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Chr. Fr. D. Schubarts Gedichte : historisch-kritische Ausgabe : mit Scubarts Bildniss

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Academic year: 2021

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é d ju ír a r í

c b t d > t C

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A ^ l S Z

(tl|r.

it.

5. Syntaris

( & z t> i Ą í B .

§ifiorifd)=trittfĄe 3tu§ga6e

©nftaö fxiuff.

i l t t t S c f y u b a r t s 3 3 ilb n if j.

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Æ > J - N

Biblioteka

Główna

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-SdjttOctrfö üdk’ti

G ^ r i f t i a n ^riebridh Daniel Sdjubart würbe am 2G. SJiärj 1739 ju Dberfontheim in bcr ©raffdfjaft Simburg als ©ofjn be§ bortigen ÄantorS, *JSräceptor8 unb ^farrtnfarS geboren, ber 1740 nach 2ialen aI8 ^räceptor unb 3Jhififbireftor überfiebelte unb nach »ier Sauren jutn £)ialonu3 oorrüdte. ©eine ©ttern unb Vorfahren ftammten jwar au8 ^raufen, ©dljubart felbft aber war in Schwaben geboren unb aufgewachfen, er felbft hat ftc^ immer al3 ©djroaben betrautet unb bie Schwaben als „herjtge" unb „biebere" Seute t>eri;errlidjt, gelegentlich auch einmal getabelt. ©ein §ang j\u ©jtremen unb feine tfjeofopljifdje 2lber ftub eher fchwäbifch als fränlifch. 3 ui>cm tft ** ein ächter ©ohn 2talen8, biefer burd) unb burch fdhwäbifdjen ©tabt. ©r felbft leitet feinen ©inn für bie 3Jtufif, für bie fdhöne 9tatur, fein altbeutfdf) bie*» bereS SSefen unb feinen lauten berben £on non feinem Aufenthalt in Aalen ab; auch hatte er für feine SSaterftabt immer eine befonbere Vorliebe, unb biefe fü llte fic^ burch ©chubarts Auhtn nicht wenig ges ehrt, oerroanbte ftdh auch lebhaft für feine Befreiung nom ¿ohenaSperg. 3 e$t noch jeigt man in 2lalen ba3 ©djubartShauS unb eben gegenwärtig wirb eine nach ihm benannte ©trafje, beim jefcigen fcialonathauS non ber &auptftra&e ablenlenb, angelegt. —

©einen 93ater fdhübert ©dhubart als einen lernhaften, ehrenfeften, fooialen unb ju r SBohlthätigleit geneigten SJtann; in bem ©ebicht „ $ an l für bie £arfe" hat er fein SBilb gejeichnet. ©einer B u tte r rühmt er ©infalt unb AUltterlidjleit nad). SBei bem ©ebidht „aJtutterherj" hat fte ihm offenbar oorgefdfjwebt.

3 n feiner erften Äinbheit galt ©chubart für bumm unb fchläfrig; in feinem fiebenten ^ahre fonnte er weber lefen noch fchreiben; aber plöfclich fprang bie Stinbe, unb in lurjer Seit hatte er alle feine 9ttit* fdhiiler überholt. ©efoitberS äußerte ftdh in ihm ein glüdlidheS mufifa* lifdheS ©enie; im achten 3 ahr übertraf er feinen Skter, ber felbft ein trefflicher SAufiler war, im Älaoier, fang mit ©efühl, fpielte bie 93io* line, unterwies feine SBriiber in ber ÜJtufil unb fefcte im neunten unb jehnten 2 ahr ©alanterie? unb Äirdhenftüde auf, ohne in allen biefen ©tüden mehr als eine flüchtige Anweifung genoffen ju haben. — ©ehr früh entwidelte ftch in ihm ein auSfchweifenbeS ©efühlSleben. ©r felbft

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4 ©d j u b a r t S ©ebicbte.

erjäblt, bafi er febr oft, mie $5ltg, {¿bäuerliche Slnroanblungen batte unb heimlich bie ©räber feiner tobten ^reunbe unb Sefannten befugte, um bem fcbmülen, bumpfen ©efttble feines £erjen3 unter febroarjen ßreu* jett, ©obtenfränjen unb morfdjen ©ebeinen Suft ju machen. „So mecb* fetten, fagt er, in meiner ©eele bie fjarben ber Stacht unb beS ©ageS, bie Silber ber ©cbmermutb unb ber ^reube beftänbig, unb baber Iäf$t ftcb pfpcbologifdb erflären, roie id) nachher E>alb ©obtengefänge, halb ©rint* unb greubenlieber machen fonnte." 2113 jmölfjäbriger Änate lernte er burdj einen feinem Sater befreunbeten preufjifdben 2Berb* offijier bie fünf erften ©efänge oon ÄlopftodS SDieffiaS fennen. Son biefer 3 eit <tn m ar unb blieb er ein Serebrer ÄlopftodS. ©en SJlefftaS lernte er faft au3roenbig; er meinte, gitterte, f(bauerte nor ftreuben, menn er ©teilen barau§ beflamirte. (Sergt. ba3 ©ebidEjt: in eine SJtef* ftabe.) 3m 3 ab r 1753 mürbe ©¿bubart nach Störblingen gefd^ieft, um ba3 bortige ßpeeum ju befueben. SJtit feinen 2lntagen unb ftortfebritten in ber SBiffenfdjaft mar Steltor ©bilo wobt jufrieben; aber er flagt in einem längeren S rief an ben ©iafonuS über ©djubartd hoffen unb SJiutbroiHen, feine gtatterbaftigfeit unb Unbeftänbigfeit, feinen Umgang mit £anbmerf8burfdben, oon benen er untüchtige Sieben lerne. ©<bu* hart fetbft geftebt, er fei in Störblingen ohne Uebung in ber ©onfunft geblieben, aufjer mit einigen tänbtidben Siebtem, bie n u r feine ©itten oerberbten. ©cbon bamaI3 biebtete er einige SotfSlieber, mie ben ©¿bneis ber auf Steifen; febr möglich/ bafj ibm ein £anbmer!Sburfcbe ben ©toff ju biefem ©ebidbte an bie £anb gab. ©ine bamat§ non ibm auf ba3 ©rbbeben non ßiffabon 1755 gebidbtete fd^mülftige Obe ift oerloren ge* gangen. Stach brei fah re n fd;idCte ihn fein S ater nach Slürnberg, roo er bie ©¿bute jum beiligen ©eift befuebte. ©r fam in berfelben SBocbe an, mo ber fiebenfäbrige Ärieg auSbracb- ©ie ©inbrüde biefer prägten ftcb tief in feine «Seele; feine lebenslängliche Scgeifterung für ^friebridj ben ©rofjen unb ^Sreufjen nahm bamat§ ihren Slnfang; feine 2lugen mürben auf politifebe ©inge gerichtet unb fein Urtbeil fü r bie* felben geformt. 2tt§ ber preufjifcbe ©enerat SJiafer 1757 mit einem ftiegenben ©orp3 Siümberg nedte, tag ©(bubart beftänbig an feinem ©aebtaben unb fab bem ^tug ber preufjifcben £ufaren nor bem ©höre ju. ©ie lie b e r, bie er bamaI8 bem alten § rib unb feinen ©¿haaren fang, mürben überall befannt, gefungen, jum ©heil gebrudt, ftnb aber oerloren. ©ein mufifaltf¿be8 Talent fanb hier einen günftigen Soben; er erhielt fogar eine ©teile als grübmeffer unb Drganift ©ein man* gelbaften Schulunterricht half er bureb i)3rit>atfleif} nach, ©ie Äunft* fcbäfce ber ©tabt roedten feinen empfänglichen ©inn; oft fajj er mit einem feiner „Sufenbrüber" auf bem ©rabmale ©ürerS ober auf bem ©rbbegräbniffe feiner eigenen Sorfabren.

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© d j u b a r t s ©ebicbte. 5

©r teerte nach $aufe gurttdt unb bewog feine Gltern, ihn in ^eita Geologie ftubiren gu taffen; aber unterwegs blieb er in Grlangen f)än* gen; weiter nach korben gu gefeit, wo ber Ärieg tobte, war gefährlich. SlnfangS ftubirte er fleißig, aber halb ergriff er nur baS, was er tu* multuarifcb unb ohne niete 9JMl^e bafeben tonnte; er oerwilberte immer mehr, rumorte, ritt, taugte, liebte unb fdjtug ftdb herum; oon Seiben* fcf>aften gepeitfdbt lebte er ohne Drbnung, Älugfjeit, ^tei^ unb (Spar« famleit. tourbe er oon feinen Gläubigern ins Gefängnis ge* worfen, aber audb ^ier biebtete er, unb gmar feine Suf}*, foitbern 2ie* be§* unb Xrinflieber, gwar mit 2Bi$ unb ßeid^tigfeit gemacht, aber, wie ©ebubart fpäter u r te ilte , ooll unbefdbreiblicben SeicbtftnnS. Slucb biefe ©ebicbte würben unter fremben ober ohne SJiamen gebrueft. SDtög* lief», bafj manches Xrinftieb, baS w ir fingen unb beffen Serfaffer un* befannt ift, oon ©dbubart berrübrt. ©in in ©rtangen als fterrnbuter befannter Sürger fdbiefte ihm inS Äarger ein S ett unb oerfpradb ihm feinen Seiftanb. ©ebubart w ar faum loS, als er gu feinem 2Botjttt>citer flog unb ihm banfte. ©r tä felte unb fagte: „£ err ©ebubart, ©ie ftnb trä n t, unb biefer SDtann lönnte ©ie furiren." Gr wies auf ©tein* boferS sprebigten, bie offen oor ihm tagen, ©ebubart nterfte bieS, brüdfte ihm banfbar bie §anb unb ging, oon feinem ©eufger begleitet: „(Sott wirb fidb erbarmen." ©eine ©Itern, bie in befdEjränften Umftänben lebten, riefen ben oertornen ©oljn nach $aufe guriief. ©ei* neu Sater, ber ihn unwillig empfing, wufjte er burdf) fein Sateinreben, PbilofopbifdbeS Stäfonniren, glängenbeS Älaoierfpiel unb feine ^rebiger* gäbe gu befänftigen.

Salb barauf feben w ir ibn als Hauslehrer bei einem reichen Defo* nomen in ftöuigSbroittt; er füllte aber feine ©teile febtedbt aitS, benn, „wer felbft feine ©rgiebung genoffen bat, fann unmöglich anbere er* gieben wollen". Um fo mehr glängte er als angenehmer ©efeUfcbafter unb Sirtuofe auf bem Älaoier unb — fogar auf ber Äangel, wo er einmal eine gange ißrebigt in Serien hielt. Salb iiberliefj ©ebubart feine ©teile einem feiner Srüber, gog wieber nach Stalen, wo er feinen S ater unterftütrte, biebtete eine oerloren gegangene Obe auf ben ^ürft* Sifcbof oon ©llwangen unter bem Xitel „ber gute ^ürft", würbe oon biefem bulbreidb belobt unb belohnt unb batte bie 2luSficbt, oon biefem ©önner, ber auch proteftantifebe Pfarreien gu oergeben batte, einmal eine einträgliche IßfarrfteHe gu erhalten. 2US er aber einen Stuf als ijiräceptor (b. b- ©ebutmeifter mit bem Xitel Sräceptor, weil ©ebubart ein ©tubirter war) unb Äantor nadh ©eifslingen erhielt, gog er in biefeS Ulmifdbe ©täbtdhen unb febloß halb gang nadh feiner SBeife eine überftürgte $eiratb mit Helena, Xodhter beS DbergollerS Siibler in Geifjlingen. ©eine © attin, bie er in mehreren Siebern, befonberS in

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6 ©d j u b a r t S ©ebidf>te.

bem ©ebicht „ S e r glüdliche ©bemann" uer^errlid^t h o t' braute wenig Vermögen, aber ein £ e rj »oll Siebe unb Sreue, bie in ben fchwerften ©chidfalSproben ©tanb einen praftif<hen, nüchternen SJerftanb, fogar eine gewiffe ©mpfänglichfeit für höhere SSilbung mit. „3 *t ber ©alerie beutfcher Sichtergattinnen gebührt ihr ein ©hvenplah-"

dennoch fühlte fich ©djubart nicht glüdlidj. ©ein ©infommen mar gar ju ärmlich unb er mufcte noch baju einen £heil bem alten, bienft* untüchtigen ©chulmeifter geben, Sagegen holte er 120—150 ©d>iUer täglich neun ©tunben lang ju unterrichten, bie Orgel ju fpielen unb bie Seichen hinauSjuftngen. ©ine fchwere Slufgabe, bei ber es an 2ler= ger unb Serbrufj nicht fehlte. 2BaS er fobann fchmerjlich oermijjte, m ar ein feinem (Seift unb feinen (Saben entfprechenber Umgang; ba ihm nun geiftreidje unb wifcige, wenn auch fittlich anrüchige (SefelU fd^after jeitlebenS lieber waren, als tugenbhafte Sangweiler, fo fchlofi er ftd) on einen talentooUen, aber lüberlichen 3Jlaler, BlamenS ©chneiber, an, woburch er oielfachen 2lnftof$ gab. ©inmal fonnte er auch/ um bem häuslichen Glenb mit bem fich gleichbleibenben ©infommen unb ber fid) mehrenben ßinberjahl/ fo wie bem ©inerlei beS Schulunterrichts ju entgehen, jum Xhore htnauSwanbern, um wie ein 2tnachoret in ben benachbarten SBälbern unb Dörfern mehrere Sage herum juirren; im ganzen jeboch lag er feinem 23eruf mit ©rnft unb Sreue ob, ftubirte eifrig, fuchte baburdf) ä>erfäumteS einjuholen unb bie Süden feiner SBilbung auSjufüllen; unb wenn ihm baS nicht oollftänbig gelang, fo führen w ir ju feinen (Sunften an , was er feinem ftubirenben ©ohu Subwig fd^reibt: „ g u o i e l barfft bu nid^t lefen, fonft gute Blacht OrU ginalität!" Söeffer, müffen wir in feinem ©inne fagen, beffer ein man= gelhafteS SSiffen mit SBahrung beS fritifchen ©innS unb beS felbs ftänbigen UrtheilS, als ein mit ben oerfchiebenften thörichten unb ge* fcheiben ©infällen unb £ppothefen oieler Sahrhunberte, oft über einen einjigen ©egenftanb, oollgepfropfter ©eift, wobei man vor lauter frems ben Meinungen feine eigene fefte 2lnfi<ht fafjt. S ie reihte SJlitte ju finben ift fchwer. 3m ganjen oerbiente ©(hubart gewifs baS 3^ugnis, baS ihm oor feiner ^Berufung nach SubwigSburg auf bie h^ogli^he BBeifung an baS gemeinfchaftliche Oberamt unb ben SDlagiftrat ju Sub== wigSburg, ftch ber Umftänbe unb beS SebenSwaitbelS beS ißräceptor ©¿hubarts ju ©eifjtinoc’? genauer unb juoerläfjiger ju erfunbigen, weu len oerlauten wollen, als ob berfelbe bem Srunf alljufehr ergeben wäre, ber Ulmer BJlagiftrat am 23. 3 u n i 17G9 auSftellte: baff ber bisherige ^räceptor unb Sirector SttuficeS ju ©cifeliitgen, ©hr. %r. Saniel ©hu« hart, ber bortigen ©«hule mit oielem Blühen uorgeftanben, bie ilirchcns muftf nach SBunfch oerfehen, auf ber Orgel fowohl als auf ber 93ioli*t unb Stofalmuftf eine oorjüglicffe ©tärfe beft^e, bie Äanjeln jum öfftern

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©c f u b a r t S ©ebicft e. 7

mit applausu betretten, aud) annebenS in ber gelehrten 2Belt fid; be* fannt gemacht, unb an feinem SebenSmanbel, ba er bie feiner ¿jugeitb jugefd&riebene menfdjlidlje ^eljter auf gefd^e^ene ©rmanungen gebeffert, nichts fonberlidjeS auSjufe$en fep tc.

Die literarifd&en Stiftungen ©cfubartS in biefer 3 e^ waren eine Dbe auf ben Dob $ranciScuS beS ©rften, römifcfen ßaiferS, 17(55, bie in biefer Sammlung enthalten ift, eine Dbe auf ben Dob beS § errn £of* unb SftegierungSratfS 2lbbt in 23iicfeburg. 2ln feinen § e rrn Vater in Ulm 17GG, bie S3ab!ur 17G6, 3aubereien 17GG, ¿obeSgefänge 17G7. Die Dbe auf 2lbbt, bie 2luffeljen erregte, tonnte i<$ nirgenbS auftrei* beit. Die DobeSgefänge fattben ftarfe Verbreitung, ©dfjubart bicftete fie tfeils als Kantor bei Veerbigungen, t^eilS aus Danf gegen ©ott, na$bem er non einer fd;meren Ärant^eit geitefen m a r; unfere ©antm* lung enthält eine 2luSma^l. Die Vabfur ift unbebeutenb. Die 3 aUs bereien finb unter ber ©inmirtung SBtelanbS entftanben, mit bem ©di)U* hart oon ©eiflingen auS in brieflid;en Verfefyr tra t unb »on bem er im Didjten beftärlt mürbe.

2Bir finben ©djubart in SubroigSburg mieber, mo er im £erbft 17G9 gegen ben SöiHen feiner $ ra u unb feiner ©d&miegereltern unb gegen bie 9Jlai)nungen unb 2ltmungen feines In n e rn als Drganift unb 25luftfbireitor angeftellt mürbe. D af bie SDtufif ©dfjubartS gefäl>rlid;fte f^exnbin mar, bie ftd) mit ben böfen Dämonen in feiner eigenen Vrnft gar ju leidet rerbanb, jeigt ber SubroigSburger 2tufentl)alt. 3 ucrft freilidl) ging alles gut; er fudjte ber üJlaljnung feiner ^ r a u : „D 3Jlann, merbe ein ©Ijrift!" nac^jufommen, er trug nodf) ben geiftlic^en JKocf, laS in ©ellerts SDtorat unb fammelte ÄlopftodS fleine poetifcfe unb profaifcfe SBerfe, bie er 1771 Verausgab. 2lttein in SubmigSburg, ber bamaligen SRefibenj beS auSfd&meifenben unb rerfdEjroenbertfdien £ers jogS ß a ri ©ugen, bem „beutfd&en SampfafuS", ber ron allen ©eiten auf il>n fereinftürmenben Verfügung auf bie Dauer ju miberfteljen, ba^u mar ©cfubart nicljt ber SJtann. Valb legte er bie geiftlidje Dradjt ab, rerroeltlidjte uoUftänbig, fanb an bem luftigen, franjöfirenben Don immer größeres BofjlgefaUen, mar aud) l)ier in ber 2Ba§l feines Um* gaitgS unoorfidjtig unb lieft fid(j, mie freilich nocf riele SBeife, oom SBein unb uon SBeibern b etö ren . @r l>atte mit rei^enben ¿tarier* fcf)ülerinnen galante 2lbenteuer, unb jmei berfetben Unterliefen i§m ein 2tnbenfen, baS er ungliicflid&ermeife einer ^Jerfon mittljeilte, bie am efeften bamit Ijätte rerfdfjont bleiben follen. D aju rerfeinbete er fid) mit bem ©pejial 3 ^ iu g , einem geiftlofen unb auf feine 2lmtSmiirbe eiferfücftigen gehanten, ber itim ©toff ju ben beifenbften ©infällen gab. Der lodfere Dichter mar Drganift biefeS ©eiftlid&en; riele 3u* I;brer aber tarnen rneljr ©d&ubartS Drgelfpiel, als beS ©pejialS ©traf*

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8 ©dhubart S ©ebidjte.

prebigt $u lieb in bte Äirdhe, ja manche erft ju bett Stodhfpielen, bie non ben geiftlichen allmählich in äujjerft weltliche SMobien auSjulaufen pflegten, ©eine § ra u fehrte ju ihren Schwiegereltern nach ©eifjlingen ju rü d unb ©dhubart lebte mit feiner SJtogb, B arbara S t r e i te r oon Aalen, einem fehr wohlgebilbeten unb manierlichen Sfläbchen, allein in feinem §aufe, machte ftd) aber beS e^ebred^erifchen Umgangs mit ihr fo nerbächtig, bafj ihn giUing nor ©ericht forberte unb ins ©efängnis braute. Stoch feiner ©ntlaffung auS bem £ h un n madhte er fidh burch ein ©pottlieb auf einen oielgeltenben §ofmaitn unb burch eine ^arobie ber Äitanei noHenbS in ßubwigSburg unmöglich» Sine ©pur jener ^a* robie ftnbet ftch nach meiner Anficht in ber beutfchen (Sh^onit 1776, 29:

w8 or Aboofaten, bie uns jwitfen, ¿ o r Aerjten, bie am Äörper Riefen, Cor Söonjen, bie mit ^radjenblicfen ^rophetifch uns jum Teufel fd^iefen — Sehüt’ uns, lieber £erre ©ott!"

£ e r SBonje (natürlich 3 ilrtnö) »erbanb ftch mit bem tugenbhaften ^erjog Äarl unb biefer gab bem leichtftnnigen £>id)ter am 21. SDtoi 1773 als adulterii tantum non convictus (beS @he&ru(f)3 f° Diel alS über* wiefen) ben Saufpaf} aus feinen Sanben.

3Jlit einem ¿h aler in ber £afd>e pilgerte er, ohne $ la n unb fefteS Steifejiet/ über bie ©renje. gunächft ging er nach £eilbronn, wollte non ba über Ansbach nad) B erlin, folgte aber ber ©inlabuitg eines ^lanmacherS nach ber $ fa l8 unb wanberte nun als Abenteurer unb ©chmaro^er jwifdjen SJtonnheim, ^eibelberg, ©d&mehingen hin unb her. Sn ©chroe|ingen mürbe er oom Äurfürften fehr gneibig empfangen; aber ein £abel ber SJtonnheimer Afabemie, welche baS ©djooSIinb beS ßurfürften mar, biefem non Uebelwollenben eiligft unb in oergröfjertem SJtofiftabe jugetragen, 50g ihm beffen Ungnabe ju. ®r fuchte nun im SBairifchen fein ©lüdt ju madhen unb fidh bei ber nach Aufhebung beS SefuitenorbenS unternommenen Sieugeftaltung beS Unterrichts* unb ©rjiehungSwefenS ju betheiligen. S n biefer Abficht ging er mit bem bairifdjen ©efanbten nach SJiÜnchen. S3ebingung aber feiner Slnftellung im S3airifdhen mar ber Uebertritt jum ÄatholiciSmuS. ©dhubart mar fdhmadh genug, biefen Uebertritt ju nerfprechen; aber fein beffereS ft:t* UdheS SBewufjtfein mehrte fidh gegen bie Ausführung feines ¿orhabenS. Stoch mehr als in SJtonnheim unb ©dhrne^ingen mar ©dhubart in SRftit* dhen fehr oft mitten unter ben raufchenbften Vergnügungen eine Veute beS tiefften fcrübftnnS. Stoch ju rechter ^ e it half ihm ein ^-einb in © tuttgart aus ber Älemme. Von einem angefehenen SJtonne in 3Mn* d;en über ©dhubartS frühere Aufführung befragt malte biefer ihn noch

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©d j u b a r t S ©ebtdjte. 9

fdhlimmer ab, als er fein mochte; ließ ihm nicht einmal baS wenige ©ute, baS noch ^einbe an ihm bemerft haben wollten, unb feßte fon* bertidh hinju, baß er an feinen heiligen (Seift glaube, unb »orjüglich beSwegen baS 2Bürtembergifche iiabe räumen müffen. (Anfpielung auf eine ©teile in ber ißarobie ber Sitanei?) —

Auf bem Sßege nach ©todholm fam er nadj Augsburg unb lehrte hier bei einem Sierw irth ein, ber ein weitläufiger Serwanbter non ihm war unb in beffen §aufe AbenbS bie SBeberjunft jufammenfant. @r fefcte fic^ ju ben ©äften, t e i l t e fidh ihnen mit unb machte natürlich halb baS größte Auffehen unter ihnen. ©eine Sefanntfdhaft breitete fid> aus, man fud&te ihn in Augsburg f eft juhalten; auch ein Sucfjhänbs ler fam unb wiinfdjte einen gangbaren 2lrtifel für feinen Sertag »on ihm; ©djubart ging barauf ein unb bie b e u tfd h e © b * o n if mar ent* ftanben. $)amit ^atte ©chubart feine wahre Seftimmung gefunben. ültidjt jum ißrebiger, wie er fpäter einmal feinem ©ohn fdjrieb, war er geboren; nicht, baß er biefen ©tanb »erließ, war ber tollfte ©treid) feinet SebenS. ©chubart mit feinem braufenben Ungeftüm, feiner ftar= fen ©innlicßfeit, feinem unuorftdjtigen Senehmen in ©efetlfhaften, fei* ner unüberwinblichen AmtSfdheu unb, was bie $auptfache ift, ohne fefte Heberjeugung, mit einem ju r Äritif unb jum 3 roeife^ am fir$li<$en SDogma, baS er ju »erfünbigen ^atte, geneigten ^ erjen , ©chubart im geiftlidjen © tanb! AIS ©djviftfteller 8U nnrfen, baS Soll aufauflären, beutfd^=patriotifc^e ©eftnnuitg ju »erbreiten — baS war fein Seruf unb baS baju geeignete Organ bie beutfdhe ©^ronif. SDie erften SBlätter würben in Augsburg gebrudt; ba er aber am ©djluffe feiner Anjeige fagte: „Unb nun werfe ich mit jenem iDeutfchen, als er Son* bon »erließ, meinen § u t in bie £öl;e unb fpredje: O ©nglanb, »on beiner Saune unb Freiheit nur biefen § u t »oll!" fo ftanb ber Sürgcr* mcifter »on Äuhn im ©enat auf unb perorirte: „@S ha* fidf) ein Sa* gabunb hereingefchlidhen, ber begehrt für fein fjeillofeS S ta tt einen $ u t »oll englifdjer Freiheit: — «idfit einmal eine SHußfdijale »oll foll er haben." Unb hiermit würbe ber 3)rud in Augsburg uuterfagt unb baS S ta tt bei SBagnern in Ulm gebrudt. ©einen mufifalifchen unb bcflamatorifdhen Talenten wiberfuhr übrigens in Augsburg überall AnerlenntniS unb Aufmunterung; er hielt Sorlefungen über mufilas lifche unb äfthetifdhe ©egenftänbc, ÄÜnftlers unb ©elehrtenoereine in feinem §aufe, (teilte ju r görberung ber Siebhaberei fü r beutfche Sites ratu r Sefeftunben in sprioathäufern unb öffentlichen ©ölen an. ©r IaS anfangs bie neueften ©tüde »on ©oethe, Senj, Seifewifc unb bie ©ebichte aus ben 3Jiufenalmanadhen mit eingeftreuten ©rflärungen »or unb ba er großen Seifall erhielt, fo laS er JllopftodS AlefftaS. „Aiein Obeum, fagt er, war ber fchönfte aKufiffaal auf bem Sedenhaufe, unb

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10 ©c huba r t S ©ebichte.

ba ich nebft einer natürlichen Slttlage gum Vorlefen mich non Sugenb auf barin übte, auch meinen 2lutor faft auSmenbig tourte, fo mar ich fein fd^Ied;ter 9thapfobe. 2>er erfolg mar über meine Crroartung grofj. SRit jebem neuen ©efange »erntehrten ftch meine 3uhörer; ber SRefftaS mürbe reifjenb aufgefauft; man fafj in feiertid^er ©tiüe um meinen ßefeftu^C her; ©lenfchengefühle erm atten, fo mie fte ber ©eift beS Sich* terS medfte. 2Jlan fcfjauerte, meinte, ftaunte, unb id) fafj mit bem fiifje* ften greubengefüljl im bergen, mie offen bie beutfdje ©eele für jebeS ©df>öne, Grofce unb erhabene fei, menn man fte auftnerffam gu machen meifj." Slber auch in 2lugSburg erroieS ftch ©dhubart als „problema* tifc^e 9iatur". e r lief* ftch beigeren, non bem aufgehobenen Sefuitett» orben in feiner ©hronil gu behaupten, berfelbe habe mehr gefchabet als genügt, ©anganeüi gu loben unb über ben SBunberthäter ©afjner unb feine ©läubigen fidh luftig gu machen; ba mar er uor ben ßatholifen, befonberS ben ¡gefuitenfchülern, feines SebenS nicht mehr ficher; ein® mal mürbe fein £auS plötjlidh mit ©olbaten umftellt, feine §abe »er* fiegelt, feine fdhriftlidhen Sachen roeggenommen/ er felbft mürbe non ©olbaten im 3 intmer bemadht; attbere roaren an bie kreppen unb bie ^auSthür gepflangt. 2lm anbern £ag befam er gmar auf betreiben ber proteftantifchen P artei feine Freiheit mieber, aber feine SluSroei* fung lonntcn feine $rcunbe nicht hinbern. ©dhubart mürbe gum 23ür* germeifter uon 9them geführt, ber ihm ohne Untftänbe anfünbigte, bafj er fogleidh auf Söefehl ber ^o^ert Dbrigfeit bie ©tabt gu räumen hätte. „Unb mein Verbrechen, 3h* ©naben?" — 2Bir hanbeln nidht ohne Ur* fache, unb baS mag Shnen genug fein. — ©dhubart manbte ftch nun ttadh Ulm, mo feine ©h^onif »erlegt mürbe.

2US er untermegS in ©üngburg in bie ©aftftube eines 2öirthShaufeS trat, fanb er eine ©dhaar mohlbeleibter Pfaffen um einen iEifch herum* fifcenb beim Vierfrug. ©ineS feiner lebten Vlätter lag »or ihm. SBilb brüllten fte unter eittanber in ihrer rauhen 2)lunbart: „Sefct hanb mer (haben mir) ben ©algcttferl, ben ©dhubart! SBerben ’m mohl b’ 3ung rauSfchneiba unb ba iläga (ben Äefcer) lebenbig »erbrenna. $)ann fchreib, Sjunb!" 3)tan !ann benfen, mie eS ©dhubart gu SRuthe m ar, beffen *Ph9f»ognomie bei fo uielen »on ihm umlaufeitben Porträten nicht uer* lannt roerben fonnte. ©r fammelte ftch feboch entfdhloffen genug, mifchte ftch unter biefiärmenben unb fdhmähte auf ftch felbft ärger unb origi* netlcr als fte, fo baß fte halb feinen Slebeflujj mit Sobfprüdheit über* häuften, ©in preufeifeijer SBerboffigier, ber fein Sleifegefellfcbafter mar, gab ihm einen anbern 9?amen unb fo famen fte unangefochten nach Ulm, mo ber Spreufje ihm beim Slbfdhieb auf bie ©chulter flopfte unb ihn ermahnte: ,,.§erre, ftnb ©ie man gut preufjifch, fo mirb $h ncn fein Teufel maS thun!"

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©dßuba r t S ©ebidßte. 11

S u 2lnfang beS 3 aßreS 1775 i>cfinbet ftdß ©cßubart in Ulm, unb ßier beginnt bie befte unb glücflidßfte — leiber nur gar ju furje — ¿ e it feines fiebenS. £>ie ©tabt ftimmte ganj ju feinen 2Bünf dßen. 9äcßt paritätifcß roie 2lugSburg, fonbem, wie ©cßubart felbft, eoange* lifdß, nidßt fo ilein roie ©eißlingen, baS ißn beengte unb preßte, nidßt fo großftäbtifdß roie fiubroigSburg, baS ißn oerfiißrte, reieß an 2)enf* ntftlern beutfdßer Jtunft, unter ißnen ooran baS ßerrlidße SDlünfter, reis dßer nodß an ©eift unb Bilbung unb an 9Jienfdßen, bie ißn oerftanben unb fein Naturell, roeil eS bem irrigen oerroanbt roar, begriffen. $)aju burdß bie ©ßronif, neben ber nodß anbere Arbeiten in ißrofa unb Boefie ßergingen (bie trefflichen ©ebidßte: 2>er Bauer in ber ©rnte, S)er 2lrme, Sn eine SWefftabe, fjrofcßfritif u. a. ftnb auS biefer Seit), oßne SlmtSs loch eine geführte ©giften}; baS angenehme ©efiißl ber Unabßängigleit unb roadßfenbeS Stnfeßen nießt nur in ber literarifcßen 2Belt, fonbem in allen Äreifen beS iJJublifumS; jaßlreidße Befucße burdßreifenber 9ios tabilitäten, gleidßgefinnte greunbe am Orte felbft unb erneuertes ßäuS* lidßeS ©lücf im ¿ufammenleben mit feiner fjrau. — ©ine ßübfdße 2lne!= bote, bie © trauß ßier im SMuSjuge giebt, lautet in ber Duelle (2)enfs toürbigfeiten aus meinem Seben unb aus meiner Seit oon Sodann ©ottfrieb oon ißaßl, f. roürtt. Prälaten, Tübingen, 1840) alfo: „©ine mächtige ©rregung empfing biefer $)rang (ber $>rang, bie oon ©edert, Seffing unb Malier oernommenen £öne roieber erflingen ju laffen) burdß baS Beifpiel, baS m ir mein SanbSmann (Baßl roar in Slalen geboren), ber ^Dichter ©cßubart, gab, ber bamalS burdß fein glänjenbeS ßunft= talent unb bureß bie ©enialität, bie Äraft unb baS $ euef feinet poe* tifthen Grjeugniffe eines toeitoerbreiteten DlußmeS genoß unb beffen 9lame nicht anberS als mit patriotifdßem ©tolje in meiner Baterftabt genannt rourbe. 9Kan erjäßlte fich eine SDlenge Slnefboten oon bem SUlutßroillen feines SugenblebenS; man ionnte feine ungebrueften ©es bichte aus biefer Seit auSroenbig; man roieberßolte lange ©teilen aus ben gSrebigten, burdß bie er als Äaubibat bie ©emeinbe erbaut ßatte. 3 <ß roar etroa neun Saß re alt, als ich ißm, ba er bei ber £ocßjeit fei* neS BruberS, beS bortigen ©tabtfcßreiberS, roieber naeß Slalen fam, als ein flnabe oon guter Hoffnung oorgefteUt rourbe. ©r legte feine §anb auf meinen Äopf unb fpraeß mit feiner ©tentorftimme: „©ottfrieb! roerbe ein ganjer Äerl unb madße beiner Baterftabt ©ßre, roie — feßte er mit feiner belannten Gitelfeit ßinju — roie ich!" SDiefe Söorte roirften auf tnidß, als ßätte fte ein ^eiliger gefprodßen; ber ©inbruef berfelben rourbe aucß nidßt gefdßroädßt, als ber SDidßter unmittelbar bar= auf baS Seffing’fdße ©ebidßt: „©eftern Brüber! lö::nt ißr’S glauben?" unter Btufifbegleitung fang unb gräßliche ©rimaffen baju fdßnitt." ©an$ georbnet roar freilich feine SebenSroeife aucß in Ulm nidßt unb fein

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12 ©dbuba r t S ©ebicfjte.

greunb, bcr 2)idbter 3JtiUer, jagte nicht umjonft manchmal ju ihm: „©cbubart, bu §aft feine ©runbfäbe unb fannjt beine ©jiftenä faum füllen, fte mag froh ober traurig fein! SBerb’ ein ©brift, jo ift bir’S wohl." 2)ie britte SDlaimung biefer 2lrt. ©eine ftarfe ©innlidbfeit ju bänbigen gelang ihm nicht. ©in ^ u n ft jebodb fdbeint non ihm in feiner SebenSbefdbreibung, wo er ftdj meiftenS ju fchroarj malt, unb oollenbS oon feinen ^einben übertrieben worben ju fein, feine berufene fcrunfs liebe; wenigftenS jagt 2). 21. ©djulteS in feiner ©hronif oon Ulm: ,,©r arbeitete oiel unb tranf babei auch oiel, hoch nicht unmäßig, ©r fonnte etwas ertragen." — „@r mar ©tammgaft, beifit eS weiter, in einem ber erften ©aftfjöfe, im Saumftarf. £ier, aber auch in anberen SBirtbS* bäufern, pflegte er feine „beutfcJje ©hronif" trinfenb unb aus einer meerfdbaumenen pfeife bampfenb ju biftiren. ©ie erfdbien jweimal in ber SBod^e in Octao, je einen halben Sogen ftarf. SBeldb ein ©egen* ftücf gegen unfre jefcigen S liitte r!" Obige 2Ieuf erung ruht auf gutem ©runbe; benn ber ©rofjoater beS <5^roniften, ©cbiffmeifter Johannes ©dfjulteS, 9tatb§bevr nnb würtembergifcber © tabtratb, geboren 1759, geftorben 1831, war bamalS im Jünglingsalter. 2luf ihn beruft fid) fein ©nlel namentlich in betreff einer ©efd^id^te, bie ein Sorfpiel oon ©d;ubartS ©dbicffal w ar unb oon ber ©chubartS Siograpb Dr. SB. ©. SBeber (tm 2lnbang ju ber ^ran ffu rter 2luSgabe oon ©chubartS ©e= b itte n 1829) bemerft: „SBir erzählen auf £reu unb ©lauben nach ©cbubart, ber bie ©adbe als notorifdb auffübrt. SBünfcbenSwertb wäre eine aftenmäfjige 2)arfteHung berfelben." ©ine folcbe ftnbet fidb nadb „©cbubart in Ulm. Son 2). § r . fßreffel; Ulm 18G1" in SßapermannS 97adbridbten oon ©elebrten aus Ulm; auferbem war ber ©rofjoater beS ©broniften ©dbulteS (nach ©. 339 ber ©bronif) als achtzehnjähriger Jüngling Stugenjeuge ber — Einrichtung beS gleid^junennenben Uns glüdlidben unb bat feinem ©nfel öfters ben Eergang erzählt. Jofepb 9Hdel war in Oerenftein, einem 2)örfdben unweit Ulm, am 12. ÜDiai 1750 geboren. Sßegen feiner guten Anlagen würbe er jurn ©tubium beftimmt. ©r fam in baS Senebiftinerflofter in Söiblingen unb oon ba nach SlugSburg ju ben Jefuiten. 2lber bie Rheologie würbe ibnt hier juwiber unb er ging nach 2)illingcn,*) um bie 9tccbtSroiffenfdbaft ju ftubiren. @r tbat biefeS mit ©ifer, zugleich würbe er aber auch mit ben ©dbrifteit ÄlopftodfS, SBielanbS, SeffingS unb — SoItaire'S befanitt. ©inige g eit ftubirte er audb in ^reiburg. 21 IS er nach E aufe jurücfs fam, hielt ftdb gerabe ber SBunbertbäter spater ©afner in ©öflingeit auf, eine SDienge Seute ftrömte babin, lahme, früppelbafte, epüeptifcbe.

*) 2iatb £ cbubart Siicfet in Tübingen ftubirl. Sübingen unb 3>itfingen Hingen ? ttabrfcbeinlicb aber ift ®ittingcn ba« richtige.

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13

Siicfel lief} feiner ©ntrüftung über biefen Unfug freien Sauf unb er* regte burdj feine Jede (Spraye großen Stnftofj. 2113 er in ber $olge mit ©dbubart belannt mürbe unb offen für ibn P artei nahm, fam er in ben ©erucb eines Äe^erS. 2im 26. 2lprif 1776 ging er mit einem Ulmifdben ©tubiofuS, SlamenS Äonolb, in§ ßlofterbräubauS in SSiblin* gen; f)kv mürbe er auf Söefe^t beS itlofteroberamtmannS oon Äöferle feftgenommen unb in§ ©efängniS geführt. 23ergeblidb bat Stiefel um einen 23ertbeibiger, oergeblicb, bafj man baS ©utadbten einer Unioerft« tat einbolen möchte, er mürbe jum £obe oerurtbeilt. 23or betn 2lmt* bau§ in Saiblingen mürbe ihm eine ©dbrift oerlefen, mornadb er al2 ©otteSläfterer, ber ftdj gegen bie göttlid^e SWajeftät, bie ^eilige SJtutter ©otteS, ben b^Uigen ¿ofepb unb befonberS bie heilige SJtagbalena oer* fünbigt bQt*e, bie £obe§ftrafe oerbiene. hierauf mürbe er auf einer Stnböbe an ber SHer enthauptet unb bann oerbrannt, moju oerroenbet mürben 8 Älafter ^o lj, 200 93üfd^el Steiftg, 160 23unb ©trob/ 200 fßedb» fränje. $)ie 2lfcbe mürbe in bie 3>Her geroorfen. ©oldbeS gefebab im Sabre be§ £eil3 1776, am erften Suni, SJtorgenS 8 Uhr. — SBelcb eine ^bot! Unb bodb burfte bie beutfdbe ©bronif e§ nicht magen, fte auch nur mit einem SBort ju berühren. 2)er Städbfte, ber braten mufj, biefj e§, ift ber ©dbubart! ©r erhielt SEBarnungen oon ^reunben, SDrobun« gen oon geinben. £rübe Ahnungen unb trä u m e beängftigten ihn. ©r mar auffallenb ernft unb ftanb meift fdbon um 10 Uhr oom SBirtbS* tifd) auf. SEBaS ift bir? fragte ihn fein §reunb ÄapoU. „ 3 $ febe roieber im £ rau m bie fdbmarjen Ä utten, antmortete er; fte martern midb mit ihren Stägeln unb menn idb fie um ben Xob bitte, fo ant* morten fie: mir tobten nidbt plö$lidb, mir martern unfre geinbe lang* fam ju £ob." itapoU moUte ihm ben £raum megtacben, aber ©ebubari blieb babei.*) —

£>en 22. 3 anua* 1777 fam ber Älofteramtmann ©cboH oon S3lau-- beuren ju ©dbubart unb lub ihn jum SWUtageffen in ben Söaumftarf. ©r mufjte ©dbubart bei feiner fcbmacben ©eite, ber ©itelfeit, ju faffen; auf bem SEBege in§ SBirtb^bouS fragte er ganj furdbtfam: ,,©ie fönnten mir einen febr großen ©efaüen erroeifen." — Unb mortn beftebt ber? — „SRein ©dbroager, ber ißrofeffor 23. oon ©., ift bei mir unb roünfcbi ©ie fennen ju lernen." — 2)er fennt midb ja fdbon oon S tu ttg a rt her,

©c buba r t S ©ebidbte.

*) 6ci)on früher in ber SteufaheSnacht auf 1769, batte ©chubart einen ähnlichen £raum gehabt. Sr fanb ftdj in einer SBüfte, oon ©¿heufalen um tobt; feinen ißfab hüllte Stacht; ptöfelich geigte ihm ein Slifj bie ©chrecfen feinet Sage; et fdjrie, eine ftarfe i>anb griff nach ihm unb fteffte iljn auf einen mitStfche bebeeften Serg: burch bie Slfctje mufete er gu einem Xbunne waten, wo ihnein §eet(Seftatten tnfehwargen Äutten b°bU: nedenb bewiKtonunte unb m it ben groben Stägetn ihrer Ringer gerfteifchte.

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14 S d j u b a r t S ©ebichte.

unb baju muß ich morgen meine ©hronif fchieiben. — $5och ich gehe mit Shuen: mein ©hronifblatt foU bennod) fertig werben. — ©r ipeifte mit feinem fcobeSengel, braute ben fcag jiemlich oergnügt ju , gab SlbenbS ein ©oncert, trennte ftd) am anbern ÜJtorgen oon feinem fum» merootlen, Unglüd ahnenben SBeibe, er felbft »ergoß t r ä n e n (er ge= hörte überhaupt ju ben tränenreichen Nlännern, oon benen ber grie« <hif<he VerS behauptet, fie feien gut) unb flog halb an ber «Seite feines gührerS über befcbneite ©efilbe hiu* 2113 fie eine Stunbe pon Utm entfernt mären, oeränberte ber 2lmtmann fo febr feine 3Jiiene unb Sprache, baß Schubart anfing, Slrgwohn ju fchöpfen. ©r mar ein ftarfer Nlann, ber 9lmtmann ein leberneS, auSgetrodneteS SRännlein: roaS märe leichter geroefen, als ben SBuben aufs Sßflafter ju fefcen unb ben Ulmifchen ßutfdjer NechtSum ju iommanbiren? „SBarum thaten Sie eS nicht?" fonnte man ihn fpäter fragen. — „Sch fchämte mich," mar bie 2Introort, „unb hielt meine 2lhnungen für hppochonbrifche ©rillen." $)ie S3urgtrümmer bei Vlaubeuren befdjäftigten feine i^han* tafie, als ber Schlitten »or bem .ijaufe beS SlmtmannS hielt. Schon ber © intritt ins 3üumer oerfünbete nichts ©uteS. ßein SBiHfomm, alles ftiU roie in einem fietcßenhauS. ©r nahm ein 93uch »om ©eftmfe — eS mar SebalbuS Nothanfer. $)a fielen ihm ©hoboroiecfiS Pfaffen« pfjpfiognomieen mit neuem mibrigem ©inbrud inS ©efidjt. spiöfjlich öffnete fich bie Xhüre. S)er SJlajor pon Varenbühler tra t in 93cglei* tung anberer herein unb fünbigte ihm auf SBefehl feines burchlauchtig* ften $erjogS 2lrreft an. „Sch h°ffe/" antwortete er, „ber #erjog werbe mich nicht ungehört perbammen, nod) roeitiger mich im Werfer perfaulen laffen." SBährenb beffen ging Scholl, ber pom öerjog ben fchriftli^cn Sluftrag befommen h°tte, fidh ber ißerfon SdjubartS ju bemächtigen, mit feinem 2Beib im 3lntmer herum unb wimmerte: „ÜJUr ift’S leib! ©ott roeiß. mir ift’S leib!" Vor bem §aufe butte ftd) injroifchen neu* gieriges Soll gef (haart, baS ber Abführung beS SRiffetljäterS jufchen wollte. Scßubart fuhr juerft nach Äircbbeim unter 5£ed, wo er fein Nachtlager nahm unb im 3 ünmer pon lebernen ?Philif*crn bemacht mürbe, bie einanber inS Dhr raunten: „$>aS ift ber Schubart! ber SWaleflsferl! SJlan wirb ihm ’nmal ben ©rinb berunterfegen." 2lm anbern borgen mürbe er auf Vefebl beS ^erjogS auf bie Heftung ^ohenaSperg gebraut. —

$ ter fragen m ir: 2Ba3 mar bie Urfadje feiner Verhaftung? $ e r faiferliche Niinifterrefibent, ©eneral oon 9tieb in Ulm, ein ftoljer hoch* fahrenber SDtann, mar auf ihn nicht gut ju fpreeßen, weil er einmal in einer ©efeHfcßaft unb Slnmanblung einer Äünftlerlaune fich roei* gerte, oor S r . ©jcellenj ben f$-lüöel JU fpielen, ber ihm hierzu nicht gut genug mar. liefern einflußreichen Vlann fdhiibcrten baher bie

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15

Pfaffen — unb er ^tnnrieberum ber frommen ßaiferin unb ihrem iDli* nifterium — ©cßubart als einen 9leligion§oeräcbter, überbieS als einen gegen Defterreicb feinbfeligen 3 e^ung§fdbveiber, ber auf beffen Äoften Preußen gu ergeben fueße. ®ine Veranlaffung, ben Siebter gu faffen. fanb ficb halb. $$n ber Sfjroni! pom G. ¿ö n u ar 1777 mar gu lefen, SJlaria X^erejia fei mitten in ber anfcßeinenbften ©efunbbeit Pom ©cßlage gerührt morben; gmar mürbe biefe 9?acbricf>t fdjon in ber über* nädjften Kummer miberrufen; beffenungeaeßtet fe^en mir ©cßubart feßon gehn £age fpäter perßaftet. $)er faiferlid^e ©efanbte t^eitte feinen fpian mit ©dbubart bem £ergog Äarl mit unb biefer erbot ftdb, bie Verßaf* tung ©cßubart3 gu ooUftreden, roetl er felbft nicht menig an ißm aus* gufeßen finbe; beSmegen mußte ©cßubart non bem ©ebiet ber freien SReicbSftabt Ulm nach bem mürtembergifeßen D rt 93laubeuren gelodt unb bort perßaftet merben. 2BaS bemog aber ben £ergog bagu, ba ©cßubart boeß in beS §ergog5 tauben nießt geboren, noeß Vürger ge* morben unb guleßt aus benfelben auSgemiefen m ar? ©auer fagt: „©cßubart ftanb pon feiner SubroigSburger g e lt her nicht im beften Slnbenfen bei ißm; bie ©ticßeleicn (ber ©b^onif) auf ben ©ilaoenßan* bei, auf bie ßinberloftgfeit ber fleinen beutfeßen dürften, mobei ber £ergog mit Flamen genannt mar, blieben ißm nießt verborgen; mißige ©pigramme mie ba§ befannte: *2118 SMonpS pon ©prafuS aufhören muß, Sprann gu fein, ba marb er ein ©cßulmeifterlein", mögen aueß am £ofe gehört morben fein: immerbin aber fdbeint eS, baß noch ein tieferliegenber ©runb mitfpielte." 2IHerbing3; unb gmar beißt biefer ©runb, mie © trauß richtig angiebt, ^rangiSfa non ¿oßenbeim. ®a3 ©ebießt „2In ©uibal" feßilbert eine ©cßönßeit, bie faum eine anbere al§ ^rangiSfa gemefen fein fann; eS ftammt aus ber erften 3 *it ber ©b^onil unb f<beint non SubroigSburger ©inbrüefen beriu rübren, bie ftcb an ein etroaigeS 3 ufantmentreffen mit ber ©eliebten beS £ergog3, cbronologifcb betrautet, leidet anfniipfen ließen; baß bie ©djönbeit nidbt, mie in allen anbern SiebeSliebern ©cbubartS, mit 9lamen genannt unb baß ßarlS 9iame im SInfang beS ©ebicßteS ermähnt mirb, fo mie ber Umftanb, baß bie SiebenSroürbigleit biefer spfpcße, ihre ©ilte unb £u* genb fo laut gepriefen mirb — bieS alles fprießt für meine 2luffaffung. £aS Verhältnis ^rangiSfa’S gum £ergog batte aber eine Äeßrfette, bie bem feßarfiteßtigen unb gu fpöttifeber Äritif geneigten Siebter nießt per* borgen bleiben fonnte unb bie ber $>ame manche trübe ©tunbe berei* tete. ©ie mar — eine tugenbbafte, pon ihren 3 e^ 9cnoifcn gefeierte SMtreffe; bie Sehren ber SBeiSßeit unb £ugenb nahmen ftcb 6ei ihr fonberbar a u s, meil fte mit einem dürften, ber einer ber auSfcßroei* fenbften unb fittenlofeften feiner 3 eit m ar, in einem ftttlicß groeibeu* tigen Verhältnis lebte, mobei freilich ©cßubart nicht merfte, baß er mit

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IG ©c hubart S ©ebidite.

Jtarl, bem iprebiger bcr Sugenb uttb ©ittfamfeit oor feinen 2lfabe? miften, unb mit granjiS fa in bemfelben ©pitale lag; auch er lehrte in feiner ©hronif ©ittfamfeit, altbeutfcheS SBefeit, einfache ÄebenS? roeife, Söürgertugenb, ©hriftenfinn, unb mürbe nie ein ©hrift in bem ©inne, bafi er, mie anbere rnohl burch ip^ilofop^ie, burch baS ©Triften* thum $ e rr feiner Süfte unb Seibenfchaften geroorben märe. @r gab ^rangisfa ben tarn en „J)onna ©chmergalina" unb roollte bamit offen? bar baS eigentümlich anfäuerltche, moralifirenbe SBefen, baS befonbre „©efchmäcfle", mie ber ©chroabe fagt (förnergeln: ulmifch = «ach ©chmeer, §ett rieten ), ber tugenbfamen — äJlätreffe bezeichnen. „®e? heimere Umftänbe brauch’ ich unb ber Sefer ni<^t gu miffen," fat.t ©dbubari; bieS ift =^id) fönnte fie angeben, aber ich habe meine guten ©rünbe, marum ich fie oerfchmeige. 2U8 ©chubart in ben Xhurm ge? führt mürbe, fah §rangi§fa mit bem $ergog gu; auf bie öfteren 33er? menbuitgen für ben ©efangeiten gab fte fühle Slntmorten; mit SDJühe entfchlofj fte jtch, mie man aus ihrem Schreiben an bie Äarfchin (S trauß I I , 234) fieht, für ©chubartS §reilaffung gu mirfeit. ÜDian lefe namentlich baS ©ebicht: „Siebe im Äerfer", bann mirb man be? greifen, maS für ein niebriger SBemeggruub ben £erjog trieb, ben dichter non feiner ©attin gu trennen unb marum er neun lange 3 ahre biefe nicht fehen burfte, mährenb SDIörber unb ©aüioten ben $8efu<h ber 3hrigen empfingen. SDem dichter, ber über beS :gergogS Verhält? niS gu einer 2)lätreffe (ogl. ben 93rief an §aug oom 14. 2Jlärj 1775: beS §erjog§ Sonna ©djmergalina fafj neben ihm, mie 3Jlarianne an SlchmetS ©eite) gefpottet hatte, foHte baS eheliche 3 ufatumenleben mit feiner ©attin unmöglich gemadjt mcrben. —

2>reihunbertfiebenunbftebjig Sage foHte er hier in einem bumpfen, ‘-.ngen UJlauerloch bei fd^Icd^ter tfoft unb in oölliger ©infamfeit oerfeuf? gen, er, bem ©efeHfchaft unb ©efpräd) SBebürfniS mar. 2lm 3. ^ebruar 1778 fam er auf 23efef)l beS £ergogS in ein luftiges, trocfeneS, heiteres 3immer mit fchöner SluSfidjt; am 13. SDlärg 1778 empfing er auf bie Söerroenbttng feines alten geinbeS unb jefcigen geiftlid^en SBorgcfehten, beS ©pegialS 3iUin0 in ßubroigSburg, beim ©onftftorium oom ©anti? fonSprebiger ißaper baS heilige 2lbenbmahl, am 26. 3 u n i 1778 maren Saoater unb ¿ a h n , ber non bem Äommanbanten Sieger, bem gelben non ©chillerS „©piel beS ©chicffalS", ihm nerorbnete ©eelenargt, bem er gmei in unfrer Sammlung enthaltene ©ebichte gemibmet hat/ fei ihm. 2lm 23. 3 u li mürbe er in ein anbereS, etmaS bunflereS ©efäng? niS gefperrt; neben feinem 3immer mohnte £ e rr non ©cheibliu auS SlugSburg (ngl. baS ©ebicht „Selm ar an feinen 33ruber"), bem ©chu? hart burch eine Deffnung unterm Ofen, ben fte unter fid) gemein hatten, feine SebenSbefchreibung biftirte. 3m Cftober oermehrten fich feine

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©c h u b a r t ? ©ebidjjte. 17

Sd)iöad;i>eiten fo fehr, baff er fein ©nbe »ermuthete. ©r hatte fein Älaoier, feine ¿ in te unb geber, nicht einmal einen Sleiftift erlaubte mau ihm. Slm 14. Stouember befugte ihn P farrer §ahn, beantroortete feine 3 wc^fe^ prüfte feinen ©eelenjuftanb unb »erorbnete ihm eine »ollftänbige geiftliche Äur. Sltn 1. gebruar 1779 erlaubte ihm ber $erjog bie »efuchung be? öffentlichen ©otte?bienfte?. £ahn? Äur ge* lang; einen £ang ju r Sftpfiif unb ^^eofop^ie h®tt* ©chubart non £au? au?, biefer mürbe nun gehörig gepflegt unb fyftematifch geregelt — unb mir ftnben hier bie einjige namhafte »eräitberung, bie mit ©chu* hart »orgegangen ift. frü h e r hatte er oiel mit 3 meifeln 3« fämpfen; bitrch Stieger, ber nicht t>iel Sichtung »erbient, unb burdf) ben auch al? SJJechaniler berühmten unb burch unb burch ad)tung?u>erthen P farrer £al)n mürbe er ein bibelgläubiger Theologe, unb ber blieb er aud) nach

feiner ©efangenfehaft.

g ü r feine g ra u forgte ber föerjog burch einen ¡3ahre?gehalt non imeihunbert ©ulben unb ©chubart? ©ohn unb Tochter nahm er in bie Slfabemie auf. 2Ba? in ihren Äräften ftanb, that bie g ra u , um bie »e= freiung ihre? 3Jtanne? ju bemirfen; aber alle? mar »ergeblich. ©inmal oerfprach ber &erjog bem ©efangenen feine ^Befreiung gaitj beftimmt; al§ bie g rift »erftrichen unb ©dhubart immer noch ©efangener mar, bicljtete er im 3 orn „bie gürftengruft". $>a? ©ebidtjt mürbe bem £erjog befannt unb trug ju r »erlängerung ber ©efangenfehaft feine? »erfaffer? bei (»gl. ba? ©ebidht mit ber Slnmerlung). ©eine »aterftabt »ermanbte fich Tür ihn; umfonft. Sin ber ©pi|e be? Stath? ftanb bei biefem Sin* lafj ©chubart? fech?unbfiebjigiährige SDtutter unb fiel bem §erjog ju güfjen; umfonft. S3eim §eibelberger Jubiläum (1786), hielt bie ganje Slfabemie bei bem anmefenben £erjog für ©chubart? greilaffung an; umfonft. ©chubart felbft fchreibt (©traufj I I , 180), ©oethe, Saoater, Äampe, 3>einet, Äajner unb eine SJtenge pon ©eiehrten unb fürfttichen »erfonen haben fich für ihn »ermenbet; alle? umfonft. $)och mürbe feine ©efangenfehaft gegen ©nbe be? Sahre? 1780 leichter; er befam bie greiheit, »riefe ju fchreiben, feboch unter Stiegerfcher ©enfur, roahr* fcheinlidh auch ba? lang erfeljnte Älaoier unb jule^t geftung?freiheit b. h* ©rlaubni?, innerhalb ber Stingmauern ber geftung fich frei au beroegen unb mit jebermann ju fprechen. »iele lamen jefct, um ©dhu* hart 5u befucf>en, unter anbern auch ©chiUer, beffen 3 ufammentreffen mit ©chubart Stieger ju einer SJlpftifiiation benufcte, bie man bei lßal= le?le: ¿eben ©chiUer?, I, 250 nachlefen mag. SBichtiger ift, bafj ohne 3 meifel ber ©ebanle an ben eingethürmten dichter ben »erfaffer ber Stäuber nach feinem Äonflüt mit bem £er$og beroog, fich einem ähn* lieben ©¿hidfal burch bie glucht ju entziehen. — ©eneral Stieger, halb ^ietift, halb SBeltmann, immer aber b rutal unb eigenmächtig, fomman*

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18 ©c hubar t S ©ebichte.

birtc auch beit außerbienftlidhen geituertreib ber ©olbaten unb ju bie* fern Gnbe mußte ©dbubart ©ingfpiele, Äombbien verfertigen unb beit ©olbaten etnftubiren; eS erftanb auf bem ASberg eilte förmliche Gühne, bie bisweilen feibft vom #of unb vom $er*og beflißt rourbe. Gon Stieger erlöfte il)rt beffeu plötzlicher £ob im SJtai 1782; bie folgenbett Äontmanbanten, ©djeler unb £ügel, roaren milber unb ftreuitbltdjer. Sin S a^ r 1785 burfte er feine gefantmelteit ©ebichte — unb halb au$ feine Sieberfompofitionen — ßerauSgeften, roovon ber §erjog, ba fie in ber Guchbruderei ber $ohen «ÜarlSfdhule erfchienen, einen Profit non 2000 fl. be$og, roäßrenb ber gefangene dichter froh fein mußte, für ftch bie Hälfte biefeS GetrageS ^erau§jufdblagen. —

3m Suli beffelben SahreS burfte ettblicf; ©chubartS © attin mit ben Sförigen einige STage bei bem ©efangenen jubringen (vgL baS ©ebicfit: w2>er glilcflidhe Ghemann"). Gnblidji brachte ihm eines feiner ©ebic^te feilte Befreiung. 2>er §t)tnnuS auf ftriebridj ben ©roßen, im 2Jiära 1786 entftanben unb im felben 3af>r im jroeiten Ganb ber alabemifdfjen ©anttn* Iung ber ©ebichte erfchienen, hatte einen ungeahnten Grfolg. Gon einem in Gerlitt veranftalteten Ginjelbrudte mürben am $age ber Ausgabe 7000 Gjemplare verlauft; bie SEBadhe vor bem £aufe mußte bem An* brange mehren; eine ©chubartbegeifternng ergriff bie Kation unb enb* lieh legten fich ^ßerfonen ber löniglichen Familie unb f^riebrichS Ka$* folger, ^riebrich SBilhelnt II., feibft ins SWittel; am 11. 9Jlai 1787 er» jdhien Äarl mit fJranjiSfa auf bem ASperge unb erllärte bei ber Sßarab« plö^lid^: „©dhubart, Gr ift frei."

Gr mürbe nun mit einem anfehnlidheit ©ehalt £ofbid)ter unb $u* gleidh SMreltor beS ©dfjaufpielS unb ber beutfdhen Dper. ©ein §aupt* gefchäft mar bie ftortfebung ber Ghronff, bie er nun „Gaterlänbiftfe Gh^onif" unb feit 1790 „Ghronil" fchlechtmeg nannte, roetl fie ftch fortan» ohne bem engeren Gaterlanbe ungetreu ju merben, vor*ugSroeife mit bem begonnenen $>ranta ber franjöftfcheit Revolution befchäftigte. ©e fehr er iefct ftdh für biefe große Gegebenheit begeifterte unb fo feurif er bie Keufranfen pries, fo bürfen mir barauS burchauS nicht auf eine im innerften ©runbe revolutionäre ©eftnttung beS Richters fdhließenj bie äußere Aehnlichleit mit Danton barf uns nicht ju biefem übereilte* ©d&luffe verleiten. Gei längerem 2eben hätte ©chubart geroiß ben po< litifchen GtttroicflungSgang feines gefeierten fllopftod burchgemacht, ber juerft für bie Revolution fchroörmte, um fie nachher §u verbamnten; überbieS finben mir in ber Ghronif ©teilen in ^oefte unb Sßrofa genu<v melche bie Ausartungen ber ©taatSumroäl^ung bebauern unb über grei* heit unb gortfcbritt ftch auf eine SBeife auSfprechen, mie fie ftch för einen beutfchen Patrioten unb einen ©efchid&tSfenner gejientt S» übrigen mar fefct ©chubartS geiftige Äraft gebrochen. Augsburg unb

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©e b u b a r t s ©ebicbte. 19

Uim Ratten noch bie Sirbeitcn über (Siemens XIV. unb baS Seben 3 d 5 ftabtS, eines bairifcben ©elebrten anb «Staatsmanns, gebracht; in oer* jcbiebenen gettfcbriften mären aiuffäfce literar*fritifcben SnbaltS er* jebienen, bie ihn als ben bebeutenbften Ä ritiler SübbeutfcblnnbS in jener 3eit jeigen, roie ihn Sernbarb ©euffert (in ber literarifeben Sei* läge ber ÄarlSruber 3ettung, 1879, 9lr. 27) mit SJtecbt nennt. Unter ben (Erzählungen ber Ulmer 3 e^ ift ber „Seitrag ju r ©efebiebte beS menfcblitben ^erjenS" baburdb febr merfwürbig, bafj fie feinem SaitbS* mann © filier ben Stoff ju feinen Räubern geliefert bat; Dom 21S* perg ftammen bie SebenSbefcbreibung unb bie Dleftbetif ber Sonfunft; bie oielen ßomöbien, Sragöbien, ©ingfpiele, bie er bauptfäcblicb auf StiegerS ©ebeifj oerfafjte, ftnb oerloren gegangen. SJtacb bem SISperg fet$te er faft nur noch feine ©broitif fort, bie aber wenige ©puren beS alten geuerS jeigte unb ibn bei aller Sorfidjt, bie er beobachtete, boeb in oerfdjiebene Unannebmlicbleiten oermidelte. Gr lebte ben Sag über gewöhnlich im Äreife feiner ¿familie als gemütlicher ©atte unb Sater, 2lbenb3 mar er im ©aftbof jurn 2lbler in S tu ttg art ju finben, mo er eine SJtenge ©äfte bi” 309* Unter biefen zeichnete ficb bureb berben Sfta* turmib unb bureb feine Seiftungen im Srinfen fein ^alftaff, Schiefer* beder S a u r, aus (ogl. baS (Epigramm auf ihn), ber nach beenbigtem ©elage, um ficb tu ber 3 abl ber getrunfenen ^lafcben nicht ju irren, bie bei jeber glafcbe eingejtecften ißfröpfe berauSjog unb jufammen* Zählte. 2lber ber 2lbftanb jmifdieu bem 2l3perg, mo er täglich jroölf Äreujer ju oerjebren hatte, unb biefem neuen Seben mar ju ftarf, als bafj ©ebubarts Statur ihn hätte auSbalten fönnen. (Er mürbe bief unb träge, machte ficb ju menig Semeguug unb nahm jufebenbS ab. ©egen ben §erbft befiel ihn ein ©cbleimfteber; febon mar er beinahe genefen, als ein SRüdfaH ihn aufs neue niebermarf. 21m 10. Dftober 1791 ftarb er im Sllter oon 52 ¿obren 6 SJtonaten 14 Sagen, unb mürbe am Zwölften auf bem ©pitalfircbbofe (bem fogenannten §oppelau) begraben. Äein Senlm al bezeichnet fein Örab; brei Heinere Senfmäler ftnb ihm in Dberfontbeim, ©eijjlingen, Ulm errichtet. 2Jn feinem ©eburtSort bängt am ©cbulbaufe eine Safel mit ber Sfnfcbrift: „3 n biefem $auS ift ber Sichter ©ebubart geboren ben 26. SJtärj 1739." 2lm ©eifjlinger alten ©djulbauS bei ber Äircbe bat er eine ©ebenltafel, beren Ueber* febrift lautet: „Schubart lehrte von 1763—69 a. d. Schule.“ Som it Ulm nicht jurüdblieb, hielt ^rofeffor ^reffel, jefct 9teftor in §eilbronn, 1861 einen febr anfpreebenben Sortrag über „©ebubart in Ulm", ben mir oben mehrfach benüfct haben. S e r SRebner lieft ihn bruden unb oon bem (Erlös bem Sichter eine weif$*marmorne ©ebenftafel an bem §auS, baS er in Ulm bewohnt batte (IRotb’fcbe 2lpotbefe), fefcen. — ©ebubarts © attin lebte nach bem Sobe ihres ©atten in ärmlichen Um*

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20 ©dj uba r t S ©ebidjte.

ftänben juerft in Tübingen, nachher in S tu ttg art, tno fie, crfraitft, im fogenannten ipfleghaufe, einem ^ofpital für franle $ofbiener, am 25.1 J a n u a r 1819, fcchSunbftebjigiährig, ihr lummernolleS $)afein befd)lofs.' — $>er Scrräther ©dhubartS, Älofteramtmann Scholl non Slaubeuven, J ber wegen „feiner § ra u unb 11 lebeitbigen Äiitbern" bie Untljat Übernom* men hatte, ftarb, ohne bie nom §erjog nerfprodhene „connenable SraitS* locirung" auf eine beffere ©teile erhalten ju haben, neradjtet unb an* gefeinbet, in hohem 2llter ju Slaubeuren. —

S)a3 befte Sienfmal für ©dfjubart märe eine genaue, Iritifd) ge* fid^tete unb berichtigte 2lu5gabe feiner SBerfe unb namentlich feiner ©ebichte gemefen; aber gerabe ba fehlt eS. ©ein Sohn Submig (geboren . 1766 in ©eifjlingen, 1789 preufifdher fiegationSfelretär, 1792 pcnfionirt, in S tu ttg art, roo er „©dhubartS ©harafter non feinem ©ol>n Siubwig | ©chubart 1798" herauSgab, geftorben 27. 2)ecember 1811) fammelte feines SaterS nermifd)te © Triften, bie 1812 nach 2. ©dhubartS £obe in jtoei Sänben ju 3üridh erfchienen. Sttefelben enthalten gar man* djerlei, aber non bebeutenben ©rjiähinngen unb Sluffäfen, tnie „Äri* tifche ©fata ber norjüglichften beutfd)en dichter" gar nicht bie 2litgabe ber 3eitung ober $ettfdhrift, roorin fte juerft erfdhienen, unb in beu SluSjügen unb ©teilen aus ©chubartS ©hronif werben nur bie Jal)r* gänge 1774, 1775, 1776, 1789 b e rü c h tig t. J n ber ©cheible’fd;en «u«» gäbe non ©chubartS SBerfeit famen bann im achten Sänbcfen als britter £heil ber nermifchten Schriften bie „im Jah re 1840 gefammelten unb mit einigen ©ebidjten oermehrten" SluSjüge aus ben Jahrgängen 1787, 1788, 1790, 1791 hittj«- ©anj irreführenb ift hier ber 3nfafc: „mit einigen ©ebidhten oermehrt"; benn bie in biefem nachgeborenen $th«l ber nermifchten Schriften enthaltenen ©ebidhte ftnb eben aus ben ge* nannten Jahrgängen ber ©hroni* genommen. — 9todh fchlechter gin| eS mit ©dhubartS ©ebichten. ©chubart ging mit benfelben non jehet (ngL oben), fchon in SWrblingen, Slürnberg, ©rlattgen hödjft nad)läfei| um. J tt SlugSburg unb Ulm rüdte er manches ©ebicht in feine Ghn* nif ein, auf bem SISperg bidhtete er, tnie oben bemerlt, gar mancher* lei, aber aufjer ben non ihm herausgegebenen unb nachher baju gefüg* ten ©ebidhten ift alles nerloren. ©r felbft fagt im Sorbericht ju® erften Sanbe: „üRie hab’ ich ein ©ebicht, einen profaifchen 2luffafc obef ein ßlaoierftüd auSbrüdlicf für ben 2)rud beftimmt. Jd) machte ft* meift für meine ^reunbe, ©chüler unb Schülerinnen, unb lief} fte ba* mit als ihrem ©igenthumc hänfen." 2)ie ©ebichte flogen, fagt Saue« roie leichte ©ommerfäben in ben ^anbfdhriften non bem Werter aui unb fanben weite Serbteitung. ©in betriebfamer ttlmer SuchhünbW ftellte fte als „©ebichte auS bem Äerfer" nach fchledhten, fehlerhafte« Slbfchriften 1785 jufammen unb lief fie in 3 bruden. $>a bat

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2 t

Sdhnbart um bic (Erlaubnis felbft feine ©ebichte fammeln ju bürfett, unb erhielt fte. $)iefe Stu ttg arter 2lu3gabe, bie in Scheible’3 A us­ gabe von SdfjubartS 2Berfen baS britte unb vierte Sftnbchen füllt, ent« hält nur fehr roenige, aber voHfomnten fixere dhronologifche Angaben. 2Bir laffen au8 mehreren ©rünben S<hubart§ SJorreben ju ben stuei 93änben folgen.

S c h u b a r t S ©ebichte.

^ o rß e rid jt jum erffen Baut».

£ ier ift biefenige Sammlung von ©ebld)ten, bie ich theil§ im @e* fängniffe, theilS in ber fjreiheit verfertigte, ©rftere meint’ ich in ber 9iadf)t be§ Jam m ers nieber; biefe macht’ id) meift im Taumel ber Sßelt, im ©lutgefüfjl ber Sugenb unb ^eiligen Freiheit. 2fcenn bie ©rgüffe meiner büfterften ©mpftnbungen im fü n fte ber ©infamfeit bereits man* d^en £örer unb Sefer gefunben fabelt, jo ift mir bie§ leicht erflärlich. $)ie 9Jienfdhheit ift noch fo gut, hat noch fo manche unverborbene Seite — mit bem ©ntjüdfen be§ Rimmels fag’ ich bieS — baff ber verfdhricenfte SBÖ$mid)t am Äerfergeflüfte ftufct, au§ ber bie Stimme beS ©lenben auffchreit 3 $ ha&,§ mit 2tugen gefeheit, mie bie von SBelttuft unb roilber Seibenfd)aft verjerrteften ?p^ftognomien, roenn fie eben im S3e* griffe roaren, eine laute Sache über irgenb eine mifjverftaubene SBa^r* heit auf^ufd^Iagen, ftch plötzlich in bie galten be§ GrnftS legten, menn ©aUioten mit ihren Äetten vorüberraffelten, ober menn ber gelbe ©e* fangeite burd)8 ©ifengitter bliefte. — ©inige, unb jmar bie ebclften Seelen, nähern ftdh fo gerne ber leibenben SOIenfdjljeit, fte ftnb nid^t efel beim Slnblicfe ber Sumpett, bie ba9 ©erippe beS 3 nmmer5 bedfen, ftnb ftarf genug, ^injublidfen aufft faule Stroh, roo ber ^effelbelabene liegt unb mit Schiefer Stunben mie £age unb SDlonbe mie Schaltjahre in bie ^elfenmanb gräbt. Qenn bie gute Seele möchte gerne ben ©eift be§ ©lenben erquidfen unb mit Samaritaitermilbe SBalfam in feine 2Bun* ben träufen. Sluch folche 2Rcnf<hcn — £eil m ir! — lernte idj fennen, unb ich bin feft überjeugt, bafj ich bie gute Aufnahme einiger fd^ott von mir befannten ©ebichte mehr biejem angebornen SDtitgefüljle mit frem* ber Iftotfi, al§ ihrer innern ©üte ju verbanfen habe.

£)och mär’ e3 ftotje $)emuth, menn idfj nicht auch glaubte, ba& man* <f)c§ ©ute, ©rbaulid^e, ¿Natürliche unb Schöne in biefen ©ebidhten ent* halten märe. 3 $ fühle, ma§ ich fdfreibe unb rebe; ich h°ffe ben Schrei* ber unb Schmäler, bem eroige Sügen au§ ber ^eber unb von ben Sippen fprnbeln, meil er nicht fühlt — ober roeldheS mir einS ift — nicht meifj, maS er fagt. 3Hit biefer Slttlage mufjt’ e§ mir freilich gelingen, manch* mal roa5 ©ute« §u fagen, ju fchreiben, auch bie Saiten nicht ohne SBirfung ju fchmingen. —

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22 <Scfjubart§ ®ebidjte.

ein Älaoierftttd auSbrüdliH für beit $>rud beftimmt. S $ maHte fie metft für meine ^reunbe, meine «Spüler unb ©Hüterinnen, unb lief* fte bamit als tljrem ©igentßume Raufen. $)arau§ entftunben einjelne SIbbrüde, unb enbliH bie fürjliH IjerauSgefommene ©Hmeijerfammlung, bie alte mit finnlofen £)rudfe§lern oerunftaltet fepn mußten, »eil man miH ntdjt babei ju JRatlj jog, unb oft bie abgefubeltften £anbfcf>riften gebrauste.

Unb auH Ijier Ijätt’ tdj noH fülle gefHnnegen, menn m ir nidjt le$# tere 2lu3gabe, mooon manHe ©ebiHte nic^t einmal bie meinigen finb, Serantroortung jugejogen §ätte. SH mußte oom Stro^feffel einmal auffteljen, unb mir enbliH non ©eiten meines gnäbigften ©ebieterS bie Erlaubnis ju erflehen fuHeit, eine eigene 2lu§gabe meiner ©ebiHtc unb profaifHen 2Berfe ju r Rettung meiner ©fjre unb jum beften meiner Familie beforgen ju bürfen. S $ erhielt biefe erflehte ©rlaubniS, unb lege hiermit meine ©ebiHte ben 2tugen be§ ißublifumS bar — mit einer ©mpftnbung, ber iH feinen tarnen ju geben meiß.

Smmer fjab’ iH ntein JBaterlanb t>erjliH unb bieber geliebet, ßab' oft fü r meine lieben 2>eutfHen auf bem ¿iegelboben meines einmaligen engem ÄerferS gelegen, gebetet unb gemeint, baß iH miH niHt nteßr anfHIießen burfte an bie eble SWämterfHanr, um mit ifjr gemeinfHaft# IiH für bie ©ßre beS ©anjen arbeiten ju löitnen. Unb nun tret’ iH mieber mit ber 23egünfttgung meines guten dürften Ijeroor, unb felf bir mieber, SBaterlanb, bu mir fo te u r e s 83atertanb! ins ©eftHt, fHüttle ben ©taub non meinem ©emanbe, biete bir bie roarme £anb unb meine bie £f>räne beS SBieberfeljenS.

SBüßteft bu, in rnelHer Sage iH bie meiften meiner Sieber fang, mie iH ftc oft meljr n i e b e r b l u t e t e als n i e b e r f H v i e b ; unb — boH eine 2Botfe ßülle meinen alten ©ram in 9taHt ein — ©enug, itir meine beutfHen SBrüber, iljr mürbet ©ott preifett, ber ben ©infamen tröftet unb i^m ©efang giebt.

2)a meine £obe3gefänge non mir in ber braufenben Sugenb nieber# gefHrieben mürben, fo mußten moßl bie frommen ©mpfinbungett, bie fanften, liimmelaljnenben ©ßriftengefüfüe unter einer Sana poetifHer $lo§feln niHt feiten erftiden. Unb boH ftnb biefe Sieber niHt of>ne Segen geblieben. 2Ran l>at einige baoon in anfetjntiHe Sieberfamm# lungen eingerüdt, unb SWänner oon ©efHmad ßaben fte iljreS SBeifaüS unb H rer 9leoifion gemürbiget. SH ^u6e alfo if>re SBerbefferung um fo miüiger übernommen, als eS unS noH immer an einem iSorratlje guter, auf gemiffe inbioibueHe Umftänbe geriHteter ©terbclieber feljlt. SßenigftenS foKen fte einige Süden füllen.

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©¿ h u b a r t ? ©ebidfjt«.

¡3$ fönnte fchliefjen, wenn mich nidf;t bei meinem neuen Auftritte oor bem Spublifum bie ^eiligfte aufforberte, ben großen unb eblen 9Renf<hen, bie ich theil? fenne, theil? nicht fenne, ben lauteften, ^erjig* ften Sanf für ben thätigen 2lntf)eil aujurufen, ben fie an meinem ©dhicffale genommen ^aben.

©celen, bie ihr oon eurer fttnftigen S3erflärung fdjon ^ier fo hetr» liehe ©puren tragt — fo roie ber golbne 9Korgen oom tjeiterften grüh* ling?tage — ich blide i>in nach euch oom Sßalle meiner S3efte, fo roie if>r roohnt unter allen oier SBinben — unb mein heiffcv inniger $)anf jerflteßt in ben ©eufjer:

®u fennft fte ja , bie ebten ©eelen alle, bie bein ©benbilb ab» ftrahlen; o lohne fte SHUbelohner, Sanier, »oH £ulb unb ©nabe! mit iebem ©egen, ber Ijier ber SBunfch be? S ß e if e n , unb bort ba? ¿erlangen bc? © T rifte n i f t !!

3luf ber SBefte 2l?berg im ÜJlai 1785.

S c h u b a r t.

23

^*orßeri<f)t jutn jtn^tten |£ a n b .

¡3dh hätte ben jroeiten Streit meiner ©ebichte mit feinem 33orbe* richte begleiten bürfen, roenn nicht ber ^inblicf auf eine fo grofje 2ln» jaht ©ubfcribenten mein $er$ in banfbare 93erounberung oerfenft hätte. SBeldh eine anfehnliclje, all meine ©rroartungen roeit übertreffenbe 9teihe oon großen, erhabnen, roürbigen, eblen unb biebem ÜDtenfchen meine? SBaterlanbe?, roooon ich taufenbe fenne, taufenbe nicht fenne! Unb roie befchämt fteh' ich in ber SJlitte biefer ©lanjfdhaar, roiU ftammeln mei* neu ®anf, unb mufj oerftummen; roiU bieten bie glühenbe Necbte einem jeben unter ihnen, unb fiehe ba! fte entfinft mir unb fchroanft an ber <Qüfte. $afj ich mich nie an meinem 33aterlanbe täufchte, ba? roetfj id). $>af? ©röfje in ber Stille, Roheit in ber Siemuth, £ h Qtenbrang bei an» fdjeinenber SRuhe, £erjlichfeit unb 93ieberfeit unb ©infalt bein ©igtte? fei, Teutonia; ein ©igne?, ba? bei allem 2)rud unb groange ber rnel» föpfigen §errfdhaft, ber 9Jlobe, ber finbifchen Nachäfferei frember Sitte, ber ©pnarchie unb be? roinjigen ©efchmade? nodh allenthalben burch* blifct; ba? fah ich intmer unb feh’? noch- 2>afj unter feinem SBolfe ber 2Belt mehr roahre SNenfdhlichfeit, mehr XThötcnrcIigion, ©hriftu?jtnn, SDUtleib unb £ilfe, oft bei fo weniger äußern ¿traft anjutreffen fei, al? unter bem 33olfe, ju bem ich gehöre; ba? roufjt’ idh, unb fyaV e? an mir felbft in ben 3*iten meiner fchroeren Sichtung erfahren. 2Bie mich ba? freut; roie idh fo banfbar hinauffchaue ju ©ott, unb bie ©tragen» redete fiiffe, bie ben ©df)ilb über mein ¿aterlanb hält; roie idh °or ©nt»

(30)

24 6<f>ubart8 ©ebtd&te.

jücfen weine, wenn bie 2ll>nung oon TeutfdjlanbS fernem unb immer wa^fenben §errlid)leit mi3> burdjfdjauert: baS fann id> mit SBorten nid^t fagen, wenn fte aud)

— gleich bem Strome beS SergeS non ben Sippen mir brauften.

9Jiein Serftummen mög’ alfo für ben berebteften Tanf gelten. Tod* bemalt’ idfS mir oor in meinem SebenSlaufe (id> fe$t’ i^n me$rentf>eilÜ f in ber 2lbfic$t auf, um manchen auf ber SBoge beS SebenS ju forgloS fegelnben Jüngling oor ber Älippe ju warnen, an ber icf> fdjeiterte), nic^t wenig grojje unb eble Seelen ju nennen, bie mir in meiner ■ Trangfal fo freunblidj bie Sruberfjanb boten, ©ott roirb e§ befto lauter tl)un, am Tage, wo er £erjtljaten mögt unb lof>nk

3JZöc^ten unter meiner ©ebid&tfammlung wenigftenB einige fein, bie ber Äenner mit Seifall frönt, weil fie eS oerbienen! Stenn id) fo man* d>e3 @elegenl)eit3gebid>t in meine Sammlung aufnafjnt; fo weif* id> bieS nur mit meiner Sage unb mit bem Taufe ju entfdjulbigen, rooju ntic^ * genannte ißerfonen oerpflidjtet Ijabeu.

UebrigenS erfuhr idfs fo fe§r, als eS Je ein Tidjter erfuhr, wie bie äufjern Umftänbe fo mächtig auf ben ©eift wirfeu. ¿eiterfeit, \ Saune, freier S $ e rj unb ein geroiffeS hellauf fdjiett non Sugeub an ba§ ©igene meiner 27lufe, wie meinet Temperaments ju fein unb ju bleiben. 3 $ mar fo gern auf ber SBelt; id) füllte bie SBonne beS TafeinS bis jum auSgelaffenften ©ntjücfen, lief* ntid) non ben üJienfdjen fo willig brängen unb brüefen unb ftofjcit; aud) weilte bie fjreube fo j gerne bei m ir; benn idj fofte fie, Ijielt fte freunblid) bei ber §anb unb lächelt’ i^r fo battfbar unters 2luge; audj lieft fte mir immer ein buf* tenbeS S t r ä u ß e n jurücf, wenn fte mief) oerlieft; eine folcf)e Sage unb Stutmifdjung l)ätte bann gewift meinem ©eifte eine anbere Stiftung unb meinen ©ebidjten einen freiem , frifdjern, ftttjnern Ton geben m ü ff e n !

Slber ber ernfte 2lrm beS SdjicffalS winft; unb wie ganj anberS ift nun aUeS! Son Slumengefilben feljrt ftd^ ber ©eift ab, unb weilt am liebften auf ©räbern. Tenn tra u n ! wer fann *lad)en, wo er wei* nen möchte; Reiter fein, wo ber ©ram jebe HJiiene oerbüftert, auf* I jauchen in §od>gefcirbten Tönen, wo bie Stimm’ im flagenbeit weichen ] F erftirbt!

9iur bie ©ebirgtyölje ber greiljeit weitert bie Seele, unb ber Äitecfjt* fd^aft ©eflüft oerengt fie.

£o£enaSperg im 9flärj 178G.

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