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Briefe der Kaiserin Friedrich

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Academic year: 2022

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(1)

B R I E F E

DER

KAISERIN FRIEDRICH

(2)

B R IE F E D ER

K A IS E R IN F R IE D R IC H

(3)

UNIW ERSYTET G D A Ń S K I In s ty tu t H is to rii

u l. W i t a S t w o s z a 5 3

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B R IE F E D E R J_L' V K A IS E R IN F R IE D R IC H ’ ;

H E R A U S G E G E B E N V O N

SIR F R E D E R IC K PONSONBY

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VERLAG FÜR K U LT U R P O L IT IK / B E R L IN

(6)

AUS DEM E N G LIS C H EN Ü B E R TR A G EN VON ANTON M A YER

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ALLE RECHTE VORBEHALTEN

COPYRIGHT 1929 BY VERLAG FÜR KULTURPOLITIK. BERLIN DRUCK VON OSCAR BRANDSTETTER IN LEIPZIG

PRINTED IN GERMANY

(7)

IN H A LT

Seite

„Die Briefe meiner Mutter.“ Einleitung von Wilhelm II. . . IX

I Geburt, Erziehung und H e ir a t... i

II Frühe Jahre in P re u ß e n ... 14

III Der Krieg gegen Ö sterreich... ...59

IV Der Krieg von

1 87 0

...74

V Bismarck und Rußland,

1871— 1 8 7 8 ...

r . . .

138

VI Die Kronprinzessin und ihre F a m ilie ...

178

V II Auswärtige Angelegenheiten,

1878— 1886

199 VDI Prinz Alexander von Battenberg... 2I2

IX Die Krankheit des Kronprinzen F rie d ric h ... 239

X

San Remo

...

267

X I Die Regierungszeit des Kaisers F riedrich...

305

X II Kaiser Wilhelm II... 337

X III Das Kriegstagebuch Kaiser F rie d ric h s ... 359

X IV Kaiser Wilhelms Besuch in England,

1889

...

387

X V Der Sturz des Fürsten B ism a rck... 409

X V I Caprivis Kanzlerschaft...439

X V II Die letzten Jahre... 475

R e g is te r...500

V

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VERZEICHNIS DER BILDER

Seite

Die Kaiserin Friedrich, 1900 III

Prinzessin Victoria (The Princess Royal)... 8 Die Kronprinzessin, 1 8 8 0 ... 26 Die Kronprinzessin und Prinz Wilhelm, 1 8 7 6 ...144

V I

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In England sind Briefe der K aiserin F ried rich , m einer Frau M u tte r, verö ffe ntlicht worden, die der vorliegende Band enthält. Ich w ill nicht w eiter untersuchen, auf welche A rt und Weise diese Briefe wieder nach England gelangt sind, die noch bis kurz vor ihrem Tode im Besitz meiner M u tte r waren, da sie sich von Ih re r M ajestät der K ö n ig in V icto ria , m einer Frau G roßm utter, die Briefe zurückerbeten und nach Deutschland hatte kommen lassen. Was sie da­

m it w ollte, drückte sie meiner Frau G roßm utter aus in einem „M em orandum über die Sammlung von M aterial fü r eine Lebensbeschreibung von F ritz “ — meines H e rrn Vaters.

„D a ich niemals ein Tagebuch geführt habe, bestehen die einzigen Dokumente unserer dre i­

ßigjährigen Ehe in den Briefen an meine liebe Mama und in meiner Korrespondenz m it F ritz . D ie liebe Mama würde m ir einen unendlichen D ienst erweisen, wenn sie gestattete, daß eine diskrete Vertrauensperson unter S ir T h . M ar­

tins Le itu n g Auszüge aus meinen Briefen an sie anfertigte, welche die politischen Ereig-

IX

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Briefe der Kaiserin Friedrich

nisse, Hofangelegenheiten und unser Leben hier usw. betreffen, m it dem Endzweck, daß ich eine Auswahl dieser Auszüge machen und übersetzen lassen kann.“

W ie w eit meine M u tte r in einer solchen Aus­

wahl gehen w ollte, ist unbestim m t.

W ie dem auch se i: ich w ill m ich auch nicht da­

m it beschäftigen, wie w eit m it der V eröffentlichung in England die Absichten der K aiserin e rfü llt worden sind. D ie V eröffentlichung lie g t vor, und ich wünsche, auf dem Standpunkt des Sohnes ebenso wie der die ganze W ahrheit zum Schlüsse stets selbst erkennenden Geschichte stehend, daß kein Versteckspiel und keine Verdunkelung m it einem so großen Dokum ent getrieben werde, wie es im Ganzen und A llem die Briefe meiner Frau M u tte r sind. D ie deutsche Ausgabe ent­

hält sie in vö llig unveränderter Form und v o ll­

zählig gegenüber der englischen V eröffentlichung.

Es w ird ein jeder von selbst die Persönlichkeit und die Schwere der Z e it erfassen, die in dieser nach In h a lt und Bedeutung beispiellosen Samm­

lung niedergelegt sind.

M eine Frau M u tte r, die ,,Princess Royal“ , wie sie bei sich zu Hause, am Hofe und im eng­

lischen Volke genannt wurde, kam nach Deutsch­

land als eine blühende, durch ihre Schönheit alle

X

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bestrickende, hohe Dame, deren große geistige Begabung und Bedeutung sich sofort überall G eltung verschaffen mußten. Sie kam aus einem Lande, das m it dem K o n tin e n t in ne rlich n u r wenig zu tu n hatte, das seit Jahrhunderten ein eigenes Leben geführt und eine eigene E ntw ick­

lung gehabt hatte, anders als die Ü berlieferungen und das W achstum des Landes waren, in das sie einzog. D ie L u ft großer Staatsmänner, häu­

fig e r gedeihend auf des nebligen Inselreiches Bo­

den, als anderswo, die L u ft eines in selbständiger P o litik erzogenen und seine Söhne im m er w eiter erziehenden Volkes hatte sie stets um weht. D ie

„Princess Royal“ war die T ochter einer großen, alles überragenden K ö n ig in , die, bedeutender als K atharina von Rußland und glücklicher als die K aiserin M aria Theresia, im Reichtum des mäch­

tigsten Volkes der Erde, das sich ih r in Verehrung beugte, einem ganzen Z eitalter das Gepräge gab.

V on der K ö n ig in V icto ria von England hat meine Frau M u tte r viele Gaben geerbt, und zu dem m ütterlichen E rb te il kam noch das väterliche Erbe eines so hochbedeutenden Mannes, wie es der Prinzgemahl war. D ie westliche Demokra­

tie , wie sie im reinsten Sinne in der großen K ö n ig in und in ihrem Gemahle lebte, mußte von selbst auch in der „Princess Royal“ jungen

X I

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Briefe der Kaiserin Friedrich

Seele sein, die alle Fortschrittsideen lebhaft be­

wegten, sowie ih r starker In te lle kt sie feurig auf­

genommen hatte. Sie hatte viel gelernt als K in d , sie sprach mehrere Sprachen so gut wie das Englische, sie hatte eine so gewandte A rt, sich s ch riftlich auszudrücken und faßte schon als junges Mädchen politische Probleme ih re r H e i­

mat so glänzend auf, daß ih r H e rr Vater, der Prinzgemahl, sie bald als seinen besten Sekretär verwendete. Aus dem freien, ungezwungenen V er­

kehr m it den großen Fam ilien des Landes, aus der behaglichen A rt, wie man damals schon längst in England lebte, kam meine Frau M u tte r, glühend vor Liebe zu dem Manne, den sie sich erw ählt hatte, glühend vor Tatendrang, dem Lande zu nützen, in das ih r hoher Gemahl sie fü h rte , in die neue preußische H eim at.

Ich habe o ft daran gedacht, wenn ich m ir die G efühle meiner M u tte r dabei vorstellte, wie einst dem ersten K u rfü rste n von Brandenburg zumute sein mußte, als er aus einem ganz anderen, süd­

lich sonnigen Lande m it reichen Städten und längst blühenden K u ltu re n nach dem ernsten strengen N orden hinaufgezogen war. D ie neue Kronprinzessin von Preußen richtete sich bald ein, zumal es sich im kargeren, wenn auch nicht wie England reichen Preußen schließlich gleich­

e n

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falls leben ließ. Anders aber als m it den Äußer­

lichkeiten eines Hofhaltes, m it der Geselligkeit und den Annehm lichkeiten des täglichen Lebens, verhielt es sich m it dem U m und A u f und m it dem Wesen der neuen politischen Atmosphäre, die je tz t der Lebensinhalt der Kronprinzessin sein mußte. D ie Preußen waren keine Eng­

länder. Sie hatten eine andere Geschichte, an­

dere Vergangenheit, andere Überlieferungen, ih r Staat war anders gewachsen und geworden, als der englische Staat, sie waren K ontinentale. Sie hatten einen anderen K önigsbegriff, die Klassen­

begriffe und die Klassenunterschiede waren an­

dere als in England. D ie Kronprinzessin sah und mußte sehen, daß das preußische V o lk viele D inge n ich t oder noch n ich t hatte, die in ih re r H eim at altgewohnt und selbstverständlich waren.

M it Feuereifer ging meine Frau M u tte r daran, in der neuen H eim at alles fü r den Bau eines Volksglückes vorzubereiten, was nach ih re r eng­

lischen Erziehung, Überzeugung und W eltan­

schauung allein das Volksglück ausmachen konnte.

Sie liebte meinen Vater abgöttisch, der selbst die westliche E ntw icklung der V ölker m it Sympathie ansah und fo rtsch rittlich e n Neigungen auch fü r die eigene Heim at aus Überzeugung huldigte, von ihm m it nicht geringerer Leidenschaft, als

X I I I

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Briefe der Kaiserin Friedrich

sie fü r ih n hatte, auf den Händen getragen. Es ist m öglich, daß manches W ort meiner Frau M u tte r n ich t ohne E inw irkung auf politische E r­

wägungen meines H e rrn Vaters waren. Aber durchaus selbständig, im Denken und Handeln rasch und bestim m t, ist er, auch in der Z eit seiner K ran khe it, zu seinen entscheidenden E n t­

schlüssen zweifellos von selbst gekommen. Da meine E lte rn in jeder Beziehung harm onierten, in ih re r Zuneigung zueinander, wie in den p o li­

tischen Überzeugungen, w ird es kaum je eine D ifferenz zwischen ihnen, denen gemeinsamer Liberalism us der G rundton war, gegeben haben.

Manches mag meine Frau M u tte r ve rtie ft und an englischen Beispielen und V orb ilde rn aus­

gebaut haben. Sie waren w ohl im m er eins, o ft fre ilic h auf einer frem den Insel.

In dieser neuen H eim at der ,JPrincess Royal“

waren ganz andere Verhältnisse, als in England, und fü r das preußische V o lk war es ganz natür­

lich , daß preußische M änner seine Geschicke lenkten. Sie m ußten es so tun , wie es nach ih re r besten Überzeugung aus der Vergangenheit und Gegenwart heraus fü r Preußens Z u ku n ft am besten war. Meine Frau M u tte r hatte andere Überzeugungen, wie ein V o lk zu führen sei, als m ein H e rr Großvater, und es fand sich von

X IV

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ih r, die in regem politischen Gedankenaustausch m it ihrem H e rrn Vater stand, keine Brücke zu einem Manne, wie es der überlebensgroße, von einem alles beherrschenden W ille n getragene F ürst Bismarck war. E in K ro n p rin z hat im m er eine besondere und sehr o ft von K risen umgebene Stellung, die aus seinen natürlichen Rechten entspringt. Zum al in unserem Hause hat sich das o ft gezeigt. M ein H e rr Vater, um n ich t w ei­

te r zurückzugreifen, hatte andere Auffassungen als K ö nig W ilhelm , und über manche Dinge dachte ich anders als m ein H e rr Vater. In der großen, krisenhaften Z e it um 1888 war es so, daß drei Auffassungen n ich t im m er im Einklang waren: die des K ronprinzen, meines H e rrn Va­

ters, die meines H e rrn Großvaters und die des Sohnes des K ronprinzen. In diesen vie lle ich t unverm eidlichen Zwiespalt der sich zur Folge bestim m ten Generationen wurde meine Frau M u tte r mitgerissen. Sie stand schon in glanz­

vollen Tagen in der trad ition ellen K ronprinzen­

fronde.

M ein H e rr Vater war ein ruhm gekrönter, vom Volke wegen seines Wesens, seiner Erscheinung und wegen seiner wahren M enschlichkeit ge­

lie b te r F ürst, der das Reich hatte m it aufrichten helfen. M eine Frau M u tte r blühte auf in dem

XV

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Briefe der Kaiserin Friedrich

sonnigen, reichen Glücke, in dem sie m it ihm lebte. Solange m ein H e rr Vater von Gesundheit strahlte, hatten die Gegensätze m it dem herr­

schenden System n u r K am pflust ausgelöst, nicht B itte rke it oder gar noch m ehr. Da kam der furchtbare, in seiner T ra g ik un erb ittlich e und unbarmherzige Schlag: mein H e rr Vater war verloren und dem Tode verfallen!

D am it beginnt der große, unendlich gramvolle Leidensweg meiner Frau M u tte r, ih r schmerz­

e rfü llte r, verzw eifelter K a m p f um Rettung. U m Rettung des angebeteten Mannes und zugleich um ihren Lebensinhalt, um alles, warum sie auf dieser Erde zu sein glaubte. Sie hat nach ver­

hältnism äßig kurzer Z eit kla r erkannt, daß meinem H e rrn Vater n u r eine kurze F ris t zum Leben vom Höchsten beschießen war. M eine Frau M u tte r tra f wie ein B litz die E rkenntnis, daß sie als H errscherin ihre Ideale nicht werde ve rw irk­

lichen können, oder daß sie nu r ganz kurze Z eit ih re r Geltendmachung werde dienen können.

M it ihrem ganzen, großen W ille n lehnte sie sich gegen ih r Geschick auf. E inm al scheint es und das war gewiß auch so — , als wäre n u r die E rhaltung des geliebten Mannes ih r oberstes Ge­

bot. Sie w ill ih n nu r im Süden genesen wissen, sie selbst w ill im m er um ih n sein, das natürliche

X V I

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Recht der Frau ist je tz t ih r erstes Gesetz, sie weist die Forderungen, jede Einm ischung zurück, die der Staat an die Frage der E rhaltung des Thronerben stellt. A ber in den Verzw eiflungs­

kam pf m it dem Tode um Gatten und Lebens­

glück kom m t doch die endgültige E rkenntnis:

zu spät! In den schweren Gram gräbt sich zu­

gleich die V erbitterung. Das Lebensglück ist verloren und auch die Lebensarbeit. Meine Frau M u tte r war alle Z eit ein sehr starkes, von mensch­

lichen und geistigen T iefe n her leidenschaftlich bewegtes Tem peram ent, das sich in normalen Tagen selten Zügel anlegte, wenn sie D inge aus­

sprach. Jetzt hatten ihre Nerven, die sie so über­

menschlich vor dem Kranken beherrschte, schwer gelitten. In England im m er bereit, aus Ü ber­

zeugung bereit, die beste Deutsche zu sein, in Deutschland im m er m it der Sehnsucht nach jenem anderen, schöneren England, sah sie nun überall Feinde, Abneigung gegen sich, ja , selbst an Haß glaubte sie. Von dem schweren Zwiespalt, in dem ihre Gesinnungen gegen die Gesinnungen des Fürsten Bismarck standen und um gekehrt, ging vieles auf die einzelnen Gesellschaftszirkel über, auf alle, die m it Bewunderung an dem Fürsten und dem von ihm vollbrachten Werke hingen. Was an sie herankam, w irkte doppelt

H B .K . F. X V II

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Briefe der Kaiserin Friedrich

schwer. Sie war em pfindlich. Alles verwundete sie. Sie war an schnelle W orte gewohnt und schrieb sie nieder. Sie sah alles düster, alles fein dlich , sah Teilnahm slosigkeit und K älte, wo n u r machtloses Schweigen war, sie sagte scharfe W orte aus ihrem Temperament heraus über alle.

In einem der Briefe an meine Frau G roßm utter, noch aus der Z e it des Glückes, heißt es:

„Ic h kann nichts dafür, wenn ich bei solchen Gelegenheiten heftig werde und unangenehme Bemerkungen, die ich höre, m it einer Vehe­

menz zurückgebe, die n ich t im m er klug ist.

Solche Reden rühren einen w ilden T ro tz in m ir auf und bringen m ich außer Fassung.“

Meine Frau G roßm utter, erhaben und klug, überlegen und in m ütterlicher Güte weise, be­

schw ichtigte und überbrückte, wo sie konnte.

A ber das unbarmherzige Schicksal hat an meiner Frau M u tte r zum Schlüsse alles m it G ram über­

schattet. D ie Tragödie war vollendet, als ih r großer und reicher, ruheloser und so unendlich vielseitiger G eist vor der U nm öglichkeit stand, zu säen, wie sie sich’s einst dachte, und zu ern­

ten, was sie einst erhoffte. Ob man ih r beistim m t, ob man ein anderes W e ltb ild hat, nie da rf man vergessen, daß sie das Schlimmste erfahren hat, das einer F ü rstin beschieden sein kann. D arum

X V III

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fä llt nichts auf sie zurück von dem, was sie o ft zu U nrecht, o ft in dem „w ild e n T ro tz “ und

„außer Fassung“ schrieb. A n Geist und edlem W ollen über den meisten ih re r Z eit, war sie die ärmste, unglücklichste Frau, die jemals eine Krone tru g .

M it solchen Erwägungen w ird jeder die Briefe der K aiserin F ried rich lesen müssen. In dem tragischen Schicksal der K aiserin ist das Schicksal dreier Generationen enthalten, die in drei M o­

naten einander ablösten. W eil m it den E reig­

nissen auch Deutschlands Geschick verknüpft ist, bleiben die Briefe meiner M u tte r fü r alle Z eit ein grandioses historisches D okum ent.

Noch späte Geschlechter werden es erschüt­

te rt lesen und dabei G erechtigkeit üben.

I * X IX

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B R IE F E D E R

K A IS E R IN F R I E D R I C H

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G E B U R T , E R Z IE H U N G U N D H E IR A T

Die Kaiserin Friedrich erblickte im Buckingham Palace 1840 am 21. November 1840 das Lich t der W elt. Obgleich es natürlich eine Enttäuschung bedeutete, daß als erstes Kind der Königin V ictoria und des Prinzen A lbert eine Tochter und kein Sohn geboren wurde, atmete das britische V o lk dennoch erleichtert auf, da die M öglichkeit einer Thron­

folge der Cumberlands in weitere Ferne gerückt schien.

Bisher war der nächste Thronanwärter der unpopu­

läre Herzog Ernst von Cumberland gewesen, der „H a n ­ noversche Oger“ , wie er ■ genannt wurde, dessen ab­

stoßende Gesichtszüge, durch ein schiefstehendes Auge betont, dessen nachtragender, schlechter Charakter, dessen reaktionäre politische Ansichten, dessen ausschweifendes Privatleben ihn bei der großen Menge des Volkes gleich­

zeitig verhaßt und gefürchtet erscheinen ließen.

Die Geburt der königlichen Prinzessin wurde in den illustrierten Zeitungen der Epoche m it einem Hagel von freundlichen, wenn auch nicht immer sehr gewählten K a ri­

katuren begrüßt, wie es damals Sitte war. Die kleine Tochter V ictoria Adelaide Marie Luise, nun die nächste zur Thronfolge, wurde im Buckingham-Palast am 10. Fe-

1841

bruar 1841 getauft. Als Paten fungierten Prinz Alberts Bruder, der Herzog Ernst von Sachsen-Koburg (infolge seiner Abwesenheit durch den Herzog von W ellington repräsentiert), Leopold, König der Belgier (welcher Ge­

mahl der unglücklichen Prinzessin Charlotte gewesen war),

1 B.K. F. r

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Briefe der Kaiserin Friedrich

Adelaide, die Königinw itwe Herzogin von Kent, die H e r­

zogin von Gloucester und der Herzog von Sussex.

Am 9. November 1841 wurde die britische Thron­

folge durch die Geburt des Prinzen A lbert Edward noch sicherer; im Laufe der Zeit folgten ihm die Prinzessin Alice (1843), und noch sechs K inder der K önigin V ictoria und des Prinzen Albert.

Sehr bald begann ih r Vater, Prinz Albert, der als jüngerer Sohn des Herzoglichen Hauses von Sachsen- Coburg die beste Erziehung genossen hatte, sich m it der Ausbildung der Kinder zu beschäftigen; besondere A u f­

merksamkeit widmete er der E ntw icklung der beiden Ältesten der „K öniglichen Prinzessin“ (Prinzeß Royal) und des Prinzen von Wales. Es ist interessant, die Resul­

tate seines Systems in dem Fall der königlichen P rin­

zessin m it dem des Prinzen von Wales (später E d­

ward V II.) zu vergleichen, da die erste vö llig in seiner Methode aufging, während der Prinz sich hin und wieder in Auflehnung gegen die endlose Folge von Büchern, V o r­

trägen und Lektionen befand.

Schon als K ind begann die Prinzeß Royal, die m it den 1845 Kosenamen „Pussy“ und „V ic k y “ bezeichnet wurde, die charakteristischen Eigentümlichkeiten ihres Wesens auszu­

bilden, welche den Schlüssel zum Verständnis ihrer Persön­

lichkeit bilden. Sie war erst drei Jahr alt, als Prinz A lbert dem Vertrauten der Familie, Baron Stockmar, schrieb:

„Pussy ist schon eine richtige kleine Persönlichkeit. Sie spricht m it großer Geläufigkeit in ausgewählten Sätzen englisch und französisch.“ (Die Kaiserin F ried rich: A Memoir, S. 10.) Indessen war deutsch die Sprache, welche sie im Verkehr m it ihren E ltern gebrauchte.

Schnell, geschickt, eigenwillig und munter, ließ sie ihre Brüder und Schwestern beim Lernen weit hinter sich zurück, während sie im Kinderzimmer und im Schulraum den jüngeren gegenüber die protegierende Manier gereif- terer Jahre annahm. Scharfe Beobachter hielten sie fü r

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überreizt und sogar fü r altklug, aber die Schnelligkeit des Denkens bildete keine vorübergehende Erscheinung, sondern blieb der Prinzessin bis an ih r Ende treu. Die geistige Disziplin, welche ih r der Vater durch frühe Übungen aufgezwungen hatte — ebenso wie seinem ältesten Sohn — verschaffte ih r die Gaben der Konzen­

tration und Assimilation, die sie niemals verloren hat. 1851 Die junge Prinzessin war kaum dem Kindesalter ent­

wachsen, als bereits Gerüchte über eine ins Auge zu fassende H eirat in U m lauf gesetzt wurden. E iner der ersten, welcher einen vernünftigen Vorschlag in dieser H insicht zu machen hatte, war Leopold I., K önig der Belgier, K önigin Victorias Onkel, Ratgeber und Freund, dem sie rückhaltlos vertraute. Indessen machte die T a t­

sache, daß ein junger deutscher Prinz bereits den E n t­

schluß gefaßt hatte, die Prinzessin zu gewinnen, K önig Leopolds Betrachtungen über die Vorteile, die aus ge­

wissen Verbindungen zu ziehen seien, überflüssig.

In Märchen passiert es häufig, daß Prinz und P rin­

zessin benachbarter Reiche sich treffen und ineinander verlieben, ohne daß ihre nachträglich entzückten Eltern etwas davon wissen, aber daß ein Roman dieser A rt im victorianischen England sich w irklich ereignet haben sollte, ist schwer zu glauben. Der etwas gestelzte und künstliche Romantizismus der fünfziger Jahre läßt ein so reizendes Id y ll kaum erwarten. Im Jahre 1851 tra f die Prinzessin zuerst ihren künftigen Gatten, den Prinzen Friedrich W ilhelm von Preußen, als ganz Europa von den W undern der großen Ausstellung im Hydepark wider­

hallte, die wie ein ironischer H erold den Anfang eines Jahrzehntes von Kriegen verkündete. Der junge Prinz war von seinem Vater, dem späteren K önig W ilhelm I. von Preußen, nach England geschickt worden, um Trium ph und Krönung des energischen Idealismus Prinz Alberts zu studieren; er weilte als Gast der K önigin V icto ria in London. Der schlanke und breitschultrige Mann von

1 * 3

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Briefe der Kaiserin Friedrich

schöner Gestalt schien der Rechte, um das Herz eines jungen Mädchens zu erobern; dazu kam eine gewisse Herbheit, die durch eine einsame Erziehung verursacht, der jungen Prinzessin wohl als ein weiterer Reiz erschien.

Friedrich W ilhelm war damals kaum zwanzig und hatte wenig von der W elt gesehen; er befand sich in Begleitung seiner etwas älteren Schwester, der Prinzessin Luise von Preußen, welche ihm sehr zugetan war. Als diese junge deutsche Prinzessin sich m it der Prinzessin V ictoria gut angefreundet hatte und fast immer m it ihr zusammen war, ergab es sich von selbst, daß die drei jungen Leute sich häufig ihrer gemeinsamen Gesellschaft erfreuen konnten.

Die Jugend der Prinzeß Royal bewahrte sie vor einer Überwachung, welche in jenen Tagen sich jedem Ge­

danken an eine Selbstbestimmung in Herzenssachen auf das schärfste widersetzt haben würde.

1855 Ende August 1855 besuchten K önigin V icto ria und Prinz A lbert den Kaiser der Franzosen, Napoleon I I I . und erwiderten damit die Staatsvisite, welche dieser ihnen im A p ril dieses Jahres abgestattet hatte. Die K önigin und ih r Gemahl nahmen die Prinzessin Victoria, die damals fünf­

zehn Jahre zählte und den Prinzen von Wales m it sich;

der Besuch machte einen bleibenden E indruck auf die junge Prinzessin. Die englische Königsfamilie wurde m it der größten Pracht empfangen; die bedeutendsten Sehens­

würdigkeiten von Paris wurden ihnen gezeigt; ih r kaiser­

licher W irt, der damals im Zenit seiner Macht und Po­

pularität stand, war unermüdlich aufmerksam und höflich gegen seine Gäste. „D ie Kinder benahmen sich aus­

gezeichnet und hatten den giößten E rfo lg ,“ schrieb die K önigin V ictoria am 1. September an Baron Stockmar,

„Napoléons Güte, seine verständige Freundlichkeit gegen

die Kinder waren groß ; sie haben ihn außerordentlich

liebgewonnen“ . „L e u r séjour en France“ schrieb sie dem

Kaiser am 29. August, „a été la plus heureuse époque

de leur vie, et ils ne cessent d ’ en parler.“ Die jugend-

4

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liehe Prinzessin hat die W under jenes Besuches niemals vergessen; als fünfzehn Jahre später das Unglück den Kaiser zur Flucht zwang, erinnerte sie sich lebhaft der Glückseligkeit ihres Pariser Aufenthaltes.

Prinzessin Augusta von Preußen, die M utter des Prinzen Friedrich, zog zuerst die M öglichkeit einer H eirat m it ihrem Sohne in Betracht; als sie aber einen Besuch in England m it der Absicht vorschlug, die Sache zu be­

sprechen, zeigte sich ih r Schwager, Friedrich W ilhelm IV . von Preußen, der von seiner russenfreundlichen Gemahlin beeinflußt war, dem Plane nicht gerade wohlgesinnt, so daß er fü r den Augenblick nicht ausgeführt wurde. D a­

mals war der K rim krieg auf seiner Höhe und die russi­

schen Sympathien des preußischen Hofes ließen eine Verbindung m it England durch H eirat nicht tunlich er­

scheinen.

D rei Wochen nach ihrer Rückkehr aus Frankreich begrüßten K önigin V icto ria und Prinz A lbert den Prinzen Friedrich W ilhelm in Balm oral; der Entschluß, die P rin­

zessin V icto ria zu heiraten, war durch die Opposition des preußischen Hofes in dem Prinzen nur verstärkt worden.

Nachdem Prinz Friedrich seine E ltern für seine Wünsche gewonnen hatte, entschied er sich, sein Glück zu ver­

suchen. Trotz den hohen Anforderungen, welche der Prinz­

gemahl ohne Zweifel an einen idealen Schwiegersohn stellte, konnte er in dem jungen deutschen Prinzen wenig Fehler finden, so daß die einzige Gegnerschaft von der Seite der Königin kam, welche der allzu großen Jugend ihrer Tochter wegen einen Aufschub fü r geboten hielt.

Ih r vernünftiger Rat schien die Oberhand gewonnen zu haben, als Prinz Friedrich sich weigerte, nach Hause zu­

rückzukehren, ohne daß man sich verständigt habe; auf seine Bitten gab die Königin V icto ria schließlich nach und erlaubte ihm, sich um ihre Tochter zu bewerben. Am folgenden Tage, dem 21. September 1855, schrieb Prinz A lbert an den E a rl von Clarendon:

S

(28)

Briefe der Kaiserin Friedrich

„Ic h will Ihnen im strengsten Vertrauen mitteilen, daß Prinz Friedrich Wilhelm uns gestern seinen Wunsch bezüglich einer Ehe mit der Prinzeß Royal mit voller Einwilligung seiner Eltern wie auch des Königs von Preußen unterbreitet hat. W ir haben, soweit wir persönlich beteiligt sind, den Antrag angenommen, aber die Bedingung gestellt, daß unser Kind erst nach seiner Konfirmation etwas davon erfahren solle, die im nächsten Früh­

jahr stattfinden wird. Dann mag er es ihr selbst mitteilen und von ihren Lippen die Antwort empfangen, welche nur dann von W ert ist, wenn sie von der Hauptperson gegeben wird. Eine Heirat ist vor Vollendung des siebzehnten Lebensjahres der Prinzessin nicht möglich, d. h. also erst nach zwei Jahren. Die Königin ermächtigt mich, Ihnen zu sagen, daß Sie Lord Pal­

merston von dem Ereignis Kenntnis geben mögen; wir bitten aber, daß es unter den gegenwärtigen Umständen streng geheim gehalten wird. Was die Leute sagen werden, kann uns gleich­

gültig sein.“

A m folgenden Tage schrieb die K önigin V icto ria an den K önig der Belgier:

„M ein lieber Onkel — ich benutze die Gelegenheit, um D ir mit Deinem eigenen Kurier, und zwar D ir ganz allein, eine Nachricht zukommen zu lassen, die ich Deinen Kindern gegen­

über nicht zu erwähnen bitte. Unsere Wünsche in bezug auf eine künftige Heirat Vickys haben sich in der angenehmsten und be­

friedigendsten Weise erfüllt.

Am Donnerstag, dem 20., sagte Fritz Wilhelm nach dem Frühstück, daß er dringend wünsche, mit uns über eine An­

gelegenheit zu sprechen, die, wie er wüßte, seine Eltern uns niemals unterbreiten würden — und zwar, daß er wünsche, in unsere Familie einzutreten; dies sei schon lange sein Ziel ge­

wesen, er habe die völlige Zustimmung nicht nur seiner Eltern, sondern auch des Königs. Da er Vicky so allerliebst fände, könne er seinen Antrag nicht länger hinausschieben. Ich habe wenig — oder eigentlich gar keinen — Zweifel, daß sie ihn mit Freude annehmen wird. Er ist ein lieber, ausgezeichneter, ent­

zückender junger Mann, dem wir unser liebes Kind mit voll­

kommenem Vertrauen übergeben werden. Es erfüllt uns mit der größten Genugtuung, daß er wirklich ganz bezaubert von Vicky ist.“

Neun Tage später notierte die K önigin V icto ria in ihrem

Tagebuch: „Unsere liebe V icto ria hat sich heute m it dem

6

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Prinzen Friedrich W ilhelm von Preußen verlobt, der seit dem vierzehnten bei uns zu Besuch ist. E r hatte schon am zwanzigsten zu uns von seinen Wünschen gesprochen;

w ir waren aber wegen Victorias großer Jugend noch im ungewissen, ob er bereits m it ih r selbst sprechen oder bis zu seiner nächsten Anwesenheit warten solle. W ir merk­

ten indessen, daß es besser sei, wenn er es gleich täte;

während unseres heutigen Nachmittagsrittes nach Craig- na-Ban pflückte er einen Stengel weißen Heidekrautes (das Emblem des Glückes), den er ih r gab. Dies ermög­

lichte ihm eine Anspielung auf seine Hoffnungen und Wünsche, als w ir Gien Girnoch hinunterritten, so daß alles zum glücklichen Ende kam.“ (Leaves^ from Our Journal in the Highlands, 29. September 1855.)

In diesen Briefen ist von den Gefühlen der Prinzessin nicht die Rede, aber die Verm utung scheint nahezuliegen, daß sie weit davon entfernt war, ein Entgegenkommen des preußischen Prinzen zurückzuweisen, sondern eine Quelle reinsten Glückes darin fand. Die Verlobung wurde geheim­

gehalten; trotzdem aber B^gatm man von der Tatsache bald zu sprechen, so daß am 20. März 1856 M r. Cobden an einen Freund schrieb:

... Es ist die allgemeine Ansicht, daß der junge Prinz Fried- 1856 rieh Wilhelm von Preußen unsere Prinzeß Royal heiraten soll.

Vor einigen Tagen dinierte ich im tête-à-tête mit Mr. Buchanan, dem amerikanischen Gesandten, der am Tage vorher an der Tafel der Königin neben der Prinzeß Royal gesessen hatte. Er war völlig begeistert von ihr und sagte, ,sie sei das reizendste Mädchen, das er jemals getroffen habe, voller Leben und Geist, Scherz und Witz, mit einem ausgezeichneten Kopf, und einem Herzen, so groß wie ein Berg1 — das waren seijäe Worte. Ein anderer meiner Freunde, Oberst Fitzmayer, speiste in der letzten Woche bei der Königin; bei der Beschreibung der Tischgesell­

schaft sagt er, daß wenn die Prinzeß Royal lächle, ,man glaube, es fiele ein neues helles Licht über die Szene'. — Ich denke also, daß besagter Prinz ein glücklicher Bursche ist und hoffe, daß er auch ein guter Gatte sein wird. W ird er es nicht, so werde ich dies, obgleich ich ein friedlicher Mensch bin, als einen casus belli betrachten.“

7

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Briefe der Kaiserin Friedrich

Victorianische Vorsicht hielt es indessen fü r besser, daß von der Verlobung nicht gesprochen würde, bis die. P rin­

zessin konfirm iert wäre. Die Zeremonie war für ihren sieb­

zehnten Geburtstag festgesetzt, fand aber sechs Monate früher, am 20. März 1856, statt; einen Monat später, am 29. A p ril, nach Beendigung des Krimkrieges, wurde die freudige Nachricht veröffentlicht, daß die Hochzeit des Prinzen Friedrich W ilhelm m it der Prinzeß Royal in kurzer Zeit stattfinden solle.

Im F rühjahr dieses Jahres stattete Prinz Friedrich, oder „F ritz “ , wie er im Familienkreise genannt wurde, seiner Braut einen langen Besuch ab. „D e r einzige E in ­ druck, den man damals von ihm hatte“ , bemerkt ein scharfer Beobachter, „w ar der eines ganz fidelen, netten Leutnants m it großen Händen und Füßen, der aber in keiner Weise hervorragend begabt schien.“ (M ary Pon- sonby, edited by Magdalen Ponsonby, S.241.) Die Königin V ictoria übernahm selbst die Rolle einer aufmerksamen Chaperonne, eine Beschäftigung, die sie nach einem Schreiben an König Leopold sehr Langweilig fand, aber auf sich nahm, da sie giauote, eine Pflicht erfüllen zu müssen. „Jeder freie Augenblick, den V icky hat,“ schrieb sie am 3. Juni, „(und den ich habe, da ich das Liebespaar chaperonieren muß, was m ir viel von meiner kostbaren Zeit wegnimmt), ist ihrem Bräutigam gewidmet, der so in sie verliebt ist, daß er, auch wenn er m it ih r ausfährt oder spazierengeht, nicht zufrieden scheint, sondern be­

hauptet, er habe sie nicht gesehen, wenn er sie nicht eine Stunde für sich allein haben kann; dann muß ich natür­

lich die Chaperonne spielen.“

Zu dieser Zeit hatte sich Preußen von den napoleoni- schen Kriegen vollkommen erholt und machte in Ansehen und Handel stetige Fortschritte; es begann bereits ein wenig jenen hochfliegenden Nationalstolz zu fühlen, der nach dem dänischen und dem französischen Kriege der nächsten Dekaden einen so außerordentlichen E influß ge-

8 y

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¿ frin c o e s s in M io ta n a

( t f i i e S rin c & s s - P J lo y a l)

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Geburt, Erziehung und Heirat

winnen sollte. Der Vorschlag wurde gemacht, den Erben der Hohenzollernkrone in Berlin zu vermählen. Schnell wie der Gegenschlag eines Rapiers kam als Antw ort ein Brief der K önigin V ictoria an L o rd Clarendon (25. Ok­

tober 1857):

„E s wäre gut, wenn Lord Clarendon dem Lord Bloomfield 1857 [dem britischen Gesandten in Berlin] mitteilen wollte, daß keine M öglichkeit besteht, die Frage, ob die Prinzeß Royal in Berlin vermählt werden kann, zu behandeln. Die Königin würde nie­

mals ihre Zustimmung geben, und zwar sowohl aus öffent­

lichen wie aus privaten G ründen; die Annahme, daß es für den Kronprinzen von Preußen zuviel sei, nach England zu kommen, um die Prinzeß Royal von Großbritannien zu heiraten, ist. ge­

linde gesagt, einfach lächerlich. Die Königin fü h lt sich bemüßigt, zu erklären, daß niemals von seiten des Prinzen Friedrich W il­

helm der geringste Zweifel darüber bestanden hat, wo die H och­

zeit stattfinden solle; sie glaubt, daß alles dieses nur leeres Gerede der Berliner ist . .. Was auch immer die Gepflogenheit der preußischen Prinzen sein möge — man heiratet nicht jeden Tag die älteste Tochter der Königin von England. Die Frage muß infolgedessen als erledigt und geschlossen angesehen werden.“

Gegen diese Entscheidung gab es keinen Widerspruch,

1858

so daß drei Monate später, am 25. Januar 1858, die Hoch­

zeit der Prinzeß Royal in der Königlichen Kapelle des St. James’s Palace stattfand. Die Prinzessin zeigte, wie Sarah, Lady Lyttelton, berichtet, „keine Spur von bräut­

licher Scheu“ ; sie wurde als Gattin des Prinzen Friedrich W ilhelm die zukünftige Teilhaberin des preußischen Thrones.

Die Flitterwochen bestanden nach der Gepflogenheit der königlichen Familie nur in zwei kurzen Tagen in W indsor. 36 Jahre später rief die Prinzessin dem Bischof Boyd Carpenter die Gefühle ins Gedächtnis zurück, welche sie damals gehabt hatte. „ Ic h erinnere mich,“ sagte sie, als sie sich in dem roten Brokatsalon umsah, dessen Fenster auf den „L o n g W a lk“ hinausgehen, „w ie w ir hier gesessen haben — zwei junge unschuldige Leute, die fast

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zu schüchtern waren, miteinander zu sprechen.“ (The Empress Frederick: A Memoir S.68.)

Acht Tage nach der Hochzeit verließen Prinz und P rin­

zessin Friedrich von Preußen London, um sich nach ihrem neuen Heim in B erlin zu begeben. Die Trennung von Vater und M utter bewegte die Prinzessin tie f; sie war außerordentlich traurig darüber, England verlassen zu müssen. „Sie hat,“ schrieb K önigin V ictoria am 12. Januar 1858 an den K önig der Belgier, „seit dem Januar 1857 eine unaufhörliche Folge von Gemütserregungen und A b ­ schieden durchgemacht, die für jeden Menschen sehr an­

greifend sind, besonders aber fü r ein so junges Mädchen m it so ungewöhnlich tiefen Empfindungen.“ Einen Monat später, am 9. Februar, schrieb sie: „D ie Trennung war schrecklich und dem armen K ind brach beinah das Herz, als sie von ihrem geliebten Papa, den sie vergöttert, A b ­ schied nehmen mußte.“ Der Prinzgemahl1) war nicht we­

niger ergriffen; er verlor nicht nur sein geliebtestes Kind, sondern auch eine Schülerin, die ihn anbetete, und eine Gefährtin. Zwischen Vater und Tochter hatte sich eine stets wachsende geistige Sympathie herausgebildet, da der Prinzgemahl der Prinzessin nicht allein seine Lebens­

anschauung, sondern auch seinen politischen Liberalismus überm ittelt hatte — eine M itg ift, die sich in späteren Jahren fü r die Prinzessin als einigermaßen peinlich er­

weisen sollte.

Die Jugend der Prinzessin, ihre Intelligenz, ih r Charme, die romantischen Begebenheiten ihrer Verlobung, ver­

einigt m it der unzweifelhaften Popularität ihres Gatten, fanden lauten Ausdruck in den lärmenden W illkom m ens­

grüßen der Berliner Menge, welche sie überall während der folgenden Wochen empfingen. Ih r Wesen war un­

gewöhnlich ruhig und selbstbeherrscht; sie schien in der Lage zu sein, stets das richtige W o rt zu finden und be-

1) Dem Prinzen Albert war am 25. Juni 1857 der Titel „Prince Consort“ (Prinzgemahl) verliehen worden.

1 0

(34)

Geburt, Erziehung und Heirat

mühte sich, ihres Gatten Vaterland volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Trotzdem war das Gefühl gegen die

„englische H e irat“ in der preußischen Gesellschaft und besonders bei Hofe so stark ausgeprägt, daß Lord und Lady Bloomfield es vermieden, m it der jungverheirateten Prinzessin zusammenzutreffen, um das preußische Königs­

paar nicht zu verletzen.

Einen oder zwei Monate später schrieb Bismarck, der damals preußischer Delegierter auf dem Bundestag zu F rankfurt war, prophetisch an den General von Gerlach (8. A p ril 1858):

„Sie fragen mich in Ihrem Briefe, was ich zu der Englischen H eirath sage. Ich muß beide W orte trennen, um meine M ei­

nung zu sagen; das E n g l i s c h e darin gefällt m ir nicht, die H e i r a t h mag aber ganz gut sein; denn die Prinzessin hat das Lob einer Dame von Geist und Herz, und eine der ersten Be­

dingungen, um seine Schuldigkeit in der W elt tun zu können, sei es als König oder als Unterthan, ist die, in seiner H äuslich­

keit von alle dem frei zu sein, was das Gegenteil von Geist und Herz bei der Frau bildet, und was die Folgen dieses Gegenteils nothwendig sind. Gelingt es daher der Prinzessin, die E ng­

länderin zu Hause zu lassen und Preußin zu werden, so w ird sie ein Segen fü r das Land sein. Fürstliche Heirathen geben im A ll­

gemeinen dem Hause, aus welchem die Braut kommt, E influß in dem andern, in welches sie tr itt; nicht umgekehrt. Es ist dies um so mehr der Fall, wenn das Vaterland der Frau mächtiger und in seinem Nationalgefühl entwickelter ist als das ihres Mannes. Bleibt also unsere künftige Königin auf dem Preu­

ßischen Throne auch nur einigermaßen Engländerin, so sehe ich unseren H o f von Englischen Einflußbestrebungen umgeben, ohne daß w ir und die mannichfachen anderen zukünftigen Schwieger­

söhne of Her Gracious Majesty irgend welche Beachtung in England finden, außer wenn die Opposition in Presse und Parlament unsere Königsfamilie und unser Land schlecht macht.

Bei uns dagegen w ird Brittischer E in flu ß in der stupiden Be­

wunderung des Deutschen Michels fü r Lords und Guineen, in der Anglomanie von Kammern, Zeitungen, Sportsmen, Land- wirthen und Gerichtspräsidenten den fruchtbarsten Boden finden. Jeder Berliner fühlt sich jetzt schon gehoben, wenn ein w irklicher Englischer Jokey von H a rt oder Lichtw ald ihn an-

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redet und ihm Gelegenheit gieht, the Queen’s english zu rade­

brechen; W ie wird das erst werden, wenn die erste Frau im Lande eine Engländerin ist.“

G räfin W alpurga von Hohenthal, die eine der Hofdamen der Prinzessin wurde und später Sir Augustus Paget, britischen Gesandten in Rom und W ien heiratete, entw irft in ihrem Buch „Szenen und Erinnerungen“ ein reizendes B ild ihrer königlichen H e rrin zur Zeit ihrer H ochzeit:

„D ie Prinzessin erschien außerordentlich ju n g ; die ganze kindliche Rundlichkeit war noch an ihr und ließ sie kleiner er­

scheinen, als sie w irklich war. Sie war in einer Weise gekleidet, die auf dem Kontinent lange nicht mehr Mode ist, nämlich in ein pflaumenfarbiges seidenes Kleid, das auf dem Rücken ge­

schlossen wurde. Ih r Haar war aus der Stirn gekämmt. Am meisten berührten mich ihre Augen; die Iris schimmerte grün wie die See an einem sonnigen Tage, und das Weiße hatteeinen besonderen Glanz, der zugleich m it ihrem Lächeln, das kleine und schöne Zähne zeigte, alle bezauberte, die sich ihr nahten.

Die Nase war ungewöhnlich klein und leicht nach oben gewandt;

ih r Teint war nicht allzu zart, erweckte aber den Eindruck völ­

liger Gesundheit und Kraft. Der Fehler des Gesichtes lag in der Viereckigkeit der unteren Züge; um das K inn war sogar ein Zug von Entschlossenheit sichtbar. Die außerordentlich liebenswür­

digen, manchmal sogar schüchternen Manieren der Prinzessin hinderten indessen, daß man ihn sogleich bemerkte. Ihre Stimme war entzückend und verlor sich niemals in zu hohen Tönen, son­

dern verlieh dem leichten fremdländischen Akzent, m it dem die Prinzessin sowohl englisch wie deutsch sprach, einen beson­

deren Reiz.“

Sie stellte bereits eine völlig lebendige und interessante Persönlichkeit dar; die m it ihrer Stellung verbundenen Beschränkungen, denen sie sich unterziehen mußte, hatten ihre geistige E ntw icklung nicht zu hindern und ihren natür­

lichen Enthusiasmus, ihre unerschöpfliche Energie nicht zu verringern vermocht. Im Gegenteil befürchtete man so­

gar, daß ihre vielfältigen Interessen und Beschäftigungen in einen schwer heilbaren Dilettantismus ausarten könnten.

Indessen war eine solche Entw icklung an der Seite eines Gatten wie Friedrich, nicht möglich, da sein E influß sie

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(36)

auf die Gebiete der Philanthropie und die Frage der Über­

tragung künstlerischer Prinzipien auf industrielle Erzeug­

nisse zu führen wußte.

A llm ählich wurde die Begeisterung geringer; Preußen gewöhnte sich an seine neue Prinzessin und die Prinzessin begann sich in Preußen heimisch zu fühlen. Bald aber sollte sich die erste W olke bemerkbar machen, die ih r Glück zu verdunkeln drohte. Die aristokratischen, despo­

tischen Institutionen Preußens waren der demokratischen Tradition, die in England seit der Annahme des ersten Reformgesetzes vom Jahre 1832 die Regel war, diametral entgegengesetzt; die jugendliche Prinzessin hoffte, ihrem Gemahl behilflich sein zu können, den Weg zu demokra­

tischen Reformen nach englischem Muster zu finden.

Geburt, Erziehung und Heirat

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F R Ü H E J A H R E IN PR EU SSE N

1858

Das Land, welches die Prinzessin Friedrich zu ihrer Heim at gewählt hatte, war im Jahre 1858 ein europäischer Staat von nicht erster W ic h tig k e it: Preußen konnte in bezug auf Macht, Reichtum oder Gesichertheit nicht m it dem Geburtslande der Prinzessin verglichen werden. W äh­

rend der napoleonischen Kriege hatte das Königreich, zu einem Schatten seines früheren Selbst zusammenge­

schrumpft und hinter die Elbe zurückgedrängt, von den Franzosen eine unwürdige Behandlung zu erleiden, die selbst jetzt noch nicht ganz vergessen ist. Das Ende der Kämpfe m it Frankreich fand Preußen indessen regeneriert und von einem starken Nationalgefühl erhoben; seine T erritorien waren durch die Gewinnung des Großherzog­

tums Posen, des schwedischen Pommern, des nördlichen Teiles von Sachsen, der Herzogtümer Westfalen und Berg, sowie der Rheingegend zwischen Aachen und Mainz be­

deutend vergrößert worden. Aber selbst nach E inver­

leibung dieser Gebiete betrug die Einwohnerzahl Preußens nicht mehr als etwa siebzehn Millionen.

Der erste Schritt zur deutschen Einheit wurde ein paar Jahre später getan, als Preußen den Zollverein gründete, dem 1842 alle deutschen Staaten außer Mecklenburg, Hannover und Österreich beitraten. Preußens E influß wuchs durch diesen staatsmännischen Schritt bedeutend und Friedrich W ilhelm IV ., der im Jahre 1840 den Thron bestieg, machte Berlin zu einem Zentrum wissenschaft-

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(38)

Frühe Jahre in Preußen

licher Schulung. Seine übersteigerten Ansichten über die königliche Macht führten indessen zur Revolution von 1848 und der Vorbereitung einer neuen Verfassung, welche das französische Präfektensystem m it dem preußi­

schen Feudalismus zu vereinigen strebte.

Preußen wurde nun immer reaktionärer — während England in immer stärkerem Maße liberalen und fo rt­

schrittlichen Tendenzen huldigte. Außerdem schloß Deutschland — oder was man damals darunter verstand — eine außerordentlich große Zahl kleiner, machtloser Für­

stentümer, Herzogtümer und anderer Staaten in sich; alle besaßen eine herrschende Familie, deren A rm ut häufig nur von ihrem Stolz übertroffen wurde. Zwei Herzogtümer lagen an der Grenze Preußens und Dänemarks; sie b il­

deten einen immer größer werdenden K onfliktsto ff. Diese beiden Herzogtümer, Schleswig und Holstein, hatten jahr­

hundertelang als unteilbar gegolten; indessen war der König von Dänemark Herzog von Schleswig und Holstein, während die Bevölkerung zum großen T e il aus Deut­

schen bestand und Holstein auch M itglied des Deut­

schen Bundes war. Die Bemühungen, diese Provinzen zu Dänemark zu schlagen, führten zu einer Revolution, in der Preußen erfolgreich auf der Seite der Insur­

genten käm pfte; das Resultat war indessen nur der sieben- monatige W affenstillstand von Malmö, der nicht ra ti­

fiziert wurde.

Zur Zeit der Hochzeit der Prinzeß Royal gab es daher drei wichtige Fragen in Preußen: die erste betraf die Füh­

rerschaft in den deutschen Staaten, die zweite beschäftigte sich m it dem Problem, ob Preußen seinen alten T ra d i­

tionen treu bleiben oder einen liberalen Kurs, ähnlich dem in England befolgten, einschlagen solle; die dritte endlich befaßte sich m it der Zukunft der Herzogtümer Schleswig und Holstein. Von Anfang an war es klar, daß in der zweiten Frage die Prinzessin ihren E influß zu­

gunsten der fortschrittlichen liberalen Elemente einsetzen

1 5

(39)

würde. Der deutsche H of, dem die Prinzessin jetzt als führendes M itglied angehörte, ähnelte dem englischen H o f ganz und gar nicht, da dieser während der damaligen Zeit lustig und jung war. Die K önigin V icto ria war noch nicht vom Verlust ihres Gatten niedergedrückt, der H o f noch nicht in langjährige Trauer gestürzt. Im Gegensatz dazu zeigte sich der preußische H o f an Regeln gebunden, steif und langw eilig; das Leben war eintönig, die Schlösser düster und unkomfortabel, die Zeremonien endlos. Der vornehme und weise Regent von Preußen, in der Ge­

schichte als W ilhelm der Erste bekannt, begann sich alt zu fühlen — diese Em pfindung fand ihren W iderhall über­

all am Hofe. In seiner Gemahlin, der damals als Prinzessin von Preußen bekannten, späteren Kaiserin Augusta, traf die Prinzessin Friedrich während vieler Jahre eine treue Freundin und Verbündete, die in intellektuellem Sinne mehr in das achtzehnte als in das neunzehnte Jahrhundert gehörte. Prinzessin Augusta sprach französisch1) ebenso gut wie deutsch; unter ihren intimsten Freunden befanden sich viele Katholiken. Als junge Frau war sie voller Herzens­

wärme gewesen, aber sie hatte bald jene große Weisheit erkannt, die ihrer Schwiegertochter niemals ganz k la r ge­

worden ist, daß Umsicht und Vorsicht am preußischen Hofe wichtige Eigenschaften bedeuteten; so kümmerte sie sich fast gar nicht um die Angelegenheiten des Staates.

Während des Krimkrieges war Prinzessin Augusta pro­

englisch gewesen, trotzdem der ganze preußische H o f prorussisch empfunden hatte — eine Tatsache, die sie natürlich der Königin V ictoria näherbrachte, ihre preu­

ßischen Verwandten aber m it Argwohn und Ärger erfüllte.

Als die Prinzessin Friedrich in Berlin als die Braut des vermutlichen Thronfolgers ankam, war der K rim krieg schon vergessen, und die freundliche Einfachheit und der

!) Die Tatsache, daß Jules Laforgue, der französische Dich­

ter, zu ihrem Vorleser ernannt wurde, zeigt, daß sie literarischen Geschmack besaß.

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Frühe Jahre in Preußen

jugendliche Charme der Prinzessin brachten alle K ritik , zum mindesten fü r eine gewisse Zeit, zum Schweigen.

Die Prinzessin Friedrich verbrachte den ersten W inter im alten Schloß, das eine beträchtliche Zeit unbewohnt ge­

wesen und in vieler Plinsicht unter der victorianischen Lebenshaltung, der englischen Hygiene und dem britischen K o m fort stand. Dem jungen Paar wurde eine Reihe reich­

dekorierter, aber dunkler und unfreundlicher Räume her­

gerichtet; die Prinzessin, so erzogen, sich schnell allem Praktischen zuzuwenden und an ersprießlicher T ätig keit Freude zu finden, fand ihre Verbesserungsvorschläge stän­

dig m it dem Bemerken abgewiesen, daß im alten Schloß nichts getan, nicht einmal ein Badezimmer eingerichtet werden könne, ohne daß der geisteskranke K önig seine E inw illigu ng dazu gäbe.

D ie Prinzessin fühlte sich in diesen traurigen und spuk­

haften Zimmern nicht nur wenig behaglich, sondern emp­

fand die enggezogene Etikette des preußischen Hofes als unerträgliche Beschränkung. „Z u Hause“ , wie sie bald sehr unklugerweise von England zu reden begann, war sie von Kindheit an daran gewöhnt gewesen, alle Gedanken frei auszusprechen und sicher zu sein, nicht mißverstanden zu werden; nun schien ihre gewohnte E h rlichke it und Offenheit den deutschen Verwandten Anlaß zur K ritik zu geben. Unglücklicherweise wurde die Schwierigkeit, ihre englische Einstellung nicht zu betonen, m it dem Verlauf der Jahre nicht behoben. Kleinigkeiten gingen ih r auf die Nerven: deutsche Stiefel, der Mangel an Bade­

zimmern, die dünnen Silberteller und der Ü berfluß an langweiliger Etikette. Obgleich sie den besten W illen hatte, das Vaterland ihres Gatten liebzugewinnen und ihre V o r­

urteile zu überwinden, behielt sie stets ihre Zuneigung zu England. In einem B rief aus Potsdam vom Jahre 1871 sagt sie:

„Sie können sich nicht vorstellen, wie langweilig, melancholisch und sonderbar m ir hier alles vorkommt, da ich von Ihnen allen

j b. k. r.

(41)

und meinem geliebten England getrennt bin. Jedesmal, wenn ich dort hinkomme, fühle ich, wie meine Anhänglichkeit an dieses kostbare Stückchen Erde stärker und stärker w ird . . . D er Abschied von ihm und die Rückkehr hierher verursachen m ir jedesmal eine so heftige Gemütserregung,, daß ich immer ein wenig Zeit und vernünftige Überlegung brauche, um über sie hinwegzukommen.“ (M ary Ponsonby S. 242.)

Zu alledem konnte sie den starren preußischen Geist der reaktionären Partei nicht verstehen; schon früh bemerkte man, daß „die Begegnung m it einem T o ry oder einem Reaktionär ih r das M a rk in den Knochen gefrieren ließe“ .

Einige Monate später richteten der Prinz und die P rin­

zessin sich eine einfachere W ohnung nach englischem Ge­

schmack im Schloß zu Babelsberg ein; in der neuen U m ­ gebung fühlte sich die Prinzessin sehr viel glücklicher. Das kleine Schloß lag am Abhang eines waldigen Hügels, etwa drei Meilen von Potsdam entfernt, sah über; die Fläche eines schönen Sees hinweg, und gestattete eine reizende Aussicht über das umgebende Land. „A lle s,“ schrieb die K önigin anläßlich ihres ersten Besuches, „is t sehr klein;

das Schlößchen ist ein gotisches Bijou, voller Möbel, Blumen, die sie sehr hübsch zu arrangieren verstehen, Lampen und Gemälde. Außerdem finden sich eine Menge unregelmäßiger Erker, Türm e und Treppen.“ (The Em- press Frederick: A Memoir, S. 91/92.)

Anfang Juni besuchte Prinz A lbert seine Tochter und seinen Schwiegersohn in Babelsberg; er schrieb an die K önigin V icto ria : „D ie Beziehungen zwischen dem jungen Paare sind so herzlich wie nur möglich. Ich habe m it ihnen, einzeln und zusammen, gesprochen; unsere U nter­

haltungen haben m ich im höchsten Maße befriedigt.“

Zwei Monate später statteten die K önigin V icto ria und der Prinzgemahl ihrer Tochter einen längeren Besuch ab, den die K önigin als ganz privat und inoffiziell beschrieb;

sie reiste aber in Begleitung L ord Malmesburys, des Se­

kretärs des Auswärtigen in L o rd Derbys neugebildetem M i­

nisterium, seines Vorgängers L o rd Clarendon, und Lord

18

(42)

Frühe Jahre in Preußen

Granvilles, der Staatsratspräsident unter Palmerstons Re­

gierung gewesen war. Die K önigin V icto ria freute sich, Feldmarschall W rangel zu treffen, der damals 76 Jahre alt war und bei Leipzig im Jahre 1813 seinem Regiment die Fahne vorangetragen hatte. 1848 hatte er als Ober­

befehlshaber die Berliner Nationalversammlung gewaltsam gesprengt. „ E r war ganz e rfü llt von V icky,“ schrieb die Königin, „und von ihrer Hochzeit; er meinte, sie sei ein Engel.“

Am 20. November 1858 zogen Prinz und Prinzessin Friedrich von Babelsberg in das Palais unter den Linden, das von nun an ih r Berliner Wohnsitz werden sollte. Die Prinzessin Friedrich war von ihrem neuen H eim entzückt;

aber wie es auch m it dem alten Schloß der F all gewesen war, mußte das Palais erst den modernen Anforderungen an Bequemlichkeit angepaßt werden. Es war immer noch schwer, die Zustimmung des alten und launischen Königs zu erlangen, der an einem Tage widerrief, was er am ande­

ren versprochen hatte. E ndlich wurde seine Zustimmung zu den absolut notwendigen und dringenden Neuerungen erreicht, und die Prinzessin verbrachte m it der Neueinrich­

tung ihres Hauses viele glückliche Tage.

Die ersten Jahre am preußischen H o f wurden in der ruhigen Zurückgezogenheit des eigenen Heimes verlebt, die allerdings manchmal durch die Beteiligung an den öffentlichen Vorgängen unterbrochen wurde; manchmal wurde ih r viel Zeit m it solchen Dingen weggenommen.

Sogar militärische Übungen, bei denen sie zu Pferde er­

schien, gehörten in den Bereich ihrer T ä tig ke it; im N o­

vember 1858 schrieb die Herzogin von Manchester, die selbst Hannoveraner in von Geburt war und später den Herzog von Devonshire heiratete, voller Zufriedenheit an die K önigin V icto ria :

„O bgleich Eure Majestät erst kürzlich die Prinzeß Royal gesehen haben, kann ich m ich nicht enthalten, an Eure Majestät zu schreiben, da ich sicher bin, daß sich Eure Majestät freuen

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werden zu hören, wie außerordentlich gut Ihre Königliche Hoheit während der Rheinnaanöver aussah, und wie beliebt sie nicht allein bei allen ihren Bekannten, sondern auch bei denen ist, die sie nur vom Sehen oder Hörensagen kennen. Die Engländer konnten stolz darauf sein, wie von der Prinzeß Royal ge­

sprochen und wie außerordentlich hoch sie geschätzt wird. Für eine so junge Frau ist ihre Stellung eine sehr schmeichelhafte, und da die Liebenswürdigkeit der Prinzessin und ihr freund­

liches, unaffektiertes Wesen in kurzer Zeit ih r die Herzen aller anwesenden Offiziere und Fremden gewonnen haben, wundert man sich nicht über das Lob, welches die Preußen Ihrer König­

lichen Hoheit in reichem Maße spenden. Die königliche Familie ist groß und in ihren politischen und sozialen Ansichten manch­

mal so verschieden eingestellt, daß es fü r die Prinzeß Royal zu Anfang sehr schwer gewesen sein muß, sich m it ihr auf guten Fuß zu stellen; man kann daher die hochsinnigen Grundsätze, die große Diskretion, das klare Urteil und die Klugheit Ihrer Königlichen Hoheit nicht hoch genug schätzen.

Eure Majestät würden sich köstlich amüsiert haben, wenn Eure Majestät gehört hätten, wie der General W rangel m it sehr lauter Stimme erzählte, daß seine Soldaten entzückt gewesen seien, die Prinzessin zu Pferde zu sehen, und daß diese größtes Interesse fü r sie an den Tag legte; am meisten habe sie gefreut, daß Ihre Königliche Hoheit ohne Schleier ritt. Eine m erkwür­

dige Bemerkung fü r Soldaten! Der König von Preußen sieht sehr gut aus, aber die Königin scheint m ir sehr verändert. Ihre Majestät ist sehr blaß und müde, um ihren M und liegt ein schmerzlicher Zug . . . Beide Majestäten waren sehr freundlich, und der Herzog erzählte m ir von der großen Gastfreundlichkeit, m it der sie aufgenommen wurden. Jedermann, hoch und niedrig, wetteiferte in H öflichkeit und Freundlichkeit gegen die Frem­

den, hauptsächlich gegen die Engländer, so daß wir uns in der T a t der A n g riffe schämten, welche die ,Times* immer gegen Preußen richtet, und die in allen preußischen Zeitungen ge­

druckt und infolgedessen überall gelesen werden ..

E in freudiges, häusliches Ereignis fand am 27. Januar 1859 1859 statt, als dem Prinzen und der Prinzessin Friedrich ein Sohn und Erbe geboren wurde. Die Freude war groß, denn im normalen Verlauf der Geschichte mußte der Knabe als Nachfolger seines Großonkels, Großvaters und Vaters K önig von Preußen werden.

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Frühe Jahre in Preußen

Einige Zeit schwebten allerdings M utter und K ind in unmittelbarer Gefahr; wie Prinz Albert an König Leopold schrieb- „der arme Fritz und der Prinz und die Prin­

zessin müssen eine schreckliche Zeit der Angst durch­

gemacht haben, da sie nicht auf die Geburt eines lebenden Kindes hoffen konnten“ . Erst am dritten Tage bemerkte man, daß der linke Arm des Kindes paralysiert, die Schulter verletzt und die umliegende Muskelpartie stark angeschwollen war. Die medizinische Wissenschaft befand sich noch in einem so elementaren Zustand, daß kein Arzt sich an die Wiederherstellung des Gliedes wagen wollte, das infolgedessen schwach und beinahe, wenn nicht ganz, unbrauchbar blieb. Die Prinzessin übertrug auf dieses erstgeborene K ind ihre ganze mütterliche Sorge und schrieb vierzehn Tage später, am f 2. Februar ihrer M utter:

„Ic h bediene mich der lieben Gräfin Blücher Hand, m it Wegners (des Arztes) Erlaubnis, um Deinen lieben, eben an­

gekommenen Brief zu beantworten. Ich kann D ir nicht sagen, wie glücklich ich bin, D ir meine Gedanken mitteilen und D ir endlich fü r alle Zärtlichkeit und Liebe danken zu können, die Du m ir die ganze Zeit über bewiesen hast. W ie tief mich dies alles berührt, ermutigt und entzückt hat, wie dankbar ich D ir und Papa bin, brauche ich nicht zu sagen. Deine Briefe be­

deuteten m ir ein großes G lück; ich danke D ir tausendmal für alles. W ie innig habe ich am io. an Dich gedacht und ge­

wünscht, D ir selbst schreiben zu können! Fritz hat D ir aber, wie ich hoffe, alle meine Wünsche überm ittelt . . .

Ich fürchte, ich kann heute nicht mehr diktieren, liebe Mama, und w ill D ir also nur m itteilen, daß es Deinem kleinen Enkel sehr gut geht.“

Eine andere Erwähnung ihres „außerordentlich lebhaf­

ten“ Sohnes findet sich in dem Brief, den die Prinzessin Friedrich an die K önigin V ictoria am 28. Februar schrieb:

„D e in Enkel ist außerordentlich lebhaft und scheint, wenn er wacht, nur zufrieden, läßt man ihn die ganze Zeit in der L u ft herumtanzen. E r kratzt sich im Gesicht, zerreißt seine Mützen und g ib t alle möglichen sonderbaren kleinen Geräusche von sich. Ich bin so dankbar und glücklich, daß er ein Junge ist.

Ich sehnte mich mehr nach einem Knaben, als ich beschreiben 21

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