Schopf, kom m t von drunten herauf. Sein Tagewerk ist getan, und er stopft sich, m it der genuß­

süchtigen U m ständlichkeit des Engländers, die Pfeife.

Der wird nicht gleich wieder vondem U nglück zu reden anfangen, er h at die unsentimentale Entschlossenheit tatkräftiger Deute, das Vergangene vergangen sein zu lassen, denke ich mir und gehe ihm entgegen.

W ir schauen zusammen aufs W asser und reden dazu bisweüen ein paar W orte. Im W esten stehen ein oder zwei Dam pfer, sehr fern, halb vom H orizont verdeckt;

man sieht von ihnen nur die Aufbauten, Schlote und Masten über den Horizont ragen; wir sind in einer be­

fahreneren Gegend des Ozeans als bisher, denn auch der ganze Verkehr nach A frika kom m t hier vorbei.

Dann w eist er auf die schön beleuchtete Silhouette eines Seglers im Osten. Langsam sinkt die Sonne in wolken­

loser K larheit, sie scheint nicht hinter dem Meer nieder­

zutauchen, sondern m itten ins W asser hinein. Der N ordostpassat haucht immer kühler, gemächliche W ellenreihen vor sich hertreibend. Drüben, wo A frika sein muß, b litzt pünktlich mit dem Verschwinden der Sonne ein Leuchtfeuer auf, K a p Blanco wahrscheinlich, D unkelheit streicht von dorther mit einer sachten Gew altsam keit über die W asser, während im W esten das flirrende H ellgelb der Atmosphäre allmählich ver­

blaßt. A ll das vollzieht sich m it einer so abseitigen,

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großen, stillen Ruhe und mit einer so unbeirrbaren Selbstgenügsamkeit, lediglich um seiner selbst willen, als ein sanfter und hoheitsvoller Zw ang und ohne Rücksicht auf jedes andere Geschehen . . .

Ranges Schweigen zwischen uns. Die scharfen Augen des Engländers suchen das Meer hinter dem Schiff ab, ich errate wonach, aber ich habe vergessen, was H ai­

fisch auf englisch heißt. E ndlich kann ich die Neugier doch nicht mehr unterdrücken und frage. „S h a rk “ , erwidert er mit freundlicher Einsilbigkeit.

W ieder lange Pause. Unsere E ntrevue ist offenbar zu Ende, noch eine halbe Minute, dann werden wir mit leichtem Kopfnicken auseinandergehen.

A ber da merke ich, daß er sich noch über das Unglück auszulassen gedenkt, es beschäftigt ihn sehr, und ich warte.

E r schaut an seinem Pfeifenkopf vorbei ins Leere.

„Y es, — he was eaten b y the shark“ , stößt er nach einer W eile zwischen den Zähnen hervor, langsam und nachdenklich, als Feststellung und Abschluß zugleich.

Mehr weiß er nicht zu sagen über den Fall. Aber in diesem Satz hat er m it der, einfachen N aturen häufig eigenen, unheimlichen Ausdruckskraft die ganze Ge­

schichte von jenem Spanier, ihre grausam tatsächliche 1 ragik und ihre banale Unwesentlichkeit, den letzten Schrei aller leidenden K reatur und sein echoloses V er­

schichte von jenem Spanier, ihre grausam tatsächliche 1 ragik und ihre banale Unwesentlichkeit, den letzten Schrei aller leidenden K reatur und sein echoloses V er­