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Technik und Wirtschaft : Monatsschrift des Vereines Deutscher Ingenieure, Jg. 20, H. 9

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TECHNIK UND WIRTSCHAFT

M onatschrift des Vereines deutscher Ingenieure / VD I-Verlag GmbH, Berlin N W 7, Dorotheenstr.40

20. Jahrgang S ep lem b er 1927 H eft 9

Der Techniker in der Wirtschaft

Von Staatsminister a. D. Prof. Dr. T h . v o n P i s t o r i u s , S t u t t g a r t ')

Inhalt'

In A n le h n u n g an d ie k la ss is c h e D re ite ilu n g d e r P r o d u k tio n sfa k to re n ln N atu r, ________ 1 K ap ital u n d A rb e it w ird d ie S te llu n g d es In g e n ie u rs in d e r W irtsc h aft b e h a n d e lt.

O s w a l d S p e n g l e r sagt am Schluß des zweiten Bandes seines g ew altig en W e rk e s »Der U n te rg a n g des Abendlandes« von unser m Zeitalter der T echnik , d e r W irtscha ft und des O eld es e tw a das fo lgende:

D e r R a t i o n a l i s m u s h a t d i e I d e e d e r M a s c h in e g e s c h a ffe n a ls e in e s k le in e n K o s m o s , d e r n u r d e m W ille n d e r M e n s c h e n g e h o r c h t. D r e i G e s ta lte n h a t s ic h d ie M a s c h in e a u f d e m W eg i h r e r E n t w i c k l u n g h e r a n g e z ü c h t e t : d e n U n t e r n e h m e r , d e n I n g e n i e u r u n d d e n F a b r i k a r b e i t e r . D ie M a s c h in e z w in g t d e n U n t e r n e h m e r w ie d e n F a b r i k a r b e i t e r z u m G e h o r s a m ; b e id e s in d S k la v e n , n i c h t H e r r e n d e r M a s c h in e . D ie s o z i a ­ li s t i s c h e T h e o r i e is t f a ls c h , d i e n u r d ie L e is tu n g d e s A r ­ b e ite r s s e h e n w ill, n u r f ü r s e in e L e is tu n g d a s W o r t A r b e it in A n s p r u c h n im m t . D a s b e r ü h m t e W o r t v o m s t a r k e n A rm , d e r a lle R ä d e r s t i l l s i e h e n l ä ß t , i s t f a l s c h g e d a c h t. A n ­ h a lte n — j a ! A b e r d a z u b r a u c h t m a n n i c h t A r b e i t e r z u se in . I n B e w e g u n g h a l t e n — n e in ! D e r G e d a n k e h ä l t d a s k ü n s t l i c h e u n d k o m p l i z i e r t e R e i c h d e r M a s c h in e z u ­ s a m m e n , n i c h t d i e H a n d . D e r I n g e n ie u r , d e r w is s e n d e P r i e s t e r d e r M a s c h in e i s t i h r H e r r u n d i h r S c h ic k s a l.

S e in D e n k e n i s t a ls M ö g lic h k e it, w a s d ie M a s c h in e a ls W i r k l i c h k e i t is t. D a s D a s e in d e r I n d u s t r i e h ä n g t a b v o m D a s e in v o n h u n d e r t t a u s e n d b e g a b t e n , s t r e n g g e s c h u lte n K ö p fe n , w e lc h e d ie T e c h n i k b e h e r r s c h e n u n d i m m e r w e ite r e n tw ic k e ln . W e n n e in m a l d e r N a c h w u c h s d e r T e c h n i k a r - a r m e e a u s b l e i b t , d e r e n G e d a n k e n a r b e i t m i t d e r A r b e it d e r M a s c h in e e in e i n n e r e E i n h e i t b ild e t, m u ß d ie I n d u s t r i e tr o t z U n t e r n e h m e r t u m u n d A r b e i t e r s c h a f t e r lö s c h e n .

D er P ro p h e t S p e n g l e r sieht hier den Technik er be­

reits ü b e r d e r W irtschaft. W ir wollen ihn zunächst, bescheiden, noch i n d e r W ir tschaft belassen und seine Stellung als G lied d e r W ir tscha ft ins Auge fassen.

D abei kön n en wir zwei W eg e einschlagen. W ir können uns anschließen an die alte von A d a m S m i t h aufg eb rachte und wenig stens nach der herrschen den Lehre in der allgem einen V olk sw irtschaftslehre noch im mer übliche Dreiteilung der g ü te r e rz e u g e n d e n Fak to ren in Natur, Kapital und Arbeit und können den T e c h n ik e r zu diesen drei F a k to r e n n acheinander in Beziehung setzen.

Wir kön n en aber auch mit der speziellen N a tionalökono­

mie an die einzelnen Z w eige der W ir tschaft: Land- und Fors twirtschaft, G e w e rb e und Industrie, H an d el und V er­

kehr uns anlehnen und von hier aus das Wese n und Wirken des T ech n ik ers verfolgen.

Ich schlage vor, den ersten W e g einzuschlagen; allein, auch wenn wir den zw eiten einschlagen wollten, käm e ein reiches Material uns zustatten. W ir w ürden in der L a n d - u n d F o r s t w i r t s c h a f t auf allen W egen und Stegen dem T e c h n ik e r b eg e g n e n : dem Feldmesser, dem W egebauer, dem K ulturingenieur, dem E rz euger der lan d ­ wirtschaftlichen M as chin en ; mit G e w e r b e u n d I n ­ d u s t r i e fänden wir die Technik so eng verflochten, daß eine losgelöste B etra chtu ng der W ir k u n g des T e c h ­ nikers fast schon als störend empfunden w ürde, und im V erkehr stünde er als Schöpfer der Verkehrseinrichtu ngen

*) V o rtra g auf d e r F e s tv e r s a m m lu n g 'a n l ä ß li c h d e s 5 0 jä h rig e n B este h e n s d e s W ü rtte m b e rg isc h e n B e z irk sv e re in e s d es V e re in es d e u t­

s ch er In g e n ie u re a m 2 6 . J u n i 1 9 2 7 .

von vorn herein führend vor uns, welcher Z w eig im m er ins Auge g e fa ß t w ü r d e : der S traßenbau mit d e r W ende- platte, d e r steinerne und eiserne B rü ckenbau mit seiner T ra g k ra f t, seinen H ä n g - und S p re n g w e rk e n und der federnden Elastizität, in deren vibrierenden Schwanken man, wie auf der König-K arlsb rü ck e von S tuttgart nach C annsta tt, jeweils »den Puls schla g des J a h r h u n d e rts v e r­

sp üren kann«; o d er ferner der W a s s e rb a u mit den S tau ­ becken, W ass erschlössern , T u rb in e n und E le ktriz itä ts­

w erk en , o d e r der Eisenbahnbau, d e r Schiffsbau mit D ampfm aschine, D am pfturb in e o d e r Fle ttn erroto r, dazu die Kra ftwagen, Zeppeline und Flu gm aschinen — und schließlich kä m e ü b er und hinter alle noch die M ateria l­

prüfungsanstalt und die Dam pfkesselrevision.

Allein wir wollen den ändern W e g gehen, ln der all­

gem einen Volk sw irtsch af tslehre bleiben und an die drei P ro d u k tio n sf a k to re n Natu r, Kapital und Arbeit a n ­ knüpfen.

I.

D er P ro d u k tio n sf a k to r N a t u r hat einst bei den P hysiokraten als allein p roduktiv gegolten, und z w a r in dem Sinne, daß sie n u r die unm ittelb ar auf den N a t u r ­ fak to r Boden v erw endete Arbeit, also nur die L an d w irt­

schaft, die Fors tw irtsc haft und den Berg bau für pro duktiv ansahen. Diese Auffassung ist längst als irrig abg eta n, eb en so die von A d a m S m i t h , d e r zw ar nicht nur die U rproduktion, sondern auch die W e rt e r h ö h u n g du rch V ere dlu ng und Austausch von Sachgütern, also neben der Land- und F orstw irtschaft und dem B ergbau auch G e ­ w erb e, Industrie und H a n d e l als pro d u k tiv ansah, die geistigen Berufe aber nach wie vor nicht zu den p r o ­ du ktiven rechnete, eine A nschauung, die unser F r i e d ­ r i c h L i s t mit den W o rten geiß elte und a b ta t: »Der Arzt, der seine Patiente n heilt, g e h ö r t nach Smith nicht in die pro duktiv e Klasse, w ohl aber der A pothekerjunge, obw ohl die Tauschw erte , die er prod uziert, die Pillen, nur wenige Minuten existieren, bevor sie ins Wertlo se übergehen«.

Freilich, wenn man die N a tu r im weitesten Sinne des W ortes nimmt, dann fällt auch der Mensch daru nter. Der Soziologe R u d o l f G o l d s c h e i d hat einmal den Satz g e p r ä g t : »Die menschliche Arbeit ist der wichtigste N a t u r s c h a t z , über den ein Land verfügt«. Bei solcher Auffassung w ürde allerdings die N atu r als d e r einzige P ro d u k tio n sfak to r erscheinen, aber so versteht die V olks­

wirtschaftslehre den Begriff der N atur bei ihrer D rei­

te ilu ng der P ro d u k tio n sf a k to re n nicht, denn sie setzt ja d er Natur, als dem ersten F a k to r , die menschliche A r­

beit, also den Menschen, als den zweiten und alsdann noch das Kapital als den dritten zur Seite.

Im Sinne der V olk sw irtschaftslehre k o m m t als P r o ­ d u ktionsfaktor N a t u r vor allem der Boden in Betracht,

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230 V o n P i s t o r i u s : D e r T e c h n i k e r in d e r W i r t s c h a f t fech n ik und W irtschaft

sow o h l als S ta n d o r t für die Land- und F o rstw irtschaft, wie mit seinen N atu rs ch ätzen , den Mineralien und fossilen Brennstoffen. K einesw egs aber der Boden allein. S ä m t­

liche N a tu r k r ä f te : S o n n en w ärm e, W in d, W a ss e rk ra ft, E le ktrizität sind nicht nur für die G ü te r e r z e u g u n g w e s e n t­

lich, so n d ern sie sind se lbst schon G üte r, nur nicht w ir t­

schaftliche G üte r, so n d ern s o g e n a n n te »freie« G üte r. Der U nters chied b e ru h t auf der R echtsordnung. N ach unse rer heu tig en R e c h tso r d n u n g mit ihrem P ri v ateig en tu m sind die freien G ü te r und nur sie dem Pri v ateig en tu m u n z u ­ gänglich, die wirtschaftlichen G ü te r sind p riv a te ig e n tu m s­

fähig. Mit d e r Beseitig ung der R echtsordnung, wie sie de r A narc his m us anstre bt, entfiele d e r U nte rschie d; auch die w irtschaftlichen G ü te r w ü rd e n freie Güter.

Des w eiteren kom m t die N a tu r als P ro duktionsfaktor in B etracht in Eigenscha ften, die mit einem bestim m ten Landstrich in u n tr e n n b a r e r V erb in d u n g stehen wie das Klima, die Gestalt, die g eologische und o rographische Be­

sch affe nheit d e r O berfläche, w o z u auch die Verteilu ng zw ischen F estlan d und W asser, das M eer als G renze, als Ebbe und F lu t als S trö m u n g g ehören. Daß alle diese F a k t o r e n nicht nur für die G ü te r e r z e u g u n g wesentlich sind, so n d ern auf die W irtschaft, auf d e n C h a r a k t e r und die Sitten d e r Bevölk erung den g r ö ß t e n Einfluß ausüben, liegt auf d e r H a n d ; w e rd e n doch von den m odernen G e o g ra p h e n (Ratzel usw.) g e r a d e z u A rt und W esen d e r Menschen selbst, d. h. die E n tste h u n g d e r Arten und Rassen, d arau f zu rü ck g efü h rt.

U n d es ist sicher, je u rs prünglicher und primitiver die Kultur, desto s t ä rk e r d e r Einfluß des P rodutio ns- f a k to rs N a tu r auf die W irtscha ft. Im A nfa ng ste h t die N a tu r unte r den drei P r o d u k t io n s f a k to re n an ers te r Stelle.

A ber mit dem Steigen der Kultur verliert die N a tu r g e g e n ü b e r den beid en ä ndern F a k to r e n , Kapital und Arbeit, an Bed eutu ng. Die T e c h n ik und d e r T ech n ik er sind es, die diese W a n d lu n g bew irken. D er T e c h n ik e r b ä n d ig t die N atu r. Es w ird s o g a r gele gentlich die Auf­

fassung vertreten, d aß die m o d e r n e V o lk sw irtsch aft d urch die E n tw ic k lu n g d e r T e c h n ik aus der A b h ä n g ig k e it d e r N a tu r sich gelö s t hab e. Allein das g e h t meines Erachtens zu weit. W o h l e r k l ä r t — ich schließe mich an S c h m o l le r2) an — das V o rh an d en sein g ü n s t ig e r N a tu rb e d i n g u n g e n nie allein dere n A usn u tzu n g , w o h l k ann die fortschreitende T e c h n ik in u n g ü n s t ig e r a u sg es tatteten L ändern bess ere wirtschaftlich e V erh ältnisse schaffen als in g ü n s t ig e r a u s ­ g estatteten , sie k a n n ausgleichen, und es ist möglich und so g a r wahrsch ei nlich , d aß künftige Fortschritte der T e c h ­ nik noch in h ö h e re m G r a d als bisher die U n g u n s t der N a tu r a u fz u h e b e n v e rm ö g e n ; aber es ist nicht d e n k b a r, daß hierdurch die g e g e b e n e n natü rlich en G re n z e n v e r ­ sc hw in den, sie w e rd e n n u r verschoben. Die U n g u n s t der N a tu r am Pol und in d e r S ah a ra , in allen w a sserar m en G e g e n d e n un d in den H o c h g e b ir g e n w ird durch die T e c h ­ nik nie g a n z zu ü b e rw in d e n sein. Alle h öhere Kultur hat sich bis jetzt an g ew issen beg ü n stig ten O ertlic hkeite n abge sp ielt, u nd so w ird es ble iben, wenn auch zu g r o ß e E rleich teru n g des w irtschaftlichen Lebens durc h die N a tu r die Kräfte rasch z u r Ers chlaffung bringen, eine gew isse K a rg h e it der N a tu r sie stähle n kann, U m stä n d e , die es e r ­ k lä ren, d aß die höchste menschliche K ultur vo m reicheren S üdosten nach dem k a r g e r e n N o rd w e s te n im Laufe d e r G eschic hte sich verschieben ko nnte .

D a ra u s folgt, d aß alles hö h e re M en s ch en leb en ein Sieg des G eistes ü b er die N a tu r ist; a b er d e r Mens ch

ble ibt d aru m doch ein P a ra s it der Erde, der Tec hnik er

‘ kann die Kräfte der N a tu r leiten und v e rw e rte n und bis zu einem g ew issen G ra d e mei stern , a b er n ic ht schaffen.

D e r Mensch löst sich mit der h ö h e re n T e c h n ik nicht von d e r N a tu r los, sondern verbindet sich in niger mit ihr, in­

dem er sie vers teh t und b eherrscht, aber zugleich ihren G esetzen sich unte rord net.

Diese U n te r o r d n u n g des T e c h n ik e r s un te r die N atu r­

gesetze vers teh t sich jedoch nur für den T e c h n ik e r als Tec h n ik e r , nicht für den T e c h n ik e r als Wirtschafter.

Die T ech n ik als W is senschaft g e h ö r t zu den N atu rw is sen­

schaften. Von H a u s aus ist die Technik ü b e r h a u p t keine Wissenschaft, so n d ern eine Kunst; aber auch eine Kunst kann man lehren und lernen und wissenschaftlich be­

treib en, und die T e c h n ik ist lä n g s t zur Wissenschaf t g e ­ w orden. In ihr gelten die N a tu rg e s e tz e , und sie zu er­

kennen, ist die H a u p ta u f g a b e d e r T e c h n ik als Wissen­

schaft, sie a n z u w e n d e n und zu verw erten, ist ihre Aufgabe als Kunst. Mein leider zu früh g e s t o r b e n e r Kollege, P rofessor W e y r a u c h , definiert in seinem Buch »Die T e c h n ik und ihre B ezie hungen zu ändern Lebensgebieten«

die T e c h n ik als »den Inbegriff alles Könnens, aller Leistungen, V o rrichtungen und V erfahren, mittels deren N a tu r k r ä f te und Rohstoffe in den Dienst der Menschen gestellt w erden «. E rla n g t w ird die T e c h n ik heu te durch W is sen; ihre h a n d w e r k s m ä ß ig e F o rm ist gew isserm aßen einer in dustriellen gew ic hen. Einst w a r es a n d e r s 3). Die T e c h n ik beruhte im wesen tlichen auf der pers önliche n Er­

fahrung, die von Prieste r zu Prieste r — d e n n die Priester­

schaft w a r in den ältesten Zeiten V e r tr e te r der Technik

—, von M eiste r zu Meister, von G esch lech t zu Geschlecht durch pers önliche U n te rw e is u n g w e ite r g e g e b e n wurde.

G an z hat es allerd ings an einer s ch u lm äß ig en und wissen­

schaftlichen B ehan d lu n g d e r T ech n ik nicht gefehlt, aber es ü b e rw o g die R egell ehre; in die M yste rien d e r Natur ein zudrin gen, lag der älteren Z eit nicht. Das wurde an ders mit der Entw ick lu n g der N atu rw is senschaften, die an die Stelle des »Können« das »Wissen« setzten. Drei M arkste ine bezeichnen die E n tw ic k lu n g : N e w t o n mit seinen G esetz en d e r M e c h a n i k ; L a v o i s i e r mit der T h e o rie der V e rb r e n n u n g ; R o b e r t M a y e r mit seinem G esetz von d e r E rh a ltu n g der Kraft.

D e r T e c h n ik e r ist aber nicht n u r T e c h n ik e r , sondern er ist auch, o d e r soll sein, zugleich W i r t s c h a f t e r . T e c h n ik und W irtsch a ft stehen in en g em , untrennbare m Z u s a m m e n h a n g ; sie bed in g en e inande r, w irk e n aufein­

a n d e r ein und h ä n g e n v o n e in a n d e r ab. V or einigen J a h r e n ist eine Schrift ers chie nen ( D i e t z e l , Technischer F o rtsc h ritt und F reih eit d e r W irtscha ft) , die im Anschluß an g eleg e n tlich e A e u ß e ru n g e n von Karl M a r x den Nach­

weis zu erb rin g en sucht, d aß die Entw ick lu n g der W irt­

sc haft in ih rer heuti gen kapitalistischen F o rm g erad ezu eine k au sale F o lg e d e r E n tw ick lu n g der T e c h n ik darstelle.

Das g e h t zu w eit; w ir w e rd e n d a ra u f z u rückkom m en.

Sicher ist ab er, d a ß nicht n u r eine W echselbezie hung, s o n d e r n auch eine W e c h s e l w i r k u n g zwischen Technik und W ir tsc h a ft besteh t. D ieselbe W e c h se lb e z ie h u n g und W e c h s e l w i r k u n g b e ste h t zw ischen d e r te chnischen W is sen­

sc haft und d e r W irtscha fts w issenschaft. W ä h r e n d aber die technische W issenschaft o d e r g e n a u e r die technischen W is senschafte n zu den N a tu rw is se n sc h a fte n g e h ö re n , g e ­ hören die W irtscha ftsw issenschaften — auch ih r e r sind es m e h r e re — zu den s o g e n a n n t e n G eistesw issenschaften, wie die Rechtsw isse nsc haft, die P hilosophie, die Ge-

3) G. S c h m o lle r, G ru n d riß d e r a llg e m e in e n V o lk s w irts c h a fts - 3) W . S o m b a rt, D ie d e u tsc h e V o lk s w irts c h a ft im 19. J a h r h u n -

le h re I. 1 3 9 . d e rt, S. 1 5 6 .

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$0. Jalirg. Heft 9 September 1927

: 1 /

v o n P i s t o r i u s : D e r T e c h n i k e r i n d e r W i r t s c h a f t

schichte. Es erg ib t sich d a ra u s für den T e c h n ik e r als W irtschafter eine andere wissenschaftliche und m e t h o ­ dische Einstellung. In den W irtsch aftswissen schaf ten hat es der T e c h n ik e r nicht mit N atu rg es etzen zu tun, sondern mit der menschlichen Rechts- und W irtschaftsord nung.

Die V orstellung von wirtschaftlichen G esetz en im Sinne von N aturgesetzen, wie sie noch die sogenannte klassische N ationalökonom ie b eherrschte , ist längst als Ir rtu m e r ­ kannt. Schon in den Begriffen »Wirtschaft« und »W irt­

schaftlichkeit« ist diese Erk enntn is enthalten. W irtschaften, wirtschaftlich d en k e n und wirtschaftlich handeln sind D enkergebnisse. Die N a tu r als solche arb eite t stets unwirtschaftlich. In W a h r h e i t gibt es keine natürlichen, wirtschaftlichen Gese tz e, so ndern es gibt nur vom M e n ­ schen geschaffene w irtschaftliche G esetze, es g ib t nur wirtschaftliche G esetz e in nerhalb einer be stim m ten R echts­

ordnung. Selbstvers tändlich ist an derseits die Rech ts­

ordnung nicht etw a willkürlich, etw as nach dem s u b ­ jektiven Ermes sen des M en sch en geistes beliebig zu schaf­

fendes, sondern das Recht ist und m uß sein die z w e c k ­ entsprechende O r d n u n g der durch die Kulturentw ic klung gege benen sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen der Menschen zu einander, das Recht ist eine soziale O rdnung, die Rechtsw issenschaft eine Sozial- o d e r Sta atsw issen­

schaft. Und d aru m lassen sich Gesetz e o d er G e se tz ­ mäßigkeiten, a b er nicht N aturges etze, sondern psycho­

logische M a s senw irkungen, auch in ihr aufzeichnen.

Von den Wirtschaftswissensc hafte n k o m m e n für den Technik er hauptsächlich in F ra g e die P r i v a t w i r t ­ s c h a f t s l e h r e und die V o l k s w i r t s c h a f t s l e h r e . Beide bedin gen w iederum un te r sich eine verschiedene Einstellung. Die P rivatw irtschaftslehre h andelt davon, wie die Landwirtschaft, wie ein W ald , wie ein g e w e r b ­ licher oder in dustrieller Betrieb vom S ta n d p u n k te des Besitzers od e r U n tern eh m ers aus am rationellsten zu b e ­ treiben ist; der T e c h n ik e r stößt hierbei in ner halb der Industrie auf die Bilanz und die Lehre von der Buch­

führung, auf die Kosten rechnung, auf die F a b r i k o r g a n i­

sation, auf die technische Wirtschaftlichkeit. T echnik und technische Wirtsch aftlichkei t sind zwei verschiedene Dinge. Die F r a g e : wie stelle ich ein Stallfenster her, ist eine g anz andere als die: wie stelle ich ein v e r k ä u f ­ l i c h e s Stallfenster h e r? Die eine b e an tw o rtet die T e c h ­ nik, die andere die Privatw irtschaftsleh re. Der leitende Ingenieur muß beide F r a g e n stellen und richtig b e a n t­

worten, nicht nur die erste, sonst läuft er G efahr, seine Vorratsräum e auf Jah re hinaus mit unverkäuflichen Stall­

fenstern anzufüllen.

Im G egensatz zu d e r Privatw irtsc haftslehre oder Be­

triebswirtschaftslehre, welche besagt, wie die höchste N utz w irkung für den U n te rn e h m e r eines Betriebes zu e r ­ zielen ist, hat es die Volk sw irtschaftslehre mit den Be­

ziehungen des Betriebes von Landw irtschaft, G ew erb e, H andel usw. zur G esam th eit und mit den W ir k u n g e n auf die G esam theit des V olkes und des V olk sw ohls ta ndes zu tun, und ins besondere hat sie es zu tun mit der Ein ­ w irkung des Rechts und der verschiedenen Rechtseinrich­

tungen auf die Landwirtschaft, auf G ew erbe und Handel, also mit d e r staatlichen Agrar-, G ewerb e- , Handels-, Zoll- und V erkehrspolitik , Sozialpolitik usw. Es besteht auch hier nicht n u r eine enge W e c h s e l b e z i e h u n g , sondern eine fortlaufende W e c h s e l w i r k u n g , in sbesondere ist die Art der P rivatw irtschaftsführung und ihr Erfolg in w ei­

tem U m fan g b e d in g t und a b h ä n g ig von der staatlichen Wirtscha ftspolitik. Es ist d a h e r für die private W ir t­

schaftsführu ng von höch stem W ert, d aß sie der W ech sel­

bezie hungen sich k la r wird, und d aß sie ihrerseits auf

das Recht, auf die G esetzg eb u n g , auf die W irtscha fts­

politik Einfluß gew in nt. Es gesellt sich hiernach für den leitenden T e c h n ik e r zu den oben e rw ähnten zwei Arten von Fra g es tellu n g en noch eine dritte hinzu. Um auch sie stellen und b e a n tw o rte n zu können, ist die Kenntnis der volkswirtschaftlichen V o rgänge, ist das Verstän dnis für die volks wirtschaftlichen W irk u n g en , mit einem W o rt die B eherrschung der Volksw irtsch af tsleh re, die V o rau s­

setzung.

Bei solchem T un stö ß t d e r T ech n ik er zu nächst auf einen Satz, den er aus der T ech n ik und der Privatw irt­

schaftslehre bereits ke nnt, nämlich, daß es d a ra u f a n ­ kom m t, mit dem geringste n Aufw and den höchsten E r ­ folg zu erzielen, diesmal ab e r nicht für den einzelnen, sondern für die Gesamtheit. Und hierin liegt d e r tief­

g e h e n d e und nach U m ständen fo lgensc hw ere Unterschied zw ischen P rivatw irtschaft und V olksw irtschaft, zwischen Priva tw irtsc haftslehre und Volksw irtschaftslehre. Es darf nicht übe rs ehen w erd en, daß ein und ders elbe V organg g anz verschiedene Ergebnisse zeitigen, zu einer g anz ver­

schiedenen Beurteilung führen kann, je nachdem man von der privatwirtschaftlichen o d er volkswirtschaftlichen Be­

trachtungsw eise ausgeht. So kann beispielsweise ein M iß­

wuchs privatwirtschaftlich nach U m stän d en vorteilhaft sich ausw irken, v o l k s w i r t s c h a f t l i c h k a n n e i n M i ß ­ w a c h s n i e m a l s a l s e i n V o r t e i l w i r k e n u n d b e ­ t r a c h t e t w e r d e n . Es k o m m t hier der U nterschied zw i­

schen G ü te re r z e u g u n g einerseits und E rw erb oder E r­

w erb stätig k e it anderseits herein. G ü te re r z e u g u n g ist ein volkswirtschaftlicher, Erw erb ein privatwirtschaftlicher Be­

griff. Die privatwirtschaftliche E w erbstätigkeit kann z u ­ gleich eine volkswirtschaftliche G ü te re r z e u g u n g sein, sie braucht es aber nicht zu sein, begrifflich fallen beide nicht zusa m m en, denn G ü te r erzeugen heißt: W erte schaffen, erw erb en heiß t: W erte in seinen Besitz bringen. Man kann auch durch volkswirtschaftlich unproduktiven E r­

w erb (W ucher, Spekulatio n usw.) W erte in seinen Be­

sitz bringen. Es kann so gar eine solche E rw erbstätigkeit u m g e k e h r t pro duktiv , d. h. w ertvernic htend sein. »Der gew issenlose Reeder, der baufällige Schiffe sa m t La­

d u n g dem U n te rg a n g preisgibt, um die Versicheru ng ein­

zustreichen, der holländische Pflanzer von eh ed em , der einen Teil d e r G ew ü rzern te vernichtet, um die Preise seiner W a re n hochzuhalten« (C. Jentsch), sie alle e r ­ w e r b e n , sie erw erb en sich so g ar vielleicht R e i c h - t ü m e r , sie v erm ehren a b er nicht den Reichtum des Volkes o d e r der V olksw irtschaft, sondern sie verm in ­ dern diesen, sie sind also w ohl erw erb stätig, erzeugen ab e r nicht Güter.

In W irklichkeit beruht jede E rw erbstätigkeit, die nicht zugleich gütererzeu g en d , d. h. wertschaffend ist, auf der g ü te r e rz e u g e n d e n T ä tig k e it anderer, sie ist in W a h rh e i t Schm arotz ertä tigkeit. Sie kann innerhalb einer Volk sw ir tschaft auf die D auer nur von einzelnen a u sg e ­ übt w erden, sonst nim m t der volkswirtschaftliche G ü te r ­ vorrat, vollends wenn die parasitische E rw erb stätigkeit w ertv ernic htend w irkt, dauernd ab, die Volkswirtschaft v e rarm t und verelendet. W ir haben es in Deutschland erlebt: W ä h r e n d der G la nzzeit des Schieber tums und der Spekula tio n ist die V e rarm u n g der V olkswirtschaft im ras en den T e m p o vor sich g e g angen.

D agegen kann in ner halb der Volksw irtsch af t sehr wohl ein Volk als G anzes eine solche parasitische T ä t i g ­ keit ausüben, als Blu tsauger leben. Auch hierfür fehlt es nicht an Beispielen. In der Weltwirtsc haft nim mt eben die einzelne V olk sw irtschaft dieselbe Stellung ein, wie innerhalb der V olk sw irtschaft die Einzelwirtschaft.

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23 2 v o n P i s t o r i u s : D e r T e c h n i k e r i n d e r W i r t s c h a f t Technik und W irtschaft

Im g r o ß e n g a n z e n jedoch fallen, nicht begrifflich, a b e r ta tsächlic h, E rw e rb einer seits u n d G ü te r e r z e u g u n g anders eits z u s a m m e n ; no rm a le r w e ise e rw ir b t man, in­

d e m m an e rzeugt, und für die R egel u n d auf die D au er k a n n m a n fr e m d e G ü t e r n u r g e g e n eigene, d. h. se lbst h e rv o r g e b r a c h te G ü te r o d e r Leistungen erlangen. U n d d a ß dies fü r die R egel d e r F all ist, d. h. d aß die privat- wirtsc haftliche T ä ti g k e it zugleich eine volkswirtschaftlic h e rz e u g e n d e ist, d a f ü r zu so rgen, ist die A u fg a b e d e r G e ­ s e t z g e b u n g u n d d e r V olk sw ir tschaftspolitik . Es liegt das a b e r auch im richtig v ers ta n d e n e n In teress e der Privaten, d enn ein R ü c k g a n g d e r V olk sw ir tschaft, eine V e rarm u n g , k o m m t, w en n auch in ungleichem G r a d und ungleichem Z e itm a ß , schließlich zu jedem .

W e n n hiernach d e r T e c h n ik e r in erste r Linie T e c h ­ n ik e r sein, d. h. w issenschaftlich betr achte t, N a tu r w is s e n ­ s c h a f te r sein m uß, so sollte er doch a u ß e rd e m noch z w e i­

fa c h e r W ir tscha ftw is senschafter, P ri v a tw irt und V o lk sw irt sein. Sonst b e s t e h t die G e fa h r d e r U n fru c h t b a rk e it seiner T ä ti g k e it und persönlich des Scheiterns. Schon m ancher te chnische E rfinder h a t die Bitte rk eit des W o r t e s zu k osten b e k o m m e n : Das K önig sdiadem des G enius w ird oft g e n u g z u r D o rn e n k ro n e . W e r n e r S o m b a r t h a t ein m al g e s a g t : »Technische E rfindungen locken keinen H u n d vo m O fen, w enn sie nicht mit d en w irtschaftlichen Bed ürfnissen d e r e r in U e b e re in s tim m u n g sind, die sie a n ­ z u w e n d e n haben.« Mit ä n d e rn W o r t e n : Eine tech nische Erf in d u n g k a n n noch so b e w u n d e r n s w e r t sein, d e r E r­

finder noch so g e is tig h o c h stehen, w e n n sie in einer u n ­ entw ick e lten V olk sw ir tschaft auftritt, bleibt sie u nfrucht­

bar. T atsächlich sind viele te chnischen V e rb esser u n g en u n d E rf in d u n g en lange Z eit t o t geblieben, weil die w ir t­

schaf tlichen V o ra u sse tz u n g e n fehlten. W a s h a t n u r L e o ­ n a r d o d a V i n c i alles erfunden! auch eine D a m p f m a ­ schine. U n d P a p i n ist 100 J a h r e v o r W a t t mit seiner D am pfm aschine, b e w u n d e r t und an g estau n t, aber — v e r ­ e in s a m t auf d e r W e s e r h eru m g e fa h re n . E rst mit J a m e s W a t t w a r e n die V o ra u sse tz u n g e n der F r u c h t b a r m a c h u n g g e g e b e n ; je t z t e rs t setzte das Z e ita lte r der D a m p f ­ m a s c h i n e , d e r Kohle und des Eisens, eine neue Zeit ein. E n t w e d e r m u ß das eigene V olk a b n a h m e fä h ig o d er d e r A bsatz an frem d e k a u fk r ä fti g e V ö lk e r möglich sein. Im letzte ren Falle b e d a r f es e n ts p re c h e n d e r V e rk e h rse in ric h ­ t u n g e n , w o b ei nic ht n u r an die T ra n s p o r tm i tt e l z u d e n ­ k e n ist, s o n d e r n auch an d as Geld-, Bank- und B ö rsen ­ w esen. Es ist nic ht so, d a ß u nsere W irtsch a ft eine k a u ­ sale W i r k u n g d e r T e c h n ik w ä re , wie es d e r o ben e r ­ w ä h n te D i e t z e l ansieht und wie es K a r l M a r x 4) ein ­ m al in dem S atz e a u s g e d r ü c k t h a t: »Die H a n d m ü h le er­

g ib t eine G esellschaft von F e u d a lh e r re n , die D am p fm ü h le eine G esellschaft mit in dus triellen Kapitalisten.« A ber es ist auch nic ht u m g e k e h r t ; es b e ste h t eine W e ch selb ezie­

h u n g u nd eine W e c h s e l w i rk u n g . Das ist auch M a r x nicht v e r b o r g e n gebli eben, so fern er in dem vorhin a n g efü h rten W e r k bei d e r E n tw ic k lu n g der F a b rik in d u strie u nte rschei­

d e t zw ischen d e r te chnischen E n ts t e h u n g und ih ren g e ­ schichtlichen V o rb e d in g u n g e n , als w elche er K a p ita l a k k u ­ mulation, M a r k t e r w e i t e r u n g u nd F re i s e tz u n g von A rbeits­

k rä f te n bezeichnet. D er T e c h n ik e r ist, wie es S c h w i e d ­ l a n d ein m al a u sd r ü c k t, d e r R u d e r e r , der W irtsch a fter ist d e r S t e u e r m a n n . D er T e c h n ik e r k a n n jedoch auch selb st d e r S te u e r m a n n sein, w enn er zugleich W ir tsch a fter ist. In die sem Falle d a r f er freilich nic ht einseitig privat- wirtschaftlich, s o n d e r n er m uß zugleich v o lk s w i rts c h a ft­

lich g e r i c h te t sein. Es ist schon so, wie vor einigen J a h ­

ren einm al eine D en k sch rift des V e r b a n d e s deutscher A rchitekte n- un d Ingenieurv ere ine es a u s g e d r ü c k t hat:

» D ie te c h n i s c h e L e i s t u n g v o l l z i e h t s i c h n i e m a l s so, d a ß a l l e i n d a s im e n g e r n S in n e t e c h n i s c h M ö g lic h e in F r a g e s t ü n d e , s ie v o l l z i e h t s i c h v i e l m e h r s t e t s u n t e r B e­

r ü c k s i c h t i g u n g d e r g e g e b e n e n r e c h t l i c h e n , s o z i a l e n u n d w i r t ­ s c h a f t l i c h e n V e r h ä l t n i s s e . D ie t e c h n i s c h e L e i s t u n g i s t e in A u s g l e ic h z w i s c h e n d e m t e c h n i s c h M ö g lic h e n e i n e r s e i t s u n d d e m r e c h t l i c h u n d e t h i s c h Z u l ä s s i g e n , s o w i e d e m w i r t s c h a f t ­ l i c h E r f o l g r e i c h e n a n d e r s e i t s . I n f o l g e d e s s e n m u ß a u c h d e r T e c h n i k e r b e i s e i n e r t e c h n i s c h e n A r b e i t s t e t s m i t d ie s e r B e g r e n z u n g a lle s T e c h n i s c h e n r e c h n e n . G e r a d e in i h r e r e n g e r e n B e r u f s p h ä r e a l s B a u k ü n s t l e r u n d K o n s t r u k t e u r e s o l l e n d i e T e c h n i k e r d i e s t e t e B i n d u n g i h r e s W i r k e n s an P a r a g r a p h u n d P r e i s n i c h t a l s e in e n f r e m d e n u n d lä s tig e n Z w a n g e m p f i n d e n , d e m s ie s ic h n u r w i d e r w i l l i g b e u g e n , sie s o lle n v i e l m e h r f ü r d i e s e n b e d i n g e n d e n Z u s a m m e n h a n g ein w i s s e n s c h a f t l i c h e s V e r s t ä n d n i s s c h o n a u f d e r H o c h s c h u le g e w in n e n .«

In gle ichem Sinn hat P ro f e sso r H ä b i c h anläßlich der E in w e ih u n g des N e u b a u e s d e r T echnisc hen Hochschule S tu t tg a r t sich ausgesprochen, w en n er in seinem Vortrag, Die T echnische H o ch sch u le u n d die W i r t s c h a f t 3), sagt:

» D a ß d a s R ü s tz e u g d e s F ü h r e r s n i c h t n u r a u s d e m M a t e r i a l d e r N a t u r w i s s e n s c h a f t e n g e s c h m i e d e t w e r d e n k a n n , d a ß d a s O b j e k t d e r B e t ä t i g u n g d e r F ü h r e r p f l i c h t e n n ic h t n u r d i e M a s c h in e i s t , d a ß in d e m Z ie l d i e s e r B e tä tig u n g , d e m E r f o l g , n i c h t n u r d e r p r i v a t w i r t s c h a f t l i c h e , s o n d e r n a u c h d e r v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e u n d l e t z t e n E n d e s d e r k u ltu ­ r e l l e E r f o l g g e s e h e n w e r d e n m u ß , d a r i n s e h e n w i r d e n B e s t i m m u n g s g r u n d d e s h e u t i g e n a l l g e m e i n e n U n lu s tg e f ü h le s g e g e n ü b e r d e r M a c h t d e r Z e i t v e r h ä l t n i s s e , f ü r d i e d a s S c h la g ­ w o r t M a t e r i a l i s m u s a n g e w a n d t w i r d , d a s i s t d a s K r ite r i u m in d e m H i l f e r u f d e r I n d u s t r i e w i r t s c h a f t , g e b t u n s In g e n ie u re , d ie d i e s e n N a m e n v e r d i e n e n . H i e r m i t M itte ln d e r W is s e n ­ s c h a f t b e f r e i e n d e i n z u g r e i f e n , d a s i s t u n s e r Z iel.«

W e n n dieses Ziel gelingt, d ann k o m m e n Führer hera us, M änner, die zugleich e r w e r b e n un d erzeugen, die die T e c h n ik bereichern und die W ir ts c h a f t befruchten, M ä n n e r wie A. Krupp, W . Siemens, T h y sse n , Ehrhard, Borsig und die S c h w a b e n Keßler, D aim ler, Bosch.

II.

W e n n w ir uns nun dem än d e rn Pro duk tio n sfak to r, dem K a p i t a l z u w e n d e n , so s t o ß e n w ir z u n äch st auf einen b ed au erlich en W ir r w a r r , d e r in d e r V erw endung des Begriffes K apital herrscht. M an hält im täglichen Leben und leider vielfach auch in d e r W issenschaft nicht g e n ü g e n d a u se in a n d e r den v olk sw irts chaftlic hen Kapital­

begriff und den privatw irtschaftlichen, g e n a u e r privat- rechtlichen K apitalbegriff. W e n n man vo m ste h e n d e n und um laufenden Kapital, vom A nlage- und Betriebskapital usw. redet, so m eint und b eg reift m an das Kapital im v olk sw irts chaftlic hen Sinne, d. h. d en G ü te r v o r r a t der V olk sw ir tschaft, w elcher d e r P r o d u k t io n die nt o d er zu die nen b e s t im m t ist, mit ä n d ern W o r t e n , die Betriebs­

mittel d e r V olk sw ir tschaft, also: W e r k z e u g e , Maschinen, F a b r i k g e b ä u d e , Ställe und S c heunen, W a g e n , Pferde, N utz - und Z uchtv ieh, S aatfrucht, D ü n g e r, Rohstoffe, H a lb ­ z e u g usw. A nders eits sp rich t m an vom K apitalm arkt, von billigem un d te u r e m Kapital, von ein er K apitalanla ge, vom Kapitalzins, von Kapitalisten usw. In diesen Fällen ver­

st e h t man das W o r t K apital im p rivatrechtlichen Sinne und h a t d a b e i das G eld o d e r (und haupts ächlich) F o r ­ d e r u n g s r e c h te auf G eld im A uge. J e d e r solchen privat­

rechtlichen F o r d e r u n g ents p rich t auf der ä n d e rn Seite eine privatrechtliche V erbin dlic hkeit, eine S c h u ld ; das Kapi­

ta l in die sem Sinne ist zw eiseitig, ak tiv un d passiv;

d a s volk sw irtschaftlic he Kapital, d e r G ü t e r v o r r a t als P ro ­ du k tio n sm ittel d a g e g e n ist im m e r n u r aktiv vorhanden.

4 ) K . M arx, E lend der Philosophie, 8. A ufl. 1920, S . 91. 5 ) V erlag von K . W lttw er, Stuttgart 1925.

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v o n P i s t o r i u s : D e r T e c h n i k e r in d e r W i r t s c h a f t 2 3 3 20. Jahrg. Heft 9

September 1927

Den Kapitalbegriff im privatre chtlichen Sinne hat z. B.

für die Regel die S te u e r g e se tz g e b u n g im Auge, wenn sie vom K apitalein kom m en, vom Kapitalzins, von der Kapitalsteuer redet. Die V olk sw irtschaftslehre dagegen hat es mit dem volk swirtschaftlichen Kapitalbegriff zu tun; sie sollte, w en n sie gele ge ntlich den ändern Begriff verwendet, sich dessen kla r b e w u ß t w erd en und den Unterschied scharf und deutlich zum A usdru ck bringen.

Daß, wenn vom Kapital als P r o d u k tio n sf a k to r die Rede ist, nur das Kapital im volkswirtschaftlichen Sinne g e ­ meint sein kann, liegt auf d e r H and.

W as nun <Jas Kapital als P ro d u k tio n s f a k to r a n b e ­ langt, so ist es nicht U rfa k to r wie die Natur, sondern es stellt ein Erg ebnis d e r menschlichen Arbeit, g e n a u e r des Z usa m m e n w irk e n s der menschlichen Arbeit und der Natur d a r; es ist vo rg etan e Arbeit, g e ronnene Arbeit.

Es fällt also d e r hern ach noch zu behandelnde dritte P roduktio nsfakto r, die Arbeit, mit dem zweiten, dem Kapital, insofern zusam m en, als je der spätere Arbeiter im Kapital ein Stü ck Arbeit seiner V orfahren m itb e ­ nutzt. Am wertv ollsten ist dabei das geistige Erbe der Kenntnisse und der Fertig keite n, das so g en an n te Bil­

dungskapital. M ag ein mit solchem geistigen Rüstzeug ausgestattetes Volk, etw a nach einem verlorenen Kriege, auch noch so vera rm en, noch so nie dergetr ete n werden, mögen ihm seine Mas chinen und Schiffe, sein Vieh, seine Vorräte und G e rä te bis auf den Pflug h erunter w e g g e ­ nommen o d e r zerstört w erd en, seine Kenntnisse und seine Bildung kann man ihm nicht nehm en, und mit der Kraft, die ihm diese verleiht, verm ag das Volk, wenn es nur will, mit d e r Zeit alles Verlorene w ied er herzustellen.

Allein diese im materiellen G üter m eint man nicht, wenn man in d e r V o l k s w i r t s c h a f t s l e h r e vom K a­

pital als dem P ro d u k tio n s f a k to r redet, so w enig man, wie wir gesehen hab en , beim P ro d u k tio n s f a k to r N atur den Menschen und seine A rb eitskra ft miteinbegreift.

Kapital im Sinne der V olk sw ir tschaft ist nur d e r zur Produktion bestim mte V orrat an m a t e r i e l l e n Gütern.

Man pflegt dabei zu unte rscheiden: stehendes und u m lau ­ fendes Kapital, Anlage- und Betriebskapital, bewegliches und unb ew egliches Kapital usw.; allein so sehr diese Dinge den leitenden In genieur auch im mer w ieder b e ­ wegen und in Bew egung setzen, w ir können uns in die­

sem Z u s a m m e n h a n g nicht w eiter dam it abgeben.

W ohl a b e r haben wir auf den ändern, den privat­

rechtlichen oder privatwirtschaftlichen Kapitalbegriff noch kurz den Blick zu werfen, denn der In genieur hat es, wie wir wissen, neben der Technik nicht nur mit der Volkswirtschaft, so n d ern vor allem auch mit der P riv at­

wirtschaft zu tun.

Das Kapital im privatre chtlichen Sinne, das G e ld ­ kapital, ist nichts andere s als der Rechtstitel auf die Bestandteile des volkswirtschaftlichen Kapitals. D aß der Rechtstitel auf das Kapital und das Kapital selbst a u s ­ einanderfallen können, h ä n g t mit der Einrich tu ng des Privateigentums zusam men . Weil die Güter, die das K a­

pital im volkswirtschaftlichen Sinne ausm achen, im P ri­

vateigentum stehen können, ist es möglich, daß d e r Eigentüm er die G ü te r nicht selbst zur G ü te re r z e u g u n g benutzt, so n d ern sie zu diesem Z w eck ändern überläßt.

Er kann das unm ittelb ar tu n in der Weise, daß er sein Landgut verp achtet, sein H aus, seine F abrik vermietet, er kann es aber auch mittelbar tu n — und das ist d e r häufigere Fall — in der Weise, daß er das in G eldform in seinen Besitz g e k o m m e n e Kapital, d. h. seine F o r ­ d erungs rechte auf Güte r, im W e g e des D ahrlehns w ei­

tergibt, unm ittelb ar oder durch Verm ittlu ng von e n t­

sprechenden Anstalten (Kreditanstalten, Banken) an d e n ­ jenigen, d e r G ü te r erzeugen, H ä u s e r bauen, ein G ew e rb e betreib en will, und d e r z u diesem Behuf das in G e ld ­ form ihm geliehene Kapital w ieder in volk sw irts chaft­

liches Kapital verw andelt. N u r deshalb, weil er das tut, kann er für das geliehene Kapital aus dem E rtr a g seines U n tern eh m en s den bedu n g en en Zins zahlen. Schon.

L u t h e r hat einmal g e s a g t : »das Geld k ann keine Ju n g en hecken; ich habe es noch nie gesehen, daß ein Geldstück J u n g e b e k o m m e n hätte«; und es sind aus dies er V o r ­ stellung hera us einst die Zin sv erbote ents ta nden und ein Teil d e r Theorie n, welche den Leihzins als unberechtig t ansahen, eine Auffassung, die Luth er selbst übrigens nicht vertreten hat.

Weil nun in unserer heutigen (sogenannte n k a p it a ­ listischen) W irtsch a fts o rd n u n g die T re n n u n g zwischen dem Rechtstitel auf die d e r P r o d u k tio n dienende n Sach­

g ü t e r und den S achgüte rn als solchen in w eitestem U m ­ fang besteh t, das Kapital also im wesentlichen nicht d e n ­ jenigen P ers onen geh ö rt, welche die A rbeit im G ü te r ­ e rz e u g u n g s v o rg a n g leisten, hat sich auf ihrer Seite eine w eitg eh e n d e A bneig ung gegen das Kapital gebildet. Diese Abneig ung und der aus ihr ents prin gende Kam pf gegen das Kapital richten sich nicht eigentlich g e g e n das K a­

pital, sondern g e g e n das Private igentu m am Kapital.

So kann es wenig stens ve rn ünftigerw eise nur g em ein t sein; denn das Kapital im volkswirtschaftlichen Sinne ist für ein Kulturvolk so un en tb ehrlich wie das tägliche Brot, denn es bedeute t das tägliche Brot; w em das Kapital g e h ö rt , das ist für die V olk sw irtschaft v erh ält­

nis m äßig nebensächlich, daß es da ist und erh alte n bleibt, ist für die V olk sw irtschaft entscheidend. Allein im T a ­ g e s k a m p f des politischen Lebens w ird der Unterschied n u r zu häufig üb ers ehen, und wenn der Kampf zum blinden H a ß wird und dieser, vom Neid geleitet, dazu führt, daß die A bneig ung g e g e n das Private igentu m am Kapital zu einem Kampf gegen das Kapital ü b e rh a u p t wird, mit der alsdann rasch ein treten den W ir k u n g , daß das Kapital, d. h. d e r G üte rv o r ra t der Volksw irtschaft, sich verm in dert, so ist das für die Volk sw irtschaft d e r A nfang vom Ende, die A n b ahnung d e r allgem einen V er­

ele ndung, der Rückfall in A rm ut und Barbarei. Keine Gesellschaft, auch keine kom munistische, k ann das K a­

pital en tb eh ren ; man kann das P rivate igentu m am Kapital abschaffen od e r abzuschaffen versuchen, aber das Ka­

pital selbst m uß nicht n u r erhal ten bleiben, sonder n fo rtw äh ren d verm ehrt werden, wenn das betreffende Volk ein Kulturvolk bleiben und als solches sich w eiterent­

wickeln will.

U nd nun noch eine Frage. Ist der Kampf ge g e n das Kapital ausschließlich auf Neid und U nvers tand z u rü c k ­ zuführen, und gib t es nicht noch eine and ere E rk lä r u n g ? Vielleicht doch; und zw ar diese: I n d e r heutigen V o lk sw irt­

schaft ist d e r P ro d u k tio n sf a k to r Kapital von allerg rößte r B edeutung, er steht den ändern P ro d u k tio n sf a k to re n g e ­ g e n ü b e r im V ord erg ru n d , d aher die Bezeichnung k a p i ­ talistische P roduktionsw eise für unsere heutige Wirtschaft.

Dara us folgt, daß derjenige, der über das Kapital verfügt, eine g ro ß e wirtschaftliche M acht besitzt. U n d gegen diese w iederum rich tet sich die A bneig ung und der Kampf. Neid und U nvers tand und, daraus folgend, blin­

der H a ß m ögen hierbei oft g e n u g leitend sein, häufig finden aber A bneig ung und Kampf ihre Rechtfertigung in dem M ißbra uch, der mit der Macht, die im Kapital liegt, getrieben wird. Jede M acht kann mißbrauch t w e r­

den, so auch die des Kapitalismus. U nd wenn — es ist ein kleiner Sprung — die A bneigung, der Kampf, der

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2 3 4 v o n P i s t o r i u s : D e r T e c h n i k e r in d e r W i r t s c h a f t Technik und W irtschaft

N eid u nd d e r H a ß g e g e n den Kapital ismus auf die K a p i t a l i s t e n ü b e r t r a g e n w ird, so pflegen dabei r e g e l­

m ä ß i g zw ei Klassen von Kapitalis ten nic ht a u s e i n a n d e r­

g e h a lt e n zu w e r d e n : Die R e n t n e r k a p i t a l i s t e n , d .h . d iejenig en, w elc he ih r K apital in G eldform g e g e n Zins v erlie hen h aben, volkstü m lich a u s g e d r ü c k t »vom • G eld e leben«, u nd diejenig en, w elc he ü b e r das (v o lk sw irtsch aft­

liche) K apital als U n te rn e h m e r verfügen, gleichviel ob sie E ig e n t ü m e r des Kapitals sind, o d e r ob sie es g a n z o d e r teilw eis e sich geliehen haben. Sie kö n n en als U n ­ t e r n e h m e r k a p i t a l i s t e n z u s a m m e n g e f a ß t w erd en . U n d sie sind es, be so n d e r s w e n n m an z u ih nen — und das m u ß man — die K reditinstitute, die G ro ß b a n k e n rechnet, die mit dem Kapital, g e n a u e r der darin s t e c k e n ­ den Macht, M iß b ra u c h tr e ib e n können. U n te r M iß b rau ch tr e ib e n verste he ich dabei die V e r w e n d u n g des Kapitals un d sein er M acht, a nstatt im In tere sse des g a n z e n und des G em ein w o h le s, im bloßen P rivatinte resse einzelner o d e r einzeln er Schichten. In diesem Falle m a g G e g n e r ­ schaft und K am pf g e g e n diese Kapitalisten, g e n a u e r g e g e n ihre A rt d e r A usn u tzu n g d e r im Kapital liegenden Macht, b e g r ü n d e t sein, falls a b er d e r Kampf in d e r W i r k u n g zu einer V e rri n g e ru n g des Kapitals führt, so b e d e u te t er, so b e re c h t ig t er sein mag, einen schw eren Fehle r. D a ru m ist V orsicht und U m sicht auch bei solch em Kampfe aus w irtsc haftlichen G rü n d e n g eboten. U e b e r re cht w enig wirtschaftlich e M ach t pflegt d a g e g e n im allgem einen der einze lne R en tn erk a p italis t zu verf ügen, auch wenn er so viel Kapital sein eigen nennt, d aß er von den Zinsen leben kann. Bei w eitaus den meisten bildet übrigens d e r Zins n u r einen Teil des E in k o m m e n s ; an ders eits sind alle Kreise des V olk es am R entn erk a p italis ten tu m m e h r o d e r w en ig er mitb eteilig t: Die freien Berufe, die Beam ten, Bau ern , H a n d w e r k e r , A rbeiter, vor allem die Sozia lre ntner, die Invaliden, W itw e n und W ais en u n d alle In h a b e r von Sparkassenbüchle in. W a s den K ampf ge g e n das K apital m it d e r nah e lie g e n d e n F o lg e se iner V ern ic h­

t u n g und E n tw e rtu n g für die R e n t n e r k a p i t a l i s t e n be d e u te n k a nn, das veranschaulicht die heutige »Klein­

re n tn erfü rso rg e« , d. h. die U n te r s tü tz u n g dieser Kreise aus öffentlichen Mitteln, um sie v o r dem V erh u n g e rn zu schützen.

Im ü b rig en h a b e n Krieg u nd Revolution mit ihren sozialistischen N a c h w i r k u n g e n un d A u sw irk u n g e n k e i­

n e s w e g s den K apitalismus b eseitigt und g eschw ächt, s o n ­ d e rn in einem bis je tz t nie d a g e w e se n e n A u sm aß e n t ­ w ic k e lt un d g e k rä f tig t. Das Kapital ist durch die g e ­ w a lts a m e G ü te rv e r n ic h t u n g im Krieg und durch A u fz e h ­ ru n g im und nach dem U m stu rz und w ä h r e n d des R u h r ­ ka m p f e s z u s a m m e n g e s c h ru m p f t und dam it w ertv olle r g e ­ w o r d e n , es hat einen S eltenheitsw ert e rla n g t; die M acht d e r Börsen u nd B anken ist g estie gen. Das im verarm ten E u ro p a verblie bene K apital ist gerin g , v o r allem in dem von allen Seiten au sg e s o g e n e n D eutschland, es ist g r o ß und m äch tig in A m erika. Die V ere in igte n S ta aten von A m e rik a sind volk sw irtschaftlic h u n d weltw irtschaftlic h be tr a c h te t d e r alleinige Kriegs- und R evulotionsgew inner;

d e r am erik an isch e Kapitalismus b e h e rr sc h t je tzt die Welt.

U n d je m e h r d e r oh n eh in g e sc h w ä c h te deuts che K api­

talis m us in D eu tsch lan d durc h politische un d w irt s c h a ft­

liche, v o r allem steuerliche M a ß n a h m e n b e k ä m p f t wird, d e s t o m e h r tr iu m p h ie rt d e r ausländische Kapitalismus. Die G e g n e r s c h a f t w i r k t sich nicht, wie ve rm ein t, z ugunsten des S o z i a l i s m u s s o n d e r n z u g u n sten des a u s l ä n d i ­ s c h e n K a p i t a l i s m u s aus. U n d d aß d ies er auf alle Fälle w e n ig e r als d e r deuts che Kap ital ismus für die d e u ts c h e W ir ts c h a ft und das deuts che G e m e in w o h l sich

einsetzt, so n d ern für sich, d. h. für seine ausländischen D estinatä re so rgt, also vom de u ts c h e n S t a n d p u n k t aus m ißbräuchlic h g e n u tz t wird, m i ß b rä u c h lic h e r als der miß­

brä uchlic hste G e b ra u c h du rch den de u ts c h e n Kapitalismus, das einzusehen sollte so l e i c h t sein, wie es tatsächlich d e r Masse sc h w e r wird. U n d hie r ist w ie d e r ein Punkt, w o die T e c h n ik u nd w o d e r T e c h n i k e r einsetzen und helfen kann. Je d e technische E r fin d u n g und Verbesse­

ru n g lo ck ert die Fesseln und die M ach t des ausländi­

schen Kapitals, s t ä r k t die W irtsch a ft des deuts chen Volkes und k o m m t d a m it d e r G e s a m t h e it des deuts chen Volkes zugute .

Die G e f a h r d e r U e b e r f r e m d u n g des Kapitals und dam it d e r deuts chen W ir tsc h a ft ist g r o ß u nd vergrößert sich im m er m e h r mit d e r para lle l laufenden Konzentra­

tio n s b e w e g u n g , von d e r noch die Rede sein wird, und die im Ausland ihre H a u p t w u r z e l hat. D er S eher und M a h n e r O s w a l d S p e n g l e r hat auch auf diese Wunde den F in g e r gele gt. Er s a g t :

» E i n b e w e g li c h e s V e r m ö g e n , d a s d u r c h e in T e le g r a m m ü i e in e m A u g e n b lic k v o n B e r l i n n a c h N e w Y o r k v e rle g t w e r d e n k a n n , i s t n i c h t m e h r n a t i o n a l . E s h a t s ic h v o m B o d e n g e lö s t , e s s c h w e b t i n d e r L u f t , e s i s t e i n e u n f a ß ­ b a r e G rö ß e . U n d w e n n d i e E n t w i c k l u n g in d i e s e r R ic h ­ tu n g b is a n s E n d e s c h r e i t e t , so d a ß in d e n g r o ß e n W ir t­

s c h a f t s g e b i e t e n a u c h d i e l e t z t e n T e ile d e r N a tio n a lv e r m ö g e n v o n d e n D in g e n g e lö s t w e r d e n , d a n n i s t e in e F o r m d e r W i r t s c h a f t e r r e i c h t , w e l c h e d a s M a r k a u c h d e s s tä r k s te n V o lk e s r a s c h a u f z e h r t . H e u t e s c h o n a r b e i t e t d e r ü b e r w ie ­ g e n d e T e il d e r D e u t s c h e n , v o m U n t e r n e h m e r b i s z u m Ge­

l e g e n h e i t s a r b e i t e r , f ü r M e n s c h e n , d ie e r n i c h t k e n n t , u n d die e i n a n d e r u n b e m e r k t a b lö s e n . U n d so v e r m a g e i n e k le in e Z a h l v o n M e n s c h e n ü b e r d i e E r d e h i n m i t d e n e in z e ln e n N a t i o n a l v e r m ö g e n u n d d a m i t d e m S c h i c k s a l d e r N a tio n e n s e l b s t z u s p ie l e n .«

U nd es ist schon so, auch R u d o l f G o l d s c h e i d hat es in seinem Buch: »Sta atssozialism us un d S taatskapita ­ lismus« h e r v o r g e h o b e n : die M arxsche Lehre vom Gegen­

satz zwischen Kapital und A rbeit im Sinne eines Gegen­

satzes zw isch en A rb e itg e b e r und A rb eitn eh m er, wenn d ie ser G e g e n s a tz je b estand, ist ü b e r h o l t; heute stehen auf d e r einen Seite diejenig en, die mit d e m nationalen Kapital sichtb are P r o d u k t io n s a r b e it leisten, ob als Füh­

re r o d er G efü h rte, als U n te rn e h m e r, T e c h n ik e r od er Ar­

beiter; auf d e r än d e rn Seite stehen die internationalen Besitzer der Rechtstitel auf das Kapital, eine verhältnis­

m äß ig kleine un d w ech seln d e Z ah l von U n b ek an n ten . Etw as g ü n s t ig e r als d urch S p re n g l e r w ird die auch von ihm nicht ohne S orge be tr a c h te te Entw ick lu n g von dem englischen N a tio n a l ö k o n o m e n R o b e r t s o n beurteilt.

( P r o d u k tio n , deuts ch 1924, S. 73/74.)

» D e r F i n a n z i e r i s t , w a s S e l b s t ä n d i g k e i t d e s G e s ic h ts ­ k r e i s e s a n b e l a n g t , i n v i e l e r H i n s i c h t b e s s e r d a r a n , a ls d e r s p e z i a l i s i e r t e P r o d u z e n t . M ag e r a u c h w e n i g e r g u t q u a l i ­ f i z i e r t s e i n , m i t d e n P r o d u k t i o n s p r o b l e m e u z w e it e n R a n g e s f e r t i g w e r d e n z u k ö n n e n . E r i s t a b e r i n d e r L a g e , w ie n ie ­ m a n d z u v o r , d ie P r o d u k t i o n s p r o b l e m e e r s t e n R a n g e s , d ie so la n g e d e n u n s i c h e r u n d u n s t e t w i r k e n d e n » n a t ü r l i c h e n « K r ä f t e n ü b e r l a s s e n w a r e n , r a t i o n e l l a n p a c k e n z u k ö n n e n : D a s P r o b l e m d e r r i c h t i g e n V e r t e i l u n g d e r P r o d u k t i o n s m i t t e l a u f d i e s i e b e g e h r e n d e n V e r w e n d u n g s a r t e n . A u c h e r h a t n u r s e i n e n e ig e n e n V o r t e i l u n d n i c h t d e n d e r V o l k s w i r t ­ s c h a f t i m A u g e u n d d ie V e r b i n d u n g v o n S p e z i a l k e n n t n i s s e n m i t g r o ß e m R e i c h t u m h a t in s e i n e n H ä n d e n z u e i n e r u n g e ­ h e u r e n M a c h t k o n z e n t r a t i o n g e f ü h r t , d i e s k r u p e l l o s a u s g e ­ n u t z t w e r d e n k a n n u n d j e d e n f a l l s z u s e i n e m w e ite r e n V o r t e i l g e n u t z t w i r d . E s b e s i e h t a b e r w e n i g s t e n s d ie C h a n c e , d a ß e r g r o ß z ü g ig d e n k t ; u n d d ie V o l k s w i r t s c h a f t d ü r f t e im g a n z e n d u r c h s e i n e ü b e r l e g e n e U m s i c h t d o c h w o h l m e h r

• b e r e i c h e r t , a ls d u r c h s e i n e B e u t e g i e r g e s c h ä d i g t s e in .«

Das ist freilich, im G e g e n s a tz zu S pengle r, m e h r vom weltw irtsch aftlichen als vo m volk s w irts ch aftlich en und

(7)

v o n P i s t o r i u s : D e r T e c h n i k e r in d e r W i r t s c h a f t 23 5

vollends nicht vom deutsch -v olk swirtsch aftlich en S ta n d ­ punkt aus g eseh en . R o b e r t s o n ist eben E n g l ä n d e r , S p e n g l e r ist D eutscher, w a r m e r deutscher Volks- und Vaterlandsfreund.

III.

D er dritte P ro d u k t io n s f a k to r, die A r b e i t , ist der wichtigste, nach d e r sozialistischen Auffassung der einzige.

Gemeint ist die auf die G ü te re r z e u g u n g gerichte te T ä t i g ­ keit des Mens chen, die m e n s c h l i c h e A r b e i t . Arbeit als P r o d u k tio n sf a k to r im Sinne der V olk sw irtschaf tslehre ist etwas andere s als A rbeit gleich Energie im Sinne der Naturwissenschaften und der Technik . Bei der g ü t e r ­ erzeugenden Arbeit ist jedoch nicht nur, wie einst bei S m i t h , an materielle G ü te r gedacht, sondern eb en so an immaterielle Güter. Auch ein V o rtr a g k a n n Arbeit sein, nach U m ständen — nicht im m er — so g a r pro duktiv e Arbeit.

Die üblichen U nte rscheid ungen der Arbeit in freie und unfreie Arbeit, se lbstä ndige und unselbstä ndige A r­

beit, Kopfarbeit und H an d arb eit, leitende und ausführende Arbeit, gelernte , angele rnte und ungelernte Arbeit usw.

berühren alle den Tech n ik er aufs engste, vor allem den Techniker als In genieur und F a b rik d ire k to r. Ich kann und brauche mich auf das alles nicht einzulassen, die Beziehungen liegen Ihnen n ä h e r als mir. Ebenso darf ich wohl von einer E rö rte ru n g des U nters chiedes zwischen Leistungslohn und Soziallohn, d e r vers chiedenen Lohn­

formen und A rb eitsbetrie bsfo rm en (T aylo rsystem , Halsey- und Rowan system , System e Ford , G ilbreth, Gantt, alles amerikanische Arb eitssysteme, sam t der F ließarb eit mit und ohne Z eitbindung und s a m t dem G eg en stü ck zu alledem, dem Cä canny-Sys tem) absehen, auch von einer Erörterung des Zeitlo hnes und des A kkordlo hnes, der Präm ienlohnsy stem e und G ew innbete iligungssystem e, ein­

schließlich d e r »Industrial-Par tner ship« und der »K ru pp­

schen T reuhand«, obw o h l alle diese Betriebsformen und Lohnsysteme a u ß e r ihrer te chnischen und privatw irtschaft­

lichen Bedeutu ng tiefgre ifende volkswirtschaftliche W i r ­ kungen ausüben; ebenso da rf ich absehen von einem nähern Eingehen auf die materiellen Lohnfragen: auf den gerechten Lohn, für den v. T h ü n e n in seiner Form el V a - p die Lösu ng gefunden zu haben gla ubte, und der er solche B edeutu ng beilegte, daß er bestimmte, nur diese Formel und nichts an dere s dürfe als Inschrift auf seinen Grabstein g esetzt w e rd e n ; desgleichen absehen von einer Erörterung d e r wreitern mit der Lohnregelung z u sa m m e n ­ hängenden F ragen, w enngleich sie im m er w ieder nicht nur die Lohnpolitik, sonder n das g esam te wirtschaftliche und soziale Leben bew egen und aufw ühle n: ehernes Lohn­

gesetz, M ehrw ertle hre, G renznutz enlehre, U nte rs chie d zwdschen Nominal- und Reallohn.

Aber wenig stens einige P u n k te aus diesem G ew irr von Fragen, die alle den T e c h n ik e r als W irtschafter und Führer, vielfach aber auch unm ittelb ar als Technik er e r ­ greifen und dann mit seinem H e rz b lu t in ihren Bann­

kreis ziehen, darf ich zu einer g anz kurz en Beleuchtung herausgreifen.

1. W enn die Arbeit als P ro d u k tio n sfak to r von b e ­ sonder er W ich tig k eit ist, so liegt das nicht nur in ihrer umfassenden B ed eu tu n g für alle G üte re r z e u g u n g , s o n ­ dern noch m e h r darin, weil ihr T rä g e r, der Mensch, Mit­

glied d e r menschlichen Gesellschaft ist und die A rb eits­

und A rbeiterfrage d a h e r nicht nur eine wirtschaftliche F ra ge ist, sondern — w o rau f mein v erehrter Kollege Sta atsra t v o n B a c h in seiner unverwüstlichen U n e rm ü d ­ lichkeit im m er w ieder hin gew iesen hat — zugleich eine 20. Jahrg. H eft 9

September 1927

soziale und dam it eine politische und eine ethische Frage.

»Die Arbeit da rf nicht losgelöst w erd en vom Leb en s­

ganzen« hat unser frü h erer S ta atsprä sid ent Dr. H i e b e r in einem V o rtr a g einmal ge sa gt.

Das ist nicht im m er e rk a n n t word en. Vor allem nicht im W e t t k a m p f des W eltgetr ie bes mit seinem Ringen nach G üte rn, Erfolg und G ewinn, aber auch nicht in der W issenschaft. Bei A d a m S m i t h und seiner Schule ist die Arbeit W a r e und nur W a re , ihr Preis hat sich zu richten nach A ngebot und Nachfrage. Es ist das eine Art N a tu r ­ gesetz. L a s s a l l e hat darau s das »eherne und g rau s am e Lohngesetz« abgeleitet, das der Sozialdem okratie im ersten halben J a h r h u n d e rt ihres Bestehens als durc hschla ­ ge n d e s Agitationsmittel ged ien t hat, wie in der zweiten, heutigen P eriode die M ehrw ertle hre von K. M a r x . Das ehern e Lohngesetz ist in den ne unzig er Ja h r e n von der S ozia ldem okratie als u n h altb ar fallen gelassen worden, die Mehrw'ertlehre beherrscht noch heute offiziell das P ro g r a m m , aber in d e r wissenschaftlichen Sozia ldem o­

kra tie b eginnt auch ihr g e g e n ü b e r bereits der A b b rö c k e ­ lungspro zeß. K a u t s k y hat schon im Jahre 1901 in d e r »Neuen Zeit« g eschrieben: »Die W ertle hre M arx hat mit dem Sozialismus nichts zu tun, w ürde sie widerlegt, so w äre der Sozialismus noch lange nicht widerlegt«.

U nd im Jahre 1919 stan den in d e r sozialistischen Z e it­

schrift »Die Glocke« die W o rte des Sozia ldem okrate n E r i c h T r o ß : »Wir stehen vor der auß ero rdentlic h w ic h­

tigen Tatsa che, d aß die Marxistische M ehrw ertslehre nicht h altbar ist«.

Doch w ir sind bei Adam Smith und seinem P reis­

gesetz, als einem verm eintlichen N atu rgesetz , das auch für die W a re Arbeit gilt. Im G ru n d e beherrscht die V o r­

stellung von der Arbeit als W a re eben so die Auffassung von M a r x . D a aber nach ihm die Arbeit allein p r o ­ duk tiv ist, g e b ü h r t i h r a l l e i n auch der gesam te P r o ­ dukti onsertrag. Es ist Sache der Arbeiterschaft als des Inhabers der Arb eitsk raft, den M a r k t so auszunutzen, die W a re A rbeitskraft so zu verw erten, daß ihr der g e ­ sam te P r o d u k tio n se r tra g zufließt. D aher die F o rd eru n g : D ik tatu r des Proletariats, A en derung der Rechtsordnung, nicht, m indestens zu nächst nicht, zu politischen, Bil- dungs- o d e r ethischen Zwecken , sondern zu materiellen:

Verteilung des g esam te n P r o d u k tio n se r tra g s an die Arbeit;

das andere k o m m t dann von selbst. Vergessen und ver­

sunken hinter der naturwissenschaftlich gedachten m a ­ terialistischen G eschichtsauffassung scheint der Satz des gro ß e n Philoso phen von K önig sberg: »Jedes Ding auf Erden hat einen Preis, einen Marktp reis, der Mensch hat Würde«.

Erst die historisch-ethische Schule der N ational­

ökonom ie, d e r Verein für Sozialpolitik mit seinen »Ka­

thedersozialisten« hat die naturwdssenschaftlich-materia- listische Einstellung durch die ethische ersetzt.

U nd die moderne N ationalökonom ie hat auch die F ra g e nach dem g e r e c h t e n L o h n als einen Irrtum erkannt, dann nämlich, wenn diese F ra g e gestellt wird mit dem Anspruch, darauf eine absolute Antwort, eine feste G rö ß e zu erhalten, oder eine bestimmte Form el, wie sie F reih err v. T h ünen gefu nden zu haben glaubte in der Q u a d ra tw u rz e l aus a - p, wobei a die U nte rh altskoste n des Arbeiters, p den Rein ertra g des U nte rn ehm ens be­

deute n sollte. Selbstverständlich gibt es einen gerechten Preis und einen gerechten Lohn, aber dessen H öhe läßt sich n u r von Fall zu Fall unter billiger Berücksichtigung aller einschlägigen Verhältnisse ermitteln, der Lohn ist g erecht, wen n er von allen Beteiligten als den V erhält­

nissen angem essen empfunden und anerkannt wird; eine

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nen und Deutsch, die ebenfalls mit dem fachlichen Unterricht in Zusam m enhang gebracht werden m üssen, wird Gewerbekunde, Berufskunde und Materialkunde, vor allem

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Es ist eine reine W irtschaftlichkeitsrechnung aufzustellen, die gestattet, die in ihre kleinsten Teile zerlegten w irklichen K osten auf G rund von Vergleichszahlen

Sie stellt zunächst fest, daß die V ora ussetzung für eine internationale Regelung, das Vorhandensein nicht nur. Zutreffend be to nt die G enfe r Entschließung, daß

gen für die öffentliche H and. H ier hat schon ein stiller K rieg unter den Industrien der einzelnen deutschen Länder und auch zw ischen einzelnen B ehörden eingesetzt, der

viduellen W irtschaft. H ier baut sich, um einen bildlichen A usdruck von Sagorski zu gebrauchen, das Privatkapital jene Festungen, von denen aus es gegen

D ie deutsche chem ische Industrie ist von jeher eine A usfuhrindustrie gew esen. D er G ehalt der auszuführenden Produkte an Schw efel und Phosphor sow ie einigen

sche K unstseideindustrie in der Lage ist, allen A nsprüchen, die überhaupt an eine K unstseide gestellt w erden können, voll und ganz zu genügen, und daß es daher hier noch